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Leseprobe Schalthöfer, Ingrid Moskau Ein Reisebegleiter Mit Stadtplänen und farbigen Fotografien © Insel Verlag insel taschenbuch 3454 978-3-458-35154-2 Insel Verlag

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Leseprobe

Schalthöfer, Ingrid

Moskau

Ein Reisebegleiter

Mit Stadtplänen und farbigen Fotografien

© Insel Verlag

insel taschenbuch 3454

978-3-458-35154-2

Insel Verlag

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»Moskau ist mehr als schçn, es ist unvergeßlich«, schw�rmte Stefan Zweig. Undbis heute kann sich kaum ein Besucher dem Zauber der Stadt entziehen. Dervorliegende Reisebegleiter l�dt ein, auf sechs Spazierg�ngen die bedeutendstenSehensw�rdigkeiten Moskaus zu erkunden: den Kreml und den Roten Platz,die Gassen von Kitaj Gorod und des Arbatviertels, die Basiliuskathedraleund die Dreifaltigkeitskirche u. v. a. Wir sind mit Dr. Schiwago in Moskau un-terwegs, folgen den Spuren Tolstojs, Bulgakows und Tschechows, begegnenMarina Zwetajewa, Lermontow und Gogol. Doch auch vieles, den Touristennormalerweise Verborgenes gibt es hier zu entdecken. Ein unentbehrlicher Be-gleiter im Reisegep�ck und wunderbare Lekt�re f�r zu Hause.

Von Ingrid Schalthçfer liegt im insel taschenbuch außerdem der ReisebegleiterSt. Petersburg (it 2833) vor. Sie studierte Slawistik in Mainz und Moskau undist bis heute beruflich mit Rußland verbunden.

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insel taschenbuch 3454Moskau

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Mittelpunkt der kirchlichen und weltlichen Macht: das Kreml-Ensemble

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MoskauEin Reisebegleiter

Von Ingrid SchalthçferMit Stadtpl�nen und farbigen Fotografien

Insel Verlag

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Umschlagabbildung: Bildagentur Huber/G. Simeone

insel taschenbuch 3454Erste Auflage 2010� Insel Verlag Berlin 2010Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der �bersetzung, des çffentlichenVortrags sowie der �bertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzel-ner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie,Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlagesreproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, ver-vielf�ltigt oder verbreitet werden.Hinweise zu dieser Ausgabe am Schluß des BandesVertrieb durch den Suhrkamp Taschenbuch VerlagUmschlag: Elke DçrrSatz: H�mmer GmbH,Waldb�ttelbrunnDruck: Nomos, SinzheimPrinted in GermanyISBN 978-3-458-35154-2

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Inhalt

Vorwort 9

I. Moskau: Die alte Hauptstadt 13

II. Moskauer Kreml 211. Spaziergang:

Metrostation Ochotnyj Rjad � Manegeplatz �Alexandergarten � Moskauer Universit�t � Kreml:Tutafjaturm – Dreifaltigkeitstorturm – Kathedralen-platz – Großer Kremlpalast – R�stkammer (Schatz-kammer) � Metrostation Alexandrowskij Sad

III. Kitaj Gorod 472. Spaziergang:

Metrostation Ochotnyj Rjad � Manegeplatz: Auf-erstehungstor und Kapelle der Iberischen Gottes-mutter � Roter Platz: Historisches Museum – Kircheder Gottesmutter von Kazan – GUM – Leninmauso-leum – Basiliuskathedrale � Warwarka-Straße �

Dreifaltigkeitskirche in Nikitniki � Il’inka-Straße �

Nikol’skaja-Straße � Lubjankaplatz � Majakowskij-Museum � Metrostation Lubjanka

IV. Rund um die Hauptstraße Twerskaja 873. Spaziergang:

Metrostation Ochotnyj Rjad � zwischen Manege-und Theaterplatz � Fußg�ngerzone am MoskauerK�nstlertheater � unterwegs mit Doktor Schiwago� Konservatorium � Stalins Generalbebauungsplanin der Twerskaja � Hotel Lux � DelikatessenJelissejew � Metrostation Puschkinskaja

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V. Vom Boulevardring zum Arbat 1114. Spaziergang:

