Upload
others
View
10
Download
0
Embed Size (px)
Citation preview
Ist Philosophie lebensentscheidend? Jesper
Überlegen Sie, ob Philosophie lebensentscheidend ist und – wenn ja – wie sehr. 10 bedeutet auf der Skala den höchsten Wert: „Philosophie ist im Le-ben die alles entscheidende Kraft.“ Setzen Sie jeweils ein Kreuz: für sich selbst (A), für Seneca (B) und für Lucilius (C).
A B C
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
Philosophie ist lebensentscheidend
Jesper
Der folgende Text ist der Entwurf eines Briefes: Gedanken werden darin nur skizziert, sodass in Umrissen klar wird, worum es gehen soll. Der Entwurf stammt zwar nicht von Seneca, vielleicht aber hat er so seine Arbeit an EPISTULA MORALIS 16 begonnen.
Lesen Sie den Briefentwurf durch und füllen Sie die Lücken – im Sinne Senecas – mit Gedanken auf, die im späte-ren Brief vorkommen sollen.
Epistula moralis 16
5
10
15
20
SenecagrüßtseinenFreundLucilius.
Ichweiß,dassduweißt,wasdiePhilosophieGutes
mitunseremLebenmacht,nämlich...! Aberdas
reichtnicht.Esmussmehrgeschehen:..." Auch
derguteWillegenügtnicht.Immerhinbistdu
schonweitvorangekommen,aber...#
EsgibtdieGefahr,oberflächlichzuphilosophieren.
Dasbedeutet...$ DabeimachtechtesPhilosophie-
renmitunseremLebenetwasGravierendes:...%
Vielleichtwirdjemandsagen:„Zuphilosophieren
istausbekanntenGründenunnütz!...&“Dasage
ich:Gut,dasswirdasSchicksaldurchPhilosophie
sobewältigenkönnen:...' Ichwilldassichda-
beiergebendeThema,obwirfreioderunfreisind,
hiernichtvertiefen.
Ichkommewiederdaraufzurück,dichzuermah-
nen,deinenSchwungzubewahren.
ZumAbschlusshabeichwiedereinZitatEpikurs
fürdich:„WenndunachderNaturlebst,wirstdu
niearmsein;wenndunachderEinbildunglebst,
wirstduniemalsreichsein.“Dasbedeutet:...(
Lebewohl!
_______________________________________
_______________________________________
_______________________________________
_______________________________________
_______________________________________
_______________________________________
_______________________________________
_______________________________________
_______________________________________
_______________________________________
_______________________________________
_______________________________________
_______________________________________
_______________________________________
_______________________________________
_______________________________________
_______________________________________
Sind manche gleicher als gleich? EPISTULA MORALIS 16*
1 vidēre videō, vīdī, vīsum sehen
2 utrum ob
3 in mit Abl. in, auf
4 an ob, oder
5 ipse ipsa, ipsum Gen. ipsīus, Dat. ipsī
(er) selbst
6 vīta vītae f das Leben
7 sedēre sedeō, sēdī, sessum sitzen
8 ad mit Akk. zu, bei
9 et und, auch
10 per mit Akk. durch
11 cursus cursūs m der Lauf
12 nātūra nātūrae f die Natur, die Beschaffenheit
13 dēsīderāre dēsīderō, dēsīderāvī, dēsīderātum
ersehnen
14 opīniō opīniōnis f Meinung, (guter) Ruf
15 nēmō Gen. nēminis / nūllius niemand
16 posse possum, potuī, --- können
17 beātus beāta, beātum glücklich
18 vīvere vīvō, vīxī, --- leben
19 nē ... quidem nicht ... einmal
20 sine mit Abl. ohne
21 studium die Begeisterung, die Beschäftigung
22 hic haec, hoc Gen. huius, Dat. huic
dieser (hier)
23 ut wie / (so)dass, damit
24 cum mit Abl. / --- mit / als, weil, obwohl
25 cōnsūmere cōnsūmō, cōnsūmpsī, cōnsūmptum
verbrauchen
26 diēs diēī m der Tag
27 ōtium ōtiī n die Freizeit, die Freizeitbeschäftigung
28 docēre doceō, docuī, doctum lehren
29 deus deī m der Gott
30 sequī sequor, secūtus sum mit Akk.
jemandem folgen
31 ferre ferō, tulī, lātum bringen, (er)tragen
32 cāsus cāsūs m der Fall, der Zufall
33 quid was
34 egō Dat. mihī ich
35 sī wenn, ob
36 fātum fātī n der Götterspruch, das Schicksal
37 esse sum, fuī, --- sein, sich befinden
38 quī quae, quod der / welcher / dieser
38 altus alta, altum hoch, tief
Philosophie ist lebensentscheidend
Jesper
Die folgenden Sätze stammen aus der EPISTULA MORALIS 16. Übersetzen Sie sie und ordnen Sie sie jeweils einer der acht Lücken zu.
