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DIESES PROJEKT WIRD VON DER EUROPÄISCHEN UNION KOFINANZIERT Europäischer Fonds für regionale Entwicklung Innovative Berufsbildung 2010 23. Mai 2008 Arbeitspapiere Lernen im Betrieb - eine Handreichung für Ausbilder und Personalentwickler Felix Rauner /Bernd Haasler

Innovative Berufsbildung 2010 - ibb.uni-bremen.de · 4 Teil A Das Besondere der beruflichen Bildung Jeden Beruf, ob Arzt, Industriekaufmann, Ingenieur, Lehrer, Chemikant oder Koch

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DIESES PROJEKT WIRD VON DER

EUROPÄISCHEN UNION KOFINANZIERT

Europäischer Fonds für

regionale Entwicklung

Innovative Berufsbildung 201023

. Mai

200

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Arbeitspapiere

Lernen im Betrieb

- eine Handreichung für Ausbilder und

Personalentwickler

Felix Rauner /Bernd Haasler

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Inhalt: Einleitung..................................................................................................................................3 Teil A ........................................................................................................................................4 Das Besondere der beruflichen Bildung...................................................................................4 1 Berufe als Bezugspunkte für die berufliche Bildung.........................................................4 2 Berufliche Handlungskompetenz......................................................................................6 3 Das berufliche Wissen......................................................................................................7 4 Die Fachsprache ............................................................................................................11 Teil B ......................................................................................................................................13 Lernen im Betrieb ...................................................................................................................13 1 Der Betrieb als Lernort ...................................................................................................13

Eine beispielhafte Erfolgsgeschichte: .................................................................................13 Die Ausbildungspartnerschaft.............................................................................................14

2 Ausbilder als Lernprozessbegleiter ................................................................................16 Entwicklungslogische Systematisierung der Ausbildungsschritte: Auswählen geeigneter Lern- und Arbeitsaufgaben .................................................................................................17 Anfängeraufgaben ..............................................................................................................17 Aufgaben für fortgeschrittene Anfänger..............................................................................22 Auswahl von Aufgaben für Fortgeschrittene.......................................................................27 Aufgaben, die Könner herausfordern..................................................................................31

3 Der Arbeitsauftrag und seine Einbettung in den betrieblichen Ablauf ............................35 Der Arbeitsauftrag als Lernaufgabe....................................................................................36 Arbeits- und Lernplan als Checkliste ..................................................................................36

4 Das Ausbildungslogbuch als Berichtsheft ......................................................................38 Checkliste Arbeits- und Lernplan als Inhaltsverzeichnis.....................................................38 Das Berufsbild ....................................................................................................................38 Lehrgänge und Seminare ...................................................................................................42 Die Lernvereinbarung .........................................................................................................42 Bewerten sozial-kommunikativer Kompetenzen.................................................................44

5 Lernprozesse begleiten ..................................................................................................50 Geschäftsprozesse als Problemlösungshorizont................................................................52 Beratende Gespräche.........................................................................................................53 Teamarbeit initiieren ...........................................................................................................55

6 Abbildungsverzeichnis....................................................................................................57 7 Literaturhinweise ............................................................................................................58

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Einleitung Berufliche Bildung bedeutet Aneignung beruflicher Handlungskompetenz. Am Ende einer beruflichen (Aus)Bildung ist der beruflich (Aus)Gebildete in der Lage, im erlernten Beruf fachkräftegerecht zu arbeiten, so wie es das jeweilige Berufsbild beschreibt. Dieses hochge-steckte Ziel zeichnet die berufliche Bildung aus, es ist quasi ihr Alleinstellungsmerkmal. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, ist es erforderlich, dass jeder, der einen Beruf erlernt, Gelegenheit erhält, in seinen Beruf hineinzuwachsen. Und dies gelingt vor allem dadurch, dass der Lernende durch betriebliche Arbeitsaufgaben herausgefordert wird, die für den je-weiligen Beruf charakteristisch sind. Die arbeits- und berufspädagogische Aufgabe, die aus dieser grundlegenden Einsicht für die an der Ausbildung beteiligten Fachkräfte erwächst, be-steht im Kern darin, Auszubildende an solchen Arbeitsaufträgen zu beteiligen und ihnen die-se zur zunehmend selbstständigen Bearbeitung zu übertragen. Für den Fortgang des Kom-petenzzuwachses müssen die Arbeitsaufträge gerade das richtige Maß an je neuen Heraus-forderungen beinhalten. Ausbilden heißt daher: berufliches Lernen – berufliche Kompetenzentwicklung – ermöglichen. An die Stelle unterweisender und instruierender Ausbildungsformen tritt die Lern- und Lernprozess-beratung, eingebettet in betriebliche Geschäftsprozesse und die professionelle Abwicklung be-trieblicher Arbeitsaufträge und -prozesse. Mit diesem Manual der Reihe „Berufsbildung und Innovation – Instrumente und Methoden zum Planen, Gestalten und Bewerten beruflicher Bildung“ werden die grundlegenden Ele-mente des „Lernens im Betrieb“ als dem Dreh- und Angelpunkt für eine erfolgreiche berufli-che Bildung dargestellt und begründet. Die erfolgreiche Gestaltung des beruflichen Lernens im Kontext betriebliche Arbeits- und Geschäftsprozesse ist eine Voraussetzung für eine hohe Ausbildungsqualität am Beginn der beruflichen Karrierewege für die Lernenden und eine att-raktive Form der Personalentwicklung für die Unternehmen.

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Teil A

Das Besondere der beruflichen Bildung Jeden Beruf, ob Arzt, Industriekaufmann, Ingenieur, Lehrer, Chemikant oder Koch muss man – letztlich – praktisch erlernen. Die Aneignung des beruflichen Könnens – der beruflichen Handlungskompetenz – setzt reflektierte Arbeitserfahrung voraus. Da es in der modernen beruflichen Bildung darum geht, die Fähigkeit zu vermitteln, die (berufliche) Arbeitswelt mit zu gestalten in sozialer und ökologischer Verantwortung (Ständige Konferenz Der Kultusmi-nister Und -Senatoren Der Länder (Kmk) 1991; 1996/2007), reicht es nicht mehr aus, das tradierte berufliche Wissen und Können anzueignen. Berufliche Handlungskompetenz schließt Gestaltungskompetenz mit ein: Die Fähigkeit also, neu-artige und unvorhersehbare berufliche Aufgaben verantwortlich zu lösen und dabei zwischen den verschiedenen Anforderungen des Gesetzgebers, der Kunden, des Betriebes und nicht zuletzt den eigenen Anforderungen an die berufliche Arbeit abzuwägen. Berufliche Aufgaben fordern nicht nur die fachliche Kompetenz der Fachkräfte heraus, son-dern auch die Fähigkeit, diese Aufgaben unter den unterschiedlichsten Bedingungen des be-trieblichen Alltages zu lösen und dabei immer wieder Kompromisse zu schließen. Die Krite-rien der Qualitätssicherung markieren die Grenzen für die jeweils gegebenen Gestaltungs-spielräume im Arbeits- und Lernprozess beim Lösen beruflicher Aufgaben und Probleme. Im Volksmund heißt es: „Er (Sie) ist an den neuen Aufgaben gewachsen“. Hinter dieser Rede-wendung verbirgt sich eine Erkenntnis, die die Wissens- und Kompetenzforschung vielfältig bestätigt hat. Berufliches Lernen setzt daher Arbeitsaufgaben voraus, die den Lernenden mit all seinen Fähig-keiten herausfordern und ihn in seinen Fähigkeiten weder unter- noch überfordern. Diese charak-teristischen beruflichen Aufgaben haben daher die Funktion von Entwicklungsaufgaben. Sie sind der Schlüssel für das betriebliche Lernen: für die Entwicklung beruflicher Handlungskompe-tenz. Aus beruflichen Anfängern werden berufliche Könner, indem sie berufliche Aufgaben lösen, die sie in ihrem Wissen und Können herausfordern. Routineaufgaben verfügen daher über kein Lernpotenzial. Überfordert eine Aufgabe den Lernenden, da das neue Wissen, das zur Lösung der Aufgabe erforderlich wäre, eine zu hohe Hürde darstellt, dann kann ebenfalls kei-ne Kompetenzentwicklung stattfinden.

1 Berufe als Bezugspunkte für die berufliche Bildung Berufe sind in Berufsbildern festgelegt. Sie bezeichnen Bündel zusammenhängender Ar-beitsaufgaben, die gesellschaftlich normiert sind. Berufe, die im Bewusstsein der Öffentlich-keit verankert sind und mit denen man auch woanders in der Welt etwas anfangen kann, wie Koch, Rechtsanwalt, Krankenschwester, Elektroingenieur oder Werkzeugmechaniker, bilden den inhaltlichen und sozialen Rahmen, in dem sich das Hineinwachsen des beruflichen An-fängers in die jeweilige berufliche Praxisgemeinschaft vollzieht.

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Die Entwicklung beruflicher Kompetenz und beruflicher Identität bilden daher im Prozess der beruflichen Bildung einen unauflösbaren Zusammenhang Die nachfolgende Abbildung 1 zeigt als Teilergebnis einer aktuellen wissenschaftlichen Un-tersuchung mit Auszubildenden im dritten Ausbildungsjahr, dass sich die Identifizierung der Auszubildenden mit ihrem Beruf positiv auf das berufliche Engagement auswirkt – und um-gekehrt (vgl. Rauner 2007; Rauner/Heinemann 2008).

niedrig mittel hoch

3 7 %

1 3 %

6 %

5 0 %

2 6 %

3 2 %

2 3 %

6 1 %

6 2 %

Koch

Elektroniker Energie- und Gebäudetechnik

Bürokaufmann/-frau

Berufliches Engagement

1 3 %

1 7 %

9 %

6 7 %

4 2 %

3 3 %

2 0 %

4 1 %

5 8 %

Koch

Elektroniker Energie- und Gebäudetechnik

Bürokaufmann/-frau

Berufliche Identität

Abbildung 1: Zusammenhang beruflichen Engagements und beruflicher Identität

Berufliche Identität begründet berufliches Engagement und Qualitätsbewusstsein und damit die Motivation berufliche Aufgaben professionell zu lösen und neue berufliche Herausforderungen anzunehmen. Es geht bei der beruflichen Bildung daher nicht bloß um die Erhöhung der Beschäftigungsfä-higkeit (employability). Dieses modische Leitbild entspringt der Vorstellung, dass die Teilha-be an gesellschaftlicher Arbeit in der Form beruflicher Arbeit sich auf den Aspekt Beschäf-tigung reduziere. ‚Employability’ ist daher als eine Leitidee für berufliche Bildung ungeeignet.

Natürlich verfügen nicht alle verordneten Berufe über ein hohes Identifikationspotenzial (wie es eindrucksvoll Abbildung 1 zeigt).

Die Begründung zeitlich stabiler, breitbandiger Kernberufe, mit Berufsbezeichnungen, unter de-nen man sich etwas vorstellen kann und die nach Möglichkeit über eine gewissen Tradition ver-fügen und zugleich zukunftsfähig sind, ist daher eine der wichtigsten Aufgaben für die Berufsbil-dungspolitik, die Berufsbildungsplanung und die Berufsbildungsforschung. Die unter Berufspädagogen und -soziologen verbreitete These, dass Berufe ein Hindernis für flexible Arbeitsmärkte und die Dynamik der betrieblichen Organisationsentwicklung seien und sich daher zunehmend auflösen, lässt sich nicht bestätigen. Es klingt zunächst paradox, dass die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes - eher im Gegenteil, zu einer Aufwertung des betrieblichen Selbstbewusstseins bei den Beschäftigten führt. Die Auflösung dieses Parado-xons ergibt sich aus einem interessanten Forschungsergebnis zur Verschiebung der Gewich-

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te zwischen betriebsbezogenem und beruflichem Engagement der Beschäftigten. Die Zuge-hörigkeit zu einem und die emotionale Bindung an ein Unternehmen bestimmen immer we-niger das Arbeitsverhalten der Beschäftigten, da die Häufigkeit des Betriebwechsels in den letzten Jahrzehnten stetig zugenommen hat. Das Arbeitsengagement entspringt daher zunehmend weniger der Identifizierung mit einem Be-trieb und umso häufiger der Identifizierung mit dem eigenen Beruf. Berufliche Identität gewinnt also unter den Bedingungen der Flexibilisierung der Beschäftigungsverhältnisse subjektiv an Be-deutung ganz nach dem Motto: ‚Die Beschäftigung in einem Betrieb kann ich verlieren, meinen Beruf dagegen kann mir niemand nehmen’.

2 Berufliche Handlungskompetenz Berufliche Handlungskompetenz erweist sich vor allem im berufsfachlichen Können. Auf die Inhalte kommt es in der beruflichen Bildung also an. Das klingt altmodisch. Wenn der technische Wandel zu einem immer rascheren „Aktualitätszerfall“ des beruflichen Wissens führe, so ein populäres Argument, dann müsse man nach den beständigen Schlüsselqualifi-kationen suchen und sich vor allem die Fähigkeit des Lernens aneignen. Berufliche Bildung würde danach zu einer Art allgemeiner beruflicher Bildung, bei der das berufsspezifische Wissen allenfalls noch eine exemplarische Funktion behält. Diese populäre These von der Entfachlichung beruflicher Bildung klingt zwar verführerisch, da sie die oft mühsame Identi-fizierung der beruflichen Qualifikationsanforderungen erübrigt. Sie hat jedoch mit der Wirk-lichkeit beruflicher Arbeit und beruflichen Lernens wenig zu tun. Die berufsfachlichen Kompetenzen sind und bleiben die eigentlichen beruflichen Schlüsselkom-petenzen. In vielen Berufen werden berufsfachliche Kompetenzen sogar gesondert überprüft, bevor die Berechtigung zur Ausübung eines Berufes bzw. definierter beruflicher Aufgaben erteilt wird. So werden z. B. die Fähigkeiten im Bereich unterschiedlicher Schweißverfahren bei ange-henden Industriemechanikern der Fachrichtung Schiffsbau gesondert vom Germanischen Lloyd überprüft und zertifiziert. Aus der Expertiseforschung wissen wir, dass Kompetenzen eng an den jeweiligen Beruf ge-bunden sind. Wechselt man den Beruf, kann man seine beruflichen Kompetenzen nicht mit-nehmen, man ist in dem neuen Beruf wieder Anfänger. Selbst die in einem Beruf erlernten sozialen Kompetenzen lassen sich oft nur sehr begrenzt übertragen. Der bekannte amerika-nische Psychologe Howard Gardner kommt zu dem Ergebnis: „Kurse, die eine Ausbildung im kritischen Denken in besonderen Domänen ersetzen oder entbehrlich machen sollen, halte ich für Zeitverschwendung“ (#Gardner 2002, 131).

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3 Das berufliche Wissen Die Formel „berufliches Handeln setzt berufliches Wissen voraus“ prägt die Tradition der be-trieblichen Unterweisung. Der Ausbilder ist Unterweiser, er belehrt den Auszubildenden, be-vor dieser das Gelernte zunächst in Übungen und erst dann im Arbeitsprozess anwendet (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Eine verbreitete — aber falsche — Theorie beruflichen Lernens

Lernen gehört zu den Grundfähigkeiten, über die Menschen von Geburt an verfügen. Am ehesten beobachten wir bei kleinen Kindern, wie schnell sie sich entwickeln, wie schnell sie sprechen lernen, wie sie lernen sich zu bewegen, sich selbst erfahren, mit den Gegenstän-den in ihrer Umgebung zunehmend geschickt und sicher umgehen, z. B. beim Essen einen Löffel richtig benutzen und – wenn sie größer werden – Fahrrad fahren lernen. Sie lernen beiläufig was man beim Spielen mit anderen Kindern beachten muss. Das meiste was das heranwachsende Kind lernt, lernt es nicht nach dem Schema: zuerst Theorie und Belehrung und dann anwenden des „Gelernten“. Die Theorie des Fahrradfahrens befähigt nicht zum Fahrradfahren. Was für das Lernen des Schwimmens, Fahrradfahrens und des manuellen Nacharbeitens von Form-Dichtflächen (für einen Werkzeugmechaniker) gilt, hat generelle Bedeutung für das berufliche Lernen. Berufliches Wissen Die Aneignung des berufstheoretischen Wissens ist keine Voraussetzung für das berufliche Han-deln, sondern berufliches Wissen erwächst aus den beruflichen Handlungsprozessen. Jede neue Arbeitserfahrung wird im Lichte vorausgegangener Arbeitserfahrung gewertet, und das Ergebnis dieser Bewertung wird zur alten Erfahrung hinzugefügt. Ist die Differenz zwischen alter und neuer Arbeitserfahrung zu groß, dann kann subjektiv keine Brücke zur neuen Erfahrung geschlagen werden – es wird nichts gelernt. Neues Wissen entsteht nur dann, wenn die neue Arbeitserfahrung einerseits mit vorhandenen Bedeutungen zusammenpasst, sie quasi zum Schwingen bringt, und andererseits soweit vom vorhandenen Wissen abweicht, dass sie die neue Erfahrung zu einer Erweiterung und Vertiefung bisheriger Bedeutungen und Wertungen bei-trägt. Arbeitserfahrungen werden immer dann gemacht, wenn die vorhandenen Vorstellungen, Bedeutungen und Erwartungen durch die neue Realität in Frage gestellt, modifiziert und differen-ziert werden müssen.

Unterweisen ArbeitenÜben

Vom Wissen Zum Können

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Die Redewendung: „Jemand weiß wie es geht, kann es aber nicht“, charakterisiert diese rich-tige Lernerfahrung. Eine neue Sprache erlernen gelingt am besten dadurch, dass man in ein Land fährt, in dem diese Sprache gesprochen wird und beginnt diese Sprache bei der Bewäl-tigung der Alltagssituation zu sprechen. Die Einsicht, dass man etwas tut, um zu lernen und dass zugleich kompetentes Handeln Wissen voraussetzt, bezeichnet man als Ausbildungsparadoxon. Das Ausbildungsparadoxon Die Lernsituationen des handelnden Lernens geben ein Rätsel auf: Wie erwirbt man Können, oh-ne vorher das entsprechende Wissen aufzunehmen? Das klingt zwar paradox, entspricht aber genau dem, was die Berufspädagogik unter Handlungslernen versteht. Berufliche Anfänger werden zu Experten, indem sie tun, was sie lernen wollen. Ausbilder unterstützen sie dabei dadurch, dass sie die Lernenden mit Arbeitssituationen konfrontieren, die zu bewältigen eine Herausforderung darstellt. Zugleich ist ebenso richtig, dass berufliche Fähig-keiten auf beruflichem Wissen basieren. Der „Sprung ins kalte Wasser“ ist zwar eine zu radikale Methode mit der Handlungslernen gelegentlich umschrieben wird – es könnte ja auch schief gehen –, trotzdem trifft sie den Kern des Handlungslernens: berufliche Handlungskompetenz erwirbt man in beruflichen Handlungssituationen. Der Anfänger probiert die neue Situation zu bewältigen, es gelingt nur bedingt, er probiert es anders und korrigiert sein Verhalten: Er lernt in der Form des quasi-experimentellen Probierens. Die Form der intensiven Auseinandersetzung mit einer neuen Aufgabe bei der Suche nach Lösungen und Antworten charakterisiert das Zusammenspiel zwischen praktischer Erfahrung und Denken. Das „Durchdenken“ gelungener Lösungen, die Reflektion des Gelernten z. B. im Gespräch mit Kollegen oder mit dem Ausbilder sowie das gedankliche und begriffliche Herstellen von Querverbindungen zu ähnlichen Lernerfahrungen ist ein wichtiger Schritt, um berufliche Arbeitserfahrungen in explizites Wissen zu transfor-mieren und in das bereits vorhandene berufsfachliche Wissen einzuordnen. Der Bedeutungsumfang, der für das berufliche Handeln bedeutsamen „Konzepte“ (Begriffe, Theorien) nimmt mit jeder neuen Erfahrung zu. Auf diese Weise bildet sich bei der Entwick-lung vom Anfänger zum Könner das handlungsleitende berufliche Wissen heraus, das sich in seinem Kern • auf praktisches Wissen mit seinen praktischen Begriffen und • auf implizites Wissen (man kann etwas, kann es aber nicht genau erklären) stützt. Die Bedeutungsfelder praktischer Begriffe erfahren eine berufsspezifische Ausprä-gung. Ihre handlungsleitenden Ausprägungen erweitern sich in den Prozessen des berufli-chen Handeln und Lernens. Mit dem Begriff der elektrischen Spannung verbindet der berufliche Anfänger z. B. als Elekt-roinstallateur zunächst nur einige elementare Bedeutungsaspekte, wie z. B. die Zweckmä-ßigkeit Lampen und Schalter nur anzuschließen, wenn die Leitungen spannungsfrei geschal-tet sind und dass der Spannungsprüfer hell aufleuchtet, wenn an einer Leitung Spannung an-liegt. Immer neue Bedeutungsaspekte kommen beim Umgang mit elektrischer Spannung auf dem Weg zum beruflichen Könner hinzu. Die Reichhaltigkeit praktischer Begriffe basiert auf reflektierter Arbeitserfahrung. Sie begründet berufliches Wissen und berufliche Handlungs-kompetenz.

