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enkma i l Nr. 22 / Jänner-April 2016 www.initiative-denkmalschutz.at – Fuchsthallergasse 11/5, 1090 Wien – Telefon: +43 (0)6991024 4216 – eMail: [email protected] Die Initiative Denkmalschutz ist ein unabhängiger Verein für den Schutz bedrohter Kulturgüter in Österreich [] ISSN 2219–2417 | 9 € Fernab jeder romantischen Verklärung sind Mühlen faszinierende Gebäude, als technische Anlagen ebenso wie als historische Bauwerke. Mühlen waren über Jahrhunderte hinweg die ele- mentaren Standbeine der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung. Wassermühlen waren landauf, landab an jedem Wasserlauf zu finden, in manchen Regionen unseres Landes kam auch die eine oder andere Wind- mühle dazu – so wie die Mühle auf un- serem Titelbild, die ursprünglich denk- malgeschützte Bockwindmühle von St. Andrä am Zicksee (Burgenland), die 1941 Opfer eines Sturmwinds wurde (vgl. S. 24). Heftiger als alle Unwetter haben aber letztlich die Ra- tionalisierung und Industrialisierung der Wirtschaft das Schicksal vieler Mühlen besiegelt. Die meisten Mühlen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg stillgelegt und vielfach dem Verfall an- heim gegeben. Doch wie es meistens so ist: Nach einer Zeit des Vergessens geraten sie nun wieder in den Blickwinkel der Öf- fentlichkeit, werden als Bau- und Technikdenkmäler neu geschätzt, sa- niert und mit neuem Leben erfüllt. Und lohnend ist die Auseinanderset- zung mit dem vielschichtigen Thema „Mühle“ allemal: In unserem Nachbar- land Deutschland ist der alljährliche Mühlentag zu Pfingsten mittlerweile eine Groß-Veranstaltung, die Hundert- tausende Besucher anlockt. In Öster- reich zeugt die noch junge Gesell- schaft der Mühlenfreunde von dem wieder erwachten Interesse. Die vor- liegende Ausgabe unserer Zeitschrift entstand in enger Zusammenarbeit mit den Protagonisten der „Mühlen- freunde“, denen an dieser Stelle auch herzlich für die Zusammenarbeit ge- dankt sei! Mag. Wolfgang Burghart Chefredakteur Denkma[i]l Editorial H Hi is st to or ri is sc ch he e M Mü üh hl le en n i in n Ö Ös st te er rr re ei ic ch h Nachrichten der Initiative Denkmalschutz

ISSN 2219–2417 | 9€ enkmail - Initiative Denkmalschutz · zenz cc by sa 3.0:Andreas Praefcke: ... tigsten technischen Mittel der Produk-tion. ... über 100 Anwendungen bekannt

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enkma i l Nr. 22 / Jänner-April 2016

www.initiative-denkmalschutz.at – Fuchsthallergasse 11/5, 1090 Wien – Telefon: +43 (0)6991024 4216 – eMail: [email protected]

Die Initiative Denkmalschutz ist ein unabhängiger Verein für den Schutz bedrohter Kulturgüter in Österreich

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ISSN 2219–2417 | 9 €

Fernab jeder romantischen Verklärungsind Mühlen faszinierende Gebäude,als technische Anlagen ebenso wie alshistorische Bauwerke. Mühlen warenüber Jahrhunderte hinweg die ele-mentaren Standbeine der technischenund wirtschaftlichen Entwicklung.Wassermühlen waren landauf, landaban jedem Wasserlauf zu finden, inmanchen Regionen unseres Landeskam auch die eine oder andere Wind-mühle dazu – so wie die Mühle auf un-serem Titelbild, die ursprünglich denk-malgeschützte Bockwindmühle von

St. Andrä am Zicksee (Burgenland),die 1941 Opfer eines Sturmwindswurde (vgl. S. 24). Heftiger als alleUnwetter haben aber letztlich die Ra-tionalisierung und Industrialisierungder Wirtschaft das Schicksal vielerMühlen besiegelt. Die meisten Mühlenwurden nach dem Zweiten Weltkriegstillgelegt und vielfach dem Verfall an-heim gegeben. Doch wie es meistens so ist: Nacheiner Zeit des Vergessens geraten sienun wieder in den Blickwinkel der Öf-fentlichkeit, werden als Bau- undTechnikdenkmäler neu geschätzt, sa-niert und mit neuem Leben erfüllt.Und lohnend ist die Auseinanderset-

zung mit dem vielschichtigen Thema„Mühle“ allemal: In unserem Nachbar-land Deutschland ist der alljährlicheMühlentag zu Pfingsten mittlerweileeine Groß-Veranstaltung, die Hundert-tausende Besucher anlockt. In Öster-reich zeugt die noch junge Gesell-schaft der Mühlenfreunde von demwieder erwachten Interesse. Die vor-liegende Ausgabe unserer Zeitschriftentstand in enger Zusammenarbeitmit den Protagonisten der „Mühlen-freunde“, denen an dieser Stelle auchherzlich für die Zusammenarbeit ge-dankt sei!

Mag. Wolfgang BurghartChefredakteur Denkma[i]l

Editorial

HHiissttoorriisscchhee MMüühhlleenn iinn ÖÖsstteerrrreeiicchh

Nachrichten der Initiative Denkmalschutz

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enkma i l[ ]

Medieninhaber und Herausgeber: Verein Initiative Denkmalschutz (ZVR-Zl.049832110), Fuchsthallerg. 11/5,1090 Wien, Österreich e-Mail: [email protected] http://www.initiative-denkmalschutz.at Mobil: +43(0)699 1024 4216Tel./Fax: +43(0)1 310 22 94

Chefredakteur: Mag. Wolfgang BurghartChef vom Dienst: Dr. Gerhard Hertenberger Redaktion: Markus Landerer, Claus SüssLayout: Ing. Viktor Zdrachal / www.bildig.atNachdruck nur mit Genehmigung der Auto-ren. Redaktionsschluss: 18. Juli 2016. Treten Sie der Initiative Denkmalschutz bei!Mitgliedsbeitrag: € 33 / € 29* (bei Zusen-dung von Druckwerken als PDF per e-Mail er-mäßigt: €28 / € 24*), Förderer € 250*Frühzahler; gilt bei Einzahlung innerhalb derersten sechs Kalenderwochen sowie bei Neu-eintritt in den Verein.

Bankverbindung: BIC: GIBAATWWXXX,Initiative Denkmalschutz – ZentraleIBAN: AT86 2011 1289 3876 2500Initiative Denkmalschutz – Zweigstelle WelsIBAN: AT59 2011 1289 3876 2501Grundlegende Richtung: Information der Vereins-mitglieder über Aktivitäten des Vereins und Proble-matiken im Bereich des Denkmalschutzes in Öster-reich. Namentlich gekennzeichnete Artikel gebendie Meinung der Autoren wieder und stimmen nichtunbedingt mit jener der Redaktion überein.

Bildnachweis (Abb.): Robin Altrichter: 92; Ar-chiv 1133.at: 79; BDA, Wien: 9-12; ThomasBaar: 74-76; Therese Bergmann:28-29, 31-32;Jana Breuste: 52-54, 56; Jana Breuste/ArchivRauch: 55; Wolfgang Burghart: 90; Johann Busl:99; Gisela Erlacher/KAICCID: 72-73; Karl Fischer:18; Katharina Fritze: 21-23; Johann Gallis: 69-70;Herwig Graf: 68; Lukas Grasberger: 34; ArchivHaider: 61; Sammlung Rudolf A. Haunschmied:63; Gerhard Hertenberger: 108; BezirksmuseumHietzing: 80; Archiv Holzapfel: 15-16; Josef Holz-apfel: 17; IMAGNO Brandstätter Images GmbH:Titelbild; Initiative Denkmalschutz: 94, 102; Ro-bert Kuttig: 57-58, 59ab, 60ab; Alfred Neuhauser:33, 35-37; NÖN: 89; öffentlicher Bauakt Basil pro-jekt GmbH: 91; Familie Pelikan: 13; Norbert Pin-gitzer: 43-47; Lorenz Potocnik: 62; StadtarchivPurkersdorf: 14; S+B Gruppe: 82; Sammlung H.Seemann, Wien: 78; Gerd Seidl: 83-87; Erich J.Schimek: 71, 77, 81, 97-98, 107; Archiv Schöffl:1-4; Heinz Schuler: 6-8; Gerhard A. Stadler: 19-20, 24-27; ZDF/Andreas Sulzer: 64-67; ErikaThümmel: 95; VN/Mihala: 96; Johann Wagner:38-42; Horst Wierer: 48-51.Wikimedia commons gem. http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0 (alle bearbeitet vonViktor Zdrachal), Fotos mit Quelle www.wikimedia.org - Lizenz cc by sa 4.0: Pendragon: 92; Li-zenz cc by sa 3.0: Andreas Praefcke: 105; Aus-triantraveler: 5; GuentherZ: 30, 100; PictureObe-lix: 106; Thomas Ledl: 103-104; Lizenz cc by 3.0:Florian Fuchs: 88; Lizenz cc by sa 2.5: AndrewBossi: 101; gemeinfrei: Gugerell: 109. Alle exak-ten Wikimedia Lizenzen im Detail unterhttp://commons.wi kimedia.org/.

Titelbild: Bockwindmühle in St. Andrä am Zicksee(Bgld.), 1941 durch Sturm zerstört. Abdruck mitfreundlicher Genehmigung der IMAGNO brand-stätter images GmbH, www.imagno.at

Reaktion: Prof. Dr. Barbara Neubauer, Präsidentindes BDA, nahm in einem ausführlichen Brief zumHeft Denkma[i]l 21 (Archäologie) Stellung. Wirwerden ihre Kritikpunkte und die entsprechendenAnsichten der betreffenden Textautoren in dernächsten Ausgabe, Denkma[i]l 23, behandeln.

Seite 1 Wolfgang Burghart: Editorial - Historische Mühlen in Österreich

Seite 3 Otto J. Schöffl: Geschichte und Bedeutung der Wassermühlen fürEuropa

Seite 5 Richard u. Katharina Fritze: Die Österreichische Gesellschaft der Mühlenfreunde

Seite 6 Heinz Schuler: Restaurierung von Mühlen: Theorie und Praxis in derSchweiz - Oft ist weniger mehr

Seite 8 Günther Buchinger: Die Heumühle in Wien

Seite 10 Josef Holzapfel: Wassermühlen an der Wien

Seite 13 Gerhard A. Stadler: Die geplante Translozierung der Marktmühle in Groß Gerungs

Seite 14 Katharina Fritze: Hypolzmühle: „Bagger weg und durch“ – oder doch nicht?

Seite 16 Gerold Eßer / Gerhard A. Stadler: Die Mühlen an der Zaya – Ein Forschungsprojekt an der Technischen Universität Wien

Seite 18 Therese Bergmann: Die Windmühle in Retz – Ein technisches Denkmal

Seite 20 Alfred Neuhauser: Das Denkmal „Gartlmühle“ in Gresten (Nieder-österreich) – Ein Wahrzeichen ist verblasst

Seite 22 Johann Wagner: Die Pfaffenlehnermühle in Neuhofen an der Ybbs:Wie eine alte Mühle vor dem Verfall gerettet wurde

Seite 24 Norbert Pingitzer: Burgenländische Mühlen

Seite 26 Horst Wierer: Mühlen in Bad Hofgastein

Seite 28 Jana Breuste: Aufbruch gegen Abbruch – Das Ensemble der Fisslthaler Kunstmühle

Seite 31 Robert u. Martina Kuttig: Die Reibenbacher-Mühle in Watzelsdorf – Ein Restaurationsbericht

Seite 34 Edgard Haider: Unvergessen – Das Palais Vetsera, vor 100 Jahren inWien abgerissen

Seite 35 Wilfried Lipp: Linzer Eisenbahnbrücke: Das Unglaubliche tritt ein und wird Realität

Seite 36 Gerhard Hertenberger: Archäologie an Gedenkorten der NS-Zeit und der Spezialfall Gusen, Teil 2: Wie gut kennen wir die NS-Geschichte von St. Georgen an der Gusen?

Seite 40 Johann Gallis: Pannoniens lokaler Brutalismus – Eine beginnende Rezeption?

Seite 42 Georg Gressenbauer: Das Palais Sturany am Schottenring in Wien

Seite 44 Thomas Baar: Vom Verschwinden der Vorstädte, Folge 6: 3. Bezirk, Landstraße: Letzte Belege am Rande der Vorstadt

Seite 46 Josef Holzapfel: Der Julienhof in Wien-Lainz

Seite 48 Gerd Seidl: Brauerei Kaltenhausen – Ein Zerfallsprozess

Seite 50 Kurzmeldungen

Seite 54 Claus Süss: Nachruf auf Christine Schwed-Ramström

Seite 55 Veranstaltungen / Termine

Inhalt

Wir danken für einen Druckkostenbeitrag seitens des Referats Wissenschafts- undForschungsförderung der Stadt Wien(MA 7)

Nr. 22 / 2016

Impressum

Errata: DM 21, S. 37ff.: Leider gingen dem Artikel alle Fußnoten verloren. Nachgeholt seien ei-nige Literaturhinweise, z.B. in Mauthausen-Jahresberichten des BMI von 2009 bis 2013, sowieTheune (2010): Historical archaeology in concentration camps (Zeitschrift „Historische Archäo-logie“). Für den Erhalt der „Bergkristall“-Stollen setzte sich Bürgermeister Honeder bereits am31.7.2000 in einem Schreiben an Landes- u. Bundesregierung, Fraktionen und BMI ein. Im OÖLandtag wurde am 9.7.2009 ein Initiativantrag zum gleichen Thema angenommen. Nachdemeine parlamentarische Anfrage (R. Anschober) 1996 den „bedenklichen Zustand“ des MemorialsGusen thematisierte, ließ das BMI ab 2001 immerhin dessen Außenmauern restaurieren, sowieca. 20 Jahre nach der Anfrage auch den Krematoriumsofen. – DM 21, S. 32f.: Mag. FedericoBellitti und Frau Mag. Maria Mandl legen Wert auf die Feststellung, dass sie sich mit dem Inhaltdes Artikels nicht identifizieren und daran auch nicht mitgearbeitet haben. Laut Bellittis Webseitehat sein Büro zumindest die Grabung an der genannten Richtstätte durchgeführt.

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Nachrichten der Initiative Denkmalschutz – Nr. 22 / Jänner-April 2016

Nr. 22 / 2016

In der elterlichen Mühle in Roseldorfan der Schmida (NÖ) aufgewachsen,habe ich die schwere Müller-Arbeitdort noch selbst kennengelernt undauch das große Mühlensterben derSechzigerjahre erlebt. Heute ist in denRäumen dieser ehemaligen Mühleeine „Sozialtherapeutische Wohnge-meinschaft“ untergebracht. NeuesLeben erblüht in den ca. 800 Jahrealten Gemäuern. Eine Vision von mir,nämlich Mühlen neue Nutzungsmög-lichkeiten zu eröffnen, wurde beispiel-gebend Wirklichkeit.Seit dreißig Jahren beschäftige ichmich intensiv mit dem Thema Mühlenals älteste „Fabriken“ der Welt. Schonmindestens 40.000 Jahre lang bewoh-nen Menschen unsere Heimat, seit ca.23.000 Jahren werden wilde Gräser(Gerste) zwischen Steinen zermahlen,seit ca.12.000 Jahren gibt es syste-matischen Getreideanbau. Ohne Kulturpflanzen wäre die Ge-schichte der Menschheit völlig andersverlaufen, vielleicht hätte sie gar nichtstattgefunden. Es war eine Weichen-stellung besonderer Art, die Menschenvor etwa zehntausend Jahren dazubrachte, Pflanzen oder Pflanzenteilenicht nur zu sammeln, sondern auchzu produzieren: durch den Anbau vonKulturpflanzen auf einem Feld (Neoli-thische Revolution).Die ersten Bauern begannen ca. 7000v. Chr. größere Waldflächen zu roden,Felder anzulegen, und so erstmalig ingroßem Maßstab mit Ackerbau undViehzucht in die Natur einzugreifen.Der Mensch wurde sesshaft. Erfindun-gen mussten überlegt werden: Pflug,Sichel, Überlegungen zur Getreide-Bevorratung. Schließlich entstanden

die ersten Mühlen. 25 v. Chr. be-schrieb der römische Architekt Vitruvdie erste Mühle mit Wasserrad. DieKonstruktionspläne davon sind nocherhalten. Zuvor war die Muskelkraftvon Mensch und Tier die wesentlicheAntriebsenergie. Mit dem Wasserradstand die 10- bis 50fache Energie zurVerfügung. Bereits im 4. Jahrhunderthatten die Römer an den Nebenflüs-sen von Mosel und Rhein solche Was-ser- und Schiffmühlen errichtet.Das gesamte Mittelalter hindurch blie-ben Wasserrad und Mühle die wich-tigsten technischen Mittel der Produk-tion. Fast alle traditionellen Industrienhaben in oder mit einer Mühle begon-nen. Findige Techniker konnten imLaufe von Jahrhunderten die Mühlen-technologie für fast alle Bereiche desHandwerks und der sich daraus ent-wickelten Industrie nutzbar machen.Es entstanden Säge-, Pulver-, Papier-,Walk-, Kugelmühlen – insgesamt sindüber 100 Anwendungen bekannt. DieHandwerksbetriebe wurden zu Fabri-ken. Im Englischen wird das Wort millauch für Fabrik gebraucht. Karl der Große vereinte im frühen Mit-telalter die germanischen Völker. Aucher ist in einer Getreidemühle aufge-wachsen. Unter seiner Herrschaft be-gann der Ausbau der Landwirtschaft,der Übergang von der Einfelder- zurDreifelderwirtschaft. Damals wurdeder Roggen zur wichtigsten Getreide-sorte in Europa (Noch heute heißt er„Troad“, also Getreide oder Korn). Dierasante Entwicklung des Mühlenwe-sens ist spezifisch für Europa, nur hierwaren die Wassermühlen nötig. DasGetreide ist nämlich wegen seinerharten Schale für den Verzehr unge-

eignet, es muss gemahlen werden. InAsien war dies mit dem Hauptnah-rungsmittel Reis nicht nötig, ebensoverhält es sich in Amerika mit Kartof-feln und Mais.Vor Beginn der industriellen Revolu-tion waren die Mühlen die fortschritt-lichsten Maschinen, die der einfachenBevölkerung auf dem Land zur Verfü-gung standen, und die Müller die spe-zialisiertesten Techniker, die die agra-rische Gesellschaft in Europa außer-halb der Städte kannte.Mit dem Zeitalter der technischen In-dustrialisierung, besonders der Etab-lierung der Dampfmaschine im 19.Jahrhundert, begann die allmählicheVerdrängung der Wasser- und Wind-mühlen. Bis in die Nachkriegsepochedes 20. Jahrhunderts hinein bliebenMühlen aber unverzichtbare Kraftma-schinen. Schließlich aber verdrängtenmotorgetriebene, wetterunabhängigeIndustriemühlen die historischenMühlen, die schnell in der Produkti-onskapazität an ihre Grenzen stießen.Die Wind- und Wassermühlen warennicht länger konkurrenzfähig, das so-genannte Mühlensterben begann. Doch es bleibt festzuhalten, dass esdas Wasserrad und die Mühle waren,die fast 2000 Jahre lang die univer-selle Antriebstechnik bildeten und diewirtschaftliche Entwicklung entschei-dend vorangetrieben haben.

Mühlen unserer Heimat

Der römische Schriftsteller und Archi-tekt Vitruv forderte für gutes Bauendrei unverzichtbare Standbeine:Zweckmäßigkeit, Qualität und Schön-heit. Die meisten alten Mühlen erfüllendiese Forderungen. Es entwickelte sich

Geschichte und Bedeutung der Wassermühlen für Europa

Abb. 1 (li.): Ein Mahltrog aus Stein aus dem 8. Jahrtausend vor Christus, gefunden in Beidha, Jordanien. Schon vor 10.000 Jahrenwurde mit einem Stein in der Mulde Getreide gemahlen; Abb. 2 (re.): Eine Abbildung aus dem Jahr 1555 zeigt wassergetriebene Rädereines Aufstaues, die Getreidemühlen antreiben. Rechts im Hintergrund sind in den Strom hinausgebaute Flussmühlen dargestellt.

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über Jahrhunderte ein gereiftes Sys-tem mit optimaler Nutzbarkeit, aus-geklügelter Materialtechnik und le-benswerter Gestaltung.Dabei waren Mühlen fast nie großar-tige Bauwerke, sie gehören zur soge-nannten „naiven Architektur“, wieauch Bauernhöfe, Scheunen, Keller-gassen. Oft sind es unscheinbare Ge-bäude und ich erkenne sie nur aufGrund der Umwelt, etwa an der abge-senkten Lage am Bach oder am nochvorhandenen Mühlgraben. Bisweilensind es aber auch imposante Ge-bäude, die vom Reichtum ihrer Besit-zer künden.Sicher gab es auch Holzgebäude alsMühlen, die so wie alle einfachenHäuser im Mittelalter mit Stroh ge-deckt waren, aber solche sind in die-ser Form nicht mehr erhalten, weil sieoftmals dem Feuer zum Opfer fielen.Später waren Mühlen oft Ursprungs-bauten für Industriebetriebe, wurdenumgebaut, erweitert und den jeweilsmodernen Anforderungen angepasst.So wie die Kellergassen des Weinvier-tels erforscht, dokumentiert und inihrer Einmaligkeit dargestellt werden,so wie jetzt auch die Bedeutung deralten Stadeln in das Bewusstsein derMenschen gerückt wird, so dürfenauch die vielen alten Mühlen in Öster-

reich und da vor allem in der Korn-kammer Niederösterreich nicht demVergessen preisgegeben werden.Denn viele der stillgelegten Mühlen anunseren Bächen sind vom Verfall be-droht. Dabei sind sie alle stummeZeugen einer reichen Vergangenheit. Historisch wertvolle Bausubstanz er-innert an längst vergangene Epochenund stärkt das Kulturbewusstseineiner Region. Historische Gebäudewurden in der Regel nach einem soli-den bautechnischem Konzept erbaut.Die langjährige Erfahrung hat überviele Generationen bewährte Materia-lien und Konstruktionsarten hervor-gebracht. Dieses Wissen ist großteilsheute nicht mehr vorhanden. Viel Ein-fühlungsvermögen und viel Wissen istdaher nötig, um alte Bauten gut zurestaurieren. Mühlen gehören zum Landschaftsbildunserer Heimat, obwohl sie ja meistaußerhalb der Orte und versteckt amtief liegenden Bach stehen. Außerdemsind sie die letzten Oasen der Stille.Hektisch und voller Unruhe fuhr ichoft auf meine ,,Mühlentour'' und ruhigund ausgeglichen kam ich zurück. Somanche alte, halbverfallene Mühlemeiner Heimat strahlte für mich diegleiche beruhigende Wirkung aus wiedie Säulenreste antiker Tempel in Si-

zilien. Immer weniger alte Menschenerinnern sich noch an sie. Interessan-terweise waren es oft Kinder, die michzu den Plätzen von ehemaligen Müh-len führen konnten. Einige sensibleMenschen unserer Zeit haben Müh-lengebäude erworben, mit viel Liebe,Einfühlungsvermögen, Gefühl für un-sere Vergangenheit, aber auch Geldund Arbeit, restauriert und umge-baut. Was bewegt diese Menschen,ihr Leben diesen alten Bauwerken zuwidmen? Sind es nur Romantik undNostalgie oder ein Gespür für diestarke Ausstrahlung dieser histori-schen Orte? Sicher ist es ein Inte-resse für die Wurzeln unserer Kultur,verbunden mit dem Wunsch, dieseWurzeln für kommende Generationenzu bewahren.

Dr. Otto J. SchöfflMühlenforscher

� iD-Buchtipps: Mühlenbücher von OttoJ. Schöffl: Mühlen im Wandel am BeispielSchmidatal, am Beispiel Göllersbach, amBeispiel Pulkautal; Mühlensagen aus demWeinviertel und Waldviertel.Tel.: +43 (0)664/951 77 76eMail: [email protected]

� www.muehlenfreunde.at

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Abb. 3 (li.): Dieser Holzschnitt aus dem 1556 erschienenen Werk „De re metallica“ des Georgius Agricola zeigt eine Mühle zumZermahlen von Erz; Abb. 4 (re.): Ein Kupferstich aus dem Buch „Novo Teatro die Machine et Edificii“ des italienischen Ingenieursund Autors Vittorio Zonca, publiziert 1607, zeigt ein Ensemble von wassergetriebenen Mühlen.

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Nachrichten der Initiative Denkmalschutz – Nr. 22 / Jänner-April 2016

Nr. 22 / 2016

Die historischen Mühlen sind Zeugendes wirtschaftlichen Lebens frühererGenerationen und gehören zum kultu-rellen Erbe Österreichs. Seit tausendJahren haben sie in unserem Land mitHilfe von Wasserkraft und WindkraftGetreide gemahlen und so zur gesell-schaftlichen und wirtschaftlichen Ent-wicklung beigetragen.Im 20. Jh. haben viele alte Mühlendurch die Einführung neuer Maschinenund Antriebskräfte ihre Bedeutungverloren. Sie wurden stillgelegt, dieGebäude verfielen oder wurden ander-weitig genutzt. Hand in Hand schreitetmit dem Verfall der historischen Ge-bäude auch der des spezifischen Mül-lereiwissens rasch voran.Um hierzu eine Gegenentwicklung zuinitiieren hat sich 2012 eine Aktions-gruppe gebildet: die „ÖsterreichischePlattform der Mühlenfreunde“, aus dersich 2013 der Verein „ÖsterreichischeGesellschaft der Mühlenfreunde“ ent-wickelte. Diese private Initiative vonPersonen engagiert sich für die Be-wahrung des noch vorhandenen altenMühlenbestandes und des damit ver-bundenen Wissens. Deklariertes Zieldes Vereins ist die Bewahrung, Erhal-tung und Pflege der alten Mühlen. Indiesem Zusammenhang wurden einigeInitiativen gestartet:Aufbau eines österreichweiten Müh-len-Katasters: Der Bestand und Zu-stand der österreichweit noch vorhan-denen historischen Mühlen wird nunerstmals erfasst. Es soll damit eineAussage möglich werden, wie weit derBestand bereits dezimiert ist und wieviele Mühlen sich heute noch in be-triebsfähigem oder wiederherstellba-rem Zustand befinden, als Schaumüh-len für den Kulturtourismus adaptiertoder einer fremden Verwendung zuge-führt wurden. Einer ersten wissen-schaftlichen Studie zufolge sind nurmehr bei etwa 10 % der ehemaligenMühlenstandorte zumindest noch Teileder Mühleneinrichtung erhalten. Undauch diese müssen immer öfter wirt-schaftlichen Überlegungen Platz ma-chen und werden zerstört.Erstellen mühlenkundlicher Fachbei-träge: Die Kompetenzen zur Bewah-rung und Erhaltung des noch vorhan-denen Mühlenbestandes sind – soweitüberhaupt vorhanden – weit verstreutuntergebracht. So werden etwa Leitli-nien für fachgerechte Erhaltung undRestaurierung von Mühlen erarbeitet.

Herausgabe des Periodikums „Mühlen-brief“: In einem vierteljährlichem Zy-klus erscheint unser Periodikum, dasüber aktuelle Entwicklungen, Vereins-aktivitäten und mühlenspezifischeFachfragen informiert.Veranstaltung wissenschaftlicher Ta-gungen rund um das Thema Mühlenund Restaurierung von Mühlen: 2016wird zum zweiten Mal eine wissen-schaftliche Tagung zum Thema Mühlenund deren Erhaltung stattfinden. Am22.10.2016 gehen wir den verschiede-nen Fragen und Problemen rund umdas Thema Holz im Mühlenbau nach. „Mühlenakademie“: Zusammen mitAGRAR PLUS GmbH wurde auch eineMühlenakademie entwickelt, bei derin sechs Modulen Interessierten einumfassender Blick auf das Mühlenwe-sen in unserem Land geboten wird.Die Ausbildung zum/zur Mühlen-Meis-terIn gibt Einblick in Mühlen-Ge-schichte, Mühlen-Architektur, Mühlen& Menschen, Mühlen-Technik, Müh-

len-Produkte und die Neunutzung vonMühlen.Veranstaltung von gemeinsamen Aus-flügen zu mühlenspezifischen Fachthe-men: Zweimal jährlich werden ge-meinsame Ausflüge organisiert, diesich Teilbereichen des Mühlenbaues,deren Erhaltung und Wiederherstel-lung widmen. Dadurch können auchKontakte zu Gleichgesinnten geknüpftund Erfahrungen ausgetauscht wer-den.Zusammenarbeit mit internationalenMühlenverbänden: Durch die Pflegeder internationalen Zusammenarbeitund entsprechenden Informationsaus-tausch kann viel an Erfahrung erhaltenund breiteren Interessenten zur Ver-fügung gestellt werden.

DI Dr. Richard Fritze undDI Dr. Katharina Fritze

Österreichische Gesellschaft der Mühlenfreunde

� www.muehlenfreunde.at

Die Österreichische Gesellschaft der Mühlenfreunde

Abb.5: Die 1717 erbaute Schachnermühle bei Gößl in der Gemeinde Grundlsee (Stmk.)war eine der letzten funktionstüchtigen Wassermühlen Österreichs. Bis 2001 als Schau-mühle z.T. noch wirtschaftlich genutzt, ist sie inzwischen dem Verfall preisgegeben.

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Einführung und Theorie

Die Schweiz ist ein kleines Land undkompliziert in seinen Strukturen.Unser föderalistisches System über-trägt den 26 Kantonen viele Aufgabenund lässt ihnen viele Freiheiten. DieAufgaben der Denkmalpflege und derKulturgütererhaltung sind, bis auf we-nige Ausnahmen, den einzelnen Kan-tonen überlassen und daher sehr un-terschiedlich geregelt. Die Mühlen sind nicht systematisch er-fasst, bewertet und geschützt. In denInventaren sind oft nur die Gebäudebewertet, jedoch nicht die Einrichtun-gen, weil die Inventarisatoren im Nor-malfall die Gebäude nur von aussen,nicht aber von innen besichtigen. DerSchutz der Mühlen beschränkt sichdaher oft auf das Gebäude, die Ein-richtungen sind nicht automatisch mitgeschützt. Das hat zur Folge, dass vorallem in Gebieten mit einem hohenSiedlungsdruck die Mühleneinrichtun-gen entfernt und die Räume umge-nutzt werden. Die Denkmalpflegeäm-ter haben meistens keine Spezialistenfür die Sanierung technischer Kultur-güter. Die Zusammenarbeit über dieKantonsgrenzen hinweg ist nicht häu-fig, vor allem nicht für konkrete Pro-jekte, sondern allenfalls für theoreti-

sche Probleme. Am Anfang einer Müh-lensanierung soll immer die Dokumen-tation der bestehenden Anlage mitPlänen, Fotos, die Sammlung von Do-kumenten und einem Inventar stehen.In Plänen und Beschreibungen sollenauch alle Massnahmen der Instandset-zung festgehalten werden.Mit jeder Restauration wird der Anlageein Teil seiner Authentizität genom-men. Das war auch schon währenddes Betriebes so, Reparaturen, Ver-besserungen und Ergänzungen warenimmer wieder nötig und wurden oftmit den zur damaligen Zeit aktuellenMaterialien vorgenommen. Der Wech-sel von Holz-Wasserrädern zu Eisen-Wasserrädern ist ein Beispiel dafür.Heutige Sanierungen müssen jedochmit den Materialien der Bauzeit ausge-führt werden und nicht mit modernen.So ist zum Beispiel ein Wasserrad ausChromstahl hässlich und in einer his-torischen Mühle nicht tolerierbar. (Bei-spiel Sägemühle Hegi bei Winterthur:Reismühle; Abb. 6). Die Mühlenanlagen dürfen nicht durchZufügungen, scheinbaren Verbesse-rungen und vermeintlichen Verschöne-rungen verfälscht werden. Anbautenund Neubauteile am Gebäude sollenals neu erkannt und dementsprechendkonstruiert werden. Dadurch sind die

Geschichte und die Wandlung des Ge-bäudes klar ablesbar. Oft beeinflussenkleine Details den Eindruck von Sanie-rungen, meist negativ. Was habenzum Beispiel Kreuzschlitz- oder anderePatentschrauben in einer historischenMühle zu tun? Man muss die Handwer-ker immer wieder darauf aufmerksammachen, dass sie konventionelle,blanke Schlitzschrauben verwenden,auch wenn diese ein bisschen Mehrar-beit benötigen.

Praxis

Die Mühlen in der Schweiz sind fastalle im Privatbesitz einzelner Perso-nen, Stiftungen, Gemeinden oderKorporationen (Genossenschaften).Sehr wenige Anlagen sind im Besitzdes Staates oder von Museen. Bei ge-schützten Gebäuden muss die Denk-malbehörde zwar beigezogen werdenund kann beraten, aber nicht ent-scheiden. Den Schlussentscheid unddie Wahl der Handwerker haben dieEigentümer. Wenn eine finanzielle Un-terstützung gewährt wird, ist die Ein-flussnahme grösser, indem notfallsmit Kürzung der Mittel gedroht wer-den kann, und dadurch Entscheidun-gen und Details beeinflusst werdenkönnen.Die Initiativen für eine Restaurationgehen fast immer von Vereinen aus,welche sich für diesen Zweck gegrün-det haben. Bei den meisten Vereins-mitgliedern ist der Wunsch da, sich inehrenamtlicher Weise auf einem Ge-biet zu betätigen, das sie aus diversenGründen interessiert. Ihre Zielvorstel-lung ist oft eine betriebsfähige Anlage,die einfach zu bedienen und zu unter-halten ist. Solche Aspekte sind oftwichtiger als mühlenkundliche Überle-gungen und das Ziel, eine Anlagemöglichst originalgetreu zu sanieren.Denn die neuen Betreiber sind keineausgebildeten Getreidemüller oderSäger. Eine Ausbildung wie sie Hollandkennt mit den „Freiwilligen Müllern“gibt es in der Schweiz nicht.Ein weiteres Problem ist, dass es in derSchweiz fast keine spezialisiertenMühlenbauer oder Handwerker mit Er-fahrung auf diesem Gebiet gibt. Viel-fach erledigt der örtliche Zimmermannoder Schreiner die Arbeiten; der je-doch oft überfordert ist. Sie wollenvielfach modernes Material (z.B. ver-leimtes Holz) verwenden, Materialge-

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Restaurierung von Mühlen: Theorie und Praxis in der SchweizOft ist weniger mehr

Abb. 6: Die Sägemühle Hegi bei Winterthur (Schweiz). Das bei der Restaurierung einge-setzte neue Wasserrad aus Chromstahl stört den historischen Eindruck, dieses Materialist deshalb unbedingt zu vermeiden.

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Nachrichten der Initiative Denkmalschutz – Nr. 22 / Jänner-April 2016

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rechtigkeit interessiert sie weniger.Gesetzliche Vorgaben über Hygieneund Sicherheit bedingen oft grössereEingriffe als von der Substanz hernötig wären. Diese Vorschriften sindfür moderne Anlagen gemacht. Wennz.B. alle Sicherheitsvorschriften ange-wandt würden, wäre oft ein Betriebgar nicht mehr möglich, weil dieSchutzvorkehrungen die Arbeit behin-dern. Wichtig ist, dass sie auch ent-fernt werden können und nur beimBetrieb montiert werden. Für histori-sche Anlagen sind jedoch Erleichterun-gen möglich. Die Finanzierung ist meistens ein wei-teres Problem. Die Mittel sind vorallem von den Eigentümern oder Ver-einen aufzutreiben. Neben den meistgrossen Eigenleistungen der Mitgliederund Spenden aus der lokalen Bevölke-rung können finanzielle Beiträge vonverschiedenen Seiten kommen. Staat-liche Gelder sind in der Grössenord-nung von 20% bis 50% Prozent mög-lich, je nach Kanton. Daneben gibt eseidgenössische und vor allem privateStiftungen (z.B. Pro Patria). Geld-knappheit ist aber nicht nur negativ zusehen, man muss dann besser überle-gen was wirklich ersetzt werden muss.Luxussanierungen sind so nicht mög-lich. Mühlen werden in der Schweiznur vereinzelt rekonstruiert.

