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ROBERT KOCH INSTITUT Statistisches Bundesamt Gesundheitsberichterstattung des Bundes Heft 26 Körperliche Aktivität

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© Robert Koch-Institut

ISBN 3-89606-158-5ISSN 1437-5478

Körperliche Inaktivität ist ein ernstzunehmender gesund-heitlicher Risikofaktor. Nach Schätzungen aus den USAsind knapp ein Viertel aller durch chronische Erkrankungenbedingten Todesfälle dem Mangel an regelmäßiger körperlicher Aktivität zuzurechnen. Dabei sind Interven-tionsprogramme zur Förderung körperlicher Aktivität nichtallein wegen ihrer gesundheitlichen Relevanz geboten,sondern sie können auch unter gesundheitsökonomischerPerspektive als »best buy« in der öffentlichen Gesund-heitsvorsorge bezeichnet werden. Im internationalen Vergleich zeigen erwachsene Deutsche ein relativ hohesMaß an körperlicher Aktivität. Allerdings geben über 37%der erwachsenen deutschen Bevölkerung in repräsentativenUmfragen an, in keiner Form Sport zu treiben. Während imVergleich dazu Erwachsene in südeuropäischen Ländernwie Spanien oder Portugal noch seltener Sport treiben,zeigen unsere Nachbarländer Niederlande und Österreichoder auch nordeuropäische Staaten ein deutlich höheresMaß an sportlicher Aktivität. Als Grundlagen für die weitere körperliche Aktivierung derBevölkerung spielen sowohl die Schaffung von bewe-gungsfreundlichen Infrastrukturen (Sport- und Bewe-gungsmöglichkeiten) als auch eine gezielte Förderpolitikeine entscheidende Rolle. Um hier in Zukunft optimale Voraussetzungen zu schaffen, gibt es verschiedeneSteuerungsmöglichkeiten. Diese reichen von einerVerbesserung der intersektoralen Zusammenarbeit (z.B.zwischen Gesundheits-, Sport- und Verkehrspolitik) unddem Ausbau der Möglichkeiten des Bundes, der Länder,der Kommunen sowie der Akteure im Gesundheitswesenim Bereich der bewegungsbezogenen Gesundheits-förderung, über die Stärkung der kommunalen Infrastruk-tur- und Politikentwicklung beispielsweise im Rahmen derSportentwicklungsplanung, bis hin zur Förderung desQualitätsmanagements im Gesundheitssport und demAusbau eines kontinuierlichen bewegungsbezogenenHealthmonitoring.

R O B E R T K O C H I N S T I T U TStat is t isches Bundesamt

Gesundheitsberichterstattung des Bundes

Heft 26Körperliche Aktivität

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Gesundheitsberichterstattung des BundesHeft 26

Körperliche Aktivität

Autoren: Alfred Rütten, Karim Abu-Omar, Thomas Lampert, Thomas Ziese

Herausgeber: Robert Koch-Institut

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Die Gesundheitsberichterstattung des Bundes(GBE) liefert daten- und indikatorengestützte Beschreibungen und Analysen zu allen Bereichendes Gesundheitswesens.

Als dynamisches und in ständiger Aktualisierungbegriffenes System bietet die Gesundheitsbericht-erstattung des Bundes die Informationen zu denThemenfeldern in Form sich ergänzender und auf-einander beziehender Produkte an:

Ω Themenhefte der Gesundheitsberichterstattungdes Bundes Ω In den Themenheften werden spezifische

Informationen zum Gesundheitszustand derBevölkerung und zum Gesundheitssystemhandlungsorientiert und übersichtlich prä-sentiert. Jedes Themenheft lässt sich einemder GBE-Themenfelder zuordnen; der innereAufbau folgt ebenfalls der Struktur der The-menfelder. Somit bieten die Themenfelder der GBE sowohl den Rahmen als auch die Gliederung für die Einzelhefte. Inhaltlich zusammengehörende Themen können ge-

Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Heft 26 3

Rahmenbedingungen des Gesundheitswesens

Gesundheits-probleme,

Krankheiten

Ausgaben, Kos-ten und Finan-

zierung

Gesundheits-verhalten und -gefährdungen

Ressourcen derGesundheits-versorgung

Gesundheitliche Lage

Leistungen und Inanspruchnahme

Gesundheitsberichterstattung des Bundes

bündelt und gemeinsam herausgegeben werden. Die fortlaufende Erscheinungsweisegewährleistet Aktualität. Die Autorinnen und Autoren sind ausgewiesene Expertinnenund Experten aus dem jeweiligen Bereich.www.rki.de

Ω Informationssystem der Gesundheitsbericht-erstattung des BundesΩ Das Informationssystem der Gesundheits-

berichterstattung des Bundes liefert als On-line-Datenbank schnell, kompakt und trans-parent gesundheitsrelevante Informationenzu allen Themenfeldern der Gesundheits-berichterstattung. Die Informationen wer-den in Form von individuell gestaltbaren Tabellen, übersichtlichen Grafiken, verständ-lichen Texten und präzisen Definitionen be-reitgestellt und können heruntergeladenwerden. Das System wird ständig ausgebaut.Derzeit sind aktuelle Informationen ausüber 100 Datenquellen abrufbar. Zusätzlichkönnen über dieses System die GBE-The-menhefte und die Inhalte aus dem Gesund-heitsbericht für Deutschland (Hrsg. Statisti-sches Bundesamt, Stuttgart, 1998) abgerufenwerden.www.gbe-bund.de

Ω SchwerpunktberichteΩ In den Schwerpunktberichten werden spe-

zielle Themen der Gesundheit und des Ge-sundheitssystems detailliert und umfassendbeschrieben.

Die Aussagen der Gesundheitsberichterstattungdes Bundes beziehen sich auf die nationale,bundesweite Ebene und haben eine Referenz-funktion für die Gesundheitsberichterstattung derLänder. Auf diese Weise stellt die GBE des Bundeseine fachliche Grundlage für politische Entschei-dungen bereit und bietet allen Interessierten einedatengestützte Informationsgrundlage. Darüberhinaus dient sie der Erfolgskontrolle durchge-führter Maßnahmen und trägt zur Entwicklungund Evaluierung von Gesundheitszielen bei.

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GesundheitsbeeinflussendeLebensweisen

Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Heft 264

Der Leser- und Nutzerkreis der GBE-Produk-te ist breit gefächert: Angesprochen sind Gesund-heitspolitikerinnen und -politiker, Expertinnenund Experten in wissenschaftlichen Forschungs-einrichtungen und die Fachöffentlichkeit. Zur Zielgruppe gehören auch Bürgerinnen und Bür-ger, Patientinnen und Patienten, Verbrauche-rinnen und Verbraucher und ihre jeweiligen Ver-bände.

Das vorliegende Heft 26 der Gesundheits-berichterstattung des Bundes »Körperliche Akti-vität« lässt sich folgendermaßen in das Gesamt-spektrum der Themenfelder einordnen:

Rahmenbedingungen des Gesundheitswesens

Ressourcen derGesundheits-versorgung

Gesundheits-probleme,

Krankheiten

Gesundheits-verhalten und -gefährdungen

Ausgaben, Kos-ten und Finan-

zierung

Gesundheitliche Lage

Leistungen und Inanspruchnahme

Körperliche Aktivität

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Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Heft 26 5

Bislang erschienen:

Themenhefte der GBEHeft 1 »Schutzimpfungen«Heft 2 »Sterbebegleitung«Heft 3 »Gesundheitsprobleme bei Fernreisen«Heft 4 »Armut bei Kindern und Jugendlichen«Heft 5 »Medizinische Behandlungsfehler«Heft 6 »Lebensmittelbedingte Erkrankungen«Heft 7 »Chronische Schmerzen«Heft 8 »Nosokomiale Infektionen«Heft 9 »Inanspruchnahme alternativer Metho-

den in der Medizin«Heft 10 »Gesundheit im Alter«Heft 11 »Schuppenflechte«Heft 12 »Dekubitus«Heft 13 »Arbeitslosigkeit und Gesundheit«Heft 14 »Gesundheit alleinerziehender Mütter

und Väter«Heft 15 »Hepatitis C«Heft 16 »Übergewicht und Adipositas«Heft 17 »Organtransplantation und Organspende«Heft 18 »Neu und vermehrt auftretende Infek-

tionskrankheiten«Heft 19 »Heimtierhaltung – Chancen und Risiken

für die Gesundheit«Heft 20 »Ungewollte Kinderlosigkeit«Heft 21 »Angststörungen«Heft 22 »Hautkrebs«Heft 23 »Selbsthilfe im Gesundheitsbereich«Heft 24 »Diabetes mellitus«Heft 25 »Brustkrebs«

Schwerpunktberichte der GBEΩ Gesundheit von Kindern und JugendlichenΩ Pflege

Adressen:

Robert Koch-InstitutGesundheitsberichterstattung

Postfach 65026113302 Berlin

Tel.: 018 88.754–34 00Fax: 018 88. 754–35 13

[email protected]

Statistisches BundesamtZweigstelle Bonn

Informations- und Dokumentationszentrum Gesundheitsdaten

Graurheindorfer Straße 19853117 Bonn

Tel.: 01888.644–8121Fax: 01888.644–[email protected]

www.gbe-bund.de

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Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Heft 266

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Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Heft 26 7

Einleitung

Regelmäßige Bewegung und körperliche Aktivitätgehören zu den wichtigsten Einflussfaktoren derLebensqualität und leisten einen wesentlichen Bei-trag zur Aufrechterhaltung von Gesundheit undWohlbefinden. Durch gezielte Förderung der kör-perlichen Aktivität lässt sich in jedem Alter derEntwicklung von Krankheiten und Beschwerdenentgegenwirken. Da die Lebensgewohnheiten derMenschen zunehmend durch Bewegungsmangelund monotone Bewegungsabläufe gekennzeich-net sind, wird den mit der körperlichen Aktivitätverbundenen Präventionspotenzialen inzwischenverstärkte Aufmerksamkeit gewidmet.

