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Zeitschriji fur Chemie Hartsalz Sylvinit 19. Jahrgang - September 1979 - Heft 9 - ISSN 0044-2402 Carnallitit Herausgeber : Im Auftrage der Chemischen Gesellschaft der Deutschen Demokratischen Republik Prof. Dr. Helga Dunken, Prof. Dr. Lothar Kolditz, Prof. Dr. Roland Mayer Unter Mitarbeit von Prof. Dr. R. Geyer, Prof. Dr. S. Herzog, Prof. Dr. H.-A. Lehmann, Prof. Dr. S. Rapoport, Prof. Dr. Dr. h. c. G. Rienacker, Prof. Dr. H. Sackmann, Prof. Dr. G. Schott, Prof. Dr. M. Schulz. Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. K. Schwabe und Prof. Dr. K. Schwetlick I. Zu anorganisch-chemischenProblemen der Rohstoffnutzung Von Hans-Heinz Emons, Siegfried Ziegenbalg und Lothur Kolditz Sektion Chemie der Bergakademie Freiberg VEB Mansfeld Kombinat Wilhelm Pieck, Forschungsinstitut fur NE-Metalle, Freiberg Sektion Chemie der Humboldt-Universitat zu Berlin Einleitung Die bei der Kalirohsalzverarbeitung anfallenden Magnesium- ~i~ produktion anorganischer salze ist cine der wichtigsten Auf- chloridlosungen sind auf der einen Seite ein wichtiges Nebenpro- gaben der anorganischen Grundstoffindustrie. dukt, konnen aber auf der anderen Seite wegen ihrer Menge, die nicht vollstandig einer Verarbeitung zugefuhrt werden kann, eine Tabelle erhebliche Umweltbelastung darstellen. Die Magnesiumchlorid- losungen werden zum Teil zunlchst entbromt und sind dadurch der DDR (1977) [l] neben dem Meerwasser die wichtigste Basis fur die Bromproduk- Produkt Einheit Menge tion. Produktion ausgewahlter anorganischer Produkte in Steinsalz Siedesalz NaOH Na,CO, Na,SO, KOH HCI Calciumcarbid (Basis 300 Liter C,H,/kg) Kalidungemittel Stickstoffdungemittel Phosphatdungemittel 103t 103t 103t 103t 103t t t 103 t 103 t K,O 103 t P,O, 5 103tN 2589,6 52,6 423,5 839,6 137,6 48 030 113 444 1211 3 229 838,5 402,7 Da die DDR nach der Sowjetunion innerhalb des RGW uber die bedeutendsten derzeitig bekannten Mineralsalzvorkommen ver- fugt, erwachst uns daraus die Verpflichtung, die Mineralsalzpro- duktion zielstrebig zu erweitern, und einen Beitrag zur wissen- schaftlichen und technischen Entwicklung der chemisch-techno- logischen Gewinnungs- und Aufbereitungsverfahren zu leisten. Diese Verpflichtung ist in den Dokumenten des RGW [2], [3] ver- ankert und in den Programmen des VIII. und IX. Parteitages der SED in konkreten Zielstellungen untersetzt [4]. Ein wichtiger Zweig der Mineralsalzindustrie ist mit der Gewinnung und Verarbeitung der Kalirohsalze entsprechend Bild 1 gegeben. Dabei wurden bis zum heutigen Zeitpunkt vorwiegend Sylvinite und Hartsalze verarbeitet, wahrend die Carnallitite kaum oder nur in Mischrohsalzen Berucksichtigung fanden. Die Aufbereitung des Rohsalzes bzw. der durch Solung gewonne- nen Losung erfolgt entweder nach dem HeiBloseverfahren durch Flotation, oder im Fall einer Sollosung nur durch Kristallisation und fuhrt primiir zu Kalisalzen, einem Ruckstand und einer Magnesiumchloridlosung. Die Kalisalze, die vorzugsweise als Ka- liumchlorid anfallen, werden, entsprechend Bild 2, entweder di- rekt als Dungemittel eingesetzt, oder es werden aus ihnen in nach- folgenden Prozessen alle anderen Kaliumverbindungen, wie KOH, K,CO,, KNO, usw., hergestellt. Die Bestrebungen, den relativ kleinen Anteil chloridfreier Kalidungemittel zu erhohen, halten nach wie vor an.

I. Zu anorganisch-chemischen Problemen der Rohstoffnutzung

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Page 1: I. Zu anorganisch-chemischen Problemen der Rohstoffnutzung

Zeitschriji f u r Chemie

Hartsalz Sylvinit

19. Jahrgang - September 1979 - Heft 9 - ISSN 0044-2402

Carnallitit

Herausgeber : Im Auftrage der Chemischen Gesellschaft der Deutschen Demokratischen Republik Prof. Dr. Helga Dunken, Prof. Dr. Lothar Kolditz, Prof. Dr. Roland Mayer Unter Mitarbeit von Prof. Dr. R. Geyer, Prof. Dr. S. Herzog, Prof. Dr. H.-A. Lehmann, Prof. Dr. S. Rapoport, Prof. Dr. Dr. h. c. G. Rienacker, Prof. Dr. H. Sackmann, Prof. Dr. G. Schott, Prof. Dr. M. Schulz. Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. K. Schwabe und Prof. Dr. K. Schwetlick

I. Zu anorganisch-chemischen Problemen der Rohstoffnutzung

Von Hans-Heinz Emons, Siegfried Ziegenbalg und Lothur Kolditz

Sektion Chemie der Bergakademie Freiberg

VEB Mansfeld Kombinat Wilhelm Pieck, Forschungsinstitut fur NE-Metalle, Freiberg

Sektion Chemie der Humboldt-Universitat zu Berlin

Einleitung Die bei der Kalirohsalzverarbeitung anfallenden Magnesium- ~i~ produktion anorganischer salze ist cine der wichtigsten Auf- chloridlosungen sind auf der einen Seite ein wichtiges Nebenpro- gaben der anorganischen Grundstoffindustrie. dukt, konnen aber auf der anderen Seite wegen ihrer Menge, die

nicht vollstandig einer Verarbeitung zugefuhrt werden kann, eine

Tabelle erhebliche Umweltbelastung darstellen. Die Magnesiumchlorid- losungen werden zum Teil zunlchst entbromt und sind dadurch der DDR (1977) [l] neben dem Meerwasser die wichtigste Basis fur die Bromproduk-

Produkt Einheit Menge tion.

Produktion ausgewahlter anorganischer Produkte in

Steinsalz Siedesalz NaOH Na,CO, Na,SO, KOH HCI Calciumcarbid (Basis 300 Liter C,H,/kg) Kalidungemittel Stickstoffdungemittel Phosphatdungemittel

103t 103t 103t 103t 103t

t t

103 t

103 t K,O

103 t P,O,

5

1 0 3 t N

2589,6 52,6

423,5 839,6 137,6

48 030 113 444

1211

3 229 838,5 402,7

Da die DDR nach der Sowjetunion innerhalb des RGW uber die bedeutendsten derzeitig bekannten Mineralsalzvorkommen ver- fugt, erwachst uns daraus die Verpflichtung, die Mineralsalzpro- duktion zielstrebig zu erweitern, und einen Beitrag zur wissen- schaftlichen und technischen Entwicklung der chemisch-techno- logischen Gewinnungs- und Aufbereitungsverfahren zu leisten. Diese Verpflichtung ist in den Dokumenten des RGW [2], [3] ver- ankert und in den Programmen des VIII. und IX. Parteitages der SED in konkreten Zielstellungen untersetzt [4]. Ein wichtiger Zweig der Mineralsalzindustrie ist mit der Gewinnung und Verarbeitung der Kalirohsalze entsprechend Bild 1 gegeben. Dabei wurden bis zum heutigen Zeitpunkt vorwiegend Sylvinite und Hartsalze verarbeitet, wahrend die Carnallitite kaum oder nur in Mischrohsalzen Berucksichtigung fanden. Die Aufbereitung des Rohsalzes bzw. der durch Solung gewonne- nen Losung erfolgt entweder nach dem HeiBloseverfahren durch Flotation, oder im Fall einer Sollosung nur durch Kristallisation und fuhrt primiir zu Kalisalzen, einem Ruckstand und einer Magnesiumchloridlosung. Die Kalisalze, die vorzugsweise als Ka- liumchlorid anfallen, werden, entsprechend Bild 2, entweder di- rekt als Dungemittel eingesetzt, oder es werden aus ihnen in nach- folgenden Prozessen alle anderen Kaliumverbindungen, wie KOH, K,CO,, KNO, usw., hergestellt. Die Bestrebungen, den relativ kleinen Anteil chloridfreier Kalidungemittel zu erhohen, halten nach wie vor an.

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1 Ka1i;alze I Bild 2 Magnesiumchloridlosungen

ffbersicht zur Verwendung von Kalisalzen und

I

Kalium- Kalium- Kali- Kalium- Pott- [sulfat [chlorid[salpeterl chlorat I I asche I Kalium lChlorl stoff

I I I I I I I I 1 Chekische I I I Industrie I Kaliumver- 1 Pyrotkhnik I I

I IEmailher-1 bindungen I s tel lung I

Magnesiumchloridlosung I I

I I 1 I I I

Hochfeuerfeste lagnesia-ode Frostschutz- un Magnesium und hlor bzw. lagnesiasteine Sorelzement Imprlgniermittelseine Verbindungen hlorwasserstof

Steinsalz

Speisesalz Konservierungsmittel \I ie hf u t t er Auftaumittel Kaltemischungen Physiologische Kochsalzlosung I

ChOmische Industrie

CALC IUIlFLUOR I D r=---l I I

Kerntechnik I IChemische Industriel I Silicatindustrie I I Baustoffindustrie

Aufbereitung von Kernbrenn- stoffen nit Fluor iiber UF6

I

I F ,

anoraanische Fluoride I Fluor organische Fluorverbindungen Fluorkohlenwasserstoffe (Trifluormethan CHF3, Monofluordichlormethan CHFC12, Trifluormono- chlormethan CFxC1, Difluorethan CHx-CHFz, Trifluortrichlorethan CFzCl-CClzF, Pentafluormonochlorethan CFJ-CFZCI) Sicherheitsklltemittel (Fri-dona), Treibmittel fiir Spravs,

Polyhalogenolefine (Polytetrafluorethvlen, Poly t r i f luo rmonoch lo re thy len ) Werkstoffe (Heydeflon bzw. Ekafluvin)

Kerntechnik Kryolit Na3AlF6 Aluminiumfluorid AlF3 ] KaliumhydrogenfluoriJ F-Gewinnuna I KHFz Natriumfluorid Nap tiolzschutzmittel,

Fluorosilicate Mc:(SiF6) Bautenschutzmittel Desinfektionsmittel,

Bild 4 Ubersicht zur Gewinnung, Aufbereitung und Anwendung von Fluaspat

kelt, ist der FluBspatbedarf in den letzten Jahren standig gestiegen. Es ist zu erwarten, daB in den niichsten Jahren zur Bedarfsdeckung die Fluorgehalte der Rohphosphate noch verstarkter genutzt werden. Zum Problem der fluorhaltigen Rohstoffe wird in einer Fortsetzung dieses Artikels spater berichtet. Der zweite Teil in dieser Arbeit bezieht sich auf die Gewinnung von Aluminiumverbindungen, speziell auf Aluminiumoxid aus einhei- mischen aluminiumhaltigen silicatischen Rohstoffen, wobei Fra- gen der Halogenierung noch ausgeklammert sind. Sie werden in der bereits erwahnten Fortsetzung behandelt.