[V]ide, utrum in philosophia an in ipsa vita profeceris! proficere Fortschritte machen
[Philosophia] vitam disponit, [...] sedet ad gubernaculum et per ancipitia fluctuantium dirigit cursum.
disponere ordnen gubernaculum Steuer(ruder) ancipitia fluctuantium n Pl. unsichere Wogen derigere lenken
Exiguum natura desiderat, opinio immensum. exiguus wenig immensus unermesslich viel
[Nemo potest] beate vivere, ne tolerabiliter quidem, sine sapientiae studio.
tolerabilis, e erträglich sapientia Weisheit (griech.: sophía)
[Philosophia] in hoc adhibetur, ut cum aliqua oblectatione consumatur dies, ut dematur otio nausia.
adhibēre in verwenden zu aliqui, aliqua, aliquod irgendein oblectatio, onis Vergnügen demere (weg)nehmen nausia Langeweile
[Philosophia docet], ut deum sequaris, feras casum.
Quid mihi prodest philosophia, si fatum est? prodesse nützen est hier: es gibt
[H]oc, quod liquet, firmandum et altius cotidiana meditatione figendum est.
liquēre klar sein firmare festigen cotidianus täglich meditatio, onis Nachdenken figere verankern
Einen Tag lang weise
Jesper
Erfüllen Sie – so gut es geht – folgende Aufgaben:
Verhalten Sie sich einen Tag lang wie ein stoischer Weiser, indem Sie allem, was unvermeidlich geschieht, ganz be-wusst zustimmen und es akzeptieren.
Füllen Sie am Abend ein Protokoll aus, in dem Sie Situationen und ihr Verhal-ten beschreiben.
Situation Verhalten
Wie frei ist der Mensch?
Jesper
Der Forscher Max Pohlenz beschreibt, wie der Stoiker Chrysipp (280 – 210 v. Chr.) über die Frage, ob der Mensch frei handeln könne, gedacht hat:
5
10
15
20
25
[F]ür Chrysipp stand von vornherein fest, daß der Mensch für sein Handeln verant-
wortlich ist und deshalb irgendwie die Möglichkeit freier Entscheidung haben muß.
[...] Aber ebenso selbstverständlich war für Chrysipp, daß durch die Heimarmene
auch unser Inneres und jede unserer Handlungen bestimmt seien. Selbst wenn
ich mit der Wimper zucke, ist das durch die kontinuierliche Ursachenreihe bedingt.
Den Ausweg aus dem Dilemma zeigte ihm eine genaue Untersuchung der Ursa-
chen. [...] Danach [unter]schied Chrysipp allgemein solche Ursachen, die von sich
aus entscheidend die Wirkung hervorbringen, und solche, die nur sekundär wir-
ken, ‚unterstützen’, indem sie als äußerer Reiz die Wirkung auslösen. Indem er
diese [Unters]cheidung auf das Seelenleben anwandte, stellte er fest: Unsere
Willensentscheidung wird zunächst durch die ohne unser Zutun auftauchende
Vorstellung angeregt. Dies ist das Glied einer durch die Heimarmene gegebenen
Kausalreihe, das unmittelbar auf uns wirkt. Aber sie ist nur der äußere Anreiz, die
‚den Anstoß zur Entwicklung gebende’ [...], nicht die ‚aus sich selbst die Wirkung
hervorbringende’ [...] Ursache. [...]
Beim Tiere zieht [...] die Vorstellung die Synkatathesis notwendig nach sich, wenn
nicht eine andere empirische Vorstellung und im Bunde mit ihr etwa Furcht vor
Strafe oder Gefahr hemmend entgegentreten. Der Mensch aber hat durch seine
Vernunftanlage die Aufgabe und die Fähigkeit, die Vorstellung allseitig genau zu
prüfen, und erst die daraufhin erteilte Zustimmung räumt der Vorstellung Einfluß
[...] ein. Die entscheidende Ursache für unser Handeln ist also die Synkatathesis,
und diese ist ein Akt freier Selbstbestimmung, die in der Natur der Vernunftwesen
mitgesetzt ist. „Wenn jemand“, sagt Chrysipp, „eine Walze auf eine schiefe Ebene
wirft, gibt er allerdings den äußeren Anstoß zur Bewegung; aber die innere Ursa-
che, daß die Walze hinabrollt, liegt in der Gestalt, also in ihrem eigenen Wesen.
So gibt uns die Heimarmene zwar durch die Vorstellung den äußeren Anreiz, aber
sie selbst hat in unser Inneres die Möglichkeit der Selbstbestimmung gelegt, die
sich des äußeren Reizes erwehren kann und darum die eigentliche Ursache unse-
rer [...] Entscheidungen bleibt.“ Max Pohlenz: Die Stoa, Göttingen 1948, S. 104 f.