Der Begriff »körperliche Aktivität« sollte ein-deutig vom Begriff »Sport« unterschieden werden:Während sich »körperliche Aktivität« (physical ac-tivity) als Oberbegriff auf jede körperliche Bewe-gung bezieht, die durch die Skelettmuskulatur pro-duziert wird und den Energieverbrauch über denGrundumsatz anhebt [1], bezeichnet »Sport« einehistorisch-kulturell definierte Untergruppe von»körperlicher Aktivität«, für die traditionell insbe-sondere körperliche Leistung, Wettkampf undSpaß an der Bewegung typisch sind. Diese Unter-scheidung hat wichtige Implikationen für die Mes-sung von Inaktivität in der Bevölkerung sowie dieFestlegung von Zielen und Empfehlungen für Prä-vention und Gesundheitsförderung.

In der internationalen Public Health-Diskus-sion hat sich im letzten Jahrzehnt ein umfassendesKonzept von »gesundheitsfördernder körperlicherAktivität« (health-enhancing physical activity) durch-gesetzt, das neben den freizeitbezogenen Bewe-gungsaktivitäten, zu denen in der Regel auch derSport gezählt wird, die alltägliche körperliche Aktivi-tät im Kontext der Berufs- und Hausarbeit sowiezum Zweck des Transports (wie Radfahren oderTreppensteigen) gleichgewichtig mit einbezieht.Internationale Public Health-Empfehlungen habensich dementsprechend verändert: während sie nochbis Anfang der 1990er Jahre auf ein mindestens drei-mal pro Woche ausgeübtes spezielles gesundheits-orientiertes Fitness-Training abzielten, wird seitdemein besonderes Gewicht auf die mögliche Akkumu-lation alltäglicher körperlicher Aktivitäten gelegt.

Gesundheitliche Relevanz

Ein körperlich inaktiver Lebensstil ist ein wesent-licher verhaltensbezogener Risikofaktor, mit demeine Reihe von Gesundheitsgefährdungen einhergeht (Tabelle 1): Hierzu zählen einige der wich-tigsten chronisch-degenerativen Krankheiten, ins-besondere Herz-Kreislauf-Krankheiten und Dia-betes. Nach Schätzungen aus den USA sind ca.250.000 Todesfälle im Jahr, das sind 23 % allerdurch chronische Erkrankungen bedingten Todes-fälle, dem Mangel an regelmäßiger körperlicherAktivität zuzurechnen [2]. Für Deutschland wurdegeschätzt, dass mehr als 6.500 Herz-Kreislauf-To-desfälle pro Jahr vermieden würden, wenn ledig-lich die Hälfte der körperlich inaktiven Männer imAlter von 40 bis 69 Jahren gemäßigten körper-lichen Aktivitäten nachgingen [3].

Körperliche Inaktivität ist zudem ursächlichmit vielen Beschwerden des aktiven und passivenBewegungsapparates verbunden. So hat der Man-gel an körperlicher Aktivität einen erheblichen Anteil an der »neuen Volkskrankheit Rücken-schmerz«, die ein wichtiger Grund für Krank-schreibungen und Frühberentung ist (siehe auch»Erkrankungen des Muskel- und Skelettsystem«,Schwerpunktbericht der GBE des Bundes). Kör-perliche Inaktivität erhöht das Risiko altersbe-dingter Stürze, einer besonderen Gefahrenquellefür die Gesundheit und Selbständigkeit ältererMenschen. Im Vorfeld von Erkrankungen und Be-schwerden fördert körperliche Inaktivität bereitsdie Entwicklung unterschiedlicher gesundheit-licher Risikofaktoren. In erster Linie sind hier Blut-hochdruck und Übergewicht zu nennen.

Eine gesteigerte körperliche Aktivität wirktnicht nur den genannten gesundheitlichen Risi-ken entgegen, sie fördert zugleich die körperli-che Fitness und das physische und mentale Wohl-befinden. Gerade den sportlichen Aktivitätenwerden in diesem Zusammenhang anti-depres-sive und allgemein stimmungsverbessernde Effekte zugeschrieben sowie weitere gesund-heitsrelevante Wirkungen wie z. B. die Stärkungdes Selbstvertrauens. Solche Aktivitäten sind offensichtlich geeignet, andere gesundheitsrele-vante Verhaltensmuster (Rauchen, Ernährung),

Körperliche Aktivität

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Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Heft 268

soziale Faktoren von Gesundheit (z. B. sozialeUnterstützungssysteme) sowie deren Kontext(Bewegungsumwelt) positiv zu beeinflussen.

Verbreitung von sportlicher und körperlicher Aktivität inDeutschland

Die vorhandenen Studien zur Verbreitung vonSport und körperlicher Aktivität in der Bevölke-rung differieren in ihren Ergebnissen sowohl aufDeutschland bezogen als auch im internationalenVergleich z. T. beträchtlich. Diese Unterschiedehängen nicht zuletzt mit den jeweils eingesetztenErhebungsinstrumenten und den dahinter ste-henden Konzepten von körperlicher Aktivität zu-sammen. Eine Untersuchung mit einer im tradi-tionellen Sinne auf Sport- und Fitness-Aktivitätenausgerichteten Fragestellung wird deutlich gerin-gere Prozentwerte von körperlich Aktiven erzielenals dies bei Untersuchungen mit einem umfas-senden Begriff von körperlicher Aktivität der Fallist, die alltägliche Aktivitäten einbeziehen.

Die in der Gesundheitsberichterstattung desBundes eingesetzten Indikatoren zur Messungkörperlicher Aktivität werden im Rahmen derbundesweiten Gesundheitssurveys des RKI erho-ben [4, 5, 6]. Die im telefonischen Gesundheits-survey von 2003 berücksichtigten Fragen bezie-hen sich speziell auf Sportaktivitäten; im Bundes-Gesundheitssurvey 1998 wurde zusätzlich derzeitliche Umfang von leichten, mittleren und an-strengenden körperlichen Tätigkeiten in der all-täglichen Lebensführung erfasst.

Betrachtet man zunächst die Sportaktivitäten,so zeigen sich deutliche Unterschiede nach Alterund Geschlecht. Bei den Männern sinkt die regel-mäßige Sportteilnahme von zwei und mehr Stun-den die Woche mit zunehmendem Alter kontinu-ierlich von ca. 52 % in der Altersgruppe der 20- bis 29-jährigen bis unter 30% bei der Altersgrup-pe der 70- bis 79-jährigen (Abbildung 1). Bei denFrauen liegt der Anteil der regelmäßig mehr als 2 Stunden pro Woche Sportaktiven durch-gehend geringer: Mit zunehmenden Alter sinktdieser Anteil von ca. 40% bei den 20-bis 29-Jäh-rigen bis auf ca. 22% der 70- bis 79-Jährigen. Nachden aktuellen Surveyergebnissen sind die Unter-

Tabelle 1Zusammenfassung der Auswirkungen von körperlicher Aktivität auf die GesundheitQuelle: US Department of Health and Human Services [1], Sallis [2]

Erklärung: �= Einige Hinweise, dass körperliche Aktivität die Variable steigert; ��= moderate Hinweise, dass körperliche Aktivität die Variable steigert;

���= starke Hinweise, dass körperliche Aktivität die Variable steigert; �= einige Hinweise, dass körperliche Aktivität die Variable senkt;

��= moderate Hinweise, dass körperliche Aktivität die Variable senkt; ���= starke Hinweise, dass körperliche Aktivität die Variable senkt.

Auswirkungen von körperlicher Aktivität auf die Gesundheit

Lebenserwartung ���

Risiko von kardiovaskulären Erkrankungen ���

Blutdruck ��

Risiko an Darmkrebs zu erkranken ��

Risiko an Diabetes mellitus Typ II zu erkranken ���

Beschwerden durch Arthrose �

Knochendichte im Kindes- und Jugendalter ��

Risiko altersbedingter Stürze ��

Kompetenz zur Alltagsbewältigung im Alter ��

Kontrolle des Körpergewichts �

Angst und Depressionen �

Allgemeines Wohlbefinden und Lebensqualität ��

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Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Heft 26 9

schiede zwischen den alten und neuen Bundes-ländern gering.

Unterschiede in der regelmäßigen Sportteil-nahme zeigen sich zwischen den einzelnen sozia-len Schichten. Sportliche Aktivität ist in der Mittel-und Oberschicht weiter verbreitet als in der Unter-schicht (Abbildung 2). In der schwächeren sozia-len Schicht treiben fast die Hälfte der Männer undFrauen keinen Sport, während in der oberen sozi-alen Schicht weniger als ein Drittel der Männerund Frauen nicht sportlich aktiv ist (Abbildung 2a).

