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56 H ochwertige Weine als Anlage zu erwerben, ist grundsätzlich keine neue Investitionsstrategie. Sie ist in den letzten beiden Jahrzehnten allerdings wesent- lich beliebter geworden, weil sich die neuen Marktakteure sowohl für Wein als solches, aber auch für sein Anlagepo- tenzial interessierten. Es zeichnen sich zwei Haupttendenzen ab: Einerseits kamen zu den bisherigen Kunden neue Käufer aus Schwellenländern, besonders aus Asien hinzu. Die wirtschaftliche Entwicklung bescherte ihnen die Mittel, um hochwertige Weine kaufen zu können. Die kulturelle Bedeutung der Grands Crus und die Möglich- keit, mit diesen den eigenen Erfolg auszudrücken, sorgten für die Nachfrage. Andererseits erfuhr der Weinmarkt parallel dazu eine regelrechte „Finanzialisierung“, weil zahlreiche neue Investoren in den Markt einstiegen und dedizierte Tools entwickelt wurden. Dieses Phänomen ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Investoren nach anderen Renditequellen und einer stärkeren Diversifikation suchen. Das Image des Weins und die von ihm vermittelten Emotionen verstärken das Investoreninteresse an diesem Asset noch zusätzlich. Insgesamt gibt es also zwei eng miteinander verknüpfte Gründe, die für eine Investition in Wein sprechen können: eine attraktive finanzielle Performance und sich selbst eine Freude bereiten mit wunderbaren Weinen. DER MARKT FÜR HOCHWERTIGE WEINE Wein bleibt trotz seiner Attraktivität ein Nischenprodukt, das in einem komplexen Markt gehandelt wird. Insbesondere ist es schwierig, die Qualität eines Weins zu beurteilen, bevor man ihn degustiert hat. Diese Problematik rechtfertigt zumindest teilweise den Einfluss, den bestimmte Experten wie Robert Parker Jr. oder Jancis Robert auf die Wein- preise haben können. Darüber hinaus stimmt es, dass es sprichwörtlich keine grossen Weine, sondern nur grosse Flaschen gibt. Eine schlechte Lagerung kann die Qualität eines Weins in der Tat drama- tisch beeinträchtigen. Leider hat der „Fall Kurniawan“ zudem deutlich gezeigt, dass man sich aufgrund des Fälschungs- risikos unbedingt auch Klarheit über die Herkunft der Flaschen verschaffen muss. Der Markt für hochwertige Weine an sich weist ferner einzigartige Merkmale auf. Er beruht vor allem auf zahlrei- chen Verkaufs- und Kaufkanälen, die es schwierig machen, einen genauen Marktpreis zu ermitteln. Dieser Markt zeichnet sich ebenfalls durch die Präsenz vieler verschie- dener Akteure aus, die nicht alle über die gleichen Informa- tionen verfügen. So ist es, ausser für die Produzenten und einige Händler, oft unmöglich, die tatsächlich verkauften Mengen eines bestimmten Weins zu kennen, worunter die Effizienz leidet. Alternative, wenn nicht sogar exotische Anlagen entwickeln sich seit einigen Jahren besonders günstig. Die Anleger suchen hier, was ihnen klassische Anlagen immer seltener bieten: Rendite und vor allem Diversifikation. Tief verborgen im Anlageuniversum findet man hochwertige Weine und einige andere materielle Vermögenswerte, die zu den sogenannten „emotionalen Assets“ gehören. Hochwertige Weine oder Leidenschaft als Anlage DR. PHILIPPE MASSET UND DR. JEAN-PHLIPPE WEISSKOPF, ÉCOLE HÔTELIÈRE DE LAUSANNE [ Das zunehmende Interesse an hochwertigen Weinen hat zu wesentlichen strukturellen Veränderungen geführt, z. B. dem Entstehen eines bedeutenden Handelsplatzes in Hongkong ]

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Hochwertige Weine als Anlage zu erwerben, ist grundsätzlich keine neue Investitionsstrategie.

Sie ist in den letzten beiden Jahrzehnten allerdings wesent-lich beliebter geworden, weil sich die neuen Marktakteure sowohl für Wein als solches, aber auch für sein Anlagepo-tenzial interessierten. Es zeichnen sich zwei Haupttendenzen ab: Einerseits kamen zu den bisherigen Kunden neue Käufer aus Schwellenländern, besonders aus Asien hinzu. Die wirtschaftliche Entwicklung bescherte ihnen die Mittel, um hochwertige Weine kaufen zu können. Die kulturelle Bedeutung der Grands Crus und die Möglich-keit, mit diesen den eigenen Erfolg auszudrücken, sorgten für die Nachfrage. Andererseits erfuhr der Weinmarkt parallel dazu eine regelrechte „Finanzialisierung“, weil zahlreiche neue Investoren in den Markt einstiegen und dedizierte Tools entwickelt wurden. Dieses Phänomen ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Investoren nach anderen Renditequellen und einer stärkeren Diversifikation suchen. Das Image des Weins und die von ihm vermittelten Emotionen verstärken das Investoreninteresse an diesem Asset noch zusätzlich.Insgesamt gibt es also zwei eng miteinander verknüpfte Gründe, die für eine Investition in Wein sprechen können: eine attraktive finanzielle Performance und sich selbst eine Freude bereiten mit wunderbaren Weinen.

