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Martin Fuhrberg www.weg-der-mitte.at Im Zentrum des Sturms Mahamudra Von Martin Fuhrberg, Nov. 2014 Um glücklich zu sein braucht es nichts. Um unglücklich zu sein müssen wir schon ganz viel tun. 1

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Im Zentrum des SturmsMahamudra

Von Martin Fuhrberg, Nov. 2014

Um glücklich zu sein braucht es nichts.

Um unglücklich zu sein müssen wir schon ganz viel tun.

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Einleitung – Seite 3

Mahamudra – Seite 5

Wo soll es denn hingehen? – Seite 7

Die Verwirrung erkennen – Seite 8

Weniger ist mehr – Seite 12

Die Praxis:

Vorbereitung – Seite 15

Hauptpraxis – Seite 16

Widmung – Seite 18

Mahamudra Yoga – Seite 19

Im Zentrum des Sturms – Seite 21

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Einleitung

An dieser Stelle möchte ich Sie als Leser sehr herzlich begrüßen. Ich versuche mitdiesem Buch, wie viele andere vor mir auch schon, das Unbeschreibliche zubeschreiben, einen Ausdruck zu finden für das, was wir nicht wirklich mit demVerstand erfassen können.

Den Buchtitel habe ich ausgesucht um zu verdeutlichen wie wichtig es ist instürmischen und hektischen Zeiten im eigenen Zentrum bei sich selbst zuverweilen. Auch wenn große Stürme bei einem Orkan oder Hurrikan toben, sobleibt es im Zentrum immer ganz ruhig.

„Mahamudra“ wiederum ist ein Begriff aus dem Sanskrit und beschreibt hier eineinnere Ausrichtung im Geiste, eine Art „Offenes Gewahrsein“ das uns mit demWesentlichen so sehr verankert, das wir im eigenen Zentrum stabil und zufriedenverweilen können, egal was geschieht. Mahamudra heißt wörtlich übersetzt „Dasgroße Siegel“ wird aber auch mit „Die große Gegenwart“ übersetzt. Es finden sichsicher noch mehr Übersetzungen, wie etwas „Die Natur des Geistes“ usw. …

Es geht mir in diesem Buch aber nicht um eine wissenschaftliche odergeschichtliche Erklärung von Mahamudra, sondern um die Praxis von Mahamudra.Die Mahamudra Praxis beschreibt eine Möglichkeit sich dem Wesentlichen soweitzu nähern, bis man es direkt realisieren kann. Dieses direkte Erkennen undRealisieren der letzten Wirklichkeit erzeugt in uns ein tiefes Glücksgefühl, das nichtmehr bedingt und daher von Dauer ist.

Diese Praxis hilft uns ein offenes und reines Gewahrsein zu entwickeln, so dass wirspontan die Wirklichkeit aller Erscheinungen erkennen, frei von unserenVorstellungen und Konzepten über das was wir glauben gerade wahrzunehmen.

Ich selber habe mir diese Praxis ausgesucht weil sie einerseits unglaublich einfachund direkt ist und andererseits die Religionen überschreitet, da es eine allgemeingültige Wahrheit ist die man nicht künstlich erzeugen kann. Es geht hier umallgemeine Wahrheiten und nicht um religiöse Praktiken.

Im Buddhismus und im Hinduismus wird diese Praxis schon lange gelehrt, ich habemir erlaubt sie so frei zu übernehmen und für mein Verständnis zu transformieren,so dass sie auch für jeden Mann und jede Frau auch ohne religiöse Zuordnungzugänglich sein kann. Außerdem glaube ich, dass wir unsere Philosophien und

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Religionen unbedingt an die aktuelle Zeit anpassen dürfen, solange die Essenz diegleiche bleibt, und das ist hier der Fall so hoffe ich zumindest.

Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei meinen beiden MeditationslehrernAugust Höglinger und Lama Öser Bünker bedanken. August Höglinger hat mir denEinstieg in die Meditation erleichtert und mich Jahrelang begleitet. Lama ÖserBünker hat mir auf sehr einfache und natürliche Weise den Kern der MahamudraPraxis nahe gebracht, den er von Gendün Rinpoche einen großen Mahamudra-Meister seiner Zeit, persönlich vermittelt bekam.

Ich erwähne die Namen an dieser Stelle, da die Übertragungslinie im Buddhismuseine große Rolle spielt und Mahamudra auch durch direkte Übertragung erfahrenwerden kann, vorausgesetzt die Übertragung findet durch einen authentischenMeister statt und Gendün Rinpoche war so einer.

Ich habe in meinem Skriptum keinen Anspruch auf korrekte geschichtliche oderreligiöse Wiedergabe der Mahamudra Praxis aus dem Buddhismus oderHinduismus. Die Essenz dieser Praxis, die alle Religionen überschreitet steht hier fürmich im Vordergrund, diese versuche ich auf meine persönliche Art zu vermitteln,basierend auf meine eigenen Erfahrungen.

Mögen sich dennoch Fehler in meiner Persönlichen Wiedergabe von Mahamudraeingeschlichen haben, bitte ich dies zu verzeihen.

Danke und viel Freude beim Lesen,

Martin Fuhrberg

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Mahamudra

Wie in der Einleitung schon erwähnt gibt es viele Übersetzungen und Deutungenvon Mahamudra. Für mich bedeutet Mahamudra das innere Erkennen der letztenWirklichkeit, das direkte erkennen wie die Dinge wirklich sind. Das ist keinverstandesmäßiges oder intellektuelles erkennen und deuten, es ist eine direkteErfahrung der eigenen Essenz und es geschieht durch kommentarlose, direkte,nicht-duale und reine Wahrnehmung. Diese direkte Erfahrung ist auch durch nichtszu ersetzten.

Dieses direkte Erkennen ist für mich deshalb von großer Bedeutung, weil wir durchdas erfahren der Wirklichkeit all unser Greifen nach den Dingen die uns scheinbarglücklich machen, augenblicklich verlieren. So entsteht in unserem Geist eine tiefeFreude und vollkommene Entspannung. Es ist das Nicht-Erzeugte das uns wirklichglücklich sein lässt, es ist das spontan Natürliche, das aus sich selbst existierende,das uns tiefen Frieden erfahren lässt. Leider haben wir aber vom Nicht-Erzeugtenkeine Vorstellung oder Idee.