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In diesem Zusammenhang gewinnt die Form der prozessorientierten Ausbildung eine neue Bedeutung. Berufliches Handlungswissen lässt sich nicht in gegeneinander abgrenzbare Module unterteilen und in der Form der Unterweisung vermitteln. Das handlungsleitende Wissen eines Kfz-Mechatronikers über Autoreifen wächst im pro-fessionellen Umgang mit dem Wechseln von Reifen und der zunehmend differenzierteren Bewertung unterschiedlich abgefahrener Reifenprofile. Daraus erwächst schließlich ein Ex-pertenwissen, das Rückschlüsse auf Fehlerursachen im Fahrwerk oder auch andere Aggre-gate des Kraftfahrzeugs zulassen. Genau genommen ist das Anwachsen und der stetige Wandel der Bedeutungsfelder praktischer Begriffe ein mit der Arbeitserfahrung fortschreiten-der Prozess, der so lange anhält, wie die Möglichkeit der Arbeitserfahrung gegeben ist.

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Beispiel Ein Kfz-Meister schildert den folgenden typischen Fall einer komplexen Fehlerdiagnose: „Kommt ein Kunde mit dem Fahrzeug in die Werkstatt und beanstandet, dass sein Fahrzeug ‚einseitig zieht’, so bietet sich an, erste Anhaltspunkte für die Fehlerursache in einem Ge-spräch mit dem Kunden zu gewinnen.“ Durch eine Kombination aus Kundenbefragung, Sichtprüfung und Achsvermessung lokali-siert und bestimmt der Kfz-Meister die Fehlerursache. Die Sichtprüfung der Laufflächen der Reifen bringt Aufschluss über Fehlerursachen (siehe Abbildung 3): Fehlerhafte Lenkgeometrie bewirkt typische Reifenschäden. Die falsche Spur-einstellung führt zu Radieren und starkem Abrieb der Laufflächen. (1) Ein zu großer Radsturz führt zu einseitiger Profilabnutzung. (2) Flattern der Vorderräder durch zu viel Spiel in der Radaufhängung oder eine fehlerhafte Lenkgeometrie verursachen Auswaschungen, wie sie im Bild 3 zu sehen sind. Wird mit zu niedrigem Luftdruck gefahren (4), kommt ein erhöhter Verschleiß der Profilaußenflächen zustande. Zeigen die Reifen noch keinen abnormalen Abrieb, heißt das noch nicht, dass kein Fehler vorliegt. In die Sichtprüfung einzubeziehen sind eventuelle, sichtbare Beschädigungen am Rad, an der Felge und der Reifenflanke. Gibt es ein Spiel in den Spurstangen, so ist ein Spiel in der Radaufhängung vorhanden. Und schließlich kann das Fahrzeug auch einseitig hängen durch eine Überbeanspruchung von Bauteilen der Vorderachse. Bei erkennbaren Schäden sind die einzelnen Bauteile nach den Richtlinien der Fahrzeughersteller auszuwechseln. Wenn aber durch eine Sichtprüfung keine erkennbaren Fehlerursachen identifiziert werden können, muss eine Achsvermessung vorgenommen werden.

1

Falsche Spureinstellung der Räder führt zum Radieren.

2

Falsche Spureinstellung führt zu einseitiger Reifenabnutzung

3

Abwaschungen (z. B. wellenförmig, knollenartig). Mögliche Ursachen: Flattern der Vorderräder

4

Unterdruck nutzt die Reifen auf den Außenflächen schnell ab.

Abbildung 3: Sichtprüfung von Reifenprofilen

Vor einer Achsvermessung ist der Luftdruck der Reifen zu kontrollieren, das Radlagerspiel muss geprüft und gegebenenfalls eingestellt werden und die vorgeschriebene Belastung des Fahrzeuges durch Gewichte oder Personen muss vorgenommen werden. Erst dann kann die Achsvermessung durchgeführt werden. Der Kfz-Handwerker weiß aus Erfahrung, dass es hier zunächst darauf ankommt, durch die „richtigen Fragen“ an den Kunden wesentliche Anhaltspunkte für das weitere Vorgehen bei der Fehlerdiagnose zu erhalten. Das Kundengespräch stützt sich 1. auf die Erfahrung im Führen von Kundengesprächen, 2. auf eine genaue Kenntnis der technischen Zusammen-

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hänge, 3. auf die erfahrungsgestützten subjektiven Erwartungen über mögliche Fehlerursa-chen sowie 4. auf die Fähigkeit, Kundenhinweise und Reifenzustände im Zusammenhang in-terpretieren zu können in Richtung begründeter Fehlerprognosen. Ist die Fehlerursache erst einmal prognostiziert, dann ist ihre Überprüfung anhand der ein-schlägigen Messungen und die daran anschließende Reparatur eine relativ einfache Aufga-be. Erst wenn die Messwerte von den erwarteten abweichen, erfordert das weitere Vorgehen außer einem Verständnis des sehr komplexen fachlichen Zusammenhanges v. a. auch Know-how, das sich in diesem Bereich nur über einen langen Erfahrungszeitraum bilden kann (Rauner/Zeymer 1991, Seite 120).

4 Die Fachsprache Beim Lesen der bisherigen Abschnitte über berufliches Lernen könnte der Eindruck entstan-den sein, dass im Ausbildungsprozess der Aneignung der Fachsprache und des damit ver-knüpften fachtheoretischen Wissens eine untergeordnete Rolle zukommt. Dies wäre ein Missverständnis. Es ging bisher vor allem darum, aufzuklären, wie aus Anfängern Könner werden und wie berufliches Lernen: die Aneignung beruflicher Handlungskompetenz, funkti-oniert. Außer dem handlungsleitenden – prozeduralen – Wissen, das im beruflichen Können sei-nen Ausdruck findet, unterscheidet die Wissensforschung noch zwischen dem • handlungserklärenden und dem • handlungsbewertenden Wissen.

handlungsleitendes handlungserklärendes

Arbeitsprozesswissen

handlungsreflektierendes

Abbildung 4: Arbeitsprozesswissen als Zusammenhang von handlungsleitendem, -

erklärendem und –bewertendem Wissen

Die Fähigkeit von Fachleuten, sich sprachlich mit Kunden, Kollegen und Vorgesetzten in Fachgesprächen, Präsentationen und Diskussionen mit den Ergebnissen und ggf. mit Schwierigkeiten von Arbeitsaufträgen auseinander zu setzen, setzt eine entwickelte Fach-sprache voraus. Dabei kommt es auf die Fähigkeit an, in Abwesenheit der konkreten Ar-

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beitssituationen über diese möglichst differenziert sprachlich zu verfügen und diese ggf. be-grifflich mit anderen arbeitsbezogenen Zusammenhängen in Beziehung zu bringen. Das be-deutet, dass der begriffliche und sprachliche Umgang mit der eigenen Arbeitswelt aus den verschiedensten Blickwinkeln sowie das gedankliche Experimentieren mit beruflichen Si-tuationen, Lernprozesse erfordert, die die Abwesenheit konkreter Arbeit voraussetzt. Vor allem die Berufsschule hat die Aufgabe, anknüpfend an den Arbeitserfahrungen der Auszu-bildenden Lernsituationen zu schaffen, die die Lernenden herausfordern, mit ihrer beruflichen Ar-beitswelt sprachlich und reflektierend umzugehen und über die Arbeitswirklichkeit hinaus zu den-ken, gedanklich, mathematisch und experimentell Alternativen zu entwickeln und zu bewerten. Die Dualität beruflichen Lernens ist daher eine geradezu ideale Form der Entwicklung zur reflek-tierten Meisterschaft in einem Beruf.

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Teil B

Lernen im Betrieb

1 Der Betrieb als Lernort Für die berufliche Bildung als ein Prozess des Hineinwachsens in die berufliche Praxisge-meinschaft ist der „Lernort Betrieb“ der primäre Ort des Lernens. Betriebliche Arbeitserfah-rung lässt sich nur sehr begrenzt simulieren. Das Lernen im Arbeitsprozess ist eine unver-zichtbare Voraussetzung für die Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz.

Eine beispielhafte Erfolgsgeschichte: „Und dann wurde ich IT-Systemelektroniker — schneller als ich dachte“ Im Technologiepark der Universität Bremen hatte eine Gruppe von Absolventen der Studiengän-ge Elektrotechnik und Informatik eine kleine Computerfirma gegründet. Sie stellten Prozesssteue-rungen nach Maß her. Irgendwie kam einer der frisch diplomierten Ingenieure, der vor seinem In-genieurstudium selbst eine Lehre als Elektroniker absolviert hatte, auf die Idee, einen Auszubil-denden einzustellen. Um die Formalien kümmerte sich (zuvorkommend) der zuständige Ausbil-dungsberater der Kammer. Ausbildererfahrung hatte in der neuen Computerfirma niemand. Da der Altersunterschied zwischen dem jungen Ingenieurteam und dem neuen Auszubildenden nicht allzu groß war, wurde er mit einiger Selbstverständlichkeit einfach in das Team integriert und da-durch immer ein wenig überfordert. Von der guten Zusammenarbeit im Team profitierte auch der „Neue“, der schon bald in die Rolle eines Mitarbeiters hineinwuchs. Sein Selbstvertrauen wuchs mit der Bewältigung jeder neuen Aufgabe, die er zur Zufriedenheit seiner Kollegen ausführte. Damit wuchs auch die Begeisterung für den als zunehmend interessant erlebten Beruf, auch wenn die fachlichen Klippen, die es ständig zu überwinden galt, ihn auch noch in seiner Freizeit beschäftigten. Schließlich bestand er als Bester des Kammerbezirkes die Prüfung in seinem Be-ruf. Eine besondere Prüfungsvorbereitung war nicht erforderlich. Das kleine und innovative Com-puterunternehmen stellte danach einen neuen Auszubildenden ein. Es gehört seither zu den ausbildenden Unternehmen. Die Frage, worauf die sehr guten Ausbildungserfolge zurückzufüh-ren seien, konnten die Mitarbeiter der Firma nicht beantworten. Sie äußerten eine eher vage Vermutung, dass die Mitarbeiter an den Aufgaben wachsen, die sie vor immer neue Herausforde-rungen stelle, gelte sicher auch für die Auszubildenden. Auf eine Schwierigkeit wies der Chef noch hin. „Es dauert immer eine Weile bis die Dokumentation der Arbeitsergebnisse und -erfahrungen (im Berichtsheft) den professionellen Anforderungen in ihrem Unternehmen genü-gen.“ Dass jeder zweite Ausgebildete studiere, gehe in Ordnung. Durch Praktika, Studien- und Examensarbeiten bildeten sich neue Formen der Zusammenarbeit heraus, die der Personalent-wicklung des Unternehmens sehr zu Gute kommen. Der Anteil an Facharbeitern in diesem Un-ternehmen hat seit dem Einstieg in die Ausbildung stetig zugenommen. Was kann man aus dieser Geschichte lernen? 1. Nimmt man Auszubildende als neue einzuarbeitende Mitarbeiter auf, denen die erfahre-

nen Fachkräfte über die Klippen helfen, die sich beim Bewältigen der neuen Aufgaben immer wieder stellen, dann bedarf es keiner ausgeklügelten Arbeitspädagogik mit ihrer

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kaum überschaubaren Menge an sich nicht selten widersprechenden Rezepten, Regeln und Instrumenten zur Pädagogisierung des betrieblichen Lernens.

2. Auszubildenden etwas zutrauen, sie eher über- als unterfordern, fördert den Entwick-lungsprozess. Das heißt aber auch,

3. dass die Neuen sich zu jeder Zeit Rat holen können, wenn sie allein bei der Lösung eines Problems nicht weiterkommen und

4. dass die Beauftragung mit und die Übernahme von Aufgaben, eingebunden in die be-trieblichen Projekte, gestützt wird von einem kooperativen und kommunikativen Arbeits-klima. Brainstorming, Abwägen und Diskutieren, Ausprobieren, Experimentieren und Ko-operieren sowie immer wieder Testen neuer Lösungsansätze gehören zum Arbeitsalltag des innovativen Milieus dieses Unternehmens, in dem sich Auszubildende hervorragend entwickeln können.

5. Dass in diesem Fall die Beteiligung an den Prozessen der Produktinnovation und der be-trieblichen Organisationsentwicklung quasi automatisch gegeben ist, trägt sicher zur er-folgreichen Ausbildung entscheidend bei.

6. Wenn die Neuen (Auszubildenden) von Anfang an als Mitarbeiter behandelt werden, de-nen Aufgaben zur eigenständigen Bearbeitung übertragen werden, dann stellt sich der Ausbildungserfolg und die Rentabilität der Ausbildung für das Unternehmen von selbst ein. Dass sich die Ausbildung rechnet, stand für das junge expandierende IT-Unternehmen zweifelsfrei fest: „Es rechnet sich doppelt, weil die meisten Auszubildenden bei uns bleiben oder nach ihrem anschließenden Studium zu uns zurückkommen“.

Die wichtigste Voraussetzung für eine qualifizierende betriebliche Ausbildung ist, dass

- das Unternehmen über Geschäftsfelder verfügt, die dem jeweiligen Berufsbild ent-sprechen und

- im Unternehmen einschlägig qualifizierte Fachkräfte beschäftigt sind, die auch für die Begleitung und Beratung der Auszubildenden in ihrem beruflichen Entwicklungspro-zess zur Verfügung stehen und aktiv daran mitwirken.

Die Ausbildungspartnerschaft Betriebe, die mit ihren Geschäftsfeldern die zu erlernenden Berufe nicht vollständig abde-

cken, sind trotzdem als Ausbildungsbetriebe geeignet, wenn sie Partnerbetriebe finden, mit

denen sie gemeinsam das gesamte Spektrum der betreffenden Handlungsfelder abdecken,

die im jeweiligen Berufsbild ausgewiesen sind (vgl. Meyer/Howe et al. 2004).

Mit der grafischen Darstellung in Abbildung 5 gelingt es, das Ausbildungspotenzial der Be-

triebe A und B „mit einem Blick“ zu erfassen. An der Peripherie des Netzdiagramms sind die

einzelnen Berufsbildpositionen (in diesem Beispiel von 1 bis 15) des ausgewählten Berufs

eingetragen. Die Ausprägung des Netzdiagramms zeigt an, ob die laut Berufsbild geforder-

ten Ausbildungsinhalte in dem Unternehmen „nicht vorhanden“, „teilweise“ oder „vollständig“

ausgebildet werden können. Durch die Einschätzung der Ausbilder repräsentiert das Netz-

diagramm das gegenwärtige Ausbildungsprofil der Betriebe.

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Abbildung 5: Erweiterung der Ausbildungspotenziale durch die Ausbildungspartnerschaft

zweier Betriebe

Die Ausbildungspartnerschaft ist eine moderne Form der betrieblichen Ausbildung, bei der die Auszubildenden die Chance erhalten, ihren beruflichen Horizont über ihren Stammbetrieb hinaus zu erweitern. Die Erfahrungen dieser Form kooperativer Ausbildung zeigen, dass alle Beteiligten gewinnen:

- Die Auszubildenden werden umfassend im Sinne des Berufsbildes ausgebildet. - Sie sammeln zusätzliche Erfahrungen in ihrer Branche. - Betriebe mit einem begrenzten Spektrum an Geschäftsfeldern, die alleine nicht aus-

bilden können, werden in die Lage versetzt ihre Fachkräfte selbst auszubilden. - Kostspielige Formen der Auftragsausbildung in anderen Unternehmen oder bei Bil-

dungsträgern können entfallen. Die Idee einer partnerschaftlich organisierten Ausbildung ist nicht neu. In einigen Branchen ist es seit jeher üblich, dass sich Auszubildende den vom Ausbildungsrahmenplan vorgege-benen Ausbildungsinhalt in einem Nachbarbetrieb aneignen, wenn der eigene Ausbildungs-betrieb über diesen in seinen Arbeits- und Geschäftsprozessen nicht verfügt. Auf diese Wei-se können die Betriebe ihre Stärken in die Ausbildung einbringen. Wenn so mehrere Betrie-

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be kooperieren, ist dies die Basis einer partnerschaftlich organisierten Ausbildung dennoch eine sehr gute Ausbildungsqualität. Sollte ein Betrieb also nicht die ganze Breite der Ausbil-dung abdecken können, kann er auf der Basis einer partnerschaftlich organisierten Ausbil-dung dennoch eine sehr gute Ausbildungsstätte sein. Die Ausbildungsbetriebe, die in einer Ausbildungspartnerschaft zusammen arbeiten, sollten jedoch wenigstens 50 Prozent der einen Beruf ausmachenden Aufgabenfelder abdecken, damit die einzelbetriebliche Verantwortung für die Auszubildenden erhalten bleibt. Die Ko-operation der Betriebe bietet auch eine ideale Voraussetzung für eine Berufsausbildung an-hand von Arbeitsaufträgen, die im Team von mehreren Auszubildenden unter Anleitung ei-nes Ausbilders oder Ausbildungsbeauftragten bearbeitet werden. Kooperieren die Betriebe A und B (wie in Abbildung 5 exemplarisch aufgezeigt) bei der Aus-bildung, indem sie ihre Stärken (Geschäftsfelder) in die Ausbildungskooperation einbringen, dann reicht das gemeinsame Ausbildungspotenzial für eine umfassende Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildes aus.

