39

Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

  • Upload
    others

  • View
    12

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als
Page 2: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

Integrative Schulbildungund

Unterrichtspraxis

Abschlussbericht

2003

Europäische Agenturfür Entwicklungen in der sonderpädagogischen Förderung

Page 3: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

Dieser Bericht wurde von der Europäischen Agentur fürEntwicklungen in der sonderpädagogischen Förderung erstelltund veröffentlicht.

Auszugsweiser Nachdruck mit Quellenhinweis ist zulässig.

Alle Berichte der 15 an der Studie beteiligten Staaten sowie alleBerichte über die Austauschbesuche sind unter www.european-agency.org erhältlich.

Eine digitalisierte und bearbeitbare Fassung des Berichtes stehtin 12 weiteren Sprachen auf der Website zur Verfügung, umeine möglichst breite Informationsnutzung zu gewährleisten.

Herausgeber: Cor J.W: Meijer, Projektleiter der EuropeanAgency for Development in Special Needs Education

Mitherausgeber: Peter Walther-Müller, National Co-ordinatorder Schweiz

ISBN: 87-91350-25-5

2003

European Agency for Development in Special NeedsEducation

Sekretariat:Østre Stationsvej 33DK-5000 Odense C

DänemarkTel: +45 64 41 00 20Fax: +45 64 41 23 03

[email protected]

Niederlassung Brüssel:3, Avenue Palmerston

BE-1000 BrusselsBelgium

Tel: +32 2 280 33 59Fax: +32 2 280 17 88

[email protected]

Web: www.european-agency.org

2

Page 4: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

INHALTZUSAMMENFASSUNG.............................................................4

1 EINLEITUNG..........................................................................7

2 RAHMENBEDINGUNGEN, ZIELE UND METHODIK DESPROJEKTES UNTERRICHTS – UND SCHULPRAXIS............9

2.1 Rahmenbedingungen...............................................................92.2 Ziele..........................................................................................102.3 Methodik..................................................................................10

3 SYNTHESE DER ERGEBNISSE..........................................13

3.1 Bedingungen...........................................................................133.1.1 Lehrer.......................................................................................133.1.2 Schule.......................................................................................163.1.3 Außerschulische Bedingungen.................................................18

3.2 Effektive Praxis ......................................................................213.2.1 Besondere Herausforderungen im gemeinsamen Unterricht . .213.2.2 Pädagogische Herausforderungen der Integration..................223.2.3 Effektive Praxis im integrativem Unterricht...............................23

4. SCHLUSSFOLGERUNGEN................................................35

NATIONAL CO-ORDINATOR UND NATIONALE EXPERTENFÜR UNTERRICHTSPRAXIS DER EUROPÄISCHENAGENTUR ..............................................................................36

3

Page 5: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

ZUSAMMENFASSUNG

Auf der Grundlage einer internationalen Literaturanalyse,Fallstudien in 15 europäischen Ländern, Experten-Besuche in 7Ländern sowie von verschiedenen Diskussionen mit Expertenund den National Co-ordinators der Agency, wurden Aspektefür die Entwicklung von integrativer Unterrichtspraxis definiert.Diese Ergebnisse erheben nicht den Anspruch als konkreteMaßnahmen für Politiker, Fachleute oder Lehrkräfte zu dienen.Sie dienen vielmehr als Anregung bei der Entwicklungmöglicher Strategien zur Optimierung integrativen Unterrichts.Es führen mehrere Wege nach Rom - in diesem Sinne sind dieBerücksichtigung lokaler und regionaler Bedingungen undgegebenenfalls Anpassungen erforderlich. Zusätzlich bietenFallstudien aus den Ländern sowie die Ergebnisse derAustauschbesuche vor Ort Ideen zur Weiterentwicklung.

Fallstudien und Ergebnisse der Expertendiskussionen lasseneine erste Schlussfolgerung der Studie zu: IntegrativeUnterrichtspraxis existiert in allen europäischen Ländernexistiert. Ferner wird deutlich, dass das, was für Schüler mitsonderpädagogischem Förderbedarf hilfreich ist, auch allenanderen Schülern zugute kommt.

Ein zweites Ergebnis ist die Erkenntnis, dass die Integrationvon Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten bzw. sozialen undemotionalen Problemen, verglichen mit anderenAuffälligkeiten oder Behinderungen, am schwierigstenumzusetzen ist.

Drittens erweist sich der Umgang mit Heterogenität oderunterschiedlichen individuellen Voraussetzungen in einerLerngruppe nach wie vor als großes Problem in europäischenSchulklassen.

Auf der Grundlage einzelner, ausgewählter Fallstudien und dervon den Ländern vorgelegten Analysen scheinen folgende

4

Page 6: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

Bedingungen eine zentrale Rolle in der integrativenUnterrichtspraxis zu spielen:

• Integration ist abhängig von der Einstellung derLehrkräfte gegenüber den Schülern mitsonderpädagogischem Förderbedarf, von derenFähigkeit, soziale Beziehungen zu fördern, von ihrerSichtweise der Verschiedenartigkeit in der Klasse undihrer Bereitschaft, mit diesen Unterschieden wirkungsvollumzugehen.

• Lehrkräfte benötigen besondere Kompetenzen,Berufserfahrungen, Wissen, pädagogische Ansätze,angemessene Lehr- und Lernmethoden, Materialien undZeit, wenn sie den unterschiedlichen individuellenVoraussetzungen in ihren Klassen angemessenbegegnen wollen.

• Lehrerinnen und Lehrer benötigen sowohl schulinterneals auch -externe Unterstützung. Einen besonderenStellenwert erhält in diesem Kontext die Ebene derSchulleitungen, der Schulbezirke, der Gemeinden undder Regierung. Regionale Kooperation zwischenInstanzen und Eltern ist eine Voraussetzung für sinnvolleIntegration.

• Die Regierungen sollten ihren Standpunkt gegenüber derIntegration deutlich zum Ausdruck bringen und geeigneteBedingungen für einen flexiblen Einsatz von Ressourcenschaffen.

Die Ergebnisse der Analyse der Unterrichtspraxis zeigen fünfwesentliche Themenbereiche auf, die für effektiven integrativenUnterricht entscheidend sind:

Kooperatives UnterrichtenLehrkräfte benötigen Unterstützung des Kollegiumsinnerhalb der Schule und durch Fachkräfte außerhalbder Schule, mit denen sie kooperieren können.

5

Page 7: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

Kooperatives LernenPeer Tutoring (Mitschüler als Tutoren) oder kooperativesLernen ist eine sinnvolle Methode für den kognitiven undaffektiven (sozial/emotionalen) Lernbereich sowie für dieEntwicklung des Schülers. Schüler, die sich gegenseitighelfen, besonders innerhalb einer flexiblen und gutdurchdachten Schülergruppierung, profitieren vomgemeinsamen Lernen.

Gemeinsame ProblemlösungEin systemischer Ansatz hat sich vor allem bei derIntegration von verhaltensauffälligen Schülern bewährt,weil die Art und Intensität unerwünschten Verhaltens aufdiese Weise positiv beeinflusst werden. KlareVerhaltensnormen und Spielregeln, die mit allenSchülern (neben angemessenen Leistungsanreizen)vereinbart werden, haben sich als effizient erwiesen.

Heterogene GruppierungenHeterogene Gruppierungen und ein binnendifferenzierterUnterrichtsansatz sind notwendig und effizient, umSchülern mit unterschiedlichen individuellenVoraussetzungen innerhalb einer Klasse gerecht zuwerden. Klare Richtziele, alternative Lernwege, flexibleAnweisungen und unterschiedliche Gruppierungenfördern den integrativen Unterricht.

Effiziente UnterrichtspraxisEine systematische Beobachtung, Einschätzung undBewertung, Planung und Evaluation der Arbeit kommtallen Schülern zugute, vor allem auch denjenigen, dieeinen sonderpädagogischen Förderbedarf haben. DerLehrplan kann entsprechend den individuellenBedürfnissen angepasst werden und mit Hilfe desindividuellen Förderplans adäquat umgesetzt werden. Essollte eine Passung zwischen dem individuellenFörderplan und dem allgemeinen Curriculum bestehen.