In der Regel erzeugen wir in unserem Geist die eine oder andere Vorstellung vondem was wir gerade wahrnehmen und verfälschen dadurch unsere Wahrnehmung.Mahamudra ist eben das Nicht-Erzeugte, das Direkte, das Natürliche aus sich selbstheraus Entstandene, fern unsrer Interpretation, das Absolute eben, die letztlicheWirklichkeit.

Gendün Rinpoche, der Lehrer von Lama Öser Bünker, erklärte die Mahamudra Meditation so: „In der Mahamudra-Meditation lässt man den Geist in einem Zustand von Frieden und Glück verweilen, so dass Körper und Geist entspannt sind. Aus diesem entspannten, offenen und unerschütterlichen Zustand kann man unmittelbar die Essenz des Geistes erkennen und zur Buddhaschaft erwachen.“

Mit der Essenz des Geistes ist die Essenz von allem gemeint, da man in bestimmtenbuddhistischen Richtungen davon ausgeht, dass alle Erscheinungen unser Geistselbst sind.

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Ferner sagt Gendün Rinpoche:

„Wenn wir alle dualistischen Konzepte von Existenz und Nicht-Existenz, Subjekt undObjekt aufgeben, betreten wir den Bereich der Wirklichkeit, wo die verschiedenenAspekte der Erscheinungsformen völlig untrennbar sind. Auf diesen Bereich, der dieeigentliche Essenz der Wirklichkeit ist, weist der Begriff Mahamudra hin.“

Hier merken wir schon, das Mahamudra auch immer ein Hinweis auf Einheit ist.Solange wir alles unterteilen und im Geist zerlegen, erzeugen wir durch die dualeWahrnehmung nur Verwirrung und Leid. Erkennen wir jedoch dass alleErscheinungen in ihrer Wirklichkeit keiner Dualität angehören, kehrt augenblicklichFrieden in uns ein.

Mahamudra im Alltag kann man durch die wertfreie Wahrnehmung üben. In der„Mahamudra-Wahrnehmung“ gibt es keine dualistische Wahrnehmung, keinFesthalten und kein Ablehnen von dem was wir wahrnehmen. Alles ist die eineWirklichkeit, alles ist das Eine. Diese höchste Sicht können wir im Alltag lernen undüben.

Mein persönlicher intellektueller Zugang zu Mahamudra ist mit folgenderVorstellung verknüpft:

Was bleibt über, wenn wir alles was wir in unserem Geist künstlich erzeugt habeneinfach mal weglassen könnten, nur für einen Moment?

Was bleibt in unserem Geist über, wenn wir nur für einen kleinen Augenblick allesweglassen, was wir glauben, was wir wissen oder was wir glauben zu wissen? Wennwir quasi alles künstlich Erzeugte in unserem Geist weglassen?

Das was überbleibt ist dann die Nicht-Erzeugte Wirklichkeit selbst, Mahamudra, dasgroße Siegel, die große Gegenwart, die Natur unseres Geistes, das Wesentliche, dieletzte Wirklichkeit, der Grund allen Seins, das reine Sein, Gott selbst…

Der Name spielt letztlich keine Rolle, aber die Erfahrung des nicht zu fassendenentscheidet über unser Glück und Unglück.

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Wo soll es denn hingehen?

Haben Sie sich schon mal die Fragen gestellt: Wo soll es denn hingehen? Was istdenn das Ziel meiner ganzen Bestrebungen? Wann ist es genug?

Oft haben wir etwas erreicht von dem wir glaubten es sei für unser Glückunheimlich wichtig und kaum ist es da, suchen wir schon das Nächste, da dasersehnte Glück nicht eingetreten ist. Dann nachdem wir das Nächste erreicht haben– wieder dasselbe, und so weiter. Unser Glück will sich nicht so recht einstellen undso hassten wir von einem zum anderen, immer auf der Suche. Ganz schönfrustrierend, oder?

Aber was suchen wir eigentlich? Wissen Sie, was sie wirklich suchen? Damit solltenwir uns wirklich mal auseinander setzten. Vielleicht haben Sie ja schon gefundenwas Sie eigentlich suchen? Das wäre ja richtig blöd. Stellen Sie sich mal vor Siesuchen etwas ihr ganzes Leben, was Sie eigentlich schon haben, Sie sehen es nurnicht.

Und so ist es wirklich!

Das was wir suchen ist eine tiefe innere Zufriedenheit. Es ist eine Art Befreiung, esist eine Glückseligkeit die uns unbedingten inneren Frieden schenkt. Und jetzt malehrlich: Haben Sie das schon gefunden? Nein? Das liegt wohl daran, dass Sie dieseZufriedenheit, dieses Glück immer Außerhalb von sich gesucht haben, dabei istdieses Glück, diese Zufriedenheit, das vollkommene Erwachen und alles was Siedamit verbinden bereits in Ihnen und wartet sehnsüchtig darauf entdeckt zuwerden.

Es ist schon komisch, wir haben uns so bemüht, wir haben so viel Fortschritt, soviele Dinge die uns anscheinend das Leben erleichtern, wir haben viel Wissen, wirhaben Medizin um keine Schmerzen erleiden zu müssen, wir haben in denwestlichen Ländern wirklich fast alles…außer tiefe Zufriedenheit.

Verstehen Sie mich nicht falsch, auch ich schätze Wohlstand, Komfort undFortschritt, aber ich weiß dass diese Dinge uns nicht unser ersehntes Glück bringen.Manchmal sogar im Gegenteil, wir hängen so sehr an dem was wir haben, das wirfür das Wesentliche, die Wirklichkeit, kaum Raum haben. Wir sind so damitbeschäftigt unser Leben noch angenehmer zu gestalten, das wir mit uns selbstkaum noch in Berührung kommen.