1. Zum heterogenen System der ozeanisohen Salze

Grundlegende Voraussetzung zum Verstandnis und zur optimalen Fiihrung der verschiedenen Verarbeitungsprozesse von Mineral- salzen sind Kenntnisse iiber die entsprechenden Losungsgleich- gewichte und zur Kinetik der Phaseniiberglnge. Es ist daher das Anliegen vieler Arbeiten, neben der Beantwortung technologischer Fragestellungen einen Beitrag zur Erweiterung dieses Wissens- gebietes zu leisten. Wir versuchen damit eine Entwicklung fort- zusetzen, an deren Anfang Jacobus Hendricus van’t Hoff stand, dessen 185. Geburtstag wir 1977 begehen konnten. Er betrachtete

314 Z . Cl ienz . , 18. Jg. (1879) H e f t 9

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die Untersuchungen uber die Bildung der ozeanischen Salzabla- gerungen damals nicht als abgeschlossen, sondern gab dem 1905 gegrundeten Verband zur Erforschung der deutschen Kalisalz- lagerstatten Empfehlungen fur die weiteren Arbeiten, die mit den Namen d'Ans, Serowy, Autenrieth u. a. eng verbunden sind. Eine analoge Schule griindete sich in der Sowjetunion um Kurnakov, dessen Namen das Institut fur Allgemeine und Anorganische Chemie der Akademie der Wissenschaften der UdSSR tragt. Mit diesem Institut verbinden uns heute gemeinsame Forschungs- arbeiten. Wenn wir von heterogenen Gleichgewichten im Zusammenhang mit der Kalirohsalzverarbeitung sprechen, wird an erster Stelle das sogenannte quinare System der ozeanischen Salze Na+, K+, Mg2+/C1-, S0,2-//H,0 genannt. Van't Hoff versuchte, mit dem stabilen Lijslichkeitsdiagramm des quinaren Systems die Entstehung der Mineralsalzlagerstatten zu erklaren. Dabei fand er eine Kristallisationsbahn, die fur einige spezielle Meerwasserzusammensetzungen auch heute noch ihre Gultigkeit hat. Insbesondere von Valjagko [5] wurde darauf hingewiesen, daB die Meerwassereindunstung nach einem metastabilen Gleichgewichts- diagramm erfolgt, fur das der Begriff ,,Sonnendiagramm" ein- gefuhrt worden ist. Das Sonnendiagramm unterscheidet sich vom stabilen Gleichgewichtsdiagramm hauptsachlich durch das Feh- len der meisten Doppelsalze.

2K' 2Kt4

Bild 5 MgCl,-reiches Gebiet des Sonnendiagramms fur 25°C

Bild 5 enthalt als Beispiel die MgCl,-reiche Ecke des Sonnendia- gramms fur 25 "C. Die durchschnittliche Meerwasserzusammen- setzung liegt in diesem Diagramm im Bittersalzfeld. Die theoreti- sche Kristallisationsfolge stimmt mit den in der Praxis gefundenen Werten gut uberein. Damit sind auch die Voraussetzungen fur die theoretische Vorausberechnung von Eindunstungsvorgangen bei beliebiger Losungszusammensetzung gegeben. Diese heterogenen Systeme stellen gleichzeitig die Grundlage fur die Verarbeitungsprozesse dar, wobei selbstverstandlich die not- wendigen Schritte bekannt sein mussen. Weder die Vier-, Funf-

Bild 6 NaC1-KC1-Sattigungsflache des Systems Na+, Mg2+/C1-, S0,2-//H,0 bei -10°C

noch die Sechsstoffsysteme sind umfassend bekannt, so daB bei neuen Fragestellungen, z. B. durch neue Rohsalzvorkommen, be- trachtliche theoretische und experimentelle Arbeiten notwendig sind.

1.1. Einige Probleme zur Verarbeitungstechnologie con Kaliroh- salzen

Dem allgemeinen Trend, einer zunehmenden Verringerung der er- kundeten Rohstoffvorkommen, die aulerdem in den meisten Fal- len noch rnit einer Verschlechterung der Vorratsqualitat verbun- den ist, durch Verbesserung der bestehenden Verarbeitungstech- nologien und durch Suche nach Verarbeitungstechnologien fur Rohstoffe, die mit den vorhandenen nicht effektiv zu verarbeiten sind, zu begegnen, mussen wir uns auch auf dem Gebiet der Mine- ralsalzverarbeitung anschliehn.

1.1.1. Nutzen einer Tiefkuhlung

Der zunehmende Carnallitgehalt in den Sylviniten und Hartsalzen mancher Kalireviere hat z. B. zur Folge, daB zur Aufrechterhaltung eines konstanten MgCI,-Spiegels in den umlaufenden Losungen des HeiBloseprozesses laufend groBere Mengen Mutterlosung ab- gestoBen werden mussen. Diese Mutterlosungen beinhalten bei der jetzigen Kuhltemperatur von 25 "C noch betrachtliche KC1-Men- gen, die damit verlorengehen. AuBerdem sinkt durch hohere MgCl,-Gehalte in den umlaufenden Lijsungen die Aufnahmekapa- zitat der Losungen fur KCI. Bezogen auf die Tonne hergestelltes KCI mussen damit groBere Losungsmengen umgepumpt werden, was energetische Nachteile bedingt. Ein Ausweg ware, die Ar- beitsbreite des HeiBloseverfahrens in Richtung tieferer Tempera- turen zu erweitern. Voraussetzung zur Beantwortung der Frage nach der Leistungsfahigkeit einer solchen Variante ist die Kennt- nis des quinaren Systems im Temperaturbereich von 25°C bis -10°C. Als Beispiel enthalt Bild 6 die -10°C-Isotherme in der heute fur technologische Variantenvergleiche gebrauchlichen Darstellungs- weise der Projektion der KCl -NaCl-SlttigungsflLche des Raum- diagramms auf die MgS0,-MgC1,-Ebene [6]. Die NaCl- und KCl- Gehalte und die Dichten der Gleichgewichtslosungen werden als Niveaulinien eingezeichnet. Mit derartigen Diagrammen ist die luckenlose Durchrechnung von Tiefkuhlprozessen fur Fabrik- losungen moglich. Inzwischen hat sich herausgestellt, da13 eine solche Tiefkuhlung selbst fur AbstoBlosungen eines Flotationsbetriebes effektiv ist. Als Beispiel fur die polytherme Darstellung sind in Bild 7 die MgC1,-Gehalte der Vier- und Funfsalzlosungen in Abhangigkeit von der Temperatur dargestellt. Die Funfsalzparagenese bei -9,7"C mit den Salzen KCI, NaCI, NaCl * 2H,O, MgSO, - 7H,O und Na,SO,. 10H20 wurde dabei erstmalig interpoliert [7].

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\P

I N;CI-2H20,\\z , \ NaCl

Temprcfur -10 - 5 0 i ;o ;5 ;a oc ;5

Bild 7 SOq2-//H20 im Temperaturbereich zwischen - 10 und 25°C

Polytherme des quiniiren Systems K+, Na+, Mgz+/CI-,

1.2. Verarbeitung von Carnallititen

Die bekannten Verarbeitungsverfahren fur Carnallitite sind alle durch hohe spezifische Energieaufwendungen, durch den Anfall eines sehr feinkornigen Zersetzungs-KC1 und durch den Anfall groBer Mengen nicht hinreichend konzentrierter MgC1,-Liisungen gekennzeichnet. Geht man zuniichst von der Voraussetzung aus, die Zersetzung bzw. Kristallisation von Carnallit in bzw. aus waSrigen Liisungen beibehalten zu wollen, so sind umfassende kinetische Unter- suchungen notwendig, z. B. zum EinfluS hydrodynamischer Pa- rameter, der Temperatur, der NaCl- und KC1-Gehalte im Car- nallit und der NaCl- und MgC1,-Gehalte in der Zersetzungslosung des Carnallits auf die Zersetzungskinetik des Carnallits. In Bild 8 ist die Abhiingigkeit des Logarithmus der spezifischen Zersetzungsgeschwindigkeit vom Temperaturquotienten 1/T dar- gestellt. Die Daten ergeben mit einem Fehler von etwa 2% eine lineare Abhiingigkeit. Aus dem Anstieg der Geraden konnte eine scheinbare Aktivierungsenergie fur die Zersetzung von 14,32 k J - mol-l abgeschatzt werden. Daraus ist anzunehmen, d a B die Zer- setzungsgeschwindigkeit in entscheidendem MaSe durch die Dif- fusion bestimmt wird. Da natiirliche Carnallitite immer Beimengungen an KCl und NaCl enthalten, ist ihr EinfluS natiirlich von besonderem Interesse. Wir fanden dabei Verhiiltnisse, wie sie in Bild 9 dargestellt sind. Fremdstoffgehalte setzen die spezifische Zersetzungsgeschwindig- keit sehr stark herab. NaCl- und KC1-Gehalte im Carnallitit wir- ken dabei in nahezu gleicher Weise. Bei diffusionskontrollierten Stoffiibergangsprozessen sollte die Konzentration in der Phasengrenzschicht gleich der SLttigungs- konzentration bzw. in unserem Fall gleich der Gleichgewichts- konzentration an MgC1, bei der Paragenese KCI * MgCl, . 6H,O- KCl des Systems KCl-MgC1,-H,O sein. Die Abhlingigkeit der spezifischen Zersetzungsgeschwindigkeit vom MgC1,-Gehalt in der Losung miidte dann einen linearen Zusammenhang ergeben, was nach Bild 10 auch tatsachlich der Fall ist. Aus dem Anstieg der Geraden kann die Stoffubergangszahl zu 7,77 - lo-, mm * s-l ab- geschatzt werden. Mit diesen Unterlagen, die nur beispielhaft dar- gestellt wurden, ist die Gestaltung und Optimierung von Anlagen zur grofltechnischen Carnallitzersetzung moglich. Weitere Unter- suchungen sind erforderlich, um z. B. Moglichkeiten zur Steuerung der KorngroDe des durch Zersetzung erhaltenen Kaliumchlorids zu finden.

