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dtv Taschenbücher Intelligentes Leben im Universum Was wir im Alltag über Physik lernen können von Marcus Chown 1. Auflage Intelligentes Leben im Universum – Chown schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG Thematische Gliederung: Populärwissenschaftliche Werke dtv München 2010 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 423 24802 0

Intelligentes Leben im Universum · Ge dr uck t auf säur efr eiem , chlo rfrei ge bleicht em Pa pier Pr int ed in G erm any « ISB N 9 78-3-423-24802-0 Pr oduktg ru p pe aus vorbildlich

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Ausführliche Informationen über

unsere Autoren und Bücher

finden Sie auf unserer Website

www.dtv.de

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MARCUS CHOWN

Intelligentes Leben

im Universum

Was wir im Alltag über Physik lernen können

Aus dem Englischen von

Kurt Neff

Deutscher Taschenbuch Verlag

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Deutsche Erstausgabe

2010

Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG,

München

© 2009 Marcus Chown

Titel der englischen Originalausgabe: ›We Need To Talk About Kelvin.

What Everyday Things Tell Us About The Universe‹

(Faber and Faber, London 2007)

© 2010 der deutschsprachigen Ausgabe:

Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Sämtliche, auch auszugsweise

Verwertungen bleiben vorbehalten.

Umschlagkonzept: Balk & Brumshagen

Umschlagbild: Tullio Pericoli/Margarethe Hubauer Illustration

Redaktion und Satz: Lektyre Verlagsbüro, Olaf Benzinger, Germering

Gesetzt aus der Bembo 10,5/13•

Druck: CPI - Ebner & Spiegel, Ulm

Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier

Printed in Germany · ISBN 978-3-423-24802-0

Produktgruppe aus vorbildlichbewirtschafteten Wäldern und

anderen kontrollierten Herkünften

Zert.-Nr.GFA-COC-001278www.fsc.org

© 1996 Forest Stewardship Council

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Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

ERSTER TEIL

Was die Alltagswelt uns über Atome verrät

Das Gesicht in der Fensterscheibe . . . . . . . . . . . .

Warum Atome einen irren Veitstanz aufführen . . . . .

Nicht mehr als zwei Erbsen auf einmal in der Schote .

ZWEITER TEIL

Was die Alltagswelt uns über die Sterne verrät

Worüber sich Kelvin den Kopf zerbrach . . . . . . . . .

Sie und ich und der immens unwahrscheinliche

Tripel-Alpha-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Der 4,5-Milliarden-Grad-Brennofen . . . . . . . . . .

DRITTER TEIL

Was die Alltagswelt uns über das Universum verrät

Unsäglich schwach: das Sternenlicht . . . . . . . . . .

Der Knall vor dem Großen Knall . . . . . . . . . . . .

Die Humpty-Dumpty-Tendenz . . . . . . . . . . . . .

Die zufallsbedingte Wirklichkeit . . . . . . . . . . . . .

Die Erde ist voll – geht wieder heim . . . . . . . . . . .

9

17

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Anhang

Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Zur weiteren Lektüre empfohlen . . . . . . . . . . . . .

Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Namenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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275

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311

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Für Karen & Jo

mit herzlichen Grüßen

von Marcus

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Vorwort

Motto: Eine Welt erschau’n in einem Körnchen Sand,

Den Himmel in einer wildwachsenden Blume und

Das ganze All erfassen in der gehöhlten Hand,

Alle Ewigkeit in einer einz’gen Stund.

William Blake, Weissagungen der Unschuld

Das Konzept dieses Buches ist einfach. Wir werden vertraute

Aspekte der Alltagswelt im Licht unseres aktuellen wissen-

schaftlichen Kenntnisstands betrachten und feststellen, dass sie

uns profunde Dinge über die Grundbeschaffenheit der Wirk-

lichkeit verraten. Wir werden Phänomene der Alltagswelt als

kosmische Chiffren entziffern, werden, um es mit William Blake

zu sagen, »eine Welt erschau’n in einem Körnchen Sand« oder in

einem fallenden Laubblatt oder einer Rose oder dem Sternhim-

mel … Um Beispiele anzuführen:

– Die Spiegelung Ihres Gesichts in einer Fensterscheibe zeugt

von der schockierendsten Entdeckung in der Geschichte der

Naturwissenschaften, nämlich der Tatsache, dass die Welt auf

der tiefsten Strukturebene vom blinden Zufall regiert wird:

dass letztlich alles ohne jeden Grund geschieht.

