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Seite 1 von 20 Agilität – eine Einführung Begriffe, Konzepte, Grundverständnis Februar 2019, Version 5

it-agile: Die Experten für agile Methoden - Agilität – eine Einführung · 2019. 3. 21. · Das agile Team weicht von der klassischen sequenzi-ellen Phasen-Organisation ab. Stattdessen

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    Agilität – eine Einführung Begriffe, Konzepte, Grundverständnis

    Februar 2019, Version 5

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    Über diesen Artikel DieserArtikel führt inAgilität ein.Er erläutertdie grundlegendenBegriffeundKonzepte sowie ihrZu-sammenwirken.Die typischenagilenMechaniken sindnurdie eine SeitederMedaille.Diedahinterste-hendenWerteundPrinzipiensindmindestensgenausowichtig.

    Dieser Artikel erläutert zunächst, dass undwarum agiles Denken und Arbeiten immerwichtigerwird.AnschließendstellterdieagilenKernideenunddieagilenWerte(dasagileMindset)vor.DenAbschlussbildendieverbreitetenmethodischenAusprägungenScrumundKanban.

    DerArtikelhilft,sicheinenerstenÜberblicküberAgilitätzuverschaffenunddiewichtigstenBegriffezuverstehen.DiesesGrundverständnisdientalsOrientierungshilfefürdieweitereVertiefung.

    StefanRoock

    CoachundTrainerbeiit-agile

    [email protected],Tel.0172/4297617

    Inhalt

    WARUMAGIL? 3

    AGILEKERNIDEEN 4

    VORTEILEVONAGILITÄT 7

    DASAGILEMANIFEST 8DIEPRINZIPIENDESAGILENMANIFESTS 9

    METHODISCHEAUSGESTALTUNGENAGILENARBEITENS 10

    AGILEENTWICKLUNGMITSCRUM 11SCRUM:PRODUKTPERSPEKTIVE 12SCRUM:ENTWICKLUNGSPERSPEKTIVE 14SCRUM:VERBESSERUNGSPERSPEKTIVE 15

    KONTINUIERLICHEVERBESSERUNGMITKANBAN 16KANBAN-PRINZIPIENUND-PRAKTIKEN 18

    AGIL(ER)WERDEN 19

    ABSCHLUSS 20

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    Warum agil? DieWeltwirdkomplexer:Globalisierung,Digitalisie-rungundnichtzuletztdiegewachsenenAnforderun-genvonMenschenanihreArbeiterhöhendieKom-plexitätderWeltfürUnternehmen.

    DieGlobalisierunghatehemalsvoneinanderisolier-te Märkte miteinander vernetzt. Unternehmen ad-ressieren nicht nur einzelne regionaleMärkte, son-dern sind weltweit aktiv. Dadurch müssen die Un-ternehmen mit den vielen verschiedenen Gegeben-heitendereinzelnenMärkteumgehen,dietrotzihrerVernetzungnachwievorexistieren.

    Die Digitalisierung bedroht die althergebrachtenGeschäftsmodelle. In vielenBranchen istdieBedro-hung noch nicht konkret greifbar: Man weiß nochnicht, wie genau das digitale Geschäftsmodell aus-sieht,dassdieexistierendenGeschäftsmodelleablö-senwird.FrüheroderspäterwerdendiesedigitalenGeschäftsmodelle sichtbarwerden. Spätestensdannmüssen die Unternehmen sehr schnell reagieren,wennsienichtunterdieRädergeratenwollen.

    DieAnforderungenderMenschenan ihreArbeitsind gestiegen (mind. in den Industrienationen).Montagsbis freitagsvon9-17UhrzurArbeitzuge-henundalsGegenleistungeinGehaltzuerhalten,istimmermehrMenschenzuwenig.SiewünschensichSinn und die Möglichkeit zur Entfaltung in der Ar-beit. Unternehmenmüssen den geänderten Bedürf-nissenderMenschengerechtwerden,wennsieauchin Zukunft qualifizierte und motivierte Mitarbeiteransichbindenwollen.

    Agilität löstkeinedieserHerausforderungendirekt.Sie kann Unternehmen aber zu der Flexibilität undDynamik verhelfen, die sie benötigen, um der ge-wachsenenKomplexitätgerechtzuwerden.

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    Agile Kernideen DiewichtigstenagilenIdeensindsehreinfach.Letzt-lichgehtesdarum,dassagileTeamskundenrelevan-teProblemelösen.