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Hier empfiehlt sich das Innehalten. Bleiben Sie doch mal kurz stehen, tun Sie dochmal kurz nichts und überlegen einfach mal: Wo soll es denn hingehen und bin ich amrichtigen Weg dorthin?

All meine Bemühungen haben noch nicht den dauerhaften und gewünschten Erfolggebracht, vielleicht sollte ich doch mal etwas anders probieren, aber was? Für denAnfang wäre es genug wenn wir mal wissen würden was sozusagen schief läuft.Was ist denn der Grund für unsere Unzufriedenheit und warum erreichen wir diegewünschte Zufriedenheit nicht auf Dauer, egal was wir tun?

Die Verwirrung erkennen

Unser Geist agiert in der Regel sehr einfach: Er will etwas haben oder er will etwasnicht haben, er hält etwas fest oder er lehnt etwas ab. Diese zwei Bewegungen inunserem Geist sind für unser Glück und Unglück sehr entscheidend. Fast denganzen Tag pendeln wir zwischen haben wollen und nicht haben wollen, zwischenFesthalten und Ablehnen hin und her. Überprüfen Sie es selbst in Ihrem Alltag.

Beide Bewegungen, also das Greifen aber auch das Ablehnen entstehen nur ausdem Glauben, das wir von dem, was wir wollen oder auch nicht wollen, getrenntsind.

Das Wollen, die Gier, die Sucht und allen anderen ähnlichen Bewegungen inunserem Geist entstehen nur aus dem Gefühl das uns etwas zu unserem Glück fehlt.Wir glauben hier, dass wenn wir dieses oder jenes bekommen, werden wir zufriedensein. Das mag sogar manchmal mehr oder weniger der Fall sein, aber auf alle Fällewird unser Glück nur von kurzer Dauer sein, da alles was wir wahrnehmen könnenimmer unbeständig und vergänglich ist. Das heißt wir werden es wieder verlieren,es wird sich verändern. Darüber hinaus haben wir auch schon oft die Erfahrunggemacht, dass uns das ersehnte gar nicht so glücklich macht wie wir es vorhergeglaubt haben.

Das Ablehnen, das nicht haben wollen, entsteht ebenso nur aus der Annahme etwassei außerhalb und getrennt von uns und wir müssen es fernhalten, sonst geht es unsnicht gut. Wir versuchen zum Beispiel die Schande, den Schmerz, den Verlust undden Tadel von uns fern zu halten, da wir sonst Leiden. Manchmal erzeugt das

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Fernhalten der Schande zum Beispiel und die damit verbundene Anstrengung mehrLeid für uns und unsere Umgebung als die Schande selbst.

So sind wir nun gefangen in der Anstrengung etwas erreichen zu wollen oder etwasabwehren zu müssen. Jede Art der Entspannung ist so nicht mehr möglich und es istaber die Entspannung die uns das Glück und den Frieden bringt die wir uns so sehrwünschen. Leider erkennen wir das nicht und versuchen immer mehr zu wollen oderabzulehnen in der irrigen Hoffnung dass es irgendwann gut wird. So aber wird dieAnspannung größer und es wird immer schlimmer.

Der Kern der Verwirrung liegt in unserer Annahme, dass alles was wir wahrnehmen,eine eigene und unabhängige Wesenheit besitzt und somit von uns getrennt ist. Esist der Glaube dass das Objekt unserer Begierde, zum Beispiel Reichtum, eineeigene Reichtum-Wesenheit bzw. Identität besitzt, die dann natürlich von unsgetrennt ist. Aber wir können noch so viel Reichtum besitzen, das tiefe Glück wirdsich nicht dauerhaft einstellen, weil wir mit der Meinung: „Der Reichtum hat eineeigene Wesenheit“, immer Trennung erzeugen werden. Egal wie viel wir besitzen,das Haben hat noch nie zum dauerhaften Glück geführt, das Sein dagegen schon,weil wir im Sein kein Gefühl der Trennung kennen.

Würden wir direkt und wirklich erkennen, dass wir in unserer Essenz von nichts undniemanden getrennt sind und würden wir erkennen das alle Erscheinungen nurunser Geist selbst ist, würden wir in diesem Augenblick aus unserer Illusionerwachen und unsere ersehnte Zufriedenheit stellt sich dann von ganz alleine ein.

Jede Art von Trennung in unserem Verstand ist nur eine Illusion unseres dualdenkenden Verstandes und erzeugt Leid. Immer wenn wir etwas voneinandergetrennt wahrnehmen sind die Auswirkungen Leid und Unglück. Selbst wenn wiretwas nicht mögen erzeugt die Abspaltung tief in uns drinnen Leid. Dadurch dasswir alles in Gut und Böse, in Hell und Dunkel, in Glück und Unglück aufspaltenerzeugen wir Leid. Wir versuchen das eine zu vermeiden und sind stets auf derSuche nach dem Anderen. Heilung wird in diesem Zusammenhang auch alsGanzheit verstanden.

Überwinden wir also unsere Illusion der Trennung werden wir Ganz und Heil. DieseIllusion der Trennung überwinden wir durch das direkte Erkennen der Wirklichkeitdurch die Mahamudra Meditation.

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Mahamudra lehrt uns an dieser Stelle das in Wirklichkeit alle Erscheinungen vongleicher Natur sind, nur unser Verstand spaltet alles in zwei oder mehrere Teile auf.In der Mahamudra Praxis lernen wir die Dinge als Eins zu erfahren, ich könnte auchsagen: Erkenne in allem Gott!

Im ersten Augenblick unserer Wahrnehmung zum Beispiel ist alles einheitlich, offen,natürlich und wirklich und im nächsten Augenblick erscheinen unsere Erfahrungenin Form von Gedanken in unserem Geist und wir sehen nur noch unsere eigenenVorstellungen von dem was wir wahrnehmen, nicht aber die Wirklichkeit.

