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Ideen sind sein Kapital: Roland Laux entwickelt im Auftrag von Lebensmittelfirmen neue Produkte. Und hat dabei ganz und gar kein schlechtes Gewissen. Interview: Sarah Kohler | Fotos: Tina Sturzenegger Ganz ehrlich: Gibt es nicht längst genug Produkte auf dem Markt? Roland Laux: Doch, auf jeden Fall. Eine durchschnittliche Schweizer Familie deckt ihren Bedarf mit 200 Artikeln ab, in einem grösseren Supermarkt stehen 30 000 bis 40 000 Artikel. Es gibt also nicht nur genug Produkte, sondern zu viele.Tatsächlich ist der Konsument heu- te überfordert und nimmt Neues kaum mehr wahr. Kein Wunder also, dass die Grossverteiler ihr Sortiment wieder straffen wollen. Trotzdem erhalten Sie von diesen – und an- deren namhaften Firmen – fleissig Aufträge. Wie muss man sich Ihre Arbeit überhaupt vorstellen? Meistens ist das Briefing eher vage. Ein Unternehmen sucht ein neues Produkt – Schokolade oder Orangensaft bei- spielsweise. Oder, etwas konkreter: Ein bestehendes Produkt läuft nicht mehr so gut. In der Regel ist auch die Zielgruppe vorgegeben, ob sich das neue Produkt also zum Beispiel an junge oder ältere Konsumenten richten soll. In einem ers- ten Schritt entwickeln wir einfach mal Ideen. Und wie tut man das «einfach mal»? Zum einen betreiben wir Forschung; wir beobachten Trends, machen Umfragen, stehen im Supermarkt und befragen Leute, nachdem sie etwas gekauft haben, oder schauen in ihre Kühlschränke. Zum andern versammeln wir im eigentlichen Innovationsprozess so verschiedenartige Menschen wie möglich, um Ideen zu generieren: Vertreter des Auftraggebers, Leute aus artfremden Industrien, Künst- ler, Querdenker, Banker, Technologen, Designer und natürlich auch Konsu- menten. Grundsätzlich sind junge Leute Im Produkte- dschungel

Im Produkte- dschungel - unico-first.comunico-first.com/dbFile/377/2013_11_Salz und Pfeffer_Im Produktedschungel.pdf · das Produkt, das aufgrund unseres Pro-totyps auf den Markt

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Ideen sind sein Kapital: Roland Laux entwickelt im Auftrag von Lebensmittelfirmen neue Produkte.

Und hat dabei ganz und gar kein schlechtes Gewissen. Interview: Sarah Kohler | Fotos: Tina Sturzenegger

Ganz ehrlich: Gibt es nicht längst genug Produkte auf dem Markt?Roland Laux: Doch, auf jeden Fall. Eine durchschnittliche Schweizer Familie deckt ihren Bedarf mit 200 Artikeln ab, in einem grösseren Supermarkt stehen 30 000 bis 40 000 Artikel. Es gibt also nicht nur genug Produkte, sondern zu viele. Tatsächlich ist der Konsument heu-te überfordert und nimmt Neues kaum mehr wahr. Kein Wunder also, dass die Grossverteiler ihr Sortiment wieder straffen wollen.

Trotzdem erhalten Sie von diesen – und an-deren namhaften Firmen – fleissig Aufträge. Wie muss man sich Ihre Arbeit überhaupt vorstellen?Meistens ist das Briefing eher vage. Ein Unternehmen sucht ein neues Produkt – Schokolade oder Orangensaft bei-spielsweise. Oder, etwas konkreter: Ein

bestehendes Produkt läuft nicht mehr so gut. In der Regel ist auch die Zielgruppe vorgegeben, ob sich das neue Produkt also zum Beispiel an junge oder ältere Konsumenten richten soll. In einem ers-ten Schritt entwickeln wir einfach mal Ideen.

Und wie tut man das «einfach mal»?Zum einen betreiben wir Forschung; wir beobachten Trends, machen Umfragen, stehen im Supermarkt und befragen Leute, nachdem sie etwas gekauft haben, oder schauen in ihre Kühlschränke. Zum andern versammeln wir im eigentlichen Innovationsprozess so verschiedenartige Menschen wie möglich, um Ideen zu generieren: Vertreter des Auftraggebers, Leute aus artfremden Industrien, Künst-ler, Querdenker, Banker, Technologen, Designer und natürlich auch Konsu-menten. Grundsätzlich sind junge Leute

Im Produkte-

dschungel

«So läuft das Spiel.» – Roland Laux mit drei Produkten aus seiner Ideenschmiede:

Der Ovomaltine-Riegel entpuppte sich als voller Erfolg, die flexible Verpackung im Dosenlook namens «StillCAN» wurde noch gar nicht lan-ciert, das «Pralinato Latte Macchiato» ist vom

Markt bereits wieder verschwunden.

