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Z Rheumatol 2008 · 67:275–276DOI 10.1007/s00393-008-0296-3Online publiziert: 30. April 2008© Springer Medizin Verlag 2008
E. Märker-HermannKlinik Innere Medizin IV (Rheumatologie, klin. Immunologie und Nephrologie), HSK Dr. Horst Schmidt Kliniken GmbH, Wiesbaden
Immunrekonstitutions-syndrom – ein Thema auch für den Rheumatologen?
Einführung zum Thema
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
als Thema des aktuellen Schwerpunktheftes der Zeitschrift für Rheumatologie ist das entzündliche Immunrekonstitutionssyndrom ausgewählt worden, im angloamerikanischen Sprachraum mit der Abkürzung „IRIS“ für „Immune Reconstitution Inflammatory Syndrome“ bezeichnet.
IRIS beschreibt ein Phänomen, welches ursprünglich Ende der 1990er Jahre bei HIVinfizierten Patienten beobachtet wurde, die wenige Tage bis Wochen nach Beginn einer hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) ungewöhnlich stark entzündlich verlaufende Zytomegalievirus (CMV)Retinitiden oder Infektionen mit Mycobacterium-aviumKomplex (MAC) entwickelten. De Simone und Kollegen aus Philadelphia [3] prägten den Begriff IRIS im Jahre 2000 und identifizierten verschiedene Erkrankungen und atypisch inflammatorisch verlaufende opportunistische Infektionen, die sich nach positivem Ansprechen auf HAART manifestierten. Nachdem diese entzündliche Reaktionen zunächst als HerxheimerJarisch oder Lepraähnliche Reaktionen interpretiert wurden, konnte in der Folge herausgearbeitet werden, dass IRIS auf einer raschen Restauration des Immunsystems beruht mit einer überschießenden Immunreaktion gegenüber vorhandenen Mikroben oder Antigenen. Neben einer Aktivierung des zellulären Immunsystems scheinen Veränderungen der Zytokinbalance pathogenetisch relevant zu sein. Ein besonderes Risiko, ein Immunrekonstitutionssyndrom zu entwickeln, besteht bei HIVInfizierten,
die vor HAARTBeginn eine niedrige CD4TZellZahl (<200/µl), bereits nachweislich Infektionen mit MAC oder Kryptokokken aufweisen. In solchen Fällen wurden IRISRaten von 30% und mehr beobachtet [7]. Weitere Risikofaktoren liegen in einer hohen Viruslast vor und einem raschen Abfall der Viruslast unter Therapie.
> Auch Nicht–HIV–Patienten können therapiebedingt IRIS-ähnliche Erscheinungsbilder entwickeln
Warum ist das Immunrekonstitutionssyndrom von Interesse für den Rheumatologen?FIRIS hat, ähnlich wie die HIVErkran
kung selbst, über die exakte klinische Beobachtung und Beschreibung zunächst paradox erscheinender Phänomene zu neuen Erkenntnissen und experimentellen Forschungen in der Immunologie geführt.
FDem Immunrekonstitutionssyndrom sind längst nicht mehr nur opportunistische Infektionen wie durch CMV, MAC und Kryptokokken (wie oben ausgeführt) verursacht sowie zerebrale Toxoplasmosen, PneumocystisjiroveciInfektion, Leishmaniosen, Herpes und andere zugeschrieben worden. Auch Autoimmunerkrankungen wie der systemische Lupus erythematodes (SLE), der M. Basedow oder das GuillainBarréSyndrom traten in zeitlichem Zusammenhang mit der überschießenden Immunantwort nach Einleitung einer HAART auf.
