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Lehrbausteine Stadt | Landschaft | Planung Instrumente der Stadtplanung Ein Überblick über die Möglichkeiten kommunaler Akteure, an der Stadtentwicklung mitzuwirken Stadtentwicklung vollzieht sich im Wesentli- chen durch das Handeln vieler Akteure in Ge- sellschaft und Märkten: Deren Standort- und Investitionsentscheidungen, ihre Qualitätsmaß- stäbe und Renditeerwartungen, ihre Gewohn- heiten und Präferenzen bewegen die Sied- lungsentwicklung (dazu auch den Lehrbaustein -> Akteure der Stadtentwicklung). Öffentliche Akteure reagieren auf diese Entwicklungen bzw. Nachfragen und bieten Infrastrukturen und rechtliche Voraussetzungen für die weitere Entwicklung an. Daneben und darüber hinaus gibt es Bemühungen öffentlicher Akteure, selbst Entwicklungsimpulse zu setzen und aktiv (mit-)gestaltend auf die räumliche Entwicklung einzuwirken. Auf welche Weise geschieht das? Welche Möglichkeiten zur Einflussnahme und Mitge- staltung bestehen, welche Instrumente, Ar- beitsweisen und Organisationsformen kommen zur Anwendung? Diesen Fragen wird im Fol- genden nachgegangen. 1. Das Instrumentenspektrum Wer von Planungsinstrumenten redet, denkt dabei in der Regel vorrangig an Pläne, Ge- und Verbote oder kommunale Satzungen. Dies ist jedoch nur ein Ausschnitt aus dem deutlich breiteren Instrumentenspektrum. Ne- ben rechtlich verbindlichen Plänen und Ratsbe- schlüssen zu kommunalen Satzungen etc. fin- det man in der Praxis zahlreiche weitere In- strumente. Nur einige Beispiele: • Aushandlungsprozesse zwischen Regional- verband und Kommune im Vorfeld von Flä- chennutzungsplanungen oder bei der Neu- ausweisung einzelner Standorte; • Beschaffen von Finanzmitteln – nicht allein im kommunalen Haushalt, sondern auch bei Bund, Ländern, EU oder privaten Geldgebern; • Medienarbeit, um auf Probleme und Aufga- ben aufmerksam zu machen (»public awa- reness«), über Absichten zu informieren oder kontroverse Standpunkte zu diskutieren; • Durchführung eines städtebaulichen Wett- bewerbs, eines Expertenworkshops u.ä. zur Qualifizierung von Konzepten; • Neuorganisation der Verwaltung zur Be- schleunigung und Effektivierung von Prozes- sen; • Durchführung einer Bürgerversammlung, um über Entwicklungsabsichten und –möglichkei- ten für einen Stadtteil zu diskutieren. etc. Diese hier ungeordnete und willkürlich ge- nannten Beispiele lassen sich systematisieren und zu »Bündeln« zusammenfassen: Sechs »Instrumentenbündel« Es lassen sich sechs solcher »Instrumentenbün- del« unterscheiden. Zu den indirekt wirkenden (also über die Einflussnahme auf Akteure auf den Raum zielenden) gehören: 1. Regulative Instrumente (Bau-, Planungs-, Naturschutz-, Umweltrecht etc.); 2. Kommunikative, auf Überzeugung (»Persu- asion«) und Verständigung ausgerichtete Ar- beitsformen; 3. Finanzielle Steuerungsformen (öffentliche Förderung und andere Quellen finanzieller Un- terstützung). Direkt können öffentliche Akteure im Raum vor allem auf folgende Weise wirksam werden: 4. Marktteilnahme (z.B. Zwischenerwerb von Grundstücken); 5. Entwicklung von Standorten durch öffentli- che Investitionen (Bau von Infrastrukturen, In- Wert-Setzung von Freiräumen, Schaffen von »Adressen«). Darüber hinaus können öffentliche Akteure strukturierend auf Prozesse einwirken. Hierzu geeignet sind unter anderem: 6. Prozessmanagement, Förderung von Mei- nungsbildung und Koordination unter ver- schiedenen Akteursgruppen, Gestaltung von Kooperationen, Organisationsentwicklung etc. Baustein Instrumente | Selle & Wachten 1|12

Instrumente der StadtplanungEin Überblick über die ... · fonds – kann ein wichtiges Instrument sein, denn so eröffnen sich nicht nur ökonomische Steuerungsmöglichkeiten (Preisgestaltung

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Ein Überblick über die Möglichkeiten kommunaler Akteure, an der Stadtentwicklung mitzuwirken

Stadtentwicklung vollzieht sich im Wesentli-chen durch das Handeln vieler Akteure in Ge-sellschaft und Märkten: Deren Standort- und Investitionsentscheidungen, ihre Qualitätsmaß-stäbe und Renditeerwartungen, ihre Gewohn-heiten und Präferenzen bewegen die Sied-lungsentwicklung (dazu auch den Lehrbaustein -> Akteure der Stadtentwicklung). Öffentliche Akteure reagieren auf diese Entwicklungen bzw. Nachfragen und bieten Infrastrukturen und rechtliche Voraussetzungen für die weitere Entwicklung an. Daneben und darüber hinaus gibt es Bemühungen öffentlicher Akteure, selbst Entwicklungsimpulse zu setzen und aktiv (mit-)gestaltend auf die räumliche Entwicklung einzuwirken.Auf welche Weise geschieht das? Welche Möglichkeiten zur Einflussnahme und Mitge-staltung bestehen, welche Instrumente, Ar-beitsweisen und Organisationsformen kommen zur Anwendung? Diesen Fragen wird im Fol-genden nachgegangen.

1. Das Instrumentenspektrum

Wer von Planungsinstrumenten redet, denkt dabei in der Regel vorrangig an Pläne, Ge- und Verbote oder kommunale Satzungen.

Dies ist jedoch nur ein Ausschnitt aus dem deutlich breiteren Instrumentenspektrum. Ne-ben rechtlich verbindlichen Plänen und Ratsbe-schlüssen zu kommunalen Satzungen etc. fin-det man in der Praxis zahlreiche weitere In-strumente. Nur einige Beispiele:• Aushandlungsprozesse zwischen Regional-verband und Kommune im Vorfeld von Flä-chennutzungsplanungen oder bei der Neu-ausweisung einzelner Standorte;• Beschaffen von Finanzmitteln – nicht allein im kommunalen Haushalt, sondern auch bei Bund, Ländern, EU oder privaten Geldgebern;• Medienarbeit, um auf Probleme und Aufga-ben aufmerksam zu machen (»public awa-

reness«), über Absichten zu informieren oder kontroverse Standpunkte zu diskutieren;• Durchführung eines städtebaulichen Wett-bewerbs, eines Expertenworkshops u.ä. zur Qualifizierung von Konzepten;• Neuorganisation der Verwaltung zur Be-schleunigung und Effektivierung von Prozes-sen;• Durchführung einer Bürgerversammlung, um über Entwicklungsabsichten und –möglichkei-ten für einen Stadtteil zu diskutieren. etc.

