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REGION Sonntag | Nr. 1 | 16. September 2007 Seite 85 So_RSZ_7 85 WAS UNTERNEHMEN WIR HEUTE? WIR BEWUNDERN DEN BIELERSEE VON OBEN UND DIE HERBSTZEITLOSE AUF DEN KALKWEIDEN Der Regionalpark Chasseral lädt im Früh- herbst zu einem Spaziergang durch den Wald hoch über dem Bielersee ein. Ab Bahnhof Ligerz fährt die Tessenberg- bahn in sechs Minuten nach Prêles auf dem Tessenberg. Oben angekommen, der Route auf dem Wanderweg nach La Neu- veville folgen. Zu Beginn führt die Strasse «vue des alpes» durch ein Einfamilien- haus-Quartier. Der Strassennamen hält sein Versprechen: Weit in der Ferne über dem Bielersee erhebt sich selbst bei leicht dunstiger Aussicht das Gebirge. Auf den anschliessenden Juraweiden blüht zurzeit die Herbstzeitlose. Das vio- lette Blümchen erinnert an eine Narzisse und ist giftig, Es enthält das hochwirksa- mens Zellgift Colchicin, von dem schon 1mg pro Körpergewicht lebensgefährlich ist. Wohl aus diesem Grund hat das zarte Pflänzchen im Volksmund ziemlich har- sche Benennungen erhalten. Es wird auch Giftblume, Teufelsbrot, Hennegift, Hunds- hode und gar Leichenblume genannt. Schliesslich erreicht man nach einigen viehsicheren Weideübergängen die Natur- strasse auf der Krete. Hier ist der Wander- weg nach La Neuveville wieder ausgeschil- dert. Der Weg führt lange Zeit flach durch den noch grünen, sonnendurchfluteten Wald, vorbei an einer offiziellen und vielen spontanen Brätlistellen. Wenn man sich bereits auf der Höhe über La Neuveville wähnt, zweigt der Wanderweg ab und schlängelt sich hinunter über die Strasse zu einem Aussichtspunkt. Zwischen den Bäumen wird nun der Blick frei auf die Schiffe auf dem See, die St. Petersinsel und die ersten Häuser von La Neuveville. Gleichenorts wird mit einer Erinnerungs- tafel an die Verbrennung von Marie Rigau erinnert. Sie wurde im Jahr 1669 hinge- richtet. Die Gerichts-, Haft- und Hinrich- tungskosten betrugen 48 Écus und 5 Batz. (Bezahlen musste sie der Besitzer des Weinbergs, wo die Frau gewohnt hat.) Nun kommt die Abzweigung: Entweder, man steigt direkt nach La Neuveville ab oder man entscheidet sich für die Variante durch die Schlucht des Pilouvi. Der Wan- derweg durch die Schlucht führt anfangs steil bergauf, der Abstieg nach La Neuve- ville führt ebenso steil bergab. Nach dem Wald gelangt man via Rebkulturen und via Altstadt von La Neuveville zum Bahnhof, oder – passiert man die Unterführung zum See und geht links – zur Schiffsstation. Die Schiffe verkehren noch bis Ende Septem- ber nach Biel oder Neuenburg. Turnschuhgängig? Bei trockenem Wetter ja. Kinderwagen-/rollstuhlgängig? Nein. Gefährliche Stellen? Strassenquerung Reine Gehzeit: (Ohne Abstieg durch die Schlucht) 1 Stunde 45 Minuten. Für den Abstieg durch die Schlucht ist rund eine Stunde länger einzurechnen. Anreise mit dem öffentlichen Verkehr: Je nach Ausgangsort via Biel oder Neuen- burg nach Ligerz. Der Fahrpreis der Tes- senbergbahn beträgt für Erwachsene 5.20 Franken (ohne Halbtax-Abo). Der «Parc Régional Chasseral» ist als Gan- zes kein Naturschutzgebiet. Einige Zonen sind als Naturreservate gekennzeichnet. Schilder beachten. Weitere Infos: www.parcchasseral.ch www.herbstzeitlosen.ch/blume.htm (LIN) Aussicht auf den See. Das «Teufelsbrot» am Wegrand. «Ich bin leider erst spät Freimaurer geworden» Eric Ambühl, Meister vom Stuhl der Solothurner Loge «Prometheus» VON FRÄNZI RÜTTI-SANER Herr Ambühl, wie sind Sie zur Frei- maurerei gekommen? Erich Ambühl: Innerlich wurde ich si- cher schon früh zum Freimaurer, vor- wiegend durch die Auseinanderset- zung mit Goethe. Dem Bund trat ich aber erst 1997 bei, zwei Jahre vor mei- ner Pensionierung. Den Anstoss gaben Diskussionen über «Gott und die Welt», die ich während 25 Jahren mit meinem Coiffeur führte, ohne zu wis- sen, dass er Freimaurer war. Eigent- lich habe ich schon immer als «Frei- maurer ohne Schurz» gehandelt. So