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Uns gibt es auch / Reise nach Hamburg Seite 1 Selbsthilfegruppe / Lernende zu Experten Seite 2 Qualifizierung Lernende zu Experten Seite 3 Das Geld bleibt aus, ein Nachgeschmack bleibt Seite 4 World Cafй in Weinheim / Die Stimme der Lerner Seite 5 Mein erstes Buch / Spiegel / Ausflug in den Teich Seite 6 Zuschrift / Spruch / Rдtsel Seite 7 Leserbriefe / Meckerecke / Rubrik Seite 8 In dieser Ausgabe Wir lernen nicht nur schreiben, wir tun es auch! Ausgabe 18 25. Februar 2011 XXX Die ABCZeitung KONTAKT Uns gibt’s online unter www.abcprojekt.de Wir freuen uns sehr ьber Leserbriefe: [email protected] UNS GIBT ES AUCH V ON BRIGITTE VAN DER V ELDE Seit sechs Jahren schon nehme ich als Lernende an den Fachtagungen zur Alphabetisierung teil. Hier erfahre ich je des Mal, auch in schwieriger Lebenslage, zu bestehen und geach tet zu werden. In Workshops, in Ge sprächen und bei eige nen Vorträgen wurden mir Aufmerksamkeit und Interesse entgegen gebracht. Bei der letzten Fachtagung in Wein heim war ich bei einer Lesung mit selbst ver fassten Texten beteiligt. Umso mehr trifft es mich zutiefst, dass wir Lernende auf Fachta gungen in Zukunft nicht mehr dabei sein können. Ich habe mich selbst mit eingegeben, so wie viele andere es auch taten. Viele wirken mit gro ßem Engagement auch darüber hinaus. Man hat nicht nur über uns, son Reise nach Hamburg Durch den Schreibkurs bei der VHS Oldenburg habe ich so viel Selbst vertrauen gewonnen, dass ich mir, nachdem ich hier angefangen ha be, es mir zugetraut ha be, nach Hamburg zu fahren. Es war für mich neu, einfach mit der Bahn und dem Bus zu fahren. Aber ich habe es ge schafft. Das hat mich so gestärkt, dass ich Ver wandte in der Nähe von Hamburg besucht habe. Das hätte ich mir vorher nicht zugetraut. Aber mit ein bisschen Selbst vertrauen geht es. Man kann oft mehr als man denkt. Es ist schön, dass man mit der richtigen Hilfe weiter kommt. Ein gutes Gefühl, wenn man sich etwas zutraut und es schafft. dern auch mit uns gere det. Das hat uns Mut ge macht. Man war dabei, uns eine Lobby zu geben und wir waren voller Hoffnung, als funktionale Analpha beten einen anerkannten Platz in dieser Gesell schaft zu bekommen. Doch nun schlägt man uns die Tür vor der Nase zu. Wir alle sind scho ckiert und unendlich traurig über diese Ent wicklung. weiter auf Seite 2 Lernende im Zug nach Weinheim V ON IRINAMARGRET

In dieser Ausgabe XXX - abc-projekt.de Mimik ist wichtig. Aber auch Entspannungs übungen, die man ma chen kann, bevor man auf die Bühne geht. Die ersten beiden Wo chenenden, die

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Page 1: In dieser Ausgabe XXX - abc-projekt.de Mimik ist wichtig. Aber auch Entspannungs übungen, die man ma chen kann, bevor man auf die Bühne geht. Die ersten beiden Wo chenenden, die

Uns gibt es auch / Reise nach Hamburg ­ Seite 1Selbsthilfegruppe / Lernende zu Experten ­ Seite 2

Qualifizierung Lernende zu Experten ­ Seite 3Das Geld bleibt aus, ein Nachgeschmack bleibt ­ Seite 4

World Cafй in Weinheim / Die Stimme der Lerner ­ Seite 5Mein erstes Buch / Spiegel / Ausflug in den Teich ­ Seite 6