Diese hier ungeordnete und willkürlich ge-nannten Beispiele lassen sich systematisieren und zu »Bündeln« zusammenfassen:

Sechs »Instrumentenbündel«

Es lassen sich sechs solcher »Instrumentenbün-del« unterscheiden. Zu den indirekt wirkenden (also über die Einflussnahme auf Akteure auf den Raum zielenden) gehören:1. Regulative Instrumente (Bau-, Planungs-, Naturschutz-, Umweltrecht etc.); 2. Kommunikative, auf Überzeugung (»Persu-asion«) und Verständigung ausgerichtete Ar-beitsformen;3. Finanzielle Steuerungsformen (öffentliche Förderung und andere Quellen finanzieller Un-terstützung).

Direkt können öffentliche Akteure im Raum vor allem auf folgende Weise wirksam werden:4. Marktteilnahme (z.B. Zwischenerwerb von Grundstücken); 5. Entwicklung von Standorten durch öffentli-che Investitionen (Bau von Infrastrukturen, In-Wert-Setzung von Freiräumen, Schaffen von »Adressen«).

Darüber hinaus können öffentliche Akteure strukturierend auf Prozesse einwirken. Hierzu geeignet sind unter anderem: 6. Prozessmanagement, Förderung von Mei-nungsbildung und Koordination unter ver-schiedenen Akteursgruppen, Gestaltung von Kooperationen, Organisationsentwicklung etc.

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Abb. 1: Instrumente der räumlichen Entwicklung und

Steuerung aus der Sicht kommunaler Akteure

Im Folgenden werden diese Instrumentenarten kurz skizziert:

»Regulative« Instrumente

Es ist kein Zufall, dass das Planungsinstrumen-tarium oft mit den Plänen und Satzungen, den Ver- und Geboten gleichgesetzt wird, die auf der Basis des Baugesetzbuches (oder dem Na-turschutzrecht des Bundes und der Länder) erlassen werden. Denn diese Instrumente bil-den den »harten Kern« der Steuerungsmög-lichkeiten kommunaler Akteure. Sie wirken• einerseits auf andere öffentliche Akteure (z.B. Fachbehörden) und binden sie an die Rahmen setzenden Pläne (etwa den Flächennutzungs-plan) und• anderseits unmittelbar gegenüber privaten Akteuren – indem etwa die Bebauungspläne Art und Maß der baulichen Nutzung auf einem Grundstück rechtlich verbindlich regeln.

Typische Pläne und Festsetzungen aus dem Bündel des regulativen Instrumentariums sind etwa: Flächennutzungs- und Bebauungspläne (dazu mehr in Kap. 2), städtebauliche Verträge, Vorhaben- und Erschließungspläne, städtebau-

liche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnah-men, Maßnahmen des »Stadtumbaus« und der »Sozialen Stadt«, Landschafts- und Grün-ordnungspläne, Festsetzung von Ausgleichs-maßnahmen, Bodenordnung, Erschließungsre-gelungen etc.

Weil diese Pläne und Satzungen andere rechtlich binden, werden sie gelegentlich auch als »harte« Instrumente bezeichnet.

»Persuasive« Instrumente

Wesentliche Ziele der Stadtentwicklung und Stadtplanung lassen sich nicht allein per Sat-zung durch öffentliche Akteure fixieren und anderen Akteuren zur Umsetzung vorschrei-ben. Vielmehr sind hier vielfältige Verständi-gungsbemühungen notwendig: Der Sinn von Maßnahmen muss vermittelt und der mögliche Nutzen aufgezeigt werden. Zudem gilt es, ver-schiedene Umsetzungsmöglichkeiten und den damit verbundenen Aufwand sichtbar zu ma-chen und gemeinsam zu erörtern. Diese »per-suasiven«, also auf die wechselseitige Über-zeugungsarbeit der Gesprächspartner beru-

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henden Instrumente, sind für das Gelingen von Planungsprozessen oft von entscheidender Be-deutung. Zwar schreiben auch die Gesetze Kommunikationsprozesse (so etwa das BauGB die Beteiligung der Öffentlichkeit (§ 3) und der für die jeweilige Planung bedeutsamen Behör-den (§ 4)) vor, aber mit diesen vorgeschriebe-nen Beteiligungsangeboten erschöpft sich in der Regel nicht die Kommunikation in Pla-nungsprozessen. Vielmehr finden in der Mehr-zahl der Fälle – in Arbeitsgruppen, Abstim-mungsgesprächen, Foren etc. – kontinuierliche Kommunikations- und Überzeugungsbemü-hungen statt (vgl. auch die Lehrbausteine zur -> Kommunikation). Da diese Arbeitsformen nicht durch Vorschriften geregelt sind und auf Überzeugung bauen, werden sie oft auch als »weiche« Instrumente bezeichnet.

Wenn man erfolgreiche Projekte der Sied-lungs- und Freiraumentwicklung untersucht (vgl. die Beispiele bei Selle 2000 Bd. 2 und 3), dann wird deutlich, wie wichtig diese Instru-mente sind: Schon die Phase der Problem-wahrnehmung und Ideenfindung wird häufig dialogisch gestaltet (Werkstätten, Wettbewer-be, Öffentlichkeitsarbeit…). Planung und Um-setzung sind zumeist durch engere Kooperati-onen (intensiver Austausch zwischen den Be-teiligten, Arbeits-, Projekt- oder Steuerungs-gruppen der unmittelbar Beteiligten, Aushand-lung von Qualitätsvereinbarungen etc.), einen größeren Beteiligtenkreis und einbeziehende Kommunikationsangebote (Foren, Werkstät-ten…) gekennzeichnet. Und selbst die Nut-zungsphase wird gelegentlich (etwa im Zuge von Patenschaften, Pflegevereinbarungen etc.) kooperativ gestaltet.

Finanzierung, Förderung

In der Stadtplanung geht es in der Regel auch um Geld: Mit den Plänen werden oft erhebli-che Investitionen vorbereitet und rechtlich flankiert. Ein wesentlicher Teil dieser Investitio-nen wird zumeist von Privaten getragen (etwa im Wohnungs- und Gewerbebau etc.), aber wesentliche Finanzierungsaufgaben stellen sich auch für öffentliche Akteure (Erschließung, öf-fentliche Bauten und Grünanlagen). Zudem soll mit öffentlichen Mitteln oft das Verhalten der privaten Akteure in bestimmte Richtungen

gelenkt werden: Ob nun die Hofbegrünung durch ein kleines kommunales Förderpro-gramm angeregt, die Ansiedlung eines Gewer-bebetriebes durch intensive Wirtschaftsförde-rung betrieben oder ein anspruchsvolles Woh-nungsbauprojekt durch verbilligte Grundstücke und Wohnungsbauförderung für den Investor attraktiv gestaltet werden soll – in allen diesen Fällen sind die öffentlichen Akteure bemüht, über finanzielle Anreize das Verhalten privater Akteure zu beeinflussen.