Ein Beispiel dafür ist die Haumüli inEmbrach. Dort wurde vor rund 20 Jah-ren ein teilweise zerfallenes Gebäudewieder aufgestellt. Eine Säge voneinem anderen Standort wurde ge-kauft und eingebaut. Im Gebäude-komplex war früher auch eine Getrei-demühle vorhanden, von der praktischnichts mehr erhalten war. In den letz-ten Jahren wurde wieder eine Mühleeingebaut, welche aus Maschinen ver-schiedener Mühlen zusammengesetztwurde und den Stand der Müllerei zwi-schen 1890 und 1930 wiedergibt. Dasist nach meiner Meinung legitim, da essich nicht um eine historische Mühlehandelt. Was ich jedoch ganz falschfinde, sind zwei Gegenstände, die einbegeisterter Holzschnitzer anfertigte.Das ist auf der einen Seite eine Tri-melle (Einfülltrichter) beim Stein-Mahlgang, welche er auf eine Art undWeise verziert hat, wie es sie in derSchweiz nicht gab (Abb. 7). Daszweite Element ist ein neuer Kleiekot-zer – mit den Gesichtszügen desSchnitzers - der an den Mehlkastenmontiert wurde (Abb. 8). Kleiekotzersind im Elsass und im Schwarzwaldbekannt und oft anzutreffen. Südlichdes Rheins gibt es jedoch keine, sol-che Zutaten sind eine Geschichtsfäl-schung und geben dem Besucher vor,dass Kleiekotzer auch bei uns vorka-

men. Hier gingen die Initiativen vonVereinsmitgliedern eindeutig zu weit,und niemand konnte oder wollte siestoppen.

Schlussfolgerungen

Bei der Sanierung von Mühlen soll da-rauf geachtet werden, dass möglichstwenig erneuert wird. Historische Ele-mente sollen instand gesetzt und nichtersetzt werden. Der Ersatz von ver-schlissenen Teilen soll in Material undForm dem historischen Original ent-sprechen. Meist liegt die Qualität inder Zurückhaltung und oft ist wenigermehr und besser. Für manche Anlagenist es sinnvoller, dass sie nicht, odernur teilweise, betriebsfähig gemachtwerden. Dadurch können sie original-getreu und mit allen Gebrauchsspurenerhalten werden. Zur Konservierungder Anlage ist jedoch wichtig, dass dasDach und die Wände dicht sind, sowiedass keine Bodenfeuchtigkeit vorhan-den ist. Wir brauchen keine Anlagen, die bes-ser als das Original sind, wir brauchenoriginale Anlagen.

Dipl.-Ing. (Architektur) Heinz SchulerDenkmalpfleger und Mühlenforscher

Vereinigung Schweizer Mühlenfreunde

� www.muehlenfreunde.ch

Abb. 7 (li.): Rekonstruierter Einfülltrichter (Trimelle) in der Haumüli in Embrach (Schweiz). Diese Art der Verzierung hat es in der Schweiznie gegeben, das Objekt passt somit nicht in die museale Zusammenstellung lokaler Mühlenobjekte; Abb. 8 (re.): Auch dieser neu ange-fertigte „Kleiekotzer“ (mit den Gesichtszügen des Schnitzers) passt nicht in das Ensemble der Haumüli in Embrach. Kleiekotzer hat es zwarim Elsass und Schwarzwald gegeben, nicht aber südlich des Rheins.

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Die letzte erhaltene Mühle am Mühl-bach südlich des Wienflusses, die sogenannte Heumühle, steht heute imInnenhof des Gebäudes Schönbrun-nerstraße 2 (Abb. 9). Eine geplanteAdaptierung des Gebäudes führte2004 zu einer vom Bundesdenkmal-amt initiierten Bauuntersuchung – dieim Winter 2006/07 begonnenen Bau-arbeiten konnten 2008 abgeschlossenwerden. Die Heumühle ist ein zweigeschoßigesGebäude mit rund 15 x 9 m Außen-maß, an dessen Nordseite ehemalsder vom Wienfluss abzweigende Mühl-kanal vorbeifloss. Die Fenster sind mitgotisierenden Holzrahmen und -maß-werken versehen. Östlich schließtstark nach Südosten verschwenkt einzweigeschoßiger Wohntrakt an. DieHauptattraktion des Gebäudes bildetdie in die nördliche Raumhälfte einge-stellte zweischiffige, vierjochige Stän-derkonstruktion des ehemaligen Mühl-werks (Abb. 10). Aufwändig gestaltetePfosten tragen einen Längsbalken, aufden ehemals zwei Treppen führten,wie Ausnehmungen belegen. Auf dersüdlichen Pfostenreihe steht in derMitte des Obergeschoßes ein prächti-ger Balusterpfeiler (Abb. 11), der denoberen, ehemals mit dem Schüttbo-den verbundenen Längsbalken trägt.Die profilierte Basis des Balusterpfei-lers wurde ehemals von einer nicht er-haltenen Obergeschoßdecke verdeckt,woraus man schließen kann, dass der

Pfeiler zu einer älteren Bauphase alsdie übrige Ständerkonstruktion ge-hört.Die Baugeschichte der Heumühlereicht bis ins Mittelalter zurück. Sie ge-hörte zur Grundherrschaft des WienerBürgerspitals. Während sich im ältes-ten Urbar aus der Zeit um 1300 nochkein Eintrag zur Heumühle findet, wirdsie ab dem zweiten Urbar von 1326 alsSteinmühle verzeichnet, womit ihreBauzeit gut eingegrenzt werden kann.1528 brannte die Mühle ab und 1529wurde sie von den Türken abermalszerstört. Auf dem Rundplan von Wienvon Niclas Meldemann, 1529, ist dieSteinmühle brennend dargestellt mitder Beischrift: „eine grosse Milen darinist vil mel verprent“. Die Spuren derBrände lassen sich an allen vier Wän-den im Gebäudeinneren nachweisen,nicht jedoch an den Außenseiten: DerBrandherd lag demnach im Inneren.1531 wurden die Bruchsteinmauernausgebessert und an der Nordseiteneue Öffnungen für Grindeln, die Rad-wellen der Mühlräder, hergestellt. Ander Nordwand konnten im Gebäudein-neren zwei dieser Ziegelbögen als äl-teste Dokumente der Mühlenkonstruk-tion gefunden werden. Entsprechendder Gebäudedimension müssen fünfGrindelöffnungen bestanden haben –in einem Inventar aus dem Jahr 1596sind fünf Mühlengänge überliefert.1533 wurde die Steinmühle von Ferdi-nand I. dem Bistum Wien inkorporiert,

womit sie für fast 500 Jahre einenneuen Besitzer erhielt. Bei einemUmbau im späten 16. Jh. entstand dasErdgeschoß des Anbaus, das laut In-ventar von 1596 die Wohnräume desMüllers und eine Backstube umfasste.Im 17. Jh. stockte man die baufälligeMühle und das angebaute Wohnhausauf, hob das Bodenniveau und ließ dasgesamte Mühlwerk neu anfertigen. Zudieser Bauphase gehört der Baluster-pfeiler im Obergeschoß (Abb. 11),dessen Konsole dendrochronologischmit 1633 datiert werden konnte. Vierneue Grindelöffnungen wurden in dieNordwand eingefügt und zerstörtendrei der fünf Öffnungen von 1531. Dieneuen Bögen orientierten sich bereitsam heutigen Fußbodenniveau im Ge-bäudeinneren. Von den neuen Öffnun-gen sind lediglich zwei fragmentierterhalten und heute noch als schmaleZiegelbögen sichtbar. In den Zeitraumdes Umbaus fällt auch die Umbenen-nung der Mühle von Stein- auf Heu-mühle, die erstmals 1628 nachweisbarist.Die Mühle wurde 1683 von den Türkenniedergebrannt und nach 1685 wie-deraufgebaut. 1791 beauftragte dasErzbistum Wien Matthias Guttenber-ger, Zimmermeister aus Traiskirchen,das Wasserwerk der Heumühle kom-plett neu herzustellen. Die Baumaß-nahmen wurden jedoch infolge mehr-fach notwendiger Arbeiten an derschwer beschädigten Wehranlage

Die Heumühle in Wien1

Abb. 9 (li.): Die denkmalgeschützte Heumühle im Innenhof des Gebäudes Schönbrunner Straße 2 (4. Bezirk, Wieden) ist die letzte erhalteneMühle am Mühlbach südlich des Wienflusses; Abb. 10 (re.): Die zweischiffige, vierjochige Ständerkonstruktion des ehemaligen Mühlwerksnach der 2006 bis 2008 erfolgten Adaptierung des Bauwerks.

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oberhalb der Mühle vorerst eingestellt.Erst 1818 konnte Guttenberger dieRechnung für seine Arbeit stellen. DieMühle besaß seither vier unterschläch-tige Mühlgänge. Zwei Wasserräder inder Radstube drehten die Grindeln, diein das nördliche Schiff der heutigenStänderkonstruktion zu den Kammrä-dern führten, die mit einer doppelgän-gigen Übersetzung zwei mal vier Mühl-steine zu je 36 Zoll Durchmesser imObergeschoß antrieben. Die darüberbefindlichen Gossen (Korntrichter)waren gemauert. Insgesamt 16 Beutelführten in die vier Beutelkästen, die imErdgeschoß des südlichen Schiffesstanden. In der südlichen Raumhälftestand eine Hebemaschine, die dasKorn und den Gries (feinerer Teil, dervom Beutel ausgesiebt wurde, aber imGegensatz zur gröberen Kleie noch-mals gemahlen wurde) auf denSchüttboden beförderte. Vier Mahl-gänge nebeneinander waren bei Groß-mühlen durchaus üblich, um verschie-dene Getreidesorten gleichzeitig mah-len zu können. Einzelne Mahlgängekonnten stillgelegt werden, indemman die Zahnräder „außer Eingriff“brachte.Vor 1818 wurden auch die gotisieren-den Holzfenster eingefügt, die dasAussehen des Gebäudes bis heuteprägen. Aus kunsthistorischer Sicht istdie stilistische Diskrepanz zwischender Mühlkonstruktion und den Fens-tern höchst bemerkenswert. Währenddie Holzkonstruktion josephinischeFormen mit barocken Elementen kom-biniert, so stehen die Fenster in Zu-sammenhang mit dem „gothic revi-val“, womit der Auftraggeber, Erzbi-schof Hohenwart, offenbar beabsich-

tigte, die Mühle als alten Besitz desErzbistums zu deklarieren. Hinzukönnte der Gedanke der Sakralisie-rung des Gebäudes kommen, also einbildlicher Hinweis auf die geistlicheBauherrschaft. Mit der Regotisierungeines – wie wir heute wissen – tat-sächlich gotischen Profanbaus ist dersolitäre Stellenwert der Heumühle inder Wiener Architekturgeschichte de-finiert.1856 veräußerte die Erzdiözese dasMühl- und Wasserrecht an die Ge-meinde Wien, die aus sanitären Grün-den das Wehr schließen und den Mühl-bach zuschütten ließ. 1923 wurde dieehemalige Radstube abgebrochen.Schon in der Zwischenkriegszeit wiesder Präsident des Bundesdenkmalam-tes auf die Bedeutung der baufälligenHeumühle hin und regte deren In-standsetzung an, nach zahlreichen An-läufen konnte die Sanierung schließ-lich 2006-2008 durchgeführt werden.Nachdem Ideen gescheitert waren, dieMühle museal zu nutzen, wurde dieAbsicht verfolgt, das Gebäude unter-schiedlichen Funktionen zuzuführen.Angedacht war ein Veranstaltungs-raum im Erdgeschoß mit Bürobetriebin den oberen Ebenen. Um dieses Kon-zept zu realisieren, bedurfte es einerVielzahl an statischen, bauphysikali-schen und restauratorischen Maßnah-men, aber auch großes planerischessowie handwerkliches Geschick. Auf-grund des schlechten Zustandes derUmfassungsmauern, die unterschied-liche Zäsuren, Rissbildungen und Ver-formungen aufwiesen, mussten Teiledes Fundaments stabilisiert und hori-zontale Verschließungen angebrachtwerden. Weiters war erforderlich, die

neuen Binnenstrukturen im Innen-raum auf acht Pfeiler zu stellen. Mitder neu geschaffenen Tragstruktur ausStahl konnten die Mauern mithilfe vonAnkern verhängt werden, wodurchmögliche horizontale Ausweichbewe-gungen gestoppt wurden. Eine Ver-besserung des Mauerverbandes wurdedurch das Ausmauern der Fehlstellenim bestehenden Mauerwerk erzielt.Durch die Anbringung einer Reihe vonHängesäulen in den Obergeschoßengelang es außerdem, den großenRaum im Erdgeschoß stützenfrei zuerhalten. Wesentlich erschien dabeidie Bewahrung der bemerkenswertenMühleneinrichtung. Die neuen Einbau-ten sollten einen „Respektabstand“ zurbestehenden Einrichtung halten, je-doch zugleich eine qualitätsvolle äs-thetische Verbindung miteinander ein-gehen.Die in enger Zusammenarbeit zwi-schen Bauherrn, Planern und demDenkmalamt durchgeführten Adaptie-rungsmaßnahmen ermöglichten eineWiederbelebung und Neubewertungdes lange Zeit vergessenen Kleinods.

Dr. Günther BuchingerDenkmalforscher

� www.denkmalforscher.at

Anmerkung1 Der Text basiert auf: Günther Buchinger,

Manuela Legen, Bruno Maldoner, PaulMitchell, Doris Schön, Baugeschichteund Adaptierung der Heumühle in Wien,in: Österreichische Zeitschrift für Kunstund Denkmalpflege LXII, Heft 2/3,2008, S. 159-169.

Abb. 11 (li.): Auf der südlichen Pfostenreihe steht im Obergeschoß ein prächtiger Balusterpfeiler (links oben im Bild), der möglicherweiseälter ist als die restliche Ständerkonstruktion. (Aufnahme während der Bauuntersuchung 2004); Abb. 12 (re.): Baualtersplan der Heumühlemit Bauelementen aus der Zeit vor 1326 bis zur Gegenwart.

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Schon die älteste das Wiental betref-fende Urkunde, nämlich die im Jahr1015 ausgestellte Godtinesfeldur-kunde, bestätigt die Existenz von Was-sermühlen. Während der intensivendeutschen Besiedelung unserer Regionim 11. und 12. Jahrhundert war dasGrafengeschlecht der Formbacher diedominierende Kraft im Wiental. DieFormbacher führten eine Siedlungsbe-wegung von St. Pölten bis in dasWiental und weiter den Wienflusshinab. Bis zum Aussterben des Ge-schlechtes Mitte des 12. Jahrhundertswird ihm Besitz auf beiden Ufern derWien bis östlich von Gumpendorf zu-geschrieben. Da sie auch kompetenteMühlenbauer waren, ist ihnen ein we-sentlicher Anteil am frühen Bau vonMühlbächen und Mühlen in dieser Re-gion zuzugestehen.Die Bedeutung des historischen Wienund dessen Einfluss auf die Mühlenstiegen erst ab dem 12. Jahrhundertals Hauptstadt des neu geschaffenenHerzogtums Österreichs. Die erstenUrkunden, die einen Mühlbach undMühlen vor der Stadt bestätigen,stammen aus dem Anfang des 13.Jahrhunderts. Später hatte die Heili-

gengeistmühle des Heiligengeist-Spi-tals in der Nähe der späteren Bären-mühle eine führende Stellung in derMühlenhierarchie des Wientals.

Die Besitzer der Mühlen

Die für die Versorgung sehr wichtigenMühlen standen ursprünglich im Besitzder Landesherren oder ihrer Gefolgs-leute. In weiterer Folge konnten auchBistümer, Klöster, Stiftungen und Wie-ner Bürger bedeutende Eigentums-rechte erwerben. Eine Darstellung derkomplexen und rasch wechselndenBesitzverhältnisse und die oft schwie-rige Unterscheidung in Ober- und Un-terbesitz oder Pacht sprengen eineÜbersicht wie diese. Eine wesentlicheRolle in der Wahrung von Kontrollrech-ten lag auch im Einfluss auf landes-oder grundherrliche Regelungen, aufMühlenorganisationen und auf Innun-gen.

Die Aufgaben der Mühlen

Hans Sachs nennt in seinen Versenaus dem 16. Jahrhundert über das Ge-treide hinaus das Mahlen von Hirse,Erbsen, Stockfisch und Gewürzen alsdie Aufgabe des Müllers. Sehr früh

wird auch das Schneiden von Steinengenannt, und im Zuge der späterenGewerbeentwicklung dehnte sich dieNutzung der Wasserkraft zunehmendauf den Nicht-Lebensmittel-Bereichaus. Wesentlich sind hier der Betriebvon Sägen, Schmiedehämmern unddas Schleifen verschiedenster Materia-lien.

Wassermühlen an der Wien

Abb. 13 (o.): Für die Nachfahren der letzten Wiener Müllersfamilie Peter (auch Petter) in der Lainzer Straße 10 (vgl. Abb. 17) warendie Stapel mit alten Mühlsteinen ein beliebter Spielplatz. Das Foto stammt aus den Jahren 1964/65; Abb. 14 (u.): Die Reste der Pra-germühle bei Purkersdorf kurz vor dem Abriss 1959. Über das Alter der Mühle ist nichts bekannt. Da der Ursprung von Purkersdorf mitdem Beginn der zweiten deutschen Landnahme („Babenberger Kolonisation“) angenommen wird, kann es sich um einen mittelalterlichenMühlenstandort handeln.

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Oft waren die Mühlen der Ausgangs-punkt einer weiteren Gewerbe- undSiedlungsentwicklung. Die Wartungder Gebäude, der technischen Einrich-tungen, der Werkskanäle und der Ver-kehrswege banden die verschiedens-ten Gewerbe dauerhaft an die Region.Bäckereien, Bierbrauereien und Wirts-häuser waren häufig zu beobachtendeNebenbetriebe einer Mühle. Ein Bei-spiel ist die spätere HütteldorferBrauerei, die den ursprünglichen Müh-lenbetrieb ersetzte.

Die Mühlbäche an der Wien

Zu einem effizienten Betrieb von Müh-len sind Wehre zum Aufstauen desFlusses und davon abgeleitete Mühl-bäche notwendig. Im Bereich des Wie-nerwaldes hatte jede Mühle an derWien oder einem ihrer Nebenflüsseihren eigenen Werkskanal. Im flache-ren Wiener Bereich lagen an jedemder Mühlbäche mehrere Mühlen unter-einander. Die Werkskanäle auf demGebiet der heutigen Gemeinde Wienbildeten ein fortlaufendes System, dassich vom Mariabrunner Wehr bis zumDonaukanal erstreckte und an den vierweiteren Wehranlagen dazwischenbloß die Seite des Flusses wechselte.Die vier weiteren Wehre waren dasWehr zwischen Baumgarten und St.Veit bei der heutigen Preindlgasse, dasGroße oder Meidlinger Wehr, das Stei-nerne oder Gumpendorfer Wehr undein Wehr nahe der Innenstadt. VierBetriebe lagen außerhalb dieser fort-laufenden Linie: Die 1803 errichtete

Neumühle in St. Veit hatte einen eige-nen, oberhalb von St. Veit abgeleite-ten Mühlbach; die Pfeiffersche Leder-fabrik bezog ihr Wasser vom 1793 er-richteten Gaudenzdorfer Wehr unter-halb des Meidlinger Wehrs; die Hunds-mühle wurde von einem in Reinp-rechtsdorf entspringenden Quellbachbetrieben; die Staubmühle bei derStubenbrücke nützte das Wasser desWiener Neustädter Kanals. Der Bre-quin-Plan 1755 in Abb. 15 zeigt dasPreindl-Wehr mit den oberhalb undunterhalb gelegenen Mühlen.Bei der Betrachtung dieses ineinander-greifenden Systems an Wehranlagenund Mühlbächen wird klar, dass diesesnur als herrschaftsübergreifende Ge-meinschaftsarbeit errichtet werdenkonnte.

Die Zahl der Mühlen an der Wien

Die Darstellung des Mühlenbestandesan der Wien zu einem bestimmtenZeitpunkt wird durch die vielen Ände-rungen im Laufe der rund tausendjäh-rigen Geschichte erschwert. Die Ursa-chen für diese Änderungen sind viel-fältig. Überschwemmungen warenmeist für die Zerstörung der teurenWehre verantwortlich, Kriege undBrände für die Zerstörung der Mühlen.Manche Mühlen wurden an gleicheroder anderer Stelle wieder aufgebaut,andere wurden aufgegeben. Auch derName bestehender Mühlen konntesich über die Jahrhunderte mehrmalsändern. Anton Schachinger zählt inseinem Buch über den Wienerwald für

das 17. Jahrhundert 16 Mühlen, davoneine in Purkersdorf (siehe die Prager-mühle in Abb. 14), eine in Gablitz (amGablitzbach), eine in Hadersdorf (amMauerbach), eine in Hacking, zwei inHütteldorf, eine in Baumgarten undneun Mühlen weiter stadteinwärts.Zählt man die im Franziszeischen Ka-tasterplan eingezeichneten Mühlen,kommt man alleine auf dem Gebietdes heutigen Wien auf die Zahl 14. Ad-diert man alle bekannten Mühlen-standorte an der Wien und an ihrenNebenflüssen, so kommt man auf dieZahl 32. Die schwankende und durch-schnittlich geringe Wasserführung derWien setzte der Größe der Mühlen einenatürliche Grenze. Sie hatten zweioder drei Gänge (Anzahl der Mahl-werke, in der Regel ident mit der An-zahl der Mühlräder) und nur wenigeverfügten über vier Gänge (z. B. dieFaist bzw. Hietzinger Mühle und dieBärenmühle).

Das Ende der Wassermühlen ander Wien

Der erste Mühlbach und seine Mühlenfielen den wachsenden Verteidigungs-anlagen Wiens zum Opfer. Nach derersten Türkenbelagerung 1529 wur-den nicht alle zerstörten Mühlen vorder Stadt wieder aufgebaut, nach derzweiten Türkenbelagerung 1683 wardie der Heiligengeistmühle folgendeBärenmühle (abgesehen von der spä-ter entstandenen Staubmühle bei derStubenbrücke) die unterste Mühle ander Wien.

Abb. 15: Dieser Ausschnitt aus dem Brequin-Plan 1755 umfasst einen wesentlichen Teil des historischen Godtinesfeldes. Er zeigt nochdas mittelalterliche Bild von St. Veit bis Hietzing mit der angestammten Landwirtschaft und mit den alten Verkehrswegen. Die Wien fließtnoch breit und unreguliert durch das Tal und wurde in erster Line durch Furten überquert. Bei den vier eingezeichneten Mühlen handeltes sich um einen markanten Teil des mittelalterlichen Mühlensystems; Abb. 16: Die "Brandmühle von Hietzing" im Illustrirten Wiener Ex-trablatt vom 21. Februar 1886. Der Müllermeister Johann Peter hatte sie bis zu dem Moment, als er sie in Brand stecken ließ, betrieben.Zu sehen ist mittig das Werksgebäude mit den eingehausten Mühlrädern. Der Trakt rechts bzw. in dem Insert links oben ist das heutenoch bestehende Wohngebäude des Müllers mit der heutigen Adresse Lainzer Straße 10.

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Das eigentliche Mühlensterben war vorallem eine Folge der Konkurrenz durchdie mit Dampfmaschinen betriebenenGroßmühlen. Die Nutzung der Dampf-kraft setzte in diesem Bereich aller-dings erst um 1880 massiv ein, also zueiner Zeit, als an der Wien fast keineMühlen mehr in Betrieb waren. Diesenhatte schon früher die unterschiedlicheWasserführung der Wien zugesetzt –vom Anfang des 19. Jahrhunderts wirdimmer wieder monatelanger Stillstandwegen des Wassermangels berichtet –oder sie waren dem Siedlungsdruckgewichen – u. a. wurde der Gumpen-dorfer Mühlbach 1847 und der Wied-ner Mühlbach 1856 verschüttet. Dasnahe Gaudenzdorfer Wehr bestand biszum Hochwasser 1875.Einen langen Existenzkampf führtendie Anrainer des Mühlbaches durchUnter St. Veit und Hietzing, obwohldas Wehr bei der heutigenPreindlgasse schon im Katasterplan1819 nicht mehr eingezeichnet war. Zudessen Ersatz war im Bereich desalten Wehres eine Trogbrücke errichtetund das Wasser des jenseitigen Mühl-baches über die Wien geleitet worden.Noch 1884 wurde ein langwieriger, vorallem vom Inhaber der HietzingerMühle betriebener Streit über die Re-paratur vor allem der Trogbrücke ge-führt. Doch bald darauf ist die Hietzin-ger Mühle abgebrannt (Abb. 16).Zum Zeitpunkt der Regulierung um dieWende vom 19. ins 20. Jahrhundertwurde am Wienfluss in Wien keineWassermühle mehr betrieben. Trotz-dem musste das durch die Regulie-

rung wegfallende Mariabrunner Wehrwegen bestehender Wasserrechtedurch neue Ableitungen aus demWienfluss und dem Mauerbach ersetztwerden, und der obere Mühlbachdurch Hütteldorf und Baumgartenblieb bestehen. In den 1920er-Jahrenwar allerdings nur mehr der Hütteldor-fer Teil des Mühlbaches bis zum Hal-terbach in Betrieb, und nur mehr dasHütteldorfer Bad dürfte sein Wasserverwendet haben.

Erinnerungen an die Zeit derMühlen

Nach dem Ende der Mühlen erinnertenviele Straßennamen und manche Flur-bezeichnung an sie. Mit der Einge-meindung der Vororte nach Wien sinddiese Hinweise aber weniger gewor-den, schließlich sollte es im erweiter-ten Wien jeden Straßennamen nureinmal geben. Die heutige Ullmann-straße etwa hieß einst – wie viele an-dere Gassen auch – Mühlbachgasse.Trotzdem blieb die Stadt reich an Hin-weisen zu den alten Wassermühlen,ganz dicht z. B. in der Wieden, wo dieMühlgasse den Verlauf des Mühlba-ches nächst dem noch bestehendenGebäude der Heumühle in das Stadt-bild zeichnet und Wehrgasse, Heu-mühlgasse und Schleifmühlgasse engbeieinander liegen.Darüber hinaus gibt es noch Bauwerkeund bauliche Reste, die an die einsti-gen Mühlen am Wienfluss erinnern.Das prominenteste Bauwerk ist dieHeumühle im 4. Wiener Gemeindebe-zirk1. Weitere Erinnerungsstücke sind

die Mühlbachbrücken im heutigen Parkdes Europahauses in der Linzer Straße429 und das Wohnhaus der HietzingerMühle in der Lainzer Straße 10 (sieheAbb.16). Darunter ist vor einigen Jah-ren ein Rest des ehemaligen Mühlba-ches gefunden worden (Abb. 17).Ein prominentes Denkmal des Mühlen-gewerbes war auch der bis 2012 be-standene bauliche Rest der einstigenGlutmühle in Wien Hütteldorf. Sie wardie oberste Mühle nach dem Maria -brunner Wehr unterhalb des Zusam-menflusses von Wienfluss und Mauer-bach. Sie befand sich nach heutigerAdresse in der Utendorfgasse 27. DerName kommt von der alten Flurbe-zeichnung „Gluthaffen“. Das Mühlen-gebäude wurde in den 1980er-Jahrenabgerissen, die Reste mit dem altenTorbogen wurden 2012 entfernt.Damit erinnert heute nur mehr derName des Kleingartenvereins Glutmül-lerwiese an die ehemalige Glutmühle.Geblieben sind aber Fotos (Abb. 18)und bildliche Darstellungen.

Dr. Josef HolzapfelHistoriker

� Mehr zu den Wassermühlen an derWien unter: www.1133.at, BerichtNr. 859.

� iD-Buchtipp: Josef Holzapfel, DieWien. Vom Kaiserbrünndl bis zurDonau, Erfurt 2014

Anmerkung1 vgl. S. 8 f.

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Abb. 17: Der noch bestehende Mühlbach unter dem Haus Lainzer Straße 10. Er verläuft unter dem 1820 errichteten Zubau zum ehemaligenWohntrakt des Müllers. Vor Errichtung des Zubaus wurde der Werkskanal eingewölbt und nach Schließung der Mühle geriet er in Verges-senheit. 1990 wurde er wiederentdeckt und das Gewölbe unter dem Stiegenhaus aufgebrochen. Gemeinsam mit einem Mühlbachrestneben dem Linienamt an der Linzer Straße und den Mühlbachbrücken im heutigen Park des Europahauses ist er der letzte Zeuge derfrüher von Mariabrunn bis zum Donaukanal führenden Werkskanäle; Abb 18 (re.): Die Glutmühle in Hütteldorf, Foto: 1930er Jahre.

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Eine Translozierung erscheint ausdenkmalpflegerischer Sicht nur dannstatthaft, wenn das Denkmal an sei-nem angestammten Platz nicht mehrerhalten und auf keine andere Weisegeschützt werden kann, sein Abbruchnicht zu verhindern ist. Mit einer der-artigen Situation konfrontiert ent-schieden sich die Eigentümer derMarktmühle im niederösterreichischenGroß Gerungs, Alois und Johannes

Kitzler, und die Betreiber des Muse-ums Hypolzmühle, das Ehepaar Ri-chard und Katharina Fritze, die Pla-nungen für eine Translozierung in dieWege zu leiten.Die Marktmühle, die urkundlich erst-mals 1382 Erwähnung fand, wurde1965 stillgelegt, in einer Zeit alsösterreichweit mit der Aufhebung derMahlkontingente das Sterben derLohn- und Bauernmühlen besiegeltwurde. Während die Getreidemühlein einen Dornröschenschlaf fiel, ent-wickelte sich aus der zwischen Mühl-bach und Zwettl situierten Säge-mühle ein ausgedehnter Schnittholz-betrieb, dessen expandierendeWerksanlagen die Marktmühle be-drängen. Darüber hinaus ist der Müh-lenstandort bei Hochwasser beson-ders beeinträchtigt, seit die nur we-nige Meter nördlich des Mühlenen-sembles das schmale Flusstal derZwettl querende Bundesstraße aufeinem Damm verläuft und die natür-liche Abfuhr des Wassers sperrt. So-wohl die zumindest für sechs Jahr-

hunderte nachgewiesene Betriebs-dauer als auch die komplett erhaltengebliebene maschinelle Ausstattungaus dem 19. und 20. Jahrhundert miteiner Turbine als Motor und dem ty-pischen Transmissionssystem zurKraftübertragung auf die verschiede-nen Arbeitsböden zeichnen dieMarktmühle als ein kulturell bedeut-sames Bauwerk aus, dessen Translo-zierung und Eingliederung in denneuen Bau- und Nutzungszusam-menhang am Standort der Hypolz-mühle den weitgehenden Erhalt destechnischen Denkmals ermöglichenwird.Mit einer detaillierten Bauaufnahmeund Dokumentation des nicht denk-malgeschützten Bauwerks in seinemgewachsenen Umfeld im Rahmeneiner im Herbst des Vorjahres unter-nommenen Exkursion starteten diebeiden Abteilungen Bauforschungund Denkmalpflege an der Fakultätfür Architektur und Raumplanung derTechnischen Universität Wien ersteArbeitsschritte für eine sachgerechte

Demontage und Wiedererrichtungder Marktmühle. Die im Rahmen derBauaufnahme gewonnenen bauhisto-rischen Erkenntnisse, ein Inventarder Müllereimaschinen und die Re-konstruktion der funktionellen Zu-sammenhänge der Arbeitsprozessebildeten die Grundlagen für die Aus-arbeitung konkreter Maßnahmen zurTranslozierung sowie zur Gestaltungund Präsentation am neuen Standort.Daraus resultierende Ideen wurdenim Rahmen der Entwerfen-Übung„Konfrontation Planen im historischenKontext: TRANSLOCATE“ unter be-zeichnenden Titeln wie etwa „EineMühle geht auf Reisen“, „mühlGANG“oder „Mahl-Promenade“ in insgesamtneun Projekten ausgearbeitet undpräsentiert. Die erwähnten Projektar-beiten der Studierenden wurden imJuni 2016 dem interessierten Publi-kum in Groß Gerungs im Rahmeneiner Ausstellung vorgestellt.

Prof. Dr. Gerhard A. StadlerTechnische Universität Wien

Die geplante Translozierung der Marktmühle in Groß Gerungs

Abb. 19 (li.): Mahlgang mit Steinkran in der Marktmühle in Groß Gerungs im Waldviertel (Zwettler Str. 78); Abb. 20 (re.): Ansicht derMarktmühle von Südwesten.

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Begeistert von dem noch ziemlich in-takten historischen Umfeld der Hy-polzmühle in der gleichnamigen Ort-schaft Hypolz der Gemeinde Groß Ge-rungs im Waldviertel, machten wir unsim Jahr 2009 daran, diese zu renovie-ren. Die meisten Reaktionen, die wirerhielten, waren damals ein Kopf-schütteln und der gut gemeinte Rat:„Bagger durch und weg mit dem altenKram!“ Trotzdem faszinierte uns ge-rade diese hier noch vollständig vor-handene Einheit von Wasserkraftnut-zung, vollständig eingerichteter Mühle,Säge sowie dem Wohn- und Stallge-bäude. Und diese Einheit, die ein be-redtes Zeugnis von vielen Jahrhunder-ten Wirtschaftsleben mit all seinenHöhen und Tiefen ablegte, wollten wirerhalten.

Geschichte und soziale Struktur

Weit über 600 Jahre lang wurde andieser Stelle Korn zu Mehl vermahlen.1382 war ihre erste urkundliche Er-wähnung: Die „ehrbaren Leuth“ An-dreas und dessen Sohn Gebhard,denen die Mühle damals gehörte, stif-teten der Pfarre Gerungs Geld- undNaturaldienste. Diese Stiftung wird in

den Pfarrbüchern bis 1848, als der Ze-hent abgeschafft wird, angeführt. Wei-tere Urkunden aus 1403, 1415, 1428und 1434 bestätigen Jörg Grefel, Le-hensnehmer des Bischofs von Passau,für die Hypolzmühle. Ab Beginn des17. Jh. sind die Namen der Müllerdurch Eintragungen in den Pfarrbü-chern nachweisbar. Blasius Rognerverlässt mit Frau und Kindern 1639 dieMühle wegen seines protestantischenGlaubens. Ihm folgen die Familien Ha-genleitner, 1738 Roidl und 1810 Bach-ner als Müller. Pfarrbücher und Überlieferungengeben auch einen guten Einblick in diesozialen Umstände der Menschenjener Zeit. Im Allgemeinen bekam derjüngste Sohn die Mühle, andere Kinderheirateten in benachbarte Mühlen oderblieben als Magd oder Geselle an derelterlichen Mühle. So heiratete JohannBachner 1851 in die Weißmühle inFreizenschlag ein, die dortige Tochterheiratete gleichzeitig Anton Bachner,der die Hypolzmühle bekam und ihrBruder Martin Bachner wurde 1848Müller in Böhmsdorf. So waren diemeisten Müllersleute in der Umgebungmiteinander verwandt. Die Mühle war

ein großer Wirtschaftsbetrieb, derneben der Müllersfamilie und derennicht verheirateten Verwandten etli-chen weiteren den Lebensunterhaltbot. Zimmermann und Taglöhner sindhier nachweisbar. Immer wieder kam es vor, dass derMüller früh verstarb. Die Witwe konntezwar rechtlich den Betrieb weiterfüh-ren, wirtschaftlich war es aber eineziemlich große Herausforderung ohnedie Arbeitskraft des Mannes auszu-kommen und in der männerdominier-ten Welt anerkannt zu werden. So wares bei Franziska Roidl, die 1797 dieMühle nach ihrem Mann übernahm ge-nauso wie 1884 bei Karoline Bachnerund 1947 bei Elisabeth Bachner. Miteisernem Überlebenswillen schafftensie es, die Mühle zu erhalten.

