12
1 Einleitung Bei Verbrennungsmotoren wird im Ideal- fall eine möglichst gleichförmige und hohe Drehmomentkennlinie vom Leerlauf bis hin zu hohen Drehzahlen angestrebt. Ein solches Verhalten kann jedoch nur mit hohem Aufwand angenähert werden, da aufgrund von Schwingungsvorgängen im Saugrohr mit entsprechenden Resonanz- frequenzen und -drehzahlen viele Maß- nahmen zur Drehmomentoptimierung nur in einem begrenzten Drehzahlband wirksam sind. Saugmotorkonzepte arbeiten oft mit variabler Saugrohrlänge und mit Reso- nanzklappensystemen, um die Momen- tenkennlinie bis zum Teillastbereich mög- lichst füllig zu gestalten. Eine weitere Möglichkeit zur Drehmomentsteigerung stellen vollvariable mechanische, elektro- hydraulische oder elektromechanische Ventiltriebe dar, bei denen durch eine Ver- schiebung der Ventilsteuerzeiten des Ein- lassventils der Ladungswechsel optimiert werden kann [1, 2]. Hohe Drehmomente bei geringen Drehzahlen führen zu verbes- sertem Fahrkomfort, zu agilerem Motor- verhalten im transienten Fahrbetrieb und bieten durch die Möglichkeit niedertouri- ger Fahrweise ein nennenswertes Kraft- stoffeinsparpotenzial. Ein bei Ottomotoren, hauptsächlich aber bei Dieselmotoren vielfach genutztes Mittel zur Erhöhung des Drehmoments unterhalb der Nenndrehzahl besteht darin, mit Abgasturboladern oder mecha- nischen Ladern mehr Luft in den Brenn- ENTWICKLUNG Lufttaktventil 998 MTZ 12/2001 Jahrgang 62 Das Lufttaktventil (LTV) stellt ein innovatives Konzept zur Optimierung der Ladungs- wechselvorgänge bei Hubkolbenmotoren dar. Mit einem Zusatzventil im Saugrohr, das in jedem Saughub den Ansaugquerschnitt äußerst schnell verschließt und wieder freigibt, werden über den gesamten Drehzahlbereich – vor allem aber bei geringen Motordrehzahlen – erhebliche Drehmomentsteigerungen erreicht. Außerdem können mit dem LTV zahlreiche weitere Zusatzeffekte dar- gestellt werden. Bei Mahle Filtersysteme GmbH, Stuttgart, wurde daher ein aktiv schaltendes LTV-System konzipiert und für eine Erprobung am Einzylindermotor aufgebaut. Impulsaufladung und Laststeuerung von Hubkolbenmotoren durch ein Lufttaktventil

Impulsaufladung und Laststeuerung von Hubkolbenmotoren durch ein Lufttaktventil

Embed Size (px)

Citation preview

1 Einleitung

Bei Verbrennungsmotoren wird im Ideal-fall eine möglichst gleichförmige undhohe Drehmomentkennlinie vom Leerlaufbis hin zu hohen Drehzahlen angestrebt.Ein solches Verhalten kann jedoch nur mithohem Aufwand angenähert werden, daaufgrund von Schwingungsvorgängen imSaugrohr mit entsprechenden Resonanz-frequenzen und -drehzahlen viele Maß-nahmen zur Drehmomentoptimierungnur in einem begrenzten Drehzahlbandwirksam sind.

Saugmotorkonzepte arbeiten oft mitvariabler Saugrohrlänge und mit Reso-nanzklappensystemen, um die Momen-tenkennlinie bis zum Teillastbereich mög-lichst füllig zu gestalten. Eine weitere

Möglichkeit zur Drehmomentsteigerungstellen vollvariable mechanische, elektro-hydraulische oder elektromechanischeVentiltriebe dar, bei denen durch eine Ver-schiebung der Ventilsteuerzeiten des Ein-lassventils der Ladungswechsel optimiertwerden kann [1, 2]. Hohe Drehmomentebei geringen Drehzahlen führen zu verbes-sertem Fahrkomfort, zu agilerem Motor-verhalten im transienten Fahrbetrieb undbieten durch die Möglichkeit niedertouri-ger Fahrweise ein nennenswertes Kraft-stoffeinsparpotenzial.

Ein bei Ottomotoren, hauptsächlichaber bei Dieselmotoren vielfach genutztesMittel zur Erhöhung des Drehmomentsunterhalb der Nenndrehzahl bestehtdarin, mit Abgasturboladern oder mecha-nischen Ladern mehr Luft in den Brenn-

ENTWICKLUNG Lufttaktventil

998 MTZ 12/2001 Jahrgang 62

Das Lufttaktventil (LTV) stellt ein innovatives Konzept zur Optimierung der Ladungs-wechselvorgänge bei Hubkolbenmotoren dar. Mit einem Zusatzventil im Saugrohr, das in jedem Saughub den Ansaugquerschnitt äußerst schnell verschließt und wieder freigibt, werden über den gesamten Drehzahlbereich – vor allem aber bei geringenMotordrehzahlen – erhebliche Drehmomentsteigerungen erreicht. Außerdem können

mit dem LTV zahlreiche weitereZusatzeffekte dar-

gestellt werden. BeiMahle Filtersysteme

GmbH, Stuttgart, wurdedaher ein aktiv schaltendesLTV-System konzipiert undfür eine Erprobung am Einzylindermotor aufgebaut.

Impulsaufladung und Laststeuerung von Hubkolbenmotoren durch ein Lufttaktventil

raum zu fördern. Diese Systeme weisenallerdings unterhalb von etwa 1500/minbis 2000/min eine ausgeprägte Drehmo-mentschwäche auf, Bild 1. Hinzu kommenim transienten Fahrbetrieb Einschränkun-gen bei der Dynamik des Motors, da beiBeschleunigungsvorgängen zunächst derRotor des Turboladers beschleunigt wer-den muss, um einen dem Sollwert entspre-chenden Luftmassenstrom bereitzustellen[3].