Philosophie ist lebensentscheidend
Jesper
Epistula moralis 16
5
10
15
20
SenecaLuciliosuosalutem.
Liquerehoctibi,Lucili,scio:
neminempossebeatevivere,
netolerabiliterquidem,
sinesapientiaestudio,
etbeatamvitamperfectāsapientiāeffici,
ceterumtolerabilemetiaminchoatā.
Sedhoc,quodliquet,firmandum
etaltiuscotidianameditationefigendumest:
Plusoperisestineo,
utpropositacustodias
quamuthonestaproponas.
Perseverandumest
etassiduostudioroburaddendum,
donecbonamenssit,
quodbonavoluntasest.
Itaquenonopusesttibiapudmepluribusverbis
autaffirmationetamlongā:
Intellegomultumteprofecisse.
Quaescribis,undeveniant,scio.
Nonsuntfictaneccolorata.
Dicamtamen,quidsentiam:
Iamdetespemhabeo,nondumfiduciam.
bekannt
An den mit Pfeilen markierten Stel-len (und ihrer Umgebung) geht es um stoische Gedanken: Welche sind - Ihrer bisherigen Kenntnis nach - gänzlich bekannt und welche teilwei-se neu? Färben Sie die Pfeile die-sen beiden Stufen entsprechend ein und notieren Sie rechts daneben, worin der Gedanke besteht. Ver-wenden Sie, wann immer es mög-lich ist, Fachbegriffe.
25
30
35
40
45
50
55
Tuquoqueidemfacias,volo:Nonest,quodtibicitoetfacilecredas.Excuteteetvariescrutareetobserva!Illudanteomniavide,utruminphilosophiaaninipsavitaprofeceris!Nonestphilosophiapopulareartificiumnecostentationiparatum.Noninverbis,sedinrebusest.Necinhocadhibetur,utcumaliquāoblectationeconsumaturdies,utdematurotionausia!Animumformatetfabricat,vitamdisponit,actionesregit,agendaetomittendademonstrat,sedetadgubernaculumetperancipitiafluctuantiumderigitcursum.Sinehacnemointrepidepotestvivere,nemosecure.Innumerabiliaacciduntsingulishoris,quaeconsiliumexigant,quodabhacpetendumest.Dicetaliquis:„Quidmihiprodestphilosophia,sifatumest?Quidprodest,sideusrectorest?Quidprodest,sicasusimperat?Nametmutaricertanonpossuntetnihilpraepararipotestadversusincerta,sedautconsiliummeumoccupavitdeusdecrevitque,quidfacerem,autconsiliomeonihilfortunapermittit.“
Quidquidestexhis,Lucili,velsiomniahaecsunt,philosophandumest.Sivenosinexorabililegefataconstringunt,sivearbiterdeusuniversicunctadisposuit,sivecasusreshumanassineordineimpellitetiactat,
60
65
70
75
80
85
90
philosophianostueridebet.
Haecadhortabitur,
utdeolibenterpareamus,
utfortunaecontumaciter.
Haecdocebit,
utdeumsequaris,
ferascasum.
Sednonestnuncinhancdisputationemtranseundum,
quidsitiurisnostri,
siprovidentiainimperioest
autsifatorumseriesilligatostrahit
autsirepentinaacsubitadominantur.
Illonuncrevertor,
uttemoneametexhorter,
nepatiarisimpetumanimituidelabietrefrigescere.
Contineillumetconstitue,
uthabitusanimifiat,
quodestimpetus!
Iamabinitio,sitebenenovi,circumspicies,
quidhaecepistulamunusculiattulerit:
Excuteillametinvenies.
Nonest,quodmirerisanimummeum:
Adhucdealienoliberalissum.
Quareautem‚alienum’dixi?
Quidquidbenedictumestabullo,meumest.
IstucquoqueabEpicurodictumest:
„Siadnaturamvives,numquamerispauper;
siadopiniones,numquamerisdives.“
Exiguumnaturadesiderat,opinioimmensum.
Congeraturinte,
quidquidmultilocupletespossederant;
ultraprivatumpecuniaemodumfortunateprovehat,
aurotegat,
purpurāvestiat,
z. T. neu
(s.o.)
95
100
105
110
eodeliciarumopumqueperducat,utterrammarmoribusabscondas;nontantumhaberetibiliceat,sedcalcaredivitias;accedantstatuaeetpicturaeet,quidquidarsullaluxuriaeelaboravit:Maioracupereabhisdisces.Naturaliadesideriafinitasunt:Exfalsaopinionenascentia,ubidesinant,nonhabent;nullusenimterminusfalsoest.Viāeuntialiquidextremumest:Errorimmensusest.Retraheergoteavaniset,cumvolesscire,quodpetes,utrumnaturalemhabeatancaecamcupiditatem,considera,numpossitalicubiconsistere!Silongeprogressosemperaliquidlongiusrestat,scitoidnaturalenonesse!Vale!