6

Page 8: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

1 EINLEITUNG

Dieser Bericht bietet einen Überblick über die Ergebnisse desProjektes über Unterrichts- und Schulpraxis. Das Projektkonzentriert sich auf die Ermittlung, Analyse, Beschreibung undVerbreitung guter Unterrichtspraxis in inklusiven Settings; durchdie Ergebnisse sollen europäische Lehrkräfte in die Lageversetzt werden, bereits erprobte inklusive Praxis in größeremUmfang in ihrem Unterricht einzusetzen. Ferner richtet er sichan Entscheidungsträger innerhalb des Bildungssystems, indemerforderliche Rahmenbedingungen für Lehrkräfte aufgezeigtwerden, die zur Gewährleistung inklusiver Unterrichtspraxisbeitragen.

Dieses Projekt befasst sich in erster Linie mit der Praxis in derGrundschule; eine Ausweitung auf die Phase derSekundarstufe ist in Arbeit.

Die Studie besteht insgesamt aus drei Phasen. Die erste Phasebestand aus einer kritischen Bewertung bereits vorhandenerLiteratur, um einen Überblick über den gegenwärtigen Standinklusiver Praxis in den teilnehmenden Ländern zu erhalten.Zusätzlich erfolgte in dieser Phase eine Auswertung derinternationalen (vor allem amerikanischen) einschlägigenLiteratur. Dieser Teil des Projektes befasste sich mit derFragestellung: welche Praxis hat sich in der inklusiven Bildung(dem integrativen Unterricht) bewährt?

In der zweiten Phase wurden konkrete Beispiele guterUnterrichtspraxis ausgewählt und systematisch beschrieben.Die letzte Phase diente der Organisation und Durchführung vonAustauschbesuchen zwischen den verschiedenen Ländern, umauf diese Weise einen optimalen Transfer von theoretischenund praktischen Erkenntnissen zu ermöglichen.

Dieser Bericht ist eine Synthese dieser drei Phasen.

Leser, die sich für die Grundlagendokumente zu diesem Berichtinteressieren, werden auf die Website der Agenturwww.european-agency.org Sektion „Inclusive Education and

7

Page 9: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

Classroom Practices“ verwiesen, auf der die folgendenDokumente zu finden sind:

1. Die Internationale Literaturanalyse zur Unterrichtspraxis2. Die Berichte über den Erfahrungsaustausch in sieben

Ländern3. Die Länderberichte von 15 teilnehmenden Ländern.

8

Page 10: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

2 RAHMENBEDINGUNGEN, ZIELE UND METHODIKDES PROJEKTES Unterrichts – und Schulpraxis

2.1 RahmenbedingungenKern der Studie ist die effektive Unterrichtspraxis in integrativenKlassen. Im allgemeinen kann davon ausgegangen werden,dass integrativer Unterricht hauptsächlich davon abhängt, wieLehrer in ihren Klassen unterrichten. Selbstverständlich bestehteine Abhängigkeit zwischen der Didaktik und Methodik derLehrkräfte und ihrer Ausbildung, ihren Erfahrungen, Ansichtenund Meinungen sowie der Situation auf der Ebene der Klasse,der Schule und von außerschulischen Faktoren (lokale undregionale Angebote, Politik, Finanzierung usw.). Dennoch ist esder jeweilige Lehrer oder die Lehrerin, der/die die Integration inden Schulalltag umsetzen muss, er/sie ist somit derentscheidende Faktor.

Die Art und Weise, wie die einzelnen Lehrkräfte die integrativeArbeit in der Klasse verwirklichen, kann unterschiedlicheFormen annehmen. Ziel der Studie ist es, diese verschiedenenAnsätze zu beschreiben und sie für andere zugänglich zumachen. Der wesentliche Fokus befasst sich mit derVerschiedenartigkeit der Lerngruppen und der Identifikationbeispielhafter Modelle, um dieser Heterogenität angemessengerecht werden zu können. Allerdings sollte an dieser Stelleerwähnt werden, dass die Umsetzung integrativerUnterrichtspraxis nicht ausschließlich vom FaktorLehrer/Lehrerin abhängig ist, sondern ebenso vom SystemSchule mit der Organisation ihres Bildungsangebotes sowienatürlich auch von außerschulischen Bedingungen.

Folgende zentrale Fragen liegen dieser Studie zugrunde undwerden zu beantworten versucht: Wie kann man derHeterogenität in einer Klasse gerecht werden? WelcheRahmenbedingungen sind für eine integrative Unterrichtsarbeiterforderlich?

Diese Studie richtet sich an all jene, die unterrichtliche Arbeitbeeinflussen können. Für den Unterricht sind es in erster Liniedie Lehrkräfte und weiteres Fachpersonal. Dieser

9

Page 11: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

Personenkreis ist in der Lage, die durch Bildungspolitik undpädagogische Berater, angeregten Veränderungen zuimplementieren. Deshalb richtet sich der Fokus vorrangig aufdie Arbeit der Lehrkräfte, die in diesem Rahmen auf indirektemWege erreicht werden sollen.

Es ist davon auszugehen, dass Lehrerinnen und Lehrer in derRegel von wichtigen Schlüsselpersonen aus ihrer unmittelbarenUmgebung profitieren: Kollegen und Fachkräfte innerhalb undaußerhalb der Schule. Also sind die Lehrkräfte unsereZielgruppe. Bei den Überlegungen nach einer sinnvollenVerbreitungsstrategie gilt es auch all die Fachkräfte zuberücksichtigen, die im unmittelbaren Umfeld für diebetreffende Lehrkraft von Bedeutung sind.

2.2 ZieleEs ist ein zentrales Anliegen dieser Studie, Schlüsselpersonenfür die Vermittlung von Wissen über Möglichkeiten desUmgangs mit heterogenen Lerngruppen und die dafürerforderlichen Bedingungen zu identifizieren. Es wird versuchtauf einige Fragen im Kontext integrativer Unterrichtsarbeiteinzugehen. Zum einen ist es erforderlich auf der Ebene desVerstehens herauszuarbeiten, was innerhalb integrativerEinrichtungen möglich ist. Zum anderen ist auf derErkenntnisebene von Bedeutung, wie integrativer Unterrichtfunktioniert. Drittens müssen die Voraussetzungen bekanntsein, warum er funktioniert.

Die Inhalte der Studie sind auf die Grundschulebene begrenzt,d.h. die Altersgruppe der 7-11Jährigen. Eine Ausweitung aufdie Ebene der Sekundarstufe ist in Arbeit.

2.3 MethodikDie beschriebenen Ziele wurden mit verschiedenen Ansätzenverfolgt. Zunächst Begonnen wurden die verschiedenenModelle auf der Grundlage der Literatur und der für dieseModelle erforderlichen Bedingungen beschrieben. Sowohl dieMethodik als auch die Ergebnisse der Literaturanalyse sind

10

Page 12: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education andEffective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronischals Buch veröffentlicht wurde (Middelfart, 2001) und kostenfreiherunterzuladen ist. Die Literaturanalyse zeigt auf, wasintegrativen Unterricht und integrative Arbeit ausmacht. DerAnsatz der Lehrerkräfte und deren Umgang mit einer Vielzahlvon Schülern, einschließlich derer mit sonderpädagogischemFörderbedarf, stehen hier im Vordergrund. Dies impliziert eineKonzentration auf die unterrichtspraktische Arbeit aber auch aufdie außerschulischen Bedingungen.

Eine zweite Phase setzt sich mit Fallstudien auseinander, indenen versucht wird aufzuzeigen, wie integrative Arbeitumgesetzt wird und was für eine gelingende integrativeUnterrichtspraxis erforderlich ist. Jedes beteiligte Land hat zweiPraxisbeispiele dargestellt, eines mit dem Fokus aufSchüler/Schülerinnen mit Verhaltensauffälligkeiten. DieMitgliederländer der Europäischen Agentur analysiertenBeispiele gelungener Unterrichtspraxis innerhalb ihrer Länderund beschrieben diese von der Praxis her. Dabei konzentriertensie sich auf die praktische Unterrichtsarbeit und zeigten diewesentlichen Faktoren des Lehrplans auf. Es galt jedoch nichtnur die Merkmale dieser Vorgabe zu beschreiben, sondernauch den zusammenhängenden Kontext und vorhandene underforderliche Rahmenbedingungen auf den unterschiedlichenEbenen: die Ebene der Lehrkräfte (notwendige Kompetenzenund Fachwissen, Einstellung, Bereitschaft und Motivation), derKlasse, der Schule, des Kollegiums, der unterstützendenDienste, der finanziellen und politischen Aspekte und so weiter.Alle verfügbaren Fallbeschreibungen haben sich an diesemRaster orientiert. 15 Länder haben Beispiele guterUnterrichtspraxis ausgewählt, dargestellt und analysiert.