Der Stoffiibergang bei der Kristallisation von kunstlichem Car- nallit wurde unter Einsatz markierter Atome (42K) in einer kon- tinuierlichen Umlaufapparatur niiher betrachtet. Bild 11 ent- halt als erste Ergebnisse die Kristallisationsbahnen in Abhiingig- keit von der Abkiihlgeschwindigkeit.

Bild 8 Logarithmische Darstellung der spezifischen Zersetzungs- geschwindigkeit des Carnallits in Abhangigkeit vom Temperatur- quotienten 1/T in gesattigten KC1-Losungen

0 K C I

0 NaCl

22s % 10

Ffemdsto ffgeholf

Bild 9 keit des Carnallits vom Fremdstoffgehalt im Feststoff

Abhiingigkeit der spezifischen Zersetzungsgeschwindig-

Mg CI,-Geholf

Bild 10 Abhangigkeit der spezifischen Zersetzungsgeschwindig- keit des Carnallits Tom MgC1,-Gehalt der KC1-gesattigten Zer- setzungslosung

Z. Chem., 19. Jg. (1979) €left 9 316

Page 5: I. Zu anorganisch-chemischen Problemen der Rohstoffnutzung

c 400 3 e E 2 $ 300

- N - u

H 200-

100

Temperotur

Bild 11 Abhangigkeit von der Abkuhlgeschwindigkeit

Verlauf der Kristallisationsbahnen des Carnallits in

I - I

I I I

- I I I I I I I I

- I I I

1.3. Anwendung gemischter Gsungsmittel

Serowy beschiftigte sich bereits um 1960 mit dem Einsatz von Losungsmittelgemischen bei der Carnallitverarbeitung [8], [91. Mit dem Losungsmittelgemisch HCI-H,O ergab sich eine Moglich- keit zur endlosungsfreien Carnallitverarbeitung. Magnesiumchlorid wird durch HCl aus seinen Losungen, wie auch Natriumchlorid und Kaliumchlorid, ausgesalzen. Das Problem der KCl-MgCI,-Trennung kann uber eine solche Verfahrensvariante nicht gelost werden. Eine gro13ere Selektivitlt beziiglich der KCl-MgCl,-Trennung weisen Gemische aus Wasser und einem organischen Losungs- mittel auf. Als Beispiel fur das System MgC1,-Aceton-Wasser zeigt Bild 12 die 35'C-Isotherme. Dieses System weist in einem breiten Bereich der Losungsmittelzusammensetzung, etwa von 20% bis nahe 100% Aceton im Lijsungsmittelgemisch, eine Mi- schungsliicke auf. Untersucht man den Verlauf der Zweisalz- paragenese KCl-KCI * MgCI, * 6H,O und KCI . MgCI, . 6H,O - MgCl, * GH,O des Systems KC1-MgC12-H,0-Aceton in AbhLngigkeit von der Losungsmittelzusammensetzung, so ent- halt man ahnliche Darstellungen. Im System MgCL-CH,OH-H,O (Bild 13) nimmt die MgC1,-Kon- zentration in der Losung erst bei sehr hohen Methanolgehalten im Losungsmittel merklich ab. Das ist darauf zuriickzufiihren, daB das Magnesiumchlorid mit Methanol Solvate bildet, die zum Teil erstmalig gefunden wurden und die eine relativ hohe Lijslichkeit besitzen [lo], [ll]. I n Bild 14 sind die KC1-Loslichkeiten des Systems KCI-MgC1,-CH,OH-H,O bei 25OC und verschiedenen Methanol- gehalten im Losungsmittelgemisch dargestellt [12]. Danach be- obachteten wir beispielsweise bei 40% Methanol im Losungsmittel- gemisch noch MgC1,-Loslichkeiten von iiber 300 g/l000 g Lo- sungsmittelgemisch, aber nur KCI-Lijslichkeiten von etwa 20 g. Ahnlich liegen die Verhaltnisse im System KCI-NaCI-MgC1,-

Das Losungsmittelgemisch Methanol-Wasser ist nach diesen Untersuchungsergebnissen zum Einsatz bei der Camallititver- arbeitung zu diskutieren. Man konnte bereits in einem ersten Ar- beitsgang die Trennung des MgCI, vom KCl nahezu vollstandig realisieren. Nach der Losungsmittelriickgewinnung wiirde eine MgC1,-Losung sehr hoher Konzentration anfallen, die ohne weitere Eindampfung versenkbar wlre bzw. einer Weiterverarbeitung zugefuhrt werden konnte.

CHSOH-H,O.

600

I I I I I I I I I I I I I I I I I I

I

Ace ton - Konzenfru lion

L - _ ,_ - - ,_ _ - ,_ - i0 40 60 Mu-% lk

Bild 12 35°C-Isotherme des Systems MgClz-Aceton-H,O

90 80 70 60 50 40 30 20 I0 c CH3OH

Bild 13 25"C, 40°C und 55°C [lo]

Lijslichkeiten im System MgC1,-CH,OH-H,O bei 10"C,

Mg CI,- Kanzt-nfrofion

Bild 14 KC1-Loslichkeiten im System KCI-MgC1,-CH,OH-HzO bei 25°C fur verschiedene Methanolgehalte [lo] (Kurven 1, 2, 3, 4, 5, 6 entsprechen 0, 20, 30, 40, 50, 60% CH,OH)

317

Page 6: I. Zu anorganisch-chemischen Problemen der Rohstoffnutzung

Wiihrend fur chloridische Kalidungemittel bereits seit einigea Jahren trotz Absatzsteigerungen die Produktionskapazitaten groBer sind als die Absatzmoglichkeiten - nicht der Bedarf -, was in den kapitalistischen Kaliindustrien durch Produktions- beschrankungen ausgeglichen wird, ist fur chloridfreie Diingemittel eine ausgesprochene Angebotslucke zu verzeichnen. Das wichtigste chloridfreie Kalidungemittel ist nach wie vor Ka- liumsulfat. Seine Herstellung erfolgt entweder durch Umsetzung von Kaliumchlorid mit Schwefelsaure oder durch reziproke Um- setzung von Kaliumchlorid rnit einem MgS0,-haltigen Rohstoff in waDriger Losung. Da billige Schwefelsaure bei uns nicht zur Verfiigung steht und die Vorkommen an Kieserit, Kainit oder ahn- lichen MgS0,-haltigen Doppcl :%]Zen eine Erweiterung der Kalium- sulfatproduktion nur in bestimmten Fallen zulassen, beschaftigen wir uns mit einer Moglichkeit, die Sulfatgehalte in den Arbeits- losungen der Kalirohsalzverarbeitung durch selektive Fallung von Kalium-Magnesiumsulfaten rnit Methanol fur eine Kaliumsulfat- produktion auszunutzen [13]-[15]. Mit diesem Ziel wurden Ausschnitte des hexaren Systems Na+, K+, Mgz+/Cl-, S0,2-//H,0 - CH,OH im Temperaturbereich von 15°C bis 35°C untersucht [16]-[18]. Das vorliegende Untersuchungsmaterial ermoglicht folgende Aus- sage : Aus den Arbeits- bzw. AbstoDlosungen der Fabrikbetriebe kann durch Zusatz von Methanol bei Temperaturen uber 25°C Leonit und bei Temperaturen unter 25°C Schonit in guter Aus- beute ausgesalzen werden. Die Bilanzierung der Aussalzprozesse ist mit Hilfe der vorliegenden Daten durchfuhrbar. In einem zweiten Schritt mu0 der ausgeschiedene Leonit oder Schonit mit KCI zu Kaliumsulfat umgesetzt werden. Die bisher gebrauchliche reziproke Umsetzung im waBrigen Medium laBt

und K+-Ausbeuten zwischen 70 und 80% zu. Das Liisungs- mittelgemisch Methanol-Wasser ermoglicht auch hier eine Ver- besserung der Umsetzung. Wenn wir davon ausgehen, da13 die eingesetzten Stoffe NaC1-frei sind, so werden Kenntnisse zum System 2KC1 + MgSO, =

K,SO, + MgCl,/CH,OH -H,O benotigt.

Bild 15 zusammensetzung im System 2KC1 + MgSO, = K,SO, + MgCl,/CH,OH-H,O bei verschiedenen Temperaturen

Entsprechend Bild 15 sind im Losungsmittelgemisch Methanol- Wasser bei der reziproken Umsetzung K+-Ausbeuten nahe 1OOyo moglich. Eine sinnvolle Steigerung der Ausbeuten wird aber nur bis zu Methanolgehalten von 40% im Losungsmittelgemisch er- rcicht (etwa 95%). Ahnliche Verhiiltnisse sind bei den Ausbeuten fur Sulfat zu verzeichnen.