Metrostation Puschkinskaja � Puschkinplatz �

Englischer Klub � Twerskoj-Boulevard � Villa Rja-buschinskij � auf der Spur Tolstojs, Tschechowsund Bulgakows � bei Zwetajewa und Lermontow �

bei Gogol � Arbat � Metrostation Smolenskaja

VI. Rund um das Marstallviertel 1475. Spaziergang:

Metrostation Kropotkinskaja � Erlçserkathedrale:Christianisierungslegende und orthodoxer Gottes-dienst � Puschkin-Museum f�r Bildende K�nste �

Schtschukins Villa � Pretschistenka � eine weitereSpur von Meister und Margarita � Turgenjews Osto-schenka � bei Lew Tolstoj � Neu-Jungfrauen-Klo-ster � Metrostation Park Kul’tury bzw. Sportiwnaja

VII. Metrobesichtigung, stalinistische Architektur unddas Samoskworetschje 173

6. Spaziergang:

Metrostation Kropotkinskaja � Metrobesichtigung:Kropotkinskaja – Park Kul’tury – Kiewskaja –Krasnopresnenskaja – Nowoslobodskaja – ProspektMira – Komsomol’skaja – Kropotkinskaja � Trifo-nows Haus an der Uferstraße � Tretjakow-Galerie� Bol’schoj Moskworeckij Most � MetrostationKitaj Gorod

VIII. Ausflug: Dreifaltigkeitskloster in Sergijew Possad 187

Textnachweise 214Museen 219Caf�s und Restaurants 226

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Vorwort

Moskau gehçrt zu jenen St�dten, mit denen sich tiefe Sehn-s�chte verbinden. Tschechow weckt sie auf der B�hne,wenn in den Drei Schwestern verheißungsvoll »Moskau! –Moskau!« erklingt, und Tolstoj in Krieg und Frieden,wennNapoleon gef�hlvoll von Moskau als der »heiligen Stadt«spricht.Schon in der Vergangenheit war Moskau f�r ausl�ndischeReisende etwas ganz Besonderes. Der deutsche Schriftstellerund Weltenbummler Johann Gottfried Seume sah Moskauals »ein eigenes Gemisch alter neugriechischer halborien-talischer Erscheinungen«.1 F�r den franzçsischen Roman-cier Alexandre Dumas den �lteren war Moskau das rich-tige, alte Rußland, das eigentliche Rußland.2 Hier erfaßteDumas eine beispiellose Euphorie: »An diesem Abend er-schien mir der Kreml in dem sanften Licht, gebadet in einerdunstigen Atmosph�re, mit seinen Turmspitzen,die sich zuden Sternen aufschwingen wie die Pfeile von Minaretten,schçn wie ein Feenpalast, von dem die Feder keine Vorstel-lung geben kçnnte. Ich kehrte verwundert, entz�ckt, �ber-w�ltigt, ja gl�cklich zur�ck. Gl�cklich!«3 Selbst den �ußerstkritischen franzçsischen Reiseschriftsteller und Diploma-ten de Custine bezauberte Moskau als »eine poetischeStadt, deren Bauart keinen Namen wie kein Vorbild hat[und] einen Eindruck [hinterl�ßt], den man nicht wiedervergessen kann«.4

Bis heute betçrt Moskaus Zauber: nicht nur der mittelal-terliche Kreml und der geschichtstr�chtige Rote Platz.Auch die Gassen von Kitaj Gorod und des Arbatviertels,die Vielzahl bunter, m�rchenhafter Kirchlein und impo-sante, klassizistische Pal�ste der Hocharistokratie machenMoskau zu einem Gesamtkunstwerk, dem zwar die Makel-

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losigkeit und Harmonie Sankt Petersburgs fehlt, das da-f�r aber Lebendigkeit und gar eine Seele besitzt – wie derrussische Schriftsteller Michail Lermontow zu berichtenwußte.5