Wasserkraft

Die Wasserkraft wurde schon frühnicht nur für die Mühle genutzt. 1795wurde eine Säge erstmalig urkundlicherwähnt. Auch eine Walkerei und eineSchmiede dürften hier die Wasserkraftgenutzt haben. Betrieben wurden die Mühle und auchdie daneben befindliche Säge und dieWalkerei ursprünglich durch drei ober-schlächtige Wasserräder mit 3,15 mDurchmesser. Die Walkerei mit 4Stempeln wurde durch ein ober-schlächtiges Wasserrad mit 2,55 mDurchmesser betrieben und die Säge,damals mit einfachem Gatter, miteinem unterschlächtigem Rad von1,20 m Durchmesser. Die alte Wehr-anlage und der ca. 500 m lange Mühl-bach, der noch teilweise als Block-steingerinne ausgeführt ist, sind nocherhalten. 1941 wurde ein Wasserrad,das die Mühle antrieb, gegen eineFrancisturbine ausgetauscht. Diesestellt noch immer die einzige Energie-quelle für Mühle und Wohnhaus dar.Ein zweites Wasserrad war bis in die1970er Jahre in Betrieb.

Historische Baustruktur

In Wohnhaus und Mühle sind nochviele alte Details erhalten. So etwaschießschartenartige Fenster, ein De-ckenbalken mit der Jahreszahl 1656,barocke Türbeschläge oder ein Back-ofen für 25 Laib Brot. Manche vermut-lich gotischen Teile, wie eine alteSteinsäule und Schulterbögen dürftenals Sekundärverwendung ihren heuti-gen Platz im Wohnhaus gefundenhaben. Aus der Baustruktur lassen

Hypolzmühle: „Bagger durch und weg“ – oder doch nicht?

Abb. 21 (o.) : Wohnhaus der Hypolzmühle in Groß-Gerungs (NÖ), Hypolz 1

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sich zwei mittelalterliche Baukernefestmachen, die aufgrund der Hang-lage gegeneinander um ein Geschoßhöhenversetzt sind. In späteren Jah-ren wurde der beide Teile verbindendeHof überwölbt und die beiden Kerne zueinem Gebäude zusammengefügt.Auch das Mühlengebäude hat seinebaugeschichtliche Vergangenheit. Ur-sprünglich als zweigeschoßiger Stein-bau teilweise in den Hang gebaut,wurde es Anfang des 20. Jahrhundertsmit Holzkonstruktion um weitere zweiStockwerke aufgestockt.

Mühleneinrichtung

Die Einrichtung der Mühle ist nochvollständig erhalten und entsprichtdem Stand der Technik aus der erstenHälfte des 20. Jahrhunderts, also derZeit der Aufstockung des Mühlenge-bäudes. In etlichen Arbeitsschrittenwird das Korn zuerst mit einer großenBalkenwaage gewogen und mit Hilfeeines grobmaschigen Gitters von grö-ßeren Fremdstoffen befreit. Danachwird es durch Kornaufzüge, sog. Ele-vatoren, in das Dachgeschoß beför-dert. Hier dient der Aspirateur der Rei-nigung (Abb. XX3). Mit Hilfe eines ein-fachen Gebläses wird in diesem Ar-beitsschritt zuerst der Staub und sons-tige Feinteile entfernt, dann über Rüt-telsiebe Steinchen oder größere Teileausgesiebt. Der Trieur, der direkt unterdem Aspirateur angeordnet ist, ist einerotierende Trommel mit Noppen,

durch die er in der Folge genau jeneKörner mit der richtigen Größe aussor-tiert. Damit kann das Getreide von an-deren Sämereien oder auch angefres-senen Körnern getrennt werden. An-schließend wird das Getreide in die Re-serven befördert. Diese dienen zurKornlagerung und Pufferung zwischenden einzelnen Arbeitsgängen.Die nächste Station, die das Korndurchläuft, ist die Putzmaschine imErdgeschoß. Sie entfernt Spelze undKeim des Getreides. Dies dient derbesseren Haltbarkeit des Mehls. An-dernfalls würde das Mehl durch denhohen Fettanteil früher ranzig werdenund verderben. Mühlräder und vierWalzenstühle dienen zum Schrotenund Kornmahlen (Abb. XX5). Bei demMühlrad wird das Getreide zwischeneinem fixen und einem rotierendenMühlstein verrieben, bei den Walzen -stühlen wird es zwischen zwei gerilltenStahlwalzen verrieben. Dieses Verfah-ren wurde 1873 durch den SchweizerWegmann entwickelt. Es kann dabeidurch genauere Einstellung der Rip-pungen der Walzen besser auf dieKorneigenschaften eingegangen wer-den. In mehreren Durchgängen wirdzuerst aus grobem feines Mehl. ZumSchluss trennt der Plansichter imDachgeschoß Schrot, verschiedenfeine Mehlsorten und Gries voneinan-der. Er besteht aus verschieden feinenübereinander gestapelten Sieben, wel-che frei beweglich aufgehängt sind,

und mittels einer Unwucht in Bewe-gung gebracht werden. An den Abfüll-stellen wird das Mehl in Säcke gefüllt,die dann durch eine Falltür auf einenWagen geladen werden.

Zusammenfassung

Durch die Beschäftigung mit der Mühleund seiner Geschichte wurde uns vie-les wieder bewusster. Den Reichtumund die Annehmlichkeiten unseresheutigen Lebens lernt man am bestenschätzen, wenn man ein wenig in dieVergangenheit blickt und sieht, mitwelchen Mitteln und in welchem Um-feld Überlebensnotwendiges der Naturabgerungen und Basis für besseresLeben aufgebaut wurde. Aus diesemAnsatz heraus haben wir uns ent-schlossen, die Mühle und ihr Umfeld indem Stand des Beginns des vorigenJahrhunderts zu erhalten und als Mu-seum einem größeren Publikum zu-gänglich zu machen. Vielleicht könnenwir dadurch zur Erkenntnis beitragen,dass „Bagger durch und weg“ zwarmomentan der wirtschaftlichste An-satz sein mag, der uns aber langfristigvieles nimmt und verarmen lässt.

DI Dr. Katharina FritzeÖsterreichische Gesellschaft der Mühlenfreunde

� Öffnungszeiten, Veranstaltungenunter: www.hypolzmühle.at

Abb. 22 (li.): Steingang und Walzenstuhl derHypolzmühle: Hier findet der eigentliche Mahl -vor gang statt; Abb 23 (o.): Aspirateur in derHypolzmühle: Die Vorrichtung besorgt eineerste Reinigung des Getreides

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Mit der Dokumentation historischerund rezenter Mühlenstandorte an derZaya im niederösterreichischen Wein-viertel befasste sich im Studienjahr2013/14 eine Schwerpunktforschungan der Fakultät für Architektur undRaumplanung der Technischen Univer-sität Wien. Die Initiative für die Pro-jektstudie ging von der Österrei-chischen Gesellschaft der Mühlen-freunde aus, die sich im April dessel-ben Jahres als Verein konstituierthatte. Die Studie zielte in erster Linieauf eine Erfassung der erhalten geblie-

benen Bausubstanz der Wassermühlensowie auf die Inventarisierung der al-lenfalls noch vorhandenen technisch-maschinellen Ausstattung mit An-triebsmotoren und Müllereimaschinen.Bereits in einem frühen Stadium derForschung wurden diese Ziele um dieLokalisierung der abhanden gekom-menen Mühlenstandorte erweitert.Zunächst galt es, sowohl bekannte alsauch vermutete Mühlenstandorte zulokalisieren. Während die Verortungder überlieferten Mühlen weitgehendunproblematisch verlief, erforderte dieLokalisierung abgekommener Mühlen-standorte spezifische Methoden. Vongrundlegender Bedeutung für die Er-hebung und Beschreibung der letztlich44 ermittelten Standorte war die sys-tematische Auswertung historischer

Karten. Die Gesamtheit des für dieStudie herangezogenen Kartenmateri-als dokumentiert die einzelnen Müh-lenstandorte über einen Zeitraum vonknapp 200 Jahren. Je nach Herstellungund Konservierung der Karten undihrer verschiedenen Editionen konntenfür die Dokumentation an die zehn,mitunter sogar bis zu fünfzehn Karten-werke aus verschiedenen Jahrzehntendes 19. und 20. Jahrhunderts heran-gezogen werden. Allein die zeitlich unterschiedlichen Be-standsaufnahmen des „Stabilen Katas-

ters“ erwiesen sich als eine hervorra-gende Quelle bei der Lokalisierung ab-handen gekommener Mühlen. ImZuge der Erstellung eines ersten allge-meinen, gleichförmigen und stabilenGrundsteuerkatastersystems in Öster-reich wurden auf der Basis des am 23.Dezember 1817 erlassenen Grund-steuerpatents in den Jahren 1817 bis1861 die Gebiete der Monarchie imzehnfachen Militärmaßstab 1:2.800flächendeckend vermessen. Die Plan-aufnahmen des nach Kaiser Franz (II.)I. benannten Franziszeischen Katas-ters wurden vom Militärgeographi-schen Institut ausgeführt. Sie bildetendie Basis zur Berechnung der besteu-erbaren Erträge von Liegenschaftenauf der Grundlage einer messtech-nisch präzisen geometrischen Darstel-

lung aller Grundstücke und Baulichkei-ten sowie deren Zuordnung zu Bewirt-schaftungsklassen. Die in einemstreng regulierten Verwaltungsvor-gang von staatlich geprüften Vermes-sungsingenieuren getätigten, kommis-sionell überprüften und bestätigtenAufnahmen stellten ein absolut ver-lässliches Dokument der baulichenund landschaftlichen Gegebenheiten inden Ortsgemeinden dar. Die Erhebun-gen der Gemeinden im Zayatal erfolg-ten in den Jahren 1821 und 1822.Während Wassermühlen im Regelfall

nicht als solche ausgewiesen sind, er-hielten wasserbautechnische Anlagenwie Dämme, Gräben, Wehre, Uferbe-festigungen, gemauerte oder hölzerneWasserleitungen, Holzrechen, Wasser-behälter und Kanäle mit Schleusenzwecks Unterscheidung eigene Zei-chenkürzel, ebenso wie auch steinerneoder hölzerne Windmühlen. Allerdingsfindet man abweichend von der allge-meinen Zeichenerklärung hin und wie-der die Eintragung von Wasserrädernals eindeutige Hinweise auf die Funk-tion der in aller Regel zumeist aufGrund ihrer Lage an den Wasserläufenersichtlichen Wassermühlen.In der Dritten Landesaufnahme, dieim Jahr 1872 im unteren Abschnittdes Flusses zwischen Ebendorf undDrösing vorgenommen und im darauf

Die Mühlen an der Zaya – Ein Forschungsprojekt an der Technischen Universität Wien

Abb.24 (li.): Die denkmalgeschützte Häringsmühle in Wilfersdorf ist in der Bauform der Renaissance erhalten geblieben; Abb. 25 (re.): Blick in den Antriebsraum der Koppitzmühle in Olgersdorf.

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folgenden Jahr am oberen Flusslaufzwischen Klement und Mistelbachfortgesetzt wurde, finden sich immer-hin 39 der heute bekannten histori-schen Mühlen mittels des Symbolseines Wasserrades gekennzeichnet,mehr als zwanzig von ihnen sogarnamentlich genannt, sodass dieserKarte grundlegende Bedeutung fürdie Verortung der historischen Müh-lenstandorte zukommt. Nicht minderhilfreich entpuppten sich die Kartenfür die Rekonstruktion der zahllosenMühlbäche, die aus Zaya- oder Gieß-bach – wie man die beiden Haupt-arme der Zaya bezeichnete – ausge-leitet wurden, um eine Regulierungder Wasserzufuhr an jedem Mühlen-standort zu gewähr leisten.

Die Überlagerung der historischen undder aktuellen Karten erbrachte eineexakte kartographische Grundlage fürdie Bereisung des Zayatals, um nuneine Begehung und nähere Erfor-schung der Standorte vorzunehmen.Im Rahmen dieser Feldstudien wurdendie Mühlen oder deren bauliche Über-reste sowie das vorhandene maschi-nelle Inventar in Form von Baube-schreibungen schriftlich erfasst und fo-tografisch dokumentiert. WertvolleHinweise für die Rekonstruktion derBaugeschichte der Mühlen lieferten diegelegentlich der Begehung gewonne-nen bauhistorischen Erkenntnissesowie die Interpretation des topogra-phischen Reliefs und des Pflanzenbe-wuchs. Keineswegs wollten wir auf dasWissen der Mühlenbesitzer sowie vonLaienforschern und Chronisten ver-

zichten, die nicht nur Bemerkenswer-tes zu einzelnen Standorten zu berich-ten wussten, sondern in aufwändigemArchivstudium die jahrhundertealtenVerflechtungen und Verpflichtungender Müllerdynastien des Zayatals er-schlossen hatten.Das Ergebnis der Dokumentation bil-den 44 Mühlenstandorte, die gleicheiner Perlenschnur entlang des Fluss-laufs der Zaya lokalisiert wurden. Beieiner Flusslänge von ungefähr sechzigKilometern ergibt das durchschnittlicheine Mühle je 1.200 Metern Wasser-lauf. Tatsächlich ist die Dichte derStandorte am oberen Lauf der Zayagrößer als an ihrem unteren Abschnitt.Den kleinen, oft nur mit einem oderauch zwei Mahlgängen ausgestatteten

Mühlen am Oberlauf standen wesent-lich größere, nicht selten viergängigeMühlen, die zusätzlich noch über eineSägemühle verfügten, am Unterlaufgegenüber. Während die kleinen Mühl-werke des Oberlaufs vorwiegend mitoberschlächtigen (von oben betriebe-nen) Wasserrädern betrieben wurden,hielten mittel- und unterschlächtigeRäder die Mühlen am Unterlauf inGang. Als eine technische Kuriositätentpuppte sich die Schustermühle inGnadendorf mit einem speziell kon-struierten Wasserrad, das sowohlober- als auch unterschlächtig beauf-schlagt werden konnte.Einige der Mühlen sind vollständig er-halten geblieben, viele sind jedochverschwunden oder baulich derartstark überformt und verändert wor-den, dass man sie nicht mehr als Müh-

len wahrnehmen kann. Neben einernicht unbedeutenden Anzahl von Müh-len, die man im Abseits unbeachtetdem Verfall preisgegeben hat, findetsich die Mehrzahl der Mühlen an derZaya in einer Gruppe mit historischbedeutender Bausubstanz. Zu diesenzählt etwa die Koppitzmühle in Olgers-dorf, deren 650jährige Geschichteebenso wie die historische und mithandwerklichem Geschick angefertigteAusstattung das Interesse für tiefergehende Forschungen erweckt hat(Abb. 25). Im Zuge einer Bauauf-nahme gelang auch die Rekonstruk-tion der produktionstechnischen Funk-tionszusammenhänge. Das Ziel derForschungen an der Koppitzmühleliegt in der Erarbeitung von Grundla-

gen für eine denkmalgerechte Bausa-nierung und die Wiederherstellung sei-ner antriebs- wie auch produktions-technischen Ausrüstung. Schülern derHöheren Technischen Bundeslehran-stalt in Hallstatt gelang in diesem Zu-sammenhang die Restaurierung undWiederingangsetzung einer als WienerStauber bezeichneten historischenGrießputzmaschine.

Dr. Gerold Eßer /Univ.-Prof. Dr. Gerhard A. Stadler

Technische Universität Wien

� iD-Tagesfahrt zu Mühlen insnördliche Niederösterreich,3.9.2016 (s.S. 55)

Abb. 26 (li.): Die zu einer Garage degradierte Eselmühle in Prinzendorf; Abb. 27 (re.): Das Ensemble der Heißmühle in Wenzersdorfvon Norden.

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Die weit ins Land blickende Windmühlesteht in bevorzugter Lage an der geo-logischen Grenze von Wald- und Wein-viertel auf den letzten Ausläufern derBöhmischen Masse inmitten der RetzerWeinberge. Sie wurde 1853 als stei-nerne konische Turmwindmühle anStelle einer Bockwindmühle aus Holz(1772) erbaut (Abb. 28 u. 30f.).Die Mühle wurde als zweigängige Ge-treidemühle geplant und nach 30 Jah-ren um einen dritten Mahlgang vergrö-ßert. Man wollte damit den wirtschaft-lichen Bedrohungen zuvorkommen,die der traditionellen Müllerei durch dieneuen Energieformen (Dampfkraft,elektrischer Strom) und durch dieneue Gerätetechnik (Walzenstuhl stattMühlstein) erwuchsen. Doch derKampf konnte weder von den altenMühlen im Allgemeinen noch von derRetzer Windmühle im Besonderen ge-wonnen werden. Sie musste 1924 denMahlbetrieb einstellen. Dass sie bis heute unbeschadet über-leben konnte, dankt sie – das muss

man sagen – nicht allein ihrer beein-druckenden äußeren Erscheinung oderihrer materiell und handwerklich hoch-wertigen Inneneinrichtung und -aus-stattung. Auch nicht ihrem seltenenVorkommen: Sie ist eine der zwei nocherhaltenen Windmühlen Österreichs.Ihr Bestand wurde gesichert, weil sichbereits in den Tagen der Einstellungdes Gewerbebetriebes der Eigentümer,die Stadtgemeinde Retz und das Bun-desdenkmalamt zusammentaten. Sieerkannten die Windmühle als erhal-tens- und schützenswertes Kulturgutund stellten sie in gebührender Weiseöffentlich vor. Seit damals bis heutearbeiten und kämpfen sie gemeinsamfür die denkmalpflegerische Instand-haltung und für das Bewahren der ur-sprünglichen Aufgabe, der Getreide-vermahlung mit natürlicher Windkraft. Die laufenden Erhaltungskosten sinddurch ein Kooperationsabkommenzwischen Eigentümer und Stadtge-meinde aufgeteilt. Nun schon seitknapp 60 Jahren kommt die Stadt für

die laufenden Kosten auf, sie erhält imGegenzug die Eintrittsgelder der fürdie Öffentlichkeit geöffneten Mühle.Der Eigentümer kümmert sich um denoperativen Betrieb und hält für die Be-sucher im Müllerhaus seinen Heuri-genbetrieb offen. An großen Ausgabenbeteiligen sich Landes-und Bundes-stellen sowie private Sponsoren.Aber trotz der günstigen Regelungenist zu beachten: auch eine denkmal-geschützte Mühle altert. Wenn sie nunals technisches Denkmal mit musea-lem Charakter geführt wird und aufdiese Weise ihrer angestammten Auf-gabe als Getreidemühle ziemlich nahebleibt – so eben doch nur „ziemlichnahe“, weil die touristische Zweitnut-zung nach eigenen Gesetzen läuft.

Die Restaurierung der RetzerMühle und ihre Probleme

Ab der Zeit, als der eigentliche Mahl-betrieb geschlossen worden war(1924) und die Windmühle auf Grundihrer Seltenheit und ihrer mühlenbau-lichen Qualität gleich den Schutz desDenkmalschutzgesetzes gefundenhatte, setzten die laufenden Instand-haltungsarbeiten ein. Während im In-neren regelmäßiges Lüften zur Auf-rechterhaltung eines positiven Raum-klimas zum Schutz gegen den Holz-wurm reicht, bleiben die äußeren Teiledes Windwerkes das ganze Jahr überder Witterung ausgesetzt. Sie sindzwar aus beständigem Lärchen- undEichenholz gefertigt, trotzdem leidensie und ihre Betriebsfähigkeit wird be-einträchtigt. Ihre Erneuerung stehtungefähr alle 30 bis 50 Jahre an. DieWindmühle wurde nach denkmalge-rechten Grundsätzen dreimal restau-riert: 1928, 1955 und 2010.Als in den letzten Jahren des vorigenJahrhunderts die Zeit dafür wieder he-rannahte, konnten für die Neudeckungdes konischen Daches noch gehackteLärchenschindeln und kundige Dach-decker gefunden werden. Anders ver-hielt es sich beim Windwerk, das sinddie vier Flügel, die waagrechte eicheneWelle, in der die Flügel stecken undder Rollenkranz auf der Mauerkrone,über den das Dach mittels einer Hand-winde vom Boden aus in den Wind ge-dreht wird. Vor der letzten umfassen-den Restaurierung befand sich dieWindmühle schon 85 Jahre außer Be-trieb. Was ist in diesen Jahrzehntendes Stillstandes alles geschehen?

Die Windmühle in Retz – Ein technisches Denkmal

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Abb. 28: Querschnitt; Gewinnung der Windkraft mit drehbarem Dach (Windrichtung)und Flügelbedeckung (Windkraft)

Der letzte Windmüller und sein Sohnwaren gestorben, einige ihrer wenigennachgelassenen Aufzeichnungen überdie Windmüllerei waren verloren ge-gangen. Die Zimmerleute, die sich aufden Mühlenbau verstanden hatten,waren ausgestorben. Es fanden sichkeine Vertreter der Heimatkunde oderder Wissenschaften, die an einer Do-kumentation des untergehenden Müh-lenbestandes interessiert gewesenwären. So trafen die heute Lebenden und Ver-antwortlichen niemanden mehr, dersich auf eine denkmalfachlich ge-stützte Restaurierung verstanden undeine solche Arbeit übernommen hätte.Sie konnten auch nirgendwo um An-gaben oder Anleitungen für die Pla-nung einer Windmühlenrestaurierungfündig werden. Dabei drängte ein seitdrei Jahren nicht mehr zu stillenderWassereinbruch, der von den örtlichenZimmerleuten und Tischlern ungefähran der Eintrittsstelle der Flügelwellevermutet wurde, aber nicht behobenwerden konnte. Man musste erken-nen, dass das Wissen über die Wind-mühle zwar unauffälliger, dafür aberrascher dem Vergessen anheimgefal-len war als die Holzausstattung geal-tert ist. Diese Erfahrung bewirkte,dass im Jahr 2001 zum ersten Maleine ausführliche Beschreibung desBauwerkes und seiner Funktion ge-macht wurde, der in rascher Folgeeine Reihe von schriftlichen und bildli-chen Darstellungen verschiedener Au-toren folgte. Die Schriften rückten dieWindmühle in das Licht des öffentli-chen Interesses und wiesen auf ihreErhaltungswürdigkeit und derenDringlichkeit hin.Die Hilfe kam aber von einer unerwar-teten Seite, von dem professionellenWindmühlenbauer Gerrit H. Keunenaus Holland. Nach seiner dreißigjähri-gen Berufstätigkeit als Bauingenieurdes niederländischen Denkmalamtessoeben in den Ruhestand getreten,stellte er in uneigennütziger Weisesein Know-how in den Dienst der Ret-zer Windmühle, machte eine umsich-tige Zustandserhebung und legte eindenkmalfachlich begründetes Leis-tungsverzeichnis vor. Daraufhin wur-den der Kostenvoranschlag samt Fi-nanzierung geregelt und die Arbeit miteiner holländischen Mühlenbaufirmabesprochen, die innerhalb von zweiJahren die Restaurierung professionelldurchführte und die Windmühle wie-der windgängig und mahlfähig

machte. Der gute Zustand des Objek-tes ermöglichte die vollständige Erhal-tung der Außenerscheinung, der In-neneinrichtung und der Funktion. Frei-lich standen die Entscheidungen unddie handwerklichen Arbeiten manch-mal im Spannungsfeld zwischen demErhalt der Originalsubstanz und denAnforderungen an den wiederaufzu-nehmenden Betrieb. Vollständig zu er-neuern waren die Holzteile außen,wobei die aerodynamische Rekon-struktion der Flügel besonderes Fach-wissen verlangte (Abb. 30). Der Kontakt zwischen dem Eigentü-mer, der Stadtgemeinde Retz als Bau-

herren sowie der Baufirma auf dereinen Seite und zum Bundesdenkmal-amt auf der anderen Seite blieb wäh-rend der Restaurierungsdauer imPraktischen lebendig und fand in derBilligung des gesamten Unternehmensdurch das Bundesdenkmalamt seinenformalen Ausdruck.

Therese BergmannMühlenforscherin,

Tochter des letzten aktiven Retzer Windmüllers

� iD-Tagesfahrt zu Mühlen insnördliche Niederösterreich,3.9.2016 (s.S. 55)

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Die berühmte Retzer Windmühle im nördlichen Niederösterreich: Abb.29 (li.o.): Kamm -rad; Abb 30 (re.o.): Nach der Restaurierung nach einer Darstellung von 1908 sind dieFlügel wieder aerodynamisch und betriebsfähig, Mauerwerk einheitlich mit Sumpfkalk-putz; Abb 31 (li.): Die Mühle, seit 1928 unter Denkmalschutz, vor der Restaurierung:Flügel nicht mehr drehbar und nicht windgängig, Fassadenbehandlung mit ungeeignetemPutz. Abb. 32 (re.u.): Denkmalpflegerische Restaurierung des Kammrades.

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Im Südwesten von Niederösterreich,im Bezirk Scheibbs, liegen am Ober-lauf der Kleinen Erlauf die GemeindenGresten-Land und in deren Mitte dieMarktgemeinde Gresten. Im 13. Jahr-hundert erbaute hier das Geschlechtderer von Hausegg eine Burg Ober-hausegg. Am Ende der Hausegger-

Herrschaft vererbte Friedrich vonHausegg seinen Besitz an seine zweiTöchter. Eine Tochter heiratete einenStainer, der später seine südlichenGründe an das Stift Regensburg ver-kaufte. Die Bischöfe behielten dieGrundherrschaft, aber setzten für dieweiteren Jahre Pfleger ein. Die zweiteTochter heiratete einen Zinzendorfer,der wegen Grundstreitigkeiten sicheine neue Burg – Niederhausegg – er-bauen durfte. Seine Grundherrschaftlag im Norden. Ein Ritter dieser Burghieß Nordvin und war der erste ur-kundlich erwähnte Grestner. Der MarktGresten, als solcher schon 1292 er-wähnt, lag in der Grundherrschaft derZinzendorfer. In diesem Markt Grestenstand die „Gartlmühle“, einst einWahrzeichen des Ortes. 1964 kam ich als Lehrer an die Haupt-schule Gresten. Ich unterrichtete Ma-thematik, Zeichnen und Musik. AlsZeichenlehrer fiel mir das im Ostendes Marktes Gresten stehende Haus

der Gartlmühle sofort ins Auge. MeinInteresse an dem Gebäude wurdedurch Hinweise in der Ortschronik unddie verschiedenen Ansichten derMühle entweder auf Fotos oder auf Bil-dern einzelner Maler gestillt. Ein Fotoist mir noch in Erinnerung, auf dem ander Westseite der Gartlmühle ein

Mühlrad zu sehen war, das vom Bodenbis zum Dachrand hinaufreichte, alsohöher als sechs Meter gewesen seinmusste.In der Ortschronik fanden sich meh-rere Hinweise zur Gartlmühle: 1334wird im Regensburger Urbar eine „mul(Mühle) in der Grosten“ erwähnt, er-wähnt ist auch ein Meierhof von RitterNordvin, der bei der Gartlmühle ge-standen haben soll. Außerdem ist dieRede von einem „der ganzen Bauartnach […] ältesten Gebäude Grestens.“Die Bausubstanz dürfte im Wesentli-chen aus der Mitte oder der zweitenHälfte des 16. Jahrhunderts stammen.Der Mühlenbetrieb wurde erst um1900 eingestellt. Alle Besitzer sind bekannt, die wich-tigsten waren: 1588 Hans Khlingen-stein, „ ain Peckh“ (ein Bäcker), dieFamilie Gangsberger mit einer Gast-wirtschaft und 1889 Josef Knapp, derletzte Gartlmüller, der 1900 den Müh-lenbetrieb einstellte. Die Mühle kaufte

die Familie Wieser und durch eine Hei-rat heißen die heutigen GrundbesitzerRaab.Schon 1964 machte ich die erste Be-kanntschaft mit der Familie Raab, diemit ihren Söhnen die „Gartlmühle“ alsBauernhaus bewohnte. Es war aberbald erkennbar, dass an dem Haus nur

das Notwendigste ausgebessertwurde, und der Bauer schon voneinem Neubau sprach, den er auch ander Ostseite ab 1986 errichtete. Esentstanden ein neues Bauernhaus mitdem dazugehörigen Stall und ein Wirt-schaftsgebäude. Die „Gartlmühle“wurde ab dieser Zeit nur mehr für dasEinstellen alter Maschinen und für dasUnterbringen von Arbeitsgeräten be-nützt. Ab den 1980er Jahren konnte manschon Schäden an der „Gartlmühle“von außen feststellen. Daher bemüh-ten sich Mitglieder des Vereins „Gres-ten initiativ“ – kurz „GI“ – und derenObmann Dr. Wolfgang Kammerer,praktischer Arzt in Gresten, in Gesprä-chen mit der Familie Raab einenbrauchbaren Weg für eine Erhaltungzu erarbeiten. Es sollte eine Art Mu-seum aus diesem Objekt entstehen.Auch finanzielle Zusagen erhielt „GI“von „Förderern“. Nur die Marktge-meinde, damals noch weniger finanz-

Das Denkmal „Gartlmühle“ in Gresten (Niederösterreich) –Ein Wahrzeichen ist verblasst

Abb. 33 (li.): Die Westseite der „Gartlmühle“ in Gresten (Badgasse 6) im Jahr 2003. Hier befand sich einst das große Wasserrad; Abb.34 (re.o.): Die Dokumentation des Verfalls wurde in einem 12minütigen, privat prodzierten Film aus 2007 festgehalten, darin zu sehenauch der Autor Alfred Neuhauser; Abb.35 (re.u.): Die Ostseite der „Gartlmühle“ im Jahr 2011, eine Steinmauer ohne Putz.

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kräftig, zeigte sich sehr zurückhaltend.Aber alle Bemühungen scheitertenund die „Gartlmühle“ erreichte im Jahr2000 einen bedrohlichen Bauzustand.Ein Abbruch stand im Raum. Verzö-gert wurde er nur, weil die Mühle seit1979 unter Denkmalschutz stand(Abb. 33).In den folgenden Jahren zeigten sichimmer deutlicher die Spuren des Ver-falls. Teile des Dachstuhls waren ein-gestürzt, kläglich ragten Dachsparrenin den Himmel. Kleine Bäumchenwuchsen aus der Ruine und ein Betre-ten war aus Sicherheitsgründen unter-

sagt. Wegen des immer schlechterwerdenden Erhaltungszustandeswurde schließlich 2008 „grünes Licht“für die teilweise Aufhebung des Denk-malschutzes am Gebäude gegeben.Am 7. Mai 2012 begannen die Ab-brucharbeiten an der Gartlmühle (Abb.36). Sehr vorsichtig ging man dabeinicht ans Werk. Bemalte Putzflächen,schöne alte mit kleinen Platten ge-mauerte Wände, teilweise schon ohneVerputz, die kleinen Fenstergewände,Brandspuren des ehemaligen Back-ofens, Teile von Sgraffitis mit einemZunftzeichen eines Bäckers und Orna-mentstreifen fielen dem Bagger zumOpfer. Auch die schöne hohe Mauerder Ostseite, mit ihren flachen Steinen(Platten), wurde zu meinem Bedauernschon früh von der Baggerschaufelumgestoßen (Abb. 35). Auf der Innen-seite dieser Mauer waren noch Spureneiner Blumenverzierung zu sehen. Nurdie tunnelförmige Eingangshalle undein Eiskeller, der erst durch diese Ar-

beiten seitlich zum Vorschein kam,blieben erhalten. Die Mauern fielen,der Schutt wurde weggeführt.

Was blieb von der „Gartlmühle“und was kann man heute nochsehen oder erahnen?

An der Kleinen Erlauf stehen nochlinks und rechts die Fundamente einesWehrs. Auch kann man noch die Ver-tiefungen des Mühlbaches erkennen.Von der Mühle selbst blieb das Ton-nengewölbe des Einganges stehen,geschützt mit einer Abdeckung (Abb.

37). War es das Gewölbe für den ers-ten Wasserdurchlauf und seinem Müh-lenrad gebaut worden? Nicht zuge-schüttet wurde der Eiskeller, der eben-falls abgedeckt wurde, und vor der„Halle“ liegen noch größere Steine desehemaligen Gebäudes.Einmal in der Woche gehe ich immernoch an der „Gartlmühle“ vorbei undstelle mir dabei viele Fragen. Wowaren bei den Abbrucharbeiten jeneHerren, die einmal den Denkmalschutzder Gartlmühle verfügten? Hat manvergessen, sie zu verständigen oderwar keiner bereit zu kommen? Wirdeinmal ein geschichtlich Interessierternachfragen, woher die flachen Plattenfür die Mauer der Ostseite stammten,die damals für den Bau verwendetwurden und jetzt in einem Graben ver-schwunden sind? Hat es wirklich denTurm des ersten Grestner RittersNordvin an der Südostseite des Ge-bäudes gegeben, weil ja beim Abbruchvier große Quadersteine, im Quadrat

von drei Metern, im Boden gefundenwurden? War das die Grundfestungdes Turmes von Nordvin? War die„Gartlmühle“ vielleicht ein Teil desMeierhofes, den die Stainer erbautenund dem Nordvin zur Aufsicht übertru-gen? Die Stainer, mit Sitz in Lunz, be-saßen ja nach 1100 Bauernhäuser bisin das Gemeindegebiet von Purgstall!Hat man auch wegen ihres großen„Betreuungsgebietes“ dem Gebiet umGresten, früher den Namen „Größ-Stain“ (bayrisch groß = groess) gege-ben und später daraus das Wort Gres-ten abgeleitet? Fragen über Fragen!

Der Markt Gresten hatte einst dreiMühlen. Wo einst die „Angermühle“stand, steht heute eine Bäckerei. Ausder „Marktmühle“ wurde ein Wohn-haus und von der mächtigenGartlmühle stehen nur noch kläglicheReste. Wie lange wird sie als ehemali-ges Wahrzeichen von Gresten auf Fil-men, in Fotoalben und gemalten Bil-dern gezeigt und den Bewohner derMarktgemeinde in Erinnerung bleiben?Nur noch in der Kulturschmiede, einerVeranstaltungshalle in Gresten, hängtan der Wand im ersten Stock eineTafel, an der Pläne und Schwarz-Weiß-Fotos der alten Gartlmühle zu sehensind; datiert sind sie mit Juni 2003,mit Vermerk des Bundesdenkmalam-tes Wien, BHD/EH, Neubauer.

OSR Alfred NeuhauserHobbyhistoriker, Museumsmitarbeiter Gresten

� iD-Filmtipp auf YouTube: „Gartl -müh le - Ein Wahrzeichen verblasst“

Abb. 36 (li.): Während der Abbrucharbeiten im Jahr 2012: Die „Gartlmühle“ von Südwesten mit Heizspuren über dem einstigenBackofen; Abb. 37 (re.): Ein letzter verbliebener Rest der „Gartlmühle“, ein abgedecktes Gewölbe. Diese „Baudetails“ stehen wei-terhin unter Denkmalschutz. Foto vom Jänner 2016.