Zuschrift / Spruch / Rдtsel ­ Seite 7Leserbriefe / Meckerecke / Rubrik ­ Seite 8

In dieser Ausgabe

Wir lernen nicht nur schreiben, wir tun es auch! Ausgabe 18 25. Februar 2011

XXXDie ABC­Zeitung

KONTAKTUns gibt’s

online unterwww.abc­projekt.de

Wir freuen unssehr ьber

Leserbriefe:xxx@abc­projekt.de

UNS GIBT ES AUCHVON BRIGITTE VAN DER VELDE

Seit sechs Jahren schonnehme ich als Lernendean den Fachtagungenzur Alphabetisierungteil. Hier erfahre ich je­des Mal, auch inschwieriger Lebenslage,zu bestehen und geach­tet zu werden.In Workshops, in Ge­sprächen und bei eige­nen Vorträgen wurdenmir Aufmerksamkeitund Interesse entgegengebracht. Bei der letztenFachtagung in Wein­heim war ich bei einerLesung mit selbst ver­fassten Texten beteiligt.Umso mehr trifft esmich zutiefst, dass wirLernende auf Fachta­gungen in Zukunft nicht

mehr dabei sein können.Ich habe mich selbst miteingegeben, so wie vieleandere es auch taten.Viele wirken mit gro­ßem Engagement auchdarüber hinaus. Man hatnicht nur über uns, son­

Reise nach HamburgDurch den Schreibkursbei der VHS Oldenburghabe ich so viel Selbst­vertrauen gewonnen,dass ich mir, nachdemich hier angefangen ha­be, es mir zugetraut ha­be, nach Hamburg zufahren.

Es war für mich neu,einfach mit der Bahnund dem Bus zu fahren.Aber ich habe es ge­schafft. Das hat mich sogestärkt, dass ich Ver­wandte in der Nähe vonHamburg besucht habe.Das hätte ich mir vorhernicht zugetraut. Aber

mit ein bisschen Selbst­vertrauen geht es. Mankann oft mehr als mandenkt. Es ist schön, dassman mit der richtigenHilfe weiter kommt.Ein gutes Gefühl, wennman sich etwas zutrautund es schafft.

dern auch mit uns gere­det. Das hat uns Mut ge­macht.Man war dabei, uns eineLobby zu geben und wirwaren voller Hoffnung,als funktionale Analpha­beten einen anerkannten

Platz in dieser Gesell­schaft zu bekommen.Doch nun schlägt manuns die Tür vor der Nasezu. Wir alle sind scho­ckiert und unendlichtraurig über diese Ent­wicklung.

weiter auf Seite 2

Lernende im Zug nach Weinheim

VON IRINA­MARGRET

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XXX ­ Die ABC­Zeitung Seite 2

nicht so hinnehmen. Daskann man mit uns dochnicht machen. Wir wa­ren uns einig, wir wol­len uns wehren.Unsere Haltung habenwir auch noch einmal inder Abschlussversamm­lung der Fachtagungdeutlich gemacht. Mit­ten in der Veranstaltungsind viele Lernende zurgleichen Zeit aufgestan­den, schweigend, abermit aller Deutlichkeit:Hier sind wir und wirhaben ein Gesicht undwir wollen uns nichtmehr verstecken. Unsgibt es auch!

ABC­Selbsthilfegruppe Oldenburg ­ so solldie neue Selbsthilfegruppe heißen.Erwachsene Menschen mit Lese­ undSchreibschwäche (Lernschwäche) möchtensich mit Gleichgesinnten treffen. Sie wollenüber ihre Probleme sprechen und sich aus­tauschen. Sie wollen aktiv werden, um imAlltag besser zurecht zu kommen. Jeder,der mit Lesen und Schreiben ein Problemhat, kann gerne kommen.Das Treffen findet immer am ersten Montagim Monat von 19:30 bis 21:30 Uhr im Staa­kenweg 7 in Oldenburg statt. Das erste

Fortsetzung von Seite 1

Deshalb haben sich Ler­nende aus ganzDeutschland und ausdem Ausland währendder Fachtagung in Wein­heim am letzten Tagnoch einmal zusammen­gefunden, um zu überle­gen, was wir tun könnenund wie wir uns dage­gen wehren können.Das war ein sehr emo­tionales Zusammensein.Betroffenheit, Enttäu­schung, Wut, und Trä­nen, aber auchKampfeslust standen imRaum. Wir wollen das

