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Short communication Fresenius Z Anal Chem (1989) 333:645-646 - Springer-Verlag 1989 Intakter Chemoreceptor als Biosensor zur Pesticiderfassung P. Zink und G. A. Rechnitz Department of Chemistry, University of Delaware, Newark, DE 19716, USA Intact chemoreceptor-basedbiosensor for pesticides Einleitung Eine der neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Biosenso- ten ist die analytische Anwendung intakter Chemoreceptor- strukturen, die die Problematik isolierter Chemoreceptoren um- gehen [1]. Physiologische St.udien zeigten, dab tierische Geruchs- und Geschmacksorgane Ubertr/iger chemischer Informationen aus ihrer Umgebung auf das Nervensystem darstellen. Werden Sub- stanzen an die entsprechenden Receptorproteine chemisch ge- bunden, findert sich die Frequenz der Nervenaktionspotentiale. Diese Aktionspotentiale beruhen auf Depolarisationen an den Nervenmembranen und k6nnen mit einer potentiometrischen Megkette erfal3t werden. Chemoreceptoren zeichnen sich vor allem durch eine sehr kurze Ansprechzeit (ms) und hohe Emp- findlichkeit aus. Mit dem kleinen Ffihler der blauen Krabben (Callinectes sapidus) konnten Glutamins/iure und 5'-Adenosin- monophosphat (5'-AMP) fiber sechs Gr613enordnungen hinweg quantifiziert werden [2]. Physiologische Studien zeigten, dab Fische bei Anwesenheit yon Wasserverunreinigungen ihr Ver- halten findern k6nnen. Inwieweit der Ffihler als Chemoreceptor fiir Pesticide geeignet ist, wurde mit Insecticid- und Herbicid- 16sungen untersucht. Experimentelles Apparatives. Eine detaillierte Beschreibung der Versuchsanord- nung ist kfirzlich ver6ffentlicht worden [3]. Der Ffihler wurde vonder auf Eis gehaltenen Krabbe abgeschnitten und die Ner- ven durch Entfernung des Exoskeletts und des Muskelgewebes freigelegt. Das Explantat wurde danach in einer Plexiglasdurch- flul3zelle so plaziert, dab das intakte chemosensitive Ende, das aus zwei Asten besteht, von einer nach der Woods-Hole-Formel [4] frisch hergestellten kfinstlichen Meerwasserl6sung kontinu- ierlich umspfilt werden konnte. Die freigelegten Nervenstr/inge ragten in eine mit einer salinen Panulirus-L6sung [5] geffillten Kammer, in die zus/itzlich die Ag/AgCI-Referenzelektrode und der Erdungsdraht eintauchten. Mit Hilfe eines Mikromanipula- tots konnte die Arbeitselektrode (Mikroansaugelektrode, Off- nungsdurchmesser: 70 gin) an jede beliebige Stelle des Nerven- bfindels plaziert werden. Die Aktionspotentiale wurden nach einem Vorverst/irker auf einem Oscilloskop sichtbar gemacht und gleichzeitig auf einem magnetischen Datentr/iger gespei- chert. Reagentien. Die Pesticide (Herbicide: Amitrole, Metribuzin; Insecticide: Lindane, Fonofos, Diazinon) wurden von Riedel de HaEn, 5'-AMP von Sigma bezogen und waren von p.a. Qualit/it. Die zu analysierenden L6sungen wurden t/iglich mit der kfinst- lichen Meerwasserl6sung hergestellt. Offprint requests to: G. A. Rechnitz