    DazunutzendieagilenTeamsdendirektenKunden-kontakt.SieverstehensodieProblemeundBedürf-nisseihrerKunden.FürdieseProblemefindenagileTeams angemessene Lösungen und liefern diese andieKunden.

    EinGradmesserfürAgilitätistdamitdieDirektheitder Kundeninteraktion. Idealerweise spricht dasTeamdirektmitdenEndkunden(undnichtvermit-telt über Front-Office-Mitarbeiter, Anforderungsma-nager, Product Owner o.Ä.). Außerdem liefert dasTeamdirektdieLösunganKundenundmussdabeinicht über Dritte gehen, wie z.B. Account ManageroderQualitätssicherung.

    Hohe Marktdynamik erfordert schnelle Reaktion.Daher sollte der beschriebene Problem-Lösungszyklus möglichst schnell und häufig durch-laufen werden. Der Kunde sollte nicht Monate aufseine Lösung warten, sondern diese so schnell wiemöglich erhalten.Wenn z.B. eine größere Softwareentwickelt werden muss, die nicht nach wenigenWochen für den operativen Einsatz an denKundenausgeliefertwerdenkann,solltendemKundenmind.Zwischenstände gezeigt und Feedback eingeholtwerden.

    Durch die kurzen Zyklen wird das Lernen überKundenprobleme, mögliche Lösungen sowie dasbesteVorgehenbeschleunigt.

    Das agile Team agiert dabei autonom undselbstorganisiert. Dies betrifft eingehende undausgehendeBeziehungenzuDritten.EserhältkeineAnweisungenvonaußen,wieessichzuorganisierenhat. Außerdem ist es nicht von anderen Teamsabhängig.EskanndieKundenprobleme lösen,ohneauf andere Teams oder Abteilungen warten zumüssen.

    Damit dasTeamkundenrelevanteProbleme schnellund autonom umsetzen kann, muss es eine großeBandbreite anFähigkeitenbesitzen: das agileTeamist interdisziplinärbesetzt.Welche Spezialisierun-genimTeamkonkretnotwendigsind,hängtvondenKunden und ihren Problemen ab. Ein Software-

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    Entwicklungsteam könnte z.B. aus einem User-Experience-Designer, einem programmierendenArchitekten, Frontend-Entwicklern, Backend-Entwicklern und Testern bestehen. In einem Über-setzerteamkönntenbeispielsweiseExperten fürdieZielsprachen arbeiten, z.B. Englisch, Französisch,Spanisch.UndinbeidenFällenkönntemanauchaufdie Idee kommen, Key-Account-Manager oderVertrieblerinsTeamzuintegrieren.

    DasagileTeamweichtvonderklassischensequenzi-ellen Phasen-Organisation ab. Stattdessen organi-siert es seine Arbeit so, dass sich die klassischenPhasen überlappen: Analyse, Design, Engineeringund Qualitätssicherung werden nicht strikt nachei-nanderdurchgeführt,sonderngleichzeitig.

    Wie stark sich die Phasen überlappen, hängt vomKontextab.Generellgilt:jedynamischerdasUmfeld,destostärkersolltensichdiePhasenüberlappen:imExtremfall führt das Team alle Phasen gleichzeitigaus.InKontexten,dienichtganzsodynamischsind,reicht mitunter eine eingeschränkte Überlappungaus: eine Phase beginnt, bevor die vorhergehendePhasekomplettabgeschlossenist.

    Damit ein interdisziplinäres Team gut als Teamzusammenarbeiten kann, sind sogenannte T-Shaped-Skill-Setsnotwendig.DieSpezialisierungen(z.B.Java-Programmierung)derTeammitgliedersollundmuss erhaltenbleiben.Gleichzeitig ist esmeistaber sinnvoll, dass die Teammitglieder zusätzlicheFähigkeitenerwerben,dieimTeambenötigtwerden(z.B. HTML-Programmierung und Qualitäts–sicherung).

    In diesen zusätzlichen Disziplinen werden dieTeammitglieder nicht so effizient werden wie diejeweiligen Spezialisten. Sie können aber durch dieüberlappenden Skill-Sets dazu beitragen, dass dieArbeit imFluss bleibt undnicht ins Stocken gerät,weileineakuteEngpass-Situation(z.B.beimTesten)existiert.