Aus der Sowjetzeit ist vor allem die Architektur der Sta-linzeit interessant. Sie pr�gte eine Phase, in der die mysti-scheHeiligkeit derStadt einer neuen Ideologieweichenmuß-te und die ehrw�rdige Hauptstadt zur »Hure Moskau«6

wurde – so Ossip Mandelstam.7 Die postsowjetische Zeitbrachte noch keine architektonischen Glanzleistungen.Viel-leicht werden die Wolkenkratzer des neuen Gesch�ftszen-trums, der Moskau City, Furore machen.Um das architektonische Gesamtkunstwerk Moskau be-greifen zu kçnnen, muß neben der Stadtgeschichte viel-fach auch die Geschichte des Landes beleuchtet werden.Schließlich spielte f�r die Geschichte Moskaus und Ruß-lands der vorpetrinischen Zeit auch die orthodoxe Kircheeine bedeutende Rolle. Deshalb werden dem Leser in die-sem Band Einblicke in die russische Orthodoxie und indie Bedeutung der Ikonen vermittelt. Neben Wissenswer-tem werden auch Stimmungen sowie der Geist einer Epo-che, einer Gegend oder eines bedeutenden Ereignisses ein-gefangen.Die Literarischen Spazierg�nge eignen sich als Einstim-mung auf eine bevorstehende Reise und zur Nachbereitungeigener Reiseeindr�cke. Das Buch kann auch ganz unab-h�ngig von einem Moskaubesuch gelesen werden, und die»Armchairtraveller« werden sich zu Hause an Geschicht-lichem und Geschichten erfreuen. Schließlich kann der Rei-sende vor Ort mit diesem F�hrer auf sechs Spazierg�ngendie bedeutendsten Sehensw�rdigkeiten Moskaus erkunden.Zur besseren Orientierung im gewaltigen Netz çffentlicherVerkehrsmittel beginnen und enden die Spazierg�nge aneiner Metrostation. Ein Ausflug in das Zentrum der russi-

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schen Frçmmigkeit, in das Kloster von Sergijew Possad, be-schließt diesen Band.

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I. Moskau: Die alte Hauptstadt

»Sie ist mehr als schçn:sie ist unvergeßlich«8

Moskaus Aufstieg von einer kleinen Siedlung zum Zen-trum eines m�chtigen Reiches ging mit dem Zerfall derKiewer Rus einher. Im ausgehenden 12. Jahrhundert leite-ten ehrgeizige Sçhne des Kiewer F�rstenhauses den Nieder-gang des ersten osteurop�ischen Staates ein. Durch offe-nen Kampf, Mord und Pl�nderungen trachteten sie ihremZiel n�her zu kommen und die Großf�rstenw�rde an sichzu reißen. Die ohnehin schon gef�hrliche und un�bersicht-liche Lage wurde auch f�r die einfache Bevçlkerung zu-nehmend unertr�glicher, denn die Steppennomaden desS�dens zogen immer wieder raubend und mordend durchdas Land.9 Sicherer war es dagegen in entfernten Gebietenim Nordosten der Kiewer Rus. Dort, zwischen der oberenWolga und der Oka, jenseits der ausgedehnten, schutzge-w�hrenden W�lder, versuchten machthungrige Anw�rterauf die Kiewer F�rstenw�rde ein eigenes politisches Zen-trum zu etablieren. Daf�r gr�ndeten sie neue Festungenund St�dte. So auch am Ufer des Flusses Moskwa. Hier,�ber 700 Kilometer von Kiew entfernt, wurde ein gesch�f-tiger Marktflecken befestigt, nach dem Vorbild traditions-reicher altrussischer St�dte ausgebaut und schließlich Endedes 15. Jahrhunderts die Hauptstadt des zentralisierten rus-sischen Staates.Die Lage Moskaus war g�nstig gew�hlt, denn �ber dengleichnamigen Fluß kann die Oka erreicht werden, die wie-derum zur Hauptverkehrsader des russischen Landes, zurWolga, f�hrt. Aber gewichtiger als die geographische Lagewar das politische und milit�rische Geschick der MoskauerF�rsten. Sie setzten sich gegen Rivalen, gegen H�upter an-