Ein nachfolgendes Experten-Austauschprogramm diente derBesichtigung, Analyse und Auswertung ausgewählterPraxisbeispiele, um so die wesentlichen Merkmale innovativerUnterrichtspraxis darzustellen. Diese Form des Austauschs unddie Besichtigung unterschiedlicher Einrichtungen vor Ort trugenzu einem klareren Verständnis bei, was Integration ausmacht,wie und wodurch sie gelingt.

11

Page 13: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

Folgende Länder wurden als Gastgeber für den Austauschausgewählt: Irland, Österreich, Deutschland, Island, Finnland,Griechenland und Belgien (französischer Teil)

Der Expertenaustausch fand im Herbst 2001 statt.

Verschiedene Informationsquellen wurden für die Präsentationder Ergebnisse benutzt: Die Ergebnisse der Literaturanalyse(sowohl national als auch international), die Beschreibung allerbesichtigten Einrichtungen in den 15 Teilnehmerländern und dieDokumentation der Austauschaktivitäten. Auf diese Weise ist esgelungen, einen ganzheitlichen Überblick über das Thema„Integrative Unterrichtspraxis“ zu erhalten, der sowohl dieForschung als auch die tägliche Umsetzung berücksichtigt.

12

Page 14: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

3 SYNTHESE DER ERGEBNISSE

3.1 BedingungenWie bereits angedeutet, galt unser Hauptinteresse demintegrativen Unterricht in der Klasse und den Bedingungen diediese Arbeit fördern. Dazu wurde die Literatur bewertet und dieErfahrungen erfolgreicher Integrationsstandorte von Fachleutenaus verschiedenen europäischen Ländern diskutiert, analysiertund zusammengefasst, ohne den Anspruch auf Vollständigkeitzu erheben. Es war nicht beabsichtigt, einen detailliertenÜberblick über alle integrationsfördernden Bedingungen zugeben, noch die Maßnahmen für den Aufbau einer integrativenSchule zu entwickeln. Informationen überintegrationsunterstützende Ansätze im Lehrplan sowieerforderliche Rahmenbedingungen und Voraussetzungen fürdie integrative Praxis sollen einer breiteren Öffentlichkeit zurVerfügung gestellt werden. Im folgenden werden einigeBeispiele für notwendige Bedingungen dargestellt:

3.1.1 LehrerSelbstverständlich ist Integration größtenteils abhängig von derEinstellung der Lehrer zu Schülern mit sonderpädagogischemFörderbedarf, von ihrer Sichtweise der Unterschiede in Klassenund ihrer Bereitschaft, auf diese Unterschieden einzugehen. Imallgemeinen wurde die Einstellung der Lehrkräfte alsentscheidender Faktor bei der Einführung von Integration inSchulen gesehen. Wenn Klassenlehrer nicht die Erziehung allerSchüler als ganzheitlichen Teil ihrer Arbeit akzeptieren, werdensie versuchen, die Verantwortung für die Schüler mitsonderpädagogischem Förderbedarf jemand anderem (ofteinem Sonderpädagogen) zu überlassen und insgeheim eineAussonderung (z.B. Sonderklasse) anzustreben.

Island:„Um ein Minimum an positiver Einstellung des Lehrers zugewährleisten, muss der Lehrer Schüler mit schwerenBehinderungen in der Klasse akzeptieren.“

"Eine weitere von der Schulleitung als wichtig erachteteBedingung war, dass ein Lehrer dazu bereit sein müsste,

13

Page 15: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

einen schwer geistig behinderten Schüler in seinerKlasse zu unterrichten, und mit einem Sonderpädagogenzu kooperieren, der in allen Klassen anwesend ist.“

Die Fallstudien zeigen, dass Lehrer, die sich für die Integrationengagieren, Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarfeher als Bereicherung der Arbeit in der Klasse denn als „zubewältigende Problemfälle“ sehen.“

Jedoch ist eine positive Einstellung für den Umgang mitVerschiedenartigkeit in der Klasse allein nicht ausreichend.Lehrer benötigen darüber hinaus geeignete Methoden undMaterialien, aber auch Zeit für Schulungen, Fachwissen undKompetenzen durch schulinterne Fortbildung sowieBerufserfahrung. All dies ist relevant für den Unterricht inheterogen zusammensetzten Klassen.

Der Unterricht von Kindern mit sonderpädagogischemFörderbedarf in der Regelklasse setzt zweifellos die Anpassungdes Allgemeinen Lehrplans voraus. Lehrer werden mit derFrage konfrontiert, wie diese Schüler zu unterrichten sind. Siebrauchen vielleicht mehr Zeit während des Unterrichts, umLerninhalte zu erfassen oder andere Lernmethoden um sichFachwissen anzueignen. Dafür brauchen Lehrer mehr Zeit,andere Materialien und zusätzliche Kenntnisse. Im allgemeinenkann dies auf zwei Wegen erreicht werden: durch zusätzlicheRessourcen oder durch eine Neuverteilung der gegebenenRessourcen (alternative Nutzung der verfügbaren Zeit). Mehrverfügbare Zeit (z.B. durch Einsatz von pädagogischenHilfskräften) oder fachliche Fortbildung der Lehrer (z.B. durchschulinterne Lehrerfortbildung, kollegiale Fachberatung undunterstützende Beratung) bieten Möglichkeiten, dienotwendigen Ressourcen für integrativen Unterricht zuerweitern, aber die Lehrer könnten ebenfalls gegebeneRessourcen anders auf die Schüler verteilen. Lehrer könntenz.B. überdurchschnittlich gute Schüler zu mehr selbständigemArbeiten ermuntern, mit Computern zu arbeiten und sich

14

Page 16: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

gegenseitig zu helfen (peer tutoring), so dass für die Schülermit sonderpädagogischem Förderbedarf mehr Zeit bleibt.

Ein letztes wichtiges Kriterium in Zusammenhang mit Lehrernund ihrer Arbeit in den Klassen ist die Sensibilität und dieKompetenz der Pädagogen zur Förderung der sozialenBeziehungen zwischen den Schülern. Vor allem für Schüler mitsonderpädagogischem Förderbedarf (und deren Eltern) sindInteraktionen mit nichtbehinderten Mitschülern von größterWichtigkeit. Die Lehrer sollten eine entsprechende Einstellunghaben, benötigen aber auch das erforderliche Fachwissendarüber, wie diese Interaktionen und Beziehungen herzustellensind.

Griechenland:Der Fall von A. (Verhaltens- und Entwicklungsstörung –Autismus; 14 Jahre; Junge; 4. Grundschulklasse). DieFallstudie beschreibt das Ergebnis der Integration, wobeidie Bedeutung von sozialer Integration in derRegelklasse und des Beitrags der Lehrer (und desanderen Personals) für den Erfolg dieser Integrationhervorgehoben werden.

„A. zeigt eine sehr gute Reaktion auf das Programm.Sein schulisches Sozialleben hat sich in den letztensechs Jahren erstaunlich verbessert. Alle Betroffenensind sich darüber einig, dass dies der langen Dauer desProgramms zu verdanken ist, in der er immer seinenStützlehrer hatte: einerseits um ihn bei den vielseitigenAktivitäten zu ermutigen und andererseits um ihmSelbstvertrauen zu geben. Abgesehen von der totalenAkzeptanz durch die Mitschüler, hat A. Freundegefunden und nimmt an Schulaktivitäten wie Spielen undTheateraufführungen teil.“

„Keiner der Schüler hat sich über die Anwesenheit von A.in der Klasse negativ geäußert. Im Gegenteil, sie habendurch die Herausforderung und die Unterrichtsstrategienzur Unterstützung von A. profitiert und wurden dadurchfür die Schwierigkeiten anderer sensibilisiert.“

15

Page 17: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

3.1.2 SchuleEs ist offensichtlich, dass die Betreuung von Schülern mitsonderpädagogischem Förderbedarf nicht nur eine Frage dernotwendigen zeitlichen Ressourcen ist. Ebenso bestimmt dieorganisatorische Struktur auf Schulebene den Umfang und dieArt der Ressourcen, die Lehrer für Schüler mitsonderpädagogischem Förderbedarf nutzen können. FlexibleUnterstützung innerhalb der Schule, z.B. durch das Kollegium,die Schulleitung und/oder Sonderpädagogen ist erforderlich.