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Tausende von kleinen Mühlen prägtenin Österreich über Jahrhunderte hin-weg das Bild unserer Landschaft. Siewaren lebensnotwendig für die Ver-sorgung der Bevölkerung mit demGrundnahrungsmittel Mehl. Durch dieallgemeine Elektrifizierung auch derabgelegenen Siedlungen und durchdie vermehrte Entstehung von Groß-und Handelsmühlen wurden bis zumEnde der 1960er Jahre fast alle Klein-mühlen in Österreich stillgelegt. DerVerfall ließ nicht lange auf sich warten.Der Pfaffenlehnermühle an der Zauchin Gitzing 2, Gemeinde Neuhofen ander Ybbs (Bez. Amstetten, Nieder-österreich), deren Ursprung in das16. Jh. zurückgeht, drohte dasselbeSchicksal. Die alte Mühle wurde 1860bei einem Brand, der in der Selch derMühlstube ausgebrochen war, völligzerstört und brannte bis auf dieGrundmauern nieder. Sie wurde 1861wieder neu aufgebaut. Nach demZweiten Weltkrieg wurde auch siestillgelegt und drohte zu verfallen(Abb. 40)Die Zauch entspringt im Voralpenge-biet und hat eine Länge von ca. 25km. An ihren Ufern befanden sicheinst 17 Getreidemühlen, im Oberlauf6 Hausmühlen und im Unterlauf 11Lohnmühlen. Beinahe sämtliche Müh-len fielen Mitte des 20. Jhs dem „Müh-lensterben“ zum Opfer. Die Pfaffen-lehnermühle, eine der letzten Haus-mühlen im Mostviertel, konnte vordem Verfall gerettet werden. Sie istheute eine voll funktionstüchtige

Hausmühle, in der wie vor hundertenvon Jahren Getreide zu Mehl vermah-len wird. Gegen Voranmeldung wer-den Führungen mit Schaumahlendurchgeführt und jährlich findet imSeptember das Mühlenfest statt.

Restaurierung

2004 stand die Pfaffenlehnermühlekurz vor dem Verfall. Das Dach warteilweise eingestürzt und Wasserdrang in die Mühle ein. Das Wehr warnicht mehr vorhanden, der Mühlbachzugeschüttet und das Wasserrecht er-loschen. Der gelernte Müller JohannWagner und sein Arbeitskollege Gün-ter Wagner entschlossen sich gemein-sam mit den Besitzern Johanna undLeopold Pfaffenlehner die Mühlenan-lage zu restaurieren. Am 15. August2004 wurde dazu die ARGE Haus-mühle Pfaffenlehner gegründet.Die Umfassungsmauern der Mühlewaren mit ausgezwickeltem Bruch-steingefüge und Ortsteinen gemau-ert, was als spätmittelalterliche Maue-rungstechnik über Jahrhunderte hin-weg Anwendung fand. Die Giebel-mauer bestand aus ungebranntenLehmziegeln.Zuerst wurden statische Sicherungs-maßnahmen gesetzt, der Dachstuhlerneuert und eine Ziegeldeckunggemäß dem Letztzustand vorgenom-men. Durch diese Maßnahmen konntevorerst der weitere Verfall der Mühlegestoppt werden. Die Arbeiten warenfreiwillige Leistungen, die Materialkos-ten wurden von Firmen gesponsert.2005 ruhte die Baustelle. Die Mauern

konnten austrocknen und die weitereFinanzierung musste gesichert wer-den. Im Jänner 2006 wurde mit Mag.Gorazd Živkovič vom Landeskonser-vatorat Niederösterreich und Mag.Martin Grüneis von der Kulturabtei-lung der NÖ Landesregierung Verbin-dung aufgenommen. Die Mühlewurde als erhaltungswürdig befundenund eine finanzielle Unterstützung zu-gesichert. Dadurch war die Weiterfüh-rung der Restaurierung möglich. Nachschwierigen Verhandlungen mit derBezirksverwaltungsbehörde konnteim Juni 2006 das bereits erloscheneWasserrecht wiedererlangt werden.Nun ging es an die Arbeiten am Au-ßenputz, der schon teilweise abge-bröckelt war. Wie zu früheren Zeitenwurde dem Mörtel Sand mit der pas-senden Körnung beigemischt. DieserSand wurde dem Bachbett der Zauchentnommen. Um die Oberflächen-struktur dem alten Verputz wiederanzupassen, wurden mehrere Versu-che durchgeführt. Nach längeremProbieren gelang es uns, die alteTechnik wieder anzuwenden. Der auf-getragene Mörtel wurde nach kurzemAntrocknen mit einem Riedlbesen ab-gekehrt. Dadurch entstanden an derOberfläche längsförmige Rillen, dieder Struktur des Originalputzes ent-sprachen. Auch der alte Brand- und Wärme-schutz an der Decke über der Mühl-stube wurde mit der sogenannten„Fletz“ wieder hergestellt. Die Fletz istein Gemenge aus Lehm, Getreide-grannen und Wasser, zu einem dicken

Die Pfaffenlehnermühle in Neuhofen an der Ybbs: Wie eine alte Mühle vor dem Verfall gerettet wurde

Abb.38 (li.): Pfaffenlehnermühle nach der Restaurierung 2008; Abb. 39 (re.): Mühleneinrichtung mit Steingang und Beutelkasten.

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Brei verrührt. Diese Masse wird nunin einer Stärke von einigen cm auf dieHolzdecke aufgetragen. Da die Mühl-stube beheizt wird, ergibt dies einenWärmeschutz mit gleichzeitigemBrandschutz.Das bereits vermoderte, mittel-schlächtige Wasserrad war nichtmehr funktionstüchtig und musstebis auf das Grindel (Antriebswelle)abgetragen werden. Es wurde vonder Tischlerei Schneider aus Eurats-feld aus Eichenholz neu gefertigt.Grindel, Kammrad, Stockrad undSteingang samt Gosse aus dem Jahr1861 sind noch vollständig erhalten.Es mussten lediglich am Kammraddie 99 Holzzähne aus Weißbuchen-holz erneuert werden.Am gesamten Mauerwerk befandensich Setzungsrisse, daher musste derInnenputz erneuert werden. Auch diehölzerne Trennwand zwischen Mahl-stube und Mühle musste teilweise er-neuert werden. Diese Arbeiten warensehr aufwändig, da dünne Holzleistenals Putzträger angebracht werdenmussten. Da die Mühle öfters vonHochwasser überflutet war, musstenauch die vermoderten Holzböden er-neuert werden.Der Beutelkasten, in dem das Mehl

vom Mahlschrot getrennt wird, warnicht mehr vorhanden. Nach langerintensiver Suche konnte im Lueggra-ben bei Waidhofen/Ybbs aus einerbereits verfallenen Hausmühle einBeutelkasten ausfindig gemacht wer-den. Er lagerte in einem Holzschup-pen und war fast noch vollständig. Esfehlten nur die Rüttelgabel und derSiebschlauch. Nach Ergänzung dieserTeile konnte er in der Pfaffenlehner-mühle eingebaut werden (Abb. 39).Das Putzdekor oberhalb des Mühlen-einganges mit den MühlensymbolenKammrad, Mühlstein und Mühlkatzenaus dem Jahre 1861 wurde von derRestauratorin Michaela Haager ausYbbs/Donau aufwändig gesichert undwieder hergestellt (Abb. 41).Da die Besitzer mit dem ursprüngli-chen Verlauf des Mühlbaches nichtmehr einverstanden waren, konnte erin einer Länge von ca. 200 m nichtmehr hergestellt werden. Es mussteauf Höhe der Mühle ein neues Wehrmit dem Schützen errichtet werden.Dadurch wurde die ursprünglicheStauhöhe nicht mehr erreicht. DieLeistung des Wasserrades wurdestark vermindert und der Antrieb desSteinganges musste daher elektrischunterstützt werden. Die Mühle wurdean das öffentliche Stromnetz ange-schlossen. Bis zur Vollendung derRestaurierung wurden ca. 2.000 frei-willige Arbeitsstunden geleistet (Abb.38 u. 42).

Wiedereröffnung

Am 16. September 2006 wurde diePfaffenlehnermühle durch den Bür-germeister der Gemeinde Neu hofen/Ybbs, Hermann Stöger, feierlich er -öffnet. Mag. Gorazd Živkovič be-dankte sich in seiner Festrede für diegelungene Restaurierung und diegute Zusammenarbeit. In der Mühlewurde Roggen zu Mehl vermahlen,das anschließend in einem Backofenzu Brot gebacken wurde. Es war einschönes Fest und wir sind stolz aufunsere Mühle, die vor dem Verfall ge-rettet werden konnte. Sie steht heuteunter Denkmalschutz. Am 25. April 2015 besuchte die„Österreichische Gesellschaft derMühlenfreunde“ anlässlich ihres Müh-lenausfluges auch die Pfaffenlehner-mühle. Sinn des Vereins ist es, dieMühlen als bedeutendes Kulturgutwieder in das Bewusstsein der Men-schen zu rufen, sie zu schützen undzu erhalten (vgl. S. 5).

Johann WagnerÖsterreichische Gesellschaft der Mühlenfreunde

� www.muehlenfreunde.at

� Kontakt: Pfaffenlehnermühle An-meldung zu Führungen GemeindeNeu hofen/Ybbs, Tel.: 07475 / 52700

Abb. 40 (li.o.): Die bereits stark verfallene Pfaffenlehnermühle 2002; Abb. 41 (li.u.):Putzdekor beim Mühleneingang mit den Mühlensymbolen Kammrad, Mühlstein undMühlkatzen. Die Jahreszahl 1861 markiert den Wiederaufbau nach dem Brand, dieBuchstaben „B.H.“ auf Bartl H., Besitzer der Mühle um 1527; Abb. 42 (re.): Die Mühlemit dem Wasserrad.

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Wie aus etlichen Ortschroniken er-sichtlich ist, entstanden die meistenburgenländischen Mühlen im Mittelal-ter. Die Gründer waren Adelige undOrdensleute. Indizien sprechen dafür,dass schon die Römer hierzulandeMühlen betrieben.Die Antriebsart richtete sich nach denörtlichen Gegebenheiten. Bei günsti-gen Windverhältnissen und Mangel anFließgewässern dominierten Wind-mühlen, speziell im Seewinkel. Um dieUnstetigkeit des Windes auszugleichenstellten einige Müller später nachträg-lich auf Dampf, Diesel, Benzin und Pe-troleum um. In den Bezirken südlichvon Eisenstadt bis in den äußerstenSüden waren Bäche und kleine Flüssezahlreich vorhanden und damit in dervorindustriellen Zeit die Nutzung derWasserkraft die Lösung. In diesem Be-reich sind nur zwei Windmühlen undwenige Rossmühlen bekannt.Die Frage nach der Anzahl der jemalsim Burgenland vorhandenen Mühlenist kaum zu beantworten, schon alleinwegen einiger Wüstungen, aber grobkann gesagt werden:- Windmühlen: 3 Holländerwindmüh-

len und max. 10 Bockwindmühlen- Ross- und Motormühlen: etwa ein

gutes Dutzend- Wassermühlen: 250 bis 300

Windmühlen: Im Vergleich zu denkerneuropäischen Staaten war dieZahl der Windmühlen bescheiden. EinGrund mag wohl die Leistungsfähigkeitder Leithamühlen sein, die im Nord-

burgenland sicher in Konkurrenz zuden Windmühlen standen.Die erste unter Denkmalschutz ste-hende Mühle war eine Bockwindmühlebei St. Andrä am Zicksee (siehe Seite1, Titelbild). Ein Sturmwind zerstörtesie in der Nacht vom 21. auf den 22.März 1941. Der Verhaltensforscher Dr.Otto König hat in seinem Buch „DasBuch vom Neusiedler See“ das Endedieser Mühle launisch festgehalten, soliest man unter dem Foto: „Der Hei-densturm, der nichts von Denkmal-schutz weiß, hat sie eines Tages nie-dergerissen“. Der vorgesehene Wie-deraufbau scheiterte wahrscheinlichdurch den Krieg. Sie ist aber auf zahl-reichen Fotos und Gemälden gut fest-gehalten und eine Rekonstruktionwäre sinnvoll, zumal im Land keineBockwindmühle mehr existiert. Hin-länglich bekannt ist die PodersdorferWindmühle, deren Instandsetzungdemnächst beendet sein wird.

Ross- und Motormühlen: Von Tie-ren angetriebene Mühlen waren sehrselten, die bekannteste war jene imSchloss Forchtenstein. Bei den mit Mo-toren betriebenen Mühlen waren diereinen Dampfmühlen, wie etwa inMönchhof die Ausnahme. Mit dem Auf-kommen von Benzin und Dieselmoto-ren kam um etwa 1900 und danachdiese Antriebsart zur Anwendung, vorallem dort wo die Wasserkraft fehlte.Beispiele: Nickelsdorf, Gols, Breiten-brunn, Hornstein, Lackenbach (s. Abb.46), Horitschon, Großwarasdorf, Klein-warasdorf, Eisenhüttel.

Wassermühlen: Von dieser Gruppesteht rund ein Dutzend unter Denk-malschutz, wobei ich die Kriterien die-ser Maßnahme nicht bei jeder Anlagefür objektiv nachvollziehbar halte.Ausschlaggebend war wohl in denmeisten Fällen der Hochbau. Die was-serbauliche und maschinelle Ausrüs-tung war in der Regel bestenfalls Ne-bensache und wurde vernachlässigt.Aus Platzgründen kann ich hier nichtauf Einzelfälle eingehen. Nur soviel: Ineiner denkmalgeschützten Mühlehaben Fenster einer abgetragenen Kir-che eigentlich nichts verloren.

Pioniere des modernen Mühlen-baus im Burgenland

Auf dem Gebiet des Mühlenbaushaben wichtige Persönlichkeiten ihreHandschrift beziehungsweise familiäreSpuren im Land hinterlassen, warenteilweise sogar von überregionaler Be-deutung.Um 1900 tauschten etliche Mühlenihre Wasserräder gegen Turbinen.Neben der Fa. Voith aus St. Pölten undder Leobersdorfer Maschinenfabrikwar die Fa. Pohl und Söhne hier starkvertreten und das aus gutem Grund:Diese Fabrik war in Steinamanger an-sässig, und Ing. Pohl gehörte zurdeutschsprachigen Minderheit in Un-garn. Vorwiegend lieferte Pohl hoch-wertige Franzis Schachtturbinen, vondenen einige bis heute in Verwendungstehen, etwa in Altschlaining (Abb.47)und in Gaas. Große Namen im Bereichdes Mühlenbaus sind Friedrich Weg-

Burgenländische Mühlen

Abb.43 (li.): Die denkmalgeschützte, 1649 neu aufgebaute Gröschlmühle in Königshof an der Leitha, KG Kaisersteinbruch, gehörte einstzum Schloss Königshof; Abb. 44 (re.): Die Wölfelmühle in Unterwart an der Pinka war 2014 noch in Betrieb und suchte einen Käufer.

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mann und Karl Hagenmacher. In allerKürze möchte ich über die beiden be-richten, und in welchem Zusammen-hang sie mit unserem Land, welchesbekanntermaßen bis 1921 bei Ungarnwar, standen: Die Einführung des Walzenstuhls, alsoder Walzenarbeit, datiert, abgesehenvon früheren unbedeutenden Versu-chen, um das Jahr 1873, und zwar alsErfindung des aus der Schweiz stam-menden Obermüllers Friedrich Weg-mann. Von Neapel kommend, führteer seinen technisch noch recht primi-tiven Walzenstuhl damals in Budapestvor. Hier erhielt Wegmann auch dieersten Patente für Österreich und Un-garn, worauf er großen Wert legte,denn auf diese Länder, die damalsschon ein sehr kompliziertes Mahlver-fahren hatten, setzte er seine größtenHoffnungen. Die Fabrikation derStühle übernahm zuerst die FirmaGanz & Co in Budapest und die erstenWalzen bestanden aus Porzellan. DerBuchautor und Mühlenfachmann Ing.Wilhelm Baumgärtner bezeichnet inseinem Standardwerk „Lehr- undHandbuch für Müllerei und Mühlen-bau“ diese als die wichtigste Erfin-dung der modernen Müllerei.In Schlaining am Tauchenbach gibt eszwei Mühlen, welche von AugustWegmann (geb. 1885 in Vokany, Un-garn), bis zum Beginn der 1960erJahre betrieben wurden. Die untereMühle, heute im Besitz des MüllersRoland Sagmeister, ist noch mit den

ursprünglichen Maschinen in Betrieb.August Wegmann war mit FriedrichWegmann verwandt, in welcher Weisewäre noch zu klären.Im damaligen Ungarn entstand nocheine weitere Mühlenmaschine, welchebei uns schnell Einzug fand: der Plan-sichter. Diese Maschine ist heute aufGrund ihrer langjährigen Entwicklungdie beste Vorrichtung zum Sichtenaller Mühlenprodukte. Der eigentlicheErfinder war Karl Hagemacher (1835-1921). Nach Wanderjahren in derSchweiz und Ungarn ging er 1863nach Budapest und begann als Ober-müller bei der Ersten Ofener- PesterDampfmühlen AG. Dort machte erKarriere als technischer Direktor undspäter als Hauptaktionär und Präsi-dent des Verwaltungsrates. 1888 er-fand er den Plansichter. Die Einrich-tung ahmt das Prinzip des horizonta-len hin und her geschüttelten Hand-siebes mechanisch nach.

Erhaltungsstrategien

Die Erhaltung einer historischenMühle stellt eine Herausforderung dar.Die Schwierigkeiten eines komplettenErhalts sind nicht unerheblich – siereichen von der fachgerechten Pflegeder Altsubstanz bis zu den Hürdenwasserrechtlicher Begehungen. DieBandbreite an Maßnahmen ist enormund reicht von der Entkernung derGebäude und Fremdnutzung bis zumkontinuierlichen Mahlbetrieb. Wobeiersteres, abgesehen von Abbruch, die

schlechteste Variante darstellt. Ein gelungenes Beispiel stellt dieSchuhmühle (www.muehle-schatten-dorf.at) in Schattendorf dar, welchevor kurzem einem breiten Publikumzugängig gemacht wurde. Zwar istein Mahlbetrieb nicht mehr möglich,aber ab dem Kammrad sind nahezualle Maschinen erhalten und vor demVerfall geschützt. Die umsichtigenGemeindevertreter haben einigesGeld in die Hand genommen, aberdas Ergebnis kann sich sehen lassen.Zusammenfassend bleibt die Forde-rung im Raum; soviel wie möglich vonden erhaltenen Spuren der Mühlen-pioniere Pohl, Wegmann und Hage-macher zu sichern und die für die da-malige Zeit hochkomplexen Maschi-nen zu erhalten. Aufgrund des wach-senden Interesses an historischerTechnik könnten sich alte Mühlen beientsprechender Präsentation als Be-suchermagneten erweisen.

Ing. Norbert PingitzerTechnik- und Heimatforscher

LiteraturBaumgartner, Wilhelm: Lehr- und Hand-buch für Müllerei und Mühlenbau, ViktoriaVerlag Wien 1952

Auskunftspersonen Roland Sagmeister, Schlaining; Ing. Hot-wagner, Stadtgemeinde Schlaining; AloisSchoditsch, Althodis.

Abb. 45 (li.): Die 1878 erbaute Trummermühle in Deutsch Schützen lieferte von 1919bis 1941 zusätzlich Strom an umgebende Dörfer und diente im Krieg als Fluchtver-

steck für jüdische Zwangsarbeiter; Abb. 46 (re.o.): Die ehemalige DampfmühleReischl in Lackenbach; Abb. 47 (re.u.): Ein Firmenschild der in Steinamanger angesie-

delten Firma Pohl, die bei der Umstellung vieler Wassermühlen auf Turbinenantriebführend tätig war, hier fotografiert in der Unteren Wegmannmühle in Schlaining.

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Im Gasteinertal zählte man zu Anfangdes 20. Jahrhunderts einen Höchst-stand an 143 Gmach- und 4 Maut-mühlen. Gmach- oder Gmachlmühleist die bei uns übliche Bezeichnungfür Bauernmühlen. Diese privat be-triebenen bäuerlichen Gmachmühlenwaren ausschließlich zum Mahlen vonGetreide für den Eigenbedarf – „zuseiner hausnotturft“, wie es heißt - inVerwendung, zum Unterschied vonden gewerbsmäßig betriebenen Müh-len, den sogenannten Mautmühlen.Von den im 16. Jh. erwähnten 135Gasteiner Gmachmühlen waren nur19 von einem oder mehreren Wasser-rädern angetrieben. Die 116 anderenwaren „radlos“ und wurden als Flo-der-, in Kärnten als Stockmühlen be-zeichnet. Im Jahre 1550 ließ der SalzburgerLandesfürst Herzog Ernst von Bayerneine Zählung aller privat betriebenenGmachmühlen im Gasteinertal durch-führen. Mit der Ausführung des Zen-sus war Caspar Panichner betraut. Inseinem Bericht zählte Panichner 135durchlaufend nummerierte Mühlenauf und führte folgende Einzelheitenan: den Typus der Mühle (mit oderohne Rad), ihr Alter, ihre Örtlichkeit(auf eigenem oder auf freien Grund),den Namen des Mühleninhabers, den

Namen des Grundherrn, dem erdiente, den Umfang und die Art desDienstes sowie vereinzelt andere An-gaben. Auf eine spätere Anordnungdes Herzogs hin wurde auch „aus waspach ain yede müll das wassernembe, desgleichen ob das gerynn(Zuflusseinrichtung) auf aines herrngrundt stee“, erfasst, sodass die Müh-len im Gasteinertal genau lokalisiertwerden.In den Salzburger Gebirgsgauenwaren bis in die 1960er Jahre entwe-der oberschlächtige Rad-, hauptsäch-lich aber die bereits erwähnten Flo-dermühlen in Betrieb. Der Aufbaueiner Wassermühle richtete sich aus-nahmslos nach dem vorhandenenWasseraufkommen. Stand genügendWasser zur Verfügung errichteten dieBauern immer die im Aufbau sehr ein-fache und kaum störanfällige Floder-mühle. Sie benötigt allerdings einenbesonders hohen Wasserdruck, dasich die Wasserkraft direkt auf die An-triebswelle überträgt. War dies nichtder Fall musste man eine ober-schlächtige, kompliziert aufgebauteRadmühle herstellen. Diese konnteauch mit wenig Wasser betriebenwerden.Der Untergang unserer Mühlen lässtsich auf zwei Gründe zurückführen,

zum einen wurden die Bauernhöfe inder zweiten Hälfte der 1950er Jahremit Elektrizität versorgt und es wur-den von vielen Bauern mit Strom be-triebene Hausmühlen angeschafft.Diese waren in der Handhabung prak-tisch und leicht zu bedienen, im Ge-gensatz zu den arbeitsaufwändigenWassermühlen. In den 1960 Jahrenveränderte sich außerdem die Be-triebsform der Bauern vollständig,man musste im Gasteinertal den Ge-treideanbau aufgeben und damit wardas Sterben der so lange unsere Hei-mat prägenden Wassermühlen be -siegelt.Heute finden wir in der Gemeinde BadHofgastein noch vier funktionsfähigeWassermühlen, deren Erhaltunghauptsächlich der ehrenamtlichen Tä-tigkeit der Mitglieder des Kulturver-eins „Ladislaus“ zu verdanken ist.

1. Rauchbergmühle

Diese am romantischen Gasteiner Hö-henweg gelegene, oberschlächtigeRadmühle wurde von den Besitzern(Rauchberggut) als eine der wenigennicht dem Verfall überlassen und vonMitarbeitern der Gemeinde Bad Hof-gastein komplett restauriert (Abb.51). Seit dem Jahr 1998 wird sie vonMichael Lindebner als Kustos mit wö-

Mühlen in Bad Hofgastein

Abb.48 (li.): Abgerissene Mühle in Stampfen, Gemeinde Mörtschach, in Kärnten. Sehr gut sichtbar ist der Floder (in Kärnten Stockoder Mühlstock genannt) der Mühle; Abb. 49 (re.): Mühseliger Transport des neuen Floders zur Baustelle der Bocksbergmühle imSalzburger Gasteinertal durch Mitglieder des Kulturvereins „Ladislaus“.

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chentlich stattfindenden, sehr gut be-suchten Führungen betreut. Die Mühl-steine dieser Mühle stammen auseinem Mühlsteinbruch aus derRamsau in Bayern.

2. Bocksbergmühle

Im Kulturverein „Ladislaus“ bestandimmer das Bestreben, im Bereich derbestehenden, vom Kulturverein alsMuseum betriebenen Rauchberg-mühle eine Flodermühle für Vorfüh-rungszwecke an einem historischenMühlenstandort zu errichten. Ganz inder Nähe der Rauchbergmühle fandenMichael Lindebner und Horst Wiererdie Fundamentreste der bereits imJahre 1941 abgekommenen Bocks-bergmühle. Im Jahr 1999 entdeckteKulturvereinsmitglied Dr. WolfgangPohl in Stampfen (Gemeinde Mört-schach Mölltal) eine bereits sehr bau-fällige Mühle, die er erwerben konnte.Der komplette Ab- sowie Wiederauf-bau der Mühle wurde von Mitgliederndes Vereins „Ladislaus“ unter Feder-führung von Michael Lindebner durch-geführt (Abb. 48f.). Die Bauteile wur-den nummeriert und im März 2000abgetragen und mittels eines LKWsder Gemeinde nach Bad Hofgasteinverbracht. Im Juni 2000 wurde derZugang zum neuen Standort derBocksbergmühle, der einem Urwaldglich, gerodet und überhaupt erst be-

gehbar gemacht. Die Fundamentie-rungsarbeiten erfolgten unter Mithilfeder Gemeinde im August des Jahres2000. Von September 2001 bis Okto-ber 2002 erfolgte der Aufbau derMühle durch Vereinsmitglieder. An-lässlich des Bauern Herbst Festes2002 wurde die Bocksbergmühle fei-erlich eröffnet und in den Führungs-betrieb übernommen (Abb. 50 u. 51).

3. Hintermannmühle, auch Krug-oder Tamerlmühle

Im Bad Hofgasteiner Ortsteil Gadau-nern mahlten ursprünglich drei bäu-erliche Wassermühlen das Getreide.Es waren dies die Toferer-, die Neu-reit- und die Hintermannmühle. Letz-tere blieb als einzige, wenn auch sehrruinös, erhalten. Der Verein „Ladis-laus“ in Bad Hofgastein entschlosssich daher, dieses bäuerliche Kleinodvor dem vollkommenen Verfall zu ret-ten. Die ursprünglich am Gadaunerer-bach gelegene Mühle musste aberaus verschiedenen Gründen an einemneuen Standort situiert werden. ImJahre 2009 wurde das Bauwerk vonMitgliedern des Kulturvereins, freiwil-ligen Helfern, vor allem aber durchLeistungen des Bauhofes Bad Hofgas-tein abgetragen und am jetzigenStandort mit großem Arbeitseinsatzwieder aufgebaut. Allein die Zimme-rerarbeiten erforderten mehr als 100Arbeitsstunden. Die Hintermann-mühle verfügt über ein oberschläch-

tiges Mühlrad. Dabei strömt das Was-ser durch eine Rinne (sogenanntesGerinne, in Gastein Grinn) ungefährbeim Radscheitel in die wasserdichtenZellen des Rades. Man spricht daherauch von einem Zellenrad. Das Radwird durch die Gewichtskraft des auf-genommenen Wassers und durchseine kinetische Energie (Aufschlag-wasser) in Bewegung versetzt.

4. Schlossmühle

Das Mühlengebäude der zum bekann-ten Weitmoserschloss gehörigen Rad-mühle mit ihrem kompletten Mahl-werk wurde von ihren Besitzernimmer erhalten. Anlässlich des Bausder Umfahrungsstraße in Bad Hofgas-tein im Jahre 1956 musste die Mühleallerdings an einen neuen Standortüberstellt werden. Im Jahr 2006 er-folgte, anlässlich eines Straßenbausder Gasteiner Bergbahnen, eine wei-tere Neuaufstellung. Das derzeitigeMühlrad wurde durch Michael Lindeb-ner von einer abgekommenen Mühlein Altenmarkt erworben. Während desZweiten Weltkrieges wurde die Mühlezur Flodermühle umgebaut und miteiner Druckrohrleitung aus Metall be-trieben. Heute ist die unmittelbar ander Bundesstraße gelegene Schloss-mühle wieder als Radmühle zu be-sichtigen.

Horst WiererGemeindearchivar Bad Hofgastein

Abb. 50 (li.): Fertiggestellte Bocksbergmühle, Herbst 2002; Abb.51 (re.): Bocksbergmühle (links) und Rauchbergmühle im Winter.Von den vier Mühlen in Bad Hofgastein steht bislang keine unter Denkmalschutz.

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Ein wertvoller Teil der Architek-tur- und IndustriegeschichteSalzburgs

Es ist wieder soweit: Ein weitererZeuge der letzten 200 Jahre Ge-schichte, deren technischer Entwick-lung wir die ungemein gesteigertenLebensmöglichkeiten unserer Zeit ver-danken, verschwindet. Wir müssenhandeln, wenn wir nicht über dashohe Mittelalter bald mehr als überdas 19. Jh. wissen wollen. RolandGünter verkündete dies bereits 1970für Zeugnisse der industriellen Revo-lution im Rheinland. Auch wenn mitt-lerweile die Potentiale ehemaliger Fa-briken, Kraftwerke, Mühlen, Lager-häuser oder Hafenanlagen überall aufder Welt als Chance für ressourcen-schonende Umnutzungen verstandenwerden - in Salzburg ist die Gefahr 45Jahre nach Günters Warnung nochimmer nicht gebannt: Hier solltenTeile des gründerzeitlichen Komplexesder Fisslthaler Kunstmühle (heuteRauchmühle) – bestehend aus Villa,Mühlengebäude und Silo – zugunsteneines dicht bebauten Wohnquartiersabgerissen werden. Die ökologischund energiepolitisch hochbrisanteThematik „Bauen im Bestand“ ist inder Salzachstadt noch immer ein Ne-

benschauplatz im Interessenausgleichmit dem Eigentümer bzw. Investor.Die Beauftragung eines bauhistori-schen Gutachtens Anfang 2014 beider Autorin dieses Beitrages, diegleichzeitig Mitglied der Ende 2014gegründeten Experten-Initiative Um+Bau+Kultur (UBK) ist, hätte ein Licht-blick in der gängigen Praxis von Stadt-politik und -verwaltung bei der Ent-wicklung der immer seltener werden-den innerstädtischen Industriearealewerden können. Aber für das Geländedes seit 2011 stillgelegten Betriebeslag bereits ein Masterplan als Ergeb-nis umfangreicher, kostenintensiverPlanungsprozesse, die - für Salzburgtypisch - ohne Bürgerbeteiligung er-folgt waren, vor. Trotzdem ein städti-sches Erhaltungsgebot von 1994 vor-lag, sollte bis auf die denkmalge-schützte Villa und die Hälfte des mitt-lerweile völlig überformten Maschi-nenhauses kein Altbau bestehen blei-ben (Abb. 52). Das Gutachten konntevor Ausschreibung des Wettbewerbeszumindest das Mühlengebäude vordem Abbruch retten, nicht aber denSilo (Abb. 56).Nach unermüdlichen, durch medialeUnterstützung unüberhörbaren Forde-rungen der UBK erkannte Ende Sep-tember 2015 nach einem Spontanbe-

such des Areals auch endlich der neuzusammengesetzte Gestaltungsbeiratden Wert des Ensembles inklusiveSilo. Er lehnte den Abriss unisono abund forderte eine Umnutzung. Be-kannte nationale wie internationaleBeispiele mit Sonderlösungen für denBrandschutz in zumeist denkmalge-schützten Mühlen und Silos mit Holz-konstruktionen wie die als Wohnbauumgenutzte Stadtmühle Graz (Abb.53) oder die in ein Büro- und Wohn-haus umgebaute Kunstmühle Rosen-heim geben dem Salzburger Gestal-tungsbeirat Recht. In Österreich gibtes noch weitere, typologisch ver-gleichbare und trotz Denkmalschutzbedrohte Objekte: der Silo auf denGrazer Reininghausgründen und dererste Getreidespeicher der Anker-Brot-Fabrik in Wien aus dem Jahr1900, bei dem gegenwärtig einUmbau mit Entkernung stattfindet.Die Hoffnung auf den längst überfälli-gen Paradigmenwechsel zur Wert-schätzung von wertvollem Baube-stand außerhalb der geschützten Alt-stadt von Salzburg wird durch einezwischenzeitlich seitens des Magis-trats ausgestellte Abbruchbewilligungsowie die Präsentation einer „Erhal-tung“ durch Entkernung und den Ein-bau vorgefertigter Wohnungen durchdie Bauherren in der nächsten Beirats-sitzung getrübt. Eine – bereits 2015bei der Panzerhalle1 praktizierte –Schaufassade ohne Erhalt der auch imInneren nachvollziehbaren Typologieeines Silos ist daher zu erwarten. Dienächsten Sitzungen des Beirats wer-den weisen, ob sich der widerspens-tige Beirat gegen die Abriss- und Ent-kernungslobby durchsetzen kann. DerVerlust für Salzburg wäre groß, dennanhand der Geschichte und Architek-tur der Fisslthaler Mühle ist der Pro-zess von bis ins Mittelalter zurückrei-chenden Handwerksbetrieben überimmer höher mechanisierte Kunst-mühlen hin zu hochtechnisierten In-dustriemühlen vollständig nachvoll-ziehbar.