Aber die Quellen öffentlicher Förderung sprudeln längst nicht mehr so reichhaltig wie noch vor Jahren. Insofern müssen die Kommu-nen oft viel Kreativität bei der Suche nach Fi-nanzierungsmöglichkeiten entwickeln. Dabei zeigt sich in der Praxis, dass unterschiedliche öffentliche Förderangebote – auf unterschiedli-chen Ebenen (Länder, Bund, EU) und in ver-schiedensten Ressorts (Umwelt, Wirtschaft etc.) – erschlossen werden können.

Besondere Bedeutung haben auch gemischte öffentlich-private Finanzierungen – die z.B. über städtebauliche Verträge vereinbart wer-den – erlangt. Diese beziehen sich nicht mehr nur auf Gebäude, sondern auch auf öffentliche Einrichtungen (Plätze, Parks, Infrastrukturen).

Marktteilnahme

Oft übersehen wird, dass Gemeinden auch di-rekt an Märkten teilnehmen, um ihre Ziele zu erreichen. Sie verfügen zum Beispiel nicht sel-ten über einen erheblichen Grundstücksbe-stand, den sie zur Entwicklungssteuerung ein-setzen können. Zudem besteht die Möglich-keit, dass Gemeinden Flächen erwerben, bevor sie Planungsrecht schaffen und so die Boden-wertzuwächse für Erschließung und Infrastruk-tur nutzen etc. Auch der Zwischenerwerb von Brachen – etwa durch öffentliche Grundstücks-fonds – kann ein wichtiges Instrument sein, denn so eröffnen sich nicht nur ökonomische Steuerungsmöglichkeiten (Preisgestaltung bei der Wiederveräußerung) sondern auch privat-rechtliche Regelungen (im Rahmen des Kauf-vertrages). Auch die offensive Vermarktung von Flächen durch die Städte (Flächenmana-gement) sind hier zu nennen. Angesichts der prekären Haushaltslage vieler Städte werden diese Aufgaben zum Teil ausgelagert (z.B. an

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kommunal beeinflusste Wohnungsunterneh-men und Entwicklungsgesellschaften) und/ oder mit Unterstützung von Bundesländern (in NRW zum Beispiel durch Grundstücksfonds und eigene Programme etwa für Bahnflächen) gemanaged.

Standortentwicklung

Öffentliche Akteure wirken durch Bau, Umbau, Pflege etc. auch direkt auf die räumliche Ent-wicklung ein und betreiben so Standortent-wicklung (ein neuer Park erhöht Bodenwerte und schafft attraktive Lagen, neue Straße ver-ändert Lagegunst und Erreichbarkeit etc.). Auch diese »Produktion von Lagen« kann stra-tegisch eingesetzt werden.

Hier ist zwar im Zuge der Privatisierungen einiges in Bewegung geraten (etwa: Finanzie-rung öffentlicher Einrichtungen durch Private), aber noch gehören wesentliche Teile der Infra-strukturausstattung von Städten und Regionen zum öffentlichen Aufgabenbestand. Bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben geht es nicht nur um die Bereitstellung der Infrastrukturen an sich, sondern auch um die Steuerung der räumlichen Entwicklung: »Harte« Infrastruktu-ren wie Straßen, Schienen und Flughäfen spie-len bei Industrieansiedlungen oder Standortsi-cherungen noch immer eine wichtige Rolle. So wäre etwa die BMW-Ansiedlung im Leipziger Nordraum nicht ohne massive Infrastrukturin-vestitionen denkbar gewesen.

Auch bei der Innenentwicklung hat sich ge-zeigt, dass die neuen Standorte durch öffentli-che Vorleistungen attraktiviert werden müssen, um die gewünschten Nutzer anzuziehen: In-dustriebrachen oder aufgelassene Bahn- und Hafengelände haben zunächst wenig Stand-ortqualitäten und leiden zudem oft unter ei-nem schlechten Image. Um das zu ändern und den gewünschten hochwertigen Nutzungen eine angemessene »Adresse« bieten zu kön-nen, steht am Anfang der Standortentwicklung – neben der Anpassung der infrastrukturellen Erschließung – oft die Schaffung von anspre-chenden Freiräumen. Auch kulturelle Einrich-tungen besonderer Art können, so fern ihre Ansiedlung gelingt, zu »Magneten« für Folge-nutzungen werden (»Bilbao-Effekt«).

Versuche, auf diese Weise durch öffentliche Vorleistungen Standortqualitäten zu prägen und Adressen zu schaffen, sind inzwischen nicht mehr nur auf einzelne Projekte begrenzt. Vielmehr werden ganze Regionen in diesem Sinn als Aufgabenfeld begriffen: Im Zuge der Internationalen Bauausstellung Emscher Park war zum Beispiel die Rede von der »ökologi-schen Modernisierung« als Voraussetzung für die ökonomische Entwicklung der Region. Auch andernorts dachte man ähnlich: Viele der großräumigen Freiraumprojekte der 90er Jahre verdanken diesem Begründungshintergrund ihre Entwicklung.

Prozessmanagement, Organisationsentwick-lung, Projektentwicklung

Zuletzt zu erwähnen sind die Instrumente, die sich auf die Prozessgestaltung und die Organi-sation der Arbeit öffentlicher Akteure (unterei-nander und mit anderen Beteiligten) beziehen: Ob und wie zum Beispiel die Verwaltungsakti-vitäten bei der Umgestaltung öffentlicher Räume koordiniert werden, hat wesentliche Wirkungen auf das Ergebnis. Oder: Ob und wie öffentliche Verwaltungen sich mit Immobi-lienentwicklung auskennen, bestimmt nicht unwesentlich ihre Verhandlungssituation mit privaten Investoren etc. Dieses »Instrumenten-bündel« bezieht sich also auf Prozessmanage-ment, Organisationsentwicklung, Qualifizie-rung etc.

Die auf die Binnenwelt von Politik und Ver-waltungen gerichtete Koordination gewinnt im Zuge der Entwicklung und Realisierung von Projekten weiter an Bedeutung: Um der Dy-namik der Projektentwicklung folgen und sie mitgestalten zu können, müssen Informationen zusammengeführt, Zuständigkeiten gebündelt, Verantwortlichkeiten geregelt und Abstim-mungsprozesse auf kurzen Wegen ermöglicht werden. Zudem gilt es, für die oft zahlreichen verwaltungsexternen Akteure klare Ansprech-partner zu benennen und deren Einbindung »in die Tiefen der Verwaltung« zu gewährleis-ten.