Hilfe kann auch durch andere unterstützende Dienste gebotenwerden, wie Schulberatungsstellen oder dem mobilensonderpädagogischen Dienst. In manchen Ländern bedeutetKooperation zwischen (Regel-)Schulen die Bereitstellung vonzusätzlichen Ressourcen für die Förderung von Schülern mitsonderpädagogischem Förderbedarf. Es ist klar, dass einVerbund von Schulen über mehr Kreativität, Wissen undErfahrung verfügt als eine einzelne Schule. Die Fähigkeit vonkooperierenden Schulen, Möglichkeiten für die Betreuung vonSchülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu finden,kann für die Integration dieser Schüler in die Regelklasseausschlaggebend sein.Ein zu hohes Maß an Autonomie behindert die Entwicklung zurintegrativen Schule. Die Unterstützung von Schülern mitsonderpädagogischem Förderbedarf sollte zwischen denSchulen koordiniert werden, besonders wenn es um kleineSchulen geht.

Österreichischer Austauschbericht:„Im allgemeinen bezweifeln wir, dass schulischeAutonomie auf die Bedürfnisse der Schwächeren in derGesellschaft eingehen kann, sofern es keine klarenAnweisungen durch die Gesetzgebung oder dieSchulbehörde gibt.“

„Obwohl die Autonomie von Schulen allgemein alsäußert positiver Faktor gesehen wird (indem Lehrkräfte

16

Page 18: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

und Lehrerausbildungsinstitute zu mehr Eigenständigkeitermutigt werden), wird die Definition vonQualitätsstandards und somit ein verpflichtender Ansatzzur Integration von Schülern und Erwachsenen mitbesonderem Förderbedarf als notwendig betrachtet. Zuviele auseinandergehende Interessen stehen einemErfolg der Integration im Weg, wenn Schulen zu vielSpielraum haben.

Der Rolle der Schulleitung oder der dienstältesten Lehrer sollteeine besondere Bedeutung beigemessen werden. DerSchulleiter ist nicht nur für das Angebot an möglichenHilfsmitteln für Lehrer wichtig, auch seine Führung ist einentscheidender Faktor für den integrativen Unterricht. Er odersie ist oft die Schlüsselperson, die Veränderungen in Schulenumsetzen und neue Entwicklungen und Prozesse initiierenkann. Die Hauptverantwortung hier liegt darin, dieVoraussetzung für teamorientiertes Arbeiten zu schaffen undsich auf die wichtigsten Kriterien zu konzentrieren.

Der Gebrauch von Ressourcen in Schulen sollte flexibelgestaltet sein. Unsere good practice-Beispiele zeigten, dassSchulen viele Freiheiten bezüglich der Nutzung finanziellerMittel nach ihren Bedürfnissen und Sichtweisen haben sollten.Bürokratie sollte möglichst ganz vermieden werden, undSchüler ohne oder mit nur geringem Förderbedarf sollten vonden Ressourcen der Klasse oder der Schule profitieren können,wenn es vom Lehrer gefordert wird.

Manchmal ist es notwendig, sich kleinen Gruppen vonEinzelpersonen mit besonderem Förderbedarf zu widmen.Manchmal ermöglicht es eine Einzelstunde, einen Schüler inder Regelklasse zu behalten. Lehrer machen auch Gebrauch von Fördermaßnahmenaußerhalb der Klasse. Es ist wichtig, dass diese Maßnahmeneinen natürlichen und flexiblen Charakter haben und nicht nurfür bestimmte Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf,sondern gelegentlich auch für alle Schüler der Klasse gelten.

17

Page 19: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

Die Kriterien für zeitweise Sondermaßnahmen sollten sein: (1)möglichst bald; (2) möglichst flexibel (wenn ein Ansatz nichtfunktioniert, einen anderen wählen); (3) möglichst „leicht“ (ohnenegative Nebenwirkungen); (4) möglichst nahe (deshalbvorzugsweise im Regelklassenzimmer und innerhalb derRegelschule); und (5) möglichst kurz.

Die Einbindung der Eltern in integrativen Schulen sollte nichtunterbewertet sein. Sie sollten nicht nur als „Kunden“ sondernauch als „Teilnehmer“ gesehen werden. Es ist wichtig, dassauch ihre Bedürfnisse angesprochen werden, und dass sie ofteine Person brauchen, auf die sie sich verlassen können. Siesollten eine bedeutende Rolle und Stimme bekommen, undsollten über alle Details der Planung, Umsetzung, undBewertung informiert werden. Insbesondere sollten dieErziehungsberechtigten über die Art und Weise derKooperation zwischen Schulen, außerschulischen Behördenund anderen Fachkräften Bescheid wissen. Außerdem spielen die Eltern eine aktive Rolle bei derEntwicklung, der Umsetzung und der Bewertung vonindividuellen Förderplänen. Bei manchen Anlässen können sieals „Handlanger“ in oder außerhalb der Klasse fungieren.

3.1.3 Außerschulische BedingungenPolitik und FinanzenIntegration in Schulen wird dort großzügig unterstützt, wo eseinen klaren politischen Willen zur Integration gibt. Für dieerfolgreiche Umsetzung von integrativem Unterricht sollte dieRegierung die Integration kräftig unterstützen und deutlichmachen, wo die Ziele für die Bildungsgemeinschaft liegen.

Außerdem sollten die Regierungen die Bedingungen fürintegrativen Unterricht schaffen bzw. solltenFinanzierungsmöglichkeiten integrativen Unterricht erleichternund ihn nicht behindern. Notwendige Richtlinien sollten flexibelund koordiniert zur Verfügung stehen.Finanzierungsmöglichkeiten und Anreize, die in diesenenthalten sind, spielen eine entscheidende Rolle, wie in der

18

Page 20: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

Studie der Agentur „Financing of Special Needs Education(1999)“ gezeigt wurde.

Die britische Fallstudie bezieht sich auf „paradox wirksameAnreize“:

„d.h. Schulen, die sich stark um die Schüler mit SPFbemühen und alle vorhandenen Ressourcen in Anspruchnehmen, indem sie die Erfahrungen der Lehrer nutzen,besondere Strategien anwenden und Zeit investieren,können die Leistungen der Schüler stark verbessern. Siekommen damit jedoch in einen Argumentationsnotstand,die Schwere der Behinderung der SPF Schüler zubeweisen und erhalten als Folge weniger finanzielleMittel. Dies schien zu einem gewissen Ausmaß an dieserSchule zuzutreffen. Durch die rigorose Anwendung, dieÜberwachung und die Analyse der Programme wurdendie Schüler in Regelklassen belassen, während sievielleicht in anderen Schule nicht behalten wordenwären.“

Der Austauschbericht von Belgien (französischer Teil) hebtauch das Problem der unterschiedlichen Finanzierung vonFörder- und Regelklassen hervor, das dem integrativenUnterricht im Weg steht:

„Die Schwierigkeit, der man gegenübersteht, ist, dass fürintegrierte Schüler in Regelschulen weniger Mittel zurVerfügung stehen, als in Sonderschulen.“

Ein sogenanntes Durchgangsmodell auf regionaler (städtischer)Ebene scheint die erfolgreichste Finanzierungsvariante zu sein.In einem solchen Modell werden Budgets für Fördermittel vonzentraler Ebene an die regionalen Einrichtungen(Stadtverwaltungen, Bezirksverwaltungen, Schulverbände)weitergegeben. Auf regionaler Ebene wird entschieden, wie dasGeld ausgegeben wird und welche Schüler von denFördermitteln profitieren sollen. Es scheint empfehlenswert,dass die Institution, die über die Verteilung der Mittelentscheidet, erstens unabhängige sonderpädagogischeGutachten in Anspruch nehmen kann und zweitens die

19

Page 21: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

Werkzeuge hat, sonderpädagogische Strategien undDienstleistungen zu realisieren und aufrechtzuerhalten.

Integration scheint daher leichter in einem dezentralisiertenFinanzierungsmodell zu realisieren sein als in einemzentralisierten Ansatz. Ein zentral vorgeschriebenes Modell istzu sehr durch den organisatorischen Aspekt beeinflusst, ohnedass integrative Praxis umgesetzt wird. Lokale und autonomeTräger sind eher in der Lage, Systeme zu verändern, da sieflexibler sind. Aus diesem Grunde scheint ein dezentralisiertesModell ressourcenschonender zu sein und wenigerunerwünschte strategische Handlungsmuster aufzuweisen.Dennoch muss die jeweilige zentrale Regierung deutlichdefinieren, welche Ziele zu erreichen sind. Entscheidungendarüber, wie solche Ziele zu erreichen sind, können dann denlokalen Organisationen überlassen werden.