Eine interessante Alternative zurDrehmomentanhebung bis hin zu niedrig-sten Drehzahlen stellt das Lufttaktventil(LTV) dar, mit dessen Hilfe theoretisch dasNennmoment des Motors bis hinunter zurLeerlaufdrehzahl ohne Längen- oder Reso-nanzklappenschaltung im Saugrohr auf-recht erhalten werden kann. Das Konzeptist insbesondere in der Lage, die bei einemLastsprung geforderte Luftmasse ohneAnsprech- oder Verzögerungszeiten bereitsim nächsten Zyklus in den Brennraum zufördern. Mit dem LTV kann die Länge derSaugarme sehr kurz gehalten werden, sodass erhebliche Packagevorteile gegenüberherkömmlichen Schwingrohrsystemenbestehen. Daher verspricht besonders füraufgeladene kleinvolumige Motoren dieKombination des LTV mit einem Abgastur-bolader, durch den als sofortige Reaktionauf den Fahrerwunsch gesteigerten Mas-

sendurchsatz, eine erhebliche Steigerungder Dynamik des Fahrzeugs. Zusätzlichkann eine Verbrauchsreduzierung sowieein Vorteil bezüglich der Schadstoffemis-sionen erwartet werden.

Die technische Realisierung des Luft-taktventils stellt allerdings höchste Anfor-derungen an mechanische Bauteile,Antriebsauslegung und Steuerelektronik,da große Querschnittsänderungen mitextrem kurzen Umschaltdauern zu defi-nierten Zeitpunkten im Motorzyklusumgesetzt werden müssen.

2 Idee und Funktionsweise des Lufttaktventils

Die Grundidee des LTV basiert auf einerBeeinflussung des Ladungswechsels durcheine stromauf des Einlassventils angeord-nete gesteuerte Klappe im Saugrohr. Mitdiesem Ventil wird die Luftmasse in wei-ten Bereichen bedarfsgerecht zugemessenund gegenüber der ‚natürlichen‘ Ansau-gung noch weiter gesteigert. Die Luftmas-senerhöhung, die so genannte dynami-sche Aufladung, wird dadurch erreicht,dass die Öffnungs- und Schließvorgängeder LTV-Klappe in Abhängigkeit derBetriebsparameter des Motors relativ zurBewegung von Einlassventil und Kolbengesteuert werden können.

999MTZ 12/2001 Jahrgang 62

Dipl.-Ing. Jan Schmidtist Messtechnik- undSteuersoftwareent-wickler bei Mahle Filtersysteme GmbH,Stuttgart.

Dipl.-Ing. Kay Brodesser istBereichsleiter Ver-such/Vorentwicklungder Mahle Filtersyste-me GmbH, Stuttgart.

Dr.-Ing. Oskar Schatzist Geschäftsführerder Fa. Schatz Thermo Engineering, Erling-Andechs.

Dipl.-Ing. WolfgangSchilling ist Elektronik-entwickler bei MahleFiltersysteme GmbH,Stuttgart.

Dr.-Ing. Alfred Elsäßerist Projektleiter Luft-taktventil in der Vor-entwicklung derMahle FiltersystemeGmbH, Stuttgart.

Die Autoren

1 Einleitung

Bild 1: Drehmoment-charakteristika vonOttomotoren mitSchaltsaugrohr,Abgasturbolader,Kompressor und mit LufttaktventilFigure 1: Torque characteristics of SI-engines withvariable intake manifold geometry,turbocharger, andcompressor as wellas with the LTV concept

Das Motoreinlassventil öffnet und derKolben beginnt mit dem Ansaughub,während das LTV zunächst noch geschlos-sen bleibt. Die im Zwischenraum zwi-schen LTV und Einlassventil befindlicheLuft wird in den Brennraum expandiert.Ist ein ausreichender Unterdruck aufge-baut, wird das LTV geöffnet und die Frisch-luft strömt mit hoher Geschwindigkeitein. Als dem Massentransport überlager-ter Effekt läuft dabei eine Unterdruckwel-le von der Klappe zum Sammler und wirdam Saugrohreinlauf als Überdruckwellezum Brennraum hin wieder reflektiert.

Am Kolbenboden wird die einströmen-de Luft wieder verzögert und in RichtungSaugrohr erneut reflektiert, wobei sich eineRückströmung ausbildet. Die Drucker-höhung durch die Umsetzung der kineti-schen Energie in potenzielle Energie undder Schwingungen im Saugrohr werden zurErhöhung der Luftmasse genutzt, indementweder das LTV rechtzeitig vor demBeginn der Rückströmung geschlossenwird, oder der Vorgang zeitlich so abge-stimmt ist, dass das Motoreinlassventil denerhöhten Druck im Brennraum einschließt.Durch das LTV-Verfahren kann sowohl dieeinströmende Luftmasse erhöht werden,als auch die in weiten Drehzahlbereichenauftretende Rückströmung gegen Ende desEinlassvorgangs verhindert werden.

Das LTV-Verfahren wurde bereits 1987durch Patente geschützt [4,5], die generell

zwei Lösungsmöglichkeiten beschreiben,Bild 2. Der vom Aufwand her einfachsteAnsatz ist das gesteuerte Rückschlagven-til, bei dem die Energie zum Öffnen derKlappe durch die Druckdifferenz zwischendem Sammler des Ansaugsystems unddem Brennraum mit dem ansaugendenKolben bereitgestellt wird. Beim Öffnender Klappe wird eine Feder gespannt, wel-che die Energie zum Schließen des Rück-schlagventils bereitstellt. Die Anordnungkann nun durch die öffnende Druckdiffe-renz und die schließende Federkraft beiabklingender Einströmung oder bei ein-setzender Rückströmung betrieben wer-den. Zusätzliche Vorteile bietet eine elek-tromagnetische Ansteuerung der Rück-schlagklappe, indem durch zeitlicheAbstimmung im jeweiligen Motorbetriebs-punkt die oben erläuterten Effekte, wiezum Beispiel der Aufbau eines hinreichen-den Unterdrucks, zielgerichtet genutztwerden. Ergebnisse aus Untersuchungenmit einem gesteuerten Rückschlagventilwurden von Kreuter et al. [6] vorgestelltund zeigen die beachtlichen Möglichkei-ten der Füllungserhöhung bereits miteinem solchen System.

Eine Erweiterung der Leistungsfähig-keit des Systems wird durch die Ausrüs-tung der LTV-Klappe mit einem externenAntrieb erreicht, wie es in Bild 2 schema-tisch angedeutet ist. Die Klappensteue-rung wird somit unabhängig von der

aktuellen Druckdifferenz zwischen Samm-ler und Brennraum sowie der lokalen Gas-geschwindigkeit am Rückschlagventil.Dadurch können einerseits zur Ausnut-zung von Aufladeeffekten noch günstige-re Schaltzeitpunkte realisiert werden,andererseits wird damit eine drosselfreieLaststeuerung des Motors durch die belie-bige zeitliche Verschiebung der LTV-Öff-nung gegenüber der Einlassventilöffnungdarstellbar.