2 Ausbilder als Lernprozessbegleiter Der traditionelle Ausbilder, zuständig für die betriebliche Unterweisung, die Durchführung von Lehrgängen und „Projekten“ in Lehrwerkstätten sowie die Vorbereitung der Auszubil-denden auf die Zwischen- und Abschlussprüfungen ist ein Auslaufmodell. Redewendungen wie „Vom Ausbilder zum Lernbegleiter“ signalisieren, dass die Suche nach einem neuen Rol-lenverständnis und Berufsbild für Ausbilder weit fortgeschritten ist. Bezeichnungen wie Lern-prozessbegleiter, Coach und Lernberater weisen in dieselbe Richtung: Berufsausbildung wird zunehmend (richtig) verstanden als ‚Lernen ermöglichen’ anstatt Unterweisen, Belehren und Instruieren. Die neue Rolle des Ausbilders als Lernprozessbegleiter Der Ausbilder • wählt Arbeitsaufgaben für Auszubildende so aus, dass sie den Lernenden in seiner Entwick-

lung vom Anfänger zum Könner weder unter- noch überfordern, • verzichtet auf instruierende – einführende – Belehrungen und informiert stattdessen über die

Möglichkeiten sich Informationen und Lösungshilfen zu beschaffen, • wählt Arbeitsaufgaben aus, die zunehmend alternative Vorgehensweisen und Lösungen zu-

lassen, • informiert über die Kriterien und Verfahren der betrieblichen Qualitätssicherung, • lässt Fehler als Lernchancen zu, • steht jederzeit für Rückfragen zur Verfügung und gibt eher prozessbezogene als lösungsbe-

zogene Hilfestellungen, • unterstütz die Auszubildenden bei der Bewertung der Arbeitsergebnisse ggf. im Kontext der

vom Betrieb bzw. vom Auftraggeber vorgegeben Qualitätssicherungssysteme und -verfahren und

• regt zur Reflektion der Arbeitsergebnisse und -erfahrungen sowie des dabei gelernten an.

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Entwicklungslogische Systematisierung der Ausbildungsschritte: Auswählen geeigneter Lern- und Arbeitsaufgaben Bei der Auswahl der Arbeitsaufgaben für Anfänger verhalten sich Fachkräfte, die die Neuen einarbeiten in der Regel intuitiv richtig. Eindrucksvoll zeigt dies das Beispiel der „Schneider-Ausbildung“ der Stämme der Vai und Gola in Liberia, eine der fünf Studien, die Lave und Wenger (1991) zur Begründung ihrer Theorie des situierten Lernens anführen: Am Beginn ihrer Lehre erhalten die Schneiderlehrlinge die Aufgabe an den weitgehend fertigen Gewändern die Säume anzufertigen, die Knöpfe anzunähen und schließlich das Gewand für die Übergabe an den Kunden herzurichten. Erst in einem zweiten Schritt lernen sie nach Schnittmus-tern angefertigte Teile zusammenzunähen. Insgesamt verläuft der Lernprozess in diesem Fall genau umgekehrt wie der Herstellungsprozess der Gewänder. Das Übertragen der individuellen Körpermaße der Kunden auf den Stoff unter zu Hilfenahme von Schnittmustern und der Metho-den des Gradierens sowie die Beratung der Kunden zur Auswahl geeigneter Stoffe sind Aufga-ben, die die Schneiderlehrlinge der Vai und Gola erst am Ende ihrer Ausbildung lernen. Intuitiv haben die Schneider der Vai und Gola das praktiziert, was die Arbeits- und Berufspä-dagogik erst mühsam wieder entdecken musste: Die charakteristischen Merkmale von An-fängeraufgaben oder allgemeiner: die entwicklungslogische Systematisierung der Ausbil-dungsschritte (Howe/Heermeyer et al. 2002; Kleiner/Rauner et al. 2002; Reinhold/Haasler et al. 2003).

Anfängeraufgaben 1. Anfängeraufgaben sollen es dem Auszubildenden ermöglichen, an seinen Vorerfahrungen

anzuknüpfen und auf das zurückzugreifen was er bereits kann und weiß.

Beispiel 1 Die Beleuchtung für einen Büroraum, eine Garage oder einen Wohnraum zu gestalten, er-fordert von einem Elektroniker für Gebäudetechnik kaum mehr als die Kompetenz, über die ein geübter Heimwerker verfügt.

• Zur Dimensionierung der Helligkeit müssen die jeweiligen Bestimmungen (z. B. für Büro- und andere Arbeitsräume) oder Erfahrungswerte herangezogen werden, über die der Anfänger sich bei seinen erfahrenen Kollegen informieren muss.

• Die Herstellerangaben zu den Leuchten erlauben die Auswahl passender Leuchten sowie ihre Anordnung zur Ausleuchtung des entsprechenden Raumes.

• Das Festlegen der Lichtfarbe und die Berücksichtigung ästhetischer Gesichtspunkte (mit dem Kunden zu beraten) sowie die Verwendung von energiesparenden Beleuch-tungskörpern erfordert das Finden eines Kompromisses. Die Erstellungs-, Energie- und Unterhaltungskosten sowie die Beleuchtungsqualität müssen gegeneinander ab-gewogen werden.

• Bei der fachgerechten Installation der Anlage sind eine Vielzahl von Bestimmungen und Regeln zu berücksichtigen

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• zur Sicherheit des Anwenders, • zur Arbeitssicherheit, • zum Gesundheitsschutz, • zum Umweltschutz sowie • zum Verbraucherschutz.

Alle diese Anforderungen können bereits von einem Anfänger in Erfahrung gebracht werden. Entscheidend an diesem Beispiel einer Anfängeraufgabe ist, dass durchgängig Prob-leme gelöst werden müssen, die die Gebrauchswertseite der Beleuchtungstechnik betreffen. Bei der Bearbeitung dieser Aufgabenstellung bietet es sich an, ein einschlägiges – nicht allzu komplexes – Software-Tool zur Dimensionierung von Beleuchtungsanlagen zu nutzen. Aber Vorsicht: Immer dann, wenn ein Software-Tool eine (Teil)Aufgabe automatisch löst, bleibt die Frage offen, nach welchen Regeln die Software arbeitet und warum gerade nach diesen. Beispiel 2 Als Anfängeraufgaben für Auszubildende zum Kfz-Mechatroniker wurden vier charakteristi-sche berufliche Arbeitsaufgaben identifiziert (vgl. Rauner/Spöttl 2002):

• Standardservice

• Verschleißbehebung

• Fahrzeugpflege

• Administrative Dienstleistungen

Am Beginn der Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker geht es darum, den grundlegenden Ser-

vice zusammenhängend aus der Nutzer- bzw. Kundenperspektive zu erschließen. Dabei

werden rechtliche Vorschriften, der Umgang mit Kunden, generelle Servicefragen, Service-

anforderungen an spezifische Fahrzeuge, an Fahrzeugkomponenten sowie auch an elektro-

nischen Bremssystemen und –bauelementen und ihr Zusammenwirken mit dem gesamten

Fahrzeug in den Mittelpunkt gestellt. Ferner geht es um den grundlegenden Standardservice

und die darin eingeschlossenen üblichen Pflege- und Wartungs-/Austauscharbeiten sowie

die dazu benötigten Einrichtungen, Werkzeuge und Verfahren. Dabei werden auch die erfor-

derlichen administrativen Arbeiten berücksichtigt. Diese Arbeitsaufgaben sind die Bezugs-

punkte für die erste Phase der Ausbildung.

Auch diese Aufgaben knüpfen an den Vorerfahrungen von Nicht-Fachleuten beim Umgang mit ihrem Auto an. Um berufliche Aufgaben handelt es sich deshalb, da es z. B. beim Stan-dard-Service darauf ankommt, das nichtprofessionelle Vorverständnis von Fahrbereitschaft und Verkehrssicherheit durch die professionellen Standards und die entsprechenden Prüf-methoden zu ersetzen. 2. Anfängeraufgaben sollen es den Auszubildenden erlauben zu verstehen, worum es in ihrem

Beruf „in der Hauptsache geht“.

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Am Beispiel der Schneiderlehrlinge ist dieses Kriterium ebenso gegeben wie beim Stan-dard-Service des angehenden Kfz-Mechatronikers. Im ersten Fall erfährt der Lehrling worauf es bei der Fertigstellung eines Gewandes (als Ganzes) und seiner Herrichtung für die Übergabe an den Kunden in besonderer Weise an-kommt: „Um solche Gewänder und um ihre fachmännische Herstellung geht es also in mei-nem zukünftigen Beruf“. Der Lehrling übernimmt die Verantwortung für die professionelle Fertigstellung des Gewandes an so sensiblen Punkten wie dem Annähen von Knöpfen und dem Herstellen von Säumen, die beim Hinschauen gleich ins Auge fallen – jedenfalls dann, wenn diese Arbeiten nicht sorgfältig und fachgerecht ausgeführt werden. Im Fall des Kfz-Standard-Service wird das Auto als „Ganzes“ zum Gegenstand der Fachar-beit. Dabei kommt das Universalwerkzeug jedes Kfz-Mechatronikers, die computergestützte Diagnosetechnik zum Einsatz. Das Auto als der zentrale Gegenstand der beruflichen Tätig-keit des Kfz-Mechatronikers wird dabei in seiner ganzen Komplexität aus dem Blickwinkel der professionell zu überprüfenden Fahrtüchtigkeit des Autos erfahren. 3. Anfängeraufgaben können bereits weitgehend eigenständig vom Auszubildenden ausgeführt

werden. Dies schließt die Verfahren der Qualitätssicherung ein. Natürlich liegt die letzte Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung z. B. des Kfz-Standard-Service beim verantwortlichen Werkstattleiter oder Gesellen. Die verbreitete Vor-stellung, Anfängeraufgaben seien solche, die üblicherweise von Un- und Angelernten Mitar-beitern ausgeführt würden, weist in die falsche Richtung. Hier stößt man häufig auf ein ver-breitetes Missverständnis: Arbeitsaufträge werden zu Anfängeraufgaben „gemacht“, indem die vollständige Handlung (Abbildung 6) einfach auf die Durchführung von Arbeitsaufträ-gen nach den genauen Vorgaben des Meisters oder der Arbeitsvorbereitung reduziert wird.

Planen

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Durchführen

Kontro

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Bewerten

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Abbildung 6: Handlungskreis für eine vollständige Arbeitshandlung

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Aber – das, worauf es in der Ausbildung ankommt, die eigene Tätigkeit (mit) zu planen und das Arbeitsergebnis sowie das Vorgehen bei der Lösung der Arbeitsaufgabe zu überprüfen und zu bewerten, bleibt dann auf der Strecke. Das Abspalten einfacher Teilaufgaben für Auszubildende trägt vor allem dann nicht zur Ausbildung bei, wenn die Auszubildenden da-bei den Arbeitszusammenhang aus dem Auge verlieren und als „Handlanger“ nicht in die Verantwortung bei der Ausführung von Arbeitsaufträgen mit einbezogen werden. 4. Anfängeraufgaben müssen sich auf der Grundlage vorgegebener und zugänglicher Regeln

und eindeutiger Kriterien lösen lassen. Das bedeutet umgekehrt, Aufgaben, die umfangreiche Arbeitserfahrung, Übung und ein ver-tieftes fachliches Zusammenhangswissen voraussetzen, über das erst Fortgeschrittene ver-fügen können, entsprechen nicht den Kriterien von Anfängeraufgaben. Die Bearbeitung von Arbeitsaufträgen setzt in der Regel ein mehr oder weniger umfangreiches Fachwissen vor-aus oder es kann bei der Ausführung der Aufgaben angeeignet werden. Ist das Fachwissen überschaubar, sind die Informationen und Regeln, die dabei anzuwenden sind für einen An-fänger nachvollziehbar, dann ist eine wichtige Voraussetzung für eine Anfängeraufgabe ge-geben. Scheitern könnte ein Anfänger immer noch daran, dass die praktische Anwendung der Regeln und des Fachwissens einige Übung voraussetzt. Übung begründet Erfahrung! Darüber können Anfänger nur sehr eingeschränkt verfügen. Daher ist ein weiteres Merkmal von Anfängeraufgaben, dass zu ihrer Bearbeitung oder Lösung zwar Fachkenntnis, jedoch keine oder noch keine Arbeitserfahrung erforderlich ist. Arbeitsaufgaben, die diesen Kriterien genügen, erleichtern und fördern die Aneignung beruf-licher Handlungskompetenz und die Entwicklung beruflicher Identität. Zusammenfassung: Anfängeraufgaben 1. knüpfen an den Vorerfahrungen der Anfänger an; 2. sind berufsorientierend; 3. ermöglichen die selbstständige Bearbeitung und 4. erlauben eine regel- und kriteriengeleitete Aufgabenbearbeitung. Die Anfängeraufgaben sind dem ersten Lernbereich „Orientierungs- und Überblickswissen – Worum es in meinem Beruf in der Hauptsache geht“ zugeordnet (siehe Abbildung 7).

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Abbildung 7: Lernbereich I: Orientierungs- und Überblickswissen — „Worum es im Beruf in der Hauptsache geht.“

Lernbereich I: Orientierungs- und Überblickswissen Bereits Berufsanfänger verfügen über gewisse Vorerfahrungen und Vorkenntnisse in Bezug auf ihren (nicht zuletzt aufgrund dieses Vorwissens gewählten) Beruf. Zu Beginn ihre Ausbildung werden sie an berufsorientierende Arbeitsaufgaben herangeführt, die einen Überblick über die Arbeit im Beruf ermöglichen und ein Verständnis für entsprechende Produktions- und Dienstleis-tungsprozesse schaffen bzw. vertiefen. Anfänger bearbeiten diese Aufgaben weitgehend syste-matisch und befolgen dabei existierende Regeln, Vorschriften und definierte Qualitätsstandards. Dieser erste Lernbereich zeichnet sich also durch die Aneignung beruflichen Orientierungs- und Überblickswissens aus, das es den Auszubildenden erlaubt, die Konturen des zu erlernenden Berufs aus einer professionellen Perspektive zu erkennen. Ihr berufliches Handeln wird zwar noch umfänglich von Ausbildern und Lehrern angeleitet, ist aber trotzdem bereits Gegenstand kri-tischer Reflexion. Zugleich erfahren sie die betrieblichen Arbeitsprozesse als durch unterschiedli-che Anforderungen geprägt und als Teile der betrieblichen Entwicklungs- und Innovationsprozes-se. Arbeit und Technik werden so auch in ihrer Gestaltbarkeit erfahren und dadurch zum Gegens-tand der Berufsbildung. „Auszubildende erwerben also über Anfängeraufgaben und die Zusam-menarbeit mit ihren Ausbildern und Mitarbeitern berufliches Wissen sowie Lernstrategien und werden dadurch in die Berufspraxis eingeführt. Das Lernen beginnt an berufsorientierenden Auf-gabenstellungen, damit die Lernenden frühzeitig ein Bild von ihrem Beruf gewinnen, das im Fort-gang der Ausbildung immer klarer wird und sich mit vielen Details füllt (#vgl. auch Gruber 1999. S. 179).

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Aufgaben für fortgeschrittene Anfänger Ausbilder, die in die Rolle des Lernprozessbegleiters hineinwachsen, werden zunehmend ein

Gespür dafür entwickeln, welche Arbeitsaufgaben das richtige Maß an Herausforderung für

den jeweiligen Auszubildenden darstellt. Weniger sensibel ist die Auswahl der Arbeitsaufträ-

ge vor allem dann, wenn Auszubildende in den Arbeitsgruppen aus unterschiedlichen Aus-

bildungsjahren zusammenarbeiten. Der zweite Lernbereich „Zusammenhangswissen — Wie und warum die Dinge so und nicht anders zusammenhängen“ ist gekennzeichnet durch systemische Arbeitsaufgaben.

Sie zielen auf die Architektur der Arbeitszusammenhänge, auf die Schnittstellen zwischen

den Einzelaufgaben bzw. Einzelaggregaten bei systemischer Technik oder bei computer-

oder netzgestützten komplexen Arbeitssystemen.

Im Arbeitsprozess werden die Grenzen, Berührungspunkte und Überlappungen zu „benach-barten Berufen“ und die Notwendigkeit der berufsübergreifenden Zusammenarbeit deutlich. Das Erfahren der berufsübergreifenden Geschäftsprozesse, in denen sich die eigene Berufs-tätigkeit einfügt, fördert die Entwicklung beruflicher Identität und vermittelt tiefere Einsichten in den Zusammenhang zwischen beruflichen Arbeitsprozessen und betrieblichen Geschäfts-prozessen. Für die Auswahl von Arbeitsaufgaben bedeutet dies auf fünf Kriterien zu achten: 1. Klare ‚Wenn-Dann-Regeln’, um deren Anwendung und Beachtung es bei den Anfängerauf-

gaben ging, werden bei Aufgaben des Lernbereiches II ergänzt um situativ anzuwendende Regeln:

So lernt z. B. der angehende Kraftfahrer zunächst, bei welchen Drehzahlen die nächst höhe-ren Gänge einzulegen sind. Eine Lehrkrankenschwester lernt am Beginn ihrer Ausbildung, was zu tun ist, wenn das Fieberthermometer bei einem Patienten einen definierten Wert er-reicht. Das Einhalten und Anwenden solcher Regeln begründet professionelles Verhalten auf der Anfängerstufe. Fortgeschrittene Anfänger wissen, dass diese Werte situativ interpretiert werden müssen. So muss der LKW z. B. bei einem Überholmanöver und der Notwendigkeit stärker als normal zu beschleunigen sowie bei einer spezifischen Steigung der Straße bei anderen Drehzahlen geschaltet werden, als dies im Normalbetrieb üblich ist. Die Erfahrung lehrt ihn, wie die Basisregel situativ anzuwenden ist. Die fachlichen Regeln, die dem beruflichen Handeln zugrunde liegen sind selten starr - Kon-textfrei – anzuwenden. Meist müssen sie von den Fachkräften situationsspezifisch ange-wendet werden. Sind miteinander konkurrierende Kriterien und Regeln im Spiel, kompliziert sich die Situation. Dann spielt Berufserfahrung eine große Rolle. Das Abwägen miteinander konkurrierender Kriterien erfordert einschlägige Arbeitserfahrung und sollte daher bei der Auswahl von Aufgaben berücksichtigt werden. Wenn die Auszubil-denden noch nicht über eine hinreichende Arbeitserfahrung verfügen, ist abzuschätzen, ob die Arbeitsaufgaben es erlauben, diese Erfahrungen bei der Bearbeitung der Aufgaben zu sammeln.

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2. Mit dem ersten Kriterium verwandt ist das Kriterium des impliziten Wissens, das neben dem expliziten, handlungsleitenden Wissen für die Lösung dieser Aufgaben erforderlich ist.

Implizites Wissen auf dieser Entwicklungsstufe setzt voraus, dass bereits einige der grundle-genden beruflichen Fähigkeiten entwickelt sind, Aufgaben ohne langes Nachdenken zu lö-sen. Sind z. B. berufliche Aufgaben im Spiel, bei denen feine und feinste Unterschiede richtig interpretiert werden müssen, dann kommen Fähigkeiten zur Geltung, die sich nur schwer schriftlich oder mündlich vermitteln lassen. Die Lernforschung bezeichnet dieses „Wissen“, über das die Fachkräfte verfügen, dass sie aber nicht exakt beschreiben können, als implizi-tes Wissen. Häufig geht es um Arbeitsaufgaben, die auf sinnlicher Wahrnehmung beruhen. Der Kraftfahrzeugmonteur sagt: „Der Motor läuft nicht rund“ und er kann mit zunehmender Arbeitserfahrung von einer Vielzahl von Geräuschen auf Fehlerursachen schließen und da-bei auch noch nach Marken unterscheiden. Fortgeschrittene Anfänger verfügen bereits über einen Grundstock erfahrungsbasierten (impliziten) Wissens, das es ihnen ermöglicht, Aufga-ben ohne langes Nachdenken zu lösen. So lernen Krankenschwester durch Erfahrung, A-temgeräusche, die ein Lungeödem anzeigen, von denen zu unterscheiden, die auf Lungen-entzündung hinweisen. Ihre Behandlungsregeln können sich nun auf die An- und Abwesen-heit solcher Geräusche stützen (Dreyfus und Dreyfus 1986, 46). 3. Die Arbeitsaufgaben und -aufträge erfordern Kenntnisse über die im Betrieb vorhandenen

Arbeitsmittel und -möglichkeiten mit ihren spezifischen technischen Potenzialen und Be-grenzungen.