Dieser Zusammenhang zwischen Schichtzugehö-rigkeit und Bewegungsverhalten zeigt sich bei bei-den Geschlechtern.

Wie Abbildung 3 zu entnehmen ist, ergebendie Daten des telefonischen Gesundheitssurvey2003 einen hochsignifikantenZusammenhangzwischen Sportteilnahme und gesundheitlicherSelbsteinschätzung: in der Gruppe der mehr als 4 Stunden pro Woche Aktiven schätzen ca. 33%der Männer und ca. 28 % der Frauen ihren Ge-sundheitszustand als sehr gut ein, in der Gruppe

Abbildung 1 Anteil der Männer und Frauen, die wöchentlich zwei und mehr Stunden sportlich aktiv sindQuelle: Telefonischer Gesundheitsurvey des RKI 2003

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18–19 20–29 30–39 40–49 50–59 60–69 70–79 80+

Prozent Alter

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Abbildung 2 Regelmäßige Sportausübung (2 und mehr Stundenpro Woche) nach SozialschichtQuelle: Telefonischer Gesundheitsurvey des RKI 2003

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Unterschicht Mittelschicht Oberschicht

Prozent Sozialschicht

Männer Frauen

Abbildung 2a Anteil der Männer und Frauen, die keinen Sport treibennach SozialschichtQuelle: Telefonischer Gesundheitsurvey des RKI 2003

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Unterschicht Mittelschicht Oberschicht

Prozent Sozialschicht

Männer Frauen

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Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Heft 2610

der Nichtaktiven nur 16 % der Männer und 15%der Frauen. Dieser Zusammenhang von Sport-aktivität und gesundheitlicher Selbsteinschätzungbleibt auch nach Berücksichtigung des Alters signifikant.

Ein ganz anderes Bild von der Prävalenz kör-perlicher Inaktivität in der Bevölkerung ergibt dieim Bundes-Gesundheitssurvey von 1998 gestellteFrage nach körperlichen Aktivitäten in der alltäg-lichen Lebensführung (Abbildung 4). Diese Frageberücksichtigt neben sportlichen Aktivitäten auchalle anderen körperlichen Aktivitäten bei der Ar-beit, zu Hause oder bei der Fortbewegung bzw.Transport. Demnach gibt die überwiegende Mehr-heit der Befragten in allen Altersgruppen an, täg-lich mindestens 30 Minuten mittelschwere (wiePutzen oder Radfahren) oder sogar anstrengende Tätigkeiten auszuüben (beispielsweise Lasten tra-gen oder Leistungssport).

Im Hinblick auf eine mögliche Beziehung zwischen allgemeiner körperlicher Aktivität undGesundheit ergibt sich nach den Daten des Bun-des-Gesundheitssurvey kein signifikanter Zusam-menhang. Wenn also neben Sport auch andere an-strengende Tätigkeiten der allgemeinen Lebens-führung wie das Tragen von Lasten oder Putzen berücksichtigt werden, ist die gesundheitlicheSelbsteinschätzung zwischen den unterschied-lichen Aktivitätsgruppen nicht wesentlich verschie-den (Abbildung 5). Dies gilt auch bei Kontrolle von Alter, Geschlecht und Schichtzugehörigkeit.

Abbildung 3Anteil der Männer und Frauen, die ihre eigene Gesundheitsehr gut einschätzen nach sportlichem AktivitätsniveauQuelle: Telefonischer Gesundheitsurvey des RKI 2003

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kein Sport < 2 h 2 bis < 4 h 4h +

Prozent Umfang der Sportausübung

Männer Frauen

Abbildung 4Anteil der Deutschen, die mindestens 0,5 Stunden täglich mittelschwere oderanstrengende Tätigkeiten ausübenAngaben in Prozent der BefragtenQuelle: Daten des Bundes-Gesundheitssurveys 1998

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18–19 20–29 30–39 40–49 50–59 60–69 70–79

Prozent Alter

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Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Heft 26 11

Die hier an den Daten des Bundes-Gesund-heitssurvey demonstrierten unterschiedlichen Be-funde bei der gesundheitlichen Selbsteinschät-zung (starker Zusammenhang mit sportlicherAktivität, kein Zusammenhang mit körperlichenTätigkeiten im umfassenden Sinne), werden in derTendenz durch eine Reihe jüngerer Studien be-stätigt, die z.B. speziell für die körperliche Berufs-und Hausarbeit keine bzw. deutlich geringere ge-sundheitliche Effekte als für freizeitsportliche Aktivitäten nachgewiesen haben. Nach den vorlie-genden Daten sind im Hinblick auf mögliche

Gesundheitszusammenhänge Tätigkeiten wie Putzen, Joggen und Bauarbeit nicht ohne weiteresgleich zu behandeln, auch wenn sie einen ver-gleichbaren Kalorienverbrauch aufweisen. Füreine abschließende Beurteilung sind auf Dauer angelegte Längsschnittuntersuchungen erforder-lich, da in Querschnittsuntersuchungen keine Ursache-Wirkungs-Analysen möglich sind.

Internationaler Vergleich

In den letzten Jahren sind verschiedene interna-tionale Projekte gestartet worden, die zu einer Harmonisierung der zur Messung von körper-licher Aktivität eingesetzten Indikatoren und Er-hebungsinstrumente beitragen sollen. Zu nennensind hier zum einen weltweite Projekte zur Ent-wicklung eines International Physical ActivityQuestionnaires (IPAQ) bzw. Global Physical Acti-vity Questionnaires (GPAQ), zum anderen zweiim europäischen Kontext operierende Projekte(EUROHIS [EUROpean Health Interview Surveys]– eine WHO-Initiative zur internationalen Har-monisierung der Gesundheitssurveys in Europa –sowie EUPASS [European Physical Activity Surveillance System]), die entsprechende Emp-fehlungen erarbeiten. Es ist zu erwarten, dass sichmit dem geplanten Einsatz der neuen Messins-trumente sowohl im Rahmen internationaler Prä-

Abbildung 5Ausübung mittelschwerer und antsrengender körperlicherTätigkeiten und gesundheitliche SelbsteinschätzungSehr guter Gesundheitsszustand in ProzentQuelle: Daten des Bundes-Gesundheitssurveys 1998

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7 h + bis 6,5 h bis 3,5 h bis 1,5 h

Prozent Dauer in Stunden pro Woche

Männer Frauen

Abbildung 6Ausmaß sportlicher Aktivität im Europäischen Vergleich: Über Intensität undDauer der sportlichen Aktivität berechnete metabolische Äquivalente1 (METs)Angaben in Median METs-Stunden pro WocheQuelle: Daten der European-Food-Study 1999 (European Commission) [7]

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SWE AUS FIN NL IRL DEN LUX UK GER FRA GRE ITA SPA BEL

Land1 Metabolische Äquivalente (MET’s) erlauben, unter Berücksichtigung der Dauer und Intensität der Tätigkeit, einen

Rückschluss auf den Sauerstoff bzw. Energieverbrauch im Vergleich zu einer ruhenden Tätigkeit

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Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Heft 2612

valenzstudien als auch in verschiedenen nationalenSystemen zur Gesundheitsberichterstattung dieVoraussetzungen für eine valide, vergleichende Be-trachtung von körperlicher Aktivität sowohl imLängsschnitt (längerfristige Verhaltensverände-rungen) als auch im internationalen Querschnittdeutlich verbessern.

Bereits heute gibt es einige Studien, die ver-schiedene Populationen mit dem gleichen Erhe-bungsinstrument untersucht haben und so einen internationalen Vergleich der Raten sport-licher und körperlicher Aktivität erlauben. Im Ver-gleich mit anderen EU-Staaten liegt die Rate derErwachsenen, die in ihrer Freizeit einer sport-lichen Aktivität nachgehen, in Deutschland nachden vorliegenden Ergebnissen im Mittelfeld; führend sind hier skandinavische Länder (z. B.Schweden, Finnland); deutlich schlechter schnei-den dagegen südeuropäische Länder ab (Abbil-dung 6).

Im Hinblick auf die Intensität der sport-lichen Aktivität ist bemerkenswert, dass die Län-der mit einem hohen Anteil an Bürgern, die Sport

treiben (wie beispielsweise Finnland, Schweden,die Niederlande), sich von den anderen vor allemdurch den deutlich höheren Anteil an wenig bismoderat Aktiven unterscheiden, während die Populationen mit geringeren Raten an sportlichAktiven (wie beispielsweise Spanien, Belgien) einen relativ hohen Anteil an intensiv Aktiven aufweisen.

Vergleicht man hingegen in den EU-Staatendie Raten von körperlicher Aktivität insgesamt (Abbildung 7) – bei Berücksichtigung der körper-lichen Aktivität im Beruf, zu Hause und zumTransport, so liegt Deutschland mit den Nieder-landen und Luxemburg in der Spitzengruppe,während Schweden, Italien und Frankreich amschlechtesten abschneiden [8]. Die zum Teil fürFrauen niedrigeren Werte als für Männer sind unter Umständen auf Unterschiede im Ausmaßkörperlicher Aktivität in der beruflichen Arbeitzurückzuführen. Aus diesen Ergebnissen interna-tional vergleichender Studien lässt sich ableiten,dass die deutsche Bevölkerung im Vergleich zu an-deren EU-Staaten in hohem Maß körperlich aktiv

Abbildung 7Ausmaß körperlicher Aktivität im Europäischen Vergleich: Über Intensität undDauer der körperlichen Aktivität berechnete metabolische Äquivalente1 (METs)Angaben in Median METs-Stunden pro WocheQuelle: Daten des Eurobarometers 2002

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NEL GER LUX GRE DEN IRL FIN POR AUS UK SPA BEL FRA ITA SWE

Land

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1 Metabolische Äquivalente (MET’s) erlauben, unter Berücksichtigung der Dauer und Intensität der Tätigkeit, einenRückschluss auf den Sauerstaoff bzw. Energieverbrauch im Vergleich zu einer ruhenden Tätigkeit

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Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Heft 26 13

ist, während gleichzeitig die Rate derjenigen, dieSport treiben, nur durchschnittlich ist.