DER MARKT FÜR HOCHWERTIGE WEINE Wein bleibt trotz seiner Attraktivität ein Nischenprodukt, das in einem komplexen Markt gehandelt wird. Insbesondere ist es schwierig, die Qualität eines Weins zu beurteilen, bevor man ihn degustiert hat. Diese Problematik rechtfertigt zumindest teilweise den Einfluss, den bestimmte Experten wie Robert Parker Jr. oder Jancis Robert auf die Wein-preise haben können. Darüber hinaus stimmt es, dass es sprichwörtlich keine grossen Weine, sondern nur grosse Flaschen gibt. Eine schlechte Lagerung kann die Qualität

eines Weins in der Tat drama-tisch beeinträchtigen. Leider hat der „Fall Kurniawan“ zudem deutl ich gezeigt, dass man sich aufgrund des Fälschungs-risikos unbedingt auch Klarheit über die Herkunft der Flaschen verschaffen muss.

Der Markt für hochwertige Weine an sich weist ferner einzigartige Merkmale auf. Er beruht vor allem auf zahlrei-chen Verkaufs- und Kaufkanälen, die es schwierig machen, einen genauen Marktpreis zu ermitteln. Dieser Markt zeichnet sich ebenfalls durch die Präsenz vieler verschie-dener Akteure aus, die nicht alle über die gleichen Informa-tionen verfügen. So ist es, ausser für die Produzenten und einige Händler, oft unmöglich, die tatsächlich verkauften Mengen eines bestimmten Weins zu kennen, worunter die Effizienz leidet.

Alternative, wenn nicht sogar exotische Anlagen entwickeln sich seit einigen Jahren besonders günstig. Die Anleger suchen hier, was ihnen klassische Anlagen immer seltener bieten: Rendite und vor allem Diversifikation. Tief verborgen im Anlageuniversum findet man hochwertige Weine und einige andere materielle Vermögenswerte, die zu den sogenannten „emotionalen Assets“ gehören.

Hochwertige Weine oder Leidenschaft als Anlage

DR. PHILIPPE MASSET UND DR. JEAN-PHLIPPE WEISSKOPF, ÉCOLE HÔTELIÈRE DE LAUSANNE

[ Das zunehmende Interesse an hochwertigen Weinen hat zu

wesentlichen strukturellen Veränderungen geführt, z. B. dem

Entstehen eines bedeutenden Handelsplatzes in Hongkong ]

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P A R A B A N K E N U N D R E A L E V E R M Ö G E N S W E R T E

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Nicht zuletzt entwickelt sich dieser Markt ständig weiter. Das zunehmende Interesse an hochwertigen Weinen hat zu wesentlichen strukturellen Veränderungen geführt, z. B. dem Entstehen eines bedeutenden Handelsplatzes in Hongkong oder der Schaffung von Bewertungsinst-rumenten, Indizes und Fonds, die zur Verbesserung der Liquidität des Marktes beitragen.

WELCHE PERFORMANCE IST ZU ERWARTEN?

Hochwertige Weine können langfristig eine attraktive Performance bieten, insbesondere hinsichtlich Rendite und Diversifikation. Gleichzeitig ist jedoch das Risiko nicht zu vernachlässigen und ausgezeichnete Fachkenntnisse sind unabdingbar, um das volle Potenzial dieser Assetklasse nutzen zu können.Das Wachstum der Weinkonsumenten seit 2005 trug zum deutlichen Preisanstieg von hochwertigen Weinen bei. Die Renditen waren in der letzten Dekade komfortabel. Für ein langfristig hohes Preisniveau braucht es eine nachhaltige Zunahme der Nachfrage. Eine Bruttorendite von 6 % bis 8 % jährlich erscheint uns auf jeden Fall als realistisch. Für einen kurzfristigen Preisanstieg braucht es einen Millenni-ums-Jahrgang sowie gute wirtschaftliche Rahmenbedin-gungen. Wie bei allen Assets können durch eine proaktive Allokation und die Auswahl besonders attraktiver Weine höhere Renditen erzielt werden.Diese Art von Anlagen ist natürlich auch mit Risiken verbunden. Die jüngste Preisentwicklung hochwertiger Bordeauxweine zeigt, dass dieser Markt recht volatil sein kann. Die emotionale Komponente des Weins macht dieses Asset zusätzlich attraktiv, aber tendenziell ebenfalls anfällig auf menschliche Verhaltensweisen. Anlagen dieser Art bieten letztendlich ein beträchtliches Diversifikations-potenzial und ermöglichen ein Engagement mit originellen Risikofaktoren, das langfristig ausgerichteten Investoren potenziell attraktive Prämien bietet.