Ein Beispiel:

Wenn Sie zum ersten Mal eine Kerze betrachten, haben sie noch keine Erfahrungüber die Kerze, Sie wissen dann noch nicht einmal den Namen „Kerze“. Siebetrachten nun die Kerze ohne jegliches Wissen darüber, ohne das Konzept „Kerze“und ohne jegliche Erfahrung über die Kerze, so kommen sie der Wirklichkeit derKerze schon sehr nahe. Je mehr Sie nun aber über das Objekt „Kerze“ wissen und inErfahrung gebracht haben umso weniger sind sie in der Lage dieses Objektunzertstreut und frei von jeglicher Vorstellung zu sehen. Sie nehmen so nur nochihre eigene Meinung über das Objekt „Kerze“ wahr, nicht aber die Wirklichkeit desObjektes selbst. Und das tun wir in allen Bereichen so, egal ob wir ein Objekt mitNamen Kerze betrachten, unseren Partner oder uns selbst, wir sehen nie dieWirklichkeit des Objektes, sondern nur unsere eigene Vorstellung von dem was wireigentlich sehen. Das ist unsere größte Verwirrung.

Auch wenn wir die Wirklichkeit der Phänomene und Erscheinungen noch nichterkannt haben, so hilft es uns schon sehr weiter das wir mit Bestimmtheit sagenkönnen: Das einzige was wir Großteils wahrnehmen, sind unsere eigenen Konzepteund Vorstellungen im Geist, nicht aber die Wirklichkeit selbst.

Probieren Sie es mal selbst aus: Betrachten Sie doch einfach mal etwas in IhrerNähe, schauen Sie es sich genau an. Wenn Sie sehr achtsam sind, werden Siemerken dass Sie sofort mit einer Beurteilung des betrachteten Objektes beginnen.Ist es gut für mich oder schlecht? Sofort beginnen Sie zu unterteilen in schlecht odergut. Ist es gut möchte ich es haben, ist es schlecht, lehne ich es ab und versuche esvon mir fern zu halten. Die Beurteilung die wir hier machen ist dann immer eine

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Erfahrung aus der Vergangenheit. Deswegen verbringen wir die meiste Zeit in derVergangenheit, wir kramen in unseren Erfahrungen.

Das gilt natürlich für alle Sinneswahrnehmungen, das Hören, Fühlen, Schmecken,Riechen und natürlich auch für unsere Emotionen und Gedanken. Die Gefühle undGedanken sind weder eigenständig und unabhängig, noch sind sie so wie sieglauben, Sie nehmen nur Ihre eigene Vorstellung davon wahr.

In dem Moment, wo Sie über das was Sie wahrnehmen nicht nachdenken, es nichtanalysieren, kommentieren oder konzeptionieren, kommen Sie der Wirklichkeitschon einen großen Schritt näher.

Also nochmal zusammengefasst: Der Kern unserer Verwirrung und unseres Leids istdie Illusion des Getrennt-Seins, die Aufspaltung jeglicher Erfahrung die wir machen.Es ist die Vorstellung dass die Dinge getrennt voneinander existieren, dass es realeDualität gibt und dass alle Erscheinungen eine eigenständige voneinanderunabhängige Wesenheit haben.

Erst durch Herzöffnung und Entspannung entsteht eine Klarheit, die uns erkennenlässt wie die Dinge wirklich sind, nämlich getrennt erscheinend und dennochgleichzeitig eins. Alle Erscheinungen sind der Geist selbst, anders ausgedrücktkönnte man sagen: Alle Erscheinungen finden nur im Geist statt.

Das ist selber leicht nachprüfbar indem wir der Frage nachgehen: Wo nehmen wirdenn all das wahr, was wir wahrnehmen? In den Schriften mancher Religionen heißtes dass der Geist das Kontinuum ist das wahrnehmen kann. Das wiederum heißt,das alles was wir wahrnehmen im eigenen Geist zu finden ist. So wird langsam allesklarer und wir beginnen aufzuwachen. Um wirklich klar zu sehen braucht es abernoch etwas sehr wichtiges: Die Entspannung.

Entspannung können wir genauso wie Mahamudra nicht künstlich erzeugen. Beidesentsteht von alleine durch einfaches Loslassen.

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Weniger ist mehr

Aus meiner praktischen Erfahrung weiß ich, dass Entspannung eines derangenehmsten Gefühle und Erfahrungen ist. Ist man entspannt hat man keinerleiAngst oder Probleme, man fühlt sich nur unglaublich wohl und macht sich keineGedanken oder Sorgen um etwas. Ein entspannter Mensch ist weder aggressiv oderjähzornig, er ist auch nicht traurig oder depressiv, er ist eigenartiger Weise nurentspannt und natürlich, fühlt sich wohl und dadurch selbstvergessen. Er denktnicht über sich nach.

In der Entspannung planen wir nichts für die Zukunft und überlegen auch nicht waswir tun könnten, damit es uns besser geht. Nein, wir sind in der Entspannungeinfach nur ganz da, jetzt in diesem Augenblick, offen, frei und gelöst. Das ist pureEntspannung. Das ist pures Glück.

Aber wie kommen wir dorthin? Vielleicht formulieren wir die Frage erst anders:Warum bin ich so wenig entspannt? Das wiederum liegt an unserer Anspannung.Wir sind unglaublich viel mit unglaublich vielen Dingen beschäftigt. Unsere Deviselautet: Mehr ist noch zu wenig!

Dabei darf es heißen: Weniger ist mehr!

Ich habe in diesem Zusammenhang die Erfahrung gemacht dass das Tun selbst garnicht so anstrengend ist, aber das Tun mit vielen verschiedenen Dingen gleichzeitigist sehr anstrengend. Die Tatsache, dass wir uns kaum noch auf eine einzige Sacheeinlassen können ist sehr anstrengend. Obwohl wir hier sind, denken wir an dort.Wir fahren Auto und telefonieren gleichzeitig, während wir eine andere CDeinlegen. Wir gehen zu Fuß, während wir unser Handy betätigen und gleichzeitigauf den Verkehr achten.

Das wohl größte Problem unserer Zeit ist, das wir versuchen möglichst viele Dingegleichzeitig zu tun, um damit möglichst viel zu erreichen.