Bei der Verwendung einer Klappe mitzeitlich frei ansteuerbarem Antrieb bietetsich noch eine weiter führende Verfah-rensvariante zur Drehmomentsteigerungan, das in [7] beschriebene zweimalige Tak-ten der Einströmung in der Ansaugphase.Durch das zweimalige Auslösen von Ein-ström- und Schwingungsvorgängen der imSaugrohr befindlichen Luft während derÖffnungsdauer des Einlassventils ist einenochmalige Steigerung der Zylinderfül-lung gegenüber dem einmaligen Taktendes LTV zu erreichen. Darüber hinaus sindmit einem solchen Klappensystem zahlrei-che weitere verfahrenstechnische Mög-lichkeiten denkbar, die im nächstenAbschnitt näher ausgeführt werden.

3 Möglichkeiten der Ladungswechselbeeinflussung

Beim Betrieb einer schnell schaltendenKlappe mit frei ansteuerbarem Antrieb imSaugrohr können verschiedene Funktionenzur Ladungsbeeinflussung dargestellt wer-den. Sie betreffen einerseits die Regelungder Luftmasse im Brennraum und anderer-seits thermodynamische Effekte zur geziel-ten Erhöhung oder Verminderung der Tem-peratur der einströmenden Frischluft.

3.1 Dynamische Aufladung amSaugmotor (Impulsaufladung)Die dynamische Aufladung sorgt für eineerhöhte Luftmasse im Brennraum durchdas ein- oder zweimalige Öffnen der LTV-Klappe während der Öffnungsphase desEinlassventils. Durch den oben bereitsbeschriebenen Vorgang wird die Luftsäuleim Ansaugtrakt zu definierten Zeitpunk-ten beschleunigt und wieder verzögertund dadurch zum Schwingen angeregt.Entscheidend für die Funktion ist es, diebeim Schwingvorgang induzierten Druck-wellen so mit den Motoreinlassventilenim Brennraum einzuschließen, dass diedaraus resultierende Dichteerhöhung zurVerbesserung der Zylinderfüllung führt,Bild 3. Das zweimalige Schalten des LTVim Ansaughub stellt allerdings sehr hoheAnforderungen an die Dynamik der Klap-pe und an die Reproduzierbarkeit derSchaltvorgänge.

ENTWICKLUNG Lufttaktventil

1000 MTZ 12/2001 Jahrgang 62

2 Idee und Funktionsweise des Lufttaktventils

Bild 2: Prinzipbilder aus den Patentschriften Figure 2: Schematics of the patent documents

Grundsätzlich tritt die Wirkung desLTV bei Laständerungen, etwa beiBeschleunigungsvorgängen, ohne Verzö-gerungen ein. Weitere Vorteile bringtdieses Verfahren durch die Nutzbarkeitder dynamischen Aufladung ab demStart des Motors. Außerdem wird auf-grund der hohen Einströmgeschwindig-keit der Frischluft in den Öffnungspha-sen der LTV-Klappe die Gemischaufberei-tung durch intensivere Ladungsbewe-gungen unterstützt. Die daraus resultie-rende Homogenisierung des Gemischsund die Beschleunigung der Verbren-nung bietet ein Potenzial zur Verringe-rung der HC-Rohemissionen des Motorssowohl beim Start als auch im regulärenMotorbetrieb.

3.2 Unterstützung von Ladermotoren und Nachladung aufgeladenerMotoren Bei Verwendung von mechanischen La-dern und von Abgasturboladern bietetdas LTV zusätzliche Möglichkeiten zurSteigerung des Luftmassenstroms undzur Verbesserung der motorischenEigenschaften. Besonders bei Turbolade-rn wird durch dynamische Aufladungdas Ansprechverhalten des Laders deut-lich beschleunigt. Beim Start des Motorsführt die vorverdichtete Luft im Brenn-raum zu höheren Verdichtungsendtem-peraturen und verbessert dadurch denKaltstart. Da der Luftmassenstrombereits bei niedrigem Drehzahlniveaudurch das LTV angehoben wird, kann derLadedruck verringert werden. Die Bela-stung des Verdichters sinkt. Daher ist esdenkbar, kleinere Lader zu verwendenund auf Turbolader mit variabler Geome-trie und aufwändiger Schaufelverstel-lung zu verzichten.

Energetisch sinnvoll und von hohemWert für die Aufladung bei niedrigenDrehzahlen sowie zur drastischen Ver-besserung des Instationärverhaltens vonLadermotoren ist die Verfahrensvariante„Nachladung“.

Hierbei wird zunächst unverdichteteLuft vom Kolben angesaugt. Im Bereichdes unteren Totpunkts wird durch einenparallelen Trakt des LTV-Systems ver-dichtete Luft aus dem Lader zugeführt[8]. Die Luftmasse im Brennraum steigtdadurch um etwa 50% von einem Zykluszum nächsten. Durch den Verdichterfließt somit nur ein Teil der Brennluftund durch dynamische Aufladeeffektekann zusätzlich noch die Verdichtung imLader reduziert werden. Dies führt zukompakter Baugröße und niedrigemEnergiebedarf für den Lader, weil aus-

schließlich der durch den Lader fließendeTeilstrom verdichtet werden muss.

Die Umschaltung von normalem Lade-rbetrieb bei offenem LTV auf Nachladungführt zur plötzlichen Entlastung des Ver-dichters und gleichzeitig zur Erhöhungdes Massenstroms durch die Turbine desAbgasturboladers. Dadurch steht mehrLuftmasse für die Verbrennung zur Verfü-gung, die zur weiteren Leistungser-höhung dienen kann. Beim Dieselmotorkann diese Luftreserve weiterhin zur

Anpassung des Kraftstoff-Luft-Verhält-nisses aus Emissionsgründen verwendetwerden.

3.3 Drosselfreie Laststeuerung Die drosselfreie Laststeuerung ist einwichtiger Schritt zu erheblichen Teillast-verbrauchsreduzierungen beim Ottomo-tor durch die Minimierung der Ladungs-wechselschleife. Die Öffnungsdauer desLTV wird entsprechend dem Luftbedarfdes Motors angepasst.

1001MTZ 12/2001 Jahrgang 62

Um kleinste Luftmassenströme zu rea-lisieren, kann auch eine Phasenverschie-bung zwischen der LTV-Öffnung und derEinlassventilöffnung eingestellt werden,so dass sich beide Öffnungszeiten nurgeringfügig überschneiden. Damit verliertdie schnelle Schaltzeit der Klappe für die-ses Verfahren an Bedeutung. Dagegenkommt der Leckage an der Klappe sowieder Größe des Volumens zwischen LTVund Einlassventil höhere Beachtung zu, dadie dort eingeschlossene Luftmasse beimAnsaugvorgang im Brennraum zur Verfü-gung steht.