– Dass Eisen so weit verbreitet ist – im Stahl der Autos, die wir

fahren, ebenso gegenwärtig wie im Skelett der Gebäude, in

denen wir arbeiten, und selbst noch in dem Blut, das in die-

sem Augenblick in unseren Adern fließt –, dieser Umstand

verrät, dass irgendwo in den Tiefen des Alls ein Brennofen

mit einer Höllenglut von ungefähr viereinhalb Milliarden

Grad existieren muss.

– Dass sich auf der Erde keine Aliens blicken lassen – weder se-

hen wir welche an Straßenecken herumlungern noch welche

Engeln gleich am Himmel schweben, noch welche sich mate-

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rialisieren und entmaterialisieren wie die Besatzungsmitglie-

der des Raumschiffs Enterprise –, diese Tatsache verrät … tja,

um bei der Wahrheit zu bleiben, wir wissen nicht, was sie ver-

rät. Es könnte sein, dass wir die erste Form von Intelligenz

sind, die in unserer Galaxie – vielleicht im ganzen Univer-

sum – aufgekommen ist, und dass wir zu kosmischer Einzel-

haft auf der Erde ohne außerirdische Gesprächspartner verur-

teilt sind. Oder das All steckt so voller Gefahren, dass die von

einem raumfahrenden Volk losgeschickten Kundschafter aus-

gelöscht werden, bevor sie eine Chance haben, zu uns zu fin-

den. Hier haben wir den Fall einer alltäglichen Beobachtung,

für die mancherlei Erklärungen möglich sind, von denen kei-

ne zwingend ist.

Auf die Idee, darüber zu schreiben, was die Alltagswelt uns über

das Universum erzählen kann, kam ich auf einer Lesereise mit

einem meiner Bücher. Schriftsteller ist man entweder ganz oder

gar nicht. Den Großteil meiner Zeit verbringe ich in meiner

Schreibklause, wo mir nur die Goldfische George und Reg Ge-

sellschaft leisten (Laura hat traurigerweise während der Entste-

hung dieses Buches das Zeitliche gesegnet). Aber für die kurze

Zeit, in der ich mithelfe, die Werbetrommel für ein neu erschie-

nenes Buch von mir zu rühren, komme ich aus dem Haus und

im Lande herum und im hektischen Reigen der Auftritte sogar

zu neuen Bekanntschaften. Und Interesse für ein Buch zu

wecken erfordert eine ganz andere Fertigkeit, als eines zu schrei-

ben. Bei Rundfunkinterviews habe ich bestenfalls ein paar Mi-

nuten Zeit, um etwas von mir zu geben, was sich im Kopf des

Zuhörers festsetzt. Bei öffentlichen Vorträgen kann es sein, dass

der größte Teil des Publikums keinerlei wissenschaftliche Vor-

kenntnisse mitbringt. Also bemühe ich mich ständig um an-

schauliche, eingängige neue Darstellungsweisen. Dabei wurde

mir einmal unversehens bewusst, dass ich – was ja eigentlich na-

heliegt –, wenn ich vor einem Laienpublikum spreche, gern von

einer alltäglichen Beobachtung ausgehe, von der ich dann eine

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Brücke zu den tieferen physikalischen Zusammenhängen schla-

ge, die in ihr zur Anschauung kommen.