Wir kommen nirgends mehr an, weil wir uns keine Zeit mehr für das nehmen, waswir gerade tun. Das fördert nicht nur unser kommendes Burnout, es macht uns auchzunehmend lebloser und depressiver.

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Wenn wir uns zum Beispiel zu einem meditativen Weg des Erwachens entschließen,ist das erste was wir lernen dürfen ein Eins-Gerichteter Geist. Das heißt ganzeinfach, wir lernen uns wieder auf eine einzige Sache zu konzentrieren, damit unserGeist stabil wird:

Wenn ich gehe, gehe ich. Wenn ich esse, esse ich. Wenn ich telefoniere, telefoniereich. Wenn ich Auto fahre, fahre ich Auto. Das ist alles!

Ursprünglich dachten wir wohl dass uns der Fortschritt erhebliche Erleichterungbringt. Das mag auch in einigen Bereichen der Fall sein, aber die Erleichterungendet dort wo wir immer mehr angespannt sind, weil wir mit den Anforderungender Erleichterungen nicht mehr klar kommen. Dadurch, dass das Telefonierenimmer leichter und einfacher wird, machen wir es immer öfter gleichzeitig mitanderen Tätigkeiten und das ist der Wurzel übel. Wenn Sie beim Gehen nur gehen,beim Essen nur essen… usw, dann wird Ihr Leben immer einfacher, natürlicher,freudiger und lebendiger.

Gehirnforscher haben herausgefunden, dass unser Gehirn nicht in der Lage ist zweiDinge gleichzeitig zu tun. Das heißt, wenn wir Autofahren und gleichzeitigTelefonieren, dann tun wir das nicht wirklich gleichzeitig, sondern unglaublichschnell nebeneinander…Autofahren – Telefonieren - Autofahren – Telefonieren -Autofahren – Telefonieren - Autofahren – Telefonieren - Autofahren – Telefonieren -Autofahren – Telefonieren -….na, ist schon beim Lesen anstrengend oder?

Um wirklich entspannt zu sein empfehle ich die Regel: Weniger ist mehr. Wenigergleichzeitig tun ist mehr vom Leben im Hier und Jetzt. Weniger gleichzeitig tun istmehr vom Glück im Hier und Jetzt.

Ein einfaches Beispiel: Wenn Sie sich einem Menschen in der Zeit der Begegnungganz widmen, also ganz da sind bei dieser Person, wird das die Person als sehrangenehm empfinden. Würden Sie aber die ganze Zeit während der Begegnungsich noch mit etwas anderem beschäftigen, so würde diese Person das alsunangenehm empfinden.

Weniger ist mehr bedeutet noch viel mehr: Lassen Sie los, was Sie nicht mehrbrauchen. Lassen Sie sich vom Leben tragen. Wir halten so viel fest, was wireigentlich nicht mehr brauchen, wir belasten uns nur damit.

Alles was Sie besitzen, besitzt auch Sie. Das heißt nicht dass wir wie Asketen im

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Wald leben sollen, aber vielleicht ist es sehr befreiend nur das zu besitzen, was Sieauch wirklich brauchen. Wir glauben dass wir so viele Dinge benötigen damit es unsbesser geht, damit es bequemer wird. Ich garantiere Ihnen, es ist egal ob Sie aufeiner Holzbank sitzen oder in einem Leder Sofa, nach 10 Minuten ist beidesunbequem.

Es ist aber letztlich nicht der Besitz selber der uns nicht entspannen lässt sonderndie Sorge darum. Also entweder lassen Sie die Sorge los oder Ihren Besitz…ich hoffeSie haben jetzt keine Angst bekommen und wenn ja, dann sind Sie schon amrichtigen Weg.

Um es nochmals zu verdeutlichen: Das was uns wirklich leiden lässt ist dieBeschäftigung mit mehreren Dingen gleichzeitig und das wir damit so viel erreichenwollen. Das überfordert uns erheblich.

Wenn wir es zum Beispiel schaffen in der Meditation mit unserer Achtsamkeit nur 5Minuten bei einer einzigen Sache zu bleiben, stellt sich in unserem Geist ein tiefesGlücksgefühl ein. Das ist eine erwiesene Tatsache, probieren Sie es selbst einmal.Allerdings garantiere ich Ihnen, das Sie ungeübt am Anfang nicht mal 10 Sekundenschaffen bei einer einzigen Sache zu bleiben ohne das Sie im Geiste schon an wasanderes Denken. Das ist aber Übungssache, das kann man lernen.

Reduzieren Sie Ihr Leben auf das Wesentliche. Das Wesentliche ist das einzige dassSie auf Dauer glücklich sein lässt. Sie können Häuser besitzen, Firmen haben usw.,all das ist kein Problem, solange Sie ihren uneingeschränkten Fokus nicht auf IhrenBesitz legen und alles festhalten. Sonst entsteht Sorge und Gier und mit derEntspannung ist es dann zu ende.

Weniger ist mehr bedeutet also einerseits: Bleiben Sie achtsam nur bei einer Sache,und andererseits: Reduzieren Sie ihr Leben auf das Wesentlich, lenken Sie ihrenFokus auf das Wesentliche, nämlich auf die Wirklichkeit selbst.

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Die Praxis

Wenn das intellektuelle Verständnis für Mahamudra mal gegeben ist, ist esunerlässlich sich der praktischen Umsetzung, also der Praxis zu widmen. Auch wennich hier die Praxis beschreibe, wäre es dennoch sehr sinnvoll sich einenauthentischen Meditationslehrer zu suchen der einen auf seinem Weg, durch dieeigene Erfahrung, begleiten kann, das hilft enorm.

In diesem Skriptum geht es mir nur darum, das Sie eine Ahnung und ein Verständnisvon dem bekommen, was hinter unseren Vorstellungen und Konzepten noch zufinden ist, nämlich die wirkliche Essenz unseres Seins, das Große Siegel,Mahamudra.

Die Vorbereitung: Vertrauen und Herzöffnung.