Für diese vielen Aufgaben wurden und wer-den unterschiedliche Lösungen gefunden. Sie reichen von informellen Abstimmungen auf der Arbeitsebene innerhalb der Verwaltung, der

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Benennung von Projektbeauftragten über Äm-ter übergreifende Arbeitsgruppen bis hin zur Einrichtung spezieller Geschäfts- oder Stabs-stellen, Abteilungen, Büros etc.

An diesen Steuerungs- und Kooperations-bemühungen sind vielfach auch Externe (Bera-ter, Büros etc.) beteiligt. Ihre Aufgabe kann darin bestehen, Wissen in die Beratungen ein-zubringen, um so die Qualifizierung des Pro-jektes voranzutreiben. Andererseits obliegt es ihnen oft, Teile des Kooperationsprozesses (z.B. mit der Öffentlichkeit) oder einzelne Phasen der Verfahren (z.B. Wettbewerbe) zu gestalten bzw. zu moderieren.

Instrumenten-Mix

Die Instrumente, von denen hier die Rede war, werden in der Regel nicht isoliert eingesetzt. Sie sind vielmehr zumeist Elemente eines kom-plexen Planungs- und Entwicklungsprozesses.

Bei den meisten Aufgaben der Stadt- und Landschaftsplanung finden sich in diesen Pro-zessen sowohl gesetzlich geregelte, hoheitliche Verfahrensbestandteile (regulative Instrumente – wie etwa Bebauungspläne) wie informelle, vor allem kommunikative Instrumente. Von zunehmender Bedeutung sind zudem Verbin-dungen dieser Prozesselemente mit finanziellen Regelungen und Verträgen (die zum Beispiel das Zusammenwirken öffentlicher und privater Partner regeln).

Voraussetzungen für den Instrumenteneinsatz: Stadtplanung als politischer Prozess

Abschließend muss daran erinnert werden, dass der Instrumenteneinsatz in der Stadtpla-nung nicht nur von Fachleuten – zum Beispiel in den kommunalen Planungsämtern – ent-schieden und gehandhabt wird. Vielmehr wir-ken hier viele Akteure zusammen (was wieder-um auf die Bedeutung der Akteursanalyse verweist; vgl. den -> Lehrbaustein Akteure der Stadtent-wicklung): andere Behör-den, die bei Auswahl und Anwendung von Instru-menten mitwirken, freie Büros, die zum Beispiel Pläne im Auftrag der

Kommunen erarbeiten etc. – insbesondere aber die Politik, denn: Stadträte müssen die Bereits-tellung von Mitteln für (größere) Planungspro-zesse genehmigen, sind oft an der Vergabe öffentlicher Grundstücke beteiligt, beschließen Verfahrensgrundsätze und erlassen Satzungen (z.B. führt erst der Beschluss des Stadtrates zur Rechtskraft eines Bebauungsplanes). Insofern liegt es auf der Hand: Stadtplanung ist ein poli-tischer Prozess.

Das gilt aber auch noch in einer anderen Hinsicht: Viele Probleme, mit denen sich die Stadtplanung auseinandersetzen muss, werden wesentlich durch politische Rahmenbedingun-gen geprägt, so wurde z.B. kürzlich der Zu-sammenhang von Eigenheimförderung, Ent-fernungspauschale und Zersiedelung öffentlich diskutiert.

Als »politisch« bezeichnen wir hier solche Prozesse, in denen es um die Suche nach Mög-lichkeiten »kollektiven Handelns bei nicht vo-rauszusetzendem Konsens« geht (Fritz W. Scharpf). Bezogen auf die Inhalte von Plänen ist die Schwierigkeit der Konsensbildung häufig offensichtlich – wenn es etwa bei der Flächen-inanspruchnahme darum geht, zwischen der Nachfrage nach Wohn- und Gewerbegrund-stücken und langfristig notwendiger Flächensi-cherung abzuwägen.

Bezogen auf die Verfahren und institutionel-len Regeln könnte man aber zur Auffassung kommen, dass hier sehr wohl zwischen sachli-chem Handeln der Verwaltung und politischen Entscheidungen z.B. des Rates unterschieden werden könne: Der Rat gibt Ziele vor, die Ver-waltung prüft alternative Maßnahmen, der Rat entscheidet zwischen Alternativen, die Verwal-tung setzt die Konzepte um.

Diese idealtypische Trennung von sachlichem und politischem Handeln ist allerdings in der

Realität nicht wieder zu fin-den. Wissensvorsprung, personelle Kapazitäten und Finanzausstattung der Ver-waltungen haben längst dazu geführt, dass hier nicht nur Entscheidungen vorbe-reitet, sondern in der alltäg-lichen Arbeit an vielen Stel-len auch getroffen werden.

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»Nur eine Minderheit von Juristen glaubt daran, dass ein Gesetz, wenn es

ordnungsgemäß verkündet und in Kraft getreten ist, deswegen auch schon gelte. Das ist keineswegs der Fall. Vielmehr unterliegt die

Anwendung oder Nichtanwendung des geltenden Rechts dem Gesichtspunkt der

Opportunität. Ohne den Willen, es anzuwenden, bleibt jedes Gesetz toter

Buchstabe«.Hans Magnus Enzensberger

Und umgekehrt sind Fälle zu beobachten, wo sich die Politik sehr weit ins »operative Ge-schäft« einmischt und so Prozesse zu Ergebnis-sen führen, die aus fachlicher Sicht nicht wün-schenswert sind.

Als Zwischenresümee kann festgehalten wer-den: Insbesondere zur Erreichung von Zielen, die von eingefahrenen Routinen abweichen, ist ein offensives Ausschöpfen der vorhandenen Spielräume und die ständige Suche nach neuen Wegen Bedingung für den Erfolg. Es kommt also darauf an, sich genaue Kenntnisse über die Instrumente zu verschaffen und auf den politischen Aushandlungsprozess, der zu ihrer Auswahl und Anwendung gehört, einzulassen.

2. Zum Beispiel: Das Instrumentarium der Bauleitplanung

Im Baugesetzbuch (dessen Text u.a. unter http://dejure.org/gesetze/BauGB zu finden ist) wird in den §§ 1-13a die Bauleitplanung gere-gelt. Deren Aufgabe ist es, die »bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Ge-meinde ... vorzubereiten und zu leiten« (§ 1 Abs. 1 BauGB).

»Die Bauleitpläne sollen• eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, • die die sozialen, wirtschaftlichen und um-weltschützenden Anforderungen auch in Ver-antwortung gegenüber künftigen Generatio-nen miteinander in Einklang bringt, und • eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung gewährleisten.

Sie sollen dazu beitragen, • eine menschenwürdige Umwelt zu sichern und • die natürlichen Lebensgrundlagen zu schüt-zen und zu entwickeln, auch in Verantwortung für den allgemeinen Klimaschutz, sowie • die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln«. (§ 1 Abs. 5 BauGB).