„Jede Maschine hat ihre eigenen Marotten“ ist die Aussage eines Zerspanungsmechanikers, der damit sagen wollte, dass es bei realen Zerspanungsaufgaben darauf ankommt, nicht nur zu wissen, wie man eine Zerspanungsmaschine grundsätzlich richtig bedient, sondern man muss „seine“ Maschine(n) – und zwar jede einzelne für sich – genau kennen. Denn keine ist wie die Andere (vgl.Fischer/Jungeblut et al. 1995). Die Konsequenz für die Auswahl geeigne-ter Arbeitsaufgaben liegt auf der Hand. Diese Aufgaben müssen es den Fortgeschrittenen Anfängern ermöglichen beim Gebrauch ihrer Werkzeuge und im Umgang mit den „Marotten“ ihres Arbeitsalltages vertraut zu werden. Dazu gehört auch, dass z. B. immer dann, wenn der Umgang mit Technik im Spiel ist, unterschiedliche Technikgenerationen beherrscht werden müssen. Arbeitsumgebungen haben daher eine mehr oder weniger lange Geschichte. Bei programmierten Arbeitssystemen, die in nahezu allen Berufen zur Anwendung kommen, fol-gen die Softwaregenerationen so rasch aufeinander, dass daraus eine neue Qualifikations-anforderung erwächst. Anstatt mit definierten Produkten der Informationstechnik umzugehen kommt es darauf an sich auf einen kontinuierlichen Prozess des Updating von Software ein-zustellen. Der Prozesscharakter der Technik löst zunehmend ihren Produktcharakter ab. Auf der Stufe der fortgeschrittenen Anfänger muss diese Dimension beruflicher Aufgang Eingang in die Ausbildung finden, damit nicht statisches Technikverständnis vermittelt wird.

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4. Arbeitsaufgaben, die dem zweiten Lernbereich zugeordnet werden können, lassen unter-

schiedliche Lösungen zu. Die Freiheitsgrade bei der Lösung sollten so dimensioniert sein, dass sich der Gestaltungs-spielraum für die Lösung (der Produktaspekt) der Aufgabe sowie für das Vorgehen (Pro-zessaspekt) sich auf Alternativen beschränkt, die durch die Aufgabenstellung nahegelegt werden. Berufliche Aufgaben auf dieser Entwicklungsstufe zeichnen sich dadurch aus, dass – prinzipiell – unterschiedliche Lösungen zum Ziel führen. Die Lösung einer Aufgabe oder die Ausführung eines Auftrages stellt in der Regel einen Kompromiss zwischen ver-schiedenen Anforderungen dar, die miteinander konkurrieren und nicht selten in Widerspruch zueinander stehen. Die kostengünstigste Lösung ist nicht immer die umweltverträglichste oder eine reparaturfreundliche Lösung erhöht die Kosten. Oft sind die Gestaltungsspielräume der Aufgaben im Vorfeld der Auftragserteilung abgeklärt worden und in Form einer Spezifikation (Pflichtenheft) festgeschrieben. Bei der Ausführung eines Auftrages entlang einer detaillierten Spezifikation geraten die Gestaltungsspielräume aus dem Blickfeld der Fachkräfte und erst recht der Auszubildenden. Eine qualifizierte beruf-liche Ausbildung, die auch Gestaltungskompetenz vermittelt, macht die Gestaltungsspiel-räume bewusst, auch dann, wenn sie bereits durch den Auftrag eingeschränkt sind. Das Nachdenken darüber, ob es evtl. auch eine bessere Lösung oder einen besseren Lösungs-weg gegeben hätte, qualifiziert für die Beratung von Kunden und die betriebliche Organisati-onsentwicklung. 5. Die Aufgaben sollten so dimensioniert sein, dass sie den durch das Berufsbild definierten

beruflichen Handlungsraum nicht überschreiten. Zugleich fordern diese Aufgaben dazu heraus, das eigene berufliche Handeln in Bezug auf angrenzende und überlappende berufliche Handlungsfelder benachbarter Berufe einzuord-nen. Findet die Berufsausbildung in einem Unternehmen grundsätzlich in berufsübergreifen-den Arbeitsgruppen statt, in dem z. B. Chemikanten, Industriemechaniker und Industrieelekt-roniker in Chemieunternehmen in einem Aufgabenbereich Instandhaltung in gemeinsamen Teams zusammenarbeiten, dann sollte in der Ausbildung ebenso verfahren werden. Die Ar-beitsaufgaben erfordern dann zugleich eine durch die Berufe nahegelegte Arbeitsteilung so-wie eine daraus ebenso resultierende berufsübergreifende Zusammenarbeit. Natürlich be-deutet dies nicht, den angrenzenden Beruf gleich mit zu erlernen. Die Berufe sind in der Re-gel so gestaltet, dass man sie in etwa 3 Jahren erlernen kann. Eine neue Herausforderung für die Berufsausbildung besteht jedoch darin, die eigene berufliche Arbeit als eingebettet in betriebliche Abläufe und Geschäftsprozesse zu begreifen und danach zu handeln. Arbeiten im Team mit Arbeitskollegen angrenzender Berufe wird immer häufiger notwendig, schon deshalb, weil die Vernetzung der Technik und der betrieblichen Funktionen durch die Infor-mations- und die Kommunikationstechnik eine neue Qualität erreich hat. Der Bezugspunkt für die berufliche Arbeit ist daher nicht mehr der Arbeitsplatz an einem abgrenzbaren Ort in einem Betrieb, sondern der Arbeitsprozess. Dieser aber ist eingebettet über die vernetzten betrieblichen Strukturen in „entgrenzte“ Handlungsräume. Praktisch bedeutet das auch, dass neue Qualifikationsanforderungen an die Sprachkompetenz entstehen. Englisch wird mehr

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und mehr in vielen Berufen zu einer Voraussetzung für die Kommunikation mit Fachkräften anderer Unternehmen in anderen Ländern, mit denen die eigene Arbeit vernetzt ist. Die Aus-bildungsordnungen weisen in der Regel aus, welche Rolle der Sprachkompetenz in einem spezifischen Beruf zugemessen wird. Beispiel: Industrieelektroniker Kurzbezeichnung der Arbeitsaufgabe Instandsetzung von Produktionsanlagen und -maschinen bei schwierigen (nicht-deterministischen) Fehlern Kontext der Arbeitsaufgabe a) Erläuterung der Arbeitsaufgabe: Diese Aufgabe umfasst insbesondere solche Instandsetzungsarbeiten, bei denen entweder eine Fehlerursache mehrere Fehlersymptome zeigt oder ein Fehlersymptom durch mehrere Fehlerur-sachen entsteht. Eine schnelle Fehleranalyse und -beseitigung unter Berücksichtigung von Quali-täts- und Kostenanforderungen als Kernaufgabe des Instandhalters ist in diesen Fällen meist nur durch großes Erfahrungswissen möglich (Lernbereich IV). Für diese Arbeit ist eine Kooperation mit dem Anlagenführer und/oder anderen Kollegen uner-lässlich. Insbesondere gilt dies auch für das wieder Anfahren der Anlage, da es hierbei oftmals zu neuen Störungen kommen kann. Beim Wiederherstellen der Betriebsbereitschaft (oder der Aufrechterhaltung derselben) darf die Sicherheit des Bedienpersonals durch Arbeiten an der Anlage (z. B. Eingriffe in die Steuerung, Außerkraftsetzen von Sicherungsmaßnahmen) nicht gefährdet werden. b) Betroffene Geschäftsfelder/Schnittstellen: Alle Produktionsbereiche c) Betriebsspezifik: Je nach Standort führt der Anlagenführer auch Instandhaltungsaufgaben durch. Dadurch wird das beim Bedienpersonal vorhandene und für Qualität und Dauer der Instandsetzungsarbeit ent-scheidende Erfahrungswissen besser genutzt. Die anfallenden Arbeiten unterscheiden sich hinsichtlich Häufigkeit und Komplexität durch die verschiedenen Fertigungsverfahren (Rohbau, Lackiererei, mechanische Fertigung) an den Standorten. d) Sonstige Anmerkungen Der Aufbau von Erfahrungswissen kann an einzelnen Produktionsanlagen einen sehr langen Zeitraum beanspruchen, so dass hierzu lange Versetzungszeiträume für die Auszubildenden rea-lisiert werden müssten. Durch die individuelle Ausprägung der einzelnen Arbeitsaufgabe an den verschiedenen Produktionsanlagen kommt der Berufsschule in der Ausbildung hier eine beson-dere Rolle bei der Verallgemeinerung des betriebsspezifischen Wissens zu, z. B. durch Vermitt-lung von Kenntnissen über Qualitätsmanagement (Null-Fehler-Methode, Anforderungen nach ISO 9000) und Fehlersuchalgorithmen.

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Zusammenfassung Aufgaben für fortgeschrittene Anfänger 1. erfordern neben der Anwendung kontextfreier Regeln zunehmend die situative Interpreta-

tion und Variation dieser Regeln; 2. setzen für ihre Bearbeitung und Lösung neben dem expliziten handlungsleitenden Fach-

wissen auch da es auf Arbeitserfahrung basierende implizite Wissen voraus; 3. berücksichtigen für ihre Bearbeitung die spezifischen Potenziale und Begrenzungen der

betrieblichen Arbeitsmittel; 4. erlauben Lösungen in den durch die Aufgabenstellung begrenzten Gestaltungsspielräu-

men und beinhalten Kriterien zur Bewertung der alternativen Lösungen; 5. fordern dazu heraus, diese Aufgaben in die betrieblichen (berufsübergreifenden) Ge-

schäftsprozesse einzuordnen.

Die Aufgaben für fortgeschrittene Anfänger sind dem zweiten Lernbereich „Zusammen-hangswissen — Wie und warum die Dinge so und nicht anders zusammenhängen“ zugeord-net (siehe Abbildung 7).

Abbildung 8: Lernbereich II: Zusammenhangswissen — „Wie und warum die Dinge so und nicht anders zusammenhängen.“

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Lernbereich II: Systemische Arbeitsaufgaben – berufliches Zusammenhangswissen Dem fortgeschrittenen Berufsanfänger, der bereits über konkrete Vorstellungen von seinem Beruf aus der Anwender- und Nutzerperspektive verfügt und sich erste berufswichtige Kompetenzen angeeignet hat, stellen sich auf dem Niveau des zweiten Lernbereiches systemische Arbeitsauf-gaben für die Entwicklung beruflichen Zusammenhangswissens (Perspektive der systemischen Architektur). Gerade im gewerblich-technischen Bereich sind Arbeitsgegenstände zunehmend geprägt durch systemische Technologien. In vielen Anlagen, Maschinen und Geräten wirken hyd-raulische, pneumatische, mechanische, elektrische und elektronische Aggregate zusammen und sind dazu als integrierte Komponenten ausgeführt. Genauso erfordert das Verhältnis bzw. die Wechselwirkung zwischen Mensch und Facharbeit, Technik und Arbeit(-sorganisation) eine zu-sammenhängende Betrachtung. Systemische Aufgabenbewältigung bedeutet also, dass die Auszubildenden die Arbeitsaufgaben kontextbezogen, unter Berücksichtigung der systemischen Struktur von Technik und Arbeit(-sorganisation) ausführen. Systemische Aufgabenbearbeitung bedeutet, dass der fortge-schrittene Berufsanfänger ein professionelles Zusammenhangswissen erwirbt, das es ihm er-laubt, Einzelaufgaben zugleich kontextbezogen, eingebettet in die systemische Struktur des Ar-beitszusammenhanges, auszuführen. Auf dieser zweiten Stufe beruflicher Bildung kann aus der Berufsvorstellung der ersten Stufe und dem beruflichen Zusammenhangswissen eine reflektierte berufliche Identität erwachsen, wenn die betriebliche Arbeitswelt mit ihren betrieblichen Arbeits-prozessen als Lern- und Bildungspotenzial erschlossen wird. Berufliche Identität wird dann um die Fähigkeit der Rollendistanz erweitert.

Auswahl von Aufgaben für Fortgeschrittene Der dritte Lernbereich „Detail- und Funktionswissen — Worauf es in der Facharbeit im Ein-zelnen ankommt und wie die Dinge funktionieren“ bedeutet einen qualitativen Sprung in der Ausbildung. Die regelhaft zu lösenden Aufgaben treten in den Hintergrund. Zur Bearbeitung und Lösung der Aufgaben sind tiefe Einsichten in die berufsfachlichen Zusammenhänge er-forderlich. Ein hoher Grad an bereits weitgehend automatisierten Fähigkeiten ermöglicht es den Auszubildenden Aufgaben zu bearbeiten, die zunehmend implizites Wissen erfordern. Für die Auswahl von Arbeits- und Lernaufgaben des dritten Lernbereiches bieten sich die folgenden Kriterien an: 1. Aufgaben mit einer großen fachlichen Tiefe;

Mit fachlicher Tiefe charakterisiert man ein Arbeitsprozesswissen, das es den Fortgeschritte-nen erlaubt, eine Arbeitssituation unter Anwendung eines umfangreichen handlungserklä-renden Fachwissens zunächst zu analysieren. Dies trifft immer dann zu, wenn z. B. bei der Fehlersuche komplexe Zusammenhänge durch systematisches Vorgehen analysiert werden müssen, um die Fehlerursache zu identifizieren. Bei der systemischen Struktur der Technik erfordert dies einerseits ein hohes Maß an Zusammenhangswissen – quasi auf der Ebene

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der Architektur der Systeme – und andererseits die Fähigkeit, sich anhand von punktuellem Detailwissen von der Oberfläche einer Störung durch die Schichten eines Softwaresystems bis auf die Ebene z. B. elementarer, mechanischer und elektirscher Sensoren und Aktoren hindurch zu arbeiten. Die Lösung dieser Aufgaben setzt neben dem handlungsleitenden ein umfangreiches und tiefes handlungserklärendes und reflektierendes Wissen voraus, das es erlaubt, den fachlichen Problemen auf den Grund zu gehen. Hier kommt es also auf ein um-fangreiches Detailwissen und eine entsprechende Arbeitserfahrung an.

2. Nichtstandardisierte und standardisierbare Aufgaben;

Im Bereich der Instandhaltung sind dies die nicht-objektivierbaren (programmierbaren) Auf-gaben und im Bereich der Produktion und der produktionsnahen Dienstleistungen sind dies Aufgaben, die maßgeschneiderte Lösungen erfordern, bei denen eine Vielzahl miteinander konkurrierender Kriterien schließlich auf einen Nenner gebracht werden müssen. Große Gestaltungsspielräume müssen unter Abwägung der zum Teil widersprüchlichen Kriterien – im Sinne eines Kompromisses – schließlich auf die optimale Lösung eingegrenzt werden. Adäquate lernförderliche Arbeitsaufgaben für Fortgeschrittene fordern nicht nur diese Fach-kenntnisse heraus, sondern vor allem die Fähigkeit, in unvorhergesehenen und unplanmäßi-gen Arbeitssituationen kompetent zu handeln. Die in der Arbeitspädagogik verbreitete Defini-tion der beruflichen Handlung als eine Abfolge von zielgerichteten Teilhandlungen trifft die Arbeitswirklichkeit kompetenter Fachkräfte nicht. Berufliches Handeln ist auf der Ebene der Fortgeschrittenen (im Ausbildungsprozess) zu einem großen Umfang Problem lösendes Handeln. Und dazu gehört vor allem zunächst einmal das zu lösende Problem zu identifizie-ren. Nur Standardsituationen und exakt definierte Arbeitsaufträge lassen sich problemlos bewältigen. Dazu aber bedarf es keiner Fachkräfte. Solche Aufgaben werden zunehmen maschinisiert. Fachleute lösen Probleme und diese zeichnen sich in einem erheblichen Um-fang dadurch aus, dass sie die Fachkräfte immer vor neue Aufgaben stellt. Der Aspekt der gestaltungsoffenen Aufgaben ist vor allem für die handwerklichen Berufe kennzeichnend. Kunden haben oft nur wage Vorstellungen darüber, anhand welcher Mittel und Methoden ein spezifischer Auftrag ausgeführt werden soll. Hier ist eine hohe Gestaltungskompetenz ge-fragt. Dies setzt voraus, dass die Fachkräfte mit dem Spektrum auch der neuesten Lö-sungsmöglichkeiten vertraut sind, um einen Auftrag optimal zu bearbeiten. 3. Aufgaben, die zu ihrer Lösung ein hohes Maß an Beteiligung der Anwender und Kunden er-

fordert; In einer Vielzahl von Berufen de Handwerks und er personenbezogenen Dienstleistungen aber auch der kaufmännischen Berufe setzt die Definition eines Auftrages und seiner Ab-wicklung eine mehr oder weniger intensive Beteiligung der Kunden voraus. Die Identifizie-rung der Kundenwünsche, die aufklärende Beratung der Kunden und die Übersetzung der Kundenwünsche in einen exakt definierten Auftrag und seine zeitlich organisatorische Pla-nung setzt „Kundenkompetenz“ voraus. Das Gespräch mit den Kunden und Auftraggebern erfordert die Fähigkeit, diese mit ihren spezifischen Interessen und Nutzererfahrungen als Partner bei der Problemlösung zu beteiligen. Das Übersetzen von Kundenwünschen in eine

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fachspezifische professionelle Spezifikation ist eine weitere Herausforderung für diese Auf-gaben. Die situierte Aufgabenlösung betrifft daher nicht nur den fachlichen, sondern auch den sozia-len Kontext der Facharbeit. 4. Aufgaben, die zu ihrer Lösung einige Fantasie voraussetzt; Fantasie und Kreativität herauszufordern und sie dadurch zu fördern ist heute ein unstrittiges Ziel beruflicher Bildung. Aber zugleich spielt es in der Didaktik beruflicher Bildung meistens noch eine untergeordnete Rolle. Das Ausführen genau vorgegebener und vorgeplanter Auf-gaben bestimmte vor allem in der industriellen Berufsausbildung des vorigen Jahrhunderts die Praxis der Berufsausbildung. Wird da Lernen in der Arbeitspraxis unreflektiert an die all-täglichen Arbeitsaufträge angekoppelt, dann besteht das Risiko, dass bei detaillierten Ar-beitsaufträgen vor allem die Fähigkeit gefördert wird, Aufgaben nach genauen Vorgaben auszuführen, ohne nach der Sinnhaftigkeit des Vorgehens und des Arbeitsergebnisses zu fragen. Dies aber steht im Widerspruch zu der Leitidee einer modernen Berufsausbildung, der es um die Förderung der Mitgestaltung der Arbeitswelt geht. Bei der Auswahl und For-mulierung der Arbeitsaufträge für Fortgeschrittene kommt es daher in besonderer Weise da-rauf an, diese offen zu formulieren. Je größer die Spielräume bei der Wahl der Mittel, dem Einsatz von Werkzeugen und der Organisation des methodischen Vorgehens, umso mehr ist auch Fantasie und Kreativität gefragt. Bei der abschließenden Bewertung des Arbeitsergeb-nisses sowie der Durchführung des Auftrages wird den Auszubildenden die Qualität ihrer Ar-beit bewusst. Dabei wird auch die Frage beantwortet: Hat sich der Einsatz von Kreativität und Fantasie gelohnt oder hat es eher von der zielgerichteten Abarbeitung abgelenkt. Um das Zusammenspiel komplexer berufsfachlicher Zusammenhänge im Einzelnen zu ver-stehen und zu bearbeiten ist interdisziplinäres Wissen erforderlich. Über dieses Wissen muss man nicht immer verfügen. Es kommt viel mehr darauf an, sich dieses Wissen situativ zu erschließen.