Was meint der Boss? | 125

spannend; sie bringen Ideen vor, ohne gleich zu denken, diese seien ohnehin nicht realisierbar. Und Gastronomen sind ebenfalls wichtig, weil sie genau wissen, was bei ihren Gästen ankommt und was nicht. Insgesamt treffen sich 20 bis 30 Leute unter unserer Leitung, ein- bis zweimal für jeweils zwei Tage. Das ist immer spannend.

Und danach haben Sie eine Idee?Danach haben wir 200 Ideen. Gerade in der Anfangsphase soll es schnell gehen – auch damit man Fehler früh macht und gleich merkt, wenn etwas nicht funktio-niert. Die besten Ideen, die im Rahmen solcher Workshops entstehen, werden am selben Tag von Designern visualisiert, im interdisziplinären Team konzeptionali-siert und auf die Machbarkeit geprüft. Dann kreieren wir Rezepturen und legen alles sowohl Konsumenten wie auch Ver-tretern von Produktion oder Marketing

vor. So erhalten wir rasch Rückmeldun-gen zur Machbarkeit und zum Potenzial. Vom Auftrag bis zum Prototyp vergehen rund zwei Monate; bis zum Produkt ist die Dauer variabel. Viele Kunden suchen die bahnbrechende Innovation, keine Fortführung von Bestehendem. Ersteres ist aber mit Investitionen verbunden; mit neuen Verfahren, Zeit und Geld. Wer et-was völlig Neues will, braucht zwei, drei Jahre Geduld. Den «quick win» hingegen kann man in einem halben Jahr auf den Markt bringen.

Woher kommt das Bestreben nach bahnbre-chender Innovation, wenn es doch genügend Produkte gibt?Die Branche befindet sich in einer Kon-kurrenzsituation. Die Grossverteiler for-dern von ihren Lieferanten Neuheiten, damit diese ihre Regalplätze behalten können. Wenn ein Artikel nicht gut läuft, muss ein anderer her. Ausserdem schaut

jeder, was der Mitbewerber macht, auch wenn es aus Konsumentensicht nichts zusätzlich braucht. Die Frage ist längst nicht mehr, welche Erfindung man auf den Markt bringt, sondern wie man ein Produkt an den Konsumenten von heute heranträgt.

Wie meinen Sie das?Der Konsument von heute ist sprung-haft, will sich überall schnell, schmack-haft und gesund verpflegen. Es geht also darum, diesem Menschen ein Produkt überhaupt zur Verfügung zu stellen. Verpackungen oder alternative Konsu-mationsformen sind da ein wichtiges Thema. Darauf zielen wir auch mit unserem «Saladay»-Projekt ab (siehe Box, Anmerkung der Redaktion). Vor zehn Jahren hatten die Leute noch an-dere Bedürfnisse, da kaufte man nicht rund um die Uhr an der Tankstelle oder online ein.

126 | Was meint der Boss?

Schon während des Wirtschaftsstudiums an der Hochschule St. Gallen war für Roland Laux (46) klar, dass er im Ausland arbeiten wollte – am liebsten in Süd-amerika. Er bewarb sich bei Firmen, die entsprechende Möglichkeiten boten, und tatsächlich unterbreitete Nestlé ihm das Angebot für einen Job in Chile. Laux lehnte ab. Drei Wochen zuvor nämlich hatte er eine Frau kennengelernt, die er später heiraten sollte und mit der er heute zwei Kinder im Teenageralter hat. Nun, zwei Jahre nach dem ersten Angebot klappte es doch noch mit der Auslandstelle beim Lebensmittelmulti: Laux war für Nestlé im Glacebereich tätig, erst in Chile, dann in San Francisco. 2002 dann die Rückkehr in die Schweiz, wo er, der stets von der Selbstständigkeit geträumt hatte, die Firma Unico First gründete, eine «Innovationsboutique» mit Fokus auf die Lebensmittelbranche. Heute beschäftigt Laux acht Mitarbeiter, mit denen er sowohl Marktforschung betreibt als auch Lebensmittelinnovation: Im Auftrag von Firmen im In- und Ausland entwickelt das Team neue Produkte sowie Konzepte und testet diese mit Konsumenten.

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Wurst verschwand im Handumdrehen wieder aus den Regalen.

Gibt es solche Flops oft?Ganz ehrlich: Sie sind häufiger als der Fall, dass ein Produkt tatsächlich Erfolg hat.

Das klingt frustrierend.Natürlich, aber es gibt umgekehrt schö-ne Erfolgsgeschichten, die einen mo-tivieren. «Eve», zum Beispiel, oder das «Bügelbräu». So läuft das Spiel. Es wird extrem viel erfunden und es kommt ex-trem wenig davon auf den Markt und davon wiederum hat wenig wirklich grossen Erfolg.

Haben Sie eigentlich nie ein schlechtes Gewissen?Warum?