Aufgestellt werden die Bauleitpläne von den Gemeinden. Ihre Planungshoheit wird jedoch insoweit begrenzt, als sich die Bauleitplanung grundsätzlich den Zielen der Raumordnung und Landesplanung anpassen muss.

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»Formale« Pläne und ihre Unterschiede: Abb. 2 (oben) Unterschiede von F- und B-Plänen (BBR 2000); Abb. 3: Bebauungsplan (in Schwarzweiß-Darstellung) (BBR 2000); Abb. 4: FNP Aachen, Abb. 5: Ein vorhabenbezo-gener B-Plan (Finanzzentrum Krefelder Str./Aachen)

Es wird zwischen vorbereitenden und ver-bindlichen Bauleitplänen unterschieden: • Der Flächennutzungsplan (F-Plan, §§ 5-7 BauGB) als vorbereitender Plan stellt die beab-sichtigte Nutzung von Grund und Boden im gesamten Gemeindegebiet in den Grundzügen dar. Dies umfasst unter anderem Aussagen zu Flächen für die Bebauung (nach Nutzungsarten untergliedert: Wohnbauflächen, gemischte Bauflächen, gewerbliche Bauflächen, Sonder-bauflächen, Gemeinbedarfseinrichtungen), Grünflächen und Wasserflächen, Landwirt-schaftliche Flächen und Wald, sowie überörtli-che Verkehrsflächen

Der F-Plan ist behördenverbindlich, das heißt: Weiterführende Pläne müssen den Dar-stellungen des Flächennutzungsplanes folgen.• Die Bebauungspläne (B-Pläne, §§ 8-13 BauGB) konkretisieren die Festlegungen des F-Plans für Teilbereiche des Gemeindegebietes. Sie regeln (parzellenscharf) Art und Maß der baulichen Nutzung und alle weiteren wesentli-chen Fragen der künftigen Bodennutzung. Zum Beispiel werden Baugebiete nach Nut-zungsarten differenziert: Reine Wohngebiete, allgemeine Wohngebiete, Mischgebiete, Kern-gebiete, Gewerbegebiete, Industriegebiete und andere Grünflächen, Gemeinbedarfsflächen, Verkehrsflächen etc. Die Festsetzungen des Bebauungsplanes sind unmittelbar rechtlich bindend – etwa für die Eigentümer von Grund-stücken. Mit ihnen werden für Baumaßnahmen – und damit auch für die planenden Architek-ten – wesentliche Vorgaben formuliert, insbe-sondere: bebaubare und nicht überbaubare Grundstücksflächen, Maß der Nutzung mit GRZ und GFZ.

§ 6 BauGB schreibt vor, dass der Flächennut-zungsplan durch die höhere Verwaltungsbe-hörde (Landkreis bzw. Bezirksregierung) ge-nehmigt werden muss. Die aus genehmigten Flächennutzungsplänen abgeleiteten Bebau-ungspläne sind der höheren Verwaltungsbe-hörde lediglich anzuzeigen. Es gibt auch Aus-nahmefälle – wenn etwa ein Bebauungsplan aufgestellt und parallel ein F-Plan geändert wird – auf die wir hier nicht eingehen.

Die Pläne, die auf Grundlage des BauGB erstellt werden, regeln allerdings nicht die ge-

samte Siedlungs- und Freiraumentwicklung in einer Gemeinde. Auf drei (sehr verschiedene) Grenzen ist hier zu verweisen:1. Angebotsplanung: Mit den Bauleitplänen, insbesondere dem Bebauungsplan wird ledig-lich festgelegt, welche Bodennutzung möglich wäre. Ob sie in dieser Form dann auch reali-siert wird, entzieht sich weitgehend dem Ein-fluss der kommunalen Planung. Bestes Beispiel sind die in vielen Gemeinden ausgewiesenen Gewerbegebiete, die nicht bebaut werden, weil sich keine Investoren für diesen Standort finden – auch, wenn die Gemeinden schon er-hebliche Vorleistungen, etwa in Form von Er-schließungsmaßnahmen, erbracht haben. Mit den Bauleitplänen wird also lediglich ein Ange-bot formuliert, das erst dann für die Bodennut-zung wirksam wird, wenn es eine entspre-chende Nachfrage gibt.2. Neue Abhängigkeit: Nicht zuletzt vor dem Hintergrund solcher Erfahrungen wurde eine Regelung in das Baugesetzbuch aufgenom-men, mit der Initiativen von Investoren zum Ausgangspunkt für die Bauleitplanung werden können. Aufbauend auf einen Vorhaben- und Erschließungsplan, den der Initiator mit der Gemeinde »abstimmt«, wird der »vorhabenbe-zogene Bebauungsplan« aufgestellt (§ 12 BauGB). Zugleich verpflichtet sich der »Vorha-benträger« die Planungs- und Erschließungs-kosten ganz oder teilweise zu tragen.

Mit diesem Verfahren wird die Gemeinde entlastet (finanziell wie personell). Zugleich kann die Überproduktion nicht nachgefragten Baulandes vermieden werden. Aber die Praxis zeigt auch, dass oft recht ungute Nähen zu den Projektinitiatoren entstehen, die Gemein-den nicht selten auf das Einbringen eigener Zielvorstellungen verzichten und die gebote-nen Abwägungsprozesse von öffentlichen und privaten Interessen krass verkürzt werden.3. Zulässigkeit von Vorhaben: Nicht alle Bau-vorhaben werden aufgrund eines gültigen Bau-leitplans genehmigt. Neben der Zulässigkeit von Vorhaben im Geltungsbereich eines Be-bauungsplanes (§ 30 BauGB) können ebenso Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile genehmigt (§ 34 BauGB) und das Bauen im Außenbereich zugelassen werden (§ 35 BauGB). Das führt dazu, dass

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etwa 20-40% der Bauvorhaben (die Schätzun-gen gehen hier auseinander, konkrete Untersu-chungsergebnisse gibt es nur für Teilräume) ohne einen rechtskräftigen Bebauungsplan, also zum Beispiel auch ohne Beteiligung der Öffentlichkeit, genehmigt wurden.