Bei Verwendung einer unabhängig vonden Motorventilsteuerzeiten schaltbarenKlappe können in einfacher Weise ver-schiedene Verfahrensweisen wie Frühes-Einlass-Schließen (FES) oder Spätes-Ein-lass-Öffnen (SEÖ) in Verbindung miteinem konventionellen mechanischenVentiltrieb dargestellt werden, um denTeillastbetrieb des Motors zu optimieren.Dabei bestehen sehr hohe Anforderungenan die Genauigkeit der Klappenschaltung,um die angesaugte Luftmasse auf denLeerlaufbedarf zu begrenzen.

3.4 AGR-Steuerung Analog zur Nachladung bei aufgeladenenMotoren kann auch die Abgasrück-führung zylinderselektiv so gesteuert wer-den, dass zunächst Abgas angesaugt undwährend des Saughubs auf die Ansau-gung von Frischluft umgeschaltet wird.

Damit ist eine definierte Ladungsschich-tung im Brennraum möglich, die weitereVariationsmöglichkeiten bezüglich Ein-strömgeschwindigkeit und Ladungsbewe-gung bietet.

3.5 Wärmeladung Bei der Wärmeladung wird nicht eineZunahme der Luftmasse, sondern eineTemperaturerhöhung der angesaugtenLuft im Brennraum angestrebt, um beimKaltstart und in der Warmlaufphase posi-tiven Einfluss auf die Gemischbildung beiOtto- und Dieselmotoren auszuüben. Die-ser Vorgang kann bereits bei den erstenMotorumdrehungen durch den Anlassereingesetzt werden. Gelingt es, die Lufttem-peratur entsprechend weit zu erhöhen,kann prinzipiell ein Entfall der Glühstiftebeim Dieselmotor erfolgen. Darüber hin-aus springt das Abgasnachbehandlungs-system deutlich schneller an, was dieErfüllung der D4-Abgasnorm auch für denDieselmotor und die Kabinenheizung imFahrzeug erleichtert. Eine andere Möglich-keit ist es, aus Verbrauchsgründen bei Die-selmotoren das Verdichtungsverhältnis zuverringern, ohne deren Kaltstartfähigkeitzu beeinflussen.

Die Temperaturerhöhung resultiert auseiner Zustandsänderung der angesaugtenFrischluft. Zunächst sinkt der Druck imZylinder bei geschlossenem LTV und geöff-netem Einlassventil durch die Kolbenbe-wegung stark ab. Das eingeschlossene

Gemisch aus Restgas und Frischluft wirdexpandiert. Da über die Zylinderwändeausreichend Wärme zugeführt werdenkann, soll dieser Vorgang als isothermbetrachtet werden. Nach dem Öffnen desLTV füllt sich der Zylinder in sehr kurzerZeit. Dabei wird die Luft durch den hohenUnterdruck auf sehr große Geschwindig-keiten beschleunigt. Thermodynamischentspricht dieser Vorgang einer Verdich-tung der angesaugten Luft innerhalb desZylinders, der eine Temperaturerhöhungzur Folge haben muss. Die Größe dererzielten Temperaturdifferenz ist abhän-gig vom Öffnungszeitpunkt und der Öff-nungsdauer des LTV sowie der Leckage ander geschlossenen Klappe.

Der sich einstellende hohe Luftauf-wand, die hohen Einströmgeschwindig-keiten und die erhöhte Verdichtungsend-temperatur erlauben bei verbesserter Ver-brennungsqualität eine Mehreinspritzungan Kraftstoff.

Dies führt zu höheren Abgas-temperaturen beim Kaltstart, zu reduzier-ten Verbrennungsgeräuschen, zu schnel-lerem Warmlauf, zu verbesserter Lastan-nahme des Motors und zu verringertenKaltstartemissionen. Voraussetzung istauch bei dieser Verfahrensweise eine sehrschnell schaltende Klappe, welche eineausreichend schnelle Zuströmung derangesaugten Luft in den Zylinder ermög-licht und die Rückströmung am Ende derSaugphase verhindert.

ENTWICKLUNG Lufttaktventil

1002 MTZ 12/2001 Jahrgang 62

3.1 Dynamische Aufladung am Saugmotor (Impulsaufladung)

Bild 3: Schaltungs-prinzip der zwei-maligen LTV-Taktungin der Ansaugphase zur Drehmoment-steigerungFigure 3: Principle of the LTV double-switching while theintake stroke for torque increase

3.6 Kälteladung aufgeladenerMotorenEntsprechend zur Wärmeladung kann dasLTV auch dazu verwendet werden, dieTemperatur der Luft im Brennraum aufge-ladener Motoren gezielt zu reduzieren.Durch Frühes-Einlass-Schließen (FES) wirddurch den Lader verdichtete und durchden Wärmetauscher vorgekühlte Ladeluftim Brennraum eingeschlossen, durch dieKolbenbewegung expandiert und dadurchweiter abgekühlt. Diese Temperaturab-senkung bewirkt ihrerseits eine Verringe-rung von Temperatur und Druck bei Ver-dichtungsende im Brennraum, welche dieNOx-Bildung bei Otto- und Dieselmotorensowie die Klopfneigung bei Ottomotorenreduziert. Alternativ dazu ist ein höhererLaderdruck mit der daraus resultierendenhöheren Verdichtungsendtemperatur rea-lisierbar, was zu weiterer Drehmoment-und Leistungsanhebung des Motorsgenutzt werden kann.

3.7 Zylinderabschaltung Eine weitere Verfahrensvariante ist diealternierende Abschaltung der Einlässe

1003MTZ 12/2001 Jahrgang 62

4.2 Ausgeführter Prototyp

Bild 4: LTV-Prototyp für die Erprobung am EinzylindermotorFigure 4: LTV prototype for investigations at a single-cylinder engine

1004 MTZ 12/2001 Jahrgang 62

5.1 Luftaufwandsteigerung durch dynamische Aufladung

Bild 5: Steigerung des Luftaufwands mit Lufttaktventil bei zweimaligem Takten in der Ansaugphase am geschleppten MotorFigure 5: Increase of delivery ratio using LTV with double-opening during in the intake stroke of the motored engine

Bild 6: Druckverlauf vorund hinter dem Lufttakt-ventil bei zweimaligemTakten in der Ansaugphaseam geschleppten MotorFigure 6: Pressure plotupstream and downstreamof the LTV flap during thedouble-opening in the intake stroke at the motored engine

einzelner Zylinder im Teillastbetrieb, wasin einfacher Weise durch ein während desAnsaugvorgangs geschlossenes LTV reali-siert wird.