Leitung und SteuerungDie Leitung ist von größter Bedeutung. Politiker, nicht nur aufnationaler Ebene, sondern auch auf der Ebene der Kommunen,der Schulbezirke oder Schulverbände, haben eine besondereRolle beim Transfer und der Umsetzung der Regierungspolitikin die Praxis.

Eine integrationsunterstützende Führung einer Schule ist dieVoraussetzung für einen gelingenden integrativen Unterricht.

Unsere Studie zeigt, dass die Motivation zur Integration beiallen betroffenen Parteien aktiv gefördert werden muss.Integration braucht Unterstützung von außerhalb der Schule.Vor allem in der Frühphase der Entwicklung kann dieBefürwortung und die Beratung durch erfahreneIntegrationslehrer Ängste und Skepsis vermindern.

Regionale Koordination und KooperationUnsere Ergebnisse zeigen, dass Koordination und Kooperationzwischen allen beteiligten Diensten außerhalb der Schule(Gesundheit, Soziales, Erziehung, Psychologie) sowie

20

Page 22: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

zwischen Schule und Eltern für Schüler mitsonderpädagogischem Förderbedarf von Nutzen sind.Zusätzliche Hilfe muss geplant und koordiniert gewährt werden.

3.2 Effektive Praxis

Die Länder, die auf unterschiedliche Weise am Projektteilgenommen haben, berichteten über ihre guten Erfahrungenim integrativen Unterricht. In diesem Kapitel wird die Syntheseder Ergebnisse anhand dreier Themenkreise dargestellt.

Erstens ist es wichtig, systematisch zu reflektieren, welcheKinder mit welchen Auffälligkeiten die Lehrer und andereFachleute in der integrativen Praxis am meisten fordern. Hierwerden die Besonderheiten der Schüler fokussiert, die integriertoder segregiert werden.

Zweitens soll ein Überblick über die Problematik desBildungsprozesses gegeben werden: welche sind dieHauptprobleme der Bildung in Ländern bei der„Unterrichtspraxis in der Regelklasse mit Integration vonSchülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf“? Die Länderberichten umfassend über die aktuelle Problematik der Bildungbei der Realisierung integrativer Schulen.

Drittens setzen sich die Länder mit der Frage nach denKriterien effektiver integrativer Unterrichtspraxis auseinander.Die Erkenntnisse über erfolgreich integrativ arbeitende Schulenverhilft zu einem klareren Blick bei der Frage , woInterventionen erforderlich sind und welche Faktoren in dertäglichen Praxis besonders berücksichtigt werden müssen.

3.2.1 Besondere Herausforderungen im gemeinsamenUnterricht Bei der Beantwortung der Frage mit welchen Schülernbeziehungsweise mit welchen Behinderungen/Auffälligkeitendie Lehrer am meisten Probleme haben, berichteten die Länderin übereinstimmender Weise. Verhaltens-, soziale und/oderemotionale Probleme werden von fast allen Ländern als diegrößte Herausforderung im gemeinsamen Unterricht genannt.

21

Page 23: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

Damit sind auch Kinder mit Motivationsproblemen undSchulverdrossenheit gemeint.

Relativ viele Länder berichten über Schwierigkeiten bei derBeantwortung der Frage nach den Eigenarten der Schüler. Aufpolitischer Ebene wird die Haltung, Behinderungen oderEigenarten an sich seien das Problem, abgelehnt zugunstender Ansicht, die richtige Schulumgebung und Förderung für dasindividuelle Kind solle in den Mittelpunkt gerückt werden.Obwohl sich diese Sichtweise mit anderen aktuellenDenkansätzen über sonderpädagogische Förderung deckt undvon den meisten Mitgliedsländern der EA weitgehendunterstützt wird, berichteten die National Co-ordinator vonVerhaltensstörungen der Schüler als der größten Problematik.

Nur wenige Länder verwiesen zudem auf andere - undmanchmal sehr spezielle - Formen von sonderpädagogischemFörderbedarf, die im Bereich des integrativen Unterrichts alsproblematisch angesehen werden. Als Beispiele werden ADHD,Legasthenie, Autismus, spezielle Lern- undRechtschreibschwierigkeiten, geistige und intellektuelleBehinderungen, schwere Hörschädigungen undMehrfachbehinderungen genannt.

3.2.2 Pädagogische Herausforderungen der IntegrationDer Umgang mit Unterschieden oder unterschiedlichenindividuellen Voraussetzungen in der Klasse gilt als eine dergrößten Herausforderung in europäischen Klassen. Integrationkann auf verschiedene Weise und auf verschiedenen Ebenenorganisiert werden, aber letztlich muss der Lehrer mit größerenUnterschieden in seiner/ihrer Klasse umgehen und denLehrplan derart anpassen oder vorbereiten, dass dieBedürfnisse aller Schüler, diejenigen mit sonderpädagogischemFörderbedarf, begabte Schüler und ihre Mitschüler ausreichenderfüllt werden. Mit anderen Worten, der Umgang mitunterschiedlichen individuellen Voraussetzungen ist dasSchlüsselthema für die Arbeit in der Klasse. Für denheterogenen Unterricht braucht der Lehrer einen „Handlanger“

22

Page 24: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

bzw. zusätzliche Unterstützung entweder vom Kollegium (oderSonderpädagogen) oder anderen Fachkräften. Manchmalbraucht ein Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarfbesondere Hilfe oder Anweisungen, die der Lehrer währendseiner täglichen Klassenroutine nicht geben kann. Hier benötigtman andere Lehrkräfte und Integrationslehrer, und die ThemenFlexibilität, gute Planung, Kooperation und Teamunterrichtwerden zur Herausforderung. Dies betrifft den kooperativenUnterricht in den Klassen und die Zusammenarbeit mit derSchulgemeinschaft. In manchen Fällen werden Fachkräfte vonregionalen unterstützenden Diensten gebraucht und diesverstärkt den Bedarf an Flexibilität, guter Planung, Kooperationund Koordination. Integrativer Unterricht bedeutet mehr als nurder Umgang mit unterschiedlichen individuellenVoraussetzungen in der Klasse. Er erfordert gemeinsamenUnterricht (auf Klassenebene), Teamunterricht sowie eine guteKooperation zwischen den Lehrern in der Schulgemeinschaftund der Koordination mit Fachkräften von anderenunterstützenden Diensten.

3.2.3 Effektive Praxis im integrativem UnterrichtDie Studie hebt mindestens fünf Faktorengruppen hervor, diefür den integrativen Unterricht effektiv zu sein scheinen. Sowohldie Literaturanalyse als auch die Dokumentation der Beispieleausgezeichneter Praxis zeigten deren Bedeutung. Schüler (mitoder ohne sonderpädagogischen Förderbedarf) sowie Lehrerprofitieren von diesen Faktoren.

Kooperativer UnterrichtDie Studie zeigt, dass integrativer Unterricht von mehr Faktorengefördert wird, die unter der Überschrift kooperativer Unterrichtgruppiert werden können. Lehrer müssen mit einer Reihe vonKollegen kooperieren und brauchen deren praktische undflexible Unterstützung. Dies scheint sowohl für die Entwicklungvon kognitiven als auch sozialen Fähigkeiten der Schüler mitsonderpädagogischem Förderbedarf eine effektive Arbeitsweisezu sein. Es ist klar, dass zusätzliche Hilfe und Unterstützungflexibel, gut koordiniert und geplant sein muss.

23

Page 25: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

Die norwegische Beschreibung zeigt, dass die Teams in einerKlasse ein sehr wichtiges Element darstellen. Die Arbeit mit derKlasse ist gut koordiniert.