FIn jüngster Zeit erschienen auch mehrere Fallberichte über ein IRIS bei nichtHIVinfizierten Patienten, die nach einer Periode der krankheits oder therapiebedingten zellulären Immundefizienz (niedrige periphere THelferzellZahlen) und erfolgreicher Rekonstitution der TZellen ähnliche klinische Erscheinungsbilder entwickelten, wie man sie beim „klassischen“ IRIS bei HIVErkrankten kennt. In diesem Heft beschreiben S. Daum und Kollegen einen solchen Fall einer Patientin mit SLE und enteraler atypischer Mykobakteriose, bei der sich nach Pausieren der immunsuppressiven Therapie und erfolgreicher antimykobakterieller Pharmakotherapie ein Immunrekonstitutionssyndrom ausbildete. Dieses konnte in der Folge erfolgreich mit systemischen Steriden behandelt werden.
Der Übersichtsartikel von A. Wagner informiert zum einen über die klinischen Symptome und die theoretischen Grundlagen von IRIS bei HIVPatienten mit opportunistischen Infektionen und geht zudem auf die Aspekte von Autoimmunreaktionen im Rahmen eines IRIS ein.
Ein weiterer Artikel des Schwerpunktheftes beschäftigt sich mit der progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML). Die PML, eine durch das Polyomavirus JCV ausgelöste ZNSErkrankung, ist seit den 1980er Jahren eine AIDSdefinierende Erkrankung. Sie verlief in der PräHAARTÄra praktisch immer tödlich. Auch die PML kann im Rahmen eines Immunrekonstitu
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tionssyndroms auftreten und unterscheidet sich dann in ihrem inflammatorischen Typ (PMLIRIS) grundlegend von den früheren infausten Fällen [2]. Ihr klinisches Erscheinungsbild ist zu Beginn meist foudroyanter. Neuropathologisch lassen sich ausgeprägte entzündliche und demyelinisierende Läsionen mit einer intraparenchymalen und perivaskulären Infiltration von Makrophagen und TLymphozyten nachweisen [8]. In der Magnetresonanztomographie (MRT) des Schädels sieht man ein PMLuntypisches KontrastmittelEnhancement, das sich mit der Zeit allmählich zurückbildet. Neben einzelnen tödlich verlaufenden inflammatorischen PMLFällen [5] haben diese Patienten aber insgesamt eine günstigere Prognose [4].
Der Informationsbedarf von Immunologen/Rheumatologen in Bezug auf die PML ist in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen [1]. Nachdem es in der Vergangenheit sporadische Berichte zum Auftreten einer PML bei Transplantatempfängern, bei Patienten mit malignen Lymphomen und SLE und unter immunsuppressiver Therapie (namentlich Fludarabin, Natalizumab, Rituximab) gab, sind jetzt auch einzelne Fälle von PML unter Therapie mit Mycophenolatmofetil (MMF) beschrieben worden. Dies veranlasste die Hersteller mit Datum vom 18. Februar 2008 zur Versendung von „RoteHandBriefen“. Es handelte sich um Patienten nach Nieren, Herz und Lungentransplantation, die neben MMF noch andere Immunsuppressiva (z. B. Beispiel Tacrolimus, Basiliximab, Prednison und/oder Ciclosporin) erhalten hatten. Zum anderen waren aber auch Patientinnen betroffen, die MMF „off label“ zur Behandlung eines SLE erhalten hatten. Die betroffenen Patientinnen waren begleitend mit anderen Immunsuppressiva wie Ciclosporin, Cyclophosphamid und/oder Steroiden behandelt worden. Somit sollte der Rheumatologe bei rheumatischen Systemerkrankungen und namentlich bei laufenden immunsuppressiven Therapien beim Auftreten neuer zentralnervöser Symptome differenzialdiagnostisch auch an eine PML denken.
Wir denken, dass die hier angesprochenen speziellen Themen des Immunrekonstitutionssyndroms und der PML helfen, die Leser für „neue“ immunologische Krankheitsbilder und seltene Komplikationen zu sensibilisieren.