Die Luftversorgung abgeschalteterZylinder kann dabei periodisch wiederzugeschaltet werden, um das Auskühlendes Brennraums zu verhindern, wie es bei-spielsweise mit elektromechanischenVentiltrieben möglich ist [9]. Auch dieserVorgang kann in einfacher Weise in Ver-bindung mit einem konventionellenmechanischen Ventiltrieb dargestellt wer-den. Dabei wird in erster Linie die Ver-schiebung der arbeitenden Zylinder zuhöherer Last genutzt. Im Gegensatz zur

elektromagnetischen Ventilsteuerung mitder Möglichkeit zum vollständigen Ver-schließen aller Ventile muss zusätzlicheVerschiebearbeit vom Motor verrichtetwerden, da das Auslassventil weiterhinöffnet.

4 Prototyp für Motorversuche

Um einen Nachweis der Funktion der LTV-Verfahrensvarianten führen zu können,wurde ein Prototyp konzipiert und aufge-baut, der eine motorische Erprobung desSystems ermöglichte. Das Hauptinteresselag dabei auf der Untersuchung der dyna-mischen Aufladung des Motors.

4.1 Randbedingungen undKonzeptionFür die dynamische Aufladung sind sehrkurze Schaltzeiten des LTV notwendig.Umfangreiche Voruntersuchungen durcheindimensionale Ladungswechselberech-nungen mit dem Programm GT-Power zeig-ten deutlich, dass Schaltzeiten der Klappe(Öffnungs- oder Schließvorgang) um ΔtS = 2ms erforderlich sein werden, um das Poten-zial vollständig auszuschöpfen. Aus diesemGrund wurde als Klappendirektantrieb einFeder-Masse-Schwinger ausgewählt, der ander Klappenwelle angreift.

Die Bewegung des Schwingsystemswird dabei durch zwei unabhängig von-

einander schaltbare Umkehrhubmagnetegesteuert, zwischen denen ein Schwenk-anker federunterstützt schwingt. Das bie-tet den Vorteil, dass beim Start ein Auf-schwingen in der System-Resonanzfre-quenz erfolgen kann. Die zur Klappen-betätigung notwendige Energie ist dannals Federenergie gespeichert und für dieBeschleunigung sofort nutzbar. Beimeigentlichen Umschwingvorgang müssendaher nur die bei der Bewegung auftreten-den Verluste ausgeglichen werden, waseinen geringen Energiebedarf desAntriebs zur Folge hat. Eine weiterer Vor-teil besteht darin, dass eine sofortige Rich-tungsumkehr das Schwenkankers nachdem Anschlagen realisiert werden kann,was die Flexibilität des LTV-Antriebsbezüglich der Lage der Schaltzeitpunkteweiter erhöht.

4.2 Ausgeführter PrototypAls Versuchsmotor wurde ein Rotax BMWF650 Einzylindermotor mit einem Hubvo-lumen von 650 cm3 ausgewählt. Der Motorhat zwei symmetrische Einlasskanäle undwar mit einer Otto-Direkteinspritzungausgestattet, was einen ungehindertenZugang zur Saugleitung und eine einfacheAdaption des LTV-Antriebs ermöglicht.Der Motor wurde für die Messungen miteinem sehr kurzen Saugrohr von 280 mmLänge ausgestattet. Die LTV-Klappe, einesymmetrische Drehklappe in einem recht-eckigen Kanalquerschnitt von 30 mm × 60

mm, Bild 4, befindet sich vor der Verzwei-gung der Saugleitung in die beiden Einzel-kanäle. Aufgrund der bereits recht großenRohrlänge innerhalb des Zylinderkopfesbeträgt das Verhältnis zwischen derSumme aller Schadvolumina (Brennraum,Kanäle im Zylinderkopf, Saugrohr bis zurKlappe) und dem Hubvolumen ΣVc / VH =0,48.

Die Eigenfrequenz des schwingungs-fähigen Feder-Masse-Systems wird vonder in der Ankerwelle untergebrachtenTorsionsfeder sowie den Trägheitsmo-menten von Schwenkanker und Klappebestimmt. Da insbesondere die dynami-sche Aufladung mit den notwendigenschnellen Schaltzeiten detailliert unter-sucht werden sollte, wurde die Auslegungderart durchgeführt, dass Öffnungs- undSchließzeiten von ΔtS = 2,1 ms realisiertwerden konnten. Variationen derUmschaltdauer sind mit der Änderung desMassenträgheitsmoments durch Zusatz-gewichte möglich. Zur Bestimmung deraktuellen Stellung der Klappe befindetsich am freien Wellenende ein Drehwin-kelsensor.

Die Magnete zur Steuerung derUmschaltvorgänge sind als U-Magneteausgebildet, die unter einem Winkel von45° zueinander ausgerichtet sind. Diewechselseitige Ansteuerung des Akuatorserfolgt mit der für diesen Antrieb ent-wickelten Leistungselektronik, welche dieAbfolge von Leistungs- und Haltebestro-

mung an den Magneten steuert. BeimUmschwingen des Ankers wird der hal-tende Magnet abgeschaltet und amgegenüberliegenden Magneten zunächsteine Leistungsbestromung mit hohemStrom ausgelöst. Liegt der Anker am fan-genden Magneten an, wird der Strom zeit-gesteuert auf einen geringeren Halte-strom abgesenkt. Der Leistungsbedarf die-ses Prototypen liegt zwischen 20 W und 30W, abhängig von der Motordrehzahl. Wirdein Klappenbetrieb nicht gewünscht,kann der Anker in der offenen Stellung derKlappe gehalten werden.

Ein wichtiges Merkmal für die Funktiondes LTV ist eine geringe Leckage vomSaugrohr zum Raum zwischen LTV-Klappeund Einlassventil in geschlossener Klap-penstellung. Die Abdichtung wurde übereine Aussparung von 2 mm Tiefe in derSaugrohrwand realisiert, Bild 4, in welchedie Klappe mit geringem Spaltabstandhineinschwenkt und dann anschlägt.Durch eine entsprechende Justage desAntriebs wurde sichergestellt, dass ingeschlossener Stellung die Klappenkantenüber die Elastizität der Klappe leichtfedernd an den Anschlagkanten im Saug-rohr anliegen.