Zusammenfassung: Arbeitsaufgaben für Fortgeschrittene 1. weisen eine große fachliche Tiefe auf;

2. sind nicht standardisierte und standardisierbare Aufgaben;

3. erfordern zu ihrer Lösung eine Einbeziehung der Anwender/Kunden/Auftraggeber

(partizipative Problemlösung);

4. erfordern interdisziplinäres Wissen und kreative Lösungskompetenz.

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Abbildung 9: Lernbereich III: Detail- und Funktionswissen „Worauf es in der Facharbeit im Einzelnen ankommt und wie die Dinge funktionieren“

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Lernbereich III: Problembehaftete spezielle Arbeitsaufgaben — Detail- und Funktionswissen Mit dem Erwerb von beruflichem Orientierungs-, Überblicks- und Zusammenhangswissen sowie der Fähigkeit der systematischen Aufgabenbearbeitung können die Auszubildenden im dritten Bereich problembehaftete spezielle Arbeitsaufgaben bearbeiten. Zu deren Lösung können sie nicht mehr ausschließlich auf definierte Regeln und Lösungsschemata zurückgreifen. Die Aufga-be enthält etwas Neues, auf das die Lösungs- und Bearbeitungsstrategien der vorherigen Aufga-ben nicht ohne weiteres passen. Die Auszubildenden müssen die Aufgabe erst analysieren und den Problemgehalt identifizieren, um dann ihr weiteres Vorgehen planen zu können. Neben dem Wissen über die Wirkungsweise und die Funktionszusammenhänge des technischen Gesamtsystems werden zusätzlich Detail- und Spezialkenntnisse zu einzelnen Bauteilen, beson-deren Prozessen usw. der konkreten Anlage, Maschine o. Ä. benötigt. Für die Bearbeitung der Aufgaben dieser Stufe sind fundiertes theoretisches Wissen, ggf. spezielle handwerkliche Tech-niken und der Rückgriff auf erste eigene Erfahrungen erforderlich. Das in den 1980er Jahren von der Berufsbildungsplanung entwickelte Leitbild der vollständigen und komplexen Arbeitshandlung und die damit angestrebte Befähigung zu eigenständigem Pla-nen, Durchführen, Kontrollieren und Bewerten der beruflichen Arbeitsaufgaben, korrespondiert mit dem dritten Schritt der entwicklungslogischen Strukturierung beruflicher Bildung. Auf diesem Entwicklungsniveau erwächst aus der beruflichen Identität berufliche Verantwortung als Voraus-setzung für Leistungsbereitschaft (intrinsische Motivation) und Qualitätsbewusstsein als eine we-sentliche Voraussetzung für die Wahrnehmung von vollständigen Arbeitshandlungen in proble-matischen Arbeitszusammenhängen. Die berufliche Identität weist zugleich und zunehmend über das Unternehmen hinaus, im Sinne der Zugehörigkeit zu einer überbetrieblichen beruflichen Pra-xisgemeinschaft. Die Entwicklung dieser Stufe beruflicher Identität ist in der Praxis der Berufsbil-dung und der Berufsarbeit ein deutliches Indiz für die Qualität einer Berufsbildung im Sinne mo-derner Beruflichkeit.

Aufgaben, die Könner herausfordern Der vierte Lernbereich „Erfahrungsbasiertes, fachsystematisches Vertiefungswissen — Wie sich die Dinge fachsystematisch erklären und Probleme situativ lösen lassen“ ist gekennzeichnet durch nicht vorhersehbare Arbeitsaufgaben. Dies sind Aufgaben, die zwar berufstypisch sind, jedoch in ihren Anforderungen aus dem Rahmen der beruflichen All-tagsroutine fallen. Diesen Aufgaben haftet stets das Image des noch nicht da gewesenen an. Ihre Bearbeitung erfordert innovative Kompetenz, die Fähigkeit also sich mit einer gewissen experimentellen Grundhaltung auf das Neue einzulassen. Umfangreiche Arbeitserfahrungen in fachlicher Hinsicht sowie bei der Lösung kundenspezifischer Aufgaben sind dafür erforder-lich. Dreyfus und Dreyfus charakterisieren Könner wie folgt: „Das Können des Experten ist so sehr Teil seiner Person geworden, dass er sich dessen nicht bewusster sein muss als seines Körpers. Fahrexperten verschmelzen mit ihrem Wagen zu einer Einheit. Sie sind sich ledig-lich bewusst, dass sie fahren, nicht aber, dass sie im Auto fahren […]. Piloten berichten im-mer wieder, wie sie zu Beginn ihrer Ausbildung noch bemerken, dass sie ein Flugzeug flie-

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gen, sich später als erfahrene Piloten jedoch nur noch bewusst waren, einfach zu fliegen (Dreyfus/Dreyfus 1987, S. 54). Für die Auswahl von Arbeitsaufgaben bieten sich folgende Kriterien an: 1. Nicht-alltägliche Arbeitsaufträge, die ein hohes Maß an reflektierter Arbeitserfahrung voraus-

setzen.

Bei der Lösung von Könneraufgaben kommt es vor allem auf ein hohes Maß an Arbeitserfah-rung an. Dies zeigt noch einmal deutlich, dass es auf allen Stufen der vorangegangenen Ausbildung – auf dem Weg von Anfänger zum Könner erforderlich ist, Arbeitserfahrung zu vermitteln und diese mit den Auszubildenden zu reflektieren und zu kommunizieren. „Nicht-alltägliche Arbeitsaufträge“ bedeutet, dass es auf dieser Stufe der Ausbildung nicht nur dar-auf ankommt, den Schwierigkeitsgrad der Aufgaben angemessen zu berücksichtigen, son-dern auch Routineaufträge zu vermeiden. Könnerschaft erweist sich darin, wenn ein Fach-mann mit einer für ihn neuen Situation konfrontiert wird, die aus dem Rahmen des vertrauten Spektrums beruflicher Arbeitsaufgaben heraus fällt und zugleich hohe fachliche Kompetenz herausfordert. Könner meistern solche Situationen. „Nicht-alltägliche Arbeitsaufträge“ bedeutet nicht, dass es sich um berufsfremde Aufgaben handelt. Das Entscheidende ist hier lediglich, dass diese Aufgaben deutlich aus der Routine der Facharbeiter rausfallen. 2. Aufgaben, die die Einarbeitung in neue, über die tradierte Berufsrolle hinausreichende Sach-

verhalte erforderlich macht.

Aufgaben für Könner sind eingebettet in die systemische Struktur der Technik und der Ar-beitsorganisation. Daher kommt es hier in besonderer Weise darauf an, an der Nahtstelle „Schnittstellenprobleme“ zu lösen. Elektro-pneumatische, elektro-hydraulische, vernetzte Sy-steme wie die Gebäudesystemtechnik oder die Organisation von Gruppenarbeit erfordern Grenzgänger, deren Fähigkeit auch darin besteht, mit den Fachkräften benachbarte Berufe, mit Führungskräften und mit Kunden zusammen zu arbeiten. Das systemische Know-How überschreitet in der Regel die beruflich definierten Aufgaben. Dieses Know-How muss soweit entwickelt werden, dass das wechselseitige Verstehen zwischen den Fachleuten verschie-dener Berufe gelingt: „Ich muss wissen, wovon meine Kollegen und Vorgesetzten reden und wie ich mit ihnen zusammen arbeiten kann“.

3. Aufgaben, die eine Bearbeitung und Lösung im Team herausfordern; dies schließt die An-

wendung von Methoden des Projektmanagements ein. Teamarbeit ist nicht nur eine alternative Form der Arbeitsorganisation, sondern oft eine Not-wendigkeit, die sich aus der Bearbeitung von Arbeitsaufträgen und der Lösung komplexer Probleme ergibt. Üblicherweise wird das berufliche Verhalten durch die berufliche Praxisge-meinschaft stark geprägt. Deren Mitglieder verfügen über ihre eigene Fachsprache, die eine rasche Verständigung unter Insidern erlaubt, ohne viel Worte zu machen. Das ist ganz an-ders, wenn man in einem Team unterschiedlicher Fachleute zusammenarbeitet oder an ei-

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nem Projekt beteiligt ist, in dem eine enge Rückkopplung zu Vorgesetzten und Kunden not-wendig ist. In solchen Arbeitssituationen sind andere Formen der sprachlichen Verständi-gung und der unterstützenden medialen Präsentation von Arbeitsvorgängen und -ergebnissen erforderlich. Die Anwendung von Methoden des Projektmanagements ist hier eine ausgezeichnete Form der Organisation von Arbeitsaufträgen und Projekten. Bei der Auswahl von Arbeitsaufträgen für Auszubildende in der letzten Phase ihrer Ausbildung sollte diesem Kriterium eine besondere Beachtung geschenkt werden. Eine Einbeziehung der Be-rufschullehrer im Sinne einer guten Lernortkooperation – in solche Projekte bietet sich hier besonders an. 4. Die Begründung der Aufgabenlösung stellt hohe Anforderungen an die Auszubildenden, da

die sehr offenen Aufgabenstellungen des vierten Lernbereiches einen großes Gestaltungs-spielraum markieren und daher eine ausdifferenzierte Bewertung des Arbeitsergebnisses (die Qualitätssicherung eingeschlossen) erfordert.

Dieses Kriterium hebt die Bedeutung der abschließenden Bewertung eines Arbeitsergebnis-ses sowie der Abwicklung des Arbeitsauftrages hervor. Die übliche Praxis, als Abschluss ei-nes Arbeitsauftrages mit den Auszubildenden „freihändig“ über die Vor- und Nachteile des Vorgehens und die Qualität des Arbeitsergebnisses zu diskutieren, vergibt eine Lernchance. Gefordert ist hier die Bearbeitung eines Bewertungsverfahrens mit den Auszubildenden, mit Bewertungskriterien unterschieden nach Haupt- und Unterkriterien sowie ihre Gewichtung. Dabei ist nach den zwingend einzuhaltenden Kriterien – unter Bezugnahme auf einschlägige gesetzliche Regelungen, DIN-Normen usw. sowie den wünschbaren Qualitätskriterien und vor allem den vom Auftraggeber vorgegebenen Kriterien zu unterscheiden. Ist der Arbeits-auftrag integriert in das betrieblich etablierte System der Qualitätssicherung, dann geht es in der Ausbildung nur noch darum, die Sinnhaftigkeit einer darüber hinaus reichenden Evaluati-on zu prüfen, die sich aus den besonderen Kriterien der Ausbildung begründen lässt. Zusammenfassung: Aufgaben für Könner 1. fallen aus dem Rahmen des Arbeitsalltages heraus und fordern innovative Kompetenz her-

aus, 2. erfordern die Einarbeitung in neue, über die tradierte Berufsrolle hinausreichende Sachver-

halte, 3. bieten sich für das Arbeiten und Lernen im Team in besonderer Weise an, 4. fordern ein differenziertes Verfahren zur Bewertung der Lösungen bei den sehr offenen Auf-

gabenstellungen.

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Abbildung 10: Lernbereich IV: Erfahrungsbasiertes fachsystematisches Vertiefungswissen „Wie sich die Dinge fachsystematisch erklären und Probleme situativ lösen lassen“

Lernbereich IV: Nicht vorhersehbare Arbeitsaufgaben – erfahrungsgeleitetes und fachsystematisches Vertiefungswissen Nachdem die Auszubildenden ein annähernd professionelles Problembewusstsein für die Aufga-ben der Facharbeit entwickelt haben, können sie nunmehr Arbeitserfahrung im Umgang mit nicht alltäglichen Situationen und Problemen erwerben. Nicht vorhersehbare Arbeitsaufgaben, die sich auf Grund ihrer Komplexität einer vollständigen Analyse in der konkreten Arbeitssituation entzie-hen und daher nicht einfach nur systematisch bewältigt werden können, stellen an die Auszubil-denden hohe Herausforderungen auf ihrem Weg zu kompetenten Facharbeitern. Kompetenz gründet sich hier auf Wissen über gelöste bzw. erledigte Fälle, in denen es zumindest vergleichbare Konstellationen gab, auf das Durchspielen (Antizipieren) möglicher Vorgehenswei-sen auf Grundlage sowohl fachtheoretischen Wissens und praktischen Könnens sowie auf Intuiti-on, die aus den bereits gemachten Erfahrungen resultiert. Probleme werden situativ gelöst, ohne dass das Vorgehen in all seinen Voraussetzungen und Folgen im Einzelnen durchkalkuliert wer-den kann. Auf der vierten Stufe dieses Berufsbildungskonzeptes wird das Ziel angestrebt, reflektierte Fach-lichkeit und fachsystematische Kompetenz miteinander zu verbinden, um so die Chance zum Er-reichen der Studierfähigkeit zu eröffnen. Die Studierfähigkeit erwächst hier aus einem erweiterten beruflichen Selbstverständnis, die sich auf dieser Stufe weniger auf ein festes definiertes Berufs-bild als vielmehr auf einen sich mit dem erlernten Beruf eröffneten Karrierepfad stützt.

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3 Der Arbeitsauftrag und seine Einbettung in den betrieb-lichen Ablauf

Ist die Auswahl eines geeigneten Arbeitsauftrages getroffen, dann gelten die Regeln der be-trieblichen Abwicklung von Arbeitsaufträgen. Dies trifft vor allem zu für

1. die Termintreue und 2. die Qualitätssicherung.

Beide Kriterien verstärken den Ernstcharakter der Ausbildung. Dadurch wird nicht nur die Qualität der Ausbildung gestützt, sondern auch ihre Rentabilität. Auch auf die Rentabilität bei der Auftragsbearbeitung durch Auszubildende zu achten ist deshalb sinnvoll, da die Kriterien der Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit den Arbeitsalltag in den Unternehmen ganz ent-scheidend prägen. Der Grundsatz „Lernen hat Vorrang“ sollte dabei jedoch von allen an der Ausbildung Beteiligten bedacht werden. Das Dilemma, mit dem Auszubildende und ihre Ausbilder mit der Übernahme eines Auftrages intelligent umgehen müssen besteht darin, dass

- einerseits nur etwas gelernt werden kann, wenn die Auszubildenden noch nicht (vollständig) über die Kompetenzen verfügen, wie sie für die Bearbeitung des Auftra-ges erforderlich sind.

- Andererseits unterstellt der Auftraggeber, dass der Auftragnehmer — hier die Aus-zubildenden — über die Kompetenzen verfügen, um den Auftrag professionell abzu-wickeln.

Der Ausbilder ist daher für beide Anforderungen verantwortlich: (1) für die Lernchancen der Auszubildenden und (2) für die Abwicklung des Auftrages nach den Vorgaben des Auftraggebers. Der Schlüssel, mit dem sich dieses Dilemma auflösen lässt, besteht darin, Arbeitsaufträge zu übernehmen, die weniger zeitkritisch sind und die es erlauben Fehler zu machen und zu kor-rigieren. Die Ausbilderrolle wird daher nicht nur durch arbeits- und berufspädagogische Kriterien bestimmt, sondern vor allem dadurch, dass Ausbildung in realen Arbeitsprozessen einen Ausbilder erfor-dert, der über die Kompetenz verfügt, betriebliche Aufträge professionell und verantwortlich ab-zuwickeln und die darin enthaltenen Lernchancen für die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften zu erschließen. Ergibt sich daraus ein Widerspruch zwischen der Wahrnehmung von Ausbilderaufga-ben und betrieblichen Funktionen z. B. als verantwortlicher Meister? Ein Widerspruch würde nur dann entstehen, wenn das alte Rollenverständnis des Ausbilders als „Unterweiser“ beibehalten würde. Dann müsste er sich quasi aufteilen in einen Ausbilder und einen Meister. Er würde wahrscheinlich keiner der beiden Funktionen gerecht werden können. Die neue Rolle als Begleiter des Lernens in realen Arbeitsprozessen erfordert es ge-radezu, dass diejenigen Fachkräfte, die die Neuen einarbeiten, selbst produktiv tätige Fach-kräfte sind. Sie repräsentieren das, was der Auszubildende noch lernen muss. Ausbilder in der neuen Rolle als Lernprozessbegleiter sind selbst eingebunden in die Prozesse der be-

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trieblichen Organisationsentwicklung und gestalten sie mit. Dadurch werden sie gleichzeitig auch selbst zu Lernenden. Betriebliche Berufsausbildung wird so aus der Abgeschiedenheit der von den betrieblichen Pro-zessen isolierten Lehrwerkstätten und unterweisender Ausbildung herausgeholt und in die Dy-namik der betrieblichen Organisationsentwicklung integriert. Aber: Umfangreichere Arbeitsaufträge, die der Auszubildende weitgehend selbstständig be-arbeitet, sollten nicht nur beiläufig „erledigt“ werden, auch dann nicht, wenn zu erwarten ist, dass der Auszubildende einem Auftrag gewachsen ist. Es geht schließlich um das berufliche Lernen.

Der Arbeitsauftrag als Lernaufgabe Der Arbeitsauftrag an einen oder eine Gruppe von Auszubildenden ist immer auch ein Lernauftrag. Er sollte sich einfügen in eine systematische Ausbildung, in eine Ausbildung also, die den Auszubildenden Schritt für Schritt in seiner Entwicklung vom Anfänger zum Könner fördert. Auszubildende vergewissern sich daher mit ihrem Ausbilder darüber • wenigstens ein Mal in der Woche • bei größeren Aufträgen und Projekten an deren Beginn und Abschluss sowie an markan-

ten Zwischenschritten, • welche neuen Einsichten sie gewonnen, welche Erfahrungen sie gemacht und was sie

dabei gelernt haben. Dazu bieten sich eine Reihe von Hilfsmitteln an:

Arbeits- und Lernplan als Checkliste Am Beginn der Ausbildung erstellt der Ausbilder den Ausbildungs- und Lernplan und erläu-tert dem Auszubildenden den Gebrauch. die charakteristischen beruflichen Arbeitsauf-gaben (Berufsbildpositionen/Berufliche Hand-lungsfelder)

zeitlicher Umfang

Arbeitsaufträge: Dauer/Datum

Ausbildungswerkstatt 3 Wochen 01.08 bis 01.09.2007 Abteilung Vorrichtungs- & Leh-renbau 1 ½ Wochen 10.09 bis 25.09.2007

1. Fertigung von Bauteilen 5 Monate

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Einsatz im Kleinteilepresswerk 1 ½ Wochen 01.10 bis 10.10.2007 Abteilung Spritzgießen 2 Wochen 15.10.2007 bis 29.10.2007 Abmusterung Spritzgießform beim Kunden Scharnhorst 1 Woche 01.11 bis 10.11.2007

2. Produktion und Qualitätskontrolle von Nutz-teilen

2 Monate

3. Montage/Demontage von Werkzeugen und Vorrichtungen

2 Monate Abteilung Schneidwerkzeugbau4 Wochen 01.01 bis 15.02.2008

Abbildung 11: Auszug aus einem Arbeits- und Lernplan für den Ausbildungsberuf Werkzeug-mechaniker

Die Checkliste „Arbeits- und Lernplan“ ist ein Übersichtsplan, der es dem Auszubildenden und dem Ausbilder erleichtert, auf einen Blick zu erkennen, in welchen beruflichen Hand-lungsfeldern bereits Arbeitserfahrung gesammelt wurde und vor allem welche Lücken in der Ausbildung noch geschlossen werden müssen. Diese Checkliste be-wahrt Auszubildende und Ausbilder vor Überraschungen bei der Vorbereitung auf Prüfungen. Nicht selten stellt sich nämlich heraus, dass eine nicht-bestandene Prüfung darauf zurückzu-führen ist, dass fachliche Lücken in der Ausbildung entstanden sind, ohne dass es die Betei-ligten rechtzeitig bemerkt haben. Die Checkliste „Arbeits- und Lernplan“ • bietet auf einen Blick eine Übersicht über die in der Ausbildungsordnung für den zu erlernen-

den Beruf festgelegten beruflichen Handlungsfelder (Lernfelder). • Sie zeigt den zeitlichen Umfang, in dem in diesen Handlungs- und Lernfeldern Arbeitserfah-

rung gesammelt – also gelernt werden soll und • dokumentiert wann und in welchem zeitlichen Umfang die Auszubildenden tatsächlich Gele-

genheit hatten, in den beruflichen Handlungsfeldern zu lernen. • Bei der Erstellung der Checkliste orientiert sich der Ausbilder einerseits an der Ausbildungs-

ordnung und zugleich an den anwendungsbezogenen Bezeichnungen der betrieblichen Ge-schäftsfelder, die die beruflichen Handlungsfelder in seinem Unternehmen repräsentieren.