Abhangigkeit der K+-Ausbeute von der Losungsmittel-

Kalisalzlagerstttten stets beachtliches Interesse. I n zunehmendem MaBe werden dabei isotppenchemische MeBmethoden herangezo- gen. So existieren Angaben uber die Isotopenhaufigkeiten natur- lich vorkommender Salzminerale und reliktischer Salzlosungen

Sehr aussagefahig sind Untersuchungsergebnisse zum Gang der Verteilung der stabilen Isotope des Wassers wahrend der Ein- dunstung von Meerwasser und Salzlosungen [21]-[24]. In den von uns vorgenommenen Untersuchungen [25] sind in den Systemen KCl-H,O, MgCl2-H20, MgS0,-H,O, CaC1,-H,O, SrC1,-H,O und KCl-MgC1,-H,O Aussagen zum Gang der stabilen Isotope des Wassers getrennt nach Losungs- und Festkorperphase abgeleitet worden. Ziel war es, die Beitrage der Verdunstung und der Kri- stallisation auf den Gang der Isotopenverteilung, insbesondere bei der Carnallitabscheidung, zu erfassen.

[191, POI.

10

I / I I I ' i

'"100%90 80 70 60 100 % 90 80 ro 60 -gi Si

Bild 16 Gang der 0-Isotopenverteilung im System KCl-MgC1,- H,O (15°C); a) Eindunstung einer ungesattigten Losung; J. KC1-Abscheidung b) Eindunstung einer gesattigten Losung; I Losung, 2 Kristallwasser

Bild 16 zeigt als Beispiel den Gang der 1sO/160-Verteilung in Abh&ngigkeit der prozentualen Restmasse gi im System KC1- MgCI,-H,O.

gi = gi -1 (NINo) gi: prozentuale Restmasse, go = loo%, i = 1,2,3,4,. . . N: Masse nach Verdunstung, No: Masse nach Probenahme

Der Isotopieeffekt wird durch den sogenannten &We& der die relative Abweichung bezogen auf die mittlere Zusammensetzung des Meerwassers (SMOW) beschreibt, erfaBt.

RA a(R) = - RB

6 : Isotopieeffekt, a: Fraktionierungsfaktor, R : Isotopenver- haltnis 180/160 bzw. D/lH, A: Probe, B: Standard.

Im ungesattigten Bereich ist zunachst keine Fraktionierung zwi- schen Gas- und flussiger Phase nachweisbar. Ab etwa 80% Rest- masse erfolgt eine rasche Anreicherung des ls0 in der Restlosung unter KC1-Abscheidung. I m gesiittigten Bereich wird in der Lo- sung nach Durchlaufen eines Minimums l80 mit einem Fraktio- nierungsfaktor von a = 1,151 angereichert. Der Bodenkorper, der nach der paragenetischen Entstehung untersucht wurde, ist ge- genuber der Gleichgewichtslosung deutlich an '*O verarmt. Die Fraktionierung Losung/Kristallwasser nimmt zum Ende der Eindunstung hin wieder ab. Dieser Anreicherungseffekt der Lo- - - sung gegenuber dem Kristallwasser ist dadurch zu erklaren, daB in der Endphase der Eindunstung keine reine Oberfliichenver- dunstung auftritt und die Einstellung des Isotopenaustausch- gleichgewichtes zwischen flussiger und fester Phase durch die sich zum Bodenkorper hin verschiebenden Mengenverhaltnisse nicht mehr vollstandig stattfinden kann.

1.4. Zur Genese von Salzlagerstatten

Im Zusammenhang mit den weiterhin steigenden Anforderungen an die Gewinnung, Aufbereitung und Verarbeitung von Kaliroh- salzen zu hochwertigen Produkten und auch im Zusammenhang mit Bergbausicherheitsfragen besitzt das Problem der Genese von

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t i I I I / r I ' I

I

- J Bild17 dunstung im System MgS0,-H,O (15°C); 1 Losung, 2 Kristallwasser, 4 Kristallisationsbeginn

Gang der 0- und H-Isotopenverteilung bei der Ein-

In Bild 17 ist der Gang der 1*0/160- und der D/'H-Verteilung in Abhangigkeit der prozentualen Restmasse gi im System MgS0,- H,O veranschaulicht. Die Sauerstoffkurven lassen eine signifikante Fraktionierung zwi- schen Losung und Kristallwasser erkennen. Es kommt praktisch zur Ausbildung eines quasistationaren Zustands mit einer Dif- ferenz von 11,5°/00. In der Endphase der Eindunstung erfolgt wie- der eine Annaherung der Isotopenverteilung von Restlosung und Bodenkorper. Der Gang der D/lH-Verteilung zeigt, daB im Verlaufe der Ein- dunstung die Fraktionierung Losung/Kristallwasser immer mehr zunimmt und einen Wert von 45O/,, erreicht, ohne daB ein quasi- stationarer Zustand beobachtet wird. Die Anfangsphase der Ein- dunstung ist lediglich durch eine geringfugige Anderung im Grad der Anreicherungsgeschwindigkeit charakterisiert. Zwischen D- und O-Messungen besteht demnach keine Korre- lation. Bei der Beschreibung von Fraktionierungserscheinungen, insbesondere bei der Betrachtung von naturlichen Vorgangen, sind deshalb sinnvollerweise beide Untersuchungsmethoden heran- zuziehen. Die Kenntnis uber den Ablauf derartiger Verdunstungsprozesse, die in ahnlicher Weise fur die Entstehung der Kalisalzlagerstatten in Betracht gezogen werdeh mussen, und die Untersuchungen der Isotopenzusammensetzungen von Kristallwassern bzw. Salzsolen naturlichen Vorkommens ermeglichen somit, F'ragen der Genese zu diskutieren. Die vorgestellten Untersuchungen haben wir in den letzten Jahren in enger Zusammenarbeit mit der Industrie, insbesondere mit dem V E B K o m b i n a t K A L I durchgefuhrt. Dem Anliegen der Hochschulforschung entsprechend standen neben diesen starker praxisorientierten Arbeiten Probleme zu Struktur-Eigenschafts-Beziehungen konzentrierter Elektrolyt- losungen und Salzschmelzen im Blickfeld unserer Betrachtungen. Dieper Komplex muBte unter diesem Thema unberucksichtigt bleiben. Er wird jedoch mit Sicherheit in der weiteren Entwick- lung unter dem Aspekt der praktischen Anwendung der Ergeb- nisse immer groBere Bedeutung gewinnen.

2. fiber einige Grundlagen der Nutzung einheimischer aluminiumhaltiger, silicatischer Rohstoffe zur Gewinnung von Aluminiumverbindungen - speziell von Aluminiumoxid Aluminiumoxid wird als Ausgangsprodukt fur die Aluminium- gewinnung durch SchmelzfluBelektrolyse, aber auch als wichtiger Grundstoff zur Herstellung spezieller keramischer Erzeugnisse

fur Elektrotechnik und Elektronik, von Korund fur Schleif- und Poliermittel und von vielen anderen Produkten in stark steigen- dem Umfange benotigt. Auch bei anderen Aluminiumverbindun- gen, wie Aluminiumsulfat fur die Wasserreinigung oder fur die Papierindustrie, Kryolith und Aluminiumfluorid fur die Alu- miniumschmelzfluBelektrolyse, Natriumaluminat-Losung fur die Molsiebherstellung usw., steigt der Bedarf standig an. Besondere Beachtung findet daruber hinaus zur Zeit auBerdem die Herstel- lung von hochreinem wasserfreiem Aluminiumchlorid, dem neben den bekannten Einsatzgebieten in der organischen Chemie vor allem als Ausgangsprodukt fur neue energiesparende Aluminium- gewinnungsverfahren, insbesondere fur die Aluminiumchlorid- SchmelzfluRelektrolyse Bedeutung zukommt. Obwohl zur Zeit fur mehr als 90% der Produktion an A1,0, bzw. AI(OH), und damit auch fur die meist daraus hergestellten ande- ren Aluminiumverbindungen Bauxit als Rohstoff eingesetzt wird und auf der Erde auch noch umfangreiche Bauxitvorkommen vor- handen sind, finden vor allem in Industcielandern ohne ausrei- chende eigene Bauxitvorrate andere sogenannte ,,nichtbauxi- tische" a.luminiumhaltige Rohstoffe zunehmend Beachtung. I n Fortfuhrung alterer Entwicklungen werden seit einigen Jahren wieder verstarkt Grundlagenfoischungen und Verfahrensentwick- lungen zur technisch und okonomisch vorteilhaften Nutzung von Rohstoffen, wie Nephelin, Labradorit, Anorthosit, Leuzit, Alunit, Kaolin, Ton sowie von Industrieabfallen, z. P. Al,O,-reichen Kraft- werksaschen, fur die Aluminiumoxidherstellung durchgefuhrt. In der UdSSR werden bekanntlich schon seit langerer Zeit Nephelin und Alunit groltechnisch zur Produktion von Tonerde einschlieo- lich der Erzeugung rohstoffbedingter Nebenprodukte eingesetzt. Die Hauptrichtungen der Verfahrensentwicklung umfassen bei den silicatreichen Rohstoffen einerseits Sinter- bzw. Schmelzauf- schluese mit hohen Kalk- und gegebenenfalls noch Soda-Zusatzen, wobei die Kieselsaure in Dicalciumsilicat umgesetzt und der Al,O,-Inhalt als Calcium- bzw. Natriumaluminat gebunden wird. Die nachfolgende naachemische Verarbeitung des AufschluBpro- duktes fuhrt zur Abtrennung des meist der Zementproduktion ZU-

gefuhrten Dica~lciumsilicatschlammes und zur Fallung des Alnmi- niumhydroxides aus der alkalischen Losung. Im Gegensatz dazu wird andererseits bei den sogenannten mineralsauren Verfahren mit H,SO,, HCI, HNO, oder H,SO, als AufschluBsaure eine sofor- tige Abtrennung der Kieselsaure als Ruckstand von dem beim AufschluB in Losung gehenden Aluminiumoxid angestrebt. Die Tonerdegewinnung erfolgt hierbei uber die thermische oder hydro- thermale Zersetzung eines als Zwischenprodukt hergestellten de- finierten Aluminiumsalzes der jeweiligen AufschluBsaure, wobei letztere gleichzei tig zuruckgewonnen oder in Form einer Verbin- dung abgetrennt wird. Auch an speziellen Verfahren des hydro- thermalen Hochtemperaturaufschlusses der silicatischen Rohstoffe mit konzentrierten NaOH-Msungen wird gearbeitet. Die Auswahl des jeweils zweckmaBigsten Verfahrensweges hangt dabei unter anderem von Art, mineralogischer und chemischer Zusammen- setzung des Rohstoffes, von gewunschten oder zwangsllufig an- fallenden Nebenprodukten und von verschiedenen technischen und okonomischen Faktoren ab. Die Entwicklungsarbeiten sind international in vollem Gange [26]. Ihr Ergebnis, vor allem auch die technische Erprobung der Verfahrensvarianten und der dafur erforderlichen Apparate in entsprechenden Versuchsanlagen, ent- scheidet uber Eignung des jeweiligen Verfahrens und okonomi- schen Nutzeffekt der Verarbeitung der betrachteten Rohstoffe im Vergleich zu Bauxit. Es wird unter Berucksichtigung der inter- nationalen Situation auf dem Rohstoffgebiet, der Preisentwick- lung fur Rohstoffe, Energie und Transport sowie des Ruckganges der Vorriite an hochwertigen Bauxiten bei gleichzeitig steigendem Bedarf erwartet, dalj die Verarbeitung nichtbauxitischer Rohstoffe in den nachsten Jahrzehnten steigende Tendenz aufweist. Ausgehend von den Beschlussen zur langfristigen Sicherung der Rohstoffversorgung werden auch in der DDR seit mehreren Jahren wieder verstarkt Forschungsarbeiten zur Nutzung einheimischer

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aluminiumhaltiger, silicatischer Rohstoffe fur die Gewinnung von Aluminiumoxid und verschiedenen Aluminiumverbindungen durch- gefiihrt.