Nachvollziehbare Technik -geschichte

Bis Ende des 19. Jh. war der heute amdichtesten besiedelte Stadtteil Lehenein spärlich bebautes Überschwem-mungsgebiet mit wenigen landwirt-schaftlichen Höfen und Gewerbebe-

Aufbruch gegen Abbruch – Das Ensemble der Fisslthaler Kunstmühle

Abb. 52: Südwestansicht der heute als Rauchmühle bekannten Fisslthaler Kunstmühlemit der denkmalgeschützten, einstöckigen Villa (rechts im Bild). Zustand 2014

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trieben, welche die Wasserkraft desbereits im 14. Jh. von der Glan abge-zweigten Glanmühl- oder Gailenbachsnutzten. Die Errichtung der Bahn-trasse 1860 verstärkte das Eindringenvon industriellen Methoden, was dieheimischen Gewerbezweige zur längstüberfälligen Technisierung der Produk-tion zwang. Am Gailenbach war es dieFisslthaler Mühle, die ebendies um-setzte, durch die Errichtung einesFrachtenbahnhofs 1890 den Sprungzum Industriebetrieb schaffte undnach und nach konkurrenzlos in ganzSalzburg wurde.Die bereits 1330 nachweisbare, soge-nannte Astmühle, seit 1804 im Besitzder Familie Fisslthaler, zählte schon1842 zu den drei größten Mühlen desLandes. In diese Zeit datieren eineMarmorbank und ein Portal mit darü-ber platziertem Rundmedaillon. Derjunge Müller Franz Fisslthaler (1845-1916) baute den Bestand schon frühnach den neuesten Erkenntnissen derMühlenbautechnik in Etappen zueinem gründerzeitlichen Industrie-komplex um. Mit dem Austausch dervier kleinen Wasserräder durch eingroßes und die Ergänzung von Trans-missionen 1879 erhielt die Mühle 1880das k.k. Privilegium. Seit dem Einbauvon Metallwalzenstühlen einer renom-mierten Maschinenfabrik aus Budapest1883 durfte sie die Bezeichnung „ErsteSalzburger Walzmühle“ führen. DerEinbau dieser Technologien ging mitVeränderungen des Baukörpers in Ku-batur und Höhe einher und machte dieFisslthaler Mühle zu einer sogenanntenKunstmühle. Der Wortteil „Kunst“ istdabei von der Ingenieurskunst abge-leitet. Solche Mühlen zeichnen sichdurch hohe Technisierung mit unun-terbrochenem Mahlprozess und da-raus resultierende Mehrstöckigkeitaus. Als funktionelles, nicht-repräsen-tatives Bauwerk wies die FisslthalerMühle typische, einfache Stilmerkmalebzw. Gliederungen auf. 1890 setzteFisslthaler den lang geplanten Frach-tenbahnhof an der Bahnstrecke um,den er auch der Allgemeinheit dienst-bar machte. Zeitgleich verstärkte er indem westlich an das Mühlengebäudeangebauten niedrigen Maschinenhausden Antrieb durch eine Dampfma-schine. In einer Zeit der wirtschaftlichen Sta-gnation in Salzburg hatte der wage-mutige Fisslthaler bereits 1877 einnördlich seiner Mühle gelegenes Säge-werk erworben, um die Wasserkraftdes Glanmühlbaches unter Nutzung

des Gefälles mittels einer Turbine ver-stärken zu können. Eine Girardi-Tur-bine konnte aber erst 1896 erworbenund in dem eingeschoßigen, südlich andie Mühle angefügten Turbinenhauseingebaut werden (dieses soll eben-falls abgerissen werden). Die 1900eingebaute leistungsfähigere Francis-Turbine blieb noch bis mindestens1986 in Betrieb.Fisslthalers zahlreiche, wohlüberlegteund vor allem zeitlich günstig gele-gene Investitionen zur Modernisierungseiner Mühle zahlten sich aus. Die gutgehenden Geschäfte erlaubten es ihmbereits 1898 den damals bedeutend-sten Baumeister der Stadt Jakob Ce-coni für den Bau eines in Analogie zumMaschinenhaus östlich an das Mühlen-gebäude anschließenden Wohn- undBürohauses zu engagieren. Die neo-klassizistische Fassadengestaltung isttypisch für Ceconis Architektur desHistorismus. Das Gebäude wurde2002 unter Denkmalschutz gestellt,die Würdigung des gesamten gründer-zeitlichen Baubestands als ein fürSalzburg seltenes Beispiel der direktenKombination von repräsentativer Vil-lenarchitektur und benachbartem In-dustriebetrieb blieb aber trotz einerdurch die UBK angeregten nochmali-gen Überprüfung seitens des Denk-malamtes im Oktober 2015 aus.Durch die Enteignung seines Güter-

bahnhofes mit Lagerräumen 1911 warFisslthaler veranlasst zum Bau einesSilogebäudes. Die bekannte Baumeis-terfirma P. & A. Crozzoli stellte es, ver-mutlich unter Einbeziehung der Exper-tisen der bekannten Dresdner Mühlen-bauanstalt und Maschinenfabrik vorm.Gebrüder Seck mit Zweigstelle in Mün-chen, 1912 fertig. Da die Lasten nichtüber dem Mühlbach zu stehen kom-men durften, fügte es sich - etwas ausder Linie versetzt - nördlich an dasMühlengebäude an. Neben 12 Holzsi-los für Getreide und Mehl waren hierauch eine Getreidereinigungsanlageund Lagerböden untergebracht. DieHolztramdecken und -träger sind nochheute sehr gut erhalten (Abb. 54).Acht schmale Blendbögen mit ange-deuteter Kapitellzone gliedern dieWestfassade und veranschaulichengleichzeitig die Position der Silos undder Getreidereinigung (mit Fenstern).Der erhöhte Dachbereich zeigt dieLage von Elevatoren und Befüllungs-anlagen an (Abb. 56). Diese architek-tonische Auffassung will den Inhaltkonsequent nach außen tragen, alsoweder verstecken noch schmücken,sondern vor allem die fensterlose Fas-sade gliedern. Später kam es zur Auf-stockung und zum Einbau von Beton-silos im Bereich der Getreidereinigung.Kubatur, Farbe, Putzarten und Gliede-rung entsprachen der schlichten Ge-

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Abb. 53 (li.): Die zum Wohnhaus umgenutzte Grazer Stadtmühle. Architektur: HansGangoly (1999), Zustand 2014; Abb. 54 (re.): Das Innere des historischen Silogebäu-des der Fisslthaler Mühle mit seinen im Wesentlichen noch erhaltenen Tragkonstruk-tionen aus Holz, Architektur: P. & A. Crozzoli (1912), Zustand 2014.

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staltung des Mühlen- und des Maschi-nengebäudes sowie der Villa und führ-ten so zu einer Ensemble-Wirkungaller Bauteile (Abb. 55). Fisslthalers Nachkommen investiertenin der schwierigen Zwischenkriegszeitweiter: Elektromotoren ersetzten dieDampfmaschine, unter großem inter-nationalen Aufsehen wurde die ersteelektrische automatische Feuermelde-anlage in einer Mühle in Europa instal-liert und ein betriebseigenes Feuer-wehrdepot mit Schlauchturm errichtet.Durch den direkten Gleisanschluss desBetriebs 1922 konnte das Getreide un-mittelbar bis zum Silo angeliefert wer-den. Ein Lokschuppen, eine Gleis-waage und Schienenreste vor dem Silozeugten bis zuletzt davon. Der Innsbrucker MühlenunternehmerLeopold Rauch kaufte den 1933 inKonkurs gegangenen Betrieb. Auf dem

Areal des nun unter dem NamenRauchmühle geführten Betriebes wur-den in der Folge zahlreiche Gebäudeerrichtet und wieder abgerissen. 1977bis 1982 erfolgte der Bau zweier 53mhoher Getreidesilos aus Beton, einesVerladelagers und eines Beton-Mehlsi-los, 1987 wurden das Maschinenhausund damit das Gleichgewicht der süd-lichen Ansicht durch eine extreme Auf-stockung wesentlich verändert. Diesenoch heute sichtbaren Erweiterungendes Ensembles wurden im Gutachtender Autorin als nicht erhaltenswerteingestuft. Einige nationale und inter-nationale Beispiele zeigen freilich, dassauch Betonsilos noch aufsehenerre-gend und ressourcenschonend, wenn-gleich meist mit Entkernungen einher-gehend, umgenutzt werden können:das Adambräu in Innsbruck – mittler-weile Archiv- und Kulturbau, die Klet-

terhalle Heavens Gate in München, derErlweinspeicher in Dresden – umge-baut zum Hotel, das Nedrefoss Silo inOslo – inzwischen Grünerlokka Stu-dentenheim, das Bernoulli-Silo inBasel – mittlerweile Kulturzentrumund weiterhin Silo, Le Silo in Marseille– umgebaut zum Konzert- und Büro-haus sowie der Getreidespeicher derWiener Lager- und Kühlhaus-AG – in-zwischen ein Hotel. Die Fisslthaler Mühle in ihrer Entwick-lung bis 1933 ist ein für Salzburg sel-tenes Zeugnis einer technik- wie archi-tekturhistorisch abgeschlossenen Epo-che. Denn die technischen und archi-tektonischen Errungenschaften habensich seitdem bewährt, sie wurden nurverbessert und ergänzt. Die Geneseeiner mehrstöckigen Kunstmühle, diemit der Entwicklung vom Wasserradzur Turbine, vom Mahlstein zur Walzeund den Ergänzungen von Transmis-sionen, Elevatoren, Aspirateuren,Kühlrechen, Sichtmaschinen etc. ein-hergingen, ist an den Veränderungendes Mühlgebäudes deutlich ablesbar.Wegen der immer schnelleren Beschi-ckung ersetzte der Silo oder Schacht-speicher als neuartige Bauform zur La-gerung von Getreide und Mehl diejahrhundertealte Form des Bodenspei-chers oder Schüttkastens. Diese Prozesse bewältigte zumeist nureine Mühle pro Mittelstadt. So ist dieFisslthaler Mühle der einzige Mühlen-betrieb des Landes Salzburg, dessenProduktion industrielles Ausmaß er-reichte und der nicht - wie in Salzburgzu dieser Zeit üblich - durch Arbeitge-ber aus der Fremde, sondern durcheinen einheimischen Müller getragenwurde. Darüber hinaus wirkt das En-semble als historischer, bereichernderBezugs- und Identifikationspunkt fürden benachteiligten Stadtteil Lehenmit seinen uniformen Nachbarschaftenund sollte daher als unwiederbringli-che Ressource den essenziellen Kata-lysator einer gelungenen Weiterent-wicklung in der neuen Wohnanlage bil-den.

Mag. Jana BreusteFreie Kunsthistorikerin sowie Lehrbeauftragte anden Universitäten Salzburg und Innsbruck, ver-

fasste 2014 das bauhistorische Gutachten zurRauchmühle für das Magistrat der Stadt Salz-

burg, Amt für Stadtplanung und Verkehr

Anmerkung1 Vgl. Norbert Mayr, „Der Pflanz mit der

Panzerhalle in Salzburg“ in: Denkma[i]lNr. 18/2014, S.19ff.

Abb. 55 (o.): Das gründerzeitliche Ensemble Fißlthaler Mühle mit Frachtenbahnhof, abernoch ohne Gleisanschluss, ca. 1912, zu sehen im Schaukasten in der Villa; Abb. 56 (u.):Die Westfassade des historischen Silos mit seinen Blendbögen. Zustand 2014.

Die Reibenbacher-Mühle in Watzelsdorf – Ein Restaurationsbericht

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Besitzverhältnisse

Die ehemalige Reibenbacher-Mühle inWatzelsdorf (Watzelsdorf 21-23; Ge-meinde Zellerndorf, Bezirk Hollabrunnin Niederösterreich) trägt den Namendes letzten Müllermeisters. Die bereits13071 erstmals urkundlich genannteMühle war 1612 in Besitz der Graf-schaft Hardegg2. Ab dem späten 18.Jahrhundert scheint Karl Bsteh als Be-sitzer auf. Er renoviert nach einemOrtsbrand im Jahr 1800 den Mühlen-trakt und lässt das angeschlosseneWohnhaus bis auf Teile der Nordmauerneu errichten. Nach Konkurs der Fami-lie Bsteh wird die Mühle 1883 mitsamtder Liegenschaft von Johann Lauer ausGnadlersdorf (Hnanice) für seinenSohn Johann im Zuge einer Lizitationersteigert (Abb. 57). Dieser wird imErsten Weltkrieg getötet und seineWitwe Eleonore führt bis zu ihrem Todim Jahr 1933 die Mühle. Der ErbsohnAdolf, Lehrer im süd-/östlichen Wein-viertel, verpachtet die Mühle, bis er sieschlussendlich 1958 an den Müller-meister Wilfried Doleschal, dessenStammhaus in Pulkau war, verkauft.Dieser nutzt die Liegenschaft zu Spe-kulationszwecken und verwertet siedurch die Veräußerung einträglicherEinzelobjekte. Ausschließlich das Kern-

objekt mit der Mühle, reduziert aufeine Schrotmühle für die Produktionvon Tierfutter und eine Verkaufsstellevon Mehl aus der Doleschal-Mühle inPulkau, und das dazugehörige Wohn-haus mit den Nebengebäuden mitdeutlich reduziertem Umland bleibenbestehen. Nach einer mehrjährigenPachtzeit kaufen Matthias und RosaReibenbacher 1962 die Mühle. Siebauen gemeinsam einen prosperieren-den Landesproduktenhandel auf. Nachdem Konkursverfahren des SohnesNorbert kauft die Tochter Martina 1999das Anwesen. Ein in den Jahren2000/01 begonnener Adaptionspro-zess des stillgelegten Mühlentrakts zueinem Wohntrakt wird durch den un-erwarteten Tod des Ehepartners derTochter abgebrochen. 2004 verkauftsie das Grundstück mit der Halle unddem bauzeitlichen Nebengebäude.Letzteres wird vom neuen Besitzer ab-getragen. 2008 setzt Martina mitihrem späteren Ehemann, Robert Kut-tig, Bauforscher, die Restaurierungund Sanierung des Objekts fort. 2015kann das 2004 veräußerte Grundstückwieder zurückerworben werden.

Baugeschichte

Die umfassendsten Bau- und Umbau-tätigkeiten am Objekt fanden im 20.

Jh. statt: Zwischen 1905 und 1914wird im Wohnhaus eine Eingangstürmit Ätzverglasung eingebaut und dieeisernen Läden im ersten Oberge-schoß werden teilweise gegen Winter-fenster ausgetauscht. In den 1930erJahren gehen die aufgeputzten nach-josefinischen Fassadengliederungendurch Neuverputzung undokumentiertverloren. 1936 werden die beidenoberschlächtigen Wasserräder durchOsbergerturbinen der St. PöltnerFirma Voith ersetzt. Etwa um 1955-60wird das Dach erneuert. Die Dachgau-pen werden ebenso wie die dekorati-ven Pinienzapfen abgetragen. Die Ka-minköpfe werden unter Aufgabe ihrerZierabschlüsse erneuert. Die Ost-sowie die Nordfassade erhalten eineEternitschindelung aus liegendenrechteckigen Platten. 1963-65 wird diestraßenseitige Mauer mit dem Ein-gangsportal abgetragen. 1979-80 wirddie vordere Fassade des Mühlen- undWohntrakts mit bis zu 6 cm starkemZementreibeputz und Zementvorsprit-zer versehen. Die bis dahin aus der Er-bauungszeit erhaltenen Fensteranla-gen werden gegen Verbundfensterausgetauscht. Dieser Maßnahme fallenalle Fenstergewände aus ZogelsdorferMuschelsandstein des Erdgeschoßeszum Opfer. Das unmittelbar angebaute

Abb. 57: Straßenfront nach Neufassadierung, Zustand 30.4.2016

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Stallgebäude mit seinen Platzlgewöl-ben wird abgerissen und eine Lager-halle errichtet. Unmittelbar daran wer-den vier Silos zur Lagerung von Ge-treide aufgebaut.

Bauwerksanalyse

Im Äußeren zeigt sich ein durch kurz-lebige Moden recht domestiziertesAussehen des qualitätsvollen Bestan-des (Abb. 59b). Das Innere hat seinebauzeitliche Ausstattung in bemer-kenswerter Vollständigkeit erhaltenkönnen. Die ältesten über der Erdestehenden Bauteile stammen aus dem18. Jh. Sie umfassen die Außenmau-ern des Mühlentraktes sowie die Fens-tergewände aus Zogelsdorfer Stein derOstfassade des Mühlentraktes. Mit derErneuerung nach dem Brand wird1800/01 ein repräsentatives Wohn-haus angebaut. Durch die geringe Trakttiefe von 9,8m, die durch das Bestandsgebäudedes Mühlentraktes und dem dahinterauf Höhe des ersten Stocks fließendenMühlbaches nicht verändert werdenkann, wird die Mittelmauer mit denKaminen aus der Mitte nach Nordenversetzt, so dass die straßenseitigenRäume mit 4,4 m tiefer als jene derGartenseite mit 3,5 m ausfallen. ImErdgeschoß besitzen die straßenseiti-gen Räume flache Decken mit Putz-schnitten, die gartenseitigen, diedurch die Anböschung des Mühlba-ches nur Oberlichtfenster besitzen,sind gewölbt ausgeführt. Die Räumeim Obergeschoß sind höher und re-präsentativ angelegt. An einen drei-achsigen Salon schließt ein Eckzim-

mer mit schräggestellter Ofennischefür einen Hinterladerofen an. Bei derBefundung werden gemalte Suprapor-ten, eine Feston-(Blattwerkzöpfe) be-setzte Sockelzone und ein Palmetten-fries in Proben freigelegt. Als großeÜberraschung stellt sich eine Land-schaftsmalerei in barocker Traditionim benachbarten gartenseitigen Raumdar. An einer Wandfläche wird ein ge-maltes Gebäude, das die Mühle dar-stellt, freigelegt (Abb. 58).

Herausforderungen bei der Konservierung bzw. Restaurie-rung des Bestandes

2009 wird das Dach „überstiegen“ undes werden die Gaupen und Pinien -zapfen rekonstruiert. 2011 wird derZementputz von der Fassade entfernt.Da von der historischen Fassade von1801 keine Fotos zur Verfügung ste-hen, wird von Robert Kuttig eine Fas-sadengliederung entworfen, wie sieum 1800 möglich gewesen seinkönnte3 (Abb. 59b). Die Fassadierungerfolgt in reinem Sumpfkalkaufbau.Mit der rückführenden Verkleinerungder Fenster im Erdgeschoß werdenhistorische Blendrahmenfenster nach-gebaut. Sie besitzen Isolierglas, des-sen Scheibenzwischenraum (SZR) le-diglich 4 mm beträgt.4 Im Jahr 2016ist der Austausch der Kunststoff-Fens-ter im Obergeschoß gegen Fensterhistorischen Vorbilds geplant.2015 wird mit dem Wiederaufbau derUmfriedungsmauer begonnen. Annä-hernd 60 m³ Bruchsteine wurden zudiesem Zweck die Jahre zuvor mitdem PKW-Anhänger aus Abbrüchen

der Umgebung geholt. Das bauzeitli-che Fundament der Mauer wird überdie Strecke von etwa 40 m freigelegt.Darauf wird die neue Mauer nach his-torischem Vorbild rekonstruierend er-richtet. Der Stückkalk wird selbst imTrockenlöschverfahren abgelöscht undmit Sand aus der nahen Sandgrube inObermarkersdorf zu Mörtel verarbei-tet. Für 2016 ist die Fertigstellung desTorbogens am Mittelportal als auch derEinbau der Tore am Mittel- und Ost-portal geplant.

Unterschutzstellungsverfahren

2012 wird vom Bundesdenkmalamt(BDA) die Absichtserklärung über dieTeilunterschutzstellung der Mühlenan-lage mit vierwöchiger Einspruchsfristübermittelt. Betroffen waren drei unterschiedlicheEigentümerfamilien, nämlich jene desMühlengebäudes (Martina und RobertKuttig), der östlichsten der drei eben-erdigen in gekuppelter Bauweise er-richteten Arbeiterhäuser sowie die deröstlich zu dem längs gerichteten Müh-lengebäude befindlichen Scheune. Die Eigentümerfamilie der Scheunelegt Berufung ein. Im Februar 2013erfolgt dennoch eine Teilunterschutz-stellung als Anlage per Bescheid durchdas BDA. Im Juni 2013 erhält die Fa-milie Kuttig die schriftliche Benachrich-tigung vom BDA, dass die Eigentümer-familie der Scheune neuerlich Beru-fung eingelegt hätte und aus diesemGrunde „das Gebäude dzt. nichtrechtskräftig unter Denkmalschutz“stünde. Im Dezember 2013 wird dieFamilie Kuttig von einer Beamtin desAmts der niederösterreichischen Lan-desregierung, Abteilung Kunst undKultur, darauf aufmerksam gemacht,dass, wenn keine Berufung von ihneneingelegt werde, der Bescheid für denMühlen- und Wohntrakt seine Gültig-keit hat. Daraufhin nimmt MartinaKuttig Kontakt mit dem BDA in derHofburg auf. Diese verweisen sie andas Bundesministerium für Unterricht,Kunst und Kultur, wo sich die Akte zumdamaligen Zeitpunkt befand. Dort wirdsie darüber informiert, dass ab Jänner2014 aufgrund der Verwaltungsreformdas Bundesverwaltungsgericht für dasBerufungsverfahren zuständig sei undneben anderen Akten auch jene derReibenbacher-Mühle gerade umgesie-delt würden. Juni 2014 fragt sie beimBundesverwaltungsgericht an, wie nundie Aktenlage wäre. Der zuständigeRichter bestätigt, dass der BescheidAbb.58: Obergeschoß, Landschaftszimmer mit gemalter teilfreigelegter Ansicht des

Mühlengebäudes.

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vom Februar 2013 des Bundesdenk-malamts „mangels Erhebung einesRechtsmittels rechtskräftig“ sei und„dem Mühlen- und Wohngebäude dieEigenschaft eines Denkmals iSd Denk-malschutzgesetzes“ zukomme. Mar-tina Kuttig informiert das BDA überdiese Stellungnahme. Nachdem sichdas BDA auf Amtswege diese bestäti-gen ließ, begutachtet der neue Lan-deskonservator im Oktober 2014 dasObjekt, um die Förderwürdigkeit zubeurteilen. Im März 2015 wird vomBDA dem im Jänner erneut gestelltenAntrag auf Durchführung der Restau-rierungsmaßnahmen stattgegeben. ImMai 2015 langt die Zusage ein und imSeptember 2015 erfolgt der Grund-bucheintrag.Etwa zur gleichen Zeit wird der Be-scheid des BDA über die Unterschutz-stellung der Scheune mit Beschlussdes Bundesverwaltungsgerichts aufge-hoben. Das ist umso erstaunlicher, dasie im Gegensatz zu dem teilüberform-ten Mühlenarbeiterhaus, dessen Un-terschutzstellung vom Eigentümer mitwohlwollendem Interesse angenom-men wurde, nicht nur völlig unver-fälscht, sondern auch baukünstlerischwesentlich hochwertiger ausgeführtund im unübersehbaren Kontext zumMühlengebäude geplant wurde.5 Vomvielbegangenen Wanderweg nebender Pulkau wird das Ensemble beson-ders einprägsam wahrgenommen. Im-merhin wurde diesem Nebengebäudezu seiner Errichtung ein so großerWert beigemessen, dass es als einzi-ges Gebäude neben dem Mühlen- undWohntrakt auf der Wandmalerei im

Landschaftszimmer dargestellt ist(Abb. 58). Sollte dieser bedeutendeBauteil der Mühlenanlage abgerissenoder durch unsachgemäße Renovie-rung überformt werden, stellt dieseinen unwiederbringlichen Verlust fürdas Gesamtobjekt Reibenbacher-Mühle dar. Es würde nicht nur dasBaudenkmal ärmer werden lassen,sondern das verzichtsreiche Engage-ment von Martina und Robert Kuttig inder Restaurierung der Anlage in Fragestellen.

Hürden im Denkmalschutz

Wenn ein Bescheid des BDA, der einegut begründete Teilunterschutzstel-lung der Mühlenanlage veranlasst,durch einen äußerst mangelhaft be-gründeten Beschluss des Verwaltungs-gerichtshofs außer Kraft gesetzt wird,lässt dies Zweifel an einem verantwor-tungsbewussten Rechtssystem auf-kommen. Selbst engagierten Denk-malpflegerInnen sind dann die Händegebunden.Der bürokratische Aufwand mit einerwidersinnigen Verfahrensdauer vondrei Jahren für ein von der Eigentü-merfamilie unterstütztes Unterschutz-stellungsverfahren ist enorm und res-sourcenraubend für alle Beteiligten. Der klägliche Förderungsbeitrag von5% der veranschlagten Kosten unter-stützt die Arbeit etwas, ist jedoch keinüberzeugender Anreiz. In der Bundes-republik Deutschland können 90% derAusgaben bei der Einkommenssteuerüber 10 Jahre geltend gemacht wer-den. In Österreich treffen ähnlicheFörderungen nur bei gewinnbringen-

der wirtschaftlicher Nutzung in gutenLagen zu. Privaten Eigentümerfamilienbleibt diese Fördermaßnahme vorent-halten. Umfassender Denkmalschutzin Österreich ist leider ausschließlichfür eine reiche Oberschicht leist- undmachbar.

Mag. Robert Kuttig undMag. Martina Kuttig

Bauforschung und Restaurierung

� www.bauwerksanalyse.at

� iD-Tagesfahrt zu Mühlen insnördliche Niederösterreich,3.9.2016 (s.S. 55)

Anmerkungen1 PÖLZL Ignaz, Die Herren von Maissau.

In: Blätter des Vereins für Landeskundevon Niederösterreich NF 14 (1880), 20

2 Mühlweeßen im Viertl unter Mainharts-berg (1661). In: BODENSTEIN Anton,HOHENBÜHEL Carl, Mühlen im Weinvier-tel, 1985, 125

3 Das durch Robert Kuttig entworfene Kor-dongesims wurde durch die von ihm zweiJahre später entdeckte Wandmalerei be-stätigt.

4 Der SZR definiert den Abstand zwischenbeiden Glasscheiben, die als je 3mm-Scheiben ausgeführt werden. Somit weistdas kryptongefüllte Isolierglas lediglicheine Breite von 1 cm auf. Die Außen-scheibe ist mundgeblasen.

5 Der Scherendachstuhl ruht auf einem 17Meter langen Unterzug, das Holz weisteinen vorzüglichen und unverändertenOriginalzustand auf, und der primäre Putzist noch mit Putzschnitten und Gesimsenweitestgehend erhalten.

Abb. 59a u. 59b (li.): Fassadenpartie des Wohntraktes vor der Restaurierung (Foto aus 2008) und nach der Restaurierung 2012mit auf Wiener Zollbasis ausgeführter Fassadengliederung. Die Festons in den Parapetfeldern wurden in Antragstechnik frei model-liert; Abb. 60a u. 60b (re.): Vergleich der Stirnseite des Wohntraktes, Fotos aus den Jahren 2008 und 2012.

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Selten aber doch kommt es vor, dassein Gebäude nicht durch den Bau-herrn oder Eigentümer zum Begriffwird, sondern durch seine Bewohner.Das ist beim seinerzeitigen Palais Vet-sera der Fall. Ein Name, der berühmtund auch berüchtigt wurde durch dieTragödie von Mayerling im Jänner1889, als die schwärmerisch verliebte

17jährige Baronesse Mary (eigentlichMarie Alexandrine) Vetsera ausfreiem Willen mit Kronprinz Rudolfgemeinsam in den Tod ging. Dass siedamals vom Familiensitz in derSalesianergasse 11 nach Mayerlingaufbrach, wissen nur an Details Inte-ressierte. Der Bau entstand 1794 in barockenFormen, obwohl der Zeitgeschmacklängst schon über diese Stilrichtunghinweggegangen war. Über seinen Ar-chitekten ist nichts bekannt. Die Ei-gentümer wechselten häufig. 1855erwarb es der entmachtete FürstMilos Obrenović von Serbien. Er warentschlossen, seiner Wiener Exilresi-denz einen herrschaftlichen Charakterzu geben. Darum ließ er den frei ste-henden Bau durch zwei vorsprin-gende Seitentrakte vergrößern, so-dass ein von drei Seiten umschlosse-ner Ehrenhof mit Vorgarten entstand.Von da ab standen Gesellschafts-räume samt kleiner Spiegelgalerie für

Festivitäten zur Verfügung. Leidersind keine Details über die Innenaus-stattung überliefert. Die Rückfrontging auf einen Garten hinaus, der anden weitläufigen, bis zur Strohgassereichenden Privatpark des Palais Mo-dena angrenzte. Kaum fertig gestellt,gelangte Milos 1858 wieder auf denThron, seine Wiener Residenz stand

leer. 1880 mietete Freiherr Albin vonVetsera das Palais vom damaligen Ei-gentümer Graf Salm. Ein idealerWohnsitz für eine Familie wie die ehr-geizigen Vetsera, die in der WienerGesellschaft ganz nach oben strebtenund durch zahlreiche Gesellschaftenglänzen wollten.Vier Kinder wuchsen hier unter Auf-sicht ihrer Mutter Helene, geboreneBaltazzi, auf. Doch grausame Schick-salsschläge verwandelten das Palaisin ein Haus der Trauer. Der ältesteSohn Ladislaus, erst 16 Jahre alt,kam beim Ringtheaterbrand am 8.Dezember 1881 ums Leben, seinVater starb auf einer Mission in Ägyp-ten. Dann folgte Marys gewaltsamesEnde in Mayerling. Der Name Vetserabekam einen odiosen Beigeschmack,glänzende Feste in der Salesianer-gasse waren Vergangenheit, wasblieb war gesellschaftliche Isolation.Von weiterem Unglück blieb die Fami-lie nicht verschont. Die zweite Tochter

Johanna, verheiratet mit einem nie-derländischen Grafen Hendryk vonBylandt, starb 1901 nach einer Fehl-geburt an Typhus. Übrig blieb nur derzweite Sohn Franz Albin, genanntFeri. Er fiel 1915 im Ersten Weltkrieg.Zu dieser Zeit hatte Baronin Vetseraschon längst das Palais als Wohnsitzaufgegeben und war in eine Mietwoh-

nung übersiedelt. Die Inflation nachdem Krieg raubte ihr das verbliebeneVermögen, sie starb 1925 in ärmli-chen Verhältnissen. Ab 1902 gingen in der Salesianer-gasse Diplomaten ein und aus. DasPalais diente erst als Gesandtschaftder USA, 1911 folgten die Japaner.Nach deren Kriegserklärung an Öster-reich-Ungarn 1914 stand es leer.1916 wurde das Palais abgerissen,um den Durchbruch der Neulinggassezur Salesianergasse herzustellen.Wenig später verschwanden auch dasebenfalls leer stehende Palais Mo-dena, das zuletzt Thronfolger FranzFerdinand gehört hatte, und das rei-zende Palais Reitter mit seinem Eh-renhof (Beatrixgasse 27). Die Ener-gie, drei Palais in Zeiten der Kriegsnotmit hohem Aufwand abzureißen,mutet selbst 100 Jahre später selt-sam an.

Dr. Edgard HaiderHistoriker und Buchautor

unvergessenDas Palais Vetsera, vor 100 Jahren in Wien abgerissen

Abb. 61: Das Palais Vetsera, auch Palais Salm genannt, in der Salesianergasse 11 (Neulinggasse 52) im 3. Wiener Bezirk, kurz vorseinem Abriss 1916, Gemälde von Adolf Blamauer.

Jetzt ist es der Abriss der Linzer Eisen-bahnbrücke. Die als frohe Botschaftverkündete Demolierung ist ein bar-barischer Akt, eine Kulturschande:bewusst gesetzt, vorsätzlich geplant,unbekümmert, unreflektiert, techno-kratisch – legitimiert mit dem flauenRückenwind eines fragwürdigen de-mokratischen Votums, eines Acces-soires einer Landtags- und Bürger-meisterwahl als Alibi.Eine ernsthafte Aufklärung im Falleder Eisenbahnbrücke hätte die Trans-parenz der herausragenden Bedeu-tung des Bauwerks gleichermaßen be-troffen wie die technischen und öko-nomischen Daten der Reparaturfähig-keit. Diese war – auch bei aller Gut-achtensakrobatik der den Intentionender Stadt Linz und den ÖBB folgendenDiagnosen – nicht in Abrede zu stel-len.Über Belange der Kultur – so nebenbei– plebiszitär entscheiden zu lassen, istohnedies eine politische Bankrotter-klärung, die jeden Anspruch auf kul-turelle Werte-Orientierung aufgibt.Der Fall der Eisenbahnbrücke machteinmal mehr die Fragwürdigkeit undVerlogenheit der Rede von der euro-päischen Wertegemeinschaft bewusst.Scheinbar zählt die Zerstörung vonKulturgut aus technischen und wirt-schaftlichen Gründen durchaus zumgesellschaftlichen Werteprofil.Das tiefergründig Verdächtige dabeiist, dass die barbarischen Akte selbstzu positiven Impulsen im Sinne derModernisierung, der Wohlfahrt, desNutzens, der Entlastung und des äs-thetisch Zeitgemäßen uminterpretiertwerden.

Darin liegt die Perfidie der Argumen-tation. Baukulturelles Erbe wird danngeschmäcklerisch und moralisierendals „Schandfleck“, ökonomisch als„nutz- und wertlos“, sozial als „unzu-mutbar“ oder als „Liebhaberei“ und„nicht leistbar“, politisch als „verzicht-bar“ desavouiert.„Endlich“ ist es – gegen den Wider-stand der „Verhinderer“, der „Ewig-gestrigen“, der „arroganten Kulturex-pertenelite“ gelungen, das Projekt XY„durchzubringen“. Die an substanziel-lem Erbe erfahrbare Kultur, also dieder historischen, künstlerisch und kul-turellen, der sozial-, wirtschafts- undtechnikgeschichtlichen Zeugnisse derVergangenheit liegt darnieder, nieder-gerungen von sogenannten „höher ge-lagerten“ öffentlichen und politischenInteressen.Wohin dreht sich diese Spirale? Waskommt als nächstes? Der Linzer Mari-endom? Das Landhaus? Das Stadtmu-seum Nordico?Gewiss nicht. Noch nicht. Aber eineoder zwei Etagen darunter ist der Willezur Demolierung mächtig und völliggewissenlos am Werk. Was die An-sichtsseite der Stadt betrifft, so wirdLinz ja seit geraumer Zeit – frei nachKarl Kraus – zur Allerweltstadt demo-liert. Das Projekt der – welch ein Zy-nismus – Bruckner-Tower(!) genann-ten, 96 Meter hohen Zwillingstürme inUrfahr macht diesen Identitätswandelbeklemmend deutlich.Derzeit laufen Gespräche über einemögliche neuerliche Bewerbung derStadt Linz für die EuropäischeKulturhauptstadt 2024.Angesichts der

aktuellen kulturellen Entwicklungmüsste man das Ansinnen als blankenHohn empfinden, aber vielleicht liegtLinz ja durchaus als Trendsetter imZug des Zeitgeists, der die Unkulturzur Leitkultur verwandelt.Im Abbruchbewilligungsbescheid desBundesdenkmalamtes vom 2. Sep-tember 2013 wurde – paradox – imÜbrigen festgestellt, dass „die denk-malpflegerische Bedeutung der LinzerEisenbahn- und Straßenbrücke überdie Donau ... außer Frage steht“.Die im Jahre 2000 mit dem Kulturent-wicklungsplan für Linz beschlossene„Kulturverträglichkeitsprüfung“ für allegrößeren kommunalen Bauvorhabenkam nicht zur Anwendung. Das amtli-che Unkulturbekenntnis der Demolie-rung der Eisenbahnbrücke, dieses „lie-genden Eiffelturms“ von Linz, stehtalso noch aus – oder scheut man amEnde gar davor zurück?Am 2. September 2016 läuft die Fristzur Einlösung der vom Bundesdenk-malamt fahrlässig formalistisch kor-rekt erteilten Abbruchbewilligung derEisenbahnbrücke ab. Daher die Eile:die Abbrucharbeiten haben am 25.Februar 2016 begonnen.

Hofrat Univ.-Prof. Dr. Wilfried Lippehem. Landeskonservator für Oberösterreich

1992-2010

Anmerkung1 Gekürzter Gastkommentar Oberösterr.

Nachrichten, 20.2.2016

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Nachrichten der Initiative Denkmalschutz – Nr. 22 / Jänner-April 2016

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Abb. 62: Die Eisenbahnbrücke während des Abrisses am 3. Juli 2016, „Endstation“ eines außer Frage stehenden Kulturdenkmals.

Linzer Eisenbahnbrücke: Das Unglaubliche tritt ein und wird Realität1

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Teil 2: Wie gut kennen wir dieNS-Geschichte von St. Georgenan der Gusen?

Seit einigen Jahren wird St. Georgenan der Gusen (OÖ) in den Medien mitBegriffen wie „Radioaktivität“ und„Stollensuche“ verbunden. Was steckthinter diesen Berichten? Der riesige Lagerkomplex „KZ Gusen I– III“ mit Steinbrüchen und unterirdi-schen Rüstungsfabriken war immerStiefkind der Mauthausen-Forschung.Angesichts von über 40.000 Toten gabes wenige Zeitzeugen, KZ-Areale ver-schwanden unter Wohnhäusern, vorallem aber wurden am Institut fürZeitgeschichte der Universität Wienzwar hervorragende Monographien zuKZ-Standorten verfasst1, jedoch keinezu Gusen, da der damit befasste Dis-sertant sein Studium aufgab. Diese Lücke wurde seit Mitte der1980er Jahre durch Publikationen derengagierten Privat-Initiative „Gedenk-dienstkomitee Gusen“ von Rudolf A.Haunschmied und Martha Gammergefüllt2, insbesondere 2007 durch einenglischsprachiges Standardwerk3. Imselben Jahr übersetzte und kommen-tierte die Mauthausen-Abteilung imBundesministerium für Inneres (BMI)ein polnisches, 1977 erschienenesBuch des KZ-Überlebenden StanislawDobosiewicz4.