Bei Ihrer Arbeit geht es auch darum, den Konsumenten glauben zu lassen, er habe ein Bedürfnis, das er gar nicht zu haben bräuchte.Ich habe kein schlechtes Gewissen. Das ist unser Business; und ich kann mich ehrlich gesagt an keinen Auftrag erin-nern, den ich als kritisch empfunden hätte. Etwas schade ist manchmal, dass das Produkt, das aufgrund unseres Pro-totyps auf den Markt kommt, in der Rezeptur nicht mehr wirklich unseren Ideen entspricht. Es enthält mehr Zu-cker oder künstliche Aromen, die wir bei der Entwicklung aussen vor lassen. Am Ende produziert der Kunde aber, was er will, und da spielen die Kosten selbstredend eine Rolle. Das Ding wird massentauglich gemacht. Damit haben wir nichts mehr zu tun, aber durchaus unsere Mühe.

Damals gründeten Sie Ihre Firma. Welche Bedürfnisse standen in Ihren Anfängen im Zentrum?Der Convenience-Boom begann gerade. Damals galt es, Produkte zu entwickeln, die unterwegs geniessbar sind. Heute reicht das nicht mehr aus; gesund soll es sein – und nachhaltig. Auch deshalb spielt die Verpackung im Innovations-prozess immer stärker eine Rolle.

Für Ihren ersten Auftrag sollten Sie eine Rösti in Wurstform entwickeln. Wie haben Sie das in Erinnerung?(lacht) Genau. Männer essen gerne Würste, Frauen haben wegen des Fett-gehalts damit ein Problem – das war die Ausgangslage. Also etwas Fleischloses in Wurstform: Die Rösti war eigentlich toll, gewürzt und mit Käse – aber die Leute verstanden die Idee nicht. Die

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In Kooperation mit der ZHAW verfolgen Sie eigene Projekte, bei denen Sie keine Kom-promisse machen.Das stimmt. Für unsere Schokolade, die in einem neuen Produktionsverfahren entsteht, lag ein Angebot von zwei Mil-lionen Franken auf dem Tisch. Letztlich fanden wir uns aber nicht, weil man uns keine Erfolgsbeteiligung einräumen wollte. Für den in gleicher Art produ-zierten Kaffee oder den Orangensaft ohne Bitterstoffe, den wir seit einigen Jahren für «PepsiCo USA» entwickeln, entschieden wir uns für Partner, die in unserem Sinne arbeiten. Natürlich wird sich der Fokus verlagern, je besser die ei-genen Projekte laufen werden. Dennoch sind wir mit grosser Leidenschaft an den Aufgaben unserer Kunden. Wir werden heute nicht mehr als Berater, sondern als Entwicklungspartner wahrgenommen.

Ihre Firma nennen Sie «Innovationsbou-tique». Nun ist der Begriff Innovation mitt-lerweile doch recht abgedroschen. Was ver-stehen Sie darunter genau?Eine Idee, die erfolgreich auf dem Markt positioniert ist und sich über längere

Zeit durchsetzen konnte. Zuvor ist das für mich keine Innovation, sondern eine Idee, und Ideen haben viele. Ausschlag-gebend ist, was man daraus macht. Die Menschen leben im Überfluss, die Welt wartet auf nichts, deshalb glaube ich, dass es für wahre Innovation eine substanti-elle Veränderung braucht, die als solche

Seit einigen Jahren entwickelt Roland Laux in Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Wädens-wil eigene Herstellungsverfahren und Produkte – mit dem Ziel, «mehr Gutes aus dem Rohstoff ins Endprodukt zu bringen». Entstanden ist unter anderem ein neues Verfahren zur Herstellung von Schokolade, über das Salz&Pfeffer in der Ausgabe 5/2012 berichtete. Mit dem jüngsten Projekt «Saladay» will das Team den Convenience-Salat revolutionieren. «Wir fanden bei einer Studie an Autobahntankstellen heraus, dass viele Leute gern Salat nehmen würden, diesen aber nicht kaufen, weil er sich nicht unterwegs essen lässt», so Laux. «Saladay» ist ein Salat zum Trinken: Das an Gazpacho erinnernde Getränk besteht aus frischem, püriertem Salat und Gemüse sowie Gewürzen und ist 14 Tage haltbar. Die Suche nach Partnern in der Industrie läuft, erweist sich aber als schwierig: «Die Skepsis ist gross», sagt Laux, der selbst vom Potenzial «absolut überzeugt» ist.

wahrgenommen wird. Eine Innovation trifft auf ein Bedürfnis. Oder weckt ein neues. Und dann ist Innovation zwin-gend einfach: Was man dem Kunden lang erklären muss, hat keine Chance. Die beste Reaktion auf eine Idee ist simpel: «Da hätte ich doch selbst draufkommen können.»

130 | Was meint der Boss?

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