Auf dem Edinburgh International Science Festival 2008 zum

Beispiel stand ich vor der Aufgabe, das fundamentale Paradoxon

zu verdeutlichen, von dem sich die beste heute verfügbare Be-

schreibung der mikrophysikalischen Welt der Atome und ihrer

Komponenten, die Quantentheorie, herleitet. Also wies ich mei-

ne Zuhörer auf eine der Lampen im Saal hin und sprach über

den Sachverhalt, dass jede der von der Glühbirne emittierten

Lichtwellen 5000 Mal so viel Raum einnimmt wie das Atom, von

dem sie emittiert wird. Ich zog eine Streichholzschachtel aus der

Tasche und sagte: »Stellen Sie sich vor, ich mache diese Streich-

holzschachtel auf, und ein Vierzig-Tonnen-Laster kommt her-

ausgefahren. Genau so liegen die Verhältnisse bei dieser Glühbir-

ne und dem Licht, das aus ihr herauskommt.«

Und eines Tages ging mir ein Licht auf. Ich dachte plötzlich,

warum nicht einmal ein Buch schreiben, in dem jedes Kapitel ei-

ne andere alltägliche Beobachtung aufgreift und dann die Struk-

turen äußerster Tiefen der Wirklichkeit ausleuchtet, von denen

sie zeugt. Eine klare, schnörkellose Sache. Warum war ich nicht

schon eher darauf gekommen? Auf einmal sah ich, wie ich alle

möglichen Dinge, über die ich schreiben wollte, unter einen Hut

bringen konnte. Ich hatte einen roten Faden gefunden.

Ich fühlte mich beschwingt, befürchtete aber zugleich, ich

könnte mich wiederholen. Aber wenn ich auch auf Gegenstände

zurückkomme, die ich in früheren Büchern wie Die Suche nach

dem Ursprung der Atome oder Warum Gott doch würfelt behandelt ha-

be, so hoffe ich doch, dass ich hier die Darstellung habe vertiefen

und die Dinge in einem neuen Licht zeigen können. Ein gutes

Beispiel ist das 400 Jahre alte Rätsel, warum der Nachthimmel

schwarz ist. Mit 99 Prozent aller Astronomen teilte ich lange die

Ansicht, die mitternächtliche Schwärze da oben lehre uns, dass

das Universum nicht seit ewigen Zeiten existiert habe, sondern

geboren sei – dass der Beweis für den Urknall uns seit der Mor-

gendämmerung der Menschheitsgeschichte deutlich vor Augen

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gestanden habe, hätten wir nur Verstand genug gehabt, ihn zu er-

kennen. Kann sein, dass ich das sogar in meinem Buch Afterglow

of Creation geschrieben habe. Heute ist mir klar, dass der dunkle

Nachthimmel uns absolut nichts dergleichen verrät. Die Mehr-

zahl der Astronomen befindet sich da im Irrtum. Und seltsamer-

weise war es ausgerechnet Edgar Allan Poe, der als Erster einen

Blick auf den wahren Sachverhalt erhaschte.

Ein weiteres Beispiel für ein Thema, das ich erneut aufgreife,

um meine Darstellung ergänzend abzurunden, ist die grenzenlo-

se Vielfalt in der Welt, in der wir leben. Letztlich verdankt sie sich

dem Pauli’schen Ausschließungsprinzip (kurz Pauli-Prinzip),

welches verhindert, dass Elektronen sich übereinanderhäufen,

und das dadurch für die Existenz vieler Atomsorten anstelle einer

einzigen sorgt. Mir war bewusst, dass ich in meinem Buch War-

um Gott doch würfelt die volle Erklärung der Sache schuldig geblie-

ben war. Ich konnte dartun, dass die Natur es zwei ununter-

scheidbaren Teilchen erlaubt, sich in klar unterschiedlicher Wei-

se zu verhalten: entweder gesellig oder ungesellig zu sein. Dann

führte ich aus, dass die Natur beide Verhaltensmöglichkeiten

nutzt. Teilchen mit »Spin« eines bestimmten Typs erweisen sich

als ungesellig – Elektronen zum Beispiel –, Teilchen mit Spin an-

deren Typs dagegen – Photonen zum Beispiel – sind gesellig. Da-

bei ließ ich jedoch die Frage unbeantwortet, was zum Henker der

Spin damit zu tun hat, welche der beiden Verhaltensmöglichkei-

ten ein Teilchen annimmt. Ich hatte die Sache nur halb erklärt.