Uns gibt es auch

VON UWE BOLDT

Ich nehme an einer Fort­bildung teil für Lerner,die in die Öffentlichkeitgehen. Es wird viel Me­dientraining gemacht.Bei den Übungen mussman sich nicht nurdurch die Sprache, son­dern auch durch dieKörpersprache aus­drücken. Vor allem dieMimik ist wichtig. Aberauch Entspannungs­übungen, die man ma­chen kann, bevor manauf die Bühne geht.Die ersten beiden Wo­chenenden, die wir be­reits in Lambrecht beiLudwigshafen verbrachthaben, waren auch fürmich noch sehr auf­

schlussreich. Ich konntefür mich noch einigesfür Interviews odersonstige Bühnenauftrittemitnehmen.Das erste Wochenendetrug das Thema Medien­training. Hier haben wirviele Übungen zum Ein­

satz des Körpers ge­macht und verschiedeneEntspannungstechnikenkennen gelernt. Amzweiten Wochenendewar Kommunikations­training das Thema.Dort wurden vieleÜbungen zur Wahrneh­mung und Öffnung der

Fortbildung: Lerner zu Experteneigenen Wahrnehmunggemacht. Zum Beispielhaben wir das Vier­Oh­ren­Modell kennen ge­lernt, um jedeninhaltlichen Aspekt ei­ner Nachricht entschlüs­seln zu können.Das dritte Modul ist erstam 26./27.2.2011. Dazukann ich noch nichts sa­gen, da ich selbst nichtweiß, was da auf michzukommt.Aber ich glaube, dieseFortbildung ist sehr gutund hilft allen bessermit Medien umgehen zukönnen. Jeder kann fürsich noch etwas darausmitnehmen.

Probleme mit dem Lernen?

Treffen beginntam 4. April 2011.Ernst undBrigitte freuensich auf euch!

Lernende und Begleiter bei der Fortbildung

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Seit vielen Jahren gehenwir in die Öffentlichkeitum aufzuklären und zuermutigen.Wir geben Interviewsfür Zeitungen, Funk undFernsehen, diskutierenbei Tagungen auf demPodium, halten Vorträgeund führen Workshopsdurch. In Unis sprechenwir mit Professoren undStudenten, in Schulenmit Lehrern und Schü­lern, auf Messen mitAutoren, Verlegern undPolitikern.Wir haben auch keineAngst vor den unange­nehmen Fragen auf derStraße, wenn wir mitdem ALFA ­ Mobil desBundesverbandes unter­wegs sind. Wir haben esgewagt in die Öffent­lichkeit zu gehen und eshat sich gelohnt, für unspersönlich und für unse­re Sache.Aber diese Arbeit kostetviel Kraft und Zeit. JedeVeranstaltung, jederAuftritt muss gut vorbe­reitet sein, denn wirwollen ja ernst genom­men werden. Damit wirdas noch besser machenkönnen, wollten wirprofessionelle Hilfe.Mit dem AlBi ­ Projekthatten wir unsere Chan­ce. Bei den Fortbildun­gen für Schlüssel­personen, die an ihremArbeitsplatz im Job­Center oder in einer Be­

ratungsstelle Menschenansprechen und in Kursevermitteln können, wa­ren wir bald ein festerProgrammpunkt.Schnell wurde klar, dasswir selber solche Multi­plikatoren waren undunser Wunsch nach ei­ner eigenen Fortbildungwurde umgesetzt. Ge­meinsam mit unsererKursleiterin, zwei Trai­nerinnen für Medien­pädagogik und Kommu­nikation und der UniMainz haben wir eineFortbildung in drei Wo­chenend­Modulen ent­wickeltDie ersten zwei Wo­chenenden waren ganzschön anstrengend, auchwenn viel gelacht wur­de. Aber so soll es sein,denn wir wollen ja anuns arbeiten. Viele

Übungen konnten wirgleich im Alltag nutzen.Wir haben gelernt, dasses immer verschiedeneAnsichten einer Infor­mation gibt. Man mussimmer überlegen, wieetwas gemeint ist oderwie man selber geradedrauf ist. Wir habenauch gelernt nein zu sa­gen, sich nicht überre­den oder überrumpelnzu lassen.Wir freuen uns alleschon auf das dritte Mo­dul, auf neue Tipps undTricks, die uns helfennoch selbstbewusster zuwerden. Das Tolle dabeiist, je mehr Angst abge­baut wird, umso besserklappt auch das Lernen.Wir wissen jetzt schon,dass drei Module zwartoll sind, aber viel zu