• Wichtig ist außerdem, dass bei der zeitlichen Anordnung der beruflichen Handlungsfelder die entwicklungslogische Struktur der Lernbereiche zugrunde gelegt wird. Beachten Sie: Die Ausbildungsrahmenlehrpläne sind nicht immer entwicklungslogisch strukturiert.

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4 Das Ausbildungslogbuch als Berichtsheft Zur betrieblichen Ausbildung gehört traditionell ein Berichtsheft. Die Wichtigkeit der Doku-mentation der Ausbildung durch die Auszubildenden ist bereits daraus zu erkennen, dass diese Aufgabe sogar im Berufsbildungsgesetz verankert ist (vgl. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2005 Teil I Nr. 20 2005). Zu den „Pflichten der Auszubildenden“ gehört es nach § 14 BBiG „Auszubildende […] zum Führen von schriftlichen Ausbildungsnachweisen anzuhalten […]“. Und: „Zur Abschlussprüfung ist zuzulassen, wer […] die vorgeschriebenen schriftlichen Aus-bildungsnachweise geführt hat […]“ (§ 43 (1, 2) BBiG). Die gesetzliche Vorschrift zum führen eines Berichtheftes ist sehr offen formuliert, sodass in der Ausbildungspraxis große Gestaltungsspielräume bestehen. Einige Rahmenbedingungen kann man jedoch der Rechtsprechung entnehmen. Danach ha-ben die Aufzeichnungen der Ausbildenden die Qualität eines Ausbildungsnachweises - und damit auch eine rechtliche Qualität. Die Rechtsprechung empfiehlt daher, dass Ausbilder die Berichtshefte wöchentlich durch ihre Unterschrift offiziell zur Kenntnis nehmen. „Berichtshefte“ werden oft als eine lästige Pflicht sowohl von den Auszubildenden als auch von den Ausbildenden betrachtet. Entsprechend oberflächlich fällt die Pflichtübung „Be-richtsheft“ daher oft aus. Aus der Sicht einer professionellen Lernprozessbegleitung gewinnt die Dokumentation des eigenen Lernprozesses jedoch eine ganz neue – eine zentrale – Bedeutung. Wenn es die Tradition des Berichtsheftes nicht gäbe, müsste man sie daher neu erfinden - aber als Ausbildungslogbuch. Die folgenden für die Lernprozessbegleitung wichtigen Funktionen kann das Ausbildungs-logbuch übernehmen.

Checkliste Arbeits- und Lernplan als Inhaltsverzeichnis Diese auf eine doppelte DIN A4-Seite ausgelegte Checkliste ist zugleich das Inhaltsver-zeichnis für das Ausbildungshandbuch (siehe Auszug auf Seite 37).

Das Berufsbild Das Berufsbild hat eine so wichtige Orientierungsfunktion für das Erlernen eines Berufes und die damit verbundene Entwicklung einer eigenen beruflichen Identität, dass es als eine Art Präambel die erste Seite des Ausbildungslogbuches bildet. Das „Bild“ eines Berufes veran-schaulicht auf einen Blick wie die beruflichen Aufgaben ein Ganzes ergeben, wie sie sich zu einem Berufsbild zusammenfügen. Die Aufteilung eines Berufsbildes in Teile, in Ausbil-dungsbausteine, widerspricht der Idee des Bildes. Berufsbilder sind daher keine Suchbilder oder Puzzle, die sich erst im Fortgang der Ausbildung in ihrem Sinn erschließen, sondern ih-nen kommt eine wichtige Orientierungs- und Identifikationsfunktion für das berufliche Lernen zu (vgl. das Beispiel in Abbildung 12).

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Der Beruf »Werkzeugmechaniker« ist ein gewerblich–technischer Industrieberuf im Berufsfeld Metalltechnik. Werkzeugmechaniker arbeiten im Bereich der Herstellung und Instandsetzung von Werkzeugen, Vorrichtungen, Lehren, Schablonen, Bearbeitungswerkzeugen sowie Mess– und Prüfwerkzeugen. Werkzeuge können auch Formen für die industrielle Massenfertigung sein, wie z. B. Druckgussformen für Artikel aus Leichtmetall, Spritzgießformen für Kunststoff–Artikel, Kokil-len für Metallgussteile und Gesenke zur Umformung von Metallen. Ein weiteres Betätigungsfeld für Werkzeugmechaniker ist der Bereich der Herstellung und Instandhaltung von Produkten der Instrumententechnik (z. B. chirurgische und kosmetische Instrumente), von Implantaten und me-dizinischen Geräten. Die Aufgabe der Werkzeugmechaniker im Werkzeugbau ist die Bereitstellung von Betriebsmit-teln, die in produzierenden Unternehmen für die industrielle Serienfertigung benötigt werden. Werkzeugmechaniker arbeiten beispielsweise in der Verpackungsmittelindustrie, Automobilin-dustrie, Kunststoffverarbeitung, Luft– und Raumfahrtindustrie und Medizintechnik. Das Berufsprofil des Werkzeugmechanikers wird durch 15 charakteristische berufliche Ar-beitsaufgaben umschrieben, auf deren Basis die Berufsausbildung erfolgt. Dieser Kernbereich kann durch betriebs–, branchen– und regionalspezifische Inhalte erweitert werden. Die berufli-chen Arbeitsaufgaben können dazu in Bezug auf die zeitliche Ausgestaltung, den jeweiligen An-wenderbezug und die berufsübergreifenden Arbeitszusammenhänge variiert werden. Die Produkte des Werkzeugmechanikers finden hauptsächlich Anwendung in der Stanz–, Um-form– und Formentechnik sowie im Vorrichtungsbau. Der Werkzeugmechaniker ist dabei für alle Arbeitsprozesse rund um das Werkzeug/die Vorrichtung in der Herstellung und Instandhaltung verantwortlich. Er nutzt dabei sowohl manuelle als auch maschinelle und automatisierte Ferti-gungsverfahren. Mit seiner Arbeit übernimmt der Werkzeugmechaniker eine hohe Verantwortung für die Qualität der mit den Werkzeugen gefertigten Artikel der industriellen Massenfertigung. Er ist sich dadurch seiner Dienstleistungsfunktion für die die Werkzeuge und Vorrichtungen bedienenden Arbeit-nehmer, aber auch der Endabnehmer der Artikel bewusst. Sowohl die sich ständig weiterentwickelnden Fertigungsverfahren, als auch die steigenden An-forderungen an die Qualität und Komplexität der zu produzierenden Artikel und damit an die Werkzeuge und Vorrichtungen, erfordern die Fähigkeit und Bereitschaft zum ständigen Lernen. Damit wird bereits in der beruflichen Erstausbildung die Grundlage für eine Weiterqualifizierung auch in angrenzenden und weiterführenden Aufgabengebieten über die Ausbildung hinaus ge-legt. Das betriebliche Zusammenhangswissen des Werkzeugmechanikers befähigt ihn, mit Fach-kräften benachbarter Fachgebiete zusammenzuarbeiten und auch Aufgaben dieser Bereiche wahrzunehmen. Werkzeugmechaniker arbeiten sowohl autonom als auch im Team. Sie stimmen sich dabei mit vor– und nachgelagerten Bereichen ab und tragen aktiv zur Organisationsentwick-lung bei (Rauner/Haasler 2001, S. 13).

Abbildung 12: Ausformuliertes Berufsprofil für den Industrieberuf Werkzeugmechaniker

Die gegenüberliegende Seite bleibt frei für eigene Kommentare des Auszubildenden, mit de-nen er ausdrücken kann, • was ihm dieses Berufsbild bedeutet, mit welchen Erwartungen er seinen Ausbildungsbe-

ruf gewählt hat oder wählen musste. • Welche Hürden er beim Hineinwachsen in den Beruf überwunden hat und

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• wie sich das eigene Bild vom Beruf während der Ausbildung gewandelt hat. Diese Eintragungen sind keine höchstvertraulichen persönlichen Tagebucheintragungen (siehe Abbildung 13), sondern sind Einschätzungen und Bewertungen des Auszubildenden, die auch Gegenstand der Gespräche mit den Begleitern der Ausbildung werden können. Wie ich meinen Beruf erlebe? (Maler und Lackierer) 1. Ausbildungsjahr: 10.08.: In der Lehre ist doch alles ganz anders als ich es zuvor im Schul-Praktikum erlebt habe.

Ich werde von allen als „neuer Mitarbeiter“ behandelt. Prima – aber dadurch entsteht auch Druck: Zeit, Qualität, Kunden. Hoffentlich halte ich das durch.

18.12.: Ich weiß jetzt schon wie der Hase hier läuft – dachte ich. Dann eine Reklamation vom Kunden. Ich habe mich beim Mischen der Farben vertan. Das Donnerwetter hielt sich in Grenzen. Mein Meister: „Das kommt vor“. Ich nehme mir vor: Das passiert mir nicht noch mal.

30.04.: Die Eltern meiner Freundin fragen mich um einen „fachlichen Rat“ beim Lasieren ihrer Holzfenster. Ein tolles Gefühl.

2. Ausbildungsjahr: 10.11.: Wir haben einen neuen ‚Stift’. Jetzt merke ich erst, was ich im letzten Jahr alles gelernt

habe. 15.02.: Berufsschule: Immer wenn es praktisch wird, spitzt der Lehrer die Ohren. Er hat gestern

gesagt, dass er auch von uns Azubis lernen kann. Ein guter Typ. 15.06.: Vorbereitung auf die Zwischenprüfung. Irgendwie ist das ziemlich abgehoben. Was ich

wirklich kann, interessiert hier offenbar nicht wirklich. 20.09.: Zwischenprüfung gut bestanden. Ich fühle mich wie ein „kleiner Geselle“. Mir fällt immer

häufiger auf, wie viel Pfusch es in meinem Fach überall gibt. 3. Ausbildungsjahr: 18.12.: Der Altgeselle ist krank, der andere hat Urlaub. Ich muss für sie einspringen. Das ist die

ganze Woche gut gelaufen, bis auf einige ältere Kunden. Die wollten alles ganz genau wissen. Der Meister musste „Schützenhilfe“ leisten.

03.03.: Gestern habe ich für meine Bude einen Kleiderschrank gekauft. Der Verkäufer konnte meine Fragen nach der Oberflächenbeschichtung nicht beantworten. Typisch Kaufhaus. Ich weiß jetzt, was einen Malerprofi ausmacht.

10.07.: Die Prüfung war halb so schlimm. Praktisch lief es sehr gut, theoretisch einigermaßen. Dass der Betrieb mich als Geselle übernehmen wird, hat mich motiviert, bei der Gesel-lenprüfung möglichst gut abzuschneiden.

Abbildung 13: Auszüge aus dem Ausbildungslogbuch eines Auszubildenden zum Maler und Lackierer

Eine wichtige Funktion des Ausbildungslogbuchs besteht im Dokumentieren und Reflektieren der beruflichen Arbeits- und Lernprozesse. Nachfolgend eine strukturelle Übersicht (siehe Abbildung 14).

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Dokumentation Fragen zur Reflexion Der Arbeitsauftrag: wird so dokumentiert, wie er erteilt wurde. Liegt er in schriftlicher Form vor, wird er als Anlage dokumentiert.

Worin besteht die Herausforderung des Ar-beitsauftrages − fachlich: … − organisatorisch: … − persönlich: …

Dokumentation: • des Arbeitsplanes

dabei ist kenntlich zu machen, welche Planungselemente vorgegeben und wel-che Teile der Planung eigenständige sind. Zeitvorgaben: Qualitätsvorgaben soweit sie nicht be-reits im Auftrag erhalten sind

• Der Arbeitsablauf soweit dieser vom Ar-beitsplan abweicht. In diesem Fall sollte auf die Ursachen hingewiesen werden.

Was habe ich erstmals gemacht? Was beherrsche ich jetzt schon gut? Was verstehe ich jetzt? Was mir immer noch Schwierigkeiten bereitet − fachlich: … − organisatorisch: … − persönlich: …

Das Arbeitsergebnis: Zur Dokumentation des Arbeitsergebnisses gehört auch die Begründung des Ergebnis-ses, so dass es vom Auftraggeber nachvoll-zogen kann. Darzustellen ist auch, warum al-ternative Lösungen und Arbeitswege verwor-fen wurden.

Gab es Gestaltungsspielräume? Wie wurden sie genutzt? War eine Präsentation der Arbeitsergebnisse vorgesehen? Ist sie gelungen?

Qualitätssicherung: Wie wurde die Qualität des Arbeitsproduktes und Arbeitsprozesses sichergestellt? Welches waren die Qualitätssicherungsver-fahren und die Qualitätskriterien? Wurden die Qualitätskriterien erreicht?

Gab es Qualitätskriterien, die im Auftrag nicht ausdrücklich benannt wurden, die aber trotz-dem

a) eingehalten werden mussten b) beachtet werden sollten c) die mir persönlich wichtig waren.

Lernen: • Welche Klippen musste ich bei der Lösung der Probleme und der Bearbeitung des Ar-

beitsauftrages überwinden? Und wie ist mir dies gelungen? • Was ich bei nächster Gelegenheit (noch einmal) ausprobieren will. Was hat mich beson-

ders interessiert und was hat mich eher gestört? • Was habe ich gelernt?

• Fachliche Kompetenzen • Soziale Kompetenzen • Personale Kompetenzen • Fühlte ich mich eher

Überfordert unterfordert

Abbildung 14: Dokumentieren und Reflektieren der beruflichen Arbeits- und Lernprozesse

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Lehrgänge und Seminare Auch dann, wenn das auftragsbezogene und arbeitsintegrierte Lernen der Dreh- und Angel-punkt der betrieblichen Ausbildung ist, gibt es im Einzelfall oft gute Gründe, sich ganz spezi-fische Fähigkeiten und Kenntnisse in der Form von Lehrgängen, Seminaren oder auch an-hand von Simulatoren anzueignen. Die Straßenverkehrsordnung sollte ein Berufskraftfahrer sich aneignen, bevor er das Auto-fahren praktisch im Verkehr lernt. Und es ist natürlich notwendig, das Fügen mittels Schweißverbindungen vorher zu üben, bevor ein Schweißer damit beauftragt wird, zum Bei-spiel Schiffsrümpfe oder Gas-Pipelines zusammenzuschweißen. Trotzdem ist Vorsicht geboten, wenn abgewogen wird, ob und wie für das Lernen im Arbeits-prozess bei der Aneignung bestimmter berufsfachlicher Kompetenzen das „Vorschalten“ von Lehrgängen und Seminaren notwendig oder sinnvoll ist. Ausbilder, die stark in ihrer Unter-weisungsrolle verwurzelt sind, neigen dazu, die Frage nach der Notwendigkeit und Sinnhaf-tigkeit unterweisender Ausbildungsformen zu überschätzen. Natürlich gehören die Seminare und Lehrgangsmaterialien, wenn sie die Form von Hand-outs, Arbeitsblättern etc. haben, auch in das Ausbildungshandbuch. Eine Dokumentation von Lehrgängen und Seminaren sollte umfassen (wenn die Seminar-/ Lehrgangsunterlagen nicht bereits diese Angaben beinhalten): 1. Angaben zu den

• Themen, Zielen und Inhalten (das Lehrgangsprogramm also) • Lernformen • sowie ggf. den Testergebnissen.

2. Bewertung der Lehrgänge und Seminare für die eigene Berufsausbildung: • Was kann ich jetzt besser als vorher? • Weiß ich jetzt mehr, kann es aber noch nicht. • Hätte ich mir das Gelernte effektiver selbst in der Arbeitspraxis aneignen können? • Sollte die Ausbildung häufiger durch (solche) Lehrgänge/Seminare angereichert wer-

den?

Die Lernvereinbarung Ob und in wieweit formale Regelungen und formalisierte Instrumente in der Lernprozessbe-gleitung eingeführt werden sollten, hängt vor allem davon ab, in welcher Größenordnung ein Unternehmen ausbildet. Stellt ein kleines Unternehmen jedes Jahr oder gar alle drei Jahre nur einen Auszubildenden ein, dann ereignet sich Ausbildung aus guten Gründen eher beiläufig als ein Prozess der ‚Einarbeitung eines neuen Mitarbeiters’. Zwar kommen auch in diesem Fall alle Elemente ei-ner modernen Lernprozessbegleitung zum Tragen – aber eher nicht formalisiert. Das Aus-bildungslogbuch verliert aber auch hier nicht an Bedeutung, sondern seine ausbildungsbe-gleitende und -unterstützende Funktion wird eher wichtiger, da es dazu anhält, die weitge-hend informell ablaufenden beruflichen Lernprozesse explizit zu machen und zu besprechen. Bildet ein großes Unternehmen in vielen Berufen eine entsprechend große Zahl von Auszu-bildenden aus, dann bietet es sich an, auch mit den Auszubildenden Mitarbeitergespräche zu führen, wie dies zu jeder modernen Personalentwicklung gehört.

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Die Mitarbeitergespräche mit Auszubildenden haben die spezielle Form von Lernvereinba-rungsgesprächen. Die Lernvereinbarungen, die nach festgelegten Ausbildungsabschnitten getroffen werden, gehören natürlich ins Ausbildungshandbuch. Der Ausbilder bilanziert im Lernvereinbarungs-gespräch den individuellen Lernbedarf und arbeitet gemeinsam mit dem Auszubildenden das bisher erreichte Können und Wissen heraus (siehe Abbildung 15).

