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Hintergrund: Das Guillain-Barré Syndrom (GBS) ist gekennzeichnet durch eine aufsteigende Muskelschwäche mit Ausfall der Muskeleigenreflexe. Häufige Begleiterscheinungen sind neuropathische Schmerzen und eine vegetative Symptomatik. Bei einem Teil der Patienten entwickelt sich im Verlauf eine Hirnnervenbeteiligung. Eine seltene Variante des GBS stellt das Miller-Fisher-Syndrom (MFS) dar, charakterisiert durch die klinische Trias einer Hirnnervenparese, Ataxie und Areflexie. Der folgende Fall zeigt, wie eine atypische Präsentation zu Beginn die Diagnosestellung eines Guillain-Barré-Syndroms verzögerte und zunächst in die Irre führte. U. v. Mengershausen, P. Broser, O. Maier Zentrum für Kinderneurologie, Entwicklung und Rehabilitation (KER-Zentrum) Ostschweizer Kinderspital St. Gallen, Schweiz Isolierte Okulomotoriusparese als primäre Manifestation eines Guillain-Barré-Syndroms Fallbericht mit klinischem und elektrophysiologischem Verlauf Neurophysiologische Diagnostik Tag 11: F-Wellen, N. tibialis, vollständig erloschen SEP: kein sicheres kortikales Potential Neurophysiologische Diagnostik Tag 5: Inkonsistente F-Wellen N. tibialis Ausgefallene H- Reflexe M. ileus Zum Vergleich: normale H-Reflexe NLG N. tibialis grenzwertig erniedrigt Schlussfolgerung: Initial lag bei unserer Patientin eine isolierte Okulomotoriusparese vor ohne weitere neurologische Auffälligkeiten. Erst im Verlauf (ab Tag 5) zeigten sich die typischen Symptome eines Guillain-Barré-Syndroms (GBS) mit Parese und Areflexie der unteren Extremität. Zu keiner Zeit lag die klassische Trias eines Miller-Fisher-Syndroms (MFS) vor mit Ophthalmoplegie, Ataxie und Areflexie. Wir interpretieren den Verlauf unserer Patientin deshalb als Variante eines GBS. Fallbericht: Bei der Erstvorstellung: 4-jähriges Mädchen mit abklingender Varizelleninfektion isolierte Okulomotoriusparese mit Strabismus divergens und Ptosis rechts Keine weiteren neurologischen Auffälligkeiten (Gehfähigkeit und Reflexe erhalten, keine Ataxie) Abb. 1 * am Tag 1 Krankheitstage Klinik: Therapie: Steroide i.v. IVIg 2g/kgKG Parese und Areflexie untere Extremität Diagnostik: cc-MRT: isolierte Neuritis N. okulomotorius re Neurophysiologie (Tag 5 und 11): s.u. Okulomotoriusparese rechts (s. Abb. 1) 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Diagnose: Neuritis N. okulomotorius re Guillain-Barré-Syndrom (Variante) Nachkontrolle nach 2 Monaten: Okulomotoriusparese vollständig regredient (kein Strabismus oder Ptosis mehr) Noch dezente Beinschwäche und persistierende Areflexie Abb. 2 * nach 2 Monaten 44. Jahrestagung der Gesellschaft für Neuropädiatrie im Rahmen der Neurowoche 2018, Berlin Liquor: Normalbefund, keine zytoalbuminäre Dissoziation, Serum: kein Nachweis spezifischer Gangliosid-Ak NLG N. tibialis weiter abgenommen Take Home Message: Auch bei Vorliegen einer einseitigen und isolierten Hirnnervenparese an die Möglichkeit eines GBS denken ! * Fotos mit Zustimmung der Eltern veröffentlicht

Isolierte Okulomotoriuspareseals primäre Manifestation ... · Das Guillain-BarréSyndrom (GBS) ist gekennzeichnet durch eine aufsteigende Muskelschwäche mit Ausfall der Muskeleigenreflexe