Verfahren der Bauleitplanung

Flächennutzungs- und Bebauungspläne wer-den nach dem gleichen Verfahren aufgestellt (vgl. Abb. 2). Nach § 1 Abs. 3 BauGB haben die Gemeinden Bauleitpläne aufzustellen, »so-bald und soweit es für die städtebauliche Ent-wicklung und Ordnung erforderlich« ist. Sie übernehmen diese Aufgabe in eigener Verant-wortung. Die einzelnen Verfahrensschritte in kurzer Form: • Vorlaufphase. Zunächst wird von der Ge-meinde von Amts wegen oder aufgrund von anderen Anregungen (z.B. Baugesuch, Maß-nahmen anderer Planungsträger, Anpassung an Raumordnung und Landesplanung etc.) das Erfordernis, einen Bauleitplan aufzustellen, ge-prüft. • Eröffnung, Aufstellungsbeschluss. Die Eröff-nung des förmlichen Verfahrens erfolgt mit dem Aufstellungsbeschluss (§ 2 Abs. 1 BauGB). Er ist ortsüblich bekannt zu machen. Mit dem Aufstellungsbeschluss kann eine Verände-rungssperre, die bauliche Vorhaben im Pla-nungsgebiet für eine begrenzte Zeit untersagt, als Satzung erlassen werden. • Ausarbeitung eines vorläufigen Bauleitplan-entwurfs. Vor bzw. nach dem Aufstellungsbe-schluss wird ein vorläufiger Planentwurf von der Verwaltung oder einem beauftragten Büro erarbeitet. Dabei finden in der Regel bereits Abstimmungen mit der Raumordnung und Landesplanung, mit bestimmten Trägern öf-fentlicher Belange sowie ggf. benachbarten Gemeinden und direkt Betroffenen statt. • Öffentlichkeitsbeteiligung: »Die Öffentlich-keit ist möglichst frühzeitig über die allgemei-nen Ziele und Zwecke der Planung, sich we-sentlich unterscheidende Lösungen, die für die Neugestaltung oder Entwicklung eines Gebiets in Betracht kommen, und die voraussichtlichen Auswirkungen der Planung öffentlich zu unter-richten; ihr ist Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung zu geben« (§ 3 Abs. 1 BauGB).

• Behördenbeteiligung: Behörden und sonstige Träger öffentlicher Belange (TöB, z.B. Natur-schutz, Denkmalschutz, Wasserschutz, Lan-desplanungsbehörde, Verkehrsbetriebe, Kir-chen und viele mehr), deren Aufgabenbereich durch die Planung betroffen sind, werden un-terrichtet und um Stellungnahme gebeten. Es können auch Stellen oder Personen beteiligt werden, die nicht Träger öffentlicher Belange sind. »Ihre Beteiligung kann im Gegenteil sogar zweckmäßig sein, wenn von diesen Personen oder Stellen sachdienliche Anregungen oder Bedenken zu erwarten sind. Das Gesetz will nicht Fühlungsnahmen, Erörterungen oder sonstige Beteiligungsformen, die für die Bau-leitplanung förderlich sein können, ausschlie-ßen« (Bielenberg a. a. O. zu § 4 Rdnr. 7).

Die Form der Beteiligung lässt das Gesetz offen; maßgebend ist hier der Beteiligungs-zweck. Das heißt: Auch Anhörungen und ge-meinsame Erörterungen, in denen verschiede-ne Beteiligte zusammengeführt werden (Bie-lenberg nennt sie »Plankonferenzen«) sind möglich.

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Abb. 6: Ablauf der Bauleitplanung nach Baugesetzbuch

Die abgegebenen Stellungnahmen sind beim Entwurf eines Bauleitplans zu berücksichtigen (Abwägungsmaterial). • Auslegungsbeschluss. Nach einer ersten Ab-wägung der vorgebrachten Bedenken und An-regungen und sich daraus ergebenden eventu-ellen Änderungen wird der Planentwurf dem Gemeinderat zur Entscheidung darüber vorge-legt, ob er in dieser Form der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll.• Beteiligung – 2. Stufe: förmliche Auslegung (§ 3 Abs. 2 BauGB). Nach dem Auslegungsbe-schluss wird der endgültige Planentwurf für die Dauer eines Monats förmlich ausgelegt.• Abwägung. Die verschiedenen Belange müs-sen gerecht gegen- und untereinander abge-wogen werden (Abwägungsgebot § 1 Abs. 6 BauGB). Dabei müssen alle relevanten Argu-mente, Gesichtspunkte und Erkenntnisse ein-bezogen werden (bzw. sachfremde Argumente unberücksichtigt bleiben). Die Gewichtung der verschiedenen Argumente soll nachvollziehbar sein. Leidet ein Plan unter Abwägungsfehlern, kann er für nichtig erklärt werden. • Beschluss der Gemeinde, Anzeige/Genehmi-gung durch die höhere Verwaltungsbehörde. Der (geänderte/ergänzte) Plan wird der Ge-meindevertretung zum Beschluss vorgelegt. F- und B-Pläne werden unterschiedlich verab-schiedet: der Flächennutzungsplan als (behör-denverbindliches) Planwerk, der Bebauungs-plan als Satzung. Der F-Plan muss der höheren Verwaltungsbehörde zur Genehmigung vorge-legt, der B-Plan ihr lediglich angezeigt werden. Nicht berücksichtigte Anregungen sind mit ei-ner Stellungnahme der Gemeinde bei der Ge-nehmigung/Anzeige beizufügen (§ 3 Abs. 2 S. 6 BauGB). »Hierdurch wird die für das Geneh-migungs- bzw. Anzeigeverfahren zuständige Behörde in die Lage versetzt zu prüfen, ob die Gemeinde ohne Rechtsverstoß die privaten und öffentlichen Belange nach § 1 Abs. 6 (BauGB) berücksichtigt und gerecht …abge-wogen hat« (Bielenberg a.a.O., § 3 Rdnr. 59). • Bekanntmachung und Inkrafttreten. Die Ge-nehmigung (bzw. Anzeige) des Planes ist orts-üblich bekannt zu machen. Dabei ist darauf hinzuweisen, wo der Plan eingesehen werden kann (§ 6 Abs. 5, § 12 BauGB). Mit der Be-kanntmachung tritt der Bauleitplan in Kraft.

Der Plan und der zugehörige Erläuterungs-bericht sind für jedermann zur Einsicht bereit-zuhalten. Öffentliche Planungsträger, die an der Aufstellung des Flächennutzungsplans be-teiligt wurden, müssen ihre Planungen in der Folgezeit anpassen (§ 7 BauGB). Ein solcher Planungsprozess kann und wird während des Studiums nicht in vollem Umfang selbst gestaltet werden können. Gegenstand sind hier vor allem »informelle« Pläne (dazu mehr in Kap. 3). Aber einige Grundsätze des Bauleitplan-Verfahrens sind auch für diese Planarten von unverzichtbarer Bedeutung. Das gilt insbesondere für• die Erfassung der relevanten Akteure, Inte-ressen und Belange sowie• die nachvollziehbare Abwägung dieser Ge-sichtspunkte und die Anwendung der Ergeb-nisse dieses Abwägungsprozesses auf das Pla-nungskonzept.

3. Informelle Pläne und Konzepte

Die auf der Grundlage des Baugesetzbuches aufgestellten Bauleitpläne werden gelegentlich auch als »formelle« (oder formalisierte) Pläne bezeichnet, weil die in ihnen darzustellenden Inhalte, die Art in der dies geschieht (Planzei-chen) und die Verfahren ihrer Aufstellung »formal«, was in diesem Fall heißt: gesetzlich, geregelt ist. Es gibt noch zahlreiche weitere solcher Pläne. Zum Beispiel zahlreiche Fachplä-ne (Wasserwirtschaft, Verkehr, Naturschutz, Denkmalpflege etc.) oder auf den Ebenen von Bundesländern und Regionen die Landesent-wicklungs-, Regional- und Landschaftspläne und so fort.