Zu meiner Verteidigung kann ich vorbringen, dass Wolfgang

Pauli von 1926, dem Jahr, in dem er das Ausschließungsprinzip

formulierte, bis 1941 brauchte, um mit einer Erklärung, was der

Spin damit zu tun hat, dem sogenannten Spin-Statistik-Theorem

aufwarten zu können. Also habe ich keine allzu großen Gewis-

sensbisse. Ich hoffe jedoch, im Folgenden eine volle Erklärung

zu liefern, eine, die sich meines Wissens in keinem anderen Buch

findet. Das Ganze beweist nur, dass mein Verständnis der Dinge

sich beständig weiterentwickelt und ich mich in der Rolle des

Bücherschreibers bemühe, nicht nur meinen just erreichten

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Wiss ensstand weiterzugeben, sondern auch in die jeweilige Ma-

terie so lange und so tief einzudringen, bis ich mit dem Erreich-

ten zufrieden sein kann.

Außer mit der Bedeutung der Vielfalt in der Welt und der

Schwärze des Nachthimmels befasse ich mich im Folgenden mit

der Frage, warum die Komplexität der Welt uns verrät, dass Gott

mit dem Kosmos würfelt – eine Vorstellung, die Einstein aufs

Tiefste zuwider war – und dass, täte er es nicht, es überhaupt kei-

nen Kosmos gäbe. Ferner erläutere ich, dass die Richtung der

Zeit – der Grund, warum wir älter und nicht jünger werden – an-

scheinend festgelegt wurde, als etwa 380 000 Jahre nach dem Ur-

knall die Gravitation »eingeschaltet« wurde (eine Entdeckung,

die der Physiker Lawrence S. Schulman während der Entstehung

dieses Buches machte). Und ich lege dar, warum man aus der

Tatsache, dass wir in einer Nichtquantenwelt leben, in der nie-

mand jemals gleichzeitig durch zwei verschiedene Türen zu ge-

hen in der Lage ist, ableiten kann – wie Stephen Hawking es

(ebenfalls während der Niederschrift dieses Buches) getan hat –,

dass das Universum in der Vergangenheit einen Schub superra-

pider Expansion durchlaufen hat. Das ist sicherlich eine der er-

staunlichsten Schlussfolgerungen, die man aus der Alltagswirk-

lichkeit ziehen kann; sie unterstreicht Hawkings einzigartiges

Genie. Und das sind längst nicht alle Themen. Aber dieses Vor-

wort ist in akuter Gefahr, zu lang zu geraten. Ich hoffe, Sie finden

Gefallen an meinem Buch.

London im Februar 2009 Marcus Chown

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ERSTER TEIL

Was die Alltagswelt

uns über Atome verrät

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Sie stehen versonnen am nächtlichen Fenster und blicken auf

die Lichter der Großstadt hinaus. Draußen regnet es. Sie sehen

die vorbeifahrenden Autos drunten auf der Straße, und Sie erken-

nen die schwache Spiegelung Ihres Gesichts zwischen den Rinn-

salen von Regenwasser auf der Scheibe. Ob Sie es glauben oder

nicht, diese einfache Beobachtung verrät Ihnen etwas Profundes

und Schockierendes über die Grundbeschaffenheit der Wirklich-

keit. Sie verrät Ihnen, dass das Universum auf tiefster Ebene in

Zufall und Unberechenbarkeit gründet, in der Launenhaftigkeit

eines Würfelwurfs – dass alles ohne jeden Grund geschieht.

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1

Das Gesicht in der Fensterscheibe

Warum Sie der schockierendsten

Entdeckung in der Geschichte der

Wissenschaft ins Aug e blicken,

wenn sie vor einer Fensterscheibe

stehen, in der Sie Ihr Gesicht

g espieg elt sehen

Motto: Une difficulté est une lumière.

Une difficulté insurmontable est un soleil.

(Eine Schwierigkeit ist ein Licht.