2.1. Einheirnische Rohstoffe der Tonerdegewinnung und ausge- wahlte Verfahrensvarianten ihrer Verarbeitung

Interessante Rohstoffe fur eine Aluminiumoxidgewinnung sind in der DDR vor allem die zum Teil in selbstiindigen Lagerstitten, zum Teil inverbindung mit der Braunkohle vorliegenden kaolinit- reichen Tone des TertGr und die groBen Vorkommen an primiren Granodioritkaolinen der Niederlausitz. Die mittlere Zusammen- setzung ausgewiihlter Ton- und Kaolinlagerstatten der DDR ist in Tab. 2 zusammengefaat. Besonders giinstig ist dabei die Zu- sammensetzung des Tones der Lagerstiitte Guttau, auf dessen Ver- arbeitung sich zur Zeit vorzugsweise die Untersuchungen orien- tieren. Die aufgefuhrten Buntkaoline bediirfen vor ihrer Verarbei- tung im allgemeinen einer mechanischen Aufbereitung zur Ab- trennung erhohter Quarz- und anderer Schadstoffanteile, stellen aber dann ebenfalls einen hochwertigen Rohstoff dar. Die Asche der in der DDR bekanntlich in gronen Mengen zur Energieerzeu- gung eingesetzten Braunkohle entspricht in ihrem Al,O,-Gehalt im allgemeinen nicht den heutigen Erfordernissen fiir eine Auf- arbeitung zu Aluminiumverbindungen. Lediglich BUS Braun- kohlenlagerstiitten in der Oberlausitz (Berzdorf-Hagenwerder) werden Aschen mit Al,O,-Gehalten von 2&32y0 Al,O, bei aller- dings gleichzeitig erhohtem Fe,O,- und CaO-Gehalt erhalten. Die Verfahrensentwicklung zur Ton- und Kaolinverarbeitung fur die Tonerdegewinnung ist im Ergebnis umfangreicher technischer und okonomischer Voruntersuchungen auf zwei Varianten des mineralsauren Aufschlusses konzentriert, deren Prinzipschemata in Bild 18 und Bild 19 dargestellt sind. Dementsprechend wird einerseits der mechanisch und thermisch vorbehandelte Rohstoff mit HCl aufgeschlossen und die nach Riickstandsabtrennung er- haltene AlCl,-Losung einer Fliissig-Fliissig-Extraktion zur Eisen- entfernung sowie anschlieaend einer Verdampfungskristallisation zur Gewinnung von AlCI, 6H,O unterworfen. Letzteres wird nach einem Spezialverfahren zu Tonerde zersetzt. Demgegeniiber erfolgt die Abtrennung des Al,O,-Gehaltes aus dem Rohstoff bei der zweiten Variante durch eine zweistufige Gegenstromlaugung mit Schwefelsiiure. Aus der AufschluBlosung wird durch Hydrolyse bei Temperaturen > 2OOOC ein basisches Aluminiumsulfat abge- trennt, dessen thermische Zersetzung und Kalzination fiihrt zur Tonerde. Der ProzeB stellt eine Weiterentwicklung eines von Scott [27] beschriebenen Verfahrensprinzips dar. Gegenstand des folgenden Beitragea sollen jedoch weniger die Probleme und Ergebnisse der technologischen oder apparatetech- nischen Verfahrensentwicklung als vielmehr einige chemische bzw. physikalisch-chemische Grundlagen dieser Prozesse sein.

Tabelle 2 Einheimische Aluminiumrohstoffe

Bild 18 Verfahrensschema des HC1-Prozesses

Ruhfuff L

Vorkommen Chemische Analyse (trocken) Mineralbestand A1,0, SiO, Fe,O, TiO, Gliih- Kaolinit Glimmer

in yo verlust in yo Tertiiirton Guttau 26-35 43-53 2-3 1-3 10-15 60-80 15-35

Haselbach 20-35 45-65 1-3 1-3 10-11 50-55 10-12 Bitterfeld 20-25 60-65 1-3 1-3 6 1 0 30-40 2 2 0 Nochten 22-28 45-50 2-3 1-2 15-20 6@65 n. b. Granodioritkaolin Buntkaolin Wiesa 22-25 50-55 3-4 (1 9-10 6 5 7 5 n. b. (ungeschliimmt) Tonschiefer TreuenIVogtland 20-25 55-60 5-10 1-2 n. b. wenig vie1

a Braunkohlenton

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2.2. Zur Gewz'nnung van Tonerde und anderen Aluminiumverbin- dungen aus eknheimischen Rohstoffen rnit mdneralsauren Verfahren

Abgesehen von der chemischen Zusammensetzung des Rohstoffes, seinem Gehalt an AI,O, sowie an anderen gewinnbaren bzw. sto- renden Komponenten und seinen physikalischen Eigenschaften ist fur die Anwendung saurer Aufschluaverfahren der Mineral- bestand von besonderem Interesse. Tone als feinkornige Sedimente weisen in Abhangigkeit vom Ausgangsgestein, von den Verwit- terungsbedingungen und den Vorgangen bei ihrer Ablagerung eine unterschiedliche chemische und mineralogische Zusammensetzung auf. Die Mineralsubstanz besteht vorzugsweise aus den bei der Verwitterung und Ablagerung entstandenen Schichtgittersili- caten sowie aus anderen Mineralneubildungen oder Verwitterungs- resten des Ausgangsgesteins, wie Quarz, Feldspat, Muskovit, Pyrit, Siderit, Calcit usw. In praktisch allen Fallen sind in den Tonen biogene Beimengungen - organische Substanzen - in gewissen Anteilen enthalten. Zu den fur die Nutzung der Tone als Rohstoffe der Tonerdegewinnung wichtigen Tonmineralen gehoren vor allem die Zweischichtsilicate der Kaolinitgruppe und der Halloysit sowie die Dreischichtminerale Illit und Montmorillonit. Bei den autochthonen Granodioritkaolinen liegen praktisch die gleichen Verhaltnisse vor, nur daB im allgemeinen die Tonminerale der Kaolinitgruppe und der Halloysit vorherrschen und anderer- seits der Anteil an Quarz, Feldspat und anderen Mineralkomponen- ten wegen des Fehlens einer natiirlichen Aufbereitung durch Trans- port und Umlagerung bei der Lagerstattenbildung wesentlich hoher ist als bei Tonen [28]. Daraus resultiert die bereits erwahnte Notwendigkeit einer Nachreinigung durch naBmechanische oder trockene Aufbereitung zur Abtrennung der unerwunschten Mine- ralanteile. Das Verhalten von Ton bzw. Tonmineralen gegeniiber Mineral- sauren wurde bereits vielfaltig untersucht [29], [30] und hangt stark vom Mineral, der Vorbehandlung und den AufschluBpara- metern ab. Die Zweischichtsilicate der Kaolinitgruppe und der Halloysit konnen durch eine thermische Vorbehandlung im Tem- peraturbereich von 550-750°C in leicht saurelosliche Formen um- gewandelt werden. Unter Dehydroxylierung und Dehydratisierung bei gleichzeitiger Zerstorung der Gitterstruktur bildet sich amor- pher Metakaolinit A1,0, 2Si0,. Im Temperaturbepich ab etwa 950°C entsteht daraus in exothermer Reaktion ein AN-Spinell, wodurch die Saureloslichkeit unter Normalbedingungen wieder stark vermindert wird. Bei den Dreischichtmineralien, wie Mus- kovit, Illit, Montmorillonit, sind die Verhaltnisse komplizierter. Sie sind im allgemeinen schwerer mit SLure aufschlieBbar. Eine thermische Vorbehandlung fuhrt auch hier in unterschiedlichen Temperaturbereichen zur Wasserabspaltung, wobei dadurch die