Ihnen gegenüber stehen die »informellen Pläne«. Dabei handelt es sich um eine Sam-melbezeichnung für Konzepte und Pläne, die je nach Anlass und Aufgabe in Form und Inhalt unterschiedlich gestaltet werden können (da sie nicht gesetzlich geregelt sind). Ohne forma-le Vorgaben können sie maßgeschneidert wer-den, problem- und zielorientiert angelegt sein, sowohl gesamtörtlich wie teilräumlich ausge-richtet, teils programmatisch, teils maßnah-mengenau in den konzeptionellen Aussagen.

Sie sind in der Maßstabsebene zumeist zwi-schen Flächennutzungsplan (gesamtes Ge-

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meindegebiet) und Bebauungsplan (einzelnes Baugebiet) angesiedelt und sollen• Entwicklungsmöglichkeiten in räumlich-funk-tionaler und sachlicher (z.B. bezogen auf ver-schiedene Themen wie Wirtschaft, Umwelt, soziale Fragen etc.) Hinsicht verdeutlichen,• Anlass zu Verständigungsprozessen zwischen verschiedenen Beteiligten geben und so• eine Grundlage für die spätere Erstellung rechtsverbindlicher Pläne (z.B. Bebauungsplä-ne) und/oder die Durchführung einzelner Vor-haben bieten.

In der Regel dient der Prozess ihrer Aufstel-lung auch dazu, dass die von der Planung Be-troffenen und die an ihr Beteiligten sich über die Aufgabenstellung und mögliche Lösungs-wege verständigen. Informelle Planungspro-zesse sind also zumeist dialog- und kommuni-kationsfreundlich angelegt.

Es wird also versucht,• das Handeln der öffentlichen Akteure zu ko-ordinieren,• privaten Akteuren Perspektiven zu geben und Rahmen zu setzen,• und so zu einem sinnvollen Ineinandergreifen öffentlicher und privater Aktivitäten beizutra-gen.

Ergebnisse solcher Planungsprozess können ganz unterschiedlich aussehen: Von einfachen Planskizzen, die Grundaussagen verdeutlichen, bis hin zu komplexen Stadt(teil)entwicklungs-planwerken ist alles möglich.

Diese Pläne sind nur dann und soweit ver-bindlich, wie sich die Beteiligten auf sie ver-ständigen und sich an die Ergebnisse binden. Häufig werden sie z.B. politisch beschlossen und Stadtrat wie Verwaltung betrachten sie dann als Grundlage ihres weiteren Handelns (und leiten daraus z.B. Bebauungspläne ab).

Es gibt aber auch reine Studien oder Mach-barkeitspläne, die zunächst nur Entwicklungs-optionen verdeutlichen sollen, ohne schon Bin-dungswirkung zu entfalten.

Informelle Pläne und Konzepte haben viele Namen. Je nach Zweck, Anlass und lokalen Gepflogenheiten heißen sie zum Beispiel: Rahmenpläne, Handlungskonzepte, Master-pläne, Leitkonzepte, Strukturpläne oder -kon-zepte, (Stadtteil-) Entwicklungspläne etc.

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Ausschnitte aus informellen Planwerken von o. n. u.:Abb. 7: Masterplan HafenCity (Stadtentwicklungsbehör-de Hamburg)Abb. 8: Leitplan Stadterneuerung Innenstadt Münster (Büro Zlonicky & Partner)Abb. 9: Ortsteilentwicklungsplanung Schwerte (Büro scheuvens + wachten)

Im Zusammenhang mit dem StadtProjekt (5. Semester Bachelor) verwenden wir die Be-zeichnung Rahmenkonzept – als Zusammen-fassung der Begriffe »Rahmenplan« und »in-tegriertes Handlungskonzept«. Damit sollen die beiden zentralen Aussagenbereiche ver-deutlicht werden, die ein solches Rahmenkon-

zept enthalten soll:1. räumlich-funktionale Aussagen (Flächen-nutzung, funktionale Zusammenhänge, städ-tebauliche Strukturen)2. thematisch-inhaltliche Aussagen (z.B. Pro-gramme und Maßnahmen zur wirtschaftlichen Entwicklung, zur Verbesserung der Freiraum- oder Umweltsituation, Konzepte für einzelne Zielgruppen, etwa Kinder und Jugendliche und so fort).

Räumliche und inhaltliche Aussagen hängen eng miteinander zusammen: Wer etwa ein für Familien attraktives Quartier entwickeln will, wird verdeutlichen, was das inhaltlich bedeutet und wie das in den städtebaulichen Strukturen seinen Ausdruck findet; wer einen wirtschaft-lich starken Standort befördern will, muss be-schreiben, was dazu notwendig ist und wie das räumlich umzusetzen ist und so fort…

In Rahmenkonzepten finden sich in der Re-gel viele Gestaltungsideen und Maßnahmen-vorschläge. Nicht alle werden in einem Zuge zu realisieren sein. Daher ist3. eine Prioritätensetzung notwendig. Sie be-inhaltet Maßnahmen, die unbedingt als erste durchgeführt werden sollten und solche, die in anzugebenden Zeiträumen folgen könnten. Diese Auswahl und Reihung wird begründet – sowohl mit räumlich-funktionalen wie mit in-haltlichen Argumenten.

Der Maßstab der Darstellung ist konzeptab-hängig. Wer etwa großräumig funktionale Frei-raumbezüge sichtbar machen will, wird einen anderen Maßstab wählen als derjenige, der Maßnahmen im Gebäudebestand des Plange-bietes kennzeichnen will. Es ist also sinnvoll, das Konzept auf verschiedenen Maßstabsstu-fen und mit Hilfe verschiedener Medien (Text, Bild etc.) darzustellen.