Qualifizierung Lernende zu Expertinnen und Experten

wenig. Man muss dran­bleiben, wenn man sichverbessern will. Lebens­langes Lernen ist ange­sagt!Viele Übungen könnenzwar direkt in den nor­malen Unterricht einge­baut werden, aber unswäre es auch wichtigweiterhin in Workshopsund Seminaren gemein­sam an unseren Stärkenund Schwächen zu ar­beiten.Wie wir das bei denFachtagungen in denletzten sieben Jahren ge­schafft haben. Denn nurwenn wir zeigen, dasswir unsere Sache selbstin die Hand nehmen,wird sich was ändern.

Beittrag: SelbsthilfegruppeAnalphabeten Ludwigshafen

Lernende im Seminar zur Kommunikation

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XXX ­ Die ABC­Zeitung Seite 4

VON KARIN

Die einzelnen großenund kleinen Gruppenund Projekte, die sichim Laufe der Jahre umdie gesetzliche Alpha­betisierung aufgebauthaben, sollten sichnoch mehr vernetzen,um größere Erfolge zuerzielen.Es ist schon viel inBewegung gekom­men, aber sicher wirdnoch mehr erreicht,wenn man an einemStrang zieht.Leider ist es so, dassdie Gelder für die Al­phabetisierung 2011auslaufen. Das hat si­cher viele Nachteilefür uns und vor allemfür die, die nach unskommen.Immer wieder werdenAnalphabeten (lese­und rechtschreib­schwache Kinder) inden deutschen Schu­len produziert.Es war in der Vergan­genheit so, und wirdsicher auch in der Zu­kunft so sein, dass vie­le Lehrer beiSchreibproblemen undLegasthenie einesKindes überfordertsind und waren.Einige Lehrer könnenden Schülern nur we­nig oder gar nichtsbeibringen, in unge­

heuer vielen Fällenmussten die Kinderdie Schulen wechselnund kamen in eineFörderschule, ehemalsSonder­ oder Hilfs­schule.Wenn das Kind aus ei­nem sogenannten gu­ten Elternhaus kommt,sieht das ganz andersaus. Es bekommt För­derunterricht und jedeMenge Nachhilfe, sodass es auch die Mitt­lere Reife machenkann.Die Fachtagung inWeinheim hat mir ei­nes ganz deutlich ge­macht, dass wer schonunten ist, auch gerneunten gehalten wird.Ich habe dort vieleWorte und Vorträgemit Begeisterung ge­hört und war tief be­eindruckt. Es istwirklich eine gute Sa­che, diese Alphabeti­sierung!Der Vortrag vom Ker­schensteiner Berufs­kolleg aus Bielefeldhat mich jedoch tieferschüttert und einengallebitteren Nachge­schmack in mir hinter­lassen.Dort können jungeMenschen mit Lese­/Schreibschwierigkei­ten eine Berufsausbil­

dung nach §66 BBiG,nach 42 (m) oder nach§25 BBiG für denzweiten Arbeitsmarktmachen.Das Schreckliche dar­an ist: Dass man mitdem offiziellen § 66als behindert einge­stuft wird. Es ist nichtmöglich, auf dem ers­ten Arbeitsmarkt mitdieser Ausbildung zuarbeiten.Ich stellte mir einigeFragen:Wie soll der jungeMensch jemals denMakel der Behinde­rung in unserer gebil­deten Gesellschaftwieder loswerden?Was können wir alledafür, dass uns dieLehrer ignorierten?Was können wir denndafür, dass man unsdas Recht auf eine or­dentliche Bildung ver­wehrte?Was können wir ei­gentlich dafür, dassdie, die uns was bei­bringen sollten, esnicht konnten oderwollten?Was können wir dafür,dass wir nicht aus ei­nem reichen Eltern­haus kamen.