*mpPro/ur Of

Bild 20 Temperatur der thermischen Vorbehandlung

A1,0,- und Fe,O,-Loslichkeit in Abhangigkeit von der

Saureloslichkeit teilweise verbessert (Illit), teilweise verschlechtert (Montmorillonit) werden sol1 [30]. Der Kenntnisstand hieruber ist noch unzureichend. Fur den von uns bevorzugt untersuchten Guttauer Ton ist der EinfluB einer thermischen Vorbehandlung auf die A1203- und Fe,O,-Loslichkeit beim AufschluB mit etwa 20yoiger HC1 in Bild 20 dargestellt [31]. Die Loslichkeit der Tonminerale mit Zweischicht- und Dreischicht- struktur kann ohne thermische Tonvorbehandlung auch durch AufschluB mit erhohter Siiurekonzentration bei hoheren Tempera- turen und Drucken bis zur praktisch vollstandigen Auflosung ge- steigert werden. Damit verbinden sich allerdings dann erhohte apparatetechnische Probleme. Auch eine mechanische Aktivie- rung z.B. in der Schwingmiihle fiihrt zur Anderung der Kristall- struktur und zum Einbau von Gitterstorungen und damit zur Laslichkeitssteigerung. Jedoch ist dieser Effekt zur Zeit we- gen des hohen Energieaufwandes und aus apparativen Grunden technisch nicht nutzbar [32]. Beziiglich der Rohstoffauswahl ist dementsprechend festzustellen, daB Rohstoffe mit hohem Gehalt an dioktaedrischen Zweischichtsilicaten des Kaolinit- oder Hal- loysittyps fur mineralsaure AufschluBverfahren besonders ge- eignet sind und der AufschluBgrad durch thermische Vorbehand- lung oder auch durch Anwendung erhohter Saurekonzentrationen, Drucke und Temperaturen auf technisch interessante Werte ge- bracht werden kann. Die thermische Vorbehandlung durch Gliihen in oxydierender Atmosphare kann vor allem bei Rohstoffen mit Gehalten an organischer Substanz bzw. grobdispersen Kohlebei- mengungen erforderlich sein, um dadurch Storungen beim weiteren chemischen VerarbeitungsprozeB auszuschalten. Der salzsaure AufschluB von thermisch vorbehandeltem Guttauer Ton fiihrt in Abhangigkeit von Siiurekonzentration, Saureuber- schuB und AufschluBdauer bei Normaldruck zu einer Loslichkeit des Al,O,-Anteils von etwa 90%. Unter den fur den technischen ProzeB gunstigen Bedingungen werden rnit etwa 2O%iger HCl bei Zugabe einer stochiometrischen HC1-Menge etwa 80% des A1,0, gelost. Die envahnte schwerere AufschlieBbarkeit verschie- dener Tonminerale kommt hier zum Ausdruck. Fur das technische Verfahren ist - vor allem wegen des damit verbundenen Aufwan- des bei der anschlieBenden Reinigung der AufschluBlosung - das Verhalten anderer chemischer Bestandteile des Tones von Inter- esse. Das Ergebnis entsprechender Untersuchungen, zur Saure- loslichkeit von Verunreinigungen in Abhangigkeit von der HCl- Ausgangskonzentration ist in Bild 21 dargestellt. Aus technologi- schen Grunden wurden diese Versuche mit Tonformkorpern durch- gefiihrt. Alkali- und Erdalkalimetallanteile gehen praktisch voll- standig in Lasung, Eisen zu etwa 50-70y0 vom Tongehalt. Be- sonders interessant ist die Tatsache, daB die fur die Endreinheit des Aluminiumoxides wichtige geringe Si0,-Laslichkeit mit stei- gender HC1-Konzentration weiter abflllt. Fur TiO, wurde ein Ruckgang des primar als TiCl, gelosten Anteils von 30-80mg TiO,/l im Verlauf des Aufschlusses auf Endgehalte von 1-5 mg TiO,/l gefunden. Mit zunehmendem Saureverbrauch bei der Auf- SchluBreaktion erfolgt offeneichtlich eine hydrolytische Ausfallung des Titans [31]. Die fur die technische ProzeBfuhrung wichtige Kinetik des Auf- schlufiprozesses wird vor allem durch die KorngroBe des einge- setzten Tones und die beim LoseprozeB auftretenden Diffusions- und Transportvorgange beeinfluBt. Die trotz starker Neigung zur Agglomeratbildung sehr geringe KorngroBe des Ausgangstones (Agglomerate nach thermischer Vorbehandlung 60-100 pm, Pri- markorn 10 pm) und die damit verbundenen Schwierigkeiten der Abtrennung des feinkornigen, Si0,-reichen AufschluBriick- = standes durch Sedimentation und Filtration waren u. a. Veranlas- sung, Varianten der Laugung von Tonformkorpern (2-10 mm) zu untersuchen. In diesem Fall bestimmen zwangslaufig Diffusions- vorgange im Formkorper die Kinetik des Umsatzes. Auf Einzel- heiten dieser komplexen Problematik, die vor allem bezuglich Sedimentation und Filtration vielfaltige grenzflachenchemische Probleme aufweist, kann hier nicht eingegangen werden.

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I I I I

2Q

18

Bild 21 gigkeit von der HC1-Ausgangskonzentration

Loslichkeit von Verunreinigungen in Abhan-

Beim schwefelsauren ProzeB (Bild 19) wird demgegeniiber fein- korniger Ton mit einer 12-15y0 freie H,SO, enthaltenden Kreis- lauflosung zweistufig im Gegenstrom aufgeschlossen. Dabei wird fur den chemischen Reaktionsablauf die unterschiedliche Hydro- lyseneigung der AP+- und Fea+-Ionen in den AufschluBlosungen der beiden Stufen ausgenutzt. I n Abhangigkeit von der Aziditat, der Temperatur und weiteren Parametern bilden sich verschieden losliche basische Verbindungen des Few und des AP+, wodurch in einem durch die ProzeBfiihrung beeinfludbaren Umfang eine Abtrennung des Eisens aus der Liisung erreicht werden kann.Wah- rend im Bereich der sauren Laugung ab etwa 12OOC vor allem der Fe3+-Gehalt durch Fallung schwerloslicher basischer Verbindun- gen zuriickgeht, besteht in der sog. ,,Neutrallaugung" bei einem beziiglich der Bildung neutraler Sulfate unterstochiometrischen SO,/Al,O, + Fe,O,-Verhaltnis eine starke Abhangigkeit sowohl der Fe3+- als auch der AP+-Loslichkeit von der Temperatur. Bild 22 zeigt, daB bis zu einer charakteristischen Temperatur einer U s - lichkeitszunahme bei Aluminium eine Abnahme des Eisengehaltes gegeniibersteht, wiihrend oberhalb dieser Temperatur schwerlos- liche Verbindungen beider Metallionen gebildet werden. Die mit den Fiillungsreaktionen parallelgehende Absenkung des Alkali- gehaltes der Losungen l&Bt den SchluB zu, da0 basische Alkali- aluminium- bzw. Alkalieisensulfate rnit Alunit- bzw. Jarosit- struktur ausgefiillt werden. Die ablaufenden Hydrolysevorgange sind offensichtlich komplexer Natur und in diesen technischen Losungen keinesfalls in vollem Umfange aufgeklart. Auf die Lage

A-mperafur C Bild 22 Verhalten von A1,0, und Fe,O, bei der Neutrallaugung

der charakteristischen Temperatur und den Verlauf der Loslich- keitskurven haben verschiedene Parameter, wie beispielsweise auch der Gehalt an Fremdionen (z.B. Mg2+) in der Lasung Ein- fluB, und es mu6 auch angenommen werden, daD sich z. B. beim Eisen in Abhangigkeit von der AziditLt in beiden Laugestufen unterschiedliche Verbindungen bilden. Durch geeignete ProzeBfiihrung gelingt es bei der untersuchten schwefelsauren Verfahrensvariante auf die dargestellte Weise be- reits beim AufschluB eine fur die geforderte Reinheit der Tonerde ausreichende Abtrennung der Alkalimetalle zu erreichen und pri- mar gelostes Eisen auszuschleusen. Allerdings ist damit zwangs- Iaufig ein entsprechender, nicht riickgewinnbarer Verbrauch an Schwefels%ure,verbunden, und auch gewisse Al,O,-Verluste kon . nen vor allem bei hoheren Fe,O,-Gehalten im Ausgangston wegen der dargelegten Hydrolysebedingungen im Neutralbereich noch nicht vermieden werden [33]. Die Eisenabreicherung durch Amfaillung basischer Kalium-Eisen- sulfatverbindungen vermutlich rnit Jarositstruktur wurde friiher auch bereits bei der Entwicklung eines Verfahrens zur Herstellung von Aluminiumsulfat hoher Reinheit mit sehr geringem Eisen- gehalt durch einstufigen schwefelsauren AufschluD von Ton ange- wendet. Die Bildung der schwerlodichen basischen Eisenverbin- dung und ihre Abtrennung aus der Losung durch Adsorption am AufschluDruckstand erfolgte dabei als kinetisch langsam laufender Vorgang in einem mehrstundigen AusruhrprozeS. Al,O,-Verluste auf Grund der Bildung von entsprechenden Verbindungen des Alunit-Typs konnten auch hier nicht ganz vermieden werden [34]. Eine wichtige Zwischenstufe !iir die Tonerdeerzeugung nach dem erlauterten schwefelsauren Verfahren ist die Hydrolyse der Losung des basischen Aluminiumsulfates aus der Stufe der Neutrallaugung. Der ProzeB erfordert im Interesse hoher Hydrolyseausbeuten Temperaturen >220°C und ist aul3erdem von der Losungszu- sammensetzung und vom SO,/Al,O,-Masseverhaltnis abhangig. Er fiihrt zu einem Oxoniumalunit (H30)AI,(OH),(S0,)2, einer Zwischenverbindung, die in hoher Reinheit gewonnen werden kann und auBerdem mit 38,85% A1,0, einen fur die Weiterver- arbeitung relativ giinstigen Tonerdegehalt aufweist. Aus Literatur- angaben [35] und eigenen Untersuchungsergebnissen [36] folgt, daB die technisch wichtige Hydrolyseausbeute mit steigender Temperatur, aber abnehmender Al,O,-Konzentration in der Auf- schluD1osung zunimmt, ein niedriges SO,/Al,O,-Verhlltnis gun- stig ist und auch beispielsweise Mg2+-Gehalte in der Losung die