nennen wir Menschen, die in maure- rischem Geiste wirken, ohne dem Bund anzugehören. Seit Juni 2006 bin ich «Meister vom Stuhl», also Vorsit- zender der Solothurner Loge «Prome- theus». Freimaurer sind bekannt für Ihre Verschwiegenheit. Verstossen Sie jetzt nicht gegen ein Gebot, wenn Sie sich öffentlich als Freimaurer be- kennen? Nein. Bei der Aufnahme geloben wir, über die Mitgliedschaft von Brüdern Stillschweigen zu bewahren. Die eige- ne Zugehörigkeit aber kann jeder of- fenlegen. Was ist der Sinn einer Mitglied- schaft bei den Freimaurern? Freimaurer arbeiten am Tempel der Humanität. Im Streben nach Wahr- heit wollen sie sich selbst und ihre Mitmenschen veredeln. Nach der Initi- ation beginnt der Lehrling mit der Ar- beit an sich selber. Er bearbeitet sei- nen «rauhen Stein», unser Sinnbild der Unvollkommenheit des mensch- lichen Herzens und des menschlichen Verstandes. Auf der Suche nach Selbst- erkenntnis führt er als Geselle diese Arbeit weiter. Fragen zum Zusammen- leben, zu Reichtum, Ehre, Gerechtig- keit, beschäftigen ihn. Ein Meister schliesslich bearbeitet zusätzlich Pro- bleme der Ethik und des wahren Menschseins. Der Sinn der Mitglied- schaft in einer Loge liegt darin, durch gegenseitige Belehrung, Pflege des Idealen und durch die Übung der von den Baubrüderschaften übernomme- nen symbolischen Gebräuche zu sich selber zu finden und die so genannte «Königliche Kunst» zu erlernen. Diese besteht in der Fähigkeit, sein Leben sinnvoll zu gestalten, andere beim geistigen Wachstum zu unterstützen und seinen Teil der Verantwortung in der gesellschaftlichen Entwicklung wahrzunehmen. Das klingt fast religiös. Die Freimaurerei ist keine Religion. Auf dem Weg zum Meister befreien sich Lehrlinge und Gesellen von Vor- urteilen und Dogmen, um dann – frei im Denken – den Mitmenschen tole- rant und mit grösstmöglicher Offen- heit zu begegnen. Früher brachte man Freimaurer mit Verschwörungstheorien in Zu- sammenhang. Begegnen Freimaurer heute noch Vorurteilen? Ja, doch als noch gravierender emp- finde ich das Unwissen der Mitmen- schen über die Freimaurerei. Kaum je- mand weiss etwas über den wichtigen gesellschaftlichen Beitrag der Frei- maurer an der Entwicklung der De- mokratie und der Menschenrechte. Das liegt wohl daran, dass sich die Maurerei zu lange bedeckt gehalten hat. Ein Vortrag und eine Ausstellung anfangs Winter in der Zentralbiblio- thek Solothurn sollen das Wirken von Freimaurern in Solothurn, aber auch anderswo in der Welt erhellen. Weil von den Aktivitäten der Brüder in der Loge nichts nach aussen dringt, entstehen wahrscheinlich diese Gerüchte. Was tun Sie denn wirklich in Ihren Versammlungen? Ziel der meisten Zusammenkünfte ist die Erweiterung des Wissens. Unter dem Moto «Verstehen ist besser als tolerieren» setzen wir uns gegenwär- tig mit den Weltreligionen auseinan- der. Zudem führen wir so genannte Rituale durch, die der inneren Samm- lung und der Vertiefung von Sym- bolen dienen; gesellige Anlässe mit unseren Ehefrauen oder Lebenspart- nerinnen sowie Besuche anderer Lo- gen fördern die brüderliche Verbun- denheit. Und wie wird man Freimaurer? Wer Freimaurer werden will, muss sich selbst bei einer Loge bewerben. In einem Gespräch prüft eine Kommis- sion das ehrliche Interesse. Nach posi- tiver «Ballotage» (geheimer Abstim- mung mit weissen und schwarzen Ku- geln) wird der Neuling in einem Initi- ationsritual als Freimaurerlehrling aufgenommen. Während zwei bis drei Jahren werden ihm in Instruktionen, die zusätzlich zu den wöchentlichen Zusammenkünften stattfinden, die Lehrinhalten seines Grades vermittelt. Auf dem langen Weg zum Freimau- rermeister liegt das Schwergewicht auf dem inneren Erleben. Es ist dieses innere Erleben, das nicht in Worte ge- fasst werden kann, welches – als mau- rerisches Geheimnis – die Freimaurer auf der ganzen Welt verbindet. Sind Männerbünde in der heutigen Zeit nicht überholt? Kann die gezielte Suche