Bei der Antriebsauslegung wurdebesonderes Augenmerk auf das Erreichensehr kurzer Schaltzeiten gelegt, um beson-ders die Effekte der dynamischen Aufla-dung und der Wärmeladung sicher nach-weisen zu können. Weitergehende Fra-

ENTWICKLUNG Lufttaktventil

1005MTZ 12/2001 Jahrgang 62

Bild 7: Luftaufwand- und Drehmomentanhebung am geschleppten und gefeuerten MotorFigure 7: Increase of delivery ratio and engine torque with LTV on the motored and the fired engine

5.2 Drehmomenterhöhung durch dynamische Aufladung

gestellungen zur Dauerhaltbarkeit desGesamtsystems und zur Lärmemission desAntriebs wurden bei dieser Prototypen-entwicklung weitgehend ausgeklammert.

5 Funktionsnachweis am Einzylindermotor

5.1 Luftaufwandsteigerungdurch dynamische AufladungAls Referenz für die dynamische Aufla-dung wird im Folgenden der Luftaufwand

λL betrachtet. Der Luftaufwand beschreibtdas Verhältnis zwischen gemessener Luft-masse und theoretischem Luftmassen-durchsatz, der aus Hubvolumen VH undDrehzahl n gebildet wird. Da das Drehmo-ment bei stöchiometrischem Luftverhält-nis λ = 1 in erster Näherung linear mit demLuftaufwand am gefeuerten Motor steigt,stellt λL eine geeignete Vergleichsgrößezur Beurteilung von Ladungswechselvor-gängen dar. Bild 5 zeigt λL am geschlepp-ten Versuchsmotor als Funktion der Dreh-

zahl. Bedingt durch die kurze Saugrohrlän-ge ist λL bei niedrigen Drehzahlen rechtgering. Wird das LTV bei gleichen Dreh-zahlen in der Ansaugphase zweimal geöff-net, ist bei optimalen Steuerzeiten eineerhebliche Steigerung des Luftaufwandserkennbar, die mit abnehmender Motor-drehzahl stark ansteigt. Bei n = 1000/minbeträgt der Luftaufwandgewinn etwa 13 %gegenüber der reinen Ansaugung ohneKlappenschaltung. Damit konnte die imVorfeld durch Ladungswechselberechnun-

ENTWICKLUNG Lufttaktventil

1006 MTZ 12/2001 Jahrgang 62

5.3 Erforderliche LTV-Schaltzeit bei dynamischer Aufladung

Bild 8: Luftaufwand-gewinn in Abhängigkeitder LTV-Umschaltzeit ΔtS

bei zweimaligem Taktenin der Ansaugphase amgeschleppten MotorFigure 8: Gain in deliveryratio dependent on theLTV switching durationΔtS by double-switchingon the motored engine

Bild 9: Bewegung derLTV-Klappe bei einerVariation der Umschalt-zeit ΔtS am geschlepptenMotorFigure 9: LTV flap timingfor switching durationvariations on themotored engine

gen vorhergesagte Luftaufwandanhebungbereits mit diesem Prototypen nahezuvollständig umgesetzt werden.

Zur Illustration der im Saugsystemablaufenden Ladungswechselvorgängesind in Bild 6 die bei der Niederdruckindi-zierung gemessenen Druckverläufe imSaugrohr über dem Kurbelwinkel amgeschleppten Motor aufgetragen. EineDruckmessstelle befand sich stromauf derLTV-Klappe und charakterisiert somit dasDruckniveau des Saugrohrs in RichtungSammler. Die zweite Messstelle befindetsich in dem Volumen zwischen LTV-Klap-pe und Einlassventil. Zur Orientierung imMotorzyklus sind zusätzlich die Hubkur-ven der Ein- und Auslassventile sowie dieBewegung des Lufttaktventils aufgetra-gen. Die am Beispiel der Drehzahl vonn=1000/min dargestellten Druckverläufeverdeutlichen sehr gut die physikalischenVorgänge bei der dynamischen Aufladungdes Motors.

Bedingt durch die große Ventilüber-schneidung zwischen Einlass- und Aus-lassventil ist es zunächst notwendig, dasLTV zu Beginn der Einlassventilöffnungzunächst noch geschlossen zu halten, umdas Einströmen von Abgas zu verhindern.Erst wenn das Auslassventil weitgehendgeschlossen ist, wird der Ansaugquer-schnitt von der LTV-Klappe freigegebenund der verzögerte Einströmvorgangbeginnt. Im Verlauf des Einlassventilhubs

wird die Klappe wieder geschlossen. DerDruck in der Kammer zwischen LTV undEinlassventil sinkt aufgrund der Kolben-bewegung schnell um 150 mbar ab. Kurzvor dem Ladungswechsel-UT wird dieKlappe ein zweites Mal sehr kurz geöffnet.Durch die Druckdifferenz schießtnochmals eine Luftströmung in denBrennraum hinein, bei der aufgrund vonReflexionen am Kolbenboden ein Druck-anstieg von nahezu 100 mbar gegenüberdem Saugrohrdruck auftritt. Für die dyna-mische Aufladung wird diese Druckspitzeim Zylinderraum festgehalten und ergibtdamit eine signifikante Dichteerhöhung,welche die zusätzliche Masse in denBrennraum einbringt. In Bild 6 ist nachdem Schließen des Einlassventils derDruckabfall in der Kammer zwischen LTVund Einlassventil erkennbar, der durchLeckagen über die LTV-Klappe bedingt ist.

5.2 Drehmomenterhöhungdurch dynamische AufladungIn Bild 7 sind die am geschleppten Motordurchgeführten Luftaufwandmessungenden am gefeuerten Motor ermitteltenDaten gegenübergestellt. Der gefeuerteMotor wurde mit und ohne LTV bei kon-stantem stöchiometrischem Kraftstoff-Luft-Verhältnis λ = 1 und bei gleichemZündzeitpunkt betrieben, um eine direkteVergleichsmöglichkeit des LTV-Einflussesauf den Motorbetrieb zu erhalten. Dabei

wurden zwei Betriebspunkte bei 1500/minund 2200/min untersucht. Die Ergebnissezeigen, dass die geschleppten Luftauf-wandmessungen sehr gut auf den gefeu-erten Motorbetrieb übertragbar sind.Dabei ist auffällig, dass das Drehmomentbei λ=1 einen gegenüber dem Luftauf-wand überproportionalen Anstieg auf-weist. Das lässt darauf schließen, dassdurch das zweimalige Takten des LTV –mit den daraus resultierenden hohen Luft-geschwindigkeiten – die Ladungsbewe-gung im Brennraum intensiviert unddadurch die Gemischaufbereitung positivbeeinflusst wird.