Aktuelle Empfehlungen zu körperlicher Aktivität

Nach den aktuellen Empfehlungen internationalerPublic Health Organisationen wie dem AmericanCollege of Sports Medicine (ACSM) oder demNetzwerk Gesundheit und Bewegung Schweizsollten Erwachsene mindestens 30 Minuten anmoderater körperlicher Aktivität an den meisten,am besten allen Tagen der Woche ausüben, waseinem zusätzlichen Energieverbrauch von ca. 200kcal pro Tag entspricht [9]. Als moderate körperli-che Aktivitäten gelten solche, bei denen man etwasschwerer Atmen muss als normalerweise, wie z.B.beim Radfahren mit normaler Geschwindigkeitoder beim »strammen« Spazieren gehen. Für einen optimalen gesundheitlichen Nutzen solltenErwachsene darüber hinaus nach Möglichkeit dreiAusdauertrainingseinheiten (Dauer 20 bis 60 Mi-nuten je Einheit) und zwei kraft- und beweglich-keitsorientierte Trainingseinheiten pro Woche aus-üben.

Die Frage, welche Arten körperlicher Aktivitäteinen besonders hohen Nutzen für die Gesund-heit versprechen, lässt sich nicht ohne weiteres beantworten, da neben dem Alter und dem derzei-tigen Fitnesszustand der Person auch das Verlet-zungsrisiko einer Sportart oder einer körperlichenAktivität zu berücksichtigen sind. InternationaleEmpfehlungen deuten jedoch darauf hin, dass vorallem die Ausdauerleistung fördernde Aktivitätendas Risiko von Herzkreislaufkrankheiten verrin-gern können. Zusätzlich kann ein Dehn- undKrafttraining die Beweglichkeit und Koordination,besonders im Alter, verbessern. Für ältere und bis-her inaktive Erwachsene gilt »strammes« Spazie-ren gehen als eine Form der körperlichen Akti-vität, die einen hohen gesundheitlichen Nutzenmit einem geringen Verletzungsrisiko verbindet.

Sollten sich die oben angedeuteten jüngstenForschungsergebnisse zur spezifischen gesund-heitlichen Relevanz in unterschiedlichen Kontex-ten von körperlicher Aktivität bestätigen, könntedies in naher Zukunft zu einer weiteren Ausdiffe-renzierung des Konzepts gesundheitsfördernder

körperlicher Aktivität führen. Es ist zu erwarten,dass dann in den Public Health-Empfehlungen diebesondere Qualität des gesundheitsbezogenenSports bzw. anderer freizeitbezogener Bewe-gungsaktivitäten für die öffentliche Gesundheits-förderung stärker berücksichtigt wird.

Rahmenbedingungen und Entwicklungen

In Deutschland liegt die Verantwortung für dieFörderung von gesundheitsförderlichen Bewe-gungsaktivitäten primär bei den Ländern; die Aktivitäten des Bundes erfolgen in der Regel sub-sidiär und auf der Ebene der Rahmenbedingun-gen. Ein Schwerpunkt der Bundesaktivitäten istdie Förderung des Spitzen- und Leistungssports,bei dem jedoch Gesundheitsaspekte nicht imVordergrund stehen. Vor diesem Hintergrund wares von besonderer Bedeutung, dass mit dem Ge-sundheitsreformgesetz 2000 und der Neufassungdes § 20 SGB V die gesetzlichen Krankenkassenwieder einen erweiterten Handlungsrahmen und-auftrag in der Primärprävention und der betrieb-lichen Gesundheitsförderung erhalten haben. Dieser soll mit einem jetzt geplanten Präventions-gesetz weiter ausgebaut und konkretisiert werden.So sollen beispielsweise die gesetzliche Kranken-,die Renten-, die Unfall- und die soziale Pflegever-sicherung künftig gemeinsam Präventionszielefestlegen und an deren Umsetzung arbeiten. Hier-bei wird körperliche Bewegung vermutlich einwichtiges Handlungsfeld darstellen.

Seit Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre haben sich Teile der Sportwissenschaft ex-plizit dem Thema »Gesundheitsförderung« zu-gewandt. Dabei waren Impulse und Ressourcenvon außen, wie die Unterstützung und Beteili-gung der Krankenkassen ebenso von Bedeutung,wie die sich im Gesundheitssektor abzeichnen-den neuen Berufsfelder im Bereich der bewe-gungsbezogenen Prävention und Rehabilitation.Obwohl einige Verbände und Vereine, allen vor-an der Deutsche Sportbund (DSB) und der Deut-sche Turner Bund (DTB), im Verlauf dieser Ent-wicklung ein nachhaltiges gesundheitsbezogenesProfil entwickelt haben, ist der Einfluss der ge-sundheitsfördernden Teile des Sports auf die

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Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Heft 2614

Politik des organisierten Sports insgesamt nochvergleichsweise gering.

Gesundheitspolitik und Sportpolitik stellen beider gezielten Unterstützung gesundheitsfördern-der körperlicher Aktivitäten traditionell die Kern-bereiche dar. Zusätzlich wird die körperliche Akti-vität in der Bevölkerung auch durch anderePolitikfelder beeinflusst. So werden beispielsweisedurch die Städtebau- und Verkehrspolitik wesent-liche Akzente für oder gegen Bewegungsaktivitä-ten gesetzt. Fast sprichwörtlich ist die »Auto-freundlichkeit« vieler Städte. Körperliche Aktivitätin der alltäglichen Lebensführung wird nicht überall infrastrukturell unterstützt (z.B. fehlendeRadwege), während zugleich viele Anreize gesetzt werden, sich »bewegen zu lassen« (z. B. »Drive-in«- Schalter oder einladender Aufzug gegenüberabschreckendem Treppenhaus). Auch Sicherheits-aspekte oder Lärm- bzw. andere Umweltbelästi-gungen sind in diesem Zusammenhang alsHemmfaktoren für körperliche Aktivität von Be-deutung.

Um den Fahrradverkehr systematisch zu för-dern, hat die Bundesregierung im April 2002 einen Nationalen Radverkehrsplan (Bundestags-drucksache 14/9504) verabschiedet [10]. Die zu-nächst auf zehn Jahre angelegte Förderstrategiesieht unter anderem den Ausbau der Radverkehrs-infrastruktur, die Erweiterung von Serviceangebo-ten rund um das Fahrrad, eine verstärkte Öffent-lichkeitsarbeit sowie Maßnahmen für mehrSicherheit im Straßenverkehr vor. Ausgeschöpftwerden können die Potenziale des Fahrradver-kehrs aber nur, wenn auch die Länder und Kom-munen dem Radfahren verstärkte Aufmerksam-keit entgegen bringen, weil der Bund nur fürRadwege außerhalb von Städten und Ortschaftenverantwortlich ist. Es wird geschätzt, dass durchdie oben genannten Maßnahmen der Anteil derWege, die mit dem Fahrrad zurückgelegt werden,von jetzt ca. 9% auf 20 bis 30% erhöht werden kann [11].

Internationale Beispiele zeigen, dass über Bewegungsförderung im Rahmen intersektoralerZusammenarbeit effektive Gesundheitsförderungbetrieben werden kann. So haben schon in den1990er Jahren große Public Health-Institutionenwie die Health Development Agency in Englandsystematisch Querverbindungen zum Verkehrs-und Transportsektor aufgebaut, um damit die Ent-

wicklung von bewegungsfreundlichen Infrastruk-turen zu unterstützen [12]. In Deutschland ent-wickelt beispielsweise das »AktionsprogrammUmwelt und Gesundheit (APUG)1« Ansätze indieser Richtung, in dem es sich z.B. mit den all-täglichen Bewegungsräumen von Kindern und deren gesundheitlichen Implikationen beschäftigt.

Ressourcen und Angebote

Mit dem umfassenden Konzept von körperlicherAktivität, das sich im letzten Jahrzehnt im PublicHealth-Bereich international durchgesetzt hat, ver-bindet sich ein Perspektivenwechsel in der Be-trachtung der Determinanten für einen bewe-gungsaktiven Lebensstil und damit einher gehendder Ansatzpunkte für gesundheitsförderlicheInterventionen. Während die Diskussion bis da-hin weitgehend von individuumsbezogenen Me-thoden bestimmt war, die auf eine direkte Förde-rung des Bewegungsverhaltens von Einzelnenbzw. Kleingruppen durch gezielte Angebote aus-gerichtet sind, wird nun die Bedeutung von politik-und lebensweltbezogenen Ansätzen hervorgeho-ben, die durch eine Verhältnisveränderung in denbewegungsrelevanten Lebensbedingungen diegrundlegenden Voraussetzungen für Verhaltens-änderungen schaffen sollen.