nach Wahr- heit, nach Weisheit und nach sich selbst je überholt sein? Durch die In- itiation und durch archetypische Ele- mente in den Ritualen eröffnet die Maurerei auch westlichen, rational denkenden Menschen einen Weg zur Weisheit. Gibt es auch weibliche Freimaurer? Ja und es gibt auch «gemischte» Logen. Diese sind allerdings von der Schwei- zerischen Grossloge «Alpina» nicht an- erkannt. Weil der Individuationspro- zess für Mann und Frau unterschied- lich verläuft, arbeiten Männer und Frauen am besten getrennt. Mit der Aufnahme ist eine Initiation verbun- den und eine Initiation für beide Ge- schlechter gleichzeitig gibt es in kei- ner Kultur. Dazu kommt, dass ein kla- res Bedürfnis von Männern besteht, sich in einem eigenen Freiraum zu treffen. Dazu stehen wir. Wie hat die Freimaurerei ihr eigenes Leben verändert? Sie ist für mich zu einer Lebensform geworden, die mich zutiefst berei- chert hat und die ich nicht missen möchte. Ich bedaure heute, erst relativ spät dazu gefunden zu haben. Idealer- weise sollte eine Mitgliedschaft im Al- ter zwischen dreissig bis vierzig Jah- ren erfolgen, frühestens jedoch mit zwanzig. Welches können die Ziele der Frei- maurerei heute sein? Die Freimaurerei ist dem Huma- nismus verpflichtet. In der Loge be- schäftigen wir uns mit Fragen des Mensch-Seins im Globalisierungspro- zess. Der Mensch ist das einzige Lebe- wesen, das sich selber erkennen und verwirklichen kann. Voraussetzung dafür ist, dass er sich emanzipiert, dass er sich wahres Wissen aneignet und ei- ne kritische, kreative und tolerante Grundhaltung entwickelt. Der Welt- friede beginnt im Innern des Individu- ums. Wenn wir es fertigbringen, unse- ren Mitglieder diese Lebenshaltung zu vermitteln, haben wir ein auch heute noch wichtiges Ziel erreicht. Eric Ambühl bedauert, erst kurz vor seiner Pensionierung zur Freimaurerei gekommen zu sein. FREIMAURER Die Freimaurerloge «Prometheus» Solothurn feiert dieses Jahr ihr 30-jäh- riges Bestehen. Aus diesem Anlass wird im November in der Zentralbiblio- thek in Solothurn eine Ausstellung zur Geschichte der Freimaurerei in Solo- thurn durchgeführt. In einer 5-teiligen Artikelserie beleuchten wir die Welt der Freimaurerei, die heute noch vielen unbekannt ist. Im heutigen ersten Teil berichtet der «Meister vom Stuhl», der Lohn-Ammannsegger Eric Ambühl, von seinen Beweggründen, der Solo- thurner Freimaurerloge beizutreten und wie sich sein Leben seither verän- dert hat. (FRB) Wer Freimaurer in der Solothurner Loge «Prometheus» werden will, muss mindestens 20 Jahre alt sein, eine Ein- trittsgebühr von 1 200 Franken und eine Jahresgebühr von 565 Franken bezahlen. Darüber hinaus muss ein Kandidat sich mit drei Grundprinzipien einverstanden erklären: Er muss an ein höheres geistiges Prinzip glauben, an den so genannten «Baumeister aller Welten»; er muss ein freier Mann sein, was bedeutet, dass er wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich in seinen Entscheidungsgrundlagen nicht einge- engt sein darf; er muss dem Prinzip der Toleranz nachleben. «Wir sind nicht besser als andere, aber wir haben uns verpflichtet, uns mehr als andere anzustrengen, besser zu wer- den», steht in einem Grundlagenpa- pier der Freimaurerloge «Prome- theus» Solothurn. Die Freimaurer betreiben keine Propaganda und keine Mitgliederwerbung. Wer Freimaurer werden will, soll sich mit einem Bewer- bungsschreiben an eine Loge wenden. Der Aufnahme geht dann eine strenge und länger dauernde Prüfung voraus. Deren Ziel ist die Erforschung der Beweggründe des Kandidaten. Sie soll Aufschluss über die Charaktereigen- schaften und auch über seine «seeli- sche Empfänglichkeit» geben. Die Auf- nahme in einer regulären Loge irgend- wo in der Welt führt zum Erwerb der Mitgliedschaft in den weltweiten Bund der Freimaurer und gewährt Zutritt zu allen Logen. (FRB) Wie man Mitglied in einer Freimaurerloge wird BILDER: LIN BILD: HANSPETER BÄRTSCHI