Eine Bestätigung dafür liefert dieBrennverlauf-Analyse der Motorzyklenmit und ohne LTV, die in Bild 7 für n =1500/min dargestellt ist. Aufgrund derKlopfneigung des Motors ist beim Betriebohne LTV ein spätes Zünden notwendig.Das verschiebt den 50%-Umsatzpunktweg vom wirkungsgradoptimalen Zeit-punkt, der bei 6 bis 8 Grad nach Zünd-OTliegt. Bei geschalteter LTV-Klappe ist dage-gen ein um 20% schnelleres Durchbren-nen des Gemischs im Zylinder zu erken-nen. Das hat zur Folge, dass der 50%-Umsatz trotz einer späten Zündung nochsehr nahe am Wirkungsgradoptimum istund damit die Zustandsänderungen näheram Gleichraumprozess liegen. Der indi-zierte Mitteldruck steigt bei der dargestell-ten Drehzahl durch das LTV um Δpmi =

1007MTZ 12/2001 Jahrgang 62

5.4 Wärmeladung

Bild 10: Luft-temperatur bei Einlassschluss und Luftmasse imBrennraum bei Wärmeladung n = 1000/minFigure 10: Air temperature and air mass in the combustion chamberat the inlet valve closure moment with heat charging n = 1000/min

9,8%. Anzumerken ist noch, dass der Luft-aufwand nicht vollständig den Wert dergeschleppten Messungen erreicht. Das istin erster Linie darauf zurückzuführen, dasswegen einer nicht ausreichenden Dauer-haltbarkeit des Antriebs am gefeuertenMotor keine vollständige Optimierung derLTV-Steuerzeiten durchgeführt werdenkonnte.

5.3 Erforderliche LTV-Schaltzeitbei dynamischer AufladungEine äußerst wichtige Einflussgröße aufden Nutzen des Lufttaktventils zur dyna-mischen Aufladung stellt die Schaltzeitdes verwendeten LTV-Klappensystemsdar.

Bild 8 zeigt den Gewinn mit zweimali-ger LTV-Taktung im Zyklus gegenüberdem Saugrohr ohne LTV, der bei Messun-gen mit unterschiedlichen Klappenge-schwindigkeiten dargestellt werdenkonnte. Die Versuche mit veränderterSchaltzeit wurden durch die Variationvon Trägheitsmomenten und Federstei-figkeiten am Antrieb realisiert. Dabeizeigt sich deutlich, dass eine schnelleKlappe mit Schaltzeiten um ΔtS = 2 msnotwendig ist, um die potenziell erreich-baren Gewinne auch umsetzen zu kön-nen. Beispielsweise fällt der Gewinndurch das LTV bei n = 1000/min auf dieHälfte ab, wenn die Schaltdauer der Klap-pe von ΔtS = 2,25 ms auf ΔtS = 5,5 msansteigt. Bei höheren Drehzahlen sinktder Gewinn des Systems bei Schaltzeitenüber ΔtS = 5 ms praktisch auf Null ab, dadann die doppelte LTV-Schaltung zuneh-mend weniger Nutzen für den Ladungs-wechselvorgang bringt.

Die Erklärung dafür gibt die Analyseder jeweils luftaufwandoptimalen Schalt-zeitpunkte mit zweimaliger LTV-Taktungfür verschiedene Klappenschaltzeiten ΔtS,die in Bild 9 aufgetragen sind. Es ist zuerkennen, dass der Beginn der ersten LTV-Öffnung jeweils zum gleichen Zeitpunktstattfindet, wenn das Auslassventil nahe-zu geschlossen ist.

Das vollständige Schließen des zweitenLTV-Schaltvorgangs ist ebenfalls in allenFällen gleich und findet kurz nach demunteren Totpunkt statt. Als günstig fürden Luftaufwand erwies sich eine mög-lichst kurze zweite Öffnung des LTV. Theo-retisch lässt sich die optimale Öffnungs-dauer des zweiten Takts aus der Saugrohr-und Einlasskanallänge bestimmen. Bei zulangsamer Umschaltzeit der Klappe wirddieser zweite Takt aber zu lang. Die ver-bleibende Zeit innerhalb der Öffnung desEinlassventils reicht dann nicht mehr aus,um eine positive Aufladewirkung zu reali-sieren.

Mit längerer Schaltzeit der LTV-Klappemuss die vollständige Öffnung im erstenSchaltzyklus wesentlich früher beendetwerden und der zweite Schaltzyklusbeginnt sofort daran anschließend. Die imdes zweiten Schaltzyklus einströmendeLuftmasse wird dadurch eingeschränkt,dass vor dem zweiten Öffnen kein ausrei-chender Unterdruck in der Schließphaseaufgebaut werden kann. Weiterhin ist amEinlassende mit langen LTV-Umschaltzei-ten keine zielgerichtete Unterdrückungvon Rückströmvorgängen aus dem Zylin-der mehr möglich. Die Rückströmung fin-det dann zu schnell nach dem Beginn derKlappenöffnung statt, so dass das LTV zudiesem Zeitpunkt noch nicht wiedergeschlossen werden kann.

5.4 WärmeladungNeben der dynamischen Aufladungwurde im Rahmen der Messungen am Ein-zylindermotor die Realisierbarkeit derWärmeladung mit Hilfe eines einzelnen,kurzen Öffnens der LTV-Klappe im Zyklusnäher untersucht. Ein charakteristischesErgebnis umfangreicher Messungen bei n= 1000/min zeigt Bild 10. Die gesamte Öff-nung der LTV-Klappe beträgt dort 30 °KW,was der kürzest möglichen Zeit von 4,5 ms(= 2 ΔtS) entspricht. Das 30°KW-Öffnungs-fenster des LTV wurde über die Öffnungs-phase des Einlassventils hinweg verscho-ben. Für die jeweiligen Betriebsfälle wurdedie Temperaturerhöhung im Zylinder-raum sowie die im Brennraum befindlicheLuftmasse aus den gemessenen Druck-und Temperaturdaten berechnet.

Dabei zeigt sich, dass zum Zeitpunktdes Einlassschlusses Temperaturdifferen-zen von bis zu ΔTES = 45 K gegenüber demMotorbetrieb ohne LTV erreicht werdenkonnten, was für die Luftvorwärmung vonDieselmotoren beim Kaltstart ohne Glüh-stifte ausreichend ist.