„Die Lehrer werden in je ein Team pro Stufe aufgeteilt,damit sich die Schüler nicht auf zu viele Erwachseneeinstellen müssen. Die Teams decken alle Fächer indieser Klasse ab. Dies ist eine der Maßnahmen zurSicherung der Rahmenbedingung für die Schüler. DieLehrer mit sonderpädagogischer Zusatzausbildunggehören ebenfalls zu diesen Teams und bilden keinseparates sonderpädagogisches Unterrichtsteam.“

„Nach zweieinhalb Jahren beschreibt einer der Lehrerden Alltag wie folgt: „Man muss immer sehr bedacht seinbei dem, was man tut. Der Unterricht ist auf feste Abläufeaufgebaut. Die Lehrer müssen sich bewusst sein, wo dieverschiedenen Schüler ihren Platz in der Klasse haben.Unterricht ist vom Lehrer gesteuert; es gibt währendeiner Lehrperiode wenige freie Aktivitäten. Es mussimmer ein Erwachsener anwesend sein. Wenn dieKlasse aufgeteilt wird, muss jeweils ein Erwachsener proGruppe anwesend sein.“

Schweiz:„Der Integrationslehrer bereitet Material vor, das derKlassenlehrer bei Bedarf benutzen kann. Außerdem gibtes Diskussionsabende mit den Eltern, dem Schulleiterder Sonderschule, dem Klassenlehrer und demIntegrationslehrer. Gute persönliche Beziehungenzwischen allen Betroffenen sind eine Voraussetzung fürden Erfolg des integrativen Projekts.“

Luxemburg:„Wegen anderer Kinder mit Problemen, die in dieserKlasse integriert sind (Kinder mit geistigenBehinderungen, Lernstörungen undVerhaltensauffälligkeiten), ist diese eine sehr schwierigeKlasse. Ein Sozialpädagoge unterstützt sie 10 Stunden

24

Page 26: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

pro Woche, wobei er mit allen Schülern mitsonderpädagogischem Förderbedarf arbeitet. Währendder kurzen Phasen des Unterrichts, in denen der Lehrerein neues Thema einführt, passt der Integrationslehrerauf, dass die Kinder dem Lehrer zuhören, aufmerksamsind und verstehen, was der Lehrer von ihnen verlangt.Nach dieser Phase müssen die Kinder individuellarbeiten.“

„Der Integrationslehrer ist der Meinung, dass es sehrwichtig ist, dass zwei Personen in dieser Klasse arbeiten:es bleibt mehr Zeit mit jedem Kind individuell zu arbeiten.Zudem kann einer der Lehrer, der ein Problem mit einemKind hat, sich auf die Lösung dieses Konfliktskonzentrieren.“

Kooperatives LernenGemeinsames Lernen der Mitschüler (peer tutoring) oderkooperatives Lernen wirkt sich sowohl für den kognitiven alsauch für den sozialen (emotionalen) Bereich des Lernens undder Entwicklung der Schüler positiv aus, wie die Studie zeigt.Schüler, die sich gegenseitig helfen, besonders wenn dies ineinem System von flexiblen und gut durchdachtenSchülergruppierungen erfolgt, profitieren vom gemeinsamenLernen. Außerdem gibt es keine Anzeichen, dass diebegabteren Schüler unter dieser Situation leiden, weil sie neueHerausforderungen oder Möglichkeiten verpassen würden. DieErgebnisse zeigen Fortschritte sowohl im kognitiven als auchim sozialen Bereich.

Niederlande:„Kooperatives Lernen ist sogar dann möglich, wenn derSonderschüler die Position des „Tutors“ übernimmt. DerSchüler mit schweren Verhaltensstörungen (genannt „A“)wird auch als Tutor für jüngere Schüler eingesetzt.Entgegen erster Erwartungen ist A sehr beliebt beiseinen jüngeren Schülern. Es gehört zur Rolle desTutors, eine Aufgabe auszuwählen, die Gruppe mit der

25

Page 27: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

Arbeit beginnen zu lassen und auf eventuelleSchwierigkeiten zu achten. Da Schülergruppen überall inder Schule arbeiten, sieht es ein bisschen chaotisch ausund sicher tat A am Anfang nichts. Mit etwas Anleitungjedoch macht A seinen Job als Tutor gut.“

Portugal:„Sowohl der Klassenlehrer als auch derIntegrationslehrer arbeiten Vollzeit im Team mit derKlasse. Sie erarbeiten gemeinsam individuelleAktivitätspläne für jedes Kind, auch für N. Bei Bedarfbeteiligt sich das gesamte Lehrpersonal daran, denbesten Weg zur Problembewältigung zu finden;manchmal können auch weitere Akteure einbezogenwerden. N erhält große Unterstützung von seinenKollegen. Ein Teil der Arbeit mit N. erfolgtgemeinschaftlich und ein Fortschritt ist schon sichtbar.“

Belgien (Flämischer Teil):„Dieser Integrationslehrer hilft allen Klassenlehrern imUmgang mit Schülern mit sozial-emotionalenSchwierigkeiten und Verhaltensauffälligkeiten, speziellauch bei der Integration von J (dem Jungen mitVerhaltensstörungen).“

Die Klasse ist in acht Gruppen aufgeteilt, wodurch dieKinder in kleinen, heterogenen Gruppen arbeitenkönnen. Die Schüler helfen sich gegenseitig. Währendder Spielstunde spielen alle Kinder zusammen undlernen Rücksichtnahme auf andere. Die anderen Kindermüssen besonders wegen J toleranter sein. Zugleichsind die anderen Kinder manchmal ein gutes Vorbild fürJ.“

Kooperative ProblembewältigungSowohl die Berichte aus den Ländern als auch dieLiteraturstudie zeigen, dass ein systematischer Ansatzgegenüber unerwünschtem Verhalten ein effektives Instrument

26

Page 28: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

zur Reduktion der Häufigkeit und Intensität von Störungen imUnterricht ist. Dies gilt besonders für Lernende mitVerhaltensauffälligkeiten. Klare Verhaltensnormen undSpielregeln, die mit allen Schülern vereinbart werden (inVerbindung mit angemessenen Belohnungen und Strafen)haben sich als wirkungsvoll erwiesen.

Island:Ein Verhaltensmodifikationssystem wird eingeführt undkonsequent angewendet. Obwohl das System aufInitiative einer Lehrerin eingeführt wurde, zeigt es dieBedeutung einer gut koordinierten Umsetzung vonMethoden, da eine Verhaltensänderung sonst nichtfunktioniert.

„Im Mittelpunkt steht hier ein achtjähriger Junge (P), dersein drittes Jahr an der Schule absolviert. Bei ihm wurdemedizinisch ADHD diagnostiziert und er wirdmedikamentös behandelt. Er leidet unterKonzentrationsmangel und hat nur eine kurzeKonzentrationspanne im Unterricht. Die Lehrerin mussbeträchtliche Zeit investieren, um seine Konzentration zuerhalten, damit er von seinem Niveau nicht zurückfällt. Erbleibt durchgängig in der Klasse und wird auch nicht fürStützunterricht aus der Klasse genommen.“

Da P ein starker Störfaktor für die anderen Schüler ist,hat die Lehrerin ein System zur Verhaltensänderungausprobiert, das sich als sehr wirkungsvoll erwiesen hat.

„Wenn er in einer Woche zwei Sterne verliert, darf er ander Wochenabschlussstunde nicht teilnehmen. Das isteine Freistunde, in der die Klasse verschiedene beliebteDinge tut.“

Der Literaturbericht Großbritanniens :„Der Stuhlkreis ist in Grundschulen Großbritanniens weitverbreitet. Dabei handelt es sich um regelmäßige, imStundenplan fest verankerte Zeiten im Lehrplan, indenen Unterrichtsgruppen die Möglichkeit haben,

27

Page 29: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

Erfahrungen, Probleme, Stärken und Schwächen zuüberdenken und auszutauschen, zu diskutieren und nachLösungen für Dinge zu suchen, die der Gruppe wichtigsind. Damit wird die Förderung der Interaktion in derGruppe und des Einfühlungsvermögens sowie dieBekämpfung von Rangeleien angestrebt (indem dieKinder zum Respekt vor ihren Mitschülern aufgefordertwerden). Betont wurde die strikte Einhaltung dervereinbarten Regeln (z.B. dürfen Beiträge nichtverspottet werden und sollten abwechselnd gemachtwerden), wobei die Gruppe selber die Regeln formuliert.“

Frankreich:„F tat in der Regel das Gegenteil von dem, was derLehrer von ihm verlangte. Dieses Verhalten,gekennzeichnet von einer Abgrenzung von den andern,griff allmählich auf seine Beziehungen zu den anderenKindern über. In der Klasse verhielt er sich zunehmendstörend, er sprach laut, provozierte die anderen Schüler,war immer gegen alles, war ständig in Bewegung unddrohte mit Rache gegen jeden, der seine Übergriffe zustoppen versuchte. Er erreichte ein Stadium, in dem ergegen Alles in der Schule opponierte, gegen Aktivitätenund den Lehrer. Die Maßnahmen zielten darauf, dass

• F beginnen würde, mit Regeln umzugehen, ohne dasGefühl zu haben, dass er gefährlich sei;

• F beginnen würde, ein Minimum an Regeln zuakzeptieren; und dass

• ihm dabei geholfen würde, zu arbeiten und gleichzeitigdie festgelegten Regeln zu respektieren.