Um uns für die Hauptpraxis vorzubereiten ist ein inneres Loslassen von großerBedeutung. Dieses Loslassen oder auch Lassen, erreichen wir durch großesVertrauen und durch die Herzöffnung. Vertrauen ist nicht jedem in die Wiegegelegt, oft haben wir unser Vertrauen irgendwo am Lebensweg verloren. Daherbeginnen wir bei dieser Praxis mit der Zuflucht.

Wir nehmen hier Zuflucht zu einem sicheren inneren Ort in uns, das kann auch einePerson sein. Wenn Sie religiös sind, kann das zum Beispiel Jesus Christus, MutterMaria oder auch Gott selbst sein. Sie können auch zu Buddha, einem Heiligen oderihrem ganz persönlichen Guru, Meister oder Vorbild Zuflucht nehmen, es kann aberauch ein klares Licht sein, die Stille oder ähnliches. Wichtig ist hierbei nur das es fürSie ganz persönlich der richtige Ort ist.

Ich zum Beispiel nehme Zuflucht zu mir selbst, zu meinem Selbst, zu meinemwahren Wesen, zu der Quelle meines Seins. Auch das ist völlig in Ordnung solangeSie bei der Zuflucht das Gefühl bekommen: Hier bin ich sicher, hier kann ich michentspannen und meine Ängste, Sorgen und Probleme für einen Augenblickloslassen.

Sobald Sie sich in ihrer Zuflucht befinden, verschmelzen Sie sich mit dieser Zuflucht.Wenn die Zuflucht ihre wahre Essenz oder Quelle ist, verschmelzen Sie mit ihrerQuelle, werden Sie Eins mit ihr. Wenn es Jesus oder Buddha ist, verschmelzen Siemit ihm, je intensiver und wirklicher Sie das in ihrem Geiste tun umso entspannter

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werden Sie und das Vertrauen stellt sich dann von selbst ein. Im Buddhismus nenntman diese Praxis „Guru-Yoga“, sie wird als sehr heil- und kraftvoll beschrieben.

Danach öffnen Sie ihr Herz durch den intensiven und authentischen Wunsch:

Mögen alle fühlenden Wesen Glück erfahren und die Ursachen von Glück.

Wenn es am Anfang noch nicht so authentisch ist, dann üben Sie es so oft wiemöglich. Sie können ja am Anfang mit sich selbst anfangen: Möge ich Glückerfahren und die Ursachen von Glück. Schauen Sie mit so viel Mitgefühl zu sichselbst wie es nur geht, begegnen Sie sich mit ihrer ganzen Liebe.

Dann erweitern Sie zum Du: Mögest du Glück erfahren und die Ursachen von Glück.Danach erweitern Sie wieder zum Wir: Mögen wir Glück erfahren und die Ursachenvon Glück. Und zum Schluss erweitern Sie den Wunsch auf alle fühlendenLebewesen:

Mögen alle fühlenden Wesen Glück erfahren und die Ursachen von Glück.

Egal welche Technik oder Methode Sie anwenden, ohne wirklich Entspannung istBefreiung, Heilung und Frieden nicht möglich. Ohne Entspannung können wir dieWirklichkeit nicht direkt erkennen und diese Entspannung erreichen wir nur durchinneres Vertrauen und durch Herzöffnung.

Die Haupt Praxis: Der stabile und Eins gerichtete Geist, Offenes Gewahrsein undBewusstwerdung der Verwirrung und Illusion.

Sind wir ganz entspannt und verweilen mit offenem Herzen in großem Vertrauen,gelingt es uns einfacher die Übung des“ Eins gerichteten Geistes“ zu praktizieren.Wir brauchen einen stabilen Geist, der nicht gleich bei jedem Gedanken derauftaucht ab schwirrt. Um eben diesen stabilen Geist zu bekommen, konzentrierenwir uns immer wieder „sanft und leise“ auf ein bestimmtes Objekt. In vielenMeditationstraditionen beginnt man mit einem großen Objekt im Außen, dann einkleineres, später ein noch kleineres, dann geht man mit der Vorstellung nach innenund macht dort in dieser Weise weiter.

Bei meinen Meditationsschulungen gehe ich meistens gleicht zum Atem. Ich übemit den Teilnehmern immer wieder das achtsame Wahrnehmen des eigenen Atems.Für mich ist das die kraftvollste Übung und man kann sie auch überall machen,

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meinen Atem habe ich immer dabei.

Dann erst erweitere ich die Übung mit dem Sehen, Hören, Riechen und Schmecken.Sinn der Übung ist es unseren Geist darauf zu schulen, dass er bei einem Objektbleibt und nicht dauernd wandert. Wenn wir das oft genug üben, entsteht eineStabilität im Geist die uns zutiefst im Herzen berührt und wir erahnen so unsereeigene Wirklichkeit, spontan und unerklärlich. Unsere Entspannung wird so nochgrößer und wir lassen mehr und mehr los. Diesen Zustand nennt man auch Samadi,Ruhiges Verweilen, Geistige Stabilität…usw.

Haben wir dann einen stabilen Geist, lassen wir jede Art von Fokussierung los undverweilen im offenen Gewahrsein ohne Bezug, hellwach und gleichzeitig entspannt,klar und bewusst. So wird unser Geist zunehmend offen und klar. In diesem Zustanderfahren wir wohl die größte Entspannung.

Parallel dazu werden wir uns immer bewusster, das wir, egal was wir wahrnehmen,immer nur unsere eigene Meinung, unsere eigenen Konzepte, Kommentare undVorstellungen wahrnehmen, nie aber die Wirklichkeit des Objektes selbst unddirekt. Wir nehmen quasi immer nur die eigenen Bewegungen in unserem Geistwahr. Wenn wir uns dessen wirklich bewusst und auch sicher sind, dann beginnt sichunsere Wahrnehmung zu verändern. Das praktische Üben ist auch hier unerlässlich.