Leitfaden für das Lernvereinbarungsgespräch

1. fachliche Ausbildungsziele, Erfolgs-/Bewertungskriterien 2. Aneignung sozialer Kompetenzen, Erfolgs-/Bewertungskriterien 3. Persönliche Ziele des Auszubildenden; auch solche, die über die geregelte Ausbildung hinausgehen 4. Lernformen (z. B. Vereinbarungen über Projekte unter Beteiligung weiterer Auszubildender

und Ausbilder sowie gegebenenfalls auch der Lehrer der Berufsschule)

Abbildung 15: Gesprächsleitfaden für das Lernvereinbarungsgespräch

Je genauer der Auszubildende und der Ausbilder die Stärken und Schwächen, die Vorlieben und Barrieren in der Ausbildung aufklären, um so passgenauer kann verabredet werden, wie der individuelle Lernweg für den nächsten Ausbildungsschritt am besten gestaltet werden kann. Der allgemeine Ausbildungsplan für die betriebliche Ausbildung dient dabei natürlich als eine orientierende Grundlage. Zusatzqualifikationen und ’Nachhilfe’ Zur Lernvereinbarung gehört auch, frühzeitig zu klären, ob der Auszubildende den Wunsch hat und über die Fähigkeit verfügt, zusätzlich zum Berufsabschluss auch die Fachhochschul-reife zu erwerben. In Deutschland gibt es im Vergleich zu anderen Ländern mit einer dualen Berufsausbildung einen erheblichen Nachholbedarf. Ähnlich verhält es sich mit anderen Zusatzqualifikationen wie z. B. der Vorbereitung auf Teile der Meisterprüfung. Für diesen Fall kann vereinbart werden, wie das ausbildende Unterneh-men die Aneignung von Zusatzqualifikationen fördert. Auf der anderen Seite gibt es Auszubildende, bei denen sich Defizite in der Ausbildung ein-stellen, die auf Lücken in der schulischen Bildung zurückzuführen sind. Hier muss entschie-den und vereinbart werden, wie durch eine spezifische Förderung der berufliche Lernerfolg gesichert werden kann. Eine Abstimmung mit der Berufsschule liegt hier natürlich nahe. In die Lernvereinbarungen fließen naturgemäß immer die Wünsche und Interessen beider Seiten, des Auszubildenden und des Ausbildungsbetriebes ein. • Der Auszubildende nimmt sich verbindlich vor, bestimmte Ausbildungsziele zu erreichen

und sein Lernverhalten entsprechend einzurichten – gegebenenfalls zu verändern. • Der Ausbilder vereinbart Einzelheiten für den nächsten Ausbildungsabschnitt, mit denen

der Auszubildende individuell gefördert werden kann.

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Zusammenfassung: Lernvereinbarung Außer der Vereinbarung über Ziele und Ausbildungsinhalte gehören zu einer Lernvereinba-rung auch Lern- und Ausbildungsformen sowie das Festlegen von Indikatoren und Maßstä-ben, nach denen die Ausbildung bewertet werden kann: Ob und wie die Ziele der Lernver-einbarung erreicht werden. Als praktische Möglichkeiten zur Dokumentation der Lernvereinbarung bieten sich an a) ein tabellarisches Raster, das sowohl als Gesprächsleitfaden für das Lernvereinbarungs-gespräch als auch b) für ein Gesprächsprotokoll dient, das entweder vom Auszubildenden oder vom Ausbilder – zunächst als Entwurf – erstellt wird und über das danach Einvernehmen hergestellt wird.

bilanziert den letzten Ausbildungs-abschnitt (die bisherige Ausbildung), in dem er die Einschätzungen der Auszubildenden aufnimmt, kommentiert und ergänzt- begründet abweichende Einschätzungenüber das Lernergebnis

- macht Vorschläge für den nächstenAusbildungsabschnitt

bilanziert seinen Ausbildungsweg anhand des Ausbildungslogbuches unter den Aspekten- erreichter/nicht erreichter Ziele- was er sonst noch gelernt hat- seinen Ausbildungsbedarf für den

nächsten Ausbildungsabschnitt- Projektvorschläge etc.- anzueignende Zusatzqualifikationen

Der Ausbilder …Der Auszubildende …

gemeinsame

Lernvereinbarung

Abbildung 16: Aufgabenteilung in der Lernvereinbarung

Bewerten sozial-kommunikativer Kompetenzen Ebenso wichtig wie die berufsfachlichen Fähigkeiten sind für den Ausbildungserfolg die sozi-

alen Kompetenzen der angehenden Fachkräfte. Dazu zählen vor allem das Interesse an und

die Fähigkeiten

- der Kommunikation mit Kollegen, Vorgesetzten und Kunden

- der Kooperation mit den Mitgliedern der eigenen Arbeitsgruppe und mit allen, an den

Arbeits- und Geschäftsprozessen Beteiligten

- Aufgaben selbstständig durchzuführen und dabei

- die Verantwortung für die Qualität und die Auftragszeiten zu übernehmen

- zum selbstständigen Lernen und

- der kritischen und realistischen Bewertung der eigenen Fähigkeiten und Leistungen

sowie der betrieblichen Prozesse

Eine grafische Darstellung der Kompetenzfacetten in einem Netzdiagramm („Bewertungs-

spinne“) eignet sich besonders gut, um auf einen Blick ein Profil zu erfassen. Die sozialen

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Kompetenzfacetten werden sowohl durch

1) den Auszubildenden als auch

2) durch den Ausbilder

bewertet.

Der Auszubildende und der Ausbilder tragen ihre Bewertungen zu den sozialen Kompeten-zen des Auszubildenden in die Bewertungsspinne ein und zeichnen zwei Flächendiagramme (siehe Abbildung 17). Einmal das Bewertungsprofil der Ausbilderbewertung, andererseits die eigene Einschätzung des Auszubildenden bezüglich seiner erworbenen sozialen Kompeten-zen. Diese Bewertungsprofile lassen sich dann Anhand der Bewertungsspinne in einem ge-meinsamen Beratungsgespräch gut vergleichen und daraus Ausbildungsziele ableiten.

Abbildung 17: Beispiel der Eigen- und Fremdbewertung sozialer Kompetenz im Netzdiagramm

Die Bewertung der sozialen Kompetenzen durch den Ausbilder und den Auszubildenden weichen in diesem Beispiel zwar nicht gravierend, aber deutlich von einander ab. Ganz of-fensichtlich schätzt der Ausbilder die Fähigkeit und Bereitschaft zum selbständigen Lernen und Arbeiten und dafür auch selbst die Verantwortung zu übernehmen, positiver ein als der Auszubildende. Bei der Kritik- und Kooperationsfähigkeit hat der Auszubildende eine etwas positivere Selbsteinschätzung. Es geht bei der Anwendung dieser Methode nicht darum zu klären, wer „Recht hat“, sondern um eine Veranschaulichung der Bewertungen, die es erleichtert, ein Gespräch zu führen, in dem der Auszubildende und der Ausbilder sich über die Gründe für ihre unterschiedlichen oder auch gemeinsamen Bewertungen verständigen. In der Regel kommt dabei eine Annä-herung der Bewertungen heraus. Das wichtigste ist jedoch, dass der Auszubildende in dem Beratungsgespräch Einsichten gewinnt, wie er seine sozialen Kompetenzen weiter entwi-ckeln kann.

0

1

2

3

4

5

6Kooperation

Kommunikation

selbsständiges Lernen

selbsständiges Arbeiten

Übernahme von Verantwortung

Kritikfähigkeit

Bewertung des Ausbilders Bewertung des Auszubildenden

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Beispiel: Ein Industrieunternehmen wendet das folgende Verfahren zur Überprüfung der ‚überfachli-chen Ziele’ im Rahmen von Zielvereinbarungs- und Bewertungsgesprächen an. Die Me-thode wird jeweils am Ende definierter Beurteilungszeiträume eingesetzt. Die 7 überfachlichen Ziele werden in Form einer Tabelle kurz begründet. Außerdem sind Kri-terien für die Beurteilung angegeben. Die überfachlichen Qualifikationen - Sorgfalt - Zuverlässigkeit - Verantwortungsbereitschaft - Eigeninitiative und Einsatzbereitschaft - Selbständigkeit - Problemlösefähigkeit - Zusammenarbeit Die überfachliche Facette „Verantwortungsbereitschaft“ wird hier wie folgt definiert: - übernimmt Verantwortung für das eigene Handeln - übernimmt Verantwortung in der Arbeitsgruppe - hält sich an Absprachen und betriebliche Regeln - setzt Ressourcen sinnvoll ein.

Abbildung 18: Auszug aus der Festlegung „Überfachlicher Ziele“

Nachfolgend ist sind beschreibende Beurteilungen des Auszubildenden durch die Ausbil-dungsbeauftragten einer Abteilung, die an der Ausbildung von Industriekaufleuten mitwirkt, dargestellt (siehe #)

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Abbildung 19: Auszug aus einer beschreibenden Beurteilung einer Auszubildenden zur Indust-riekauffrau

Die Bilanzierung der fachlichen Qualifikation soll an einem Beispiel aus der Luft- und Raum-fahrtindustrie illustriert werden (siehe Abbildung 20). Dieses Unternehmen hat ein Förder- und Entwicklungssystem konzipiert, welches in der Erstausbildung eingesetzt wird. Montieren und Demontieren von Baugruppen

Bemerkun-gen

Beurteilung Ausbildungsbe-auftragter

Selbsteinschätzungdes Auszubilden-den

- Bauteile zum Monterien vorberei-ten

- Bauteile, insbesondere durch Schraub-, Pass- und Vollniete montieren

- Mit der Kniehebelpresse Anniet-muttern setzen

- Nietarbeiten mit unterschiedlichen Pressen durchführen

Abbildung 20: Auszug aus einer Bilanzierung fachlicher Qualifikationen

Nach einem derartigen Schema können die fachlichen Qualifikationen unter Bezugnahme auf alle Berufsbildpositionen bewertet werden.

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Die Auszubildenden erhalten ihre Bewertungen zur Kenntnis und bestätigen das durch ihre Unterschrift sowie zur eigenen Stellungnahme. Zur Erleichterung der Stellungnahme bieten sich ebenfalls Formblätter an. Zur Illustration soll eine Stellungnahme einer Auszubildenden zur Industriekauffrau dargestellt werden:

Stellungnahme des Auszubildenden 1. Eigenbeurteilung Meiner Beurteilung durch meine/n Ausbildungsbeauftragten (Punkte x, y, z) - stimme ich zu - habe ich folgendes hinzuzufügen Folgende Stärken und Schwächen sind mir an mir selbst aufgefallen: Während meines Aufenthalts in der Abteilung # habe ich eigenverantwortlich Aufgaben über-nehmen können, die ich regelmäßig bearbeitet habe. Außerdem wollte ich auch die Hintergründe der Aufgaben, die ich erledigt habe erfahren und habe deshalb einiges nachgefragt. So habe ich meiner Meinung nach meine Arbeiten gewissenhaft erledigt und durch Nachprüfungen hinterher wollte ich Fehler vermeiden. Hieraus ergibt sich für mich folgende persönliche Zielsetzung für die nächste Ausbil-dungsphase: In meinem Einsatzgebiet möchte ich mir möglichst keinen Druck und Stress mit meinem Projekt machen und eine persönliche Sicherheit haben. Hilfreich ist es sicherlich, wenn ich mir einen Plan (Meilensteine) anlege, oder mir zumindest eine konkrete Vorstellung darüber mache, bis wann ich was erledigt haben möchte. 2. Beurteilung der Ausbildung in der Abteilung - Verbesserungsvorschläge (Dauer, Inhalt etc.) - „Ich habe keine Verbesserungsvorschläge, mir hat es rund herum gut gefallen.“ - „Aus folgenden Gründen war ich mit der Betreuung in der Abteilung zufrieden.“ Ich habe keine Verbesserungsvorschläge, mir hat es rundherum gut gefallen!“ Aus folgenden Gründen war ich mit der Betreuung in der Abteilung zufrieden/nicht zufrie-den: „Die Betreuung in der Abteilung # hat mir sehr gut gefallen. Ich hatte jederzeit einen Ansprech-partner für Fragen. Auch die anderen Mitarbeiter in der Abteilung waren immer bereit, bei Prob-lemen zu helfen. Genauso habe ich auch von den anderen Mitarbeitern — nicht nur von Sabine — Aufgaben bekommen. Dies hat zur Integration in die Abteilung beigetragen. Daher freue ich mich auch auf mein Einsatzgebiet in der Abteilung.“ Zu diesem Beispiel gehört auch, am Beginn eines neuen Ausbildungsabschnittes (z. B. in ei-ner Abteilung) dem Auszubildenden die Ausbildungsziele, die Kriterien, anhand das Errei-chen der Ziele überprüft wird sowie die Ausbildungsmethoden zur erläutern. In die Zielver-einbarung können auch persönliche Ziele der Auszubildenden aufgenommen werden. Diese Lernvereinbarung wird sowohl vom Auszubildenden als auch vom Ausbildungsbeauftragten unterschrieben.

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In großen Unternehmen, in denen für eine Vielzahl von Berufen ausgebildet wird und neben den hauptamtlichen Ausbildern sehr viele Ausbildungsbeauftragte in verschiedenen Abtei-lungen an der Ausbildung mitwirken, ist es zweckmäßig, für die Steuerung der Ausbildung und die Lernberatung ein formalisiertes Verfahren einzuführen. Beispiel: Ein großes Industrieunternehmen, welches sowohl im Berufsfeld Wirtschaft und Verwaltung als auch in gewerblich-technischen Berufen ausbildet, hat ein Zielvereinbarungs- und beur-teilungssystem entwickelt. Nachfolgend ist das Deckblatt der Dokumentation dargestellt, um einen Einblick in die Struktur zu geben (siehe Abbildung 21).

Abbildung 21: Deckblatt der Dokumentation eines Zielevereinbarungs- und beurteilungssys-tems

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Im Handwerk und in kleinen Betrieben sollten die Grundstrukturen der Lernvereinbarungen auch angewendet werden, wenn auch weniger formalisiert. Das ergibt sich bereits daraus, dass die Ausbildung i. d. R. in einer Hand liegt. Aber auch in kleinen Betrieben wirken direkt und undirekt viele Mitarbeiter an der Ausbildung mit. Es ist daher sehr sinnvoll, diesen Per-sonenkreis für die Aufgaben der Ausbildung zu sensibilisieren und gegebenenfalls auch zu qualifizieren. Der Geschäftsführer eines kleinen und mittleren Unternehmens beschreibt die Lernkultur der Organisation wie folgt: „Alle Mitarbeiter (inklusive Auszubildende) des Unternehmens werden ermuntert, sich ge-genseitig zu helfen und auf Fragen der Auszubildenden einzugehen. Darüber hinaus wurde ein Kompetenzteam mit Experten verschiedener Kompetenzfacetten aus den unterschiedli-chen Geschäftsfeldern aufgebaut. Diese Experten stehen den Auszubildenden bei fachspezi-fischen Fragen mit ihrem Spezialwissen unterstützend zur Seite. Jedem Auszubildenden steht es zudem frei, sich einen Mentor aus dem Kompetenzteam auszuwählen, der zum Hauptansprechpartner bei Problemen (über-)fachlicher Art wird und sich auch darum küm-mert, dass die Anforderungen der Ausbildungsordnung erfüllt werden bzw. der dem Auszu-bildenden bei der Prüfungsvorbereitung unterstützend zur Seite steht“ (Rittmeyer/Haasler 2007, Seite 128). Auswerten von Zwischenprüfungen und abgeschichteten Prüfungen für die Lernver-einbarung Die Ergebnisse von Zwischenprüfungen und anderen Teilprüfungen sollten im Ausbildungs-logbuch dokumentiert und Gegenstand der Lernvereinbarungsgespräche werden. Besondere Ereignisse Ein Ausbildungshandbuch ist nicht nur der Ort, an dem die vom Gesetzgeber vorgeschriebe-nen Ausbildungsnachweise ihren Niederschlag finden. Ausbildungshandbücher dokumentie-ren einen wichtigen Lebensabschnitt in der Biographie der angehenden Fachkräfte. Sie sind geprägt durch die subjektiven Ausdrucksformen der Auszubildenden und spiegeln daher auch deren Wünsche, Hoffnungen und Entwicklungen sowie Höhen und Tiefen im Erleben der Ausbildung wider. Das eigene Ausbildungshandbuch sollte man später gerne Angehöri-gen und Freunden sowie mit einigem Stolz auch seinen Kindern zeigen können. Für die Gestaltung von Ausbildungshandbüchern bedeutet dies, sie nicht zu stark zu formali-sieren, damit genügend Raum bleibt für ihre individuelle Gestaltung. Davon unberührt blei-ben natürlich die Kernelemente, die jedes Ausbildungshandbuch enthalten muss.

5 Lernprozesse begleiten Lernprozesse in der betrieblichen Berufsausbildung begleiten heißt, für das arbeitsintegrierte Lernen Arbeitsprozesse begleiten. Dies vereinfacht und erschwert zugleich die Lernpro-zessbegleitung. Die Erleichterung der Lernprozessbegleitung beim arbeitsintegrierten Lernen bieten die Ar-beitsaufträge. Sind die Arbeitsaufträge und Arbeitsvorhaben erst einmal ausgewählt und sind

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die Arbeitsaufträge an die Auszubildenden übergeben, dann entsteht eine ganz neue Situati-on für den Ausbilder. Je besser es gelingt, das Lernen in den Arbeitsprozess zu integrieren, umso weniger bedarf es steuernder und beratender Hilfestellungen durch den Ausbilder. Natürlich behält der Ausbilder den Arbeits-/Lernprozess im Auge, damit er seine Funktion als Lernprozessbegleiter z. B. bei der Auswertung der Arbeitserfahrungen der Auszubildenden gerecht werden kann. Die Schwierigkeiten bei der Lernprozessbegleitung ergeben sich dar-aus, dass der Ausbilder die Rolle des Verantwortlichen für die Abwicklung eines betriebli-chen Auftrages übernehmen muss – ohne dabei zu vergessen, dass es sich zugleich und vor allem um Ausbildung handelt. Der Arbeitsauftrag muss professionell abgewickelt werden. Es gelten daher primär die Re-geln der Betriebswirtschaft. Eine zu weit reichende Pädagogisierung des Arbeitsprozesses etwa in der guten Absicht, stets den Auftrag durch die Brille eines Lernprozesses zu betrach-ten, würde Beides stören: den Arbeits- und den Lernprozess der Auszubildenden. Durch die Auswahlkriterien für Arbeitsaufgaben und -projekte ist sichergestellt, dass die Ges-taltungsspielräume für das Planen und Durchführen der Arbeitsaufträge so dimensioniert sind, dass sie der Kompetenzentwicklung der Auszubildenden etwa entsprechen und diese hinreichend herausfordern. Ist die Planung des Arbeitsauftrages durch die Auszubildenden abgeschlossen, ergibt sich das erste markante Beratungsgespräch mit dem Ausbilder. Er bespricht in seiner Funktion als betriebliche Führungskraft mit seinen neuen Mitarbeitern (den Auszubildenden) ihre Ar-beitsplanung, segnet sie ab oder verabredet Korrekturen. Sieht er in seiner Funktion als Ausbilder fachliche Hürden für die Durchführung des Vorhabens, muss er jetzt – im Pla-nungsstadium des Vorhabens – entscheiden, ob er frühzeitig auf diese aufmerksam macht oder ob er das Risiko eingehen will, dass die Auftragsabwicklung an vorhersehbaren Hürden in Turbulenzen gerät. Die Lernchancen, die sich aus den in der Planung von den Auszubil-denden nicht vorhergesehenen Problemen und ihrer Lösung ergeben, sind in der Regel groß. Als Lernprozessbegleiter (Ausbilder) müsste er dieses Risiko eingehen. Als Verant-wortlicher für die Auftragsabwicklung muss er darauf achten, dass er höchste betriebswirt-schaftliche Effizienz erreicht. Störungen und potenzielle Hindernisse müssen aus dieser Sicht bereits im Planungsstadium perspektivisch vermieden werden. Der „neue“ Ausbilder – der Lernprozessbegleiter - muss daher über die besondere Fähigkeit verfügen, Arbeitsprozesse, Projekte und die Prozesse der betrieblichen Organisationsent-wicklung insgesamt immer unter zwei Gesichtspunkten zu analysieren, zu bewerten und zu gestalten a) unter dem Gesichtspunkt einer effizienten betrieblichen Organisationsentwicklung und b) unter dem Aspekt der beruflichen Kompetenzentwicklung. Da nun aber die Personalentwicklung eine Schlüsselfunktion für die betriebliche Organisati-onsentwicklung hat, entpuppt sich dieser Gegensatz zwischen Arbeiten und Lernen als ein weitgehend scheinbarer. Wenn das moderne Management nicht darauf achtet, dass sich ihr Unternehmen als ein „lernendes“ entwickelt, dann beeinträchtigt dies die Dynamik der be-

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trieblichen Organisationsentwicklung und damit die Wettbewerbsfähigkeit des Unterneh-mens. Fazit: Für die betriebliche Berufsausbildung sowie darüber hinaus für die Qualifizierung der Be-schäftigten des Unternehmens bedeutet dies, Arbeitsgestaltung und Arbeitsorganisation immer auch unter dem Aspekt der Vergrößerung der Lernchancen im Arbeitsprozess zu betrachten. Der Ausbilder wird daher zu einer in die Geschäftsprozesse eingebundenen Führungskraft mit der besonderen Qualifikation, die Personalentwicklung als eine Schlüsselfunktion der betriebli-chen Organisationsentwicklung zu fördern.