Das Geld bleibt aus, ein bitterer Nachgeschmack bleibtUnd was man einemvon uns angetan hat,hat man allen angetan.Ich wurde schon oftgefragt, warum ichnicht in der Öffent­lichkeit zu meinemDefizit, meinemSchreibproblem, ste­he. Ich bin schon lan­ge auf dem Weg,dieses Defizit in eineStärke umzuwandelnund hatte schon fastvergessen, warum ichso eingestellt bin.Jetzt weiß ich es wie­der und werde es niemehr vergessen. Eini­ge sogenannte klugeMenschen reduzierenMenschen auf ihreSchwächen, damit sieselbst prunkvoll daste­hen.Sie wollen um keinenPreis die Stärken desAnderen sehen.

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XXX ­ Die ABC­Zeitung Seite 5

VON ERNST

Am Donnerstag, den28.10.2010 sind wir ange­kommen im N.H HotelWeinheim. Von 17 bis 19Uhr gab es für uns Lernerdas World­Cafe. Manuelaund ich hatten auch ein The­ma vorbereitet: „Wie ging esuns nach der Schulzeit, Be­ruf, Familie, Kinder…“Ich brauchte nicht viel sa­gen, es ging sofort los. DerFunke sprang sofort über.Einige Lerner arbeiten als

Hilfsarbeiter mal hier und daund bekommen Hartz IV. Esgab auch Antworten wie: „InDeutschland bekomme ichmein Geld schon.“Eine junge Frau sagte ganzklar: „Meine Eltern habensich nicht gekümmert.“ Sieerzählte uns eine sehr trauri­ge Geschichte und trotzdemfällt es immer wieder auf,dass immer wieder die El­tern geschützt werden.Warum auch immer.Warum schafft man sich

World­Café in WeinheimVON TIM­THILO FELLMER

Immer mehr Lerner stehen zu ih­ren Lese­ und Schreibproblemenund einige von ihnen gehen sogarauf Veranstaltungen und in denMedien für ihr Thema in die Öf­fentlichkeit.Dadurch wird der Gesellschaftund den Entscheidungsträgern inder Politik zunehmend vor Augengeführt, dass es in der Thematiknicht um abstrakte Zahlen, son­dern um Menschen mit ihren ganzpersönlichen Lebensschicksalengeht.Hierbei wird allen schnell klar,dass die Schuld ­ nicht oder nursehr schlecht lesen und schreibengelernt zu haben ­ nicht bei denBetroffenen zu suchen ist. Viel­mehr wird offensichtlich, dass esmeistens an äußeren Einflüssenlag, die zu der Problematik ge­führt haben.Auch wenn es inzwischen schonviele Lerner sind, die für ihre Sa­che aktiv werden, sollten es nochviel, viel mehr werden.Denn es ist gerade das Mitwirkender Lerner, das zunehmend zurSensibilisierung und Aufklärungfür die Thematik in der Gesell­schaft und Politik beiträgt.Also lasst uns bitte gemeinsamweiter unsere Stimme erheben, sodass uns Unterstützung zukommt,und es anderen vielleicht gar nichtmehr so ergehen muss, wie wir esin unserem Leben erleben muss­ten.

Kinder an, um sich dannnicht darum zu kümmern?Das kann ich nicht verste­hen. Einige sagten, die El­tern mussten viel arbeiten,hatten wenig Zeit. Das darfkeine Ausrede sein.Ein junger Mann lebte 2Jahre auf der Straße. Er er­zählte, dass er seinen Vaterkaum gesehen hatte und sei­ne Mutter nur dann undwann mal.

So hat jeder seine Geschich­te erzählt. Einige Malemusste ich ganz schöndurchatmen.Einige sagten auch, die AR­GE hat Schuld. Sie mussmehr Geld geben und diesund das machen.Das ist mir zu einfach. Mankann nicht immer alles aufdie ARGE abwälzen.Man muss sich auch selbsteinbringen und etwas ma­chen.