Eine unüberwindliche Schwierigkeit

ist eine Sonne.)

Paul Valéry, Mauvaises pensées

Kein Fortschritt ohne Paradoxon

John Wheeler 1985

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Dass Sie die Großstadtlichter draußen und zugleich das schwa-

che Abbild Ihres Gesichts sehen können, liegt daran, dass etwa 95

Prozent des auf die Scheibe auftreffenden Lichts diese glatt pas-

sieren und etwa fünf Prozent reflektiert werden. Das ist leicht zu

verstehen, wenn das Licht das ist, wofür es gemeinhin gehalten

wird: eine Welle, vergleichbar dem Gekräusel auf einem Gewäs-

ser. Denken Sie an die Bugwelle eines Schnellboots, das auf ei-

nem See dahinjagt. Trifft sie auf ein auf dem Wasser treibendes

Stück Holz, läuft ein großer Teil der Welle, unbeeinflusst von

dem Hindernis, einfach weiter, während ein kleiner Teil kehrt-

macht. Ähnlich, wenn eine Lichtwelle auf ein Hindernis in Form

einer Glasscheibe trifft: Zum größten Teil wird sie durchgelas-

sen, ein kleiner Teil wird zurückgeworfen.

So weit ist das eine durchaus einfache Erklärung dafür, warum

Sie Ihr Gesicht in der Fensterscheibe gespiegelt sehen. Sie

scheint auf jeden Fall keine Aussage über die Grundbeschaffen-

heit der Wirklichkeit einzuschließen. Doch das ist eine Täu-

schung. Das Licht ist nicht das, was es zu sein scheint. Es hat eine

Eigenheit in petto, die dieses einfache Bild über den Haufen

wirft und alles ändert. Im 20. Jahrhundert entdeckte man eine

Anzahl Phänomene, die erkennen lassen, dass das Licht sich

nicht wie eine Wasserwelle auf einem Teich, sondern wie ein

Strom von – mikroskopisch kleinen Geschossen ähnelnden –

Teilchen verhält. Da war zum Beispiel der Compton-Effekt, aus

dem sich etwas über die eigentümliche Art und Weise ersehen

ließ, wie Licht sich an einem Elektron bricht beziehungsweise an

ihm »streut«. Das 1897 von dem an der University of Cambridge

lehrenden Physiker Joseph John (»J. J.«) Thomson entdeckte

Elektron ist das erste nachgewiesene subatomare Teilchen und

einer der wichtigsten Bausteine des Atoms obendrein.

Im Jahr 1922 untersuchte der amerikanische Physiker Arthur

Compton, was mit Licht geschieht, mit dem man Elektronen be-

strahlt. Vor seinem geistigen Auge hatte er das Bild von Lichtwel-

len, die sich an einem Elektron brechen wie Wasserwellen an ei-

ner Boje. Wer Letzteres schon beobachtet hat, wird wissen, dass

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die Spanne der Wellen, die »Wellenlänge«, sich dabei nicht ändert.

Anders gesagt, der Abstand zwischen zwei benachbarten Wellen-

bergen beziehungsweise Wellentälern bleibt bei der abgehenden

Welle der gleiche wie bei der ankommenden. Bei Comptons Ex-

perimenten war dies jedoch ganz und gar nicht der Fall. Nach-

dem die Wellen sich an Elektronen gebrochen hatten, war ihre

Länge größer als zuvor. Und je größer die durch den Zusammen-

stoß bewirkte Abweichung in der Bewegungsrichtung des Licht-

strahls, desto stärker war die Vergrößerung der Wellenlänge. Es

war, als würde blaues Licht mit seiner charakteristischen kurzen

Wellenlänge durch die bloße Brechung an einem Elektron wie

von Zauberhand in langwelliges rotes Licht verwandelt.1

Eine

längerwellige, trägere Welle ist nicht so energetisch wie eine

kurz wellige, aufgeregte. Aus seinen Experimenten lernte Comp-

ton also, dass Licht, wenn es sich an einem Elektron bricht, dabei

aus irgendeinem Grund an Energie verliert.