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derer Teilf�rstent�mer und auch gegen den Großf�rsten,der zuletzt in der Stadt Twer residierte, durch. Sie schaff-ten es, die Großf�rstenw�rde w�hrend des mongolisch-tatarischen Jochs an das kleine Teilf�rstentum Moskau zubinden, nach und nach alle Konkurrenten aus dem Weg zur�umen und andere russische F�rstent�mer zum eigenenBesitz zu machen. Schließlich wurde 1472 durch die Hei-rat Iwans III. mit der Nichte des letzten byzantinischenKaisers aus dem Moskauer Großf�rstentum ein w�rdigerNachfolger des gerade niedergegangenen çstlichen Kaiser-reiches. Dieses neue Selbstverst�ndnis demonstrierten dieMoskauer Herrscher nach außen mit un�bersehbaren Zei-chen: Iwan III. baute den Kreml zum repr�sentativen Sitzaus und �bernahm das byzantinische Hofzeremoniell. Gutf�nfzig Jahre sp�ter f�hrte sein Enkel Iwan IV. das byzanti-nische Krçnungszeremoniell ein und w�hlte den doppelkçp-figen byzantinischen Adler als Wappen.Wie in jeder altrussischen Stadt von Bedeutung war dieKeimzelle Moskaus eine Festung: der Kreml. Die befestig-te Siedlung, zu der auch ein Possad, ein Handwerker- undH�ndlerviertel, gehçrte,wuchs zu einer verwinkelten, bunt-gemischten, gem�tlichen Stadt. De Custine notierte noch inden dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts, daß »die Schnurund das Winkelmaaß Moskau weniger entstellt [haben] alsPetersburg«.10

Die Kremlmauern bildeten die innerste Verteidigungsan-lage, der zweite Mauerring umfaßte seit den dreißiger Jah-ren des 16. Jahrhunderts das H�ndler- und Handwerker-viertel çstlich des Kremls, das sogenannte Kitaj Gorod.11

Die dritte Verteidigungsmauer wurde Ende des 16. Jahrhun-derts hinzugef�gt. Als sie zweihundert Jahre sp�ter bauf�l-lig geworden war,wurde an ihrer Stelle ein Boulevard errich-tet. Schon Tolstojs Helden in Anna Karenina flaniertendort, und bis heute kann man inmitten des Boulevardringes

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durch eine Allee spazieren und dem L�rm und Streß derStadt entfliehen. Einen vierten Verteidigungsring bildeteseit dem Ende des 16. Jahrhunderts ein Erdwall mit Pfahl-zaun. Er zog sich bis zum großen Brand 1812 kreisfçrmigum die ganze Stadt. Heute erinnert die Gartenringstraße anseinen fr�heren Verlauf. Dieses Ringsystem, das sich vomKreml aus konzentrisch ausbreitet, durchbrechen radial ver-laufende Straßen. Vom Kreml aus f�hren die Straßen inalle Richtungen. Markante Punkte wie Kreuzungen und Ab-zweigungen wurden in vorrevolution�rer Zeit mit Kirchenbebaut. Da die Kirchen fr�her alle H�user Moskaus �ber-ragten, konnte man sich an den Gottesh�usern mit ihrenschlanken, hohen Glockent�rmen orientieren. Sich zurecht-zufinden war trotzdem nicht einfach, denn immerhin z�hl-ten Besucher im vorrevolution�ren Moskau zwischen 600und 1600 Kirchen.Vielleicht beeindruckten die unz�hligenbunten Kuppeln die G�ste der Stadt aber auch so sehr, daßsich der eine oder andere vor lauter Schw�rmerei verz�hl-te. Auch de Custine war vom Moskauer Stadtbild verzau-bert: »eine poetische Stadt, deren Bauart keinen Namenwie kein Vorbild hat. Um die Seltsamkeit des Bildes zu be-greifen, muß man sich an die orthodoxe Form jeder grie-chischen Kirche erinnern; der Obertheil dieser Geb�ude be-steht stets aus mehreren Th�rmen, die ihrer Form und Hçhenach verschieden sind, deren Zahl sich aber wenigstensauf f�nf bel�uft, indeß h�ufig auch noch weit bedeuten-der ist. Der Thurm in der Mitte ist der hçchste; die vier an-dern sind niedriger und umgeben ehrfurchtsvoll den Haupt-thurm. Die Form ist verschieden; ihre Spitze gleicht oftspitzen M�tzen auf einem Kopfe: man kann auch den gro-ßen Thurm mancher Kirchen, der �ußerlich bunt angestri-chen und vergoldet ist, mit einer Bischofsm�tze, mit einerTiara, welche mit Edelsteinen besetzt ist, mit einem chine-sischen Pavillon, mit einem Minaret, mit einer Bonzenm�t-