Diese Erkenntnisse führten zu einer verstärk-ten Förderung von körperlicher Aktivität in der all-täglichen Lebensführung, die durch politische Ent-scheidungen (z.B. der Verkehrsplanung in einerStadt) ebenso beeinflusst werden wie durch die Be-wegungsgelegenheiten im unmittelbaren Lebens-umfeld (z. B. im Wohngebiet). Dieser Ansatz istaber auch gesundheitsökonomisch begründet: Im Vergleich zu individuums- oder zielgruppen-

1 Das APUG wurde 1999 vom damaligen Bundesminis-terium für Gesundheit und dem Bundesministeriumfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ver-einbart. Seit 2002 wirkt auch das Bundesverbraucher-schutzministerium mit. Weiter sind das Bundesamt fürStrahlenschutz, das Bundesinstitut für Risikobewer-tung, das Robert Koch-Institut und das Umweltbun-desamt beteiligt. Das Aktionsprogramm vernetzt diePolitikbereiche Umwelt-, Gesundheit- und Verbrau-cherschutz auf Ebene der beteiligten Ministerien undBundesoberbehörden (weitere Informationen unterwww.apug.de).

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bezogenen Ansätzen könnten politik- und lebens-weltbezogene Interventionen die Chance erhöhen, einen größeren Prozentsatz der zu wenig körper-lich aktiven Bevölkerung mit geringeren Kostenpro Person zu erreichen [13].

Gegenwärtig liegen erst wenige Studien überdie tatsächlichen Effekte von politik- und lebens-weltbezogenen Ansätzen zur Förderung körper-licher Aktivität vor. Mit den vorhandenen Datenlassen sich allerdings Zusammenhänge zwischender Qualität der bewegungsrelevanten Verhält-nisse und dem Ausmaß körperlicher Aktivitätnachweisen. Abbildung 8 zeigt den Anteil der positiven Bewertungen von bewegungsbezogenenInfrastrukturen durch die Bevölkerung in der Eu-ropäischen Union [14]. Am schlechtesten schnei-

den in dieser Frage Länder ab, die in anderen Stu-dien auch die geringsten Raten an sportlicher Ak-tivität aufweisen. Deutlich höher sind die positivenBewertungen bewegungsbezogener Infrastruktu-ren in den Ländern mit höheren Raten an sport-licher Aktivität, d.h. in den Niederlanden oder Dä-nemark. Dies deutet auf einen Zusammenhanghin: In den Ländern, in denen die entsprechendenInfrastrukturen von der überwiegenden Mehrheitder Bevölkerung positiv bewertet werden, sindauch höhere Aktivitätsraten zu verzeichnen [15],wobei der Unterschied zu den anderen Ländernvor allem in der Größe der Gruppe der wenig bismoderat Aktiven zum Ausdruck kommt. Somitkönnte die Entwicklung einer aktivitätsförderndenLebenswelt und Politik gerade die Public Health-

Abbildung 8Bewertung der infrastrukturellen Möglichkeiten für Sport und körperliche Aktivität im europäischen VergleichProzent der Befragten mit positiver Bewertung nach LändernQuelle: Daten des Eurobarometers 2002

30

40

50

60

DEN NL FRA LUX W-GER BEL AUS FIN SWE SPA GRE UK E-GER IRL ITA POR

Prozent Land

Sportstätteninfrastruktur Alte Bundesländer Neue Bundesländer (Sachsen)2

ca. 19881 20003 19912 20003

Sportplätze pro 100.000 Einwohner 73,3 70,3 61,2 61,8

Sporthallen pro 100.000 Einwohner 46,4 42,9 39,5 42,2

Hallenbäder pro 100.000 Einwohner 5,9 5,2 2,2 2,5

Freibäder pro 100.000 Einwohner 4,6 4,8 7,0 6,1

1 Länderübergreifende Sportstättenstatistik in den alten Bundesländern, Ministerium des Inneren und für Sport Rheinland Pfalz 19882 »Goldener Plan Ost«, DSB 19923 Sportstättenstatistik der Länder, Sportministerkonferenz 2002

Tabelle 2Vergleich der Sportstätteninfrastruktur in den alten und neuen Bundesländern

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relevante Schwelle von der Inaktivität zur Aufnah-me moderater körperlicher Aktivität senken.

Bei den baulichen Infrastrukturen für Sportund Bewegung im engeren Sinne, d.h. den Sport-stätten, zeigten sich direkt nach der Wiederverei-nigung Unterschiede zwischen alten und neuenBundesländern, die sich in den letzten Jahren ver-ringert haben (Tabelle 2).

Nach der Wiedervereinigung ergab eine ersteBestandsaufnahme ein ungünstiges Bild in derSportstättenversorgung in den neuen Bundeslän-dern. Es mangelte z. B. nicht nur an Sport- undSchwimmhallen, auch die Qualität der vorhande-nen Anlagen war in vielen Fällen zu beanstanden.Der Deutsche Sportbund hat daraufhin unter Ein-beziehung von Experten der öffentlichen Sport-verwaltung sowie des selbst verwalteten Sports den»Goldenen Plan Ost« 1992 entwickelt, mit demeine Angleichung der Sportinfrastruktur zwischenden neuen und den alten Ländern erreicht werdensollte. Im Rahmen eines Sonderförderprogrammsder Bundesregierung nach den Kriterien des »Gol-denen Plan Ost« wurden dafür von 1999 bis 200353,1 Millionen Euro bereitgestellt.

Seit 1991 sind ca. 20% der deutschen Sport-anlagen generalsaniert, modernisiert oder neu er-baut worden. Dabei liegt der Anteil dieser Anlagen

in den neuen Bundesländern mit 27,7% höher alsin den alten Bundesländern (18,8%). Trotz dieserBemühungen sind bis heute Unterschiede in derSportstätteninfrastruktur der neuen und der altenBundesländer festzustellen. Hinzu kommt, dassauch bei den für die körperliche Aktivität im wei-teren Sinne besonders relevanten Bewegungs-möglichkeiten außerhalb der Sportstätten, d.h. Be-wegungsinfrastrukturen im Wohnumfeld, in derStadt oder in der Natur (z.B. Fahrrad- und Wan-derwege), noch deutliche regionale Unterschiedebestehen.

Neben den räumlichen Verhältnissen ist die organisatorische Infrastruktur eine wichtige Be-stimmungsgröße für die Förderung der körper-lichen Aktivität in der Bevölkerung. In diesem Zusammenhang spielen in Deutschland traditio-nell die über 88.000 im Deutschen Sportbund organisierten Sportvereine mit mehr als 26 Millio-nen Mitgliedern eine Schlüsselrolle. In Abbildung9 sind die Anteile der in Sportvereinen organisier-ten Männer und Frauen in verschiedenen Alters-gruppen dargestellt. Es zeigt sich, dass auch in die-ser Hinsicht deutliche Unterschiede zwischen denalten und neuen Bundesländern bestehen. Wäh-rend in den alten Bundesländern ca. 31,8% der Be-völkerung Mitglied in einem Sportverein sind, liegt

Abbildung 9In Sportvereinen organisierter Anteil an der Gesamtaltersgruppe nach alten Bundesländern (ABL)bzw. neuen Bundesländern (NBL)Anteil in ProzentQuelle: Daten des Deutschen Sportbundes 2003

10

20

30

40

50

60

70

bis 6 7–14 15–18 19–26 27–40 41–60 über 60 ABL NBL

Prozent Alter alle Altersgruppen

Frauen

Männer

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der Prozentsatz in den neuen Bundesländern nurbei gut 12,7%. Weiter wird deutlich, dass Frauenseltener Mitglied in einem Sportverein sind alsMänner. Ebenso sind Menschen ab 30 Jahren unter-repräsentiert. Hier liegt noch ein deutliches Poten-zial, die gezielt auf Menschen im mittleren oder höheren Lebensalter oder auf Frauen zugeschnitte-ne Angebote in Sportvereinen auszubauen.

Gerade die Sportorganisationen haben sichim letzten Jahrzehnt als Anbieter von gesund-heitsbezogenen Bewegungsprogrammen profi-liert. So wurden beispielsweise mit der Vergabevon Qualitätssiegeln Anreize für die Mitgliedsver-eine gesetzt und zugleich Qualitätsstandards undProfessionalität des Gesundheitssports im Vereinnach außen demonstriert. Von verschiedenenSportverbänden, insbesondere dem DeutschenTurnerbund (DTB), wurden deutliche Anstren-gungen unternommen, um die Qualität des Gesundheitsports durch neue Angebote und diegezielte Qualifizierung der Übungsleiter zu ver-bessern.

Der Deutsche Sportbund hat beispielsweisein Zusammenarbeit mit der Bundesärztekammerdas Qualitätssiegel »Sport pro Gesundheit« ent-wickelt. Mit diesem Siegel werden Qualitätsstan-dards für Angebote der bewegungsbezogenen Pri-märprävention definiert. Ziel dieser ortsnahenAngebote ist es, gesundheitsfördernde Bewegungauch langfristig in den Tagesablauf zu integrieren.Programme unter diesem Qualitätssiegel könnenfür Menschen mit besonderen Risiken wie Über-gewicht von den gesetzlichen Krankenkassen gefördert werden. Für qualifizierten gesundheits-bezogenen Sport im Verein hat der Deutsche Turnerbund zudem das inzwischen an mehr als10.000 Angebote vergebene Qualitätszeichen»Pluspunkt Gesundheit« entwickelt. Das Zeichengibt es für Angebote, die auf definierte gesund-heitsfördernde Ziele ausgerichtet sind und von lizenzierten Übungsleitern durchgeführt werden.

