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Menschen 98 Physikalische Blätter 55 (1999) Nr. 7/8 Priv.-Doz. Dr. Klaus- Peter Bohnen, Forschungszentrum Karlsruhe Hermann Rietschel A m 7. Dezember 1998 verstarb Prof. Dr. Hermann Rietschel, Leiter des Instituts für Nukleare Festkörperphysik (INFP) des Forschungszentrums Karlsruhe und außerplanmäßiger Professor an der Fakultät für Physik der Univer- sität Karlsruhe. Nach seinem Studium der theo- retischen Physik an der Universität Karlsruhe be- gann Hermann Rietschel 1967 seine wissen- schaftliche Tätigkeit am Forschungszen- trum Karlsruhe im damaligen Institut für An- gewandte Kern- physik unter Prof. Dr. K.-H. Beckurts. Nach Arbei- ten zum Para- und Ortho-Was- serstoff und zur Physik nieder- dimensionaler Leiter wurde die Physik der Supraleitung zum zen- tralen Thema seiner weiteren For- schungstätigkeit. Hierbei beschäf- tigte er sich unter anderem mit der Elektron-Phonon-Kopplung sowie dem Einfluß von Spinfluktuationen und Anharmonizitäten auf die Übergangstemperatur der Supralei- tung. Daneben fanden vor allem seine Arbeiten zur Physik der Schweren Fermionen weite interna- tionale Anerkennung. Fruchtbar für seinen wissenschaftlichen Werde- gang waren einige Auslandsaufent- halte, z. B. am Institut Laue Lange- vin in Grenoble bei Prof. Nozière und an der Universität von Kalifor- nien in San Diego bei Prof. Sham. Im Jahre 1991 wurde Prof. Rietschel zum Leiter des INFP be- rufen. Unter seiner Leitung wurden die von Bednorz und Müller 1986 entdeckten oxidischen Hochtempe- ratur-Supraleiter zum Forschungs- schwerpunkt des Instituts. Das Spektrum erstreckte sich dabei von grundlegenden Arbeiten zur Elektronenstruktur und Elektron- Phonon-Kopplung bis zu anwen- dungsorientierten Arbeiten der Materialentwicklung schmelz- texturierter Volumenproben und dünner Schichten. Hermann Rietschel erkannte die Bedeutung der Hochtemperatur-Supraleitung für technische Anwendungen und begeisterte seine Mitarbeiter für dieses Thema. So war es fast logisch, daß die 1989 auf Initiative des Landes Baden-Württemberg gegründete „Gesellschaft für Ange- wandte Supraleitung“ nicht nur ihren Sitz an das Forschungszen- trum vergab, sondern Prof. Riet- schel auch der Direktor dieser Gesellschaft wurde und durch seine Koordinationstätigkeit die Aktivitä- ten wesentlich beeinflußte. Europa- weit bekannt wurden die in diesem Rahmen erstellten „GAS on line“, periodische Mitteilungsblätter über die rasanten Fortschritte auf dem Gebiet der Hochtemperatur-Supra- leitung weltweit, aufbereitet in Kurzform für eine breite Leser- schaft. 1997 wurden diese Mittei- lungsblätter in englischer Sprache zur offiziellen Informationsschrift des europäischen Supraleitungs- netzwerkes „SCENET“ der Europäischen Union. Bereits 1974 wurde Hermann Rietschel zum außerplanmäßigen Professor ernannt. Neben seiner Lehrtätigkeit mit Vorlesungen über Supraleitung und Feldtheorie betreute er eine große Zahl von Diplom- und Doktorarbeiten. Prof. Rietschel war Mitheraus- geber von „The European Physical Journal B“ sowie Organisator und Vorsitzender verschiedener natio- naler und internationaler Konferen- zen. Ausdruck seines internationa- len Bekanntheitsgrades und der Qualität der Arbeiten seines Insti- tuts waren auch zahlreiche Ein- ladungen zu Vorträgen bei nationa- len und internationalen wissen- schaftliche Veranstaltungen. Mit Professor Hermann Rietschel verliert das Forschungszentrum Karlsruhe einen seiner profilier- testen Wissenschaftler und weltweit anerkannten Institutsleiter, der sich mit größtem Engagement den wis- senschaftlichen Fragen der Festkör- perphysik und besonders der Supra- leitung gewidmet hat. In der „Su- praleitungs-Community“ galt er als angesehener und sehr engagierter Wissenschaftler. Seine Mitarbeiter und viele Kollegen werden ihn als einen Menschen im Gedächtnis behalten, der mit großem Sachverstand, Verständnis für ihre Belange und großer Begeisterungsfähigkeit für ihren gemeinsamen wissenschaftli- chen Erfolg arbeitete. Mit seinen Angehörigen, Freunden und Kolle- gen aus der ganzen Welt betrauern wir seinen frühen Tod. In memoriam Hermann Rietschel Klaus-Peter Bohnen

In memoriam Hermann Rietschel

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Page 1: In memoriam Hermann Rietschel

Menschen

98Physikalische Blätter55 (1999) Nr. 7/8

Priv.-Doz. Dr. Klaus-Peter Bohnen,ForschungszentrumKarlsruhe

Hermann Rietschel

Am 7. Dezember 1998 verstarbProf. Dr. Hermann Rietschel,Leiter des Instituts für

Nukleare Festkörperphysik (INFP)des Forschungszentrums Karlsruheund außerplanmäßiger Professor ander Fakultät für Physik der Univer-sität Karlsruhe.