Teilnehmer aus Oldenburg in Weinheim

Die Stimme der Lerner inGesellschaft und Politik

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XXX ­ Die ABC­Zeitung Seite 6

VON ANDREAS

Ich heiße Andreas undbin 45 Jahre alt. In derSchule habe ich das Le­sen und Schreiben nichtgut gelernt.Meine Schulzeit war al­les andere als schön.Schon in der erstenKlasse kam ich nichtmit und bin dann gleichsitzen geblieben.Das Jahr darauf bin ichgleich in die Sonder­schule gekommen. Dorthaben sich die Lehreraber auch nur für dieLeute interessiert, dieschon lesen und schrei­ben konnten.Erst jetzt habe ich denMut gehabt, an einemAlphabetisierungskursteilzunehmen. Jetzt kannich schon besser lesen

und habe mein erstesBuch gelesen. Das hieß„Monsieur Ibrahim unddie Blumen des Koran“.Das war gar nicht soleicht, aber weil dasBuch sehr interessantwar, konnte ich nichtaufhören. Nach sechs­einhalb Stunden war ichfertig. Wer nicht lesen

Den Spiegel zerschlagenMein erstes BuchVON ZDENKO SISIC

Mein Freund, der du zumir aus dem Spiegelsprichst. Bist du ich oderbin ich du? MeinFreund, sprichst du zumir oder ich zu dir?Mein Freund, bin ich es,

VON OLIVER

Peter und Olaf wollteneine Fahrradtour ma­chen. Als Olaf bei Peterankam, sagte er: „MeinFahrrad ist kaputt.“Peter fluchte und jetztsagte Olaf: „Dann musstdu mich auf den Ge­päckträger nehmen.“Peter sagte: „Du kannstnicht auf den Gepäckträ­ger, du wiegst mehr alsich.“ Olaf antwortete:

„Dann fahr ich halt.“Die beiden fuhren end­lich los. Sie fuhren eineWeile. Dann sagte Olaf:“Lass uns eine Pausemachen.“Peter antwortete: „Nagut.“Nach 20 Minuten wolltePeter wieder losfahren.Olaf sagte zu Peter:„Fahr du weiter!“Peter antwortete: “Dumusst eh ein paar Kiloabnehmen. Also fahr duweiter!“

Der Ausflug in den Teich

und schreiben kann, dersoll es lernen. Besserspät als nie. Denn esmacht Spaß und mankann viel lernen.

Olaf fuhr grimmig wei­ter. Die beiden redetenkein Wort mehr. AlsOlaf um einen See fah­ren wollte, brach dasFahrrad und Olaf fuhr in

den See rein. Peter undOlaf saßen jetzt im See.Die Moral von der Ge­schichte: Teile deinFahrrad nicht.

©Günt

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der so im Spiegel leidet? Mein Freund, habenwir das gleiche Leiden?Mein Freund, dein Leiden kann ich mit einemSchlag zerschlagen. Oder ich kann michverstecken, aber mein Leiden, das ich einLeben lang aus der Vergangenheit in dieZukunft trage, weicht nicht von mir.Es ist das Leiden, dass ich nicht richtig lesenkann, dass ich es nicht schaffe richtig zuschreiben und die Regeln nicht anwendenkann. Dass ich die Buchstaben verdrehe odervertausche und in meinem Gehirn eine Leereherrscht. Dass ich das Alphabet nichtbeherrsche.Was soll ich tun, mein Freund? Wie kann ichmein Leiden zerschlagen?

©Jürg

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XXX ­ Die ABC­Zeitung Seite 7

In diesem Silbenrдtsel sind 10 Wцrter zum Thema Mieter.Ne­ ­trag Kau­ Nach­ ­pa­ Bal­ ­ben­ Ver­

Haus­ ­di­ ­ra­ ­ord­ ­kon­ ­tion ­gen ­tur­ten ­nung ­barn kün­ ­kos­ ­ zah­ Re­ Zim­ be­ ­mer ­len

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Das Silbenrдtsel ERSTELLT VON ERNST

Lösung der letzten Ausgabe: Advent, Zimtstern, Süßigkeiten, Nikolaus, Geschenke, kalt, Tannenbaum, Schneeball, Lebkuchen, Weihnachten

Hallo Chef,ich arbeite wie ein Pferd,werde wie ein Pony bezahltund fьhle mich dabei wie einEsel.Ja, Esel muss es geben.So ist das Arbeitsleben.

K.