Diese vermittelnden Maßnahmen waren in einenpädagogischen Rahmen eingebettet, der eine präziseOrganisation und Regeln voraussetzt.

Organisation: regelmäßige Sitzungen von festgelegterDauer, wobei jede Sitzung Zeit zur Auswahl der

28

Page 30: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

Maßnahme, für die Durchführung und Zeit, um überEmpfindungen zu sprechen, beinhaltet.

Regeln: dass er sich nicht selbst wehtut, niemandanderem wehtut, die Einrichtung nicht beschädigt undnach der Sitzung alles in Ordnung bringt.

Der Klassenlehrer berichtete von Fortschritt beim Lernen,und besonders von weniger Konflikten mit Mitschülern. Fnahm sich sogar die Freiheit mit anderen Kindern zu„moralisieren“. Im ganzen zog er wenigerAufmerksamkeit auf sich selbst, akzeptierte Strafen,wenn es ihm bewusst war, dass er gegen eine wichtigeRegel verstoßen hatte, und sprach nicht mehr vonRache.

Heterogene GruppierungenHeterogene Gruppierung und ein differenziertererpädagogischer Ansatz sind notwendig und wirkungsvoll imUmgang mit unterschiedlichen individuellen Voraussetzungenvon Schülern in der Klasse. Klare Ziele, alternativeLehrmethoden, flexibler Unterricht und unterschiedlicheLerngruppierungen fördern den gemeinsamen Unterricht.Heterogene Gruppierung ist eine der Grundvoraussetzungenfür kooperatives Lernen.

Schweden:„Unterschiedliche Schüler zusammenzubringen bedeutetfür einen Schüler mit schweren Lernbehinderungen sehrviel - Er liebt es, wenn der Lehrer der Gruppe vorliest, erzeichnet gerne, er ist glücklich und manchmal beteiligt ersich in der Gruppe. Er ist in sozialer, emotionaler,verhaltensbezogener Hinsicht und bezüglich kognitiverFertigkeiten gewachsen.“

Irland (Austauschbericht):„Der Klassenaufbau sowie auch Ansätze, die nicht aufden Lehrer ausgerichtet sind, fördern dieZusammenarbeit zwischen den Schülern nicht nurinnerhalb der selben Untergruppe, sondern auch

29

Page 31: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

innerhalb der ganzen Klasse. Nach Lehrerkommentarenwurden Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarfin heterogene Gruppen mit Schülern eingeteilt, die ihnenhelfen konnten und bereit waren, die Lehrerrolle zuübernehmen. Die Schüler schienen im allgemeinen mitdem differenzierten Unterricht vertraut zu sein und warengut darauf vorbereitet, kognitive und physischeUnterschiede zu akzeptieren, sogar in Klassen, in denenSchüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf einedominante Rolle bei den Klassenaktivitäten bekamen(z.B. war ein Mädchen mit Down-Syndrom dieProtagonistin in einem Schauspiel, an dem ihreKlassenkameraden fröhlich teilnahmen). In Klassen, indenen Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarfbesondere Ressourcen zuteil wurden (z.B. Computer),gab es keine bemerkenswerten Reaktionen. DieErklärung dafür mag sein, dass Schüler dazu „erzogen“wurden, ein Teil des integrativen Prozesses zu sein, undvom Kontakt mit den Schülern mit sonderpädagogischemFörderbedarf profitieren, sie akzeptieren und tolerieren.Lehrer entdecken eine sehr positive Einstellung unterden anderen Schülern und ihren Eltern gegenüberSchülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf undeine positivere Einstellung gegenüber Behinderungen.Sie bringen auch mehr Verständnis für die Auswirkungenauf Menschen mit Behinderung auf.“

Finnland:„Die Schüler wurden in vier heterogene Gruppen (nachFarben benannt) eingeteilt. Bei Bedarf konnten zwei derGruppen zusammengeschlossen werden, um einegrößere Unterrichtseinheit zu bilden. Die Größe derUnterrichtsgruppe hängt vom jeweiligen Schulfach ab.Musik, Naturwissenschaften und Kunsterziehung findenz.B. in größeren Gruppen statt, während Mathematik unddie Muttersprache in kleineren Gruppen unterrichtetwerden. Flexible Stundenpläne erlauben Einteilungen, in

30

Page 32: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

denen nicht alle Schüler zur gleichen Zeit in der Schulesind.“

„In Mathematik und der Muttersprache wurden dieunterschiedlichen Leistungsniveaus der Schülerberücksichtigt und dafür entsprechend kleinere Gruppengebildet. Der Zweck der Leistungsgruppen besteht darin,den Schülern mehr individuellen Unterricht zu bieten unddamit ihre Lernmotivation aufrechtzuerhalten oder zuverbessern. In der Muttersprache z.B. wurden dieSchüler ihrer Lesefertigkeit entsprechend gruppiert, sodass die eine Gruppe die Graphem-Phonem-Analogiebehandelt, während die andere Gruppe kurze Texte aufSilbenniveau liest und die dritte Gruppe sich mitKinderliteratur befasst.“

Österreich:„Die Basis des Konzepts einer altersmäßig gemischtenKlasse ist der gemeinsame Unterricht von Kindern mitheterogenen Fähigkeiten von der Vorschule bis zurvierten Grundschulklasse in einer Klasse. Das Ziel liegtdarin, Selektion zu vermeiden und unterschiedlicheVorbedingungen sowie verschiedene Lerntempi währendder gesamten Grundschulzeit zu respektieren. DieVorteile dieses organisatorischen Konzepts werden aufkognitiver und besonders auf emotionaler und sozialerEbene deutlich.Der Druck auf Eltern, Kinder und Lehrer wird verringert.Jedes Kind kann sich, wenn nötig, fünf Jahre Zeit lassen,um die Anforderungen des Lehrplans zu bewältigen. DerKlassenlehrer bleibt als enge Kontaktperson. Auch dieGruppe ändert sich nicht entscheidend, womit sichsoziale Beziehungen stabil entwickeln können,besonders für die Kinder, die sich als „Problemkinder“erweisen. Die weniger begabten Schüler bleiben nichtvier Jahre lang die schwächsten in der Gruppe, dajüngere und automatisch schwächere Kinder in derGruppe nachrücken. Dies pflegt soziale Lernprozesse,allgemeine Unterstützung und somit ist das gegenseitigeAufpassen ein Teil der täglichen Routine. Begabtere

31

Page 33: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

Kinder können früher ihre Interessen stillen, da ältereSchüler als Vorbilder fungieren und Hilfestellung leisten.Schließlich fördert die heterogene Gruppe forderndeKinder, da es mehr Möglichkeiten gibt, sichzurückzuziehen oder sich mit Mitschülern zu befreunden,die ihrem Entwicklungsstand entsprechen.“

Belgien (Französischer Teil) (Bericht über denAustauschbesuch):

Folgende Aspekte werden von den Expertenhervorgehoben: „Das Modell der Binnendifferenzierungim Unterricht und die intensive Zusammenarbeit vonspezialisierten Fachkräften und regulären Lehrpersonenin der Klasse.“

Wirksamer UnterrichtSchließlich sollte auf wirksamen Unterricht fokussiert werden:die Ergebnisse von wirksamen Schulen und Literatur zuwirksamem Unterricht kann auf integrativen Unterrichtübertragen werden: Zielsetzungen, Unterricht basierend aufindividueller Lernstandserfassung und Evaluation, hohenErwartungen, direktem Unterricht und Feedback. Außerdemunterstreichen die Fallstudien die Bedeutung der Orientierungan einem Standardlehrplan. Der Lehrplan muss jedoch nich nurfür Lernende mit sonderpädagogischem Förderbedarf, sondernfür alle Schüler, einschließlich der begabten, individuellangepasst werden. Bezüglich der Schüler mitsonderpädagogischem Förderbedarf wird in den meistenLändern von einem individuellen Förderplan gesprochen. Diegood-practice-Beispiele zeichnen sich dadurch aus, dass derIndividuelle Förderplan mit dem normalen Rahmenlehrplankompatibel ist.

