Im Gespräch: Wolfgang Kubicki

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liberal hat mit dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden der FDP, Wolfgang Kubicki, über die Lage der FDP, Deutschlands Verhältnis zu den USA und über sein Verhältnis zu Parteichef Christian Lindner gesprochen. www.libmag.de

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  • 10 4.2014 liberal

    IM GESPRCH

    liberal: Der schmerzhafte Blick zurck wird sich nicht ganz ver-meiden lassen, noch ist die Talsohle wohl nicht durchschritten. Wie sehen Sie das?

    KUBICKI: Ja, wir durchwandern noch die Talsohle, aber das ist auch kein Wunder, denn die Nachhalleffekte der Regierungs-beteiligung der FDP, des Absturzes von 15 Prozent auf unter 5 Prozent sind nach wie vor vorhanden. Christian Lindner geht es ja wie mir: Unsere Veranstaltungen sind wirklich berlaufen und berfllt, die Leute sagen auch: Toll, was ihr sagt, aber warum habt ihr es die letzten vier Jahre nicht durchgesetzt? Das unter-streicht es ja noch einmal: Wir mssen neues Vertrauen schaffen. Wir haben natrlich das Riesenproblem, dass viele Strukturen in Hinblick auf Personal, Geld, ffentlichkeit weggebrochen sind. Auerdem werden von der Bundespartei derzeit nur wenige Persnlichkeiten auch von den berregionalen Medien angefragt. Abgesehen von den aktuellen Wahlkmpfen, in denen die Kolle-gen hervorragende Arbeit leisten, mangelt es uns auf Bundesebe-ne zum Teil noch an einer Visualisierung von liberaler Politik. Mit entsprechenden Wahlerfolgen knnen wir aber dokumentieren, dass wir auch wieder in der Lage sind, Menschen zu binden. Das bedeutet: Diejenigen, die Wahlerfolge fr die FDP einfahren werden, werden auch das Bild der FDP mitprgen.

    Wie ist denn die Resonanz bei den Veranstaltungen, bei denen Sie in letzter Zeit auftraten?

    Es ist sehr oft berlaufen, die Leute wundern sich ja selbst, dass sie zu kleine Sle anmieten, dass sie noch Sthle heran-schleppen mssen. Interessanterweise sind die Besucher nur zu rund 20 Prozent Parteifreunde und zu 80 Prozent interessierte Brger. Leider muss ich aber manchmal feststellen, dass meine Parteifreunde verlernt haben, am Ball zu bleiben. Wenn jemand kommt und sagt: Ich will jetzt Mitglied der FDP werden, kann ich bitte einen Aufnahmeantrag haben?, dann ist oft keiner greifbar.

    Im Onlinemarketing nennt man solche Hrden conversion killer.

    Ich war in Kitzbhel bei einer Veranstaltung mit einer Vertreterin der NEOs aus sterreich. Es war wunderbar, und zum Schluss hat der Moderator erklrt: Herr Kubicki, das was Sie sagen, ist alles wunderbar, wenn die FDP so wre wie Sie, dann wrde ich eintreten. Dann habe ich gesagt: Sehr geehrter Herr, ich bin stellvertretender Bundesvorsitzender, ich bin ein Teil der FDP. Sie knnen jetzt eintreten! hat er getan. Er ist brigens Professor fr Kommunikation und hat der FDP diese Hausaufgabe gegeben: Am Auenauftritt arbeiten, auf Leute zugehen, sie mitnehmen!Auch wenn Leute mich anpbeln, nehmen sie Kontakt mit mir auf und nehmen mich wahr. Und dann darf man nicht zurckweichen, sondern muss darauf freundlich eingehen oder mglicherweise auch mit einem bsen Spruch antworten.Bedauerlicherweise ist es in den letzten Jahren so, dass durch die vielen Einschlge einige Parteifreunde den inneren Mut verloren haben, sich solchen Auseinandersetzungen zu stellen und damit auch fr die FDP zu werben.

    Was geben Sie den Parteifreunden mit, was knnen Sie ihnen als Motivationsschub geben?