    Die T-Shaped-Skill-Sets müssen nicht vorabexistieren oder zentral geplant werden. Sie bildensichvonselbstindembenötigtenMaßheraus,wenndasTeamaufeineEndpass-SituationmitAusbildung(engl. Cross-Skilling) reagiert. Eine sehr effektiveTechnikfürdenFähigkeitserwerbistdasArbeiteninPaaren(engl.Pairing):einExperteundein„Neuling“bearbeiteneineAufgabegemeinsam.

    Für das agile Team können wir zusammengefasstfesthalten:

    • Es ist autonom und arbeitet selbst–organisiert.

    • Esistinterdisziplinärbesetzt.• Es verbessert Ergebnis und Prozess über

    Inspect&Adapt.

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    AgilitätlässtsichsamitineinemSatzbeschreiben:

    AutonomeTeamsmitBusiness-Fokus,dieihrenProzessinBesitzundVerantwortungnehmen.

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    Vorteile von Agilität Agile Entwicklung bringt eine Reihe von Vorteilenmitsich:

    • Durch die überlappenden Phasen verkürztsichdieTime-To-Market.

    • Durch das inkrementell-iterative Vorgehenkann das Team schnell auf veränderteRahmenbedingungenreagieren.

    • Die größere Nähe des Teams zu denEndkunden sowie das iterative Vorgehenführen zu angemessenere Lösungen fürdieKunden.

    • Die großeDiversität des cross-funktionalenTeams erhöht die Wahrscheinlichkeit vonInnovation und führt damit zuerfolgreicherenProdukten.

    • DieMitgliederdesTeamserlebendurchdendirekten Kundenkontakt und dasKundenfeedbackmehr Sinn in ihrer Arbeit.Daswirktmotivierend.

    • FürSponsorenwirktdiePriorisierungnachGeschäftswert risikominimierend. DasProjekt kann fast jederzeit beendetwerdenundlieferttrotzdemeinenMehrwert.

    • Sponsoren bekommen eine größerePlanungssicherheit,weilRestaufwändeaufBasis bereits entwickelter Lösungs–eigenschaften prognostiziert werdenkönnen.

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    Das agile Manifest DasAgileManifest1definiert das agileWertesystem.Es stammtausder Software-Entwicklung, lässt sichjedoch universell anwenden auch auf die Entwick-lung physischer Produkte oder das Erbringen vonDienstleistungen.

    Das agile Manifest beginnt mit einer Präambel, ge-folgtvonvierWertaussagen:

    „Wir erschließen bessereWege, Software zu entwi-ckeln, indem wir es selbst tun und anderen dabeihelfen.

    Durch diese Tätigkeit haben wir diese Werte zuschätzengelernt:

    • IndividuenundInteraktionensindwichtigeralsProzesseundTools

    • LaufendeSoftwareistwichtigeralsausführ-licheDokumentation

    • ZusammenarbeitmitdemKunden istwich-tigeralsVertragsverhandlungen

    • Reagieren auf Veränderungen ist wichtigeralsPlanbefolgung

    Das heißt, obwohl wir die Werte auf der rechtenSeitewichtigfinden,schätzenwirdieWerteaufderlinkenSeitehöherein.“

    Die wenigen expliziten Referenzen auf Software-Entwicklung lassen sich leicht auf jeglicheEntwick-lung und Leistungserbringung verallgemeinern(Verallgemeinerungensindkursivgesetzt):

    „Wir erschließenbessereWege,WertfürKundenzuschaffen, indemwiresselbsttunundanderendabeihelfen.

    Durch diese Tätigkeit haben wir diese Werte zuschätzengelernt:

    • IndividuenundInteraktionensindwichtigeralsProzesseundTools

    • Wertschöpfung fürKunden ist wichtiger alsausführlicheDokumentation

    • ZusammenarbeitmitdemKunden istwich-tigeralsVertragsverhandlungen

    • Reagieren auf Veränderungen ist wichtigeralsPlanbefolgung

    Das heißt, obwohl wir die Werte auf der rechtenSeitewichtigfinden,schätzenwirdieWerteaufderlinkenSeitehöherein.“

    In klassischen Kontexten generieren die Dinge aufder rechten Seite subjektivwahrgenommene Sicher-heit. Wer sich an die Prozesse hält und die vorge-schriebenenToolseinsetzt,werjedeseinerTätigkei-tendetailliertdokumentiert,weralleEventualitäteninVerträgenberücksichtigtundwersichandenPlanhält, kannbeiProblemennachweisen, dass ernichtschuld ist.LeidergenerierenwiraufdieseWeise in1http://agilemanifesto.org

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    komplexenMärkten keinenGeschäftswert. In dyna-mischen Märkten brauchen wir die Flexibilität, dieunsdieDingeaufderlinkenSeitegeben.