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ze vergleichen; h�ufig ist es auch ganz einfach eine kleinekugelfçrmige Kuppel, die in einer Spitze endiget; �ber allediese mehr oder minder seltsamen Gestalten ragen abergroße, durchbrochen gearbeitete kupferne,vergoldete Kreu-ze hinweg, deren complicirte Muster einigermaßen an Fili-granarbeiten erinnern [. . .] dieses metallische Geflecht, das�ber eine ganze Stadt ausgespannt ist, macht einen, selbstauf einem Bilde, viel weniger in einer Beschreibung schwerwiederzugebenden Effect; die Worte bleiben hinter den Far-ben fast eben so weit zur�ck als hinter den Tçnen. DenkenSie sich also, wenn Sie es vermçgen, den Effect dieser hei-ligen Schaar von Th�rmen, die, ohne gerade menschlicheFormen zu haben, in grotesker Weise eine Gesellschaft vonPersonen oben auf jeder Kirche wie auf den kleinsten Ka-pellen darstellen; es ist eine Phalanx von Phantomen, die�ber einer Stadt schweben.Noch habe ich Ihnen aber nicht gesagt, was das Seltsamstean dem Aussehen der russischen Kirchen ist: ihre geheim-

Wehrhafte T�rme und vergoldete Zwiebelkuppeln: Kreml und die Erlçserkathe-

drale

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nißvollen Kuppeln sind gleichsam mit einem Panzer ver-sehen, so vortrefflich ist die Arbeit ihrer Umh�llung. Mankçnnte sie eine damascirte R�stung nennen und man bleibtstumm vor Erstaunen stehen, wenn man diese Menge guil-lochirter, schuppiger, emaillirter, beflitterter, streifiger, im-mer in sehr hellen gl�nzenden Farben angestrichenen D�-cher in der Sonne blitzen sieht.«12

Nicht nur die Herzen ausl�ndischer Besucher ber�hrte die-se Stadt. Auch der in Moskau geb�rtige Dichter MichailLermontow schw�rmte und ergriff Partei: »Moskau istnicht eine stumme Menge kalter Steine, angeordnet in sym-metrischen Linien . . . nein! Moskau hat eine Seele, hat eineigenes Leben.«13 Lermontow nahm Bezug auf das kalte,unpersçnliche, aus Stein gebaute, planm�ßig angelegte Pe-tersburg, das der slawischen Natur immer fremd war. GrafMoltke ging soweit, zu mutmaßen, daß Moskau »f�r jedenRussen ein Gegenstand der Verehrung und Liebe [sei]. Pe-tersburg ist sein Stolz, aber Moskau steht seinem Herzennahe.«14

Peter der Große hat die aus dem Sumpf gestampfte Stadtan der Newa 1712 zur neuen Hauptstadt erhoben, eineStadt zum Wohlf�hlen war St. Petersburg aber nur f�r we-nige. Die ablehnende Haltung seiner Untertanen war Peterdurchaus klar, so daß er sich berechtigte Sorgen um »seine«Stadt machte: »Ich weiß, die Menschen lieben Sankt Peters-burg nicht, anz�nden werden sie die Stadt und die Flottesobald ich tot bin, aber solange ich lebe, halte ich sie hierfest, sie sollen sp�ren, ich bin Zar Peter Alexejewitsch.«15

Die Tochter Peters des Großen, Elisabeth, f�hrte das Werkihres Vaters fort. Katharina II. und ihre Nachfolger mach-ten aus St. Petersburg eine Weltstadt, aber das k�mmertedie Moskauer wenig. Moskau war und blieb die alte, ehr-w�rdige Hauptstadt, die »heilige Stadt«,16 der Mittelpunkt.Johann Gottfried Seume beobachtete den stillen, stoischen