Auch die Fitness-Studios haben den Markt-wert gesundheitsfördernder körperlicher Aktivitäterkannt und entsprechende Angebote und Aus-bildungsprofile für ihr Personal entwickelt. Gera-de bei den Zielgruppen, die von den Sportverei-nen weniger gut erreicht werden, stoßen sie aufbesonderes Interesse. So hat sich der Bestand anFitnessanlagen in Deutschland seit 1990 von4.100 auf 6.500 im Jahre 2002 erhöht. Im glei-

chen Zeitraum stieg die Anzahl der Mitglieder inFitnessanlagen von 1,7 Millionen auf 5,1 Millionen.Bemerkenswert ist, dass im Vergleich zu denSportvereinen, in denen deutlich mehr Männer alsFrauen aktiv sind, Frauen in Fitnessanlagen unge-fähr gleich häufig wie Männer Mitglied sind.

Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhangauch Angebote der Bewegungs- und Sportthera-pie. Rehabilitative Bewegungsangebote sind inDeutschland ein fester Bestandteil der Anschluss-heilbehandlung [16|. Für Indikationen wie dege-nerative Erkrankungen des Stütz- und Bewe-gungsapparates und des Herz-Kreislaufsystemsverfügt die Sporttherapie über Behandlungs-möglichkeiten, die auf eine physische, psychischeund soziale Kompensation und Regeneration ab-zielen. Nach Angaben der Deutsche Gesellschaftfür Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreis-lauferkrankungen waren 2003 bereits mehr als6.000 sog. Herzgruppen mit mehr als 120.000Patienten und Patientinnen aktiv. Damit kann dieSporttherapie einen wichtigen Beitrag zur Erlan-gung und Erhaltung der Aktivitäten des alltäg-lichen Lebens leisten. Beeinflusst durch die For-derung nach Wirksamkeitsnachweisen in derMedizin sind auch bewegungs- und sportthera-peutische Maßnahmen in letzter Zeit verstärktzum Gegenstand wissenschaftlicher Untersu-chungen gemacht worden.

Da die Grundvoraussetzung für ein körperlichaktives Leben bereits im Kindes- und Jugendaltergeschaffen wird, kommt dem Schulsport ein ho-her Stellenwert zu. In der im Dezember 2000 ver-abschiedeten »Gemeinsamen Erklärung des Präsi-denten des Deutschen Sportbundes und desVorsitzenden der Sportministerkonferenz zur Bedeutung des Schulsports für lebenslanges Sport-treiben« wird insbesondere auf den Beitrag des Sportunterrichts zur Förderung des körper-lichen und geistigen Wohlbefindens, zur Hebungdes Selbstbewusstseins sowie zur Ausbildung eines entwicklungs- und gesundheitsförderlichenSelbstkonzepts verwiesen. Trotz solcher Erklärun-gen ist in den letzten Jahren in einigen Bundes-ländern eine Reduzierung der Pflichtsportstundenan den Schulen diskutiert und auch durchgesetztworden. Um diesen Kürzungen entgegenzutreten,hat sich in der Zwischenzeit das »AktionsbündnisSchulsport« gegründet. Neben dem regulärenSportunterricht bieten außerunterrichtliche Initia-

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tiven wie »Bewegte Schule« (Bayern) oder »Bewe-gungsfreundliche Schulen« (Thüringen), sowie dieKooperation von Schulen und Sportvereinen zahl-reiche Ansatzpunkte, um Kinder und Jugendlichean ein körperlich aktives Leben heranzuführen.

Empfehlungen des Centers for Disease Con-trol and Prevention (CDC) betonen in diesem Zu-sammenhang die Wirksamkeit von Schulsport-stunden für die Förderung von körperlicherAktivität unter Kindern und Jugendlichen. Dem-gegenüber bestehen nach dem CDC zurzeit keineausreichenden Beweise für die Wirksamkeit vonklassenraumbezogener Gesundheitserziehung zurFörderung körperlicher Aktivität. Betrachtet mandie Empfehlungen des CDC insgesamt, so werdeneine aktivitätsfördernde Lebenswelt und Politik zurSteigerung körperlicher Aktivität in den Bevölke-rung als besonders wirksam erachtet. Ferner emp-fiehlt das CDC gemeindebezogene Maßnahmenunter Einbeziehung verschiedener kommunalerAkteure und verschiedener Interventionsstrate-gien zur Förderung körperlicher Aktivität. Bei die-sen gemeindebezogenen Maßnahmen werden, ne-ben Informations- und Aufklärungskampagnen inverschiedenen Settings, Modifikationen der Le-benswelt und der Politik sowie eine Verbesserungder sozialen Unterstützung angestrebt. Auf der an-deren Seite sieht das CDC keine ausreichendenBeweise für die Wirksamkeit von massenmedialenKampagnen zur Förderung körperlicher Aktivitätohne begleitende Maßnahmen. Kampagnen ansich mögen zwar in Bevölkerungen das Wissenüber den gesundheitlichen Nutzen von körper-licher Aktivität steigern, sind aber offensichtlichallein nicht in der Lage, eine Verhaltensänderunghin zu aktiveren Lebensstilen zu bewirken, son-dern es bedarf begleitender Angebote wie bei-spielsweise durch Sportvereine.

Kosten und Einsparpotenziale

Bei der gesundheitsökonomischen Analyse undBewertung von körperlicher Aktivität ist trotz allermethodischen Schwierigkeiten unstrittig, dass einMehr an körperlicher Aktivität ein Weniger an Ge-sundheitsausgaben bewirkt. In den meisten dervorliegenden Studien werden die Krankheitskos-ten verursachenden Aspekte eines körperlich in-aktiven Lebensstils betont. So schätzen beispiels-weise kanadische Wissenschaftler, dass im Jahr1999 mehr als 1,5 Milliarden Euro, d.h. 2,5% dergesamten Gesundheitsversorgungskosten des Lan-des, der körperlichen Inaktivität in der Bevölkerungzuzurechnen waren; schon eine 10-prozentige Re-duktion der Inaktivität könnte die Krankheitskos-ten nach dieser Studie um rund 100 Millionen Euroreduzieren [17]. Amerikanische Studien gehen da-von aus, dass die lebenslang berechneten Mehr-kosten der Gesundheitsversorgung, die durch in-aktive Personen entstehen, höher sind als die vonRauchern und Raucherinnen verursachten Kosten[18]. Für die Schweiz sind die jährlichen Mehrkos-ten für das Gesundheitssystem durch körperlicheInaktivität auf 1,6 Milliarden Schweizer Frankengeschätzt worden, und für Österreich ergibt eineGegenüberstellung der Kosten und des Nutzensdurch Sport eine jährliche Einsparung von ca. 270Millionen Euro durch sportliche Aktivität.

Insgesamt ist aufgrund der vorliegenden Stu-dien davon auszugehen, dass durch eine verstärk-te körperliche Aktivität in der Bevölkerung eine finanzielle Entlastung der öffentlichen Gesund-heitssysteme eintritt. Bei vielen gesundheitsöko-nomischen Schätzungen werden Einsparungendurch die langfristigen Wirkungen von körper-licher Aktivität jedoch häufig nicht berücksichtigt.So kommen verschiedene Querschnittanalysen zuder Schlussfolgerung, dass im jungen Alter dieKosten körperlicher Aktivität (z.B. durch Sportver-letzungen) den unmittelbaren gesundheitsökono-mischen Nutzen (z.B. durch Einsparungen bei derinaktivitätsinduzierten Krankheitsversorgung) auf-wiegen. Die präventive Wirkung des Sports im Kin-des- und Jugendalter auf eine Reihe gesundheit-licher Risikofaktoren (z.B. Übergewicht) wird indiesen Berechnungen ebenso wenig berücksichtigtwie die indirekte gesundheitliche Bedeutung desSporttreibens in jungen Jahren für die körperliche

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Aktivität und Gesundheit im Alter (z.B. durch dieEntwicklung eines bewegungsaktiven Lebensstils).Gerade durch die Zunahme des Körpergewichtsund in direkter Folge die Zunahme an durch Über-gewicht verursachte Erkrankungen wie z.B. Dia-betes mellitus Typ II wird das hohe Kosteneinspa-rungspotenzial durch eine gezielte körperlicheAktivierung deutlich. Werden solche Zusammen-hänge und Folgewirkungen einkalkuliert, ist eineFörderung von körperlicher Aktivität auch in jun-gem Alter unbedingt als eine auch gesundheits-ökonomisch lohnende Investition anzusehen. Immittleren und vor allem höheren Lebensalter wer-den durch körperliche Aktivität unmittelbar Kran-kenkosten eingespart. So reduziert sich das Verlet-zungsrisiko z.B. durch die Art und Intensität derim Alter bevorzugten Aktivitäten; der direkte Nut-zen ist hier beträchtlich höher als die Kosten [19].