Anrainer und Archive lieferten jedochwiederholt Indizien auf unbekannteStollen und Rüstungsbetriebe, denennicht nur das GedenkdienstkomiteeGusen, sondern auch der Linzer Filme-macher Andreas Sulzer, der TV-Dokusfür das ZDF produziert5, vor Ort, imGespräch mit Zeitzeugen und renom-mierten Historikern und in internatio-nalen Archiven nachging.

Unbekannte Stollen?

Wie in Denkma[i]l 21 (S. 37ff.) berich-tet, wurden etwa 85 Prozent der vonKZ-Häftlingen errichteten, ca. 8 Stol-lenkilometer großen unterirdischenNS-Rüstungsfabrik „Bergkristall“ bis2009 mit Zustimmung des Bundes-denkmalamts (BDA) undokumentiertmit Beton verfüllt – großteils unter Fel-dern und ohne akute Notwendigkeit.Laut Behörde umfasste das Stollen-system nur eine Ebene. Ältere Anrai-ner berichten jedoch von mehrerenStockwerken. Gleiches schrieb einGeologe im Namen der „Österrei-chischen Studiengesellschaft fürAtomenergie GmbH“, der Expertendes damaligen Reaktorzentrums Sei-bersdorf und der Geologischen Bun-desanstalt angehörten. 1968 unter-suchte er nachweislich große Teile derStollen, um ihre Eignung als Atom-mülldepot für die geplanten AKWsZwentendorf und St. Pantaleon zu

prüfen. Er beschreibt „zwei übereinan-der liegenden Etagen“, z.T. „für LKWsbefahrbar“, wobei Stollen bis „unterdie Ortschaft“ reichen. Noch nicht be-tonierte Sandstein-Stollen lägen bis zuzwei Kilometer vom Eingang entfernt– all das dem heutigen offiziellen Be-fund widersprechend. Überdies exis-tiert ein Foto der heute verfüllten„Sandgrube Mögle“ aus den 1960erJahren, das zwei übereinander lie-gende angeschnittene Betonstollenaus der NS-Zeit zeigt (Abb. 67).Falls unter der bekannten Anlage tat-sächlich weitere Stollen existieren,könnte das enorme Gewicht der Be-tonverfüllung der oberen Anlage de-stabilisierend wirken. Von der Bezirks-hauptmannschaft (BH) Perg wurdeeine „Expertenrunde“ einberufen, derunverständlicherweise weder die Ex-perten des GedenkdienstkomiteesGusen, noch Andreas Sulzer selbst an-gehören durften, dafür aber ein Ar-chäologe, der mir am 17.2.2015 privatgestand, dass er von „Bergkristall“ ei-gentlich kaum Ahnung habe, was ichauch im Telefonat feststellen konnte. Die Expertenrunde tat Indizien für un-bekannte Stollen als nicht stichhaltigab, im Wesentlichen wegen „unterge-ordneter Bedeutung“ und „Unüber-prüfbarkeit“ von mündlichen Berich-ten, sowie wegen „nicht nachvollzieh-barer, bedenklicher“ Aussagen im Gut-

Archäologie an Gedenkorten der NS-Zeit und der Spezialfall Gusen

Abb. 63 (li.): 1945, nach der Befreiung: Ein US-Soldat steht vor einem Rumpf eines Me-262-Düsenjägers. Dahinter steht ein Gü-terzug im Einfahrtsportal zum Stollensystem „Bergkristall; Abb 64 (re.): Im Dezember 2014 freigelegte Steinstufen hinter der nichtmehr vorhandenen SS-Zielscheibe: Das Bundesdenkmalamt stellte die Treppe in ungewöhnlicher Rekordzeit unter Schutz, ver-nachlässigt aber wichtigere und akut bedrohte Objekte.

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achten von 19686. Die übereinanderliegenden Stollen auf dem erwähntenFoto konnte mir kein Mitglied der Ex-pertenrunde bisher deuten. Erwähntsei auch ein Ministeriumsdokumentvon 1959, das für den Bereich Gusenetwa 40 km Stollenlänge angibt,davon ca. 16 in St. Georgen. Zwarmögen Schätzungen damals ungenaugewesen sein, jedoch wäre es ange-sichts von heute „nur“ 8 km bekann-ten Stollen in „Bergkristall“ und weni-gen kurzen Stollen in der Nachbarge-meinde gewagt, die Ministerialbeam-ten von 1959 als unseriöse Phantastenabzustempeln, wie es die Experten-runde tut, die derzeit Pläne mit „nur“rund 10 km Gesamtstollenlänge vor-weisen kann.

Stollen beim Schützenverein?

In einem Archiv stieß FilmemacherSulzer auf den Bericht eines OSS-In-formanten7 von 1945, demzufolgeneben dem SS-Schießplatz, etwaeinen Kilometer nördlich der Bergkris-tall-Stollen, eine große unterirdischeAnlage existiere. Der heutige Eigentü-mer, ein Schützenverein, bewilligte imDezember 2014 eine von Gemeindeund Filmemacher initiierte Grabung.Am Ende der längsten ehemaligenSchießbahn, wo Betreuer der Ziel-scheiben in einem Unterstand („Auf-zeigerdeckung“) vor Projektilen Schutzsuchten, wurden nach Entfernung vonca. drei Meter fundleerem Lehm Stein-stufen und die Betonabdeckung desUnterstands freigelegt (Abb. 64). DasBDA stoppte am 23.12.2014 die Suchenach dem vermuteten Stolleneingangmittels Anzeige wegen unbefugterGrabung, obwohl die Auf deckung derStufen unverzüglich an das BDA ge-meldet wurde.

Das Denkmalschutzgesetz besagtsinngemäß, dass man den Lehm zwarz.B. für den Bau eines WC-Rohrs ent-fernen hätte dürfen, aber eben nichtmit „Forschungsabsicht“. Bei letztererist (im Gegensatz zum WC-Rohr) dieAnwesenheit eines studierten Archäo-logen und eine BDA-Bewilligung nötig.Gleiches galt für die Zerstörung derBergkristall-Stollen: Ein höchstrangi-ger BDA-Funktionär, der für diesenSkandal mitverantwortlich war, er-klärte mir am 19.1.2015, dass die un-dokumentierte Betonverfüllung trotzabsehbarer Unterschutzstellung recht-mäßig war, weil sie eben nicht in Forschungsabsicht erfolgte. EineForschungsgrabung vor der Zerstö-rung ohne BDA-Bewilligung wäre ille-gal gewesen. Mit erstaunlichem Engagement ließdas BDA die Steinstufen zum Jahres-wechsel binnen drei Wochen unterSchutz stellen8, vermutlich um SulzersForschungen zu unterbinden, da dasBDA ein Jahr zuvor lediglich die Teilun-terschutzstellung von Teilen desSchützenhauses und einer daran an-schließenden Stützmauer per Bescheidfeststellte. Die Begründung der Denk-malwürdigkeit einiger Stufen hintereiner verschwundenen SS-Zielscheibewar nicht leicht. In der Zeitschrift „So-nius“9 argumentiert ein Archäologe derExpertenrunde: „Die Besonderheit die-ses Unterstandes besteht darin, dassdie Betondecke an der Nordosteckeeine schlitzförmige Öffnung mit einemAusmaß von 5,3 x 1,5 m aufweist. ImInneren befindet sich unterhalb dieserÖffnung eine schachtartige Eintiefung.[….] Die „Aufzeiger deckung“ in St.Georgen an der Gusen ist ein seltenesZeugnis seiner Art in Österreich. […]Diesem Relikt kommt zweifellos histo-

rischer Dokumentationswert zu.“ Esmag sinnvoll sein, die Stufen zu be-wahren. Die euphorische Bewertungdurch das BDA ist jedoch merkwürdig,zumal wesentlich relevantere und z.T.akut bedrohte Bauten (das Stollensys-tem „Quarz“ bei Melk, die „Serben-halle“ bei Wiener Neustadt, das „Vor-werk Süd“, die Fundamente vom KZbei Wiener Neudorf, diverse vonZwangsarbeitern erbaute Objekte inWien und NÖ, der Gedenkort „Engel-mühle“ in Felixdorf) seit 10 bis 15 Jah-ren vergeblich auf eine Unterschutz-stellung warten und vom BDA trotzAufforderung weitgehend ignoriertwerden.Ein Informant auf Behördenebene be-hauptete mir gegenüber, dass nocham 23. oder 24.12.2014 eine höchst-rangige Besprechung eines Gremiumsder Landesregierung in Linz zur Frageder freigelegten Stufen stattgefundenhabe. Am Vormittag des 24. Dezem-ber (!) ging dann eine Polizistin zur Pri-vatwohnung des Filmemachers, umvon der BH Perg ein Verbot weitererUntersuchungen zu überbringen. Im „Expertenbericht“ (S. 73) wird dieExistenz der „Aufzeigerdeckung“ ei-genartigerweise als Beweis angeführt,dass es in diesem Bereich keine Stol-len geben könne. Dem widersprichtdie Erinnerung von Walter Chmie-lewski (geb. 1929), dessen Vater Carlvon 1940 bis 1942 brutaler Komman-dant des KZ-Lagers Gusen war. Ende2015 schilderte der Zeitzeuge in einemBuch10 des Autors Holger Schaebenseine unfassbaren Erinnerungen andie Jugend neben diesem großen KZ inSt. Georgen/Gusen. In einem nochnicht gesendeten ZDF-Interview11 zi-tiert Chmielewski seinen JugendfreundBrunnhofer, demzufolge nahe dem

Abb. 65 (re.): Apparatur zur Beschleunigung von geladenen Teilchen, Foto von 1943. Im Vordergrund zwei „Driftröhren“, mit derenMagnetfeldern die Teilchen auf Hochgeschwindigkeit gebracht werden; Abb. 66 (li.): Bei diesem Objekt, das im Bereich des „Okto-gons“ beim Stollensystem „Bergkristall“ ausgegraben wurde, könnte es sich um eine Driftröhre eines Linearbeschleunigers handeln.Die Deutung des Bundesdenkmalamts („Schleifring für einen Motor“) ist höchstwahrscheinlich falsch.

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Schießstand „da oben fürchterlich ge-buddelt“ und „ein Riesenstollen [in denBerg] hinein gebaut worden ist“,wobei dort auch noch „Werkstättenund Produktionsstätten“ gewesen seinsollen. Unterschiedliche geophysikali-sche Verfahren scheinen in diesemAreal ebenfalls auf große Hohlräumemit stollentypischem Querschnitt hin-zudeuten, wie ich mich überzeugenkonnte.Am 5.4.2016 verhängte die BH Pergwegen der Untersuchungen beimSchützenverein ein Straferkenntnisüber mehrere tausend Euro über denFilmemacher Sulzer. Vorgeworfenwurde „Grabung ohne Genehmigung“,„Veränderung einer Fundstelle“ und„Veränderung eines Denkmals“ (ob-wohl die Stufen Ende 2014 gar keinDenkmal waren). Diese Vorgangs-weise von BDA und der BH Perg wirktwillkürlich, da 2009 bei der undoku-mentierten Zerstörung der bald daraufunter Schutz gestellten Bergkristall-Stollen nicht eingegriffen wurde undnicht einmal der Appellplatz des ehe-maligen KZ Gusen I im Jahr 2013 mitunter Schutz gestellt wurde, wobei ak-tuelle dortige Baggerungen im Juni2016 in Polen eine Protestpetition aus-lösten, welche bis jetzt von mehr als28.000 Menschen unterzeichnetwurde12. Ebenso hat 2012 weder das BDA nochdie BH reagiert, als ein „Hobbyfor-scher“ in den wenigen verbliebenenBergkristall-Stollen tagelang unautori-siert grub und ohne Katalogisierungund Publikation massenhaft Fundeentfernte und dies sogar auf youtube13

präsentierte, obwohl beide Behördendavon wussten, und obwohl dieser Orttausendmal sensibler ist als der fund-leere Lehm beim Schützenverein. DieRechtsabteilung des BDA war zu einerStellungnahme nicht bereit.

Das „Raketen-Gerücht“

Die Expertenrunde kritisierte überdiesZeitungsberichte über das Thema „Ra-ketenwaffen“. Wie kam es dazu? 1943wurden V2-Raketen durch KZ-Häft-linge nicht nur in Friedrichshafen undPeenemünde, sondern auch in der„Serbenhalle“ bei Wiener Neustadtmontiert, in der Nähe entstand einTriebwerksteststand.14 Ende 1943wurde die Serienfertigung unter grau-enhaften Bedingungen mit tausendenToten ins unterirdische „Mittelwerk“ imHarz verlegt. Die Entwicklung größererRaketenwaffen sollte hingegen vonPeenemünde in Stollen bei Ebensee

am Traunsee (OÖ) verlegt werden,welche ab 1943 von KZ-Häftlingen inden Berg getrieben wurden.15 Auchhier gab es tausende Tote. 1944wurde entschieden, dass in den Eben-see-Stollen stattdessen Rohöl aus Zis-tersdorf verarbeitet werden sollte.Viele Historiker nehmen an, dass dieWeiterentwicklung von Raketenwaffenangesichts der Kriegslage als zu lang-fristig und daher unwichtig betrachtetwurde. Eigenartigerweise schreibt u.a. deroben erwähnte polnische Gusen-Über-lebende Stanislaw Dobosiewicz in sei-nem Buch16, dass außer Me-262-Flugzeugen (vgl. Abb. 63) in Stollenbei St. Georgen auch Raketen gebautworden seien. Das BMI geht in Fußno-ten von einem Irrtum des Autors aus.NS-zeitliche Wagenkontrollbücher vomBahnhof St. Georgen wiederum ver-zeichnen Transporte einer Chemikalie(so wurde mir berichtet), die nur fürwenige Zwecke Verwendung fand(dies kann ich bestätigen). Einerdavon betraf Turbinen von Raketen-triebwerken. Walter Chmielewski, derSohn des KZ-Kommandanten, erin-nerte sich am 5.5.2016 in einem nochnicht ausgestrahlten ZDF-Interview aneine Begehung der Stollen gemeinsammit seinem Jugendfreund Erich Brunn-hofer, die nach der Befreiung durchUS-Truppen erfolgte. Damals hättensie keine Flugzeugrümpfe mehr gese-hen, dafür aber Rümpfe von Raketen,sagte Chmielewski. Tiefer im Stollensei durch Sprengungen alles dicht ge-macht gewesen. Hier besteht offenbarKlärungsbedarf.Übrigens wurden die Stollen von Eben-see, St. Georgen und Redl-Zipf (V2-Triebwerkstests) im Auftrag der SSvom Wiener Ingenieur Karl Fiebingergeplant und beim Bau mitüberwacht,wobei es wie erwähnt tausende toteKZ-Häftlinge gab. Nach Kriegsendekam Fiebinger nicht vor Gericht, son-dern war in den 1950er Jahren füh-rend an der Entwicklung unterirdischerAbschussrampen für die ersten US-In-terkontinental-Atomraketen beteiligt.Zuletzt lebte Fiebinger durch seine Fa-milie abgeschirmt in Wien, wo er imDezember 2014 mit 101 Jahren starb.

Radioaktivität und Kernforschung

Als Sulzer 2012 in den Bergkristall-Stollen erhöhte Radioaktivität fest-stellte, reagierte die Behörde alar-miert. Die besuchbaren Stollenrestewerden seither bei Bedarf belüftet,und man diskutiert, ob die Strahlung

tatsächlich nur durch das radioaktiveGas Radon verursacht wird, das ausuranhaltigem Granituntergrund aus-tritt und sich ansammelt. Sulzer stelltangesichts lokaler Strahlungspeaksund anderer Indizien die Frage zurDiskussion, ob in bestimmten (even-tuell noch nicht lokalisierten) Stollen-bereichen während der NS-Zeit kern-physikalische Forschung durchgeführtworden sein könnte. Die Thematik istkomplex, und auch ich konnte mirtrotz meines naturwissenschaftlichenDoktorats bisher keine endgültige Mei-nung bilden. Leider umfasste die Ex-pertenrunde keinen Physiker, was sichin schwammig-peinlichen Formulie-rungen des Endberichts widerspiegelt(„Nuklearforschung“ wird z.B. als„Atomversuche“ bezeichnet)17, immer-hin gibt es aber ein externes Gutach-ten dazu. Dieses kommentiert abernicht, warum ein längst bekanntesStollensystem aus der NS-Zeit auf deranderen Talseite des Gusen-Flusses ineiner vergleichbaren geologischen For-mation keine auffälligen Strahlungs-werte aufweist.NS-Kernforschung hat im Krieg sehrwohl auch hierzulande stattgefunden,etwa in der Boltzmanngasse in Wien-Alsergrund, wo der Physiker Prof.Georg Stetter (1895-1988), ein über-zeugter Nationalsozialist, in enger Zu-sammenarbeit mit anderen NS-Atom-wissenschaftlern u.a. den Beschussvon Uran mit Neutronenstrahlen,Transuran-Elemente und die Energie-gewinnung durch Uranspaltung unter-suchte. In einer Turnhalle in Mautern(NÖ) sollte ein Neutronengeneratorerrichtet werden, radioaktives Radiumwurde in die Keller der Hofburg unddann in ein Salzbergwerk in Halleinverlagert, und Kernforschungsgerätewurden 1945 nach Schwallenbach indie Wachau und dann nach Thumers-bach bei Zell am See transportiert.18

Was eventuelle Indizien für Kernfor-schung im Raum Gusen betrifft: Text-stellen im Expertenbericht, die „allesist fertig erforscht“ suggerieren, ohnedass die Expertenrunde (oder ich) Sul-zers diesbezügliche Dokumente ken-nen, sind als problematisch anzuse-hen.

Die Keramikspule

Geladene Partikel wurden anfangs mitlinear gereihten Magneten auf hoheGeschwindigkeiten beschleunigt, spä-ter auch in kreisförmigen „Zyklotro-nen“, z.B. um radioaktive Elemente zuerzeugen oder zu spalten. Im März

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2014 haben Archäologen im Bereichdes „Oktogons“ über dem NW-Randder Bergkristall-Stollen in „nachkriegs-zeitlichem Abfall“19 eine Art Keramik-spule gefunden. Angesehene Institutein Bonn, Tucson (Arizona) und Buda-pest teilten Sulzer in offiziellen Stel-lungnahmen (die ich einsehen durfte)mit, dass es sich bei dem Fund tat-sächlich um eine „Driftröhre“ (Magnet-spule) zur Beschleunigung von gelade-nen Teilchen handeln könnte (Abb. 65und 66). Im Expertenbericht (Anhang D) erklärtein BDA-Archäologe jedoch, „Physikerdes CERN in Genf“ würden „ausschlie-ßen, dass es sich um einen Bauteileines Beschleunigers handle“. Viel-mehr sei es wohl ein gewöhnlicher„nachkriegszeitlicher Schleifring einesSchleifringläufermotors“. Originell istdie Argumentation (S. 22), das Objektsei ja in einer „nachkriegszeitlichen“Abfallschicht gefunden worden. DerArchäologe sollte wissen, dass eineFundschicht nur das Mindestalter an-gibt, da ich im Müll von 2016 z.B. eineLampe von 1970 entsorgen kann. Alsrasch rotierender Motor-Schleifringwürde die dünne Keramik übrigensrasch brechen, die extrem dünne Me-tallbeschichtung wäre bald abgewetzt.Eine Kontaktaufnahme mit dem BDA-Archäologen scheiterte mehrfach, undals ich das BDA formell um die genaueArgumentation der anonymen „CERN-Physiker“ oder um deren Mailadresseersuchte, schrieb man mir: „Das Bun-desdenkmalamt sieht momentankeine Veranlassung, sich mit dem Ob-jekt nochmals zu beschäftigen.“

plakativ vs. vorsichtig

Die Expertenrunde erwartete vom Fil-memacher Sulzer, dass dieser ihrseine gemeinsam mit dem ZDF in jah-relanger Forschung zusammengetra-genen Dokumente, Pläne, Messdatenund Notizen komplett aushändigt. EineWeitergabe nicht abgeschlossener For-schungsunterlagen ist auch im akade-mischen Wissenschaftsbetrieb nichtüblich. Ebenso ist die Kritik an plakati-ven Formulierungen Sulzers in Zei-tungsinterviews ungerecht: Im Kampfum Geldmittel und Aufmerksamkeitbeauftragen inzwischen sogar Uni-In-stitute PR-Agenturen zur plakativenBewerbung ihrer Forschung, und einfreischaffender Filmemacher ist natür-lich umso mehr auf mediale Aufmerk-samkeit angewiesen.Ich durfte etliche noch nicht öffentlicheRecherchen Sulzers und des ZDF ein-

sehen und habe den Eindruck, dassvieles davon hochinteressante Ansätzebirgt und Respekt und ernsthafte Prü-fung verdient.Statt sorgsamem Umgang mit denMahnorten der NS-Zeit agieren die Be-hörden eher planlos und verhindernmit privatem Risiko getragene For-schunginitiativen, wie jene von An-dreas Sulzer. In St. Georgen oderGusen gibt es bis heute keinerlei An-sätze des BDA, die vielen existieren-den Fundhoffnungsgebiete systema-tisch wissenschaftlich erkunden zu las-sen. Stattdessen sieht man passiv zu,wie am Ort des demolierten KZ-Stol-leneingangs derzeit ein privates Wohn-projekt mit Spielplatz geplant wird.Und in Felixdorf (NÖ) soll der Geden-kort „Engelmühle“, wo 1945 2.000 un-garische Juden ermordet wurden,durch Eigentumswohnungen ersetztwerden. Aber das sind bereits andereThemen.

Dr. Gerhard HertenbergerFreier Autor

Anmerkungen1 Siehe insbesondere die Publikationen von

Dr. Bertrand Perz und Dr. Florian Freund.2 Vgl. z.B. R. Haunschmied: „1938/1945 -

Zum Gedenken“ in: 300 Jahre erweiter-tes Marktrecht St. Georgen a.d. Gusen,1989. S. 74-112.

3 Rudolf A. Haunschmied, Jan-Ruth Mills,Siegi Witzany-Durda: St. Georgen,Gusen, Mauthausen. Concentration

Camp Mauthausen Reconsidered. Bookson Demand 2007.

4 Stanislaw Dobosiewicz: Vernichtungsla-ger Gusen. Mauthausen-Studien Band 5des BMI. 2007.

5 Siehe z.B. zum Thema Gusen:http://www.zdf.de/ZDFmediathek/bei-trag/video/2457436/

6 „Expertenberichte“ (2015), S. 52 und 95.7 (dessen genauen Wortlaut ich nicht

kenne)8 Bescheid vom 16.1.20159 Heft 17, 2015, Seite 11ff.10 Holger Schaeben: Der Sohn des Teufels.

Offizin-Verlag 2015.11 Wir bedanken uns beim ZDF für die Ab-

druckerlaubnis der wortgenauen Zitate.12 http://www.citizengo.org/pl/34974-po

ruszeni-bulwersujacymi-informacjami- oniszczeniu-miejsc-pamieci-w-bylym niemieckim?

13 https://www.youtube.com/watch?v=5hnvXnE2sCQ

14 Florian Freund, Bertrand Perz: Das KZ inder Serbenhalle. Wien 1988.

15 Siehe mehrere Bücher von FlorianFreund.

16 Mauthausen-Studien Bd. 5 (BMI 2007,polnisches Original aus 1977), siehe z.B.S. 53 u. 203

17 Die Autoren hatten offenbar Schwierig-keiten, nukleartechnische Experimentevon „Atomversuchen“ zu unterscheiden,siehe z.B. Seite 23.

18 Siehe hierzu Publikationen von SilkeFengler und Rainer Karlsch.

19 „Expertenbericht“ (S. 72)

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Abb. 67: Noch in den 1960er Jahren waren in der Möglegrube im Bereich des Stollen-systems „Bergkristall“ zwei übereinander liegende betonierte Stollenebenen sichtbar(links unten). Die Expertenrunde verneint die Existenz einer zweiten Etage, kann aberdas Foto, wie es in der ZDF-Dokumentation gezeigt wird, nicht erklären (vgl. Anm. 5).

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Seit 2014 tobt im Burgenland eineDiskussion, wie mit dem Kulturzen-trum Mattersburg – einem plasti-schen Sichtbetongebäude aus den1970er Jahren – umgegangen wer-den soll (Abb. 68 f.). Soll es abgeris-sen, soll es saniert werden? Die Dis-kussion rund um das Kulturzentrum,welches symbolhaft für das Bauge-schehen einer ganzen Ära in dieserRegion steht, eröffnete damit aucheinen längst überfälligen Diskursüber den Wert und den Umgang mitdiesem baukulturellen Erbe, nicht zu-letzt auch aufgrund der Initiative#SOSBrutalism des Deutschen Archi-tekturmuseums in Frankfurt.

Ein Landstrich auf der Überholspur

Ende der 1960er Jahre befand sichdas Burgenland in einem enormenUmbruch – ein Strukturwandel ver-änderte den Landstrich, welcher erst1921 ein Teil Österreichs gewordenund damals von seinen historischenstädtischen Zentren getrennt wordenwar. Das noch in vielerlei Hinsichtrückständige Bundesland war ineinem Aufholprozess – „auf der Über-holspur“ – um den damaligen Lan-deshauptmann Theodor Kery zu zitie-ren. Im Zuge dieser Entwicklung,welche natürlich auch im Bauen eineenorme Modernisierungswelle mitsich brachte, war man auch auf derSuche nach einer der neuen Zeit bzw.

den geänderten Lebensbedingungenadäquaten Ausdrucksweise in der Ar-chitektur.Der Brutalismus, der durch rohenBeton, starke Plastizität und robusteKonstruktion charakterisiert wird,und der Mitte der 1960er Jahre eineaktuelle Architekturströmung dar-stellte, war eine der Antworten, diedie jungen Architekten MatthiasSzauer und Herwig Udo Graf auf dieFrage einer zeitgenössischen Archi-tektur im Burgenland hatten.Szauer, Jahrgang 1935, Absolventder Wiener Akademie der bildendenKünste, konnte 1965 gemeinsam mitGottfried Fickl den Wettbewerb fürden Neubau des Joseph Haydn Kon-servatoriums in Eisenstadt mit einemProjekt in Sichtbetonbauweise fürsich entscheiden – die Ära der bruta-listischen Bauten in der Region wareingeläutet. Auch Graf, Jahrgang1940, Absolvent der technischenHochschule in Wien, bestens vertrautmit Werken namhafter Vertreter desBrutalismus wie Walter Förderer undHans Zwimpfer, verwirklichte ab Mitteder 1960er Jahre zahlreiche Bautenin jener Bauweise.

„Offizieller Stil“ der 1970erJahre

Bereits Ende der 1960er hatten sichdie Büros von Szauer und Graf etab-liert und importierten diesen interna-tionalen Stil in die burgenländischen

Städte und Dörfer. Der Brutalismusbeeinflusste maßgeblich das Bauge-schehen dieser Zeit in der Region undwurde zu so etwas wie einem „offi-ziellen Stil“ der 1970er Jahre im Bur-genland. Auch Friedrich Achleitnerbeschäftige sich im Rahmen seines1983 publizierten Architekturführersmit diesem „Phänomen“ und spricht– auch wenn er dies kritisch anmerkt– von einer Abwandlung und Steige-rung einer importierten Sichtbeton-Architektur, welche eine modische Ei-gendynamik entwickelte.Von Schulen bis zu Krankenhäusern,von Gemeindeämtern bis zu Bestat-tungshallen - vor allem öffentlicheGebäude wurden in Form plastischerschalreiner brutalistischer Bauten er-richtet. Eine öffentliche Bauaufgabe,welche spezifisch für das Burgenlandin jener Zeit war und auf welche indiesem Kontext unbedingt noch hin-gewiesen werden soll, sind die Kul-turzentren: Ausgehend von der Ideedes sozialistischen KulturlandesratsGerald Mader waren sie kulturpoliti-sche Prestigeprojekte mit dem Ziel,dem ländlichen Raum dieselben kul-turellen, bildungspolitischen und ge-sellschaftlichen Möglichkeiten zugeben, die bisher nur in Großstädtenzur Verfügung standen. BesondereBedeutung als Pilotprojekt hat daseingangs schon erwähnte erste Kul-turzentrum, welches 1973-76 nachden Plänen von Herwig Graf in Mat-tersburg entstand.

40 Jahre danach

Heute, rund 40-50 Jahre nach ihrerFertigstellung, haben diese einstigenVorzeigebauten – wie ihre internatio-nalen Vorbilder – auch im Burgenlandkeinen leichten Stand. Mittlerweilesind zahlreiche dieser baulichen Zeit-zeugen durch Sanierungen komplettüberformt bzw. in einigen Fällen fie-len sie schon der Abrissbirne zumOpfer. Von offizieller Seite – demLand Burgenland – ist man an diesembaukulturellen Erbe nicht interessiert,die landeseigene Immobiliengesell-schaft kam beispielsweise 2014 zumSchluss, dass es besser wäre, dasKulturzentrum Mattersburg abzurei-ßen, da ein Neubau in der Instand-haltung (!) billiger wäre. Diese Ent-scheidung führte jedoch zu einemüberraschenden Gegenwind und erst-mals zu heftigen öffentlichen Diskus-

Abb. 68: Kulturzentrum Mattersburg im Nordburgenland, Südansicht mit der Freiluft -arena - um 1976. Das Bundesdenkmalamt prüft eine Unterschutzstellung.

Pannoniens lokaler Brutalismus – eine beginnende Rezeption?

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sionen über den Umgang mit einemderartigen Objekt – die Gründungeiner Plattform gegen den Abrisssamt Unterschriftenaktion zum Erhaltdes Gebäudes mit über 2000 Unter-zeichnern folgte.

#SOSBrutalism

Mit jener Diskussion vollzog sich aufregionaler Ebene eine mittlerweile in-ternational zu beobachtende Tendenz– ein langsamer aber stetiger Wandelin der Wertschätzung und dem Inte-resse brutalistischen Bauten gegen-über. Diesem Wandel liegen vieleFaktoren zugrunde - einen nicht zuunterschätzenden Faktor stellt dieMöglichkeit der sozialen Medien –beispielsweise Facebookgruppen wie„The Brutalism Appreciation Society“oder auch der Tumblr Blog „FuckYeah Brutalism“ – dar.Im Herbst 2015 wurde schließlichvom Architekturtheoretiker OliverElser vom Deutschen Architekturmu-seum in Frankfurt, der WüstenrotStiftung und uncube die online Platt-form #SOSBrutalism zur Rettungbrutalistischer Bauten ins Leben ge-rufen. Diese Datenbank umfasst mo-mentan rund 900 brutalistische Ob-jekte aus allen Kontinenten - doku-mentiert nach ihrem derzeitigen Sta-tus: bedroht, abgerissen oder geret-tet. Ziel ist es, eine weltweite Daten-bank brutalistischer Bauten zu erstel-len, da bisher keine umfassende Pu-

blikation oder Sammlung existiert.Die Nutzer sind explizit dazu aufge-rufen unter dem Hashtag #SOSBru-talism auf Objekte hinzuweisen. Dochnicht nur eine „Inventarisierung“ bru-talistischer Objekte ist das Ziel von#SOSBrutalism - ein wichtiger Punktder Kampagne ist es auch, die vielenweltweit bereits existierenden lokalenDenkmalschutzinitiativen zur Rettungbrutalistischer Bauten zu vernetzen,diese aufzuwerten und ihnen eine in-ternationale Perspektive zu geben. #SOSBrutalism postete auch diePlattform zur Rettung des Kulturzen-trums im Herbst 2015, um auf dasnoch immer vom Abriss gefährdeteObjekt aufmerksam zu machen. Bin-nen weniger Wochen wurde es in dieDatenbank aufgenommen. Damitwurde, wie von den Initiatoren von#SOSBrutalism beabsichtigt, die Dis-kussion rund um dieses Objekt einer-seits auf eine neutrale, internationaleEbene gebracht, fernab jeglicher lo-kaler Ressentiments und andererseitserreichte man nun auch einen ganzanderen Personenkreis. Neben demKulturzentrum wurden mittlerweileauch einige weitere Objekte von Her-wig Graf und Matthias Szauer in derDatenbank von #SOSBrutalism auf-genommen. Diese nun einsetzendeinternationale Rezeption brutalisti-scher Bauten berechtigt zur Hoff-nung, dass auch auf regionaler Ebene- in diesem Fall im Burgenland - die

noch erhaltenen baulichen Zeitzeu-gen des Brutalismus mit anderenAugen gesehen werden und eineihrer Bedeutung entsprechende Be-handlung erfahren.

Johann GallisStudent der Kunstgeschichte

Mitbegründer der Plattform „Rettet das Kulturzentrum Mattersburg“

� www.sosbrutalism.org

� Facebookgruppe: The BrutalismAppreciation Society

� Facebookpage: Rettet das Kul-turzentrum Mattersburg

LiteraturAchleitner, Friedrich: Österreichische Ar-chitektur im 20. Jahrhundert. Band II.Salzburg und Wien: Residenz Verlag1983.Bauer, Klaus Jürgen: Wickie, Slime undPaiperarchitektur - die Architektur dersiebziger Jahre im Burgenland. In: Bur-genländische Heimatblätter. Heft 3 u. 4.63. Jahrgang. Eisenstadt 2001. S.53-60.Graf, Herwig Udo: Architekt Herwig UdoGraf, 10 Jahre freischaffende Tätigkeit1968-1978. Mattersburg: Wograndl 1978.N.N.: Matthias Szauer - Architektur. In:Ausstellungskatalog der Landesgalerie imSchloß Esterhazy, Eisenstadt 1976. Hrsg.vom Amt der Burgenländischen Landesre-gierung. Mattersburg: Wograndl 1976.

Abb 69 (li.): Der Nordtrakt des Kulturzentrum Mattersburg – Zustand 2015; Abb 70 (re.): Die Hauptschule Großwarasdorf im Mit-telburgenland (1970-72), einer der am besten erhaltenen Schulbauten von Matthias Szauer - Zustand 2015 (steht nicht unterDenkmalschutz)

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Das Palais Sturany am Schottenring in WienDie prominente Adresse Schottenring21 rückte vor wenigen Jahren wiedermehr in den Fokus der Öffentlichkeit -als Standort einer neu gegründeteninternationalen Organisation, des KingAbdullah bin Abdulaziz InternationalCentre for Interreligious and Intercul-tural Dialogue (KAICIID). In der Zeitvon 1874 bis 1881 als prunkvolles undgroßzügiges Privathaus von einem dererfolgreichsten Stadtbaumeister derk.u.k. Monarchie errichtet, lässt es bisheute die Eleganz des Wohnens derdamaligen Zeit auf höchstem Niveauerkennen. Die Auseinandersetzungmit dem Gebäude erwies sich für michals Architekten als außergewöhnlicheErfahrung.