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Hydrolyseausbeute, d. h. den im feetenOxoniumalunit ausgebrach- ten Al,O,-Anteil nicht unwesentlich erhohen. Andererseits wird durch die Reinheit des Oxoniumalunits praktisch die Qualitat der erzeugten Tonerde bestimmt, da bei der abschlieBenden thermi- schen Zersetzung eine Abtrennung bzw. Verfluchtigung von Ver- unreinigungskomponenten kaum moglich ist. Abgesehen von dem beim AufschluB erreichten Reinigungseffekt wirkt sich die Tat- sache gunstig aus, daB Resteisengehalte der AufschluBlosung bis zu 4-5g/l, wie sie aus technologischen Griinden in der Kreislauflosung belaseen werden, bei Reduktion zu Fe2+ nur in vertretbar geringen Anteilen von <O,Olyo in Oxoniumalunit eingebaut werden, jedoch konnen wechselseitige Beeinflussungen verschiedener Faktoren negativ wirken. Letzteres gilt beispiels- weise fur Mg2+-Gehalte 210-15 g/l, die eine Erhohung der Fe,O,- Gehalte im Oxoniumalunit zur Folge haben. Die dargestellten zum Teil gegenlaufigen EinfluBfaktoren machen eine entsprechende Optimierung der Hydrolysebedingungen erforderlich. Die bei der Abscheiduug des Oxoniumalunits durch die Hydrolyse entstehende freie Schwefelsaure kann bei langsamer Abkuhlung der Pulpe vor Abtrennung des festen Hydrolyseproduktes zu dessen Rucklosung und damit zur Minderung der Hydrolyseausbeute fuhren. Dieser Vorgang ist selbstverstandlich fur die technische ProzeBfuhrung von besonderer Bedeutung. Untersuchungen zum EinfluS unterschied- licher Verweilzeiten und Temperaturen auf die Rucklosung oder zusatzliche Bildung von Oxoniumalunit in Hydrolysepulpen (Bild 23) fuhren zu der Aussage, daB vor allem im Temperatur- bereich zwischen 80 und 140°C eine mit der Zeit stark ansteigende Wiederauflosung des primar gebildeten Hydrolyseproduktes ein- tritt. Abkuhlzeiten von 90 min wurden dementsprechend zu Auf- loseverlusten von 15-20y0 fuhren, wahrend bei schneller Abkuh- lung innerhalb von 10 Minuten diese Rucklosung ( 5 % betragt

Abweichend von der soeben dargestellten Reinigung der Auf- schluBlosung beim untersuchten schwefelsauren Verfahren der Tonerdegewinnung erfolgt die Abtrennung der Verunreinigungs- komponenten beim salzsauren Verfahrensgang durch Flussig- Flussig-Extraktion, Kristallisation von Aluminiumchlorid-hexa- hydrat und zum geringen Teil auch durch Verfluchtigung bei der thermischen Zersetzung und Kalzination als Endstufe des Ver- fahrensganges. Fur die Abtrennung des Eisens aus den AufschluS- losungen (etwa 5-6 g/1 Fe3+ bei etwa 50 g/l A13+) wird die Tat- sache ausgenutzt, daB Fe3+-Ionen in Abhangigkeit vom Gehalt an C1--1onen stabile Chlorokomplexe [FeCl,]- bilden, wahrend bei AP+-Ionen diese Komplexbildung nicht eintritt. Sowohl solvati- sierende als auch anionenaustauschende organische Extraktions- mittel sind in der Lage, diese Komplexionen aus der wal3rigen Lo- sung abzutrennen und damit den Fe3+-Gehalt auf Werte <0,01mg/l abzusenken. Aus einer groBeren Zahl geprufter Extraktionsmittel- systeme wurden einerseits ein aliphatisches sekundares Amin (10 Vol.-yo, Kettenlange C,-C,) im Gemisch rnit einem Paraffin- kohlenwasserstoff (60 Vol.-Yo) als Losungsmittel und einem ali- phatischen Alkohol (30 Vol.-yo, Kettenlange C,-C,) als Modifier geeignet gefunden, andererseits ist auch Tributylphosphat (30 Vol.-yo) im Gemisch rnit dem gleichen aliphatischen Kohlen- wasserstoff bzw. Alkohol geeignet. Die Ruckextraktion des Eisens aus der organischen Phase erfolgt mit 2Yoiger HCl. Bild 24 faBt Untersuchungsergebnisse zu dieser Eisenabtrennung zusammen und enthalt auch in Technikumsversuchen bestatigte Angaben zu den fur den geforderten Abreicherungseffekt benotigten theoreti- schen Stufenzahlen. Auf Einzelheiten dieser Trennmethode kann hier nicht eingegangen werden. Die erreichten Abreinigungen beim Eisengehalt entsprechen voll den Erfordernissen. Voraussetzungen sind die Einhaltung entsprechender C1--Gehalte der Losung von etwa 230 g/l und eine vollstPndige Oxydation des Eisens zu Fe3+. Hier konnen sich Restgehalte an organischer Substanz im kalzi- nierten Ton storend auswirken. Nicht ganz vermeidbare, aller- dings im allgemeinen geringe mechanische oder durch echte Los- lichkeit bedingte Verluste an organischer Phase und damit ver-

~361.

fimm-ufk tr Cry

Bild 23 Wiederauflosung von Oxoniumalunit

fxhukbun S/uhnzab/

Bild 24 tischem Amin bzw. Tributylphosphat ; Phasenverhaltnis: oP: wP, Extraktion 0,5: 1, Reextraktion 3: 1

Flussig-Fliissig-Extraktion von Eisen mit sek. alipha-

bundene sekundare Probleme waren Veranlassung, weitere Ab- trennverfahren fur [FeC1,]--Komplexionen zu priifen, z. B. feste Kunstharzionenaustauscher. Es zeigte sich, daB stark basische (Wofatit SBT) oder schwachbasische (Wofatit AD41) Anionen- austauscher oder auch Adsorberharze (Wofatit EA) zwar die (FeC1,)--1onen aufnehmen, jedoch ist unter den Bedingungen einer kontinuierlichen Beladung von Austauschersaulen die Kinetik des Austausches bei Normaltemperatur - vermutlich wegen der hohen Viskositit der konzentrierten AlCl,-Losung - so langsam, daB die technisch nutzbare Volumenkapazitat der Harze zu ge- ring wird. Ein Arbeiten bei erhohter Temperatur (etwa 50°C) ver- bessert zwar diese Verhaftnisse, ohne daB bisher befriedigende Bedingungen erreicht werden konnten. Zwischenprodukt der Tonerdeherstellung nach dem salzsauren AufschluBverfahren ist Aluminiumchlorid-hexahydrat, das aus der gesattigten Msung in Form hexagonaler Kristalle mit von den

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Kristallisationsbedingungen, Verunreinigungskomponenten in der Losung, apparatetechnische Gegebenheiten des Kristallisators USW. abhiingigem Habitus auskristallisiert. Die sehr geringe Tem- peraturabhangigkeit der Loslichkeit, ein kleiner Dichteunterschied zwischen gesattigter Losung und Kristall, eine hohe Lijsungsvis- kositat und eine hohe Keimbildungsgeschwindigkeit bei geringer Breite des metastabilen Gebietes kennzeichnen das Kristallisa- tionssystem und beeinfluseen die Auswahl des Kristallisationsver- fahrens. Die Entwicklungen fiihrten zu einem Suspensionsumlauf- kristallisator mit kontrollierter Ubersiittigung. Fur die im Rah- men dieses Beitrages vor allem interessante Frage der erreich- baren Kristallreinheit ist die Kenntnis moglicher Mischkristallbil- dungen und der Salzparagenesen in dem System AICI,-FeCI,- MgC1,-KCI-H,O von besonderer Bedeutung, wobei Fe3+-Ionen durch die Flussig-Fliissig-Extraktion in ausreichendem MaBe ab- getrennt werden, wahrend Mg2+- und K+-Ionen in den vom Auf- schluB vorlaufenden Liisungen mit etwa 0,9-1g/l Mgw bzw. 2,5-3 g/l K+ enthalten sind. Fur FeCI, und MgCl, ist die Bildung von Mischkristallen mit AICI, . 6H,O zu beriicksichtigen. KC1 bildet keine Mischkristalle. Die Untersuchungen zum fur den prak- tischen Kristallisationsprozefl vor allem wichtigen System AlC1,-KCI-MgC1,-H,O fiihrten zur Aufstellung der Loslichkeits- isothermen fur den Fall der AlCl,-Siittigung. Bild 25 gibt die Iso-

80

60

+0

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0

%f/

Y ' 1 I I I I

Bild 25 Systems AlCl,-MgCI~-KCl-H,O bei AlCl,-Siittigung ; Kristallisat A MgCl, . 6H,O), M 5 MgCI,

Kristallisationsvorgang an der 85'C-Isotherme des

AICI, * 6H,O, K 2 KCI, C 2 Carnallit (KCI -

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Mut/ef/uuyenu&shh' %~'Au.pnysh~uny

Bild 26 Liieungs- und Kr is ta l l i sa t -Zusamtzung bei unter- schiedlichem Mutterlaugenabsto0 (85°C)

therme fur 85°C wieder [37]. Dementsprechend fuhrt ein Ein- dampfprozeB, der bei der Zusammensetzung der Ausgangslosung beginnt, unter Abscheidung von reinem, nur auf Grund der erwahnten Mischkristallbildung geringfugig verunreinigten AICI, * 6H,O bis zur Zweisalzlinie. Hier beginnt die Mitabschei- dung von KCl als Bodenkorper. Fortschreitende weitere Ein- dampfung wiirde zu dem Dreisalzpunkt AlCl, . GH,O/KCl/KCI . MgCI, * 6H,O fuhren. Die sich daraus ableitenden Verhaltnisse beziiglich Losungs- und Kristallisatzusammensetzung fur KCl und MgCI, ale Verunreinigungskomponenten und der sich ergebende MutterlaugeabstoB sind aus Bild 26 zu erkennen. Unter den diesen Betrachtungen zugrunde gelegten Bedingungen ware zur Sicherung der Reinheit der AICI, * GH,O-Kristalle ein MindestabstoB an Mut- terlauge von etwa 7% der Ausgangslosung erforderlich. Dabei ist davon ausgegangen worden, dafl keine Zusatzverunreinigung durch MutterlaugeeinschluB beim Kristallisieren auftritt und auch dem Kristall anhaftende Mutterlauge durch einen WaschprozeB ent- fernt wurde. AuBerdem wurde nicht die Moglichkeit eingerechnet, KC1 beim Zersetzungs- und KalzinationsprozeB zu verfliichtigen. Die Reinheit des AICl, . 6H,O kann selbstverstiindlich durch wiederholte Kristallisation weiter gesteigert werden, wobei ge- gebenenfalls weitere Verunreinigungskomponenten zu betrachten sind (z.B. CaC1,).