Interview mit dem M.v.St. (Zeitung Sonntag)

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REGION Sonntag | Nr. 1 | 16. September 2007 Seite 85

So_RSZ_7 85

WAS UNTERNEHMEN WIR HEUTE?WIR BEWUNDERN DEN BIELERSEE VON OBEN UND DIE HERBSTZEITLOSE AUF DEN KALKWEIDEN

DDeerr RReeggiioonnaallppaarrkk CChhaasssseerraall llääddtt iimm FFrrüühh--hheerrbbsstt zzuu eeiinneemm SSppaazziieerrggaanngg dduurrcchh ddeennWWaalldd hhoocchh üübbeerr ddeemm BBiieelleerrsseeee eeiinn.. Ab Bahnhof Ligerz fährt die Tessenberg-bahn in sechs Minuten nach Prêles aufdem Tessenberg. Oben angekommen, derRoute auf dem Wanderweg nach La Neu-veville folgen. Zu Beginn führt die Strasse«vue des alpes» durch ein Einfamilien-haus-Quartier. Der Strassennamen hältsein Versprechen: Weit in der Ferne überdem Bielersee erhebt sich selbst bei leichtdunstiger Aussicht das Gebirge.

Auf den anschliessenden Juraweidenblüht zurzeit die Herbstzeitlose. Das vio-lette Blümchen erinnert an eine Narzisseund ist giftig, Es enthält das hochwirksa-mens Zellgift Colchicin, von dem schon1mg pro Körpergewicht lebensgefährlichist. Wohl aus diesem Grund hat das zartePflänzchen im Volksmund ziemlich har-sche Benennungen erhalten. Es wird auchGiftblume, Teufelsbrot, Hennegift, Hunds-hode und gar Leichenblume genannt.Schliesslich erreicht man nach einigenviehsicheren Weideübergängen die Natur-strasse auf der Krete. Hier ist der Wander-weg nach La Neuveville wieder ausgeschil-dert. Der Weg führt lange Zeit flach durchden noch grünen, sonnendurchflutetenWald, vorbei an einer offiziellen und vielenspontanen Brätlistellen. Wenn man sichbereits auf der Höhe über La Neuvevillewähnt, zweigt der Wanderweg ab undschlängelt sich hinunter über die Strasse