Bau- und Nutzungsgeschichte

Stadtbaumeister Johann Sturany(1831-1912) hatte mit zwei der ganzgroßen Architekten der k.u.k Monar-chie – Fellner und Helmer – sehr inten-siv zusammengearbeitet – vor allemim Bereich repräsentativer Bauten wie

Museen und Theater. Zu einigemReichtum gekommen, konnte er sichschließlich ein eigenes Privatpalais er-richten. Sein in neobarocken, franzö-sisch anmutenden Formen errichtetesHaus am Schottenring ist das einzigePrivatpalais der Ringstraße mit einerNatursteinfassade (Abb. 71). Im undam Palais finden sich Handwerksarbei-ten von hervorstechender Qualität.Dazu gehören die erstaunlich gut er-haltenen schmiedeeisernen Tore undGeländer von Albert Milde nach Zeich-nungen von Fellner und Helmer, dieBildhauerarbeiten von Carl Kund-mann, die Stuckarbeiten von ReinhardVölkl, die im Stiegenhaus und dem 1.Stock erhalten sind, sowie im Prunk-raum der Belle Etage jene vier De-ckenfresken, die als erste Auftrags-werke der damals neu gegründetenKünstlerwerkstatt Klimt-Matsch vonBedeutung sind (Abb. 73). Diese Bil-der wurden noch im Stil des WienerRomantizismus erstellt und sprechennoch nicht jene Formensprache, für

die Gustav Klimt berühmt wurde.Nachdem sich Sturany aufgrund fami-liärer Schicksalsschläge weitgehendaus der Öffentlichkeit zurückgezogenhatte, ging das Gebäude vier Jahrenach seinem Tod 1916 an die „Inter-nationale Handelsbank“ über, die vorallem im Erdgeschoß massive Umbau-ten u.a. für einen Kassensaal und imUntergeschoß für einen Tresorraumdurchführte.Nach dem Ende des Zweiten Weltkrie-ges wurde das Palais Standort dertheologischen Fakultät der UniversitätWien. Neben diversen Adaptierungsar-beiten entstand im Jahr 2000 im hof-seitigen Erdgeschoßbereich eine neueBibliothek und Lesesaal.Nach einer weltweiten und dann eu-ropaweiten Standortsuche für dieKAICIID wurde unter anderem unserArchitekturbüro mit der Bewertungmehrerer Immobilien in Wien beauf-tragt. Mit unserer Nutzungsstudiezum Palais Sturany konnten wir die-sen anspruchsvollen Planungsauftraggewinnen.Die erste Herausforderung lag darin,für eine gerade erst in Gründung be-findliche internationale Organisationmit einem sehr speziellen Aufgaben-gebiet ein Raum- und Anforderungs-programm zu entwickeln, die zweitewar, dieses binnen kürzester Zeit – inAbstimmung mit dem Bundesdenk-malamt und in Erwartung von Überra-schungen aus der bewegten Bauge-schichte – zu realisieren, und das Ver-ständnis des internationalen Bauherrnfür die Zeiterfordernisse eines Projek-tes an einem denkmalgeschützten Ge-bäude in einer gewachsenen Stadt zugewinnen.

Rekonstruktionen und Umbau-Maßnahmen

Historische Pläne oder Darstellungensind bis auf vereinzelte Grundrissdar-stellungen aus Publikationen wederaus der Zeit der Errichtung, noch vonspäteren Umbauarbeiten (vor 2000)vorhanden. Einige wenige Schwarz-weiß-Fotos sind die verbliebenen Do-kumente, anhand derer wir das Ge-samterscheinungsbild des ursprüngli-chen Gebäudes rekonstruieren konn-ten. Umso aufwendiger war die Pro-jektarchäologie. Auf der anderenSeite stand die Erwartung eines hoch-wertigen, modernsten Büro- und Kon-ferenzanforderungen entsprechendenGebäudes. Wir waren in unserer Pla-

Abb. 71: Palais Sturany, einst die Ringstraßen-Residenz eines erfolgreichen Stadtbau-meisters, heute der Sitz der Institution KAICIID

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nung zu dem Schluss gekommen,dass das Dachgeschoß der einzigrichtige Platz für den Konferenzraumist. Unsere Vorstellung einer Panora-maverglasung musste erst einmal dasVerständnis und die Zustimmung desBundesdenkmalamtes und der MA19erlangen. In einer intensiven und sehrdetaillierten Planung und Zusammen-arbeit anhand von Visualisierungenund 1:1-Details, Farb- und Material-Mustern wurde, unter Einbeziehungder Statik und Haustechnik, ein opti-sches Erscheinungsbild entwickelt,das sowohl den Vorstellungen desDenkmalschutzes als auch jenen desBauherrn (und des Architekten) ent-spricht.Später, als auch der Dachgeschoß-ausbau schon weit fortgeschrittenwar, gab es eine Besichtigung mitdem leitenden Bauherrenvertreter.Als wir in dem zukünftigen Sitzungs-raum mit großzügigem Blick über dieRingstraße auf die Innenstadt stan-den, drehte sich der Bauherr zu mirund sagte „Now I know what Youhave achieved“. Dies war ein sehr be-rührender Moment für mich.Mit dem Bildhauer Virgilius Moldovanwurden die im Zweiten Weltkrieg ver-lustig gegangenen Akroterien anhanddes einzigen historischen Straßenfo-tos rekonstruiert und wieder herge-stellt. Ein weiteres für mich besondersbemerkenswertes Detail sind die biszu dreifach geschwungenen Hebe-schiebefenster der Ringstraßen-Fas-sade, die noch immer intakt sind.Wehe, man würde als Architekt einsolch verwegenes Detail heute vorle-

gen! Ich bin sehr erleichtert, dassdiese Fenster den Komplettumbaudes Gebäudes unbeschadet überstan-den haben.Durch einen Bombenschaden verlus-tig gegangen waren die Stuckdeckenab dem 2. Obergeschoß und auch diebei der Errichtung sicherlich ein-drucksvollen Parkettböden. Als letztesverblichenes Zeugnis der phantasie-vollen Gestaltung waren noch Par-kettböden in den Prunkräumen derBelle Etage sichtbar, diese aber schonin einem beschädigten Zustand, dasseine Restaurierung handwerklichnicht mehr möglich war, und das Bun-desdenkmalamt einer Neuherstellungzustimmte. Mittels der entnommenenProben wurden Muster hergestellt,anhand derer die zur Anwendungkommenden Holzarten farblich fest-gelegt wurden.Die pompösen schmiedeeisernenKandelaber des Hauseingangs unddes Stiegenhauses sowie die aus derZeit vor 1920 stammenden Kristall-luster schließlich wurden von derenursprünglichem Hersteller – der FirmaLobmeyr – sorgsam restauriert undmit technischen Feinheiten für dieheutigen Sicherheitsanforderungenadaptiert.

Fazit

Die knapp bemessene Planungs- undBauzeit war vor allem bei der Durch-führung der Restaurierungsarbeitenim Inneren des Gebäudes von grund-legender Entscheidungsrelevanz: Fürdie Restauratoren war der dicht ge-drängte Baubetrieb in allen Gescho-

ßen keine Erleichterung und nicht dersonst übliche Projektablauf. Der Bau-zeitplan selbst war schon eher eindreidimensionales Konstrukt als einFlow-Chart, der örtlichen Bauaufsichtund auch den Bauleitungen der aus-führenden Firmen wurden Extremleis-tungen abverlangt.Die Neugestaltung im Inneren desGebäudes wurde von dem bekanntenWiener Architekturbüro BEHF unter-stützt. Ein sehr klares Entwurfskon-zept hebt die architektonische Sub-stanz in elegant-zurückhaltenderWeise hervor. Der in zentraler Achsezum Eingang zu begehende Veran-staltungssaal wurde mit einem hand-gesetzten, hellen Terrazzoboden imSinne der Ringstraßenarchitektur be-legt, und die akustischen und techni-schen Erfordernisse von uns in eineumlaufende Holzverkleidung gehüllt(Abb. 72). Den Bauherren war es be-sonders wichtig, dass trotz der promi-nenten Lage des Gebäudes auf weite-ren Prunk verzichtet wird, und dieNeugestaltung eine zurückhaltendeFormensprache spricht. Die Gestal-tung soll für alle Besucher einladendund unprätentiös wirken – ganz imSinne der Institution, die die Wichtig-keit des Miteinanders von Menschenverschiedenster Herkunft betont.

Arch. Mag. Georg GressenbauerArchitekt

� iD-Führung: Palais Sturany,21.10.2016 (s. S. 55)

Abb. 72 (li.): Die Neugestaltung des Veranstaltungssaales im Erdgeschoß; Abb 73 (re.): Prunkraum der Belle Etage im 1. Oberge-schoß mit den vier Deckenfresken von der Künstlerwerkstatt Klimt-Matsch.

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Durch die Abbrüche im Jahr 2015 sindvon den verbliebenen „Vorstadthäu-sern“ im Sinn dieser Rubrik1 vier ver-schwunden. Drei davon befanden sichan der Peripherie der ehemaligen Vor-stadt Landstraße: Landstraßer Haupt-straße Nr.157, Rennweg Nr.52 (ein Teilder ehemaligen „Schwedenbombenfa-brik“) und Nr.73. Das vierte in der Ver-lustliste des vergangenen Jahres seian dieser Stelle zumindest erwähnt, esist das 1828 errichtete, mehrfach ver-änderte, im April 2015 abgetrageneHaus im siebten Bezirk, Zieglergasse69 mit dem Hausnamen „zum RitterSt. Georg“.Das äußerste Ende der LandstraßerHauptstraße bestand bis weit nachdem Zweiten Weltkrieg auf der Nord-ostseite aus einer nur einmal (Ge-meindebau Nr.161, Ecke Schimmel-gasse Nr. 23, errichtet 1952/53) un-terbrochenen Reihe von acht vormärz-lichen Gebäuden: Nr.151, 153, 155,157, 159, 163, 165 und 167. Freilichmuss eingeräumt werden, dass es sich

um schlichte Bauten handelte, die viel-fach umgestaltet worden waren undkunstgeschichtlich wenig bis gar kei-nen Reiz boten. Allein ihre Niedrigkeit,die enorme Breite der Straße und dasvor Entstehung der Neubauten auf dergegenüberliegenden Seite locker ver-baute Gelände der Kaserne gabendem Gebiet eine auffallend anderePrägung (breite Ausfallstraße amStadtrand mit spärlichen kleinen Ge-schäften) als die inneren Teile der ge-schäftigen Bezirkshauptstraße. Die ab-schließenden letzten zwei Gebäudevor der Schlachthausgasse stammenaus der Gründerzeit. Nachdem sechsGebäude aus dem Ensemble ver-schwunden waren, zuletzt um das Jahr2000 die Nr. 153 und 155, standen Nr.157 und 165 jeweils isoliert inmittensie weit überragender modernerWohn- und Bürobauten.Das Haus Nr.157, errichtet um 1840,nach Kriegsschäden mit reduzierterFassade wiederhergestellt, wurde imMai 2015 abgebrochen (Abb. 74 u.

77). Gleichzeitig wurde das Hotel Ga-briel, Nr. 165, aufgestockt, sodass derEindruck von vorstädtischer Peripheriean dieser Stelle nunmehr gänzlich ver-schwunden ist. Die Gewinn verspre-chende Baulücke dürfte mit einemWohnhaus geschlossen werden.2Am nahe gelegenen äußeren Rennwegbefanden sich bis zum Sommer 2015noch drei ehemalige Wohnhäuser ausder Vorgründerzeit, auch hier mit zumTeil starken Veränderungen: Nr. 73,gegenüberliegend das um 1804 er-richtete einstöckige Haus Nr. 56, dasnoch besteht und, im Inneren starkmodifiziert, als Geschäftslokal für denFleischwaren Abholmarkt der FirmaBerger genutzt wird sowie, etwas wei-ter stadteinwärts, Nr.52.Im Juni 2015 wurde das Haus Renn-weg Nr. 73 (Abb. 76) beseitigt. Andem 1790 errichteten einstöckigenGebäude waren bereits zahlreicheUmbauten vorgenommen worden,jahrelang befand sich dort die Auto-vermietung Kalal. Das Haus hatte auf

Vom Verschwinden der Wiener Vorstädte, Folge 63. Bezirk, Landstraße: Letzte Belege am Rand der Vorstadt

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Abb. 74: Landstraßer Hauptstraße Nr.157 während der Abbrucharbeiten, Mai 2015. Es lag keine Schutzzone der Stadt Wien vor.

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der Straßenseite noch seine ur-sprünglichen Proportionen mit demalten Dach wahren können. Auf demweitläufigen Grundstück dahinterwaren relativ moderne Nebenge-bäude gestanden. Auf der frei gewor-denen Fläche wurden im Herbst zu-nächst archäologische Grabungendurchgeführt – es ist davon auszuge-hen, dass Überreste der einstmalsdort gelegenen Zivilstadt Vindobonazu finden waren. Seit dem Abschlussder Untersuchung liegt die Liegen-schaft brach. Wo die hineinragendenmächtigen Abzugsrohre der benach-barten Kaffeerösterei im Neubau3

Platz finden werden, bleibt abzu -warten.Von November 2015 bis Jänner 2016folgte auf der anderen Straßenseiteder Abbruch des Hauses Rennweg 52(Abb. 75): Jahrelang waren die Fens-ter dieses 1825 errichteten zweistöcki-gen Gebäudes von Plakatwänden ver-deckt gewesen, bevor es vor etwa 20Jahren – zumindest die Fassade – sa-niert und im Erdgeschoß das Verkaufs-lokal „ab Werk“ für die Produkte derSüßwarenfabrik Niemetz eröffnetwurde. Das modernere, aber immer

noch historische Fabriksgebäude lagim dahinter gelegenen, der Aspang-straße zugewandten Teil der Liegen-schaft. Das Unternehmen ging 2013 inKonkurs und wird von neuen Eigentü-mern an einem anderen Standort wei-terbetrieben. Die Liegenschaft war be-reits 2012 an einen Immobilienent-wickler verkauft worden, der dorteinen Wohnbau errichten wird.4Bis März 2016 waren auch hier Ar-chäologen am Werk, die in aller Eileden Boden untersuchten, bevor dieBaufahrzeuge auffuhren.

Mag. Thomas BaariD-Mitglied

Anmerkungen1 Das sind die in Renate Wagner-Rieger,

Das Wiener Bürgerhaus des Barock undKlassizismus, Gebrüder Hollinek, Wien1957, Seiten 41-304, angeführten, bis1840 errichteten Wohnhäuser in denheutigen Bezirken 1 bis 9, die im Som-mer 1955 noch standen.

2 www.steinboeck.cc/portfolio-posts/landstrasse-hauptstrasse-157/

3 Link: www.kppk.at/de/projekte/aktuelles#rennweg/

4 www.wienwert.at/property/rennweg-52-1030-wien/

Abb 75 (re.o.): Der Rennweg im November2015: links Nr.56 (Fleischwaren Abhol-

markt, letztes Relikt der alten Bebauung),rechts Nr. 52 im Abbruch. Auch hier be-

stand keine Schutzzone; Abb. 76 (re.u.):Das Vorstadthaus Rennweg Nr.73, im Jahr

1790 errichtet, im Juni 2015 abgerissen;Abb. 77 (li.): alter Holzpawlatschengang im

Haus Landstraßer Hauptstraße 157.

Am südwestlichen Abhang des Kü-niglberges lag früher der Großteil derLainzer Weingärten. Den unteren Randsäumte eine Reihe alter Weinbauern-Häuser, im Nordwesten beginnend mitder Konskriptionsnummer 1, dem An-wesen des Weinhauers Franz Wamba-cher. Von den 19 Häusern in dieserReihe wurden im Jahr 1819 noch 16von Weinbauern bewirtschaftet, undÄhnliches galt für den Rest des Dorfes.Doch damals hatte bereits ein grund-legender Strukturwandel eingesetzt.Adeliger Besitz, wie das Jagdschlossund das Gartenpalais de Pauli, Zeugenfrüherer Beliebtheit des Ortes alsJagdgebiet, waren in den Besitz bür-gerlicher Geschäftsleute gekommen.Die Mobilität stieg, die Stadt rückteimmer näher, und der von Trockenheitund Krankheiten geplagte Weinbauunterlag. In der 2. Hälfte des 19. Jahr-hunderts bauten immer mehr Ge-schäftsleute ihre Villen und Häuser aufden ehemals landwirtschaftlichen Flä-chen, die Gewerbelandschaft wurdevielfältiger und der Dorfcharakter ver-blasste zusehends. Manche Bauernwaren geschickt genug, um aus demWandel Nutzen zu ziehen. Herr Wam-bacher konnte sich zum stadtbekann-ten Meiereibesitzer hocharbeiten, indessen Haus die Mitglieder des kaiser-lichen Hofes verkehrten. Im Jahr 1884stellte die Familie mit Karl Wambacherauch den letzten Bürgermeister vonLainz, der die Eingemeindung nachWien zu exekutieren hatte. Doch diemeisten der ehemaligen Bauern muss-ten ihre Häuser vermieten oder ver-kaufen. Auch die Geschichte des Ju-lien-Hofes in der Lainzer Straße 147 isteng mit diesem Strukturwandel ver-bunden, und an seinem Beginn stehtder Rückzug der Weinhauerfamilie

Fasset (auch Faseth). Nachfahren desHauers Joseph Fasset verkauften dasHaus Konskriptionsnummer 12 bzw.Lainzer Straße 147 mit Vertrag vom27. Juli 1884 an den Herrn Jakob Wei-ner. Dieser ließ das alte landwirtschaft-liche Gemäuer noch im selben Jahr zurSeite schieben und von Herrn Bau-meister Wambacher ein zweigeschoßi-ges Wohnhaus im späthistoristischenStil erbauen. Nach Umbauten 1896und 1907 verfügte das Gebäude inklu-sive seiner Flügelbauten über zwei Ge-schäftslokale und sieben Wohnungen.Mit der Frage nach der näheren Bau-geschichte und der Benennung desHauses in „Julien-Hof“ beginnt das Di-lemma des Regionalhistorikers, denndie alten Bauakten sind derzeit nichtauffindbar, andere Unterlagen sind ge-rade (und das kann Jahre dauern)beim Einscannen oder sie sind Opfervon Archivverkleinerungen. Für dieFrage nach der Benennung des Ge-bäudes in „Julien-Hof“ gibt es dahernur den naheliegenden Hinweis imgleichnamigen Vornamen der FrauJakob Weiners. Doch die mit dem Paktvom 24. März 1859 beginnende Ehevon Jakob und Juliana Weiner dürftenicht ganz friktionsfrei verlaufen sein.Darauf lassen der grundbücherlich do-kumentierte Kampf um das Recht aufGütergemeinschaft und um den hal-ben Julien-Hof schließen. Ob also dasGebäude gleich oder später zum „Ju-lien-Hof“ wurde, ist ungewiss. Rechtbald nach dem Tod Jakob Weiners er-folgte 1899 der Verkauf.Von den weiteren Eigentümern sindJohann und Milada Nothart hervorzu-heben. Sie sind Nachfahren des Wein-hauers Sigmund Nothhardt (später:Nothart) im Nachbarhaus Konskripti-onsnummer 13 bzw. Lainzer Straße

149. In der Reihe der Nachfahren be-findet sich mit dem WirtschaftsbesitzerFranz Nothart auch ein Bürgermeistervon Lainz (von 1861 bis 1864). Gleichder Familie Wambacher – aber nichtganz so erfolgreich – reagierten auchdie Notharts auf den Niedergang desWeinbaus mit dem Wechsel zur Milch-meierei. Nach dem Ersten Weltkriegwurde daraus ein Kaffeehausbetrieb:In Lehmanns Adressbuch der Jahre1921/22 sind Franz Nothart erstmalsals Kaffeeschänker und sein Sohn Jo-hann als Kaffeesieder eingetragen.Später wurde von der Familie auch einKohlenhandel betrieben. Johann undMilada Nothart waren erfolgreichgenug, um 1925 den benachbartenJulien-Hof zu kaufen. In den beidenGeschäftslokalen des Julien-Hofes sindzu dieser Zeit ein Farben- und Lacke-handel Martin und ein Delikatessenge-schäft Partusch überliefert. Im Hauswohnten und/oder arbeiteten u.a.auch eine Hebamme, ein Schlosser,eine Staatsbibliothekarin, ein Fleisch-hauer, ein Gebäudeverwalter, die Be-treiberin eines Modesalons und ein Fo-tograf. Doch für die Erhaltung derHäuser – und damit betreten wir all-mählich den Erinnerungsbereich le-bender Zeitgenossen – scheint nichtgenug Geld da gewesen zu sein. DerJulien-Hof auf Nr. 147 und das uralteWeinbauernhaus daneben auf Nr. 149begannen irgendwann zu verfallen undMargarete Girardi hat den Julien-Hofschon in ihrem 1947 erschienenenBuch (Wiener Höfe einst und jetzt, E.Müller Wien, S. 112) als Schandfleckbezeichnet.Dazu kam Anfang der 1990er-Jahredie Verpachtung des KaffeehausesNothart an einen Außenstehenden,dessen Geschäftspraxis zu vielen Poli-

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Der Julien-Hof in Wien-Lainz

Abb. 78: Der Julien-Hof. Fotografiert 1898. Eines der wenigen historischen Fotos mit der gesamten Häuserfront inkl. Julien-Hof in derBildmitte (Lainzer Straße 147) und dem rechts anschließenden, ebenerdigen Nothart-Haus (Lainzer Straße 149).

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zeieinsätzen führte und diesen Fleckenin zusätzlichen Verruf brachte. Die Be-mühungen einer Auflösung des Pacht-vertrages scheiterten lange, doch An-fang der 2000er-Jahre konnte mansich einigen, und das nicht mehr sa-nierbare uralte Weinbauernhauswurde bald darauf abgebrochen.

Aktuelle Entwicklung

Einer großflächigen Verwertung desAreals Lainzer Straße 147 und 149stand der leer stehende Julien-Hof imWege, und die Besitzer stellten im Jahr2006 einen Abbruchantrag. Die begut-achtende MA 19 stufte das Objekt alswesentlichen Teil der Schutzzone Lainzund daher als erhaltungs- und sub-ventionswürdig ein. Damit war der Ab-bruch verhindert, doch eine Sanierungwurde aus heute nicht mehr nachvoll-ziehbaren Gründen verabsäumt. Sehrwohl abgebrochen wurden die hinte-ren Flügelbauten. Nachhaltiger Zank-apfel war auch die Ausgestaltung einesWegerechtes zwischen den beidenGrundstücken hinauf zum Küniglberg.Nach jahrelangen Diskussionen brach-ten neue Investoren Bewegung in dieSache. Das Architektenteam S+B

Gruppe erarbeitete ein Projekt für dieNeugestaltung des Julien-Hofes. Ge-plant sind ein Geschäftslokal und 36Wohneinheiten sowie 39 Abstellplätzein der Tiefgarage. Die Quadratmeter-preise der Wohneinheiten werden mitmindestens € 4.000 angesetzt. Der„alte Julien-Hof“ soll im Wesentlichenerhalten bleiben, und auf den Erhaltder Fassade soll speziell geachtet wer-den. Abweichungen soll es bezüglichder Bauhöhe bzw. bei den Fenstern inden Dachflächen geben. Die Einfahrtin die Tiefgarage „Julien-Hof NEU“ sollim Kreuzungsbereich Fasangarten-gasse/Lainzer Straße errichtet wer-den. Geplant ist auch die Übersiedlungder Polizeistelle Gloriettegasse mitmehr als 50 Polizistinnen und Polizis-ten in das Geschäftslokal des Julien-Hofes. Nach anfänglicher Kritik an ein-zelnen Punkten des Projektes (fehlen-des Verkehrskonzept, kein örtlichesParkplatzkonzept, Einfahrt im ver-kehrsreichen Kreuzungsbereich)herrscht nunmehr weitgehende Ak-zeptanz, und der Baubescheid hatRechtskraft erlangt hat. Laut dieserBaubewilligung muss die Möglichkeitfür einen drei Meter breiten Weg zum

Küniglberg geschaffen werden, diesermuss aber nicht offen sein.Die Lebens- und Arbeitsqualität in denentstehenden Gebäuden wird zwei-felsohne zufrieden stellend sein, undder Bereich um den Lainzer Ortskerneine wirtschaftliche Aufwertung erfah-ren. Ob der Gebäudekomplex auchdem Sinn der Schutzzone gerechtwerden kann, steht allerdings aufeinem anderen Blatt. Positiv ist dieweitgehend unveränderte Erhaltungder Straßenfassade des Haupttraktesdes Julien-Hofes zu werten, doch dievon heutigen Rentabilitätsvorgabendominierte Bauweise des anschließen-den Traktes wird die historische Ge-bäudezeile weiter verändern. Für denPlatz als Geschäftszentrum negativ zuwerten ist der Wegfall der beiden Ge-schäftslokale im historischen Trakt unddie weitgehende Geschäftslosigkeitdes modernen Teiles.

Dr. Josef HolzapfelOrtschronist von Ober St. Veit

� www.1133.at� iD-Führung durch Lainz mit DIHeinz Gerstbach, 1.4.2017, 10 Uhr

Abb. 79 (li.o.): Lainz im Brequin-Plan 1755 (nicht genordet). Dieser Plan zeigt noch das alte Bauerndorf mit den Weinbauernhäusernentlang des großen Weinberges, dem Südwesten des heutigen Küniglberges. Im grünen Kreis sind die längst verschwundenen Häu-ser der Familie Fasset (Konskriptionsnummer (CNr.) 12) und Nothhardt (CNr. 13) eingezeichnet. An der Stelle des Hauses CNr. 12steht heute der Julien-Hof, Lainzer Straße 147; Abb. 80 (li.u.): Die Geschäfte im Julien-Hof nach dem zweiten Weltkrieg. Dem Far-ben- und Lackehandel war links das Obst- und Gemüsegeschäft der Lore Krieger gefolgt und rechts war aus dem Delikatessenge-schäft ein Bonbon-Geschäft geworden. Durch das Einfahrtstor des Julien-Hofes gelangte man in den Gastgarten des nebenan ge-führten Café Nothhart; Abb. 81 (re.o.): Der Julien-Hof im 13. Bezirk (Hietzing) Fotografiert am 4. März 2015, während des Abbru-ches der hinteren Gebäudeteile; Abb 82 (re.u.): Modellansicht des Bauvorhabens Lainzer Straße 147 und 149.

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Im Halleiner Ortsteil Kaltenhausen ste-hen die Gebäude einer der einst be-deutendsten Brauereien Österreichs,des Hofbräu Kaltenhausen (SalzburgerStraße 57). Die Homepage der Braue-rei verweist stolz darauf, die ältesteBrauerei Salzburgs zu sein, jedoch istauf der Internet-Seite selbst nichtsüber die tatsächliche Geschichte zufinden.Der Name „Kaltenhausen“ beruht aufeinem geologischen Phänomen. In denLagerkellern der Brauerei herrschtdurch einen Luftzug aus Windröhrenbzw. Felsspalten in den Barmsteinen,den beiden Bergfelsen hinter derBrauerei, eine ideale Lagertemperatur.1475 wurde die Brauerei vom Salzbur-ger Bürgermeister Hans Elsenheimerauf einer vorhandenen Hofstatt er-baut, die ihm der Fürst-ErzbischofBernhard von Rohr leihweise überlas-sen hatte. 1489 verkaufte der SohnElsenheimers die Brauerei an Fürst-Erzbischof Leonhard von Keutschach,dadurch ging sie in die fürsterzbischöf-liche Hofkammer über.Die Brauerei entwickelte sich durch dieFörderung der Erzbischöfe zur größtenBrauerei im Land Salzburg und wareine starke Konkurrenz zu den bürger-lichen Brauhäusern. Bereits 1646 wur-den in zwei Sudpfannen 12.800 EimerBier gebraut. 1648 wurde eine Zweit-niederlassung in der Stadt Salzburgbeim Nonntaler Tor eingerichtet. Die

Stellung des Brauhaus Kaltenhausenwurde auch durch das Biermonopol(1652-1681) gestärkt, als den bürger-lichen Brauereien die Lieferung vonBier außerhalb des Stadtgebietes ver-boten war.Als 1803 die weltliche Macht der Fürst-erzbischöfe zu Ende ging, gelangte dieBrauerei in den Besitz des neuenösterreichischen Landesherrn, Ferdi-nand Erzherzog von Österreich, 1806schließlich an Kaiser Franz I. vonÖsterreich. 1815 kaufte KurfürstinMaria Leopoldine von Österreich-Estedie Brauerei für 150.000 Gulden. DieKurfürstin und ihr Sohn, Maximilianvon Arco-Zinneberg, machten dieBrauerei zu einem der führenden In-dustriebetriebe des Landes. Vor allemwurde die Brauerei laufend moderni-siert. In der Mälzerei wurde die ersteDampfmaschine im Land Salzburgaufgestellt.In Salzburg gab es noch fünf weitereBrauereien die mehr als 10.000 hl Bierpro Jahr produzieren konnten. Kalten-hausen produzierte jedoch mehr alsalle fünf zusammen und besaß in Salz-burg einen Marktanteil von 35,1%. Vorder Industrialisierung beschränkte sichder Absatz auf die umliegenden Ortevon Salzburg und Hallein. Nach 1860vergrößerte sich das Gebiet undschloss Ober- und Niederösterreichsowie Tirol mit ein.1921 war die Brauerei ein Grün-

dungsmitglied der ehemaligen „Brau-bank AG“. Ziel der zusammenge-schlossenen Brauereien war es, durchgemeinsame Einkaufs- und Ausrüs-tungspolitik die Braustätten einer ein-heitlichen kaufmännischen Führungzuzuführen und den Wettbewerb un-tereinander zu verhindern.1925 wurde der Firmenwortlaut in„Österreichische Brau Aktiengesell-schaft“ geändert, wodurch die recht-liche Verschmelzung der Brauereienzum Ausdruck kam. 1998 schließlichfusionierte die „Österreichische BrauAG“ mit der „Steirerbrau“ zur „BrauUnion Österreich AG“, die heute zurniederländischen Heineken-Gruppegehört.Bis 2010 wurden auf dem Geländevon Kaltenhausen die Biersorten „Kai-ser“ und „Edelweiß“ gebraut, 2011wurde der großtechnische Brauerei-betrieb in Kaltenhausen eingestellt,die Produktion nach Zipf bzw. Wiesel-burg verlagert.Heute besteht in Kaltenhausen nebendem Braugasthof die „Spezialitäten-Manufaktur Kaltenhausen“, eine Klein-brauerei mit Seminarangeboten.

Die Gebäude

Überblickt man das Gelände derBrauerei, so wird schnell klar, dass ander dem Berg zugewandten Seite dieursprünglichen Teile stehen. Der sehrverwinkelte Gebäudekomplex passtsich dem Gelände an. Er umfasstheute ein Sudhaus, alte Malzböden,ein Gasthaus und den Rupertikeller.Höher gelegen überblickt ein Doppel-giebelhaus, das so genannte Brau-meisterhaus aus dem 15./16. Jahr-hundert, das Gelände (Abb. 87). Die-ses Haus ist schon seit mehreren Jah-ren unbewohnt und in einem verwahr-losten Zustand. Zudem stehen hiernoch eine bewohnte Villa und einBrunnenhaus. All diese Gebäudestammen aus der Zeit vor der Indus-triellen Revolution. An der gegenüber-liegenden Straßenseite stehen Ge-bäude aus dem 19. Jahrhundert: einPferdestall, ein villenartiges Haus mitgroßem Garten, Schuppen, Werkstät-ten und Lagerräume, ein Sudhaussowie die große Mälzerei mit Festsaal.Die Mälzerei ist das größte und impo-santeste Gebäude aus dem 19. Jahr-hundert. Der Mittelrisalit ist fünfStockwerke hoch, die Seitenteile zweiStockwerke niedriger. Die Fenstertei-

Brauerei Kaltenhausen - Ein Zerfallsprozess

Abb. 83: Der Abbruch der Mälzerei der Brauerei Kaltenhausen im Juli 2016, Ansicht vonSalzburg kommend.

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Nachrichten der Initiative Denkmalschutz – Nr. 22 / Jänner-April 2016

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lung und -größen wurden straßenseitiggering verändert, wären aber jederzeitauf die ursprünglichen Segmentbo-genfenster, wie sie rückseitig nochvorhanden sind, rückführbar. Straßen-seitig befinden sich zwei große Tore,ebenfalls mit Segmentbogen. Der So-ckel ist aus Natursteinquadern gemau-ert und das Gebäude besitzt zwei cha-rakteristische Ziegelschornsteine. Inden 50er Jahren des 20. Jahrhundertswurden ein Festsaal und vermutlichauch das neue Sudhaus angebaut.Unter der Mälzerei befinden sich dieEinfahrten in die großen Tunnel, diemit Lastwagen befahrbar sind. DieseTunnel gehen unter der Straße und deralten Brauerei bis tief in der Berg hi-nein (Abb. 84).In den Stollen der Barmsteine produ-

zierten während des Zweiten Welt-kriegs die „Grill-Werke“ unter anderemBMW Flugzeugmotoren und Teile fürdas Jagdflugzeug „Me 262“. Es wurdenauch Granaten produziert, die „ton-nenweise bis in die 1960er in Kalten-hausen herum lagen.“1

Das Gelände der Mälzerei wurde vonder Firma „Holz Deisl“ (Adnet) gekauftund wurde nun, samt den Tunnelein-gängen, abgerissen (Abb. 83 und 86).Anstelle der Mälzerei soll eine Palet-tenfabrik entstehen.Die restlichen Gebäude aus dem 19.Jahrhundert sind ebenso an unter-schiedliche neue Eigentümer verkauftworden. Auch im Bereich der altenBrauerei steht außer einer kleinen Ka-pelle nichts unter Denkmalschutz. Am„jüngeren“ Areal kann man noch Mau-

erteile einer hohen Umfassungsmauer(vermutlich 16. Jahrhundert) sehen. Eine Brauereianlage dieser Art gibt eskein zweites Mal in Österreich, siesollte als Gesamtensemble erhaltenbleiben. Für die große Mälzerei hättesich auch eine andere Verwendungunter Erhalt der Bausubstanz gefun-den. Es ist eine Schande, dass beieiner historisch derart wichtigen An-lage nur eine kleine Kapelle unterSchutz steht und der Rest völlig miss-achtet wird.

Dipl. Ing. Gerd SeidliD-Landesobservator Salzburg

Anmerkung1 http://www.salzburg.com/wiki/index.php/

Grill-Werke

Abb.84 (o.li.): Einfahrten in die vom kalten Bergwind durchlüfteten Brauereistollen, dahinter die Mälzerei und die Barmsteine (= Bergfel-sen); Abb. 85 (o.re.): Diese alte Holztreppe im ursprünglichen Teil der Brauerei bildet den Aufgang zu den einstigen Malzböden (= Ge-treidespeicher); Abb. 86 (li.u.): Der Abbruch der Mälzerei der Brauerei Kaltenhausen im Juli 2016, Ansicht von Hallein kommend; Abb.87(u.re.): Das unbewohnte Braumeisterhaus, ein Doppelgiebelhaus aus dem 15./16. Jh. im Bereich der Brauerei, verfällt derzeit.

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Kärnten - Klagenfurt: Mautner-Markhof-Fabrik (ehem. Fischl-Fabrik) weicht Übungsgelände

Im April wurde die historische Spirituosen- und Presshefe-Fabrik Sigmund Fischl & Co. in Klagenfurt-St. Peter abge-rissen (Fischlstraße 34). Gegründet 1840, wurde der Be-trieb 1891 vom Großindustriellen Sigmund Fischl übernom-men und ausgebaut, zuletzt betrieb der Mautner-Markhof-Konzern die Anlagen. In den 1970er Jahren wurde der Be-trieb stillgelegt. 2013 hatte der Landesfeuerwehrverbanddas Gelände übernommen und den Schlot gesprengt.Wegen umfangreicher Entsorgungsarbeiten auf dem Ge-lände verzögerte sich der geplante Abriss. In Verhandlun-gen mit dem Bundesdenkmalamt war ursprünglich vorge-sehen, eine Halle und einen Turmteil zu erhalten. Dochnach einem Brand und anhaltender Verwahrlosung werdenvon dem Ensemble nur das Tor und das Pförtnerhäuschenstehen bleiben, wie die Kleine Zeitung (5.2.2016) berichtet.Der Verfall war zu weit fortgeschritten und das Ensemblein seiner Gesamtheit nicht zu erhalten, begründet Landes-konservator Goran Živkovič den Rückzieher. Das Geländesoll in Zukunft als Feuerwehr-Übungsgelände dienen.