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Page 1: Isolierte Okulomotoriuspareseals primäre Manifestation ... · Das Guillain-BarréSyndrom (GBS) ist gekennzeichnet durch eine aufsteigende Muskelschwäche mit Ausfall der Muskeleigenreflexe

Hintergrund:Das Guillain-Barré Syndrom (GBS) ist gekennzeichnet durch eine aufsteigende Muskelschwäche mit Ausfall der Muskeleigenreflexe. Häufige Begleiterscheinungen sind neuropathische Schmerzen und eine vegetative Symptomatik. Bei einem Teil der Patienten entwickelt sich im Verlauf eine Hirnnervenbeteiligung. Eine seltene Variante des GBS stellt das Miller-Fisher-Syndrom (MFS) dar, charakterisiert durch die klinische Trias einer Hirnnervenparese, Ataxie und Areflexie. Der folgende Fall zeigt, wie eine atypische Präsentation zu Beginn die Diagnosestellung eines Guillain-Barré-Syndroms verzögerte und zunächst in die Irre führte.

U. v. Mengershausen, P. Broser, O. Maier Zentrum für Kinderneurologie, Entwicklung und Rehabilitation (KER-Zentrum)

Ostschweizer Kinderspital St. Gallen, Schweiz

Isolierte Okulomotoriusparese als primäre Manifestation eines Guillain-Barré-Syndroms

Fallbericht mit klinischem und elektrophysiologischem Verlauf

Neurophysiologische Diagnostik Tag 11:

F-Wellen, N. tibialis, vollständig erloschen

SEP: kein sicheres kortikales Potential

Neurophysiologische Diagnostik Tag 5:

Inkonsistente F-WellenN. tibialis

Ausgefallene H-Reflexe M. ileus

Zum Vergleich: normale H-Reflexe

NLG N. tibialis grenzwertig erniedrigt

Schlussfolgerung:

Initial lag bei unserer Patientin eine isolierte Okulomotoriusparese vor ohne weitere neurologische Auffälligkeiten. Erst im Verlauf (ab Tag 5) zeigten sich die typischen Symptome eines Guillain-Barré-Syndroms (GBS) mit Parese und Areflexie der unteren Extremität. Zu keiner Zeit lag die klassische Trias eines Miller-Fisher-Syndroms (MFS) vor mit Ophthalmoplegie, Ataxie und Areflexie. Wir interpretieren den Verlauf unserer Patientin deshalb als Variante eines GBS.

Fallbericht:

Bei der Erstvorstellung:

• 4-jähriges Mädchen mit abklingender Varizelleninfektion

• isolierte Okulomotoriusparese mit Strabismus divergens und Ptosis rechts

• Keine weiteren neurologischen Auffälligkeiten (Gehfähigkeit und Reflexe erhalten, keine Ataxie)

Abb. 1 *am Tag 1

Krankheitstage

Klinik:

Therapie: Steroide i.v. IVIg 2g/kgKG

Parese und Areflexie untere Extremität

Diagnostik: cc-MRT: isolierte Neuritis N. okulomotorius re Neurophysiologie (Tag 5 und 11): s.u.

Okulomotoriusparese rechts (s. Abb. 1)

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

Diagnose: Neuritis N. okulomotorius re Guillain-Barré-Syndrom (Variante)

Nachkontrolle nach 2 Monaten:

• Okulomotoriusparese vollständig regredient (kein Strabismus oder Ptosismehr)

• Noch dezente Beinschwäche und persistierende Areflexie

Abb. 2 *nach 2 Monaten

44. Jahrestagung der Gesellschaft für Neuropädiatrie im Rahmen der Neurowoche 2018, Berlin

Liquor: Normalbefund, keine zytoalbuminäre Dissoziation, Serum: kein Nachweis spezifischer Gangliosid-Ak

NLG N. tibialis weiter abgenommen

Take Home Message:

Auch bei Vorliegen einer einseitigen und isolierten Hirnnervenparese an die Möglichkeit eines GBS denken !

* Fotos mit Zustimmung der Eltern veröffentlicht