Auch der direkte Vergleich der Kosten und desNutzens von Interventionsprogrammen zur Prä-vention körperlicher Inaktivität mit Programmenzur Prävention anderer verhaltensbezogener Risi-kofaktoren ergibt nach den Ergebnissen einer 1997durchgeführten englischen Studie ein sehr vorteil-haftes Bild, auch wenn diese Ergebnisse aufgrundder unterschiedlichen Gesundheitssysteme nichtdirekt auf Deutschland übertragen werden können.Während für ein Interventionsprogramm zur För-derung körperlicher Aktivität bei über 65-JährigenNettokosten von 530 Euro pro gewonnenes Lebens-jahr berechnet wurden, liegen die vergleichbarenKosten bei anderen Präventionsmaßnahmen deut-lich höher, z.B. bei 1.120 Euro für eine ärztliche Be-ratung zum Thema Rauchen, bei 5.940 Euro fürCholesterin-Screening oder bei 13.650 Euro für dieBehandlung von leichtem bis mäßigem Bluthoch-druck mit Beta-Blockern. Insofern wird die Förde-rung von körperlicher Aktivität heute als »best buy«für Public Health-Interventionen angesehen [20].

Durch körperliche Aktivität und speziell durchVerletzungen beim Sport entstehen natürlich auchKosten für das Gesundheitswesen. So werden inDeutschland jährlich etwa 1,25 Millionen Sport-verletzungen [21] verzeichnet, die ärztlich versorgtwerden müssen. Der Gesamtbetrag der Kosten fürdie stationäre und ambulante Behandlung vonSportverletzungen wird nach einer Studie mit ca.1,5 Milliarden Euro angegeben. Das würde ca. 1%der Gesamtkosten im Gesundheitswesen entspre-chen. Dabei zeigt die Epidemiologie der Sportun-

fälle deutliche Unterschiede nach der Art der sport-lichen Betätigung: während Fußball und andereBallsportarten sowie der alpine Skisport die Rang-liste der Unfallsportarten anführen, weisen inDeutschland bevorzugte Freizeitsportarten, wie z.B. das Schwimmen, ein deutlich reduziertes Ver-letzungsrisiko auf. Insgesamt ist das Verletzungs-risiko beim Gesundheitssport, d.h. den Sportarten,die vorwiegend zur Förderung der Gesundheit ausgeübt werden, als gering einzustufen. So bleibtfestzuhalten, dass über alle Altersgruppen eine Ak-tivierung der Bevölkerungen aus gesundheits-ökonomischer Perspektive sinnvoll erscheint, dadie durch Sportverletzungen entstehenden Kostendurch die oben erwähnten Einsparungen an Krank-heitskosten, die sich durch einen körperlich aktivenLebensstil ergeben, mehr als ausgeglichen werden.

Ausblick

Die gesundheitliche Relevanz körperlicher Akti-vität und die besondere gesundheitsökonomischeQualität auf körperliche Aktivierung ausgerichte-ter Interventionsansätze (»best buy«) unterstrei-chen die aktuellen gesellschaftlichen Anstrengun-gen, das Thema Bewegung dauerhaft auf derAgenda von Prävention und Gesundheitsförde-rung zu platzieren. Es gibt in diesem Zusammen-hang eine Reihe von Ansatzpunkten, wie die ver-antwortlichen Akteure aus Gesundheitssystem,Sport, Politik und Wissenschaft diese Entwicklungnachhaltig unterstützen können.

Spezifizierung der Empfehlungen und Interven-tionsansätze zur gesundheitsförderlichen körperlichen Aktivität

Aus der Analyse der Verbreitung von sportlicherund körperlicher Aktivität in Deutschland sowieim internationalen Vergleich ergibt sich die Not-wendigkeit einer genaueren Spezifizierung derZusammenhänge zwischen den verschiedenenFormen körperlicher Aktivität und ihren jeweili-gen gesundheitlichen Effekten. Dabei ist insbe-sondere der Kontext körperlicher Aktivität, z. B.die bei vergleichbarem Kalorienverbrauch durch-aus unterschiedlichen gesundheitlichen Wirkun-

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gen von körperlicher Berufs- oder Hausarbeit undfreizeitsportlicher Aktivität, zu beachten.

In der sportwissenschaftlichen Diskussionwurde in den letzten Jahren bereits eine eindeutigeAbgrenzung von »Sport« und »Gesundheitssport«vorgenommen. Gesundheitssport wird dabei als einhochstrukturierter, auf gesundheitliche Effekte aus-gerichteter Ausschnitt aus gesundheitsförderlicherkörperlicher Aktivität im Schnittbereich von Sport-und Gesundheitssystem verstanden [22]. Als spezi-fische Ziele und Qualitäten des Gesundheitssportswerden die Stärkung physischer und psychosozia-ler Ressourcen, die Prävention von Risikofaktoren,die Bewältigung von Gesundheitsbeschwerden, dieBindung an gesundheitssportliches Verhalten so-wie die Verbesserung der Bewegungsverhältnissedefiniert. Dass dieses differenzierte Verständnis vonGesundheitssport im Leitfaden der Spitzenver-bände der Krankenkassen zur Umsetzung des §20 SGBV, Abs. 1 und 2 den Ausführungen zu Be-wegungsgewohnheiten zugrunde gelegt wurde, istein wesentlicher Schritt zur weiteren Qualitätsent-wicklung im diesem Bereich.

In naher Zukunft sollte eine vergleichbare Abgrenzung von »körperlicher Aktivität« und »gesundheitsförderlicher körperlicher Aktivität«vorgenommen werden. Die bisher vorliegendenallgemeinen Definitionen, nach denen gesund-heitsförderliche körperliche Aktivität jede Formvon körperliche Aktivität umfasst, die einen ge-sundheitlichen Nutzen verspricht und kein über-mäßiges gesundheitliches Risiko beinhaltet, sindgemäß nachgewiesener gesundheitsförderlichenQualitäten zu spezifizieren.

Im Hinblick auf qualitätsgesicherte Interven-tionen zur Förderung körperlicher Aktivität wur-den von der »Kommission Gesundheit« der Deut-schen Vereinigung für Sportwissenschaft in denletzten Jahren Ansätze zu qualitätsgesichertenInterventionen im Bereich des Gesundheitssportsentwickelt. Weiter erscheint es gerade unter denbesonderen Aspekten der politik- und lebenswelt-bezogenen Gesundheitsförderung wichtig, die vor-liegenden spezifischen Ansätze zur Evidenzbasie-rung und Qualitätssicherung aus der New PublicHealth-Diskussion aufzugreifen. Danach wäreninsbesondere kooperative und partizipatorischeInterventions- und Evaluationsansätze für eine er-folgreiche Umsetzung bewegungsbezogener Ge-sundheitsförderung zu empfehlen [23].

Sektorenübergreifende Zusammenarbeit

Die Anstrengungen zur besseren Unterstützungder körperlichen Aktivität sollten auf eine umfas-sende Förderung bewegungsaktiver Lebensstile inder Bevölkerung abzielen. Diese konzentriert sichsowohl auf Sporträume und Gesundheitssportan-gebote im engeren Sinne als auch auf die Schaf-fung vielfältiger Bewegungsmöglichkeiten imKontext einer gesundheitsförderlichen Infrastruk-turentwicklung. Die Förderung von Präventionund Gesundheitsförderung ist nicht nur als Auf-gabe der Gesundheits- und Sportpolitik, sondernals eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe anzuse-hen (Entwicklung einer gesundheitsförderlichenGesamtpolitik). So werden in Zukunft beispiels-weise die Konsequenzen anderer Politiksektoren(z. B. Verkehr, Stadtentwicklung, Bildung, Wirt-schaft) für die Entwicklung bewegungsaktiver Le-bensstile stärker als bisher zu berücksichtigensein.

Initiierung von Programmen und Maßnahmen

Von der Bundesebene können durch die Entwick-lung von Präventionszielen, die Förderung derQualitätssicherung und durch die GesetzgebungImpulse zur Verbesserung und Stärkung von Prä-ventionsmaßnahmen ausgehen. In diesem Sinnehat die Bundesregierung durch die Gesundheits-reform 2000 wieder eine stärkere Kooperation vonKrankenkassen, Sportorganisationen und Sport-wissenschaft eingeleitet, die für die gesamte Be-völkerung zu einer verbesserten qualitätsgesi-cherten Bewegungsförderung führen soll.

Auf Bundesebene werden im Bereich der Ge-sundheitspolitik derzeit mehrere Aktivitäten ver-folgt, die die Förderung von bewegungsbezogenerPrävention bzw. Gesundheitsförderung zum In-halt haben. Neben gesundheitsziele.de und demForum Prävention und Gesundheitsförderung istbeispielsweise die Plattform Ernährung und Be-wegung zu nennen. Das Forum Prävention undGesundheitsförderung hat das Ziel, Präventionund Gesundheitsförderung in allen Lebens- undPolitikbereichen, insbesondere auch im Gesund-heitswesen, zu stärken. Dazu gehören die Ent-wicklung und Umsetzung von breitenwirksamenPräventionskonzepten besonders im Hinblick auf

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Bewegung, Ernährung und psychische Belastun-gen. Für die Entwicklung von Gesundheitszielenauf Bundesebene wurde das Projekt gesundheits-ziele.de initiiert. Die gemeinsame Initiative desBundesministeriums für Gesundheit und SozialeSicherung (BMGS) und der Gesellschaft für Ver-sicherungswissenschaft und -gestaltung (GVG),gefördert aus dem Forschungstitel des Ministeri-ums, bringt zahlreiche Fachleute aus verschiedens-ten Bereichen des Gesundheitswesens in einemForum zusammen. Der Fokus liegt dabei nicht nurauf der Gesundheitsversorgung, sondern aus-drücklich auch auf Prävention sowie Bürger- undPatientenbelangen.