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Widerstand der Moskauer: »Der Hof hat sehr wenig Ein-fluß auf die alte Kapitale. Man mag mit ihm zufrieden seinoder nicht, das macht keine große Ver�nderung von keinerSeite, da alles seinen gewçhnlichen Gang geht und manvon keiner Seite zu Extremit�ten kommen wird. Man be-k�mmert sich gewçhnlich in Moskau nicht viel um das,was in Petersburg vorgeht [. . .].«17 Hundert Jahre nach derGr�ndung Petersburgs beobachtete Nikolai Gogol sogareine Art Rivalit�t zwischen den »zwei Hauptst�dten«: »Inder Tat, wo hat es die russische Hauptstadt hin verschla-gen – ans Ende der Welt! Ein seltsames Volk, diese Russen:Sie hatten ihre Hauptstadt in Kiew, aber da ist es zu warm,zu wenig K�lte; also �bersiedelte die russische Hauptstadtnach Moskau – ach nein, auch da war es noch nicht kaltgenug: Der Himmel schenkte uns Petersburg! Sie bringtes noch fertig, diese russische Hauptstadt, und sucht sichden eisigen Nordpol zum Nachbarn. Ich sage das, weil ihrschon das Wasser im Mund zusammenl�uft beim Gedan-ken daran, die Eisb�ren aus der N�he zu betrachten. [. . .]Doch welch ein Unterschied, welch ein Unterschied zwi-schen den beiden St�dten! Die eine bis auf den heutigenTag ein b�rtiger Russe,die andere schon ein akkurater Deut-scher. Wie hat sich das alte Moskau hinger�kelt und aus-gebreitet! Wie zerzaust es wirkt! Wie ist dagegen das stut-zerhafte Petersburg eng zusammenger�ckt, aufgereckt wieeine gespannte Saite. Rundum von Spiegeln umgeben: dortdie Newa und da der Finnische Meerbusen. Es kann sichbetrachten. Kaum bemerkt es auch nur ein Federchen oderFl�umchen auf seinem Gewand, schon ist es fortgeschnippt.Moskau ist eine alte Stubenhockerin, b�ckt Plinsen, schautvon ferne zu und l�ßt sich, im Sessel ruhend, erz�hlen, wasin der Welt geschieht. Petersburg ist ein kecker Bursche,der nie zu Hause sitzt, immer adrett gekleidet, tut schçnvor Europa, macht seine Verbeugung vor den Leuten jen-

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seits des Meeres. Petersburg regt sich unentwegt, vom Kel-ler bis zum Dach; um Mitternacht beginnt es franzçsischeBrote zu backen, die am Morgen seine Deutschen verzeh-ren, und die ganze Nacht hindurch leuchtet bald das eineAuge, bald das andere auf; Moskau schl�ft des Nachts tiefund fest, bekreuzigt sich am n�chsten Morgen, verbeugtsich nach allen vier Himmelsrichtungen und f�hrt seineWeißbrotkringel zum Markt.Petersburg ist auf großen Anstand in seiner Kleidung be-dacht, es mag nicht die bunten Farben und duldet keine k�h-nen und dreisten Abweichungen von der Mode; l�ßt Mos-kau sich dagegen schon auf Mode ein, dann muß es eineganze Sache sein: Ist die Taille gerade lang, dann machtes sie noch l�nger; tr�gt man große Aufschl�ge am Frack,dann sind sie in Moskau wie Scheunentore so breit. Peters-burg ist ein akkurater Mensch, ein vollkommener Deut-scher, der alles umsichtig erw�gt, und ehe er nur an eineAbendgesellschaft denkt, sieht er in seine Taschen; Mos-kau dagegen ist ein russischer Edelmann, wenn er sichschon vergn�gt, dann vergn�gt er sich auch bis zum Um-fallen und sorgt sich nicht darum, mehr zu verbrauchen,als er in seinen Taschen hat: das Mittelmaß wird nicht ge-sch�tzt.«18

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Kremljowskaja Nabereschnaja

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Bol. Nikitskaja Ul.

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1 Metrostation Ochotnyj Rjad – 2 Moskauer Universit�t (altes und neues Geb�u-

de) – 3 Geb�ude der Manege – 4 Kutafjaturm – 5 Dreifaltigkeitstorturm – 6 Zaren-

kanone – 7 Glockenturm Iwan Welikij und Zarenglocke – 8 Kathedralenplatz –

9 Mari�-Entschlafens-Kathedrale – 10 Facettenpalast – 11 Mari�-Verk�ndigungs-

Kathedrale – 12 Erzengel-Michael-Kathedrale – 13 Terem – 14 Großer Kremlpalast –

15 R�stkammer (Schatzkammer) – 16 Borowizkijtor – 17 Hotel National – 18 GUM –

19 Leninmausoleum – 20 Basiliuskathedrale – 21 Metrostation Alexandrowskij

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