2.3. Thermische Zersetzung

Fur den Gesamtprozefl der Tonerdegewinnung nach beiden Ver- fahren des schwefelsauren und des salzsauren Aufschlusses von entscheidender Bedeutung sind die Stufen der thermischen Zer- setzung der beiden Zwischenverbindungen (H,0)AI,(OH),(S0,)2 und AlCI,. 6H,O und der Kalzination der Tonerde. Das gilt nicht nur fur die chemischen und physikalischen Eigenschaften des Endproduktes, das ja vorzugsweise fur die Schmelzfluflelektrolyse geeignet sein mufl, sondern auch fur die Siiureruckgewinnung aus den Zersetzungsgasen. Es sei nur kurz auf einige grundlegende Fragen eingegangen. Beide Verbindungen unterscheiden sich in ihrem Zerseteungsverhalten erwartungsgemPB grundlegend, in- dem der Oxoniumalunit praktisch weitestgehend getrennte Dehy- dratations-/Dehydroxylierungsstufen aufweist und SO, erst bei Temperaturen oberhalb 750°C in drei Schritten abgegeben wird,

Bild 27 DTA/DTG-Kurven der thermischen Zersetzung von Oxoniumalunit (Angaben bezogen auf die Summenformel 3A1,03 .4S03 * 9H,O)

324 Z. Chem., 19. J g . (1979) Heft 9

Page 13: I. Zu anorganisch-chemischen Problemen der Rohstoffnutzung

wahrend AIC1, . 6B,O - was bereits aus strukturellen Grunden zu erwarten ist - unter gleichzeitiger Abgabe von HCI und H,O abbaut. Die Literaturangaben uber den Abbau des Oxonium- alunits unterscheiden sich etwas, vor allem auch im Hinblick auf die Uberlagerung der Restwasserabgabe in Verbindung mit der Abspaltung der ersten SO,-Gruppe [38], [39]. Ergebnisse, die von uns auf der Basis von DTA/DTG-Messungen erhalten werden, sind in Bild 27 dargestellt,. Die Zersetzung des Aluininiumchloridhexahydrats verlauft in zwei Stufen, wobei zunachst im Niedertemperaturbereich < 200°C eine Abspaltung der Hauptmenge des H,O + HCl (etwa 6&70y0 Zersetzungsgrad) und anschlieBend in einer Hochtemperatur- stufe >12OO0C die Kalzination mit y-a-Umwandlung des AI,O, erreicht werden. Alkalimetall- und zum Teil auch Erdalkalimetall- chloride werden dabei in einem gewissen Umfange mit verfluch- tigt, so da5 eine weitere Reinigung der Tonerde eintritt. Bezuglich der chemischen Reinheit der erzeugten Tonerden kann festgestellt werden, daB sie den Analysenwerten guter Tonerden aus dem Bayer-ProzeB der Bauxitverarbeitung entspricht bzw. sie uber- trifft. Die physikalischen Eigenschaften und vor allem die Korn- form der Tonerden unterscheiden sich zwangslgufig schon auf Grund des anderen Herstellungsweges aus Hydrargillit beim Buyer-ProzeB bzw. aus den genannten Zwischenverbindungen des schwefelsauren oder salzsauren Prozesses. Die Unterschiede der Kornform zeigen sich deutlich in den als Beispiel eingefugten REM-Aufnahmen (Bilder 28, 29 u. 30) von nach verschiedenen Verfahren hergestellten Tonerden. Die physikalischen Eigenschaf- ten der Tonerden mineralsaurer Verfahren konnen durch die End- stufen des Herstellungsprozesses beeinfluBt werden, so daB eine Anpassung an unterschiedliche Forderungen in gewissen Grenzen moglich ist.

BiM 28 (600fache VergroBerung)

REM-Aufnahme von AI,O, aus dem Bayer-ProzeB

Bild 29 (GOOfache VergrbBerung)

REM-Aufnahme von AI,O, aus dem H,SO,-ProzeB

Bild 30 REM-Aufnahme von AI,O, aus dem HC1-ProzeB (600fache VergroBerung)

3. Zusammenfassende Betrachtung

Die fortschreitende Nutzung von Rohstoffen fuhrt zur Notwen- digkeit der Verarbeitung komplizierterer Ausgangsmaterialien. Dabei ist man bestrebt, die bisherigen technologischen Moglich- keiten weitestgehend zu nutzen, aber auch neue Wege der Stoff- trennung mit einzubeziehen. An den beiden dargestellten Roh- stoffgruppen wird dies demonstriert. Es zeigt sich aber ganz deut- lich, daB chemisch als bekannt angesehene Systeme im Detail ihre Schwierigkeiten offenbaren. Beim Ubergang zu anderen Aus- gangsmaterialien besteht immer die Aufgabe der Abtrennung und sinnvollen Venvertung von Begleitkomponenten, ein Problem, das nur dann einer Lijsung zugefuhrt werden kann, wenn unsere Kennt- nis uber die grundlegenden Reaktionen in den Systemen weiter ausgebaut wird. Dabei interessieren nicht nur die Vorgange in Losungen, sondern auch das Verhalten der Ausgangsstoffe beziig- lich ihrer festkorperchemischen Eigenschaften, die die Losungs- reaktion beeinflussen, die Abscheidung der Verbindung atis der Losung, die Kristallisation sowie die Zersetzungsreaktionen der festen Verbindungen. So erfordert gerade die Zielstellung der Nutzung neuer Rohstoff- systeme eine vertiefte anorganisch-chemische Erforschung der Verbindungsklassen weit iiber das bisherige MaB hinaus, was zu einer m-eiteren Belebung der anorganischen Chemie fuhren wird. Die Festkorperchemie wird in starkerem MaBe dazu herangezogen werden als bisher iiblich. SchlieBlich ist es auch notwendig, neue Wege der Verarbeitung zu finden, die technologisch realisierbar sind. Diese Probleme werden in der Fortsetzung des Artikels eine Rolle spielen.

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eingegangen am 12. Juli 1979 ZCA 6465

Neuere Entwicklungstendenzen der Carbochemiel)

Von Johannes Teubel

Sektion Chemie der Bergakademie Freiberg, Wissenschaftsbereich Organische und Brennstoffchemie, DDR-92 Freiberg/Sa

Einleitung

Die Kohle als bedeutender Primiirenergietrager, aber auch als Rohstoff fur die Chemie ist ein Basisprodukt der Entwicklung der Produktivkrafte der Neuzeit. Ihre Bedeutung in der industrie- ellen Revolution des vorigen Jahrhunderts ist klar ersichtlich. Auch in vielen Jahrzehnten unseres Jahrhunderts hat die Kohle der Entwicklung der Energiewirtschaft und der chemischen In- dustrie das Geprage gegeben und zur Abdeckung steigender Be- durfnisse der Menschheit in hohemMaBe beigetragen. In den letzten 30 Jahren jedoch ubernahmen andere fossile kohlenstoffhaltige Rohstoffe, Erdol und Erdgas, die Sicherung des steil ansteigenden Bedarfs an Energie und Chemieprodukten, da Gewinnung, Trans- port und Wandlungsprozesse gegenuber dcr Kohle deutliche tech- nische und okonomische Vorteile aufwiesen. Solche Gebrauchs- energietrager, wie Treibstoffe und Heizole oder solche Chemie- produkte, wie Dungemittel, Plaste, Elaste, synthetische Fasern, Waschmittel mit in den 50er und GOer Jahren uberdurchschnitt- lich hohen Steigerungsraten wurden nunmehr auf Basis von Erdol und Erdgas hergestellt, wahrend der Kohle in der Energicwirt- schaft lediglich zur Abdeckung der Grundlast, Elektrizitat und Warme, ein, allerdings auch gemessen an den Steigerungsraten, relativ sinkender Anteil verblieb. I n der Chemiewirtschaft verlor die Kohle bis auf Restpositionen ihre Bedeutung als Rohstoff zu- sehends. Seit einer Reihe von Jahren findet die Kohle jedoch in steigendem MaBe wieder Beachtung sowohl als Energietrager als auch als Chemierohstoff. Das druckt sich gegenwiirtig zwar noch nicht in deutlich steigenden Verbrauchsanteilen aus, aber weltweit werden beachtliche Krafte und Mittel fur die Weiterentwicklung fruherer, altbewahrter Wandlungstechnologien und Neuentwicklungen auf- gewendet . l ) Plena rvortrag zur Chemiedozententagung Gesellschaft der DDR 1979 in Freiberg/Sa

der Chemischen

1. Entwicklung und gegenwiirtiger Stand

Welche Grunde gibt es fur die neuerliche weltweite Beachtung der Kohle als Primarenergietriiger und als Rohstoff fur die Chemie ? Wenn wir uns dieser R a g e zuwenden, dann ist es notwendig, von der Entwicklung der letzten Jahrzehnte auszugehen. Auch wenn in diesem Beitrag vornehmlich die Probleme der gegenwartigen und zukunftigen Stellung der Kohle als Chemierohstoff betrachtet werden sollen, ist es notwendig, davon auszugehen, daD es zwi- schen der Energiewirtschaft und dem Teil der Chemieindustrie, der kohlenstoffhaltige Rohstoffe benotigt, eine sehr enge stoffliche und technologische Verflechtung gibt. Das beobachten wir bereits in den Anfangen, als Nebenprodukte der Kohleentgasung, ole und Teere, zu Basisprodukten der Chemie wurden cder als dieTechnologien derwandlungvon Kohle zu Brenn- gasen den Weg zum Synthesegas und Wasserstoff fur die Chemie offneten. Auch die Erdolraffinerien boten in den Raffineriegasen und im Leichtbenzin wertvolle Rohstoffe fur die Chemie an. Da- bei ist zu beachten, daB die Energiewirtschaft den weitaus grol3ten Anteil der verfugbaren Rohstoffe verbraucht und die Chemie- wirtschaft sich in deren Sog befindet.

Tabelle 1 Entwicklung der Weltenergieerzeugung, unterteilt nach Primarenergietragern. Angaben in Mrd. t SKE (nach rll)

Primarenergietrager 1930 1950 1960 1970 1980

Kohle 1,i 1,5 2,0 2,2 3,O Erdol 0,2 0,6 l , G 3,l 5,9 Erdgas 0,05 0,3 0,G l , 2 2,0

- - 0,l 0,G ifbrige 0,05 0,l 0,3 0,4 0,5 Kernenergie -

Energieerzeugung, insges. 2,O 2,5 4,s 7,O 12,O

326 Z . Chem. , 19. J g . (1979) Heft 9