Das Bild, das sich der Experimentator, bevor er zur Tat schritt,

von dem Geschehen gemacht hatte, entpuppte sich als ein

Schuss in den Ofen. Licht hatte sich im Experiment nicht ent-

fernt so verhalten wie eine Wasserwelle, die sich an einer Boje

bricht. Ja, je länger er über die Sache nachdachte, desto klarer

wurde ihm, dass es sich wie eine Billardkugel nach dem Zusam-

menstoß mit einer anderen Kugel verhalten hatte. Wird eine Bil-

lardkugel von der Stoßkugel getroffen, schießt sie davon und

nimmt einen Teil der Energie der Stoßkugel mit sich. Der Stoß-

kugel geht so zwangsläufig Energie verloren. Elektronen waren,

wie man wusste, so etwas wie winzige Billardkugeln. Aber vom

Licht war bekannt, dass es sich wie eine Welle im Raum fort-

pflanzte. Comptons Experimente ließen jedoch keinen Raum

für Zweifel. Ungeachtet der im Lauf von Jahrhunderten zusam-

mengetragenen Beweise des Gegenteils musste das Licht auch

aus – winzigen Billardkugeln vergleichbaren – Teilchen beste-

hen. Für seine bahnbrechende Arbeit zum Nachweis des Teil-

chencharakters des Lichts erhielt Compton 1927 den Nobelpreis

für Physik.

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Einen weiteren Beweis dafür, dass Licht sich wie ein Teilchen-

strom verhält, liefert der photoelektrische Effekt (oder Photo -

effekt) – jedem bekannt, der schon einmal erlebt hat, wie sich die

Blätter der Schiebetür am Eingang zum Supermarkt bei seiner

Ankunft vor ihm teilen gleich dem Roten Meer im Buch Exodus.

Anlass des Auseinandergleitens der Türblätter ist die Unterbre-

chung eines Lichtstrahls durch ein näher kommendes Bein. Der

Lichtstrahl fällt auf eine »Fotozelle«, ein Gerät, in dem ein Stück

Metall Elektronen emittiert, solange Licht bestimmter Frequenz

auftrifft. Das geschieht, weil die Elektronen so locker an ihr

Elternatom gebunden sind, dass die von dem Lichtstrahl abgege-

bene Energie ausreicht, um sie aus ihrer Bindung zu schlagen.

Unterbricht nun irgendetwas den Lichtstrahl, wird die Fotozelle

überschattet und der Elektronenspritzstrahl hört auf. Die Elek-

tronik ist nun so ausgelegt, dass das Ausbleiben der Elektronen in

elektrische Schaltsignale umgewandelt wird, die den Motor, der

die Tür öffnet, in Gang setzen.

Was hat der photoelektrische Effekt mit dem Teilchencharak-

ter des Lichts zu tun? Wenn das Licht eine Welle ist, dann ist es

nahezu unmöglich zu erklären, wie es Energie effizient an ein

winziges lokalisiertes Elektron abgeben kann. Ausgedehnt, wie

sie ist, wird eine typische Lichtwelle mit einer großen Zahl über

die Oberfläche des Metalls verteilter Elektronen interagieren.

Naturgemäß werden dann manche Elektronen früher, andere

später ausgeschlagen. Tatsächlich hat sich bei Berechnungen ge-

zeigt, dass zwischen dem Ausschlagen einzelner Elektronen Pau-

sen von bis zu zehn Minuten liegen können. Stellen Sie sich vor,

der Elektronenfluss in der Fotozelle brauchte zehn Minuten, um

zustande zu kommen und die Supermarktkunden müssten zehn

Minuten warten, bis die automatische Tür sich öffnet.

Besteht jedoch das Licht aus winzigen Teilchen und jedes in-

teragiert mit einem einzelnen Elektron an der Oberfläche des

Metalls, ergibt sich ein plausibles Bild. Das in solchen »Photo-

nen« gebündelte Licht verstreut seine Energie nicht über eine

Vielzahl von Elektronen, sondern trifft mit voller Wucht genau

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