Tabelle 1. Chemoreceptoransprechempfindlichkeit ffir Pesticide und 5'-AMP Verbindung Konzentration relative (mol/1) Frequenzfinderung 5'-AMP 10- 2 2,4 Amitrole (Herbicid) 10 -2 0,7 Metribuzin (Herbicid) 10 -4 Lindane (Insecticid) 10 - 6 O, 1 Fonofos (Insecticid) 10 - 6 1,0 Diazinon (Insecticid) 10 - 5 Messung. Zuerst wurde durch Ansaugen der L6sung mit der Mikroelektrode der MeBkreis geschlossen. Zur Erfassung der Aktionspotentiale wurde der Nervenstrang, durch Ansaugen, an der Elektrodenspitze befestigt. Nachdem der Megkreis ge- schlossen war, wurden bereits ohne stimulierende Substanzen Nervenimpulse bzw. Aktionspotentiale registriert. Dieser Un- tergrund wurde hauptsfichlich durch mechanische Receptoren und chemische Anregung durch die Meerwasserl6sung verur- sacht. Mit einer 10 -2 mol/1 5'-AMP-L6sung wurde getestet, ob an dieser Stelle des Stranges die Nervenleitungen der entspre- chenden Chemoreceptoren vorhanden sind. Falls eine Frequen- zfinderung bzw. chemisches Ansprechen erhalten wurde, wurden die Pesticidl6sungen untersucht. Hierzu wurde die Pesticid- 16sung fiber eine Probenschleife der kontinuierlich fliel3enden Meerwasserl6sung zugespeist. Nach der Offnung der Schleife wurden die Aktionspotentiale fiber einen Zeitraum von 60 s gemessen. Die durch die Anregung verursachte Frequenz/inde- rung wurde 20 s nach der Offnung der Schleife beobachtet, nach 30 s war die Anregung beendet und es wurde nur noch der Untergrund registriert. Es wurden die jeweiligen Pesticidl6sun- gen in unterschiedlichen Konzentrationen gemessen. Auswertung. Die quantitative Auswertung erfolgte durch die Erfassung der Anzahl von P0tentialen bestimmter Amplituden pro Zeiteinheit (Mel3zeit: 5 s). Hierzu wurden die Impulse mit den gewfinschten Amplituden durch einen elektrischen Fenster- diskriminator selektiert und mit einem digitalen Z/ihler aufsum- miert. Das Fenster wurde so gew/ihlt, dab alle Aktionspotentiale erfal3t wurden. Zur Berechnung der relativen Frequenz/inderun- gen (dimensionslos) wurde die Nettofrequenz, die nach der Sub- straktion der Untergrundfrequenz yon der Anregungsfrequenz erhalten wurde, durch die Untergrundfrequenz dividiert. Ergebnisse Anhand der nachfolgenden Tabelle 1 wird ersichtlich, dab ffir drei der ffinf gestesteten Pesticide ein chemisches Ansprechen des Ffihlers der blauen Krabbe erhalten werden konnte. DaB yon den zwei Herbiciden eine chemische Nervenreizung nur ffir Amitrole und nicht ffir Metribuzin beobachtet wurde, liegt vermutlich an dessen um zwei Gr6Benordnungen h6herer L6s- lichkeit. So konnte auch ftir die 10 .4 mol/1 Amitrolel6sung keine relative Frequenz/inderung erhalten werden. Eine Begrfin- dung, weshalb die organische Phosphorverbindung Diazinon, die in das Nervensystem von Insekten eingreift, keine Nervenrei- zung bewirkt, kann nicht gegeben werden. Die Auswertung von Konzentrationsreihen der Pesticidl6- sungen ergab, dab im Gegensatz zum 5'-AMP keine lineare