    Die Menschen wollen von uns nicht wissen, warum die anderen schlecht sind, sondern, was wir besser machen. Die Leute mssen nachvollziehen knnen, dass es ihnen am Ende des politischen Prozesses besser geht als vorher, wenn sie die FDP whlen. Kassan dra wird nicht gewhlt. Und wir mssen unsere Ideen mit plastischen Beispielen kommunizieren. Niemand whlt einen, weil man so irre sophisticated ist und alles besser wei als alle anderen. Und unsere eigenen Parteifreunde erinnere ich gerne mal daran: Ich war sechsmal Spitzenkandidat der FDP zur Landtagswahl, fnfmal ist der FDP der Untergang vorausgesagt worden, und jedes Mal haben wir erfolgreich abgeschnitten. Man

    Die Menschen wollen von uns wissen, was wir besser machenliberal hat mit dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden der FDP, Wolfgang Kubicki, ber die Lage der FDP, Deutschlands Verhltnis zu den USA und ber sein Verhltnis zu Parteichef Christian Lindner gesprochen. // INTERVIEW // DAVID HARNASCH // FOTOS // TINA MERKAU

  • 11liberal 4.2014

    kann es also auch schaffen, die Menschen dazu zu bringen, die FDP zu whlen. Es sind immerhin mehr als 30 Prozent, die sich zur FDP bekennen knnten. Wir haben die Europawahl nicht verloren, weil diejenigen Menschen, die uns whlen knnten, zu anderen Parteien abgerauscht sind, sondern weil sie in die Wahlenthaltung gegangen sind. Es gab ber 800.000 Menschen, die nicht zur Wahl gegangen sind, aber die FDP gewhlt htten, wenn es uns gelungen wre, sie hierzu zu motivieren!

    Woran mangelt es denn auer der Kommunikation? Geschlos-senheit oder Pluralitt?

    Auch in unserer eigenen Partei mssen wir wieder lernen zu akzeptieren, dass es unterschiedliche Auffassungen gibt. Es geht nicht darum nachzubeten, was der Bundesvorsitzende oder ein Stellvertreter sagt. Wir mssen wieder lernen, dass sich in Partei-en auch unterschiedliche Auffassungen und Interessen organi-sieren, und mssen das wollen. Zum Beispiel Holger Zastrow und ich: Wir sind in vielen Fragen nicht einer politischen Meinung, und trotzdem ist er vom Typ her jemand, den ich in der FDP nicht missen will, sondern er gehrt einfach dazu. Die Reibung und die Auseinandersetzung in der Sache nicht persnlich, wir mgen uns beide persnlich , die dient dann dazu, zu einem ordentlichen Ergebnis zu kommen. Auch in Schleswig-Holstein ist das so, unsere besten Parteitage waren die, wo wir sehr kon-trovers diskutiert haben ber Energieversorgung, Wehrpflicht ja oder nein, Sterbehilfe ja oder nein. Da prallten Meinungen aufeinander. Anschlieend sind alle nach Hause gegangen und auch die Unterlegenen haben gesagt, wir haben uns ordentlich eingebracht, es ist ordentlich diskutiert worden. Und am Ende muss man akzeptieren, dass es eine Mehrheitsentscheidung gab Punkt aus. Das knnen sie auch eher akzeptieren, als wenn es heit: Da hat sich der Bundesvorsitzende ber Nacht etwas berlegt und da muss die Partei folgen, weil sie sonst aussieht, als sei sie ein zerstrittener Haufen.

    Welche inhaltlichen Fehler bedauern Sie in den letzten Wochen?Die Parteifreunde mssen sich daran gewhnen, dass die Politik in der auerparlamentarischen Opposition etwas anders sein muss, als wenn man im Parlament sitzt. Eine Vielzahl von State-ments knnten sie abliefern, wenn unsere amerikanischen Bnd-nispartner wirklich darauf Wert legen wrden, was die Liberalen

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    Z U R P E R S O N

    WOLFGANG KUBICKI, 62, ist ge-lernter Volkswirt und Rechtsanwalt und mit kurzer Unterbrechung seit 1992 Vorsitzender der FDP-Land-tagsfraktion in Schleswig-Holstein. Kubicki galt lange Zeit als Enfant terrible seiner Bundespartei, wurde aber Ende 2013 auf dem Bundes-parteitag in Berlin mit fast 90 Prozent der Stimmen zum stell-vertretenden Bundesvorsitzenden gewhlt.