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© Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen Innovationen, Industrie 4.0 und Zukunft der Arbeitsforschung Neuroergonomische Gestaltung der Mensch-Roboter-Kooperation in der Montage Prof. Dr.-Ing. Christopher M. Schlick

Innovationen, Industrie 4.0 und Zukunft der ... · PDF fileMotoman: SDA10D ABB: Frida DLR/KuKa: Justin Einleitung Anthropomorphismus in der Industrierobotik © Lehrstuhl und Institut

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© Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen

Innovationen, Industrie 4.0 und Zukunft der Arbeitsforschung

Neuroergonomische Gestaltung der Mensch-Roboter-Kooperation in der Montage

Prof. Dr.-Ing. Christopher M. Schlick

2 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen

Ausgewählte Forschungsschwerpunkte der

Arbeitswissenschaft

Arbeit in

der Industrie 4.0

Assistenzsysteme zur

ergonomischen Führung und

Überwachung von teilautonomen

Systemen

Head-Mounted Displays

und Wearable IT

Sensumotorische

Unterstützungssysteme

Mensch-Roboter-

Kooperation

Quellen: Fraunhofer IPA, Universität Bremen IAT, Audi AG, referenceforbusiness.com

Regulationskomplexe Teamarbeit

in Fertigung und Montage

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Klassischer Motoman

Knickarmroboter

Klassischer ABB

Knickarmroboter

Klassischer KuKa

Knickarmroboter

ABB: Frida DLR/KuKa: Justin Motoman: SDA10D

Einleitung

Anthropomorphismus in der Industrierobotik

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Nicht nur die Gestalt, auch die Bewegung ist essentiell als Informationsträger!!!

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Grundlagen

Anthropomorphismus und Perzeption (I)

Die visuelle Wahrnehmung von Bewegung

ist eine zentrale Informationsquelle für die

Schätzung des Eigenzustands sowie die

Antizipation von Ereignissen, Handlungen

und Absichten

Entwicklungsbiologisch ist der Mensch

dabei besonders sensitiv für die

Bewegungsmuster von anderen Menschen;

hier reichen sehr wenige „features“ für eine

genaue Vorhersage und Klassifikation

Dies gilt für Ganzkörperbewegungen,

Bewegungen des Hand-Arm-Systems

sowie mimische und gestische Äußerungen

Dabei wird ein neurobiologisch

konfundiertes inneres Modell aufgebaut,

dass die Kinematik, bewegten Massen,

Massenverteilung sowie Weichteildynamik

(„Schwabbelmassen“) umfasst

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Entdeckung durch G. Rizzolatti (1992):

Messung der Hirnströme von Affen

beim Greifen sowie von Affen, die

andere Artgenossen bei solchen

Handlungen lediglich passiv

beobachten.

Tritt im Gehirn von Primaten beim

Betrachten eines Vorgangs (passiv)

das gleiche Aktivitätsmuster auf, das

entstünde, wenn dieser Vorgang

selbst (aktiv) durchgeführt würde,

spricht man von Spiegelneuronen.

Spiegelneuronen befinden sich u.a.

im prämotorischen Kortex des

Menschen; es gibt strikt kongruente

(1/3) sowie grob kongruente (2/3).

Quelle: Premotor cortex and the recognition of motor actions (Rizolatti et al. 1996)

Grundlagen

Anthropomorphismus und Spiegelneuronen

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articulated robot KR30 Jet

with 6 axes

3 finger gripper SDH-2 with

haptic sensors

assembly area

circular

conveyor belt articulated robot with 6 axes and optical

sensors for monitoring / quality assurance

part supply

Methodik

Kognitive Montagezelle

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Positionierung einer normalgroßen männlichen Versuchsperson vor einem quadratischen Raster mit 20 Einzelfeldern (600x800 mm)

Mehrfache Platzierung eines Kunststoffzylinders mit der rechten Hand auf alle Felder in dem markierten Bereich

Aufnahme der Bewegungsbahnen mit einem hochauflösenden IR-Trackingsystem mit 60 Hz Abtastfrequenz

Übertragung der Bewegungen auf Kuka KR30 Jet Portalroboter und eine Arbeitsfläche als Schachbrettmuster (4x5 Felder)

Methodik

Erhebung der Bewegungsbahnen des Menschen

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Methodik

Bewegungsübertragung

Entwicklung eines Modells zur Übertragung der menschlichen Bewegungsbahnen auf

realen Portalroboter mit 6-Achsen; dabei werden die Position, Geschwindigkeit,

Beschleunigung und ein Glättungsfaktor betrachtet

Neben den 20 anthropomorphen Bewegungsbahnen werden zusätzlich 20 Point-to-

Point (PTP) Bahnen berechnet für die selben Endpositionen

Somit werden 40 Platzierungsbewegungen für eine Versuchsdurchführung verwendet

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Methodik

Versuchsaufbau und Apparatus

KUKA KR30

Portalroboter (6 DOF)

Drei Finger Greifer

mit einem Lego Stein

Hubtisch mit integriertem Sitz zur flexiblen Höheneinstellung

SMI Eye-Tracking

Arbeitsfläche mit 20

Zielpositionen

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Methodik

Aufgabe

Beobachtung von 40 Platzierungsbewegungen (20 Anthropomorph & 20 PTP)

Sobald der Zielplatz erkannt wurde, sollte der Portalroboter mit dem Notaus angehalten und im Anschluss die Nummer des Zielplatzes genannt werden

Im Anschluss subjektive Bewertung der mentalen Beanspruchung anhand der RSME-Skala bewertet

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Methodik

Versuchsdurchführung

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Methodik

Hypothesen

Angenommen wurde, dass die Prädiktionszeit für die anthropomorphen Bewegungen trotz der einfachen Kinematik des Portalroboters kürzer ist als für PTP-Bewegungen:

H1: Prädiktionszeitanthropomorph < PrädiktionszeitPTP

Angenommen wurde, dass bei anthropomorphen Bewegungen weniger Prädiktionsfehler auftreten:

H2: Prädiktionsfehleranthropomorph < PrädiktionsfehlerPTP

Angenommen wurde, dass bei anthropomorphen Bewegungen eine geringere mentale Beanspruchung auftritt:

H3: Beanspruchunganthropomorph < BeanspruchungPTP

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Methodik

Stichprobe und experimentelle Variablen

Teilnehmer

20 männliche Probanden mit technischem Schwerpunkt

Zwischen 19 und 31 Jahren (MW: 25,90 Jahre, SD: 3,61)

90% haben Erfahrungen mit Simulationsumgebungen

65% haben Erfahrungen mit Industrierobotern

Unabhängige Variablen

Bewegungsart: 1) Anthropomorph, 2) PTP

Position für die Platzierung: Feld 1 bis Feld 20

Abhängige Variablen

Prädiktionszeit

Prädiktionsergebnis (korrekt, inkorrekt oder fehlend)

Mentale Beanspruchung (RSME)

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Ergebnisse

Prädiktionszeit

Variable df Mittel der

Quadrate F p

Bewegungsart 1 2871595,830 15,126 ,001

Position 19 4252137,185 63,029 ,000

Prädiktionszeit wird als die

verstrichene Zeit zwischen

Start einer Rooterbewegung

bis zur Prädiktionseingabe per

Notaus definiert

Die mittlere Prädiktionszeit

liegt bei anthropomorphen

Bewegungen bei 1920,38 ms

und bei PTP

Bewegungsbahnen bei

2040,209 ms

Probanden konnten bei

anthropomorphen

Bewegungsbahnen signifikant

schneller reagieren

F(1,19)=15,126; p=0,001

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Ergebnisse

Prädiktionsfehler

Die Prädiktionfehler unterschieden sich signifikant voneinander

(X²(2, N=800) = 114,921, p = 0,000)

Fehlerrate (fehlend und inkorrektes Feld)

Antropomorph: 0,103

PTP: 0,438

Kein Speed-Accuracy Trade-off

Prädiktion

Bewegungsart

Gesamt

Anthropo-

morph

PTP

Fehlend 5 (1,3%) 37 (9,3%) 42 (5,3%)

Inkorrekt 36 (9,0%) 138 (34,5%) 174 (21,8%)

Korrekt 359 (89,8%) 225 (56,3%) 584 (73,0%)

Gesamt 400 (100 %) 400 (100%) 800 (100%)

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Ergebnisse

Mentale Beanspruchung

Die durchschnittliche

mentale Beanspruchung

beträgt für die

anthropomorphe

Bewegung 29,13 und für

die PTP-Bewegung

32,98

Überprüfung mit ANOVA

zeigte jedoch keinen

signifikanten Effekt der

Bewegungsart

Eine positive Tendenz für

die anthropomorphen

Bewegungen ist aber

dennoch zu erkennen

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Ausblick

Anthrobot

menschliche Attributetechnische Attribute

• Bewegung mittels klassischer „Point to Point“-Methode

• Bewegung mittels klassischer „Point to Point“-Methode mit

berechneter Ellbogenposition

• Messtechnisch erfasste Handbewegung des Menschen und

berechnete Ellbogenposition

• Messtechnisch erfasste Handbewegung und Ellbogenposition

men

schlic

hte

chn

isch

Variable 1: Gestalt und Kinematik Variable 2: Bewegungsart Klassische „Point-To-Point“ Bewegung

Klassische „Point-To-Point“ Bewegung mit berechneter

Ellbogenposition

Messtechnisch erfasste Armbewegung des Menschen

Messtechnisch erfasste Armbewegung und Ellbogenposition des

Menschen

Zielsetzung

Die Auswirkungen von anthropomorph modellierten Bewegungsbahnen eines Roboters auf die Aktivierung von Spiegelneuronen

Methodik

Variierung des Grads der Anthropomorphizität

Messung der neuronalen Aktivität mittels fMRT

3 Tesla Siemens MAGNETOM

Prisma Scanner

Magnettyp: Supraleiter

Langzeitstabilität: <0.1 ppm/h

Gewicht: 10500 kg

Magnetlänge: 198 cm

Innendurchmesser: 60 cm

Aktivierungskarte des Gehirns

Darstellung von Hirnarealen mit

erhöhtem Blutfluss (rot) beim

Beobachten von Bewegungen

Die aufgabenkorrelierte erhöhte

Durchblutung entspricht der erhöhten

neurale Aktivierung

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Zusammenfassung und Ausblick

Anthrobot – Ergebnisse der Pilotstudie

Anthropomorphe

Armbewegung und

Ellenbogenposition

Mirror neuron system

left (x=-48; y=-24;

z=60), k=10, p<.001

Klassische Point-

To-Point

Bewegung

Mirror neuron system

left (x=-48; y=-24;

z=60), k=10, p<.001

8 Bewegungssimulationen (4 anthropomorph und 4 PTP) wurden je 3x präsentiert

In beiden Fällen sind Spiegelneuronen aktiviert, man beobachtet eine höhere Aktivierung der Spiegelneuronen bei den menschähnlichen Bewegungsbahnen

Der Unterschied ist nicht signifikant, aber die Tendenz zeigt eine positive Reaktion bei den menschähnlichen Bewegungsbahnen

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Prof. Dr.-Ing. Christopher M. Schlick

Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft der RWTH Aachen University

Telefon: +49 241 80 99440

Mail: [email protected]