Intakter Chemoreceptor als Biosensor zur Pesticiderfassung

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Short communication

Fresenius Z Anal Chem (1989) 333:645-646 - �9 Springer-Verlag 1989

Intakter Chemoreceptor als Biosensor zur Pesticiderfassung

P. Zink und G. A. Rechnitz

Department of Chemistry, University of Delaware, Newark, DE 19716, USA

Intact chemoreceptor-based biosensor for pesticides

Einleitung

Eine der neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Biosenso- ten ist die analytische Anwendung intakter Chemoreceptor- strukturen, die die Problematik isolierter Chemoreceptoren um- gehen [1].

Physiologische St.udien zeigten, dab tierische Geruchs- und Geschmacksorgane Ubertr/iger chemischer Informationen aus ihrer Umgebung auf das Nervensystem darstellen. Werden Sub- stanzen an die entsprechenden Receptorproteine chemisch ge- bunden, findert sich die Frequenz der Nervenaktionspotentiale. Diese Aktionspotentiale beruhen auf Depolarisationen an den Nervenmembranen und k6nnen mit einer potentiometrischen Megkette erfal3t werden. Chemoreceptoren zeichnen sich vor allem durch eine sehr kurze Ansprechzeit (ms) und hohe Emp- findlichkeit aus. Mit dem kleinen Ffihler der blauen Krabben (Callinectes sapidus) konnten Glutamins/iure und 5'-Adenosin- monophosphat (5'-AMP) fiber sechs Gr613enordnungen hinweg quantifiziert werden [2]. Physiologische Studien zeigten, dab Fische bei Anwesenheit yon Wasserverunreinigungen ihr Ver- halten findern k6nnen. Inwieweit der Ffihler als Chemoreceptor fiir Pesticide geeignet ist, wurde mit Insecticid- und Herbicid- 16sungen untersucht.

Experimentelles

Apparatives. Eine detaillierte Beschreibung der Versuchsanord- nung ist kfirzlich ver6ffentlicht worden [3]. Der Ffihler wurde vonder auf Eis gehaltenen Krabbe abgeschnitten und die Ner- ven durch Entfernung des Exoskeletts und des Muskelgewebes freigelegt. Das Explantat wurde danach in einer Plexiglasdurch- flul3zelle so plaziert, dab das intakte chemosensitive Ende, das aus zwei Asten besteht, von einer nach der Woods-Hole-Formel [4] frisch hergestellten kfinstlichen Meerwasserl6sung kontinu- ierlich umspfilt werden konnte. Die freigelegten Nervenstr/inge ragten in eine mit einer salinen Panulirus-L6sung [5] geffillten Kammer, in die zus/itzlich die Ag/AgCI-Referenzelektrode und der Erdungsdraht eintauchten. Mit Hilfe eines Mikromanipula- tots konnte die Arbeitselektrode (Mikroansaugelektrode, Off- nungsdurchmesser: 70 gin) an jede beliebige Stelle des Nerven- bfindels plaziert werden. Die Aktionspotentiale wurden nach einem Vorverst/irker auf einem Oscilloskop sichtbar gemacht und gleichzeitig auf einem magnetischen Datentr/iger gespei- chert.

Reagentien. Die Pesticide (Herbicide: Amitrole, Metribuzin; Insecticide: Lindane, Fonofos, Diazinon) wurden von Riedel de HaEn, 5'-AMP von Sigma bezogen und waren von p.a. Qualit/it. Die zu analysierenden L6sungen wurden t/iglich mit der kfinst- lichen Meerwasserl6sung hergestellt.

Offprint requests to: G. A. Rechnitz

Tabelle 1. Chemoreceptoransprechempfindlichkeit ffir Pesticide und 5'-AMP

Verbindung Konzentration relative ( m o l / 1 ) Frequenzfinderung

5'-AMP 10- 2 2,4 Amitrole (Herbicid) 10 - 2 0,7 Metribuzin (Herbicid) 10 -4 Lindane (Insecticid) 10 - 6 O, 1 Fonofos (Insecticid) 10 - 6 1,0 Diazinon (Insecticid) 10 - 5