zu einem Aussichtspunkt. Zwischen denBäumen wird nun der Blick frei auf dieSchiffe auf dem See, die St. Petersinselund die ersten Häuser von La Neuveville.Gleichenorts wird mit einer Erinnerungs-tafel an die Verbrennung von Marie Rigauerinnert. Sie wurde im Jahr 1669 hinge-richtet. Die Gerichts-, Haft- und Hinrich-tungskosten betrugen 48 Écus und 5Batz. (Bezahlen musste sie der Besitzerdes Weinbergs, wo die Frau gewohnt hat.)Nun kommt die Abzweigung: Entweder,man steigt direkt nach La Neuveville aboder man entscheidet sich für die Variantedurch die Schlucht des Pilouvi. Der Wan-derweg durch die Schlucht führt anfangssteil bergauf, der Abstieg nach La Neuve-ville führt ebenso steil bergab. Nach demWald gelangt man via Rebkulturen und viaAltstadt von La Neuveville zum Bahnhof,oder – passiert man die Unterführung zumSee und geht links – zur Schiffsstation. Die

Schiffe verkehren noch bis Ende Septem-ber nach Biel oder Neuenburg.

Turnschuhgängig? Bei trockenem Wetterja.Kinderwagen- /rollstuhlgängig? Nein.Gefährliche Stellen? StrassenquerungReine Gehzeit: (Ohne Abstieg durch dieSchlucht) 1 Stunde 45 Minuten.Für den Abstieg durch die Schlucht istrund eine Stunde länger einzurechnen.Anreise mit dem öffentlichen Verkehr:Je nach Ausgangsort via Biel oder Neuen-burg nach Ligerz. Der Fahrpreis der Tes-senbergbahn beträgt für Erwachsene 5.20Franken (ohne Halbtax-Abo).Der «Parc Régional Chasseral» ist als Gan-zes kein Naturschutzgebiet. Einige Zonensind als Naturreservate gekennzeichnet.Schilder beachten.Weitere Infos: www.parcchasseral.chwww.herbstzeitlosen.ch/blume.htm (LIN)

Aussicht auf den See.Das «Teufelsbrot» am Wegrand.

«Ich bin leider erst spätFreimaurer geworden»Eric Ambühl, Meister vom Stuhl der Solothurner Loge «Prometheus»

VON FRÄNZI RÜTTI-SANER

Herr Ambühl, wie sind Sie zur Frei-maurerei gekommen?Erich Ambühl: Innerlich wurde ich si-cher schon früh zum Freimaurer, vor-wiegend durch die Auseinanderset-zung mit Goethe. Dem Bund trat ichaber erst 1997 bei, zwei Jahre vor mei-ner Pensionierung. Den Anstoss gabenDiskussionen über «Gott und dieWelt», die ich während 25 Jahren mitmeinem Coiffeur führte, ohne zu wis-sen, dass er Freimaurer war. Eigent-lich habe ich schon immer als «Frei-maurer ohne Schurz» gehandelt. Sonennen wir Menschen, die in maure-rischem Geiste wirken, ohne demBund anzugehören. Seit Juni 2006 binich «Meister vom Stuhl», also Vorsit-zender der Solothurner Loge «Prome-theus».

Freimaurer sind bekannt für IhreVerschwiegenheit. Verstossen Siejetzt nicht gegen ein Gebot, wennSie sich öffentlich als Freimaurer be-kennen?Nein. Bei der Aufnahme geloben wir,über die Mitgliedschaft von BrüdernStillschweigen zu bewahren. Die eige-ne Zugehörigkeit aber kann jeder of-fenlegen.