Im Laufe der Zeit entsteht so ein klares Bewusstsein, das alles eine eigenserschaffene Welt in unserer Vorstellung ist. Wir beginnen dann mehr und mehrunsere Vorstellungen von dem was wir wahrnehmen loszulassen und hören aufunseren Gedanken nach zulaufen. Wenn wir das tun, erschöpfen sich unsereGedanken in sich selbst und wir befreien uns von unserem Greifen nach unsereneigenen Gedanken… und dann passiert etwas:

Wir erkennen langsam oder auch spontan das Unerkennbare, wir erfahren das nichtErfahrbare, die Essenz aller Erscheinungen, ganz von selbst.

Auch wenn es nur für eine Sekunde ist, es fällt in uns alles künstlich Erzeugtezusammen und wir sind frei von unseren Vorstellungen, Konzepten und geistigenKonstruktionen, die uns unser ganzes Leben lang mit Angst und Zweifeln begleitethaben.

Nicht, das Sie danach keine Konzepte mehr haben, nein die bleiben, aber Sie sindfrei von ihnen, das heißt sie wissen nun: Diese Konzepte und Vorstellungen sind

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nicht die Wirklichkeit und können dementsprechend entspannt mit ihnen umgehen.Wir können die Wirklichkeit, die Natur des Geistes, Gott, usw.,… nicht beschreiben,aber wir können uns unserer Illusionen mehr und mehr bewusst werden. Soentstehen unsere Heilung, unsere Freiheit und unser Frieden.

Also nochmal die Hauptpraxis zusammengefasst:

Ø Wir erzeugen einen stabilen Geist durch die achtsame Wahrnehmung imHier und Jetzt. Gendün Rinpoche hat oft gesagt: Du brauchst nichts tun, seieinfach nur nicht zerstreut…mehr braucht es nicht.

Ø Wir werden uns unserer Verwirrung und unserer Illusion über die eigeneWahrnehmung immer bewusster. Wir lassen uns von unseren Vorstellungenund Konzepten nicht mehr täuschen und erkennen so dass alles von gleicherEssenz ist. Wir lernen so das Wesentliche in allem zu erkennen.

Die Widmung: Die Herzöffnung und somit das Mitgefühl vertiefen.

Unsere Herzöffnung und unser Mitgefühl vertiefen wir indem wir uns wünschen,das unsere Praxis dazu beiträgt das auch anderen Menschen geholfen wird:

Möge meine Praxis dazu dienen allen fühlenden Lebewesen zu helfen, so dass sieGlück erfahren mögen und die Ursache von Glück.

Dieser Herzenswunsch hilft uns auch auf dem richtigen Weg zu bleiben, nämlich aufdem Weg der Selbstvergessenheit. Würden wir uns durch unsere Praxis nur deneigenen Vorteil sichern wollen und die anderen werden uns immer mehr egal, ist dieGefahr groß, dass wir wieder mehr und mehr ins Festhalten und Ablehnenabrutschen. Selbstvergessenheit ist ein Garant für Zufriedenheit, denn wer nichtüber sich selbst nachdenkt, kann auch nicht leiden. Ganz einfach.

Zum Schluss der Praxisbeschreibung möchte ich nochmal darauf hinweisen dass esohne Meditationslehrer anfangs sehr schwer ist. Sie müssen keinem Guru oderMeister auf Schritt und Tritt folgen, aber es gibt so machen Irrweg und so manchesHindernis am Weg, das es von großem Vorteil sein kann wenn man einen gutenBegleiter hat, der den gleichen Weg schon mal gegangen ist und einen manchmalauch führen kann.

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Mahamudra Yoga

Mahamudra Yoga wird auch bezeichnet als die Übungen des Mahamudra. Dies sinddie Stufen des Pfades, die wir durchlaufen während unserer Praxis. Ich habe sie fürunser westliches Verständnis angepasst:

1. Yoga des eins gerichteten Geistes: Auch Ruhiges Verweilen oder InnereSammlung genannt - Wir lernen uns zu entschleunigen und eins gerichtetwahrzunehmen. Dadurch entsteht große innere Entspannung und Zufriedenheit.Diese innere Sammlung lässt uns mit dem wesentlichen in Berührung kommen. MitHilfe der eins gerichteten Konzentration und Achtsamkeit beginnen wir dannunsere wahre Natur zum Ausdruck zu bringen.

Übungen:

o Wahrnehmung eines groben Objektes.

o Wahrnehmung eines feinen Objektes.

o Rezitation von einem Mantra oder Gebet.

o Achtsamkeit auf den Körper und den Atem.

o Loslassen der Sinneswahrnehmungen nach außen erzeugt das Licht desGewahrseins im Inneren.

o Loslassen des Wissens erzeugt Klarheit.

o Loslassen des Wollens und Nicht-Wollens erzeugt die Berührung mit demWesentlichen.

2. Yoga der Einfachheit: Auch Tiefes Verstehen genannt - Wir erkennen dieUnbeständigkeit und die Natur der Wechselseitigen Abhängigkeit, das Intersein. Siebesagt uns, dass alles unbeständig und stets im Wandel ist und dass es nichts gibt,was für sich alleine existiert. Somit erkennen wir, dass nichts wirklich eine eigeneunabhängige Existenz hat. Alles ist in Wirklichkeit frei von Eigenständigkeit undEigenleben. Das nennen wir Nicht-Selbst (Selbstlosigkeit) und Leerheit (Offenheit).

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Übungen:

o Unbeständigkeit

o Ursache und Wirkung

o Nicht-Selbst (Selbstlosigkeit) und Leerheit (Offenheit)

3. Yoga des Eingeschmacks: Auch Wertfreies Wahrnehmen oder Reines Gewahrseingenannt - Wir erkennen die Nicht-Duale Wirklichkeit aller Phänomene undverweilen so im Reinen Gewahrsein. Dadurch fällt es uns leichter mit dem Greifennach unseren Vorstellungen und Konzepten aufzuhören. Wir können dann alles inseinem Ursprung lassen und hören mit dem Kämpfen auf. Wir öffnen die Faustunserer Gedanken.

Unterweisungen:

o Wir erkennen die Drei Geistesgifte (Ablehnung, Gier und Ignoranz) in uns.

o Die Zeichenlosigkeit zu erkennen macht uns bewusst, dass wir alles nurSubjektiv wahrnehmen und nicht so, wie die Dinge wirklich sind.

o Nichts zu erreichen bedeutet nicht, das wir nichts mehr tun müssen,sondern nur, dass wir aufhören an unseren Erwartungen festzuhalten.