Fingerübungen Instrumentenkenntnis ist ein unabdingbarer Bestandteil des Fachwissens. Da wir jedoch keine Juristen sind, kommt es nicht so sehr auf das For-mulierungs-Detail an (hier ist lediglich entschei-dend, dass man weiß, wo dies nachzuschlagen oder im Internet zu finden ist – wobei man stets darauf achten muss, die jeweils aktuelle Gesetzes-, Verord-nungs- oder Planfassung zu finden, denn die Mate-

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Bausteine Integrierter Handlungskonzepte

»Diese Bausteine sind nicht immer trenn- scharf voneinander abzugrenzen, da Integrierte Handlungskonzepte unter anderem dadurch charakterisiert sind, dass verschiedene Prozesse parallel ablaufen (Gleichzeitigkeit …von Zielformulierung und Realisierung erster Projekte)…. Deshalb sind sie nicht als fest gefügte Konzeptstruktur zu verstehen…«1. Identifizierung von Problemen und Potenzialen sowie der Klärung von Handlungsbedarfen und damit der Analyse der Ausgangssituation u.a. mit• Zusammenführung bereits vorhandener Untersuchungsergebnisse und Planungen; • Bestandsaufnahme von Initiativen und Aktivitäten im Quartier;• Benennung der zentralen Problemfelder und Entwicklungspotenziale (Analyse von Stärken und Schwächen des Stadtteils). 2. Formulierung von Leitvorstellungen und Zielen sowie der daraus abzuleitenden Maßnahmen und Projekte u.a. mit• Leitbild für die Stadtteilentwicklung (Ver- netzung und Operationalisierung von Zielen verschiedener Handlungsfelder, Hinweise auf Prioritäten und absehbaren Zielkonflikten); • Einbindung der Entwicklungsziele für den Stadtteil in gesamtstädtische Überlegungen; • Darstellung von Strategien, Maßnahmen und Projekten. 3. Überlegungen zur Umsetzungsprogrammatik und zur Bündelung möglicher Finanzierungs- quellen. Hier geht es insbesondere um Ver- netzung, Koordination und Kooperation - u.a.• Angaben zur Organisation und zur Projektsteuerung sowie zum Management; • Strategien zur Aktivierung und Beteiligung (Wer wird durch wen wie beteiligt, welche Handlungsmöglichkeiten bestehen, werden Entscheidungsstrukturen dezentralisiert – Quar-tierbudgets, Verfügungsfonds – und so fort.• Kosten- und Finanzierungsübersicht; • Angaben zum Zeitablauf und Umsetzungsplan; • Evaluierungskonzept; • Entwicklung von Verstetigungsstrategien …

Bausteine integrierter Handlungskonzepte; nach: Difu 2003 (Kap. 3)

rie ändert sich schnell). Wesentlich ist vielmehr die »Struktur-Kenntnis«: • Auf welcher Planungsebene sind die einzelnen Instrumente angesiedelt?• Wie verhalten sie sich zu anderen Plänen?• Was regeln, wen binden sie?• Wie sind sie für Aufgabenstellungen der Stadt-entwicklung nutzbringend anzuwenden?

Hinsichtlich der praktischen Anwendung folgt daraus: Man sollte bei der Festlegung von Planaus-sagen überprüfen, wie sie umgesetzt werden, wel-che Instrumente zu ihrer Realisierung eingesetzt werden könnten oder müssten. Wenn man also z.B. das Wohnungsumfeld einer Siedlung aus den 60er Jahren verbessern möchte, so wäre zu fragen: Wel-chen Einfluss hätte z.B. das kommunale Stadtpla-nungsamt? Auf welche Weise könnte es die geplan-te Maßnahme initiieren, anregen, umsetzen? Wel-che Instrumente müssten zum Einsatz kommen, auf wen würden sie wirken und so fort…

Fragen dieser Art lassen sich im Prinzip für alle möglichen Planaussagen stellen (ob es nun um die öffentlichen Räume in der Innenstadt oder die Wie-dernutzung einer Bahnbrache etc. geht).

Fragen zur Vorlesung• Nennen Sie einen wesentli-chen Unterschied zwischen Flächennutzungs- und Be-bauungsplan.• Was wird in Bebauungsplä-nen im Wesentlichen festge-setzt? Nennen Sie zwei Schlüsselbegriffe.

• Welche Aussagen des Bebauungsplans sind für Architekten, die ein Bauvorhaben planen, von be-sonderer Bedeutung? Nennen Sie zwei Beispiele.• Umreißen Sie mit wenigen Worten die Funktion der »Abwägung« im Prozess der Bauleitplanung.

LiteraturAls Überblick:_Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hg.): Stadtentwicklung und Städtebau in Deutschland. Ein Überblick. Berichte Bd. 5. Bonn 2000Immer empfehlenswert: Ein Blick in einen Kom-mentar zum Baugesetzbuch (BauGB) – z.B. den Loseblatt-Kommentar von Ernst/Zinkahn/Bielen-berg [Beck-Verlag]Zur Steuerung der Siedlungsflächenentwicklung heute:_Klemme, Marion; Selle, Klaus (2008): Alltag der Stadtplanung. Der kommunale Beitrag zur Entwick-

lung der Siedlungsflächen. [PDF, www.pt.rwth- aachen.de/content/view/135/93/lang,de/]Etwas veraltet, aber als Beispiel für die Vielfalt möglicher Instrumente immer noch geeignet:_Selle, Klaus; Bochnig, Stefan (1993): Freiräume für die Stadt Bd. 2: Instrumente der Freiraumentwick-lung. Wiesbaden/Berlin [Bauverlag]In zwei umfangreichen Beispielsammlungen zur Prozessgestaltung bei der Freiraum- und Siedlungs-entwicklung lassen sich Details für einzelne Fälle nachlesen:_Selle, Klaus (Hg.): Arbeits- und Organisationsfor-men für eine nachhaltige Entwicklung• Bd. 2: Siedlungen bauen, Quartiere entwickeln. Beispiele aus der Praxis• Bd. 3: Freiräume entwickeln – in Stadt und Regi-on. Beispiele aus der Praxis. Dortmund 2000Diese beiden Bücher sind zu (für Studierende) redu-zierten Preisen im Sekretariat PT zu beziehen.Zur Bedeutung von Wettbewerben, Workshops etc. als Qualifizierungsinstrument:_Becker, Heidede: Stadtbaukultur – Modelle, Work-shops, Wettbewerbe. Verfahren der Verständigung über die Gestaltung der Stadt (2 Bde). Stuttgart etc. [Kohlhammer] 2002Zur besonderen Aufgabe der Stadtteilerneuerung:_Deutsches Institut für Urbanistik (2003): Strategi-en für die Soziale Stadt. Berlin (auch: www.soziale stadt.de/veroeffentlichungen/endbericht/

LinksZu Rechtsinstrumenten:http://dejure.org/gesetze/BauGBhttp://jurcom5.juris.de/bundesrecht

PraxisbeispieleFast alle Gemeinden stellen inzwischen im Internet ihre laufenden Planungen – formelle wie informelle dar. Hier findet sich viel Wissenswertes (z.B. auch zur Verfahrensgestaltung der Bauleitplanung) und Anschauliches (zu Inhalten und Darstellungsmög-lichkeiten insbesondere informeller Pläne). Hier nur wenige Beispiele:• Aachenhttp://www.aachen.de/DE/Stadt_buerger/bauen_planen/stadtplanung/index.html• Bonnhttp://www.bonn.de/umwelt_gesundheit_planen_bauen_wohnen/stadtplanungsamt/index.html?lang=de• Düsseldorfhttp://www.duesseldorf.de/planung/rahmplan/index.shtml_Stand_Bearbeitung_08/08_

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