Was ist der Sinn einer Mitglied-schaft bei den Freimaurern?Freimaurer arbeiten am Tempel derHumanität. Im Streben nach Wahr-heit wollen sie sich selbst und ihreMitmenschen veredeln. Nach der Initi-ation beginnt der Lehrling mit der Ar-beit an sich selber. Er bearbeitet sei-nen «rauhen Stein», unser Sinnbildder Unvollkommenheit des mensch-

lichen Herzens und des menschlichenVerstandes. Auf der Suche nach Selbst-erkenntnis führt er als Geselle dieseArbeit weiter. Fragen zum Zusammen-leben, zu Reichtum, Ehre, Gerechtig-keit, beschäftigen ihn. Ein Meisterschliesslich bearbeitet zusätzlich Pro-bleme der Ethik und des wahrenMenschseins. Der Sinn der Mitglied-schaft in einer Loge liegt darin, durchgegenseitige Belehrung, Pflege desIdealen und durch die Übung der vonden Baubrüderschaften übernomme-nen symbolischen Gebräuche zu sichselber zu finden und die so genannte«Königliche Kunst» zu erlernen. Diesebesteht in der Fähigkeit, sein Lebensinnvoll zu gestalten, andere beimgeistigen Wachstum zu unterstützenund seinen Teil der Verantwortung inder gesellschaftlichen Entwicklungwahrzunehmen.

Das klingt fast religiös.Die Freimaurerei ist keine Religion.Auf dem Weg zum Meister befreiensich Lehrlinge und Gesellen von Vor-urteilen und Dogmen, um dann – freiim Denken – den Mitmenschen tole-rant und mit grösstmöglicher Offen-heit zu begegnen.

Früher brachte man Freimaurer mitVerschwörungstheorien in Zu-sammenhang. Begegnen Freimaurerheute noch Vorurteilen?Ja, doch als noch gravierender emp-finde ich das Unwissen der Mitmen-schen über die Freimaurerei. Kaum je-mand weiss etwas über den wichtigengesellschaftlichen Beitrag der Frei-maurer an der Entwicklung der De-mokratie und der Menschenrechte.

Das liegt wohl daran, dass sich dieMaurerei zu lange bedeckt gehaltenhat. Ein Vortrag und eine Ausstellunganfangs Winter in der Zentralbiblio-thek Solothurn sollen das Wirken vonFreimaurern in Solothurn, aber auchanderswo in der Welt erhellen.

Weil von den Aktivitäten der Brüderin der Loge nichts nach aussendringt, entstehen wahrscheinlichdiese Gerüchte. Was tun Sie dennwirklich in Ihren Versammlungen?Ziel der meisten Zusammenkünfte istdie Erweiterung des Wissens. Unterdem Moto «Verstehen ist besser als tolerieren» setzen wir uns gegenwär-tig mit den Weltreligionen auseinan-der. Zudem führen wir so genannteRituale durch, die der inneren Samm-lung und der Vertiefung von Sym-bolen dienen; gesellige Anlässe mitunseren Ehefrauen oder Lebenspart-nerinnen sowie Besuche anderer Lo-gen fördern die brüderliche Verbun-denheit.

Und wie wird man Freimaurer?Wer Freimaurer werden will, musssich selbst bei einer Loge bewerben. Ineinem Gespräch prüft eine Kommis-sion das ehrliche Interesse. Nach posi-tiver «Ballotage» (geheimer Abstim-mung mit weissen und schwarzen Ku-geln) wird der Neuling in einem Initi-ationsritual als Freimaurerlehrlingaufgenommen. Während zwei bis dreiJahren werden ihm in Instruktionen,die zusätzlich zu den wöchentlichenZusammenkünften stattfinden, dieLehrinhalten seines Grades vermittelt.Auf dem langen Weg zum Freimau-rermeister liegt das Schwergewichtauf dem inneren Erleben. Es ist diesesinnere Erleben, das nicht in Worte ge-

fasst werden kann, welches – als mau-rerisches Geheimnis – die Freimaurerauf der ganzen Welt verbindet.

Sind Männerbünde in der heutigenZeit nicht überholt?Kann die gezielte Suche nach Wahr-heit, nach Weisheit und nach sichselbst je überholt sein? Durch die In-itiation und durch archetypische Ele-mente in den Ritualen eröffnet dieMaurerei auch westlichen, rationaldenkenden Menschen einen Weg zurWeisheit.