Die Indiziermessungen zeigen, dass andiesen Punkten der Brennraumdruck hin-ter der geschlossenen Klappe auf 0,46 barbis zum Zeitpunkt der Klappenöffnungabsinkt. Durch die intensive Einströmungaufgrund dieser Druckdifferenz wird dieFrischluftmasse wegen dynamischer Auf-ladeeffekte trotz sehr kurzer Klappenöff-nungsdauer auf das Niveau des reinenSaugbetriebs angehoben, so dass bei derWärmeladung keine Einschränkungbezüglich der bei der Verbrennung zurVerfügung stehenden Luftmasse besteht.Die gesamte im Brennraum befindlicheGasmasse steigt durch Restgasanteilesogar um nahezu 25 % an. Für ideal dichteSysteme sind noch weitere Temperaturer-höhungen möglich.

6 Zusammenfassung und Ausblick

Das Lufttaktventil (LTV) stellt ein innovati-ves System zur Ladungswechseloptimie-rung dar. Es ermöglicht bei Otto- und Die-selmotoren eine Vielzahl von Verfahrens-varianten zur Beeinflussung von Luftmas-se und -temperatur im Brennraum. Dietechnische Umsetzung eines solchenSystems stellt eine große Herausforde-rung dar, da extrem kurze Schaltzeiten imBereich von jeweils 2 ms zum Öffnen undzum Verschließen des Ansaugquer-schnitts erreicht werden müssen.

Die Erprobung eines Prototypen aneinem Einzylindermotor mit Otto-Direkt-einspritzung ergab einen eindrucksvollenNachweis der Funktionsfähigkeit des Luft-taktventils. Bei Versuchen zur Drehmo-mentanhebung durch dynamische Aufla-dung des Motors bis hin zu niedrigstenDrehzahlen wurde beispielsweise fürn=1000/min ein Luftaufwandgewinn von13% gegenüber reinem Saugbetrieberreicht. Weiterhin konnte das schnellereDurchbrennen der Ladung im gefeuertenBetrieb durch die intensivierte Ladungsbe-wegung nachgewiesen werden. Ergebnis-se der Wärmeladungsexperimente zeigen,bei unveränderter Frischluftmasse im Ver-gleich zur Ansaugung ohne Lufttaktventil,eine realisierte Temperaturerhöhung derangesaugten Luft im Zylinderraum beiEinlassschluss um ΔTES = 45 K, womit einerhebliches Potenzial zur Verbesserungder Gemischbildung beim Kaltstart auf-gezeigt werden konnte.

Einige der in Abschnitt 3 aufgezeigtenVerfahrensmöglichkeiten können theore-tisch auch von vollvariablen mechani-schen, elektromechanischen oder elektro-hydraulischen Ventiltrieben abgedecktwerden. Mit den derzeit realisierbarenSchaltzeiten elektromechanischer Ventil-triebe von etwa 3 ms für den Öffnungs-oder Schließvorgang sind jedoch Ein-schränkungen bei der Möglichkeit zurdrosselfreien Laststeuerung für hoheDrehzahlen und auch bei der Wirksamkeitder dynamischen Aufladung gegeben. Dergravierende Nachteil dieser Ventiltriebegegenüber dem Lufttaktventil ist jedochder hohe Energieverbrauch dieser Syste-me, der in der Größenordnung von 100 Wje Antrieb liegt [2]. Diese verhältnismäßighohen Leistungen werden zur Bewegungder großen Massen von Einlass- und Aus-lassventilen benötigt.

Momentan sind bei Mahle Filtersyste-me weiterführende Lufttaktventil-Versu-che an einem Vierzylindermotor mit über-arbeiteter Klappen- und Antriebskon-struktion mit reduzierter Schaltzeit von

ENTWICKLUNG Lufttaktventil

1008 MTZ 12/2001 Jahrgang 62

1,8 ms in Vorbereitung. Gegenüber denhier vorgestellten Versuchen konnte dieLeistungsaufnahme der neuen Antriebeauf zehn Watt je Zylinder verringert wer-den. Damit ist ein Erfolg versprechenderEinsatz des Lufttaktventils in Kombina-tion mit konventionellen, preisgünstigenVentiltrieben zur hochdynamischen La-dungssteuerung und Aufladung denkbar,das durch kurze Saugrohrlängen erhebli-che Packagevorteile gegenüber herkömm-lichen Schwingrohrsystemen aufweist.

Literaturhinweise

[1] Flierl, R., Hofmann, R., Landerl, C., Melcher,T., Steyer, H.: Der neue BMW Vierzylinder-Ottomotor mit VALVETRONIC. Teil 1: Konzeptund konstruktiver Aufbau. MTZ Motortechni-sche Zeitschrift 62 (2001) 6

[2] Salber, W. Kemper, H., van der Staay, F.,Esch, T.: Der elektromagnetische Ventiltrieb –Systembaustein für zukünftige Antriebskon-zepte, Teil 1. MTZ – Motortechnische Zeit-schrift 61 (2000) 12

[3] Miersch, J., Reulein, C., Schwarz, Ch.: Rech-nerischer Vergleich unterschiedlicher Moto-renkonzepte zur Verbrauchsreduzierung undDynamiksteigerung. 4. Internationales Stutt-garter Symposium Verbrennungskraftmaschi-nen, 20.–22.2.2001, expert-Verlag, Rennin-gen, 2001

[4] Schatz, O.: Patentschrift DE 37 37 828 A1,1987

[5] Schatz, O.: Patentschrift DE 37 37 824 A1,1987

[6] Kreuter, P., Bey, R., Wensing, M.: Impulsladerfür Otto- und Dieselmotoren. 22. WienerMotorensymposium, 26. – 27.04.2001

[7] Schatz, O.: Patentschrift DE 43 08 931 C2,1993

[8] Schatz, O., Steidele, T.: Pulse charging – anew approach for dynamic charging. 2ndInternational Conference on New Develop-ments in Powertrain and Chassis Engineering,Strasbourg, 14.–16.06.1989. ImechE-PaperC382/116, 1989

[9] Salber, W. Kemper, H., van der Staay, F.,Esch, T.: Der elektromagnetische Ventiltrieb –Systembaustein für zukünftige Antriebskon-zepte, Teil 2. MTZ – Motortechnische Zeit-schrift 62 (2001) 1

1009MTZ 12/2001 Jahrgang 62

worldwideworldwideFor an English version of this article,see MTZ worldwide

For information on subscriptions, just call us or send an email or fax.

Vieweg Verlag Postfach 1546 D-65173 WiesbadenHotline 06 11/78 78-151 Fax 06 11/78 78-423email: [email protected]

SAE International