Messung. Zuerst wurde durch Ansaugen der L6sung mit der Mikroelektrode der MeBkreis geschlossen. Zur Erfassung der Aktionspotentiale wurde der Nervenstrang, durch Ansaugen, an der Elektrodenspitze befestigt. Nachdem der Megkreis ge- schlossen war, wurden bereits ohne stimulierende Substanzen Nervenimpulse bzw. Aktionspotentiale registriert. Dieser Un- tergrund wurde hauptsfichlich durch mechanische Receptoren und chemische Anregung durch die Meerwasserl6sung verur- sacht. Mit einer 10 - 2 mol/1 5'-AMP-L6sung wurde getestet, ob an dieser Stelle des Stranges die Nervenleitungen der entspre- chenden Chemoreceptoren vorhanden sind. Falls eine Frequen- zfinderung bzw. chemisches Ansprechen erhalten wurde, wurden die Pesticidl6sungen untersucht. Hierzu wurde die Pesticid- 16sung fiber eine Probenschleife der kontinuierlich fliel3enden Meerwasserl6sung zugespeist. Nach der Offnung der Schleife wurden die Aktionspotentiale fiber einen Zeitraum von 60 s gemessen. Die durch die Anregung verursachte Frequenz/inde- rung wurde 20 s nach der Offnung der Schleife beobachtet, nach 30 s war die Anregung beendet und es wurde nur noch der Untergrund registriert. Es wurden die jeweiligen Pesticidl6sun- gen in unterschiedlichen Konzentrationen gemessen.

Auswertung. Die quantitative Auswertung erfolgte durch die Erfassung der Anzahl von P0tentialen bestimmter Amplituden pro Zeiteinheit (Mel3zeit: 5 s). Hierzu wurden die Impulse mit den gewfinschten Amplituden durch einen elektrischen Fenster- diskriminator selektiert und mit einem digitalen Z/ihler aufsum- miert. Das Fenster wurde so gew/ihlt, dab alle Aktionspotentiale erfal3t wurden. Zur Berechnung der relativen Frequenz/inderun- gen (dimensionslos) wurde die Nettofrequenz, die nach der Sub- straktion der Untergrundfrequenz yon der Anregungsfrequenz erhalten wurde, durch die Untergrundfrequenz dividiert.

Ergebnisse

Anhand der nachfolgenden Tabelle 1 wird ersichtlich, dab ffir drei der ffinf gestesteten Pesticide ein chemisches Ansprechen des Ffihlers der blauen Krabbe erhalten werden konnte. DaB yon den zwei Herbiciden eine chemische Nervenreizung nur ffir Amitrole und nicht ffir Metribuzin beobachtet wurde, liegt vermutlich an dessen um zwei Gr6Benordnungen h6herer L6s- lichkeit. So konnte auch ftir die 10 .4 mol/1 Amitrolel6sung keine relative Frequenz/inderung erhalten werden. Eine Begrfin- dung, weshalb die organische Phosphorverbindung Diazinon, die in das Nervensystem von Insekten eingreift, keine Nervenrei- zung bewirkt, kann nicht gegeben werden.

Die Auswertung von Konzentrationsreihen der Pesticidl6- sungen ergab, dab im Gegensatz zum 5'-AMP keine lineare

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Abnahme der relativen Frequenzgnderungen mit kleiner wer- denden Konzentrationen beobachtet wurde. Eine m6gliche Er- kl/irung k6nnte ein unterschiedlicher Reaktionsmechanismus sein, der darauf zurfickzufiihren ist, dab die Pesticide keine ftir Krabben biologisch relevanten Substanzen darstellen, sondern Gifte sind. Aufgrund der kontinuierlichen Frequenzabnahme des Untergrunds und einer Verkiirzung der durchschnittlichen Lebenszeit des Explantats von 8 auf 3 h ist anzunehmen, dab irreversible Bindungen der Pesticide an die Receptorproteine stattfinden.

Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dab der Chemoreceptor beim derzeitigen Stand der Untersuchungen nur zur qualitativen Detektion von Pesticiden geeignet ist.

Dank. Die Autoren danken der National Science Foundation (grant CHE-8318192) fiir die Unterstiitzung.

Literatur

1. Belli SL, Rechnitz GA (1988) Fresenius Z Anal Chem 331:439-447

2. Buch RM (1987) Thesis, University of Delaware 3. Buch RM, Rechnitz GA (1988) Biosensors, in Druck 4. Cavanaugh in Formulae and Methods V (1964) Marine Bio-

logical Laboratory, Woods Hole, MA 5. Mulloney B, Selverston A (1974) J Comp Physiol 91:1-32

Eingegangen am 12. November 1988