Gibt es auch weibliche Freimaurer?Ja und es gibt auch «gemischte» Logen.Diese sind allerdings von der Schwei-zerischen Grossloge «Alpina» nicht an-erkannt. Weil der Individuationspro-zess für Mann und Frau unterschied-lich verläuft, arbeiten Männer undFrauen am besten getrennt. Mit derAufnahme ist eine Initiation verbun-den und eine Initiation für beide Ge-schlechter gleichzeitig gibt es in kei-ner Kultur. Dazu kommt, dass ein kla-res Bedürfnis von Männern besteht,sich in einem eigenen Freiraum zutreffen. Dazu stehen wir.

Wie hat die Freimaurerei ihr eigenesLeben verändert?Sie ist für mich zu einer Lebensformgeworden, die mich zutiefst berei-chert hat und die ich nicht missenmöchte. Ich bedaure heute, erst relativspät dazu gefunden zu haben. Idealer-weise sollte eine Mitgliedschaft im Al-ter zwischen dreissig bis vierzig Jah-ren erfolgen, frühestens jedoch mitzwanzig.

Welches können die Ziele der Frei-maurerei heute sein?Die Freimaurerei ist dem Huma-nismus verpflichtet. In der Loge be-schäftigen wir uns mit Fragen desMensch-Seins im Globalisierungspro-zess. Der Mensch ist das einzige Lebe-wesen, das sich selber erkennen undverwirklichen kann. Voraussetzungdafür ist, dass er sich emanzipiert, dasser sich wahres Wissen aneignet und ei-ne kritische, kreative und toleranteGrundhaltung entwickelt. Der Welt-friede beginnt im Innern des Individu-ums. Wenn wir es fertigbringen, unse-ren Mitglieder diese Lebenshaltung zuvermitteln, haben wir ein auch heutenoch wichtiges Ziel erreicht.

Eric Ambühl bedauert, erst kurz vor seiner Pensionierung zurFreimaurerei gekommen zu sein.

FREIMAURER

Die Freimaurerloge «Prometheus»Solothurn feiert dieses Jahr ihr 30-jäh-riges Bestehen. Aus diesem Anlasswird im November in der Zentralbiblio-thek in Solothurn eine Ausstellung zurGeschichte der Freimaurerei in Solo-thurn durchgeführt. In einer 5-teiligenArtikelserie beleuchten wir die Weltder Freimaurerei, die heute noch vielenunbekannt ist. Im heutigen ersten Teilberichtet der «Meister vom Stuhl», derLohn-Ammannsegger Eric Ambühl,von seinen Beweggründen, der Solo-thurner Freimaurerloge beizutretenund wie sich sein Leben seither verän-dert hat. (FRB)

Wer Freimaurer in der SolothurnerLoge «Prometheus» werden will, mussmindestens 20 Jahre alt sein, eine Ein-trittsgebühr von 1 200 Franken undeine Jahresgebühr von 565 Frankenbezahlen. Darüber hinaus muss einKandidat sich mit drei Grundprinzipieneinverstanden erklären: Er muss anein höheres geistiges Prinzip glauben,an den so genannten «Baumeister allerWelten»; er muss ein freier Mann sein,was bedeutet, dass er wirtschaftlich,politisch und gesellschaftlich in seinenEntscheidungsgrundlagen nicht einge-engt sein darf; er muss dem Prinzipder Toleranz nachleben. «Wir sindnicht besser als andere, aber wirhaben uns verpflichtet, uns mehr alsandere anzustrengen, besser zu wer-

den», steht in einem Grundlagenpa-pier der Freimaurerloge «Prome-theus» Solothurn. Die Freimaurerbetreiben keine Propaganda und keineMitgliederwerbung. Wer Freimaurerwerden will, soll sich mit einem Bewer-bungsschreiben an eine Loge wenden.Der Aufnahme geht dann eine strengeund länger dauernde Prüfung voraus.Deren Ziel ist die Erforschung derBeweggründe des Kandidaten. Sie sollAufschluss über die Charaktereigen-schaften und auch über seine «seeli-sche Empfänglichkeit» geben. Die Auf-nahme in einer regulären Loge irgend-wo in der Welt führt zum Erwerb derMitgliedschaft in den weltweiten Bundder Freimaurer und gewährt Zutritt zuallen Logen. (FRB)

Wie man Mitglied in einer Freimaurerloge wird

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