    Dieser Gegensatz erklärt, warum die EinführungagilerArbeits-undDenkweisen inderPraxishäufigso schwierig ist.AlleBeteiligtenmüssen „SicherheitdurchStatik“loslassen,umaufdenKundenunddenGeschäftswertfokussierenzukönnen.

    Die Prinzipien des agilen Manifests Das agile Manifest ergänzt die vier Wertaussagendurch zwölf Prinzipien, die konkretisieren, wie dieWerte sich auf die tägliche Arbeit auswirken. DiePrinzipienenthaltenebenfallseinigewenigeexplizi-te Referenzen auf Software-Entwicklung. Diese las-sensichähnlichleichtverallgemeinernwieschonbeidenWertaussagen.

    Die verallgemeinerten Prinzipien lauten wie folgt(Verallgemeinerungensindwiederkursivgesetzt).

    1. UnserehöchstePriorität istes,denKundendurchfrüheundkontinuierlicheWertschöp-fungzufriedenzustellen.

    2. Heiße Anforderungsänderungen selbst spätimProzesswillkommen.AgileProzessenut-zen Veränderungen zum Wettbewerbsvor-teildesKunden.

    3. Liefere regelmäßig und inmöglichstkurzenAbständenWertandenKunden.

    4. Kunden und Team müssen täglich zusam-menarbeiten.

    5. Errichte Strukturen (Projekte, Teams etc.)rund um motivierte Individuen. Gib ihnendas Umfeld und die Unterstützung, die siebenötigenundvertrauedarauf,dass siedieAufgabeerledigen.

    6. Die effizienteste und effektivste Methode,Informationen an und innerhalb einesTeams zu übermitteln, ist im Gespräch vonAngesichtzuAngesicht.

    7. Geschaffener Kundenwert ist das wichtigsteFortschrittsmaß.

    8. Agile Prozesse fördern nachhaltiges Arbei-ten. Alle Beteiligten sollten ein gleichmäßi-gesTempoaufunbegrenzteZeithaltenkön-nen.

    9. Ständiges Augenmerk auf operative Exzel-lenzfördertAgilität.

    10. Einfachheit -dieKunst,dieMengenichtge-tanerArbeitzumaximieren-istessenziell.

    11. Die besten Ergebnisse bei anspruchsvollerArbeit entstehen durch selbstorganisierteTeams.

    12. In regelmäßigen Abständen reflektiert dasTeam, wie es effektiver werden kann undpasstseinVerhaltenentsprechendan.

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    Methodische Ausgestaltungen agilen Arbeitens Es gibt eine ganze Reihemethodischer Ansätze füragilesArbeiten.AmweitestenverbreitetsindScrumundKanban,diewirinderFolgekurzskizzieren.

    AberauchausanderenmethodischenAnsätzenwieExtremeProgramming,FeatureDrivenDevelopmentoder Naked Planning lassen sich Inspirationen fürdaseigeneagileArbeitenziehen.

    WelcherkonkretemethodischeAnsatzgewähltwer-den sollte, hängt vom eigenen Kontext ab. Wichtigist,dassdieobenbeschriebenenKernideenstets imVordergrund bleiben und nicht durch die dogmati-scheVerwendungeinerkonkretenHerangehenswei-sebehindertwerden.

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    Agile Entwicklung mit Scrum ScrumisteinmethodischerAnsatzfüragilesArbei-ten. Scrum fokussiert dabei auf die Entwicklunginnovativer Produkte oder Services2. Bei geringenInnovationsanforderungeninderEntwicklung(z.B.reinesBugfixing)oderbeiderErbringungvonSer-vices(z.B.Texteübersetzen)istScrumhäufignichtdiebesteWahl.

    WirhabenobenagilesArbeitenaufeinenprägnan-tenSatzgebracht:

    AutonomeEntwicklungsteamsmitBusiness-Fokus,

    dieihrenProzessinBesitzundVerantwortungnehmen.

    Dieser Satz gilt genauso auch für Scrum. In demSatzwerdendreiPerspektivensichtbar,ausdenenmanScrumbetrachtenkann:

    1. DieProduktperspektive(Business-Fokus)be-leuchtet,wieProduktedefiniertundverbes-sertwerden.

    2. Die Entwicklungsperspektive (autonomeEntwicklungsteams) beleuchtet, wie TeamsProdukteentwickeln.

    3. Die Verbesserungsperspektive (Prozess inBesitz und Verantwortung nehmen) be-leuchtet,wieZusammenarbeitundProzesseverbessertwerden.