Vielen Dankfür diese schöne Postkarte vom Lese­und Schreibkurs aus Hameln! ☺

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XXX ­ Die ABC­Zeitung Seite 8

Wir haben uns wieder sehr über alleure Zuschriften gefreut. Schreibtuns unter xxx@abc­projekt.deBitte gib mit an, wenn du mit demAbdruck deines Leserbriefes einver­standen bist.Schreibe: Ihr dürft meinen Brief inder ABC­Zeitung abdrucken._____________________________

Ein Hoch auf das A.B.C.­ Projekt inOldenburg! Die Eröffnung desA.B.C.­ Projekts war am 01.11.2007.Das Projekt dauerte drei Jahre. Je­der Euro, der hier reingesteckt wur­de, kommt meiner Meinung doppeltoder dreifach zurück!!Hier wurde ein Meilenstein in derAlphabetisierung gelegt!!! Die Ler­ner erhalten 400 Stunden Unterrichtin einem halben Jahr für nur 338Euro!! Ich würde mir wünschen,wenn wir so etwas deutschlandweithaben könnten!!Ich komme aus dem Raum Aschaf­fenburg! In Aschaffenburg gibt esauch eine VHS. Dort kann ich nur 15Stunden im Jahr machen! Ich müsstealso 26,6 Jahre zur VHS gehen, umauf 400 Stunden zu kommen!!Ich glaube, alle Lerner würden sichso etwas wünschen wie das A.B.C.­Projekt, 400 Stunden in einem halb­en Jahr. Das wäre ein Traum fürmich!! Es werden so viele Steuergel­der rausgepulvert! Warum kann mannicht solche Projekte in allen Groß­städten einrichten?

Richard

Die nдchste Ausgabeerscheint Mitte AprilV.i.S.d.P.: Achim Scholz scholz@abc­projekt.deVHS Grundbildungszentrum, Staakenweg 7,26131 Oldenburg, Telefon: 0441/5948635© 2011 www.abc­projekt.de

Leserbriefe Warum habe ichnicht lesen undschreiben gelernt?Da wir oft gefragt werden,warum wir nicht lesen undschreiben gelernt haben, möch­ten wir das Thema in jeder Aus­gabe aufgreifen und darüber be­richten. Dazu brauchen wirauch eure Geschichten! Schicktuns Leserbriefe zu dem Thema,die wir veröffentlichen dürfen.Warum ich nicht lesen undschreiben gelernt habe:Über mich:Mit 11 Jahren bin ich nachDeutschland gekommen. Dannwurde ich mit 12 Jahren einge­schult.Meine Eltern konnten kein ein­ziges Wort Deutsch. Als ich dieSchule besuchte, haben sich dieLehrer kaum um uns geküm­mert.Ich habe mit 19 Jahren geheira­tet und im selben Jahr ein Kindbekommen ­ Patrizia. Jasminwurde 4 Jahre später geboren.Mein Mann ist Deutscher. Wirsprechen alle Deutsch. Spre­chen kann ich das gut. Nur Le­sen und Schreiben fällt mirschwer.Ich habe viel gelernt: DieSprache und über die Kultur.Nun bin ich 31 Jahre und lerneLesen und Schreiben.

Kumri

Lieber Achim,vorneweg vielen Dank an dich unddein Redaktionsteam.Die Weihnachtsausgabe eurer ABC­Zeitung als Lektüre für die Feiertagemitgeben zu können, war ein sehrschönes Gefühl. Ich habe sie für allefarbig ausgedruckt und schön ge­bunden. Das hat richtig was „herge­macht“. Ich bin schon gespannt, wiedas von den Lernenden genutzt wur­de.Eine Anmerkung dazu: Der linkeRand ist fürs Lochen und Binden et­was knapp bemessen. Vielleichtkönnt ihr etwas nach rechts rücken,da ist der Rand breiter.Vielen Dank und alles Gute für eineerholsame Weihnachtszeit und vielErfolg im nächsten Jahr wünscht dir

Elfriede Haller.

Mich ärgert, dass die Deut­

schen zu wenig auf die Stra­

ße gehen. Noch nicht mal

wenn’s ans eigene Portmo­

nee geht.K.

Ich ärgere mich, dassman mit einem 50igerRoller nur 45 km/hfahren darf. K.

Und was ärgert euch? Schreibt uns!

xxx@abc­projekt.de