Ihre
E. MärkerHermann
KorrespondenzadresseProf. Dr. E. Märker-HermannKlinik Innere Medizin IV (Rheumatologie, klin. Immunologie und Nephrologie), HSK Dr. Horst Schmidt Kliniken GmbHAukammallee 39, 65191 [email protected]
Literatur
1. Boren EJ, Cheema GS, Naguwa SM et al. (2008) The emergence of progressive multifocal leukoence-phalopathy (PML) in rheumatic diseases. J Autoim-mun 30: 90–98
2. Cinque P, Pierotti C, Vigano MG et al. (2001) The good and evil of HAART in HIV–related progressive multifocal leukoencephalopathy. J Neurovirol 7: 358–363
3. DeSimone JA, Pomerantz RJ, Babinchak TJ (2000) Inflammatory reactions in HIV-1 infected persons after initiation of highly active antiretroviral thera-py. Ann Intern Med 133: 447–454
4. Du Pasquier RA, Koralnik IJ (2003) Inflammatory reaction in progressive multifocal leukoencepha-lopathy: harmful or beneficial? J Neurovirol 9 (1): 25–31
5. Safdar A, Rubocki RJ, Horvath JA et al. (2002) Fa-tal immune restoration disease in HIV type 1–in-fected patients with progressive multifocal leuko-encephalopathy: impact of antiretroviral therapy–associated immune reconstitution. Clin Infect 35: 1250–1257
6. Shelburne SA, Hamill RJ (2003) The immune re-constitution inflammatory syndrome. AIDS Rev 5: 67–79
7. Shelburne SA, Visnegarwala F, Darcourt J et al. (2005) Incidence and risk factors for immune re-constitution inflammatory syndrome during high-ly active antiretroviral therapy. AIDS 19: 399–406
8. Vendrely A, Bienvenu B, Gasnault J et al. (2005) Fulminant inflammatory leukoencephalopathy as-sociated with HAART-induced immune restoration in AIDS-related progressive multifocal leukoence-phalopathy. Acta Neuropathol 109: 449–455
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Neue Projektförderung der Arbeitsgemeinschaft Regionaler Kooperativer Rheumazentren (AGRZ)
Das Ziel der AGRZ in der DGRh ist eine kontinuierliche Verbesserung der rheu-matologischen Versorgung auf regionaler Ebene. Hierzu fördert die Arbeitsgemein-schaft Projekte der Rheumazentren. In diesem Jahr werden bevorzugt Projekte gefördert, die sich mit dem Leitthema 2008 „Der informierte Patient als Partner“ beschäftigen. Generell werden spezielle Aspekte von Qualitätssicherung und Versorgung modellhaft unterstützt. Als besonders förderungswürdig gelten klinik- und patientennah ausgerichtete Projekte, die bestehende Aktivitäten der Rheuma-zentren unterstützen und den Transfer von Konzepten in andere Rheumazentren zum Ziel haben. Kooperationen z.B. mit der Rheuma-Liga und übergreifende Pro-jekte sind ausdrücklich erwünscht. Zu der gemeinsamen Antragsstellung mehrerer Rheumazentren wird daher ermutigt.
Förderung: Die Fördersumme beträgt zwi-schen 5.000 und 10.000 Euro. Die Laufzeit kann max. 12 Monate betragen.
Voraussetzungen: Antragsberechtigt sind alle Mitglieder der AGRZ.
Anträge: An die Geschäftsstelle mit max. dreiseitiger Projektbeschreibung (The-ma, Kooperationspartner, Zielsetzung, Zeit- und Arbeitsplan mit Meilensteinen, notwendige Ressourcen, Beitrag zu den Zielsetzungen der AG), auf dem Postweg und zusätzlich per E-Mail.
Weitere Informationen: http://www.dgrh.de/foerderung0809.htmlBewerbungsschluss: 30.09.2008 Förderbeginn: 01.11.2008 und danach
Anschrift: Geschäftsstelle der AGRZ in der DGRh, Luisenstr. 41, 10117 BerlinTel.: 030 / 24 04 84-70, Fax: -79, E-Mail: [email protected]
Quelle: DGRh
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