Wichtige Impulse werden durch das geplanteGesetz zur Stärkung der gesundheitlichen Prä-vention erwartet, dass sich zurzeit in der parla-mentarischen Abstimmung befindet. Mit diesemGesetz soll der Bereich der Prävention und Ge-sundheitsförderung deutlich gestärkt werden. ImRahmen der Umsetzung dieses Gesetzes sollenPräventionsziele und Umsetzungsstrategien vonBund, Ländern, Kommunen sowie den Akteurendes Gesundheitssystems evidenzbasiert entwickeltwerden, sowie entsprechende qualitätsgesicherteMaßnahmen umgesetzt werden.

Um dem Zusammenspiel der unterschied-lichen Politikbereiche Rechnung zu tragen, hat die Bundesregierung zudem am 20.04.2005 beschlossen, das koordinierte und übergreifendeHandeln im Bereich der gesundheitlichen Präven-tion zu stärken. Am Ende des damit angestoße-nen Entwicklungsprozesses soll eine integriertebereichs- und ressortübergreifende Gesamtstrate-gie der Bundesregierung zur gesundheitlichenPrävention stehen. Die Handlungsfelder, von de-nen eines »Ernährung und Bewegung« und einweiteres »Sicherheit im Straßenverkehr« zur Ver-besserung der Bewegungsmöglichkeiten von Fuß-gängern und Radfahrern heißt, spiegeln auch hierdie Bedeutung körperlicher Aktivität wieder.

Parallel und möglichst eng verzahnt mit denAnstrengungen auf Bundes- und Landesebenesollte die Politikentwicklung zur Förderung kör-perlicher Aktivität auf kommunaler Ebene voran-getrieben werden. Gerade die kommunale Sport-entwicklungsplanung ist dabei zukünftig alsQuerschnittsaufgabe zu definieren, die sich nichtnur um Sportstätten, sondern im Kontext vonStadtentwicklung um Bewegungsräume in der

gesamten Kommune kümmert. Durch die Bund-Länder-Übereinkunft zur »Sozialstadt« könnten z.B. die Möglichkeiten der sozialen Integration desSports im Sinne einer zukunftsorientierten Sport-entwicklung im kommunalen Raum genutzt wer-den. Der kombinierte Einsatz von Mitteln derSportförderung und der Stadtentwicklung kannzusätzliche Möglichkeiten eröffnen, neue Bewe-gungsräume im unmittelbaren Wohnumfeld zuschaffen. Kooperative Planungsansätze, die Sport-sektor und andere Politikfelder z.B. im Rahmen lokaler Agenda21-Prozesse zusammen bringen, erscheinen geeignet, entsprechende Ansätze zurumfassenden Förderung der körperlichen Akti-vität zu implementieren.

Qualitätssicherung

Die in der Neuformulierung des § 20 SGB V imJahr 2000 (in der Fassung vom 27.6.2001) her-vorgehobene Bedeutung der Qualitätssicherung inder primären Prävention und Gesundheitsförde-rung, die mit dem Präventionsgesetz weiterent-wickelt werden sollen, ist nachdrücklich zu unter-streichen. Qualitätsstandards sind im Hinblick aufgezielte Interventionen zum Bewegungsverhaltenund für lebenswelt- und politikbezogene Ansätzeebenso festzulegen wie bei der Ausbildung desPersonals. Qualitätssicherung sollte – über dieDurchführung von Bewegungsprogrammen imengeren Sinne hinaus – für die gesamte Angebots-und Infrastrukturplanung im Bereich gesund-heitsförderlicher körperlicher Aktivität konstitutivsein. Der öffentliche Gesundheitsdienst könnte indiesem Kontext als qualitätssichernde Instanz einebesondere Rolle übernehmen.

Kontinuierliches Monitoring

Auch die Gesundheitsberichterstattung wird einenwichtigen Beitrag zur Entwicklung von verbessertenSteuerungsmöglichkeiten bei der Förderung kör-perlicher Aktivität leisten können. Hierzu ist einekontinuierliche Erfassung von körperlicher Akti-vität Voraussetzung, mit der dann Aussagen überlängerfristige Veränderungen im Bewegungsver-halten sowie über die Effekte politischer Interven-tionen in diesem Bereich möglich werden.

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Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publika-tionin der Deutschen Nationalbibliografie.

HerausgeberRobert Koch-Institut

Nordufer 2013353 Berlin

RedaktionRobert Koch-Institut

GesundheitsberichterstattungDr. Thomas Ziese

Seestraße 1013353 Berlin

Autoren Prof. Dr. Alfred Rütten

Dr. Karim Abu-OmarFriedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Institut für Sportwissenschaften und SportThomas LampertDr. Thomas Ziese

Robert Koch-Institut

AbonnentenserviceDie Hefte »Gesundheitsberichterstattung des

Bundes« können im Jahresabonnement oder als einzelne Hefte bezogen werden.

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DruckOktoberdruck, Berlin

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ISBN3-89606-158-5

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Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Heft 26 23

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Die politische und finanzielle Verantwortung fürdie Gesundheitsberichterstattung des Bundes liegtbeim Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung.

Gesundheitsberichterstattung des Bundes

Robert Koch-Institut in Zusammenarbeit mit demStatistischen Bundesamt

Heft 26Juli 2005

Körperliche Aktivität

Berlin: Robert Koch-InstitutISBN 3-89606-158-5ISSN 1437-5478

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Physical inactivity is a serious health risk factor. Estimates from the USA suggest that one fourth ofall avoidable deaths due to chronic diseases are attributable to a sedentary lifestyle. Interventions topromote physical activity are advisable for thehealth benefits they promise; from an economicalperspective they have been labeled a »best buy« forpublic health. International comparisons indicatethat adult Germans show relatively high levels ofphysical activity. However, more than 37% of adultGermans do not report any type of engagement inleisure-time physical activity. While Southern Euro-pean countries (e.g. Spain and Portugal) show evenhigher rates of leisure-time inactivity, nations suchas the Netherlands, Austria or Northern Europeancountries have much lower rates of leisure-time inactivity. From a public health perspective, physical activityenhancing infrastructures (e.g. sport facilities, bikepaths) and supportive policies play a crucial role inpromoting the physical activity of the population. A decrease of sedentary lifestyles might be accom-plished by encouraging greater co-operation be-tween health- sports- and transportation policystakeholders, and federal level initiatives for healthgouvernance. In particular, improvements to infra-structure and policy at the community grass rootslevel, enhanced health promotion, and better healthmonitoring, may help to further promote physicalactivity in Germany.

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© Robert Koch-Institut

ISBN 3-89606-158-5ISSN 1437-5478

Körperliche Inaktivität ist ein ernstzunehmender gesund-heitlicher Risikofaktor. Nach Schätzungen aus den USAsind knapp ein Viertel aller durch chronische Erkrankungenbedingten Todesfälle dem Mangel an regelmäßiger körperlicher Aktivität zuzurechnen. Dabei sind Interven-tionsprogramme zur Förderung körperlicher Aktivität nichtallein wegen ihrer gesundheitlichen Relevanz geboten,sondern sie können auch unter gesundheitsökonomischerPerspektive als »best buy« in der öffentlichen Gesund-heitsvorsorge bezeichnet werden. Im internationalen Vergleich zeigen erwachsene Deutsche ein relativ hohesMaß an körperlicher Aktivität. Allerdings geben über 37%der erwachsenen deutschen Bevölkerung in repräsentativenUmfragen an, in keiner Form Sport zu treiben. Während imVergleich dazu Erwachsene in südeuropäischen Ländernwie Spanien oder Portugal noch seltener Sport treiben,zeigen unsere Nachbarländer Niederlande und Österreichoder auch nordeuropäische Staaten ein deutlich höheresMaß an sportlicher Aktivität. Als Grundlagen für die weitere körperliche Aktivierung derBevölkerung spielen sowohl die Schaffung von bewe-gungsfreundlichen Infrastrukturen (Sport- und Bewe-gungsmöglichkeiten) als auch eine gezielte Förderpolitikeine entscheidende Rolle. Um hier in Zukunft optimale Voraussetzungen zu schaffen, gibt es verschiedeneSteuerungsmöglichkeiten. Diese reichen von einerVerbesserung der intersektoralen Zusammenarbeit (z.B.zwischen Gesundheits-, Sport- und Verkehrspolitik) unddem Ausbau der Möglichkeiten des Bundes, der Länder,der Kommunen sowie der Akteure im Gesundheitswesenim Bereich der bewegungsbezogenen Gesundheits-förderung, über die Stärkung der kommunalen Infrastruk-tur- und Politikentwicklung beispielsweise im Rahmen derSportentwicklungsplanung, bis hin zur Förderung desQualitätsmanagements im Gesundheitssport und demAusbau eines kontinuierlichen bewegungsbezogenenHealthmonitoring.

R O B E R T K O C H I N S T I T U TStat is t isches Bundesamt

Gesundheitsberichterstattung des Bundes

Heft 26Körperliche Aktivität