Geschäftsprozesse als Problemlösungshorizont Arbeitsaufträge sind auch dann eingebettet in betriebliche Geschäftsfelder und Geschäfts-prozesse, wenn ein Auftrag einer betrieblichen Funktion wie z. B. dem Zerspanungs- oder Montage- oder Instandhaltungsbereich zugeordnet werden kann. Bei der Bearbeitung kon-kreter Arbeitsaufträge geht beinahe zwangsläufig der Blick für den Zusammenhang der be-trieblichen Geschäftsprozesse und Prozessketten verloren, an deren Ende stets Kunden zu-friedengestellt werden müssen. Eine der wichtigsten Fähigkeiten für die Lernprozessbegleitung und Personalentwicklung be-steht daher darin, das Bewusstsein der zu Qualifizierenden dafür zu schärfen und die Kennt-nisse darüber zu vermitteln, wie die einzelnen betrieblichen Arbeitsaufträge miteinander zu-sammenhängen: wo sie herkommen und wohin sie einmünden. Nur dann werden die spezifi-schen Qualitätsanforderungen einsichtig und fördern bei den Beschäftigten das Qualitätsbe-wusstsein. Beispiel: Ein Automobilhersteller, der eine arbeitsintegrierte Ausbildung einrichten wollte, wählte als einen besonderen Lernort eine „Lerninsel“ am Ende der Montagelinie im Bereich der Nacharbeit aus. Das arbeitspädagogische Argument war überzeugend: Nirgends kann man anhand so verschie-dener, unvorhersehbarer und daher interessanter Fehler und ihre Behebung als Auszubildender für die Berufe Industriemechaniker, Industrieelektroniker und Kfz-Mechatroniker soviel lernen, wie in einer Lerninsel „Nacharbeit“. Die interessanten Fälle werden unter dem Aspekt der Lernchan-cen, die in der Fehlerdiagnose und -behebung an fehlerhaften Autos begründet liegen, für die Lerninsel abgezweigt und repariert. Die Ausbildungserfolge konnten sich sehen lassen. Die Verkürzung dieses Ansatzes einer arbeitsintegrierten Ausbildung besteht darin, dass der Geschäftsprozess „Automobilmontage“ mit seiner Prozesskette nicht in den Blick der Ausbil-dung in der Lerninsel geriet. Die zu diagnostizierenden und zu behebenden Fehler wurden im jeweiligen Auto diagnostiziert und nicht zugleich auch als ein Fehler der durch den Montageprozess – in der Prozesskette – verursacht wurde. Das Ausbilderinteresse der Lerninsel war darauf gerichtet, ausreichend Nachschub an interessanten Diagnose- und Re-paraturfällen zu erhalten. Das Interesse des Personalentwicklers, der das Lernen im Prozess der betrieblichen Organisationsentwicklung im Blick hat und der an den Brennpunkten der Organisationsentwicklung Probleme lösen muss, wäre darauf gerichtet, die Montageprozes-

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se so zu optimieren, dass sich schließlich die Nacharbeit erübrigt. Auszubildende auch an der Auflösung von Brennpunkten zu beteiligen wäre die pädagogische Konsequenz, die sich – ganz anders als im beschriebenen Fall – aus dieser Sicht ergäbe.

Beratende Gespräche Um dem Dilemma zu entgehen, Lernen in Arbeitssituationen zu ermöglichen, die Kompeten-zen erfordern, über die die (angehenden) Fachkräfte noch nicht verfügen, ist die Neigung von Ausbildern groß, beim Lernen in realen Arbeitsprozessen sehr dicht zu beraten. Das Bemühen um eine reibungslose Auftragsabwicklung wird verstärkt durch die Unterweisungs-tradition. Für die Gestaltung beratender Gespräche mit Auszubildenden ist es daher gut, sich an einem wichtigen Grundsatz zu erinnern. „Dem Lernprozessbegleiter muss grundsätzlich klar sein, dass Fehlervermeidung von Außen bei Lernprozessen nichts anderes ist als die Zerstörung von Lernchancen!“ (Bauer/Brater et al. 2006, S. 125). Die beratenden Gespräche des Ausbilders mit den Auszubildenden kommen in der Regel auf Nachfrage und Bitte um Hilfestellung seitens der Auszubildenden zustande. Beratende Fachgespräche drehen sich naturgemäß entweder • um Hindernisse, die sich dem Lernenden bei der Lösung eines Problems in den Weg

stellen und die ihm zunächst als unüberwindbar erscheinen oder • um ’Erfolgsgeschichten’, zu denen der Lernende Anerkennung sucht. Im ersten Fall, der Bitte um Hilfestellung, muss sich der Ausbilder/Personalentwickler anders verhalten als jemand, der einem Kollegen sagt oder zeigt, wie er sein Problem effektiv lösen kann. Wird die Hürde, vor der ein Auszubildender steht und die es zu überwinden gilt, ein-fach beiseite geräumt, indem der Ausbilder das Problem für den Auszubildenden löst, dann wird genau das aus dem Weg geräumt, was Lernen auslöst. Für das beratende Gespräch bedeutet das, den Auszubildenden anzuregen • sich das zu lösende Problem zunächst einmal in all seinen Einzelaspekten genau zu betrach-

ten und sich zu fragen • was kommt mir an dieser Aufgabe bekannt vor, habe ich schon einmal vor einer ähnlichen

Aufgabe gestanden und • gibt es Teilaspekte der Aufgabe, die ich lösen kann? Die Beratung zur Lösung der Aufgabe sollte sich nur auf die Teilaspekte beziehen, die letzt-lich die Hürde bilden. Die Hilfestellungen sollten prozess- und nicht produktbezogen sein. Hinweise auf Informationsquellen, Experimentiermöglichkeiten, Software Tools oder auch mathematische Verfahren gehören zu den prozessbezogenen Hilfen, die dem Auszubilden-den die Chance lassen, die Aufgabe selbst zu lösen. Produktbezogene Hilfen zielen dage-gen direkt auf die Lösung einer Aufgabe oder eines Problems. Der Wunsch nach Anerkennung einer fachlichen Leistung ist nicht nur legitim, sondern ent-spricht zutiefst menschlichem Verhalten.

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Bestätigung und Anerkennung von Leistungen fördert die Motivation und damit das Lernen. Hier muss der Ausbilder unterscheiden zwischen • der Anerkennung einer erbrachten Leistung, die sich aus der Sache ergibt. Der Ausbilder

bestätigt, dass ein Auftrag sachgerecht, fachgerecht oder auch hervorragend (z. B. auf einem hohen Qualitätsniveau) gelöst wurde. Dies fördert bei Auszubildenden eine Moti-vation, die sich aus den Inhalten der Arbeit und des Lernens ergibt: die intrinsische Moti-vation.

• Davon zu unterscheiden ist Lob und Tadel, die auf die Person des Auszubildenden zielt. Der Ausbilder bewertet in diesem Fall nicht die Qualität der Arbeit und das Geleistete, sondern den Auszubildenden: „Das haben Sie gut (oder schlecht) gemacht“. Der Ausbil-der wechselt dabei seine Rolle. Aus dem Berater und Begleiter von Lernprozessen wird eine Autorität, der es offenbar zusteht, einen Lernenden und sein Verhalten zu bewerten. Über die Maßstäbe von Lob und Tadel verfügt er, der Ausbilder. Er wird allenfalls eine Motivation erzeugen, wie wir sie aus Zirkusnummern kennen. Der Dompteur gibt dem Pferd nach dem gelungenen Kunststück ein Zuckerstückchen. Hier geht es um extrinsi-sche Motivation. Die Leistungs- und Lernbereitschaft im ‚Training’ hängt vor allem von Lob und Tadel ab. In der Ausbildung sollte es dagegen um das Fördern beruflicher Hand-lungskompetenz gehen und das setzt vor allem intrinsische Motivation voraus.

Ausbilder führen begleitende Gespräche, um Auszubildende bei der Lösung ihrer Aufgaben zu beraten und die Qualität ihrer Arbeitsergebnisse zu würdigen. Anerkennung bezieht sich auf die Arbeitsergebnisse und Arbeitsprozesse. Die Beratung ist eine prozessbezogene. Beratende Gespräche können sich ebenso auf das soziale Verhalten, z. B. auf die Kommu-nikation und die Zusammenarbeit in Arbeitsgruppen oder auf das Austragen von Konflikten unter Auszubildenden oder zwischen Auszubildenden und ihren Vorgesetzten beziehen. Die Mediation von Konflikten bedarf in aller Regel einiger Übung unter Anleitung entspre-chend qualifizierter Mediatoren. Für das Führen von Mitarbeitergesprächen genügt es, einige Grundregeln zu beherzigen. Was der Ausbilder in Beratungsgesprächen vermeiden sollte: 1. Bagatellisieren Dadurch könnte der Eindruck vermittelt werden, das Problem des/der Auszubildenden würde nicht ernst genommen. 2. Diagnostizieren und Interpretieren Der Auszubildende gerät in die Rolle des Klienten. Der Ausbilder wird zum Quasi-Therapeuten. 3. Identifizieren mit dem Problem des Auszubildenden („Das ist mir auch schon passiert“) Das führt nur scheinbar weiter. Das Gespräch lenkt vom Anliegen und Problem des Auszubilden-den ab. 4. Moralisieren Die moralisierende Bewertung von Problemen des Auszubildenden führt eher zu einer emotiona-len Blockade gegen eine beratende Hilfestellung durch den Ausbilder (siehe ausführlicher: Ro-gers 1992).

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Positiv gewendet sind es vor allem die folgenden Basiskompetenzen, die zu einer lösungs-orientierten Gesprächsführung befähigen: Der Ausbilder • schafft eine Atmosphäre der Offenheit • hört aktiv zu. Dies schließt interessiertes Nachfragen ein. • zeigt dem Auszubildenden seine innere Anteilnahme durch Augenkontakt, Mimik, wie Nicken,

die Verständnis ausdrücken • fasst zusammen: habe ich Sie richtig verstanden? • fragt bei Schlüsselbegriffen und -sätzen nach (Drastifizieren) • äußert Anerkennung über den Gesprächsverlauf • hebt Stärken des Ratsuchenden hervor (z. B. einem Problem auf den Grund zu gehen • stellt offene Fragen, wie „was meinen Sie, wie ich Ihnen helfen kann?“ • „Können Sie mir das noch genauer erzählen, damit ich mir ein Bild machen kann?“ • nimmt eine mitfühlende (emphatische) Grundhaltung ein und behält trotzdem professionelle

Distanz.

Teamarbeit initiieren Teamarbeit gilt in modernen Unternehmen als ein Wert an sich. Die Beratungsleistung von Lernprozessbegleitern wird daher auch oft daran gemessen, wie es ihnen gelingt, Teamar-beit als eine der wichtigsten Soft Skills einzuüben. Das Lernen und Arbeiten im Team nach dem Motto „Gruppenarbeit über alles“ ist daher ein prominenter Grundsatz moderner Arbeitspädagogik. Richtig ist zunächst, dass betriebliche Arbeitsprozesse und Arbeitsaufgaben, die von einzel-nen wahrgenommen werden, prinzipiell aufeinander abgestimmt sein müssen und insofern objektiv dem Merkmal der Zusammenarbeit genügen – unabhängig davon, ob jemand an seinem Einzelarbeitsplatz seine Arbeit subjektiv als Zusammenarbeit empfindet. Arbeitstei-lung und Zusammenarbeit sind objektiv zwei Seiten einer Medaille. Soll die Zusammenarbeit auch subjektiv erfahren und erlebt werden — ein wünschenswertes Ziel für jede Arbeit — dann gehört dazu das Verstehen des Arbeitszusammenhanges. Zusammenar-beit setzt eine gemeinsame Sache voraus. Für das Lernen bedeutet das, dass Teamarbeit nicht dadurch gelernt werden kann, dass Ausbildung nach dem Motto erfolgt: „Teamfähigkeit entsteht dadurch, dass die Auszubilden-den möglichst oft in Gruppen zusammenarbeiten“. Vor allem in der Schule klagen Schüler nicht selten: „Schon wieder Gruppenarbeit“, wenn Lehrer nach dem Grundsatz des Metho-denwechsels Gruppenarbeit verordnen, um die soziale Kompetenz Kooperationsfähigkeit zu vermitteln. Für die Ausbildung gilt dasselbe. Teamfähigkeit erwirbt man nicht allein dadurch, dass Auszubildende möglichst oft im Team arbeiten. Wenn sich die Zusammenarbeit nicht aus der Aufgabenstellung ergibt und wenn sich die Auszu-bildenden nicht eine Aufgabe als eine gemeinsame zueigen machen, dann fehlt die entscheiden-de Grundlage für Arbeitsteilung und Zusammenarbeit.

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Daher gilt für die beratenden Gespräche mit den Auszubildenden und gegebenenfalls den mit ihnen zusammenarbeitenden Fachkräften, bei der aufgabenbezogenen Zusammenarbeit zu rekapitulieren, wer gerade welche Teilaufgabe in einem Arbeitszusammenhang wahr-nimmt, welche fachliche und organisatorische Verantwortung damit verbunden ist und in welcher Weise die Mitglieder einer Arbeitsgruppe aufeinander angewiesen sind. Als kooperationsfähig erweist sich auch jemand, der an einem Einzelplatz eine Teilaufgabe aus-führt und dabei weiß, wie er damit zum Gelingen eines Gesamtvorhabens beiträgt. Projektbezogene Zusammenarbeit in Arbeits- und Lernprozessen birgt die Falle der hierar-chischen Arbeitsteilung. In der Zusammenarbeit mit einer Fachkraft können dem Auszubildenden – bewusst oder un-bewusst – unterschiedliche Funktionen übertragen die des • Handlangers • Zuschauers/Beobachters • Zuarbeiters • Mitarbeiters oder • Kollegen. Aus diesen Funktionen können schließlich stabile Rollen entstehen, die den Erfolg der Aus-bildung nachhaltig prägen. Auszubildende, die in der Rolle des Zuarbeiters zu lange verhar-ren und sich daran gewöhnen, dass ihnen stets jemand sagt, was wie zu tun ist, können das Ziel der Berufsausbildung „berufliche Handlungskompetenz“ nicht erreichen. Eine ganz ähnliche Falle lauert in der Aufgabenteilung, die sich bei der Durchführung von komplexen Arbeitsaufträgen oft einschleicht. Im Interesse einer effektiven Projektorganisati-on übernehmen die Mitglieder der Projektgruppe je nach fachlicher Kompetenz entsprechen-de Teilaufgaben. Bei heterogen zusammengesetzten Projektgruppen bleibt es daher nicht aus, dass die Kompetenteren die Problemlöserrolle übernehmen und für die anderen die Rolle der ausführend Tätigen übrig bleibt. Die begleitende Projektberatung durch den Ausbilder hat hier die wichtige Funktion, den Auszubildenden diese Falle bewusst zu machen, sodass sie vermieden werden kann – oder die Arbeitsteilung zeitweise sogar bewusst in Kauf nehmen. Dann kommt es allerdings dar-auf an, bei nächster Gelegenheit die entgangenen Lernchancen wieder auszugleichen und diese problematische Form der Arbeitsteilung zu problematisieren.

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6 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Zusammenhang beruflichen Engagements und beruflicher Identität............5 Abbildung 2: Eine verbreitete — aber falsche — Theorie beruflichen Lernens .................7 Abbildung 3: Sichtprüfung von Reifenprofilen..................................................................10 Abbildung 4: Arbeitsprozesswissen als Zusammenhang von handlungsleitendem, -

erklärendem und –bewertendem Wissen........................................................................11 Abbildung 5: Erweiterung der Ausbildungspotenziale durch die Ausbildungspartnerschaft

zweier Betriebe ...............................................................................................................15 Abbildung 6: Handlungskreis für eine vollständige Arbeitshandlung ...............................19 Abbildung 7: Lernbereich I: Orientierungs- und Überblickswissen — „Worum es im Beruf

in der Hauptsache geht.“.................................................................................................21 Abbildung 8: Lernbereich II: Zusammenhangswissen — „Wie und warum die Dinge so und

nicht anders zusammenhängen.“....................................................................................26 Abbildung 9: Lernbereich III: Detail- und Funktionswissen „Worauf es in der Facharbeit

im Einzelnen ankommt und wie die Dinge funktionieren“ ...............................................30 Abbildung 10: Lernbereich IV: Erfahrungsbasiertes fachsystematisches Vertiefungswissen

„Wie sich die Dinge fachsystematisch erklären und Probleme situativ lösen lassen“.....34 Abbildung 11: Auszug aus einem Arbeits- und Lernplan für den Ausbildungsberuf

Werkzeugmechaniker .....................................................................................................37 Abbildung 12: Ausformuliertes Berufsprofil für den Industrieberuf Werkzeugmechaniker.39 Abbildung 13: Auszüge aus dem Ausbildungslogbuch eines Auszubildenden zum Maler

und Lackierer ..................................................................................................................40 Abbildung 14: Dokumentieren und Reflektieren der beruflichen Arbeits- und Lernprozesse

41 Abbildung 15: Gesprächsleitfaden für das Lernvereinbarungsgespräch ...........................43 Abbildung 16: Aufgabenteilung in der Lernvereinbarung...................................................44 Abbildung 17: Beispiel der Eigen- und Fremdbewertung sozialer Kompetenz im

Netzdiagramm.................................................................................................................45 Abbildung 18: Auszug aus der Festlegung „Überfachlicher Ziele“.....................................46 Abbildung 19: Auszug aus einer beschreibenden Beurteilung einer Auszubildenden zur

Industriekauffrau .............................................................................................................47 Abbildung 20: Auszug aus einer Bilanzierung fachlicher Qualifikationen ..........................47 Abbildung 21: Deckblatt der Dokumentation eines Zielevereinbarungs- und

beurteilungssystems .......................................................................................................49

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