Deutschland:Ein Individueller Förderplan wurde in allenBundesländern erstellt und wird auch dazu benutzt, umfür jeden Schüler mit sonderpädagogischemFörderbedarf individuelle Unterstützung zu sichern. Er

32

Page 34: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

gibt Informationen über den Beginn des Unterrichts unddie Bedingungen, über den individuellen Förderbedarfund die Diagnose, das Angebot und möglicheEinteilungen, über Kooperation und Kollaboration sowieüber Qualifikation des Personals.

Luxemburg:„Kinder, die gefördert werden, brauchen einenIndividuellen Förderplan. Auf nationaler Ebene ist dieStruktur dieses Plans mit den folgenden psycho-pädagogischen Paradigmen definiert: persönlicheUnabhängigkeit, verbale und non-verbaleKommunikation, Basislernen, kulturelle Lehre,psychomotorische Erziehung, soziale Gesundheit undHygiene, emotionale und soziale Entwicklung,persönliche Verantwortung, Berufsvorbereitung,Freizeitaktivitäten.“

Schließlich wiesen die im Projekt beteiligten Experten auch aufdie Gefahr hin, dass Individualisierung innerhalb integrativerSchulen eine zu starke Aufmerksamkeit erhalten könnte.Heterogene Gruppierung beinhaltet in der Tat Formen derDifferenzierung, wobei Schüler verschiedene Ziele durchalternative Lernmethoden erreichen können. Aber es solltebetont werden, dass dies in einem effektiven und gezieltenAnsatz geregelt werden kann.

GroßbritannienDie Bildung aller Schüler, auch derer mitsonderpädagogischer Förderung orientiert sich an einemnationalen Lehrplan: „Alle Schüler folgen dem NationalenLehrplan. Langfristige, mittelfristige und kurzfristigePlanung erfolgt in Jahresgruppenteams der Lehrer ausRegelklassen und der Förderklasse. Sowohl dieRegelklassen als auch die Förderklasse haben einen fürjedes Fach des Nationalen Lehrplans verantwortlichenKoordinator: diese arbeiten zusammen. (Alle englischenGrundschulen haben Fachkoordinatoren. Bedeutsamerist hier zudem, dass Lehrer in Zweiergruppenzusammenarbeiten.) Die Arbeit wird entsprechend den

33

Page 35: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

Bedürfnissen einzelner Schüler oder Schülergruppendifferenziert. Schüler aus Förderklassen werden dannbeispielsweise nur eine Einheit eines Moduls nehmen.Die Art und Weise, in der die Schule den Lehrplan denunterschiedlichen Bedürfnissen entsprechend in einerLehrplan-“karte“ geplant hat, entspricht dem von derQualification and Curriculum Authority (derRegierungsbehörde in England, die für den NationalenLehrplan und alle dazugehörigen Untersuchungenzuständig ist) vertretenen Ansatz: z.B. können diegleichen Zielsetzungen mit verschiedenen Aktivitätenerreicht werden, für Lernende mit stärkerenLernbehinderungen auf einem tieferen Niveau als für dieanderen Lernenden. Die tägliche Arbeit wird wöchentlichdiskutiert und Möglichkeiten für die Integration vonEinzelnen oder Gruppen werden bestimmt. Wenn dieSchüler sich wie vorgesehen in verschiedenenUnterrichtsräumen bewegen, sind sie dadurch vertrautmit der aktuellen Arbeit.“

34

Page 36: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

4. SCHLUSSFOLGERUNGEN

Integrative Unterrichtspraxis wurde anhand einerinternationalen Literaturstudie, Fallstudien in 15 europäischenLändern, Expertenbesuche in sieben Ländern sowie mehrereDiskussionen mit Experten und den National Co-ordinatorn derAgentur untersucht. Das Projekt versucht, wirksame, integrativeUnterrichtspraxis zu analysieren, zu beschreiben und bekanntzu machen. Die folgenden Fragen wurden untersucht: In ersterLinie geht es darum zu verstehen, was bei integrativerUnterrichtspraxis wirkt. Zweitens geht es um die Frage, wieintegrativer Unterricht funktioniert. Drittens interessiert, warumes funktioniert.

Ein wesentliches Ergebnis ist, dass Verhaltens-, sozialeund/oder emotionale Probleme die größte Herausforderung fürLehrerinnen und Lehrer von Schülern mitsonderpädagogischem Förderbedarf darstellen. Zweitens istder Umgang mit unterschiedlichen individuellenVoraussetzungen in der Klasse eines der zentralen Problemeintegrativer Unterrichtspraxis. Drittens legen unsere Fallstudienund Diskussionen der Experten den Schluss nahe, dassdieselben Faktoren, die für Schüler mit sonderpädagogischemFörderbedarf gut sind, für alle Schüler gut sind.

Schließlich scheinen die Ansätze des kooperativen Unterrichts,des kooperativen Lernens, der kooperativen Problemlösung,der heterogenen Gruppierung und des wirksamen Unterrichtseinen wesentlichen Beitrag zur effektiven Praxis integrativenUnterrichts zu leisten.

35

Page 37: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

NATIONAL CO-ORDINATOR und nationale Experten fürUnterrichtspraxis der Europäischen Agentur

Belgien (Flämischer Teil)Mr. Theo Mardulier [email protected](National Co-ordinator)Mr. Jean Paul Verhaegen [email protected] Ms. Dora Nys [email protected]

Belgien (Französischer Teil)Ms. Thérèse Simon [email protected](National Co-ordinator)Ms. Danielle Pécriaux [email protected]

DänemarkMr. Poul Erik Pagaard [email protected](National Co-ordinator)Ms. Grethe Persson [email protected]

DeutschlandMs. Anette Hausotter [email protected](National Co-ordinator)Mr. Ulf Preuss-LausitzMr. Hans-Jürgen Freitag [email protected] Ms. Ellen Herzberg [email protected]

FinnlandMs. Minna Saulio [email protected](National Co-ordinator)Mr. Eero Nurminen [email protected] Mr. Ole Gustafsson [email protected] Mr. Heikki Happonen [email protected]

FrankreichMr. Pierre Henri Vinay [email protected](National Coordinator)Ms. Nel Saumont [email protected](National Co-ordinator)

36

Page 38: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

Mr. José Seknadjé-Askénazi [email protected] Ms. Marie-Madelaine CluzeauGriechenlandMs. Venetta Lampropoulou [email protected](National Co-ordinator)Ms. Antigoni Faragoulitaki [email protected] Mr. Emmanuel Markakis [email protected] Ms. Georgia Fantaki [email protected] Mr. Ioannis Spetsiotis

IslandMs. Bryndis Sigurjónsdottír [email protected](National Co-ordinator)Mr. Gudni Olgeirsson [email protected] Mr. Hafdís Gudjónsdóttir [email protected] Ms. Soffia Björnsdóttir [email protected]

IrlandMr. Peadar McCann [email protected](National Co-ordinator)Ms. Marie Murphy [email protected] Mr. Michael Cremin [email protected]

LuxemburgMs. Jeanne Zettinger (National Co-ordinator) [email protected] Ms. Pia Englaro [email protected] Mr. Michel Dostert [email protected] Ms. Jöelle Schmit [email protected]

NiederlandeMr. Sip Jan Pijl (National Co-ordinator) [email protected] Mr. C.J.F van WijkMs. Ina van der Vlugt [email protected] Ms. Piet Douwsma [email protected]

NorwegenMs. Gry Hammer Neander [email protected](National Co-ordinator)Mr. Lars A. Myhr

37

Page 39: Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis · umfassend in der Veröffentlichung „Inclusive Education and Effective Classroom Practices“ dokumentiert, die elektronisch als

Österreich Ms. Irene Moser [email protected](National Co-ordinator)Mr. Dieter Zenker [email protected] Ms. Claudia Otratowitz [email protected] Ms. Elisabeth Fritsch [email protected]

PortugalMr. Vitor Morgado [email protected](National Co-ordinator)Ms. Maria Da Graca Barreto Leal Franco

[email protected] Ms. Ana Montez Cadima [email protected]

SchwedenMs. Lena Thorsson [email protected](National Co-ordinator)Ms. Inger Tinglev [email protected] Mr. Raoul Elebring [email protected]

SchweizMr. Peter-Walther Müller [email protected](National Co-ordinator)Mr. Albin Niederman [email protected] Ms. Sonja Rosenberg [email protected]

GrossbritannienMs. Felicity Fletcher-Campbell [email protected](National Co-ordinator)

38