Niederösterreich - Herzogenburg: Abriss des „Herzog-Hauses“

Ein hohes Alter und eine Lage im historischen Stadtzen-trum haben das Herzogenburger „Herzog-Haus“ leidernicht vor der Demolierung bewahrt: Das aus dem Jahr1531 stammende Gebäude mit seiner Barockfassade(Kremser Straße 14) wurde zusammen mit Teilen des an-grenzenden ehem. Gasthauses „Zum Goldenen Stern“, derältesten Gaststätte der Stadt, im März abgerissen (Nieder-österr. Nachrichten, 18.3.2016). Die Gebäude müssen demNeubau eines „City-Hotels“ Platz machen, nachdem der zu-letzt darin befindliche Jugendclub ausgezogen war.

Niederösterreich - Neunkirchen: Zur Zukunft desMaschinenhauses der Schraubenwerke

Der Bürgermeister von Neunkirchen will das denkmalge-schützte Kesselhaus der Neunkirchner Schraubenwerke(NSW; ehem. Brevillier Urban & Sachs) verkaufen (Bezirks-blatt Neunkirchen, 16.5.2016). Von der NSW-Fabrik in derUrbangasse 12 (bzw. Wiener Straße 23), welche eine derbedeutendsten Industrieanlagen der Österr.-UngarischenMonarchie war und nach 1998 größtenteils abgerissenwurde, stehen das Kessel- und Maschinenhaus, das Kraft-werk mit Wasserturm und die Kaltpresserei unter Denkmal-schutz. Mit seiner erhaltenen maschinellen Ausstattungstellt das Maschinenhaus ein industriehistorisches Juweldar, freilich unbemerkt von einer breiteren Öffentlichkeit.Seit Jahren wird über die Zukunft des Geländes diskutiert,auch die Etablierung eines Industriemuseums war ange-dacht. Die Stadt Neunkirchen ist gut beraten, beim Verkaufdie hohe historische Bedeutung des Objektes für Stadt undLand nicht aus den Augen zu verlieren.

Niederösterreich – Wachau / Weißenkirchen: Bausünden im Weltkulturerbe

Auch das Weltkulturerbe Wachau ist nicht gefeit vor frag-würdigen Veränderungen durch moderne Neubauten. Ak-tuell steht in Weißenkirchen ein Projekt in der Diskussion,das drei Appartement-Häuser an der Oberen Bachgasse

kurzmeldungen

Abb. 88: Kärnten - Klagenfurt: ehem. Fischl-Fabrik, April 2013

Abb. 89: NÖ - Herzogenburg, Kremser Straße 14 (re.) u. 16 (li.)

Abb. 90: NÖ - Neunkirchen: NSW (Neunkirchner Schrauben-werke), Wasserturm (li.) u. Maschinenhaus (re.), Foto: 2009

Abb. 91: Niederösterreich-Weißenkirchen, ursprüngl. Erstentwurf

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vorsieht, die – an den Felshang gebaut – durch ihr Erschei-nungsbild und Struktur das Ortsbild nachhaltig zu schädi-gen drohen. Eine örtliche Bürgerinitiative und der neu ge-gründete Verein Arbeitskreis Welterbe Wachau haben einePetition gestartet und mehr als 600 Unterschriften gegendas Projekt gesammelt (siehe www.arbeitskreiswelterbe-wachau.at). Ein Gutachten des Gebietsbauamtes Kremshat dem Projekt bereits in knappen Worten, die nicht wirk-lich auf eine fundierte Auseinandersetzung mit den lokalenGegebenheiten schließen lassen, bescheinigt, ins Ortsbildzu passen. Einen eigenen Bebauungsplan, der strengereRichtlinien enthalten könnte, gibt es in Weißenkirchennicht. Zwei Gutachten sind noch ausständig, zudem wur-den auch das Bundesdenkmalamt sowie ICOMOS, derDenkmalbeirat der UNESCO, um eine Stellungnahme ge-beten, wie „Der Standard“ berichtete (12.5.2016).

Oberösterreich - Gmunden: Kösslmühle in der Diskussion

In Gmunden steht die Zukunft der historischen Kösslmühlean der Traun (Kösslmühlgasse 7) im Mittelpunkt heftigerDiskussion. Das mächtige Mühlengebäude stammt im Kernwohl noch aus dem Mittelalter und war lange im Besitz desFrauenklosters Traunkirchen. Leider steht es nicht unterDenkmalschutz, der Eigentümer möchte es abreißen undan seiner Stelle ein Seniorenheim errichten, obwohl es aus„Ortsbildgründen wünschenswert wäre, das Objekt zu er-halten“, so Otto Kienesberger von den Grünen Gmunden(OÖ Nachrichten, 7.5.2015). Die ersten Pläne zum Neubauhaben heftige Ablehnung hervorgerufen: Visualisierungenzeigen einen massiven Glas-Stahlbau, der um rund einDrittel höher als der bestehende Bau ist und sich in keinerWeise ortsbildverträglich präsentiert. Die Stadt verweigertedie notwendige Änderung des Bebauungsplanes vorerstund pocht auf eine Überarbeitung. Woraufhin die Investo-ren damit „drohten“, die Kösslmühle dem Innenministe-rium anzubieten, das hierin ein Flüchtlingsquartier für 150Asylbewerber unterbringen möchte. Die Stadt steht nun inweiteren Gesprächen mit den Bauwerbern, die Möglichkeiteines zumindest teilweisen Erhaltes des für das Ortsbildwichtigen Gebäudes steht dabei aber offenbar nicht zurDiskussion.

Oberösterreich - Oftering: „Bauernhaus“ muss weichen

In der Gemeinde Oftering bei Linz musste im Ortszentrumein als „Bauernhaus“ bekanntes historisches Wohnhauseinem Parkplatz weichen. Das einstöckige Gebäude mit sei-ner Putzgliederung in der Tradition spätbarock-biedermei-erlicher dörflicher Wohnhäuser war gut erhalten und Ideenfür eine Weiternutzung gab es viele. Als die Abrisspläne pu-blik wurden, wandten sich mehrere Ofteringer Bürger andie Initiative Denkmalschutz mit der Bitte um Unter-stützung. In einer Presseaussendung haben wir daraufhingefordert, die Abrisspläne sofort zu stoppen, das Gebäudezu erhalten und Nutzungskonzepte für dieses historischeWohnhaus zu entwickeln. In seiner Antwort zeigte sich Bür-germeister Dietmar Lackner jedoch uneinsichtig und ver-neinte kurzerhand die historische Bedeutung des Gebäudesin der Freilinger Straße 2, die „nicht durch Gutachten be-legbar“ sei (Bezirks-Rundschau Linz Land, 17.3.2016).

Salzburg - Oberndorf bei Salzburg: Historische Brauerei Noppinger abgerissen

„Stille Nacht“ heißt es für die ehemalige Brauerei Noppingerin Oberndorf bei Salzburg. Die Gebäude der 1630 gegrün-deten Brauerei wurden vor wenigen Wochen abgerissen.Sie war 1985 an die Brauerei Schnaitl verkauft worden, dieden Betrieb daraufhin schloss. Bis 1997 wurde noch derBraugasthof weitergeführt, seither verfielen die Gebäudezusehends, dazu war starker Vandalismus zu verzeichnen.

kurzmeldungen

Abb. 93: Oberösterreich - Oftering bei Linz, spätbarock- biedermeierliches Wohnhaus

Abb. 94: Salzburg - Oberndorf, Brauerei Noppinger

Abb. 92: Oberösterreich - Gmunden, Kösslmühle

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Zu den abgerissenen Gebäuden gehört auch der gotischeKernbau: Gewölbe, steinerne Fensterlaibungen und eineJahreszahl (1575) an einer Holzdecke weisen auf das hoheAlter des hier zerstörten Ensembles hin. Die Brauerei ge-hörte zur Häuserzeile „Schifferhäuser“ am Schopperweg,die meisten dieser Gebäude stehen unter Denkmalschutz,sind zum Teil aber baufällig. Auf dem Areal der Brauereiplant die „Salzburg Wohnbau“ den Bau von 32 neuen Woh-nungen.

Steiermark - Graz: Abbruch Villa Eggenberger Allee

Die dreigeschoßige Villa in der Grazer Eggenberger AlleeNr. 10 zeichnete sich durch klassizistisches Baudekor ausund dürfte wohl in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundertserbaut worden sein. 1902 kam es zu geringfügigen Um-bauten. Das interessante Gebäude war weder denkmalge-schützt noch lag es in einer Altstadt-Schutzzone, es wurdejedoch vom Welterbe-Korridor, der die Innenstadt mitSchloss Eggenberg verbindet, berührt - was als Schutz-maßnahme aber wirkungslos ist. Anfang des Jahres er-folgte noch eine Überprüfung seitens des Bundesdenkmal-amtes, kurz nachdem bekannt wurde, dass der Villa keinSchutz zukommt, begann der Abriss. (www.bauge-schichte.at, 28.4.2016)

Steiermark - Graz: Haus Albrecher-Leskoschek –Rettung in letzter Minute?

Das kurz vor dem „Anschluss“ errichtete Haus Albrecher-Leskoschek von Herbert Eichholzer, das demnächst abge-rissen werden soll, ist ein wichtiges Beispiel für das Bauender Moderne in Graz (Hilmteichstraße 24). Als modernesGesamtkunstwerk mit Stahlrohrmöbeln und Stoffen vonJosef Frank und mit einem Wandbild von Axl Leskoschekausgestattet, diente es auch als Treffpunkt und „Deck-adresse“ des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus.Ab den 1960er-Jahren wurde es stark verändert und stehtheute leer. Im Rahmen der Architekturtage fand am5.6.2016 eine letzte Besichtigungsmöglichkeit statt, veran-staltet vom Grazer Kultur-Verein „Clio“. Im Rahmen dessenkonnte festgestellt werden, dass das Haus nicht nur nichtbaufällig, sondern noch immer in weiten Teilen als Zeugnisfrüher moderner Wohnkultur erlebbar ist, auch wenn lautBundesdenkmalamt „die ursprüngliche architektonischeund künstlerische Gestalt heute kaum zu erkennen“ sei.Eine Unterschriftenaktion mit dem Ziel, den Bau zu erhal-

ten wurde kurzerhand gestartet und als Petition Bürger-meister Nagl und Stadträtin Kahr am 7. Juni 2016 überge-ben (www.baugeschichte.at).

Steiermark - Graz: Abbruch der Egger-Mühle

Dass Mühlen vielfach gefährdet sind, zeigt u.a. das Beispielder ehemaligen Egger-Mühle in Graz-Liebenau (Am Mühl-graben 10). Nach Angaben der Besitzer war vor etlichenJahren geplant, das Mühlengebäude mit dem Wohnhaus zusanieren und dafür um Mittel vom Revitalisierungfonds an-gesucht worden. Die zahlreichen Behördenvorschriften ver-eitelten das Vorhaben, dabei stand die Mühle nicht einmalunter Denkmalschutz. Anfang dieses Jahres haben die Be-sitzer um Abbruch des Objektes angesucht, was im Mai2016 zum tatsächlichen Abriss führte. (Quelle: Peter Lauk-hardt / www.baugeschichte.at)

Vorarlberg - Feldkirch: Graf Hugo Jugendheim vorAbriss

Das älteste Jugendhaus Vorarlbergs soll abgerissen wer-den. Das 1905 im Heimatstil erbaute „Graf Hugo“ (Widnau10) wurde von der Stadt Feldkirch an die Arbeiterkammerverkauft. Weil das ursprünglich als Waisenhaus erbauteGraf Hugo weder unter Denkmalschutz stehe noch „zu ver-nünftigen Bedingungen“ saniert werden könne (vgl. ORFVorarlberg, 25.2.2016), werde es abgerissen, so der Arbei-terkammer-Direktor Rainer Keckeis. Ein Abbruchbescheidder Stadt liegt bereits vor. Die Initiative „Graf Hugo bleibt“setzt sich für die Erhaltung des traditionsreichen Kulturzen-trums im Zentrum der Stadt ein, fordert einen Rückkaufund die Sanierung des Objekts. Rund 1800 Unterstützer-Unterschriften konnten inzwischen gesammelt werden:www.grafhugobleibt.at

Wien - Innere Stadt: Bauernmarkt 1 - Sanierungmit Unstimmigkeiten

Das barocke Haus am Bauernmarkt 1 (OppenheimerschesHaus) wird nun nach jahrelangen Diskussionen saniert. ImJahr 2001 von der Stadt verkauft, sind in den Jahren bisheute sukzessive alle Mieter des Hauses zum Auszug ge-drängt worden. Jetzt ist es nur noch ein Altmieter, der indem Haus mit einem alten Mietvertrag lebt. Mittlerweilesind laut Information der Grünen sechs Räumungsklagenanhängig. Das Bauvorhaben des Eigentümers, des Immo-bilienunternehmens Lenikus, besteht seit mehreren Jahren

kurzmeldungen

Abb. 95: Steiermark - Graz, Villa in der Eggenberger Allee 10

Abb. 96: Vorarlberg - Feldkirch, „Graf Hugo“ Jugendheim

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– neben Sanierung der Wohnungen sind an der prominen-ten Stelle der Wiener Innenstadt Geschäftslokale und Aus-stellungsräume geplant. Mittlerweile ist das Haus eingerüs-tet und ein Teil des Dachstuhls abgetragen. Dieser steht –wie das gesamte Haus – unter Denkmalschutz. Allerdingshatte das Bundesdenkmalamt Wien dem Eigentümer einengültigen Bescheid ausgestellt, der eine Veränderung zu-lässt. Dieser stammt noch aus der Zeit der vorletzten Vor-gängerin des derzeitigen Abteilungsleiters für Wien Fried-rich Dahm. „Heutzutage würde es so einen Bescheid nichtmehr geben.“ wird Dahm auf „wien.orf.at“ (11.6.2016) zi-tiert, etwas widersprüchlich zum Unterschutzstellungsbe-scheid von 2002, wo von einer fehlenden Authentizität desDachstuhls die Rede ist. Der Eigentümer hat inzwischenverlautbart, nur einen Teil des Dachstuhls umzubauen unddarüber hinaus sämtliche Auflagen des Bundesdenkmal-amts „mit Punkt und Beistrich“ erfüllen.

Wien-Landstraße: „Nachdenkpause“ in SachenHochhaus Eislaufverein

Unser Verein hat die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Wolfgang Listbeauftragt die Planungen des vielfach umstrittenen Hoch-hausprojekts am Heumarkt juristisch zu beleuchten. DieExpertise wurde in einer von der Initiative Denkmal-schutz veranstalteten Pressekonferenz am 10. Mai imCafe Landtmann präsentiert. Dabei ging es nicht nur umdie von der Stadt Wien forcierte Stadtplanung, die einenKonfrontationskurs gegen das Welterbe fährt (besagtesHochhausprojekt, neues Hochhauskonzept und „Master-plan Glacis“; vgl. Denkma[i]l Nr. 20/2015, S. 26ff.) sonderninsbesondere um die EU-Richtlinie 2001/42/EG betreffend„Strategischer Umweltprüfung“, die seitens der Stadt Wiennicht EU-rechtskonform umgesetzt wird, sodass wesentli-che Mitwirkungsrechte den Bürgern und NGOs vorenthaltenwerden. Eine Beschwerde bei der EU-Kommission wird ein-gereicht. Nur drei Tage nach der Pressekonferenz verkün-dete die Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou(Grüne) eine „Nachdenkpause“ aufgrund der „starken Be-denken“, die von mehreren Architekturinstitutionen undStellen an dem Projekt geäußert wurden. So hatte auch derFachbeirat für Architektur und Stadtgestaltung die Höheund Proportionen des Wohnturms kritisiert. Jetzt im Juli hatdas UNESCO-Welterbekomitee in seiner Sitzung in Istanbuldie Stadt Wien verwarnt und aufgefordert die Planungsin-strumente und Richtlinien zu überarbeiten. Gleichzeitigwird gedroht: "Im Falle der Bestätigung der festgestelltenGefahr für den außergewöhnlichen universellen Wert Wienswird auf der 41. Sitzung des Welterbekomitees 2017 überdie Eintragung des Historischen Zentrums von Wien in dieRote Liste des gefährdeten Welterbes entschieden."

Wien-Landstraße: Deutsche Botschaft wird abgerissen

Die 1959-65 von Architekt Rolf Gutbrod (1910-1999) er-baute Deutsche Botschaft in der Metternichgasse 3 gilt vie-len als erhaltenswerter Bau der Nachkriegsmoderne. Noch2007 war seitens des zuständigen Bauministeriums in Ber-lin geplant, das Botschaftsgebäude zu sanieren, bevor manes sich dann doch anders überlegte und 2014 entschied,es komplett abzureißen und durch einen Neubau zu erset-zen. Es sei zu klein und entspreche nicht mehr den bau-technischen Anforderungen der Gegenwart, lautet die Be-gründung. Ein entsprechender Architektur-Wettbewerb

fand bereits statt. Das Bundesdenkmalamt hatte eine Un-terschutzstellung erwogen, allerdings wurde das Gebäudeinzwischen im Inneren verändert, und „von Rolf Gutbrodgibt es in Deutschland zahlreiche und auch bessere Bau-ten“, heißt es (Der Standard, 15.5.2016). Gleichwohlhaben die Abrisspläne beachtlichen Protest ausgelöst,exemplarisch dafür etwa Ursula Baus, die in der „Deut-schen Bauzeitung“ (Ausgabe Sept. 2014) von einemschlicht „unnötigen Abriss“ spricht.

Wien-Mariahilf: Geschäftslokal „Piccini“ droht Zerstörung

Dem traditionsreichen italienischen Geschäftslokal undRestaurant „Piccini“ am Wiener Naschmarkt (Linke Wien-zeile 4) droht das Ende. Nachdem der Betreiber Insolvenzanmelden musste, soll das Lokal nun von einer Steakhaus-kette übernommen und in seinem Erscheinungsbild zer-stört werden. So berichtet die Österreichische Gesellschaftfür Denkmal- und Ortsbildpflege: „Das im Jahr 1856 ge-gründete Delikatessengeschäft wurde um 1934 vom be-kannten Wiener Architekten Otto Prutscher errichtet. Dasmit weißen Glastafeln verkleidete Geschäftsportal mitblauer Einfassung und charakteristischem Schriftzug zähltzu einem der letzten noch erhaltenen Wiener Ladenbautender 1930er-Jahre. Der Erhalt dieses mittlerweile einzigar-tigen Portals ist aus architekturhistorischer Sicht unbedingtnotwendig! Es wäre zutiefst bedauerlich, wenn das WienerDenkmalamt sich hier wiederum nicht zuständig fühlenwürde und die Zerstörung eines weiteren Architekturjuwelsin Wien bedenkenlos zulässt.“

kurzmeldungen

Abb. 97: Wien-Landstraße, Deutsche Botschaft

Abb. 98: Wien-Mariahilf, ehem. Geschäftslokal Piccini

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Liebe Christine!

Nun ist schon mehr als ein Jahr ver-gangen, dass wir einander das letzteMal gesehen haben. Es war eines un-serer Mitgliedertreffen im Vereinslokal,die Du immer wahrgenommen hast,weil Dir der Schutz der gefährdetenKulturgüter eine Herzensangelegen-heit war. Deine Emotionen und diedamit zum Ausdruck gebrachte Fas-sungslosigkeit über die regelmäßig zudiesem Anlass von Markus Landerervorgetragenen Entwicklungen im Um-gang mit dem baukulturellen ErbeÖsterreichs waren absolut authentisch. Penibel hast Du Dir alles notiert undgezielte Fragen gestellt, um in weite-rer Folge Behörden und Politiker inEinzelgesprächen als auch bei ent-sprechenden Veranstaltungen mit die-sen Missständen zu konfrontieren.Ja, Du warst ein Mensch der Tat, Ein-satz zu zeigen war Dein Lebensmotto,Wehklagen nicht Deine Sache. Als al-leinerziehende Mutter von vier Kin-dern, die viele Jahre in Schweden ge-lebt hat, musstest Du täglich Großesleisten und hattest daher erst in Dei-ner Pension Gelegenheit, Deinen vie-len Interessen nachzugehen.Ob es nun die „Markenschlecker“ – wieDu die Briefmarkenfreunde liebevollnanntest – Deine Gesinnungsgenos-sen vom Verein „Steine der Erinne-

rung“ oder die Denkmalschützerwaren, sie alle wurden von Dir mit vielLeidenschaft an der Materie bedacht.Übertroffen wurde diese Leidenschaftnur von der Liebe Deiner letzten Jahre,die der Wiener Augarten war.Als Leopoldstädterin warst Du nichtmehr länger gewillt, mitansehen zumüssen, wie eine der bedeutendstenParkanlagen Wiens in wesentlichenBereichen zerstört, verbaut und kom-merziellen Interessen geopfert werdensoll. Deshalb hast Du gemeinsam mitdem Verein der Freunde des Augar-tens und dem Josephinischen Erlusti-gungskomitee die Initiative zumSchutz dieses historischen Juwels er-griffen.Daraus wurde eine Widerstandsbewe-gung, die von großen Teilen der Bevöl-kerung getragen wurde und durch ihrengagiertes Handeln nicht nur in denMedien, sondern auch internationalviel Beachtung fand, wozu auch derDokumentarfilm „Auf den Barockaden“von Doris Kittler beigetragen hat. Die-ser zeigt eindrucksvoll den Kampf en-gagierter BürgerInnen gegen die Will-kür von Politik und Behörden undderen gewaltsames Vorgehen gegenfriedliche Demonstranten (vgl. Denk -ma[i]l Nr. 3, S.9 u. Nr. 14-15, S. 46f.).Dass Du dabei Dein Leben riskierthast, ist keine Übertreibung, sondernmit diesem Film ebenfalls dokumen-

tiert. Aber auch diese Erfahrung unddie danach folgenden Gerichtsverfah-ren konnten Dich nicht davon abbrin-gen, auch weiterhin an vordersterFront gegen die Zerstörung des Augar-tens einzutreten. Als „Mutter Courage“des über viele Jahre besetzten Wider-standzeltes hast Du nicht nur die vorOrt befindliche Mannschaft versorgtund motiviert, bei Veranstaltungenaufgekocht „wie eine Großküche“,sondern warst die zentrale Anlaufstellefür interessierte Bürger, Touristen undStudenten, die ihre wissenschaftlichenArbeiten zu diesem Themenkreis fer-tiggestellt haben.Inzwischen zur lebenden Legende ge-worden, haben wir durch so manchdringenden Anruf bei den Veranstal-tungen der Initiative Denkmalschutzeinen Eindruck gewonnen, wie unab-kömmlich und stark Du trotz schwererKrankheit warst. Doch dieses Themawar tabu, zu sehr warst Du mit Deinenvielfältigen Interessen und ihren fort-laufenden Entwicklungen beschäftigt,als dass Du bereit gewesen wärst, Dei-ner Krankheit mehr Aufmerksamkeitals notwendig zu schenken.So war es auch an dem Abend, als wireinander das letzte Mal gesehenhaben. Du hast für uns wieder eineDeiner köstlichen Mehlspeisen geba-cken, warst in Sorge, kein Schlagobersmehr bekommen zu haben und hast inDeiner Funktion als Observatorin derInitiative Denkmalschutz noch eineFoto dokumentation über die aktuellenGeschehnisse in der Krieau mitge-bracht.Kein Wort von der großen Operation,die Dir in der Woche darauf bevor-stand und Dir zu Recht Sorgen berei-tete. Wenn es auch wenige Tage nachder Operation den Anschein hatte,dass Du auch diesen Kampf für Dichentscheiden konntest, so nahm dasSchicksal seinen Lauf. Seither vermis-sen wir Deine ebenso hilfsbereite wieliebenswürdige Art und selbstver-ständlich auch - wie Du einmal mein-test - Dein vorlautes Wesen mit denköstlichen Bonmots. Mit Dir verlordiese Stadt eines ihrer letzten Origi-nale, doch in unseren Erinnerungenlebst Du weiter! Dein Claus

� DVD Tipp: „Auf den Barockaden“(Cronos-Film), www.dokit.at

Ein Nachruf, alias Vermisstenanzeige: Christine Schwed-Ramström (1944 - 2015)

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Abb. 99: Christine Schwed beim Sommerfest der Initiative Denkmalschutz 2014

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Samstag, 3. September 2016 Tagesfahrt zu Mühlen ins nördliche NiederösterreichEines der wichtigsten Zeugnisse menschlicher Siedlungskultur sind Müh-len, deren markantes Erscheinungsbild früher ganze Landstriche prägte.Die Qualität dieser Bauwerke wird zunehmend geschätzt und erhalten.Wir wollen im Rahmen einer Tagesfahrt mit Experten der TU-Wien ver-suchen, anhand ausgewählter Mühlen an der Zaya (vgl.S.16f.), der vor-bildlich in Restaurierung befindlichen Reibenbacher-Mühle in Watzelsdorf(S. 31 ff.) sowie der unikalen Windmühle in Retz (S. 18 f.) ihre Funktionund architektonische Sonderstellung zu erkunden.Treffpunkt: 7:45 Uhr beim Busparkplatz Schwedenplatz, 1010 Wien,die Abfahrt erfolgt pünktlich um 8 Uhr, Anmeldung bis 23.8. erfor-derlich, Führungen inkl. Bus € 54 / € 49 (begrenzte Teilnehmerzahl)

Samstag, 17. September 2016Führung mit Dr. Edgard Haider durch Kaiser Franz Josephs Wien100 Jahre ist es heuer her, dass Kaiser Franz Joseph I. starb. Wien hatsich in den 68 Jahren seiner Herrschaft so nachhaltig verändert wie inkeiner anderen Ära. Was blieb von damals bestehen, was wurde neu ge-staltet, und was ist aus dem Stadtbild verschwunden? Der Stadtspazier-gang wird uns vom Heldenplatz über Ballhaus- und Minoritenplatz überHerrengasse, Wallnerstraße und Kohlmarkt zum Michaelerplatz führen. Treffpunkt: 10 Uhr, Heldenplatz/Erzherzog-Karl-Denkmal, 1010 WienAnmeldung erforderlich, Führungsbeitrag (Spende) € 10/ € 8

Sonntag, 25. September 2016: "Tag des Denkmals"„Verlorenes Wien – Adelspaläste vergangener Tage“ (Vortrag) Dr. Edgard Haider, Historiker und Autor des gleichnamigen Buches, wirdpersönlich jene verlorenen Erlesenheiten in Stein und deren Interieurspräsentieren. Der Vortrag soll aber keine larmoyante Auseinandersetzungmit dem unwiederbringlich Zerstörten sein, sondern aufzeigen, mit wel-cher Kurzsichtigkeit allzu oft unser Kulturerbe zerstört wird, und zumNachdenken anregen (vgl. z.B. S. 34, Serie „Unvergessen“). Zeit/Beginn: 10:00, 12:00, 15:30 und 18:00 Uhr (Dauer je ca. 45 Min.)Ort: Fuchsthallergasse 11, 1090 Wien, Eintritt frei, Gäste willkommen

Donnerstag, 6. Oktober 2016 Führung durch das Palais Erzherzog WilhelmDas nach Plänen von Theophil Hansen 1864-1868 errichtete Gebäudegehört zu den frühesten und am besten erhaltenen Ringstraßenpalais,das Erzherzog Wilhelm als Hochmeister des Deutschen Ordens 1870 andie Deutschmeister verkaufte (vgl. Denkma[i]l Nr. 20, S. 14f.). Die wech-selvolle Geschichte dieses Hauses und dessen Vielzahl an Besonderheitenwird uns Mag. Michael Rainer vom Bundesdenkmalamt erläutern. Zeit: 15:30 Uhr, Ort: Parkring 8, 1010 WienAnmeldung erforderlich, Führungsbeitrag (Spende) € 10/ € 8

Freitag, 21. Oktober 2016: Führung durch das Palais SturanyDas auf Theater- und Konzertgebäude spezialisierte Architektenteam Fell-ner und Helmer plante im Auftrag des Baumeisters Johann Sturany einbesonders aufwändiges Mietshaus, das 1874-1880 an der Ringstraße er-richtet wurde und eine der frühesten neobarocken Fassaden sowie an-dere architektonische Besonderheiten aufweist (vgl. S. 42f.). Die künst-lerisch bedeutende Innenausstattung stammt von den Brüdern Gustavund Ernst Klimt, Franz Matsch und anderer Meister ihrer Zunft, wie unsDipl. Ing. Oliver Schreiber vom Bundesdenkmalamt näher bringen wird. Zeit: 15:30 Uhr, Ort: Schottenring 21, 1010 WienAnmeldung erforderlich, Führungsbeitrag (Spende) € 10/ € 8

Hinweise: Die Teilnahme an Veranstaltungen ist (falls nicht anders angegeben) nur Mit-gliedern möglich, für Neumitglieder ist die erste Veranstaltung gratis bzw. um € 10 (€ 8) er-mäßigt. In der Regel werden zwei unterschiedlich hohe Unkostenbeiträge bei jeder Veranstal-tung angegeben. Der günstigere von beiden beinhaltet den Frühbucherbonus (ab € 2 Ermä-ßigung). Bei Anmeldung spätestens 4 Wochen vor der entsprechenden Führung/Veranstaltunggilt der günstigere Betrag. Maßgebend ist das Einlangen der Anmeldung und die innerhalb von5 Werktagen erfolgte Überweisung auf das Vereinskonto. Allfällige Änderungen und nähere In-formationen werden rechtzeitig per Newsletter (eMail) und auf www.idms.at bekannt gegeben.Anmeldung per eMail an: [email protected], tel.:01/3102294 oder mobil:0650/5718844.

Veranstaltungen / Termine

Nachrichten der Initiative Denkmalschutz – Nr. 22 / Jänner-April 2016

Abb. 101: Kaiser Franz Josephs Wien – Führung, 17.09.

Abb. 100: Mühlen Niederösterreichs – Tagesfahrt, 03.09.

Abb. 102: „Tag des Denkmals“ in der iD – Vortrag, 25.09.

Nr. 22 / 2016

Abb. 103: Deutschmeister-Palais – Führung, 06.10.

Abb. 104: Palais Sturany – Führung, 21.10.

Nr. 22 / 2016

Freitag, 4. November 2016Führung durch die Sammlung alter MusikinstrumenteDie herausragende Sammlung alter Musikinstrumente bietet einen bei-nahe lückenlosen Überblick über die Entwicklung der Musizierpraxis inÖsterreich zur Zeit der Habsburger. Das geplante "Haus der Geschichte"bedroht just zum 100jährigen Jubiläum die Sammlung, wobei unklar ist,ob sie umstrukturiert, ausgelagert oder verkleinert werden muss. DerLeiter und Restaurator der Sammlung, Dr. Alfons Huber, wird uns diese(noch) weltweit einzigartige Sammlung einiger der ältesten erhalteneneuropäischen Musikinstrumente zeigen.Zeit: 15:30 Uhr, Ort: Neue Burg, Heldenplatz, 1010 WienAnmeldung erforderlich, Führungsbeitrag (Spende) €14/€12

Freitag, 18. November 2016: Führung durch die VirgilkapelleDie 1973 im Zuge des U-Bahnbaues entdeckte Virgilkapelle entstand um1230 als Unterbau für einen geplanten Kapellenbau in frühgotischem Stilund diente einer reichen Kaufmannsfamilie als Andachtskapelle (vgl.Denkma[i]l Nr. 21/2015, S.28f.). Dr. Marina Kaltenegger, mit der Restau -rie rung der Kapelle und den bauhistorischen Untersuchungen beschäftigt,wird uns bei dieser Exkursion auf spannende Details aufmerksam machen.Treffpunkt: 15:45 Uhr vor dem Riesentor des Stephandoms, 1010 WienAnmeldung erforderlich; Führungsbeitrag (Spende) €12/€10

November 2016 (ab September telefonische Anmeldung)Führung durch die Badner Bahn-Remise WolfganggasseAm 1.5.1907 wurde der durchgehende elektrische Verkehr auf der Stre-cke zwischen den Zentren der Reichshauptstadt Wien und der KurstadtBaden aufgenommen. Bevor 110 Jahre später die alte Remise bei der Ei-chenstraße durch den neuen Betriebsbahnhof in Inzersdorf ersetzt wer-den soll, können wir uns noch ein Bild vom alten Bahnhof machen, mög-licherweise anschließend Fahrt mit einem historischen Triebwagen.Anmeldung erforderlich (€ 6 / € 4), Details sind bitte ab Septembertelefonisch bei Claus Süss unter +43(0)676/740 43 27 zu erfragen!

Freitag, 9. Dezember 2016: Weihnachtsfeier der InitiativeDenkmalschutz im Hofmannsthal-SchlösselDas 1724 für Fürst Trautson errichtete Gebäude wurde von Maria There-sia von Österreich für ihre Erzieherin und Obersthofmeisterin Gräfin Ka-roline von Fuchs-Mollard gekauft und wird der barocke Rahmen der Weih-nachtsfeier der Initiative Denkmalschutz sein. 1988 wurde das auch nachHugo von Hofmannsthal benannte Schlössl, der hier von 1901 bis 1929wohnte, restauriert und werden uns die Eigentümer, Familie Czedik- Eysenberg das beispielhafte Ergebnis zeigen. Zeit: 18:00Uhr, Ort: Ketzergasse 471, 1230 Wien-RodaunAnmeldung bis 2.12. erforderlich, Beitrag für Mitglieder: €25/€22Vortrag inklusive Buffet und Getränke, für Nicht-Mitglieder: ab € 36(günstigste Mitgliedschaft, erste Führung gratis, plus Buffet u. Getränke)

Freitag, 27. Jänner 2017Führung durch das Hotel Imperial (Wiederholung) Das 1863-65 für den Herzog von Württemberg errichtete Palais wurde1873 als Hotel für die Wiener Weltausstellung eröffnet und 1928 um zweiEtagen aufgestockt (vgl. Denkma[i]l Nr. 20/2015, S.18). Es war nicht nurdas Gästehaus des Kaisers, sondern auch danach das "erste Haus amPlatz" und als solches für die Erfüllung der ausgefallensten Wünsche sei-ner Gäste bekannt, wie uns Michael Moser, langjähriger Chefconciergebei dieser Führung berichten wird. Zeit: 15:30 Uhr, Ort: Kärntner Ring 16, 1010 WienAnmeldung erforderlich; Führungsbeitrag (Spende) €10/€8

MITGLIEDERTREFFEN – WIEN12. September, 24. Oktober, 5. Dezember 2016; 23. Jänner 2017– im Vereinslokal, Fuchs thallergasse 11, 1090 Wien – Zeit: ab 18:30Uhr (jeweils Montag) – Auch Nichtmitglieder sind herzlich willkommen!Hinweis: Betreffend Anmelde- und Teilnahmebedingungen siehe S. 55 (unten)

Veranstaltungen / Termine

Abb. 105: Sammlung alter Musikinstrumente, 04.11.

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http://www.idms.at Besuchen Sie die Initiative Denkmalschutz im Internet!Seite 56

Abb. 106: Virgilkapelle – Führung, 18.11.

Abb.107:Bahnremise Wolfganggasse – Führung, geplant

Abb. 108: iD-Weihnachtsfeier – 09.12.

Nachrichten der Initiative Denkmalschutz – Nr. 22 / Jänner-April 2016

Abb. 109: Hotel Imperial – Führung, 27.01.