Nach seinem Studium der theo-retischen Physik an der Universität

Karlsruhe be-gann HermannRietschel 1967seine wissen-schaftlicheTätigkeit amForschungszen-trum Karlsruheim damaligenInstitut für An-gewandte Kern-physik unterProf. Dr. K.-H.Beckurts.

Nach Arbei-ten zum Para-und Ortho-Was-serstoff und zurPhysik nieder-dimensionalerLeiter wurde die

Physik der Supraleitung zum zen-tralen Thema seiner weiteren For-schungstätigkeit. Hierbei beschäf-tigte er sich unter anderem mit derElektron-Phonon-Kopplung sowiedem Einfluß von Spinfluktuationenund Anharmonizitäten auf dieÜbergangstemperatur der Supralei-tung. Daneben fanden vor allemseine Arbeiten zur Physik derSchweren Fermionen weite interna-tionale Anerkennung. Fruchtbar für

seinen wissenschaftlichen Werde-gang waren einige Auslandsaufent-halte, z. B. am Institut Laue Lange-vin in Grenoble bei Prof. Nozièreund an der Universität von Kalifor-nien in San Diego bei Prof. Sham.

Im Jahre 1991 wurde Prof.Rietschel zum Leiter des INFP be-rufen. Unter seiner Leitung wurdendie von Bednorz und Müller 1986entdeckten oxidischen Hochtempe-ratur-Supraleiter zum Forschungs-schwerpunkt des Instituts. DasSpektrum erstreckte sich dabei von grundlegenden Arbeiten zurElektronenstruktur und Elektron-Phonon-Kopplung bis zu anwen-dungsorientierten Arbeiten derMaterialentwicklung schmelz-texturierter Volumenproben unddünner Schichten. HermannRietschel erkannte die Bedeutungder Hochtemperatur-Supraleitungfür technische Anwendungen undbegeisterte seine Mitarbeiter fürdieses Thema. So war es fastlogisch, daß die 1989 auf Initiativedes Landes Baden-Württemberggegründete „Gesellschaft für Ange-wandte Supraleitung“ nicht nurihren Sitz an das Forschungszen-trum vergab, sondern Prof. Riet-schel auch der Direktor dieserGesellschaft wurde und durch seineKoordinationstätigkeit die Aktivitä-ten wesentlich beeinflußte. Europa-weit bekannt wurden die in diesemRahmen erstellten „GAS on line“,periodische Mitteilungsblätter überdie rasanten Fortschritte auf demGebiet der Hochtemperatur-Supra-leitung weltweit, aufbereitet inKurzform für eine breite Leser-schaft. 1997 wurden diese Mittei-lungsblätter in englischer Sprachezur offiziellen Informationsschriftdes europäischen Supraleitungs-netzwerkes „SCENET“ derEuropäischen Union.

Bereits 1974 wurde HermannRietschel zum außerplanmäßigenProfessor ernannt. Neben seinerLehrtätigkeit mit Vorlesungen überSupraleitung und Feldtheoriebetreute er eine große Zahl vonDiplom- und Doktorarbeiten.

Prof. Rietschel war Mitheraus-geber von „The European PhysicalJournal B“ sowie Organisator undVorsitzender verschiedener natio-naler und internationaler Konferen-zen. Ausdruck seines internationa-len Bekanntheitsgrades und derQualität der Arbeiten seines Insti-tuts waren auch zahlreiche Ein-ladungen zu Vorträgen bei nationa-len und internationalen wissen-schaftliche Veranstaltungen.

Mit Professor Hermann Rietschelverliert das ForschungszentrumKarlsruhe einen seiner profilier-testen Wissenschaftler und weltweitanerkannten Institutsleiter, der sichmit größtem Engagement den wis-senschaftlichen Fragen der Festkör-perphysik und besonders der Supra-leitung gewidmet hat. In der „Su-praleitungs-Community“ galt er alsangesehener und sehr engagierterWissenschaftler.

Seine Mitarbeiter und vieleKollegen werden ihn als einenMenschen im Gedächtnis behalten,der mit großem Sachverstand,Verständnis für ihre Belange undgroßer Begeisterungsfähigkeit fürihren gemeinsamen wissenschaftli-chen Erfolg arbeitete. Mit seinenAngehörigen, Freunden und Kolle-gen aus der ganzen Welt betrauernwir seinen frühen Tod.

In memoriam Hermann RietschelKlaus-Peter Bohnen