WIE INVESTIERT MAN IN HOCHWERTIGE WEINE? Für einen Einstieg in den Markt mit hochwertigen Weinen gab es bis vor Kurzem nur die Möglichkeit, direkt Flaschen und Kisten zu kaufen. Seit einigen Jahren ist es aber ebenfalls möglich, indirekt über Investmentfonds zu investieren.Natürlich bietet eine direkte Anlage mehr Flexibilität hinsicht-lich der Allokation, sie ist jedoch auch mit Transaktions-, Transport-, Lagerungs- und Versicherungskosten verbunden, die relativ hoch sein können. Im Weiteren sind für eine solche Anlage hervorragende Kenntnisse des Weinuniver-sums erforderlich, die mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden sind.Der Vorteil der Fonds ist in erster Linie praktischer Art: Auch Anleger ohne grosse Expertise können sich auf dem Markt für hochwertige Weine positionieren. Natürlich fallen für professionelles Management Verwaltungsgebühren an, die mitunter hoch sein können. Daher ist es wichtig, das Verhältnis zwischen dem Mehrwert des Anlagever-walters und den anfallenden Kosten zu untersuchen. Des Weiteren gilt es zu berücksichtigen, wie ein Fond mit den

Problematiken umgeht, die sich aus den Besonderheiten des Marktes für hochwertige Weine ergeben, insbesondere wie mit Illiquidität (Ein- und Ausstiegsbedingungen, Bewer-tung der Fondspositionen) umgegangen wird.

[ Für professionelles Management fallen Verwaltungsgebühren an, die mitunter hoch

sein können. Daher ist es wichtig, das Verhältnis zwischen dem Mehrwert des

Anlageverwalters und den anfallenden Kosten zu untersuchen ]

Die steigende Nachfrage durch immer mehr Weinliebhaber wird durch veränderte Konsumgewohnheiten verstärkt, was zu einem für die Fonds vorteilhaften Paradigmenwechsel führt. Die Konsumenten tendieren immer mehr dazu, gut ausgereifte Weine zu kaufen, um sie in kurzer Zeit zu konsu-mieren. In diesem Umfeld sind die Fonds natürlich gehalten, sich zwischen die Produzenten und Konsumenten zu stellen. Damit sind sie gut positioniert, um vom zunehmenden Ungleichgewicht zwischen einer regelmässig hohen Nach-frage und einem zur Hauptsache stabilen Angebot an hoch-wertigen Weinen zu profitieren.

ATTRAKTIVE AUSSICHTEN Eine Anlage in hochwertige Weine bietet insgesamt ein interessantes Potenzial, erfordert jedoch das Entwickeln spezifischer Kompetenzen und ein solides Netz oder das Hinzuziehen kompetenter Berater. Die mangelnde Effizienz dieses Marktes bietet sowohl Stolper-steine für Anleger ohne Fachkenntnisse als auch Gelegen-heiten für eine Outperformance für gut informierte Anleger.Für die Zukunft beruhen die wichtigsten Renditevektoren vor allem auf einem potenziellen Anstieg der weltweiten Nach-frage nach hochwertigen Weinen, sowie auf der Antizipa-tion der Weine, deren Renommee sich stärker entwickelt als jenes anderer Weine. Das Universum der hochwer-tigen Weine, das nach wie vor von Frankreich und insbe-sondere von Bordeaux dominiert wird, wächst unaufhörlich weiter. Die Konsumenten entdecken nach und nach seine ganze Vielfalt. Europa wird dank seinen speziellen Terroirs und seines Klimas in den nächsten Jahren wahrschein-lich der weltweit führende Lieferant hochwertiger Weine bleiben. Frankreich scheint gut gerüstet zu sein, um die weitere Entwicklung von Europas Weinbaugebieten anzu-führen, insbesondere aufgrund seiner Geschichte, seiner Traditionen und seines Rufs in diesem Markt. Wein ist also angesichts der mangelnden Rationalität der Märkte für „klassische“ Assets insgesamt eine ernst zu nehmende Investmentalternative.