Übungen:

o Achtsame Wahrnehmung für unseren Körper und dem Atem.

o Achtsame Wahrnehmung für unsere Empfindungen und Gefühlen.

o Achtsame Wahrnehmung für unseren Geist und dem Bewusstsein selbst.

o Achtsame Wahrnehmung und direkte Realisierung der Leerheit.

Wir transformieren unsere Konzepte und Vorstellungen unter dem Einbeziehen derLeerheit.

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4. Yoga der Nicht-Meditation: Auch Stilles Sitzen genannt - Wir verweilen imreinen und klaren Bewusstsein, in der Natur unseres Geistes (Seins), frei von jedemBezugspunkt.

Wir verweilen nun im Wesentlichen, in der wahren Natur des Geistes jenseits vonSubjekt und Objekt, von Zentrum und Grenzen, offen und wach, natürlich,unbewusst und von selbst. Unser Geist verweilt so ruhig in sich selbst und nimmtmit großer Klarheit einfach wahr was ist, ohne danach zu greifen oder es zubewerten. So betrachtet er sich selbst und wird zunehmend ruhiger und klarer. Amleichtesten erreichen wir diesen Zustand, indem wir uns zuerst auf die Leerheitunseres Geistes konzentrieren und später dann auf die Leerheit selbst. Dadurchkommt unser Bewusstsein dann mit dem Wesentlichen in Berührung. Dazu müssenwir die einsgerichtete Meditation schon beherrschen und ein klares Verständnis vonder Leerheit (Offenheit) haben.

Im Zentrum des Sturms

Nun sind wir im Zentrum des Sturms angekommen. Um uns herum ist es laut,hektisch und wild und dennoch sind wir stabil und gelassen, wir sind in unsererMitte angekommen, bei uns selbst, unser wahren Natur.

Jedoch lassen Sie sich von der Vorstellung des Gelassen-Seins nicht täuschen. Auchunsere Vorstellung von Erleuchtung oder innerer Zufriedenheit und ewigem Glückmacht uns schon das Leben schwer. Manchmal glauben wir ein erwachter Menschhat alles im Griff und um ihn herum gibt es keine Probleme mehr. Es mag jetzt sehrenttäuschend klingen, aber wenn Sie im Zentrum des Sturms, also bei sich selbstangekommen sind, es verändert sich nichts um sie herum, nur ihre eigene Positionhat sich verändert. Sie haben immer noch Durst und Hunger, Sie werden immernoch Krankheiten haben und auch ihre Probleme in Beziehungen werden sich nichteinfach auflösen…aber Sie sehen ihre Probleme und Schwierigkeiten mit anderenAugen, mit den Augen des Erwachens, mit den Augen der Wirklichkeit.

Sie verlieren den Glauben daran, dass ihre Krankheit substanziell und eigenständigist und dadurch hören sie auf sich mit ihren Problemen und Schwierigkeiten zuidentifizieren. Sie wissen nun das alles was sie Wahrnehmen in seiner wirklichen

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Essenz genau dasselbe ist. Gut und Böse, Krank und Gesund, Tod und Leben, allesist von derselben Essenz, nur die Erscheinungsform ist anders. Die Illusion vongetrennt und zusammen, von Sein oder Nicht-Sein, von arm und reich, jede Dualitätverliert an Bedeutung und somit verliert auch das Leid, das durch Dualität undTrennung im Geist erzeugt wird an Bedeutung.

Sie hören langsam auf die Vergangenheit für ihre Probleme verantwortlich zumachen und beenden die Sorge um die Zukunft. Es relativiert sich alles, imwahrsten Sinne des Wortes erfahren sie alle Erscheinungen als „relativ“ undgleichzeitig „absolut“. Das geht über den Verstand hinaus, berührt aber das Herz.

Sie wissen nun, alles was sie als erscheinend wahrnehmen entsteht und vergehtwieder genauso. Sie können sich nun das endlose Spiel von Entstehen undVergehen entspannter ansehen, weil sie damit begonnen haben ihre wahre Naturzu verwirklichen. Die Natur, die nie entstanden ist und nie vergeht, das Absolute hatin ihnen einen Anker gesetzt.

Dieser Prozess endet aber nicht irgendwo, genauso wie er nicht irgendwobegonnen hat. Sie können auch leicht wieder in ihre alten Muster verfallen undjeden ihrer Gedanken für wirklich halten, wenn Sie wieder das tun was Sie vorherschon immer getan haben.

Wenn Sie aber einmal in ihrem Leben bewusst dieses direkte Erkennen derWirklichkeit erfahren haben, bleibt etwas Entscheidendes zurück, was ich alsFundament des Lebens bezeichnen würde:

Sie haben nun die absolute Gewissheit (nicht mehr die intellektuelle Vermutung)das es etwas jenseits ihrer Vorstellung gibt, eine natürliche Essenz, eine Quelle inder wir alle zuhause sind. Egal welchen Namen wir dieser Quelle des Seins geben,sie steht für sich selber und ist unvorstellbar, dennoch können wir sie nun in allemerkennen und verwirklichen.

Für mich persönlich ist das größte Glück in meinem Leben das ich nun mit absoluterBestimmtheit weiß:

Ich brauche nichts tun um dauerhaft glücklich zu sein!

Ich kann nun mehr und mehr entspannt loslassen…ganz…und Sie können das auch!

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Nun braucht es eigentlich nur noch ein Umsetzten oder Fortsetzten der Praxis,damit aus der Idee und dem geschriebenen Wort gelebte Realität wird.

Das wünsche ich uns allen von Herzen.

Danke, Martin Fuhrberg

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Martin Fuhrberg, geboren 1963 in Deutschland, lebt und arbeitet in Oberösterreichals Lebens- und Sozialberater mit den Schwerpunkten freie dynamischeFamilienaufstellung, Achtsamkeitsmeditation und Entspannung.

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