    Diese drei Perspektiven werden im Scrum-Frameworkintegriert,dassoeinfachist,dassesaufeinenBierdeckelpasst(sieheAbbildungrechts)3.

    WirbeschreibendiedreidargestelltenPerspektivenindenfolgendenAbschnittenausführlicher.

    2 Der Scrum Guide ist die offizielle Scrum-Definition:http://scrumguides.org/3Den dargestellten Scrum-Bierdeckel gibt es im it-agile-Shop:http://www.itagileshop.de

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    Scrum: Produktperspektive DieProduktperspektivebeginntmitderProductOwner-Rolle.DerProductOwnerverantwortetdenProdukter-folg, indem er den Produktnutzen durch PriorisierungderProdukteigenschaftenoptimiert.DerProductOwneristderjenige,derdasProduktentwickelthabenmöchte.WenndiesePersondieRolleselbstnichtausfüllenkannoder möchte, kann sie die Product Owner-Rolle voll-ständig an jemand anderen abgeben. Auf jeden Fallmuss der ProductOwner aber bevollmächtigt sein, dieProduktentscheidungen zu treffen. Man kann sich denProductOwnerauchalsUnternehmerimUnternehmenvorstellen.

    FürdenProductOwnergiltdasHighlander-Prinzip:„Eskann nur einen geben.“ Die Rolle kann in Scrum nichtvonmehrerenPersonengeteiltwahrgenommenwerdenundschongarnichtdurcheinKomitee.Manmöchte inScrum, dass der Product Owner mit einer Stimme ge-genüber demTeam und den Stakeholdern spricht undEntscheidungenschnellfällenkann.

    Der Product Owner verfolgt eine Produktvision. Pas-sendzurProduktvisionpflegterdasProductBacklog,in demdie Produkteigenschaften priorisiert sind, diefürdenProdukterfolgnotwendigerscheinen.

    Scrumlegtnichtfest,wiegenaudieEinträgedesPro-ductBacklogsgestaltetsindundwersieerstellt.VieleTeams machen gute Erfahrungen mit User Stories:Exemplarische Benutzungsszenarien aus Sicht einesBenutzers.UserStorieshabeneineandereQualitätalsklassische Anforderungen. Bei User Stories liegt derFokus darauf, ein gemeinsamesVerständnis bei allenBeteiligten zu erzeugen und nicht darauf, dass dieBeschreibung vollständig, widerspruchsfrei und kor-rekt ist. In vielenKontexten erstellt derProductOw-ner die User Stories. Näher am oben beschriebenenagilenKernzykluswäreesallerdings,wenndasTeamdie User Stories in Kooperation mit den Endkundenerstellt.

    Die Entwicklung erfolgt in Iterationen, die in ScrumSprintsheißen.SprintshabeneineimmergleicheLän-gevonmax.4Wochen.WasimSprintentwickeltwird,wirdimSprintPlanning festgelegt.Hierwerdenhoch-priorisierteEinträgeausdemProductBacklogausge-wählt, von denen das Entwicklungsteam meint, dasssie sie im Sprint umsetzen können. So entsteht dasSprintBacklog.DasErgebnisisteinlieferbaresProduk-tinkrement. Ob das Produktinkrement tatsächlich anKunden ausgeliefert wird, entscheidet der ProductOwner. Die im Produktinkrement implementiertenProdukteigenschaften müssen aber auf jeden Falltechnisch produktionsreif sein (mind. entwickelt undqualitätsgesichert).

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    Das Entwicklungsteam demonstriert das Produkt–inkrement im SprintReviewden Stakeholdern4, da-mitdieseFeedbackzumProduktgebenkönnen.DasFeedback wird vom Product Owner entgegenge-nommenundnachseinemErmessenindasProductBacklogintegriert.

    Gute Fragen, um nützliches Feedback zu erhalten,sind:

    • „Was hindert uns daran, das vorliegendeProduktinkrementproduktivzubenutzen?“

    • „Wie kann das vorliegende Produktinkre-mentnochwertvollergestaltetwerden?“

    4Stakeholder ist in Scrum jeder, der Interesse amProduktoderEin-fluss auf die Entwicklunghat:Kunden,Anwender, Sponsoren,Mana-ger,Betriebsratetc.

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    Scrum: Entwicklungsperspektive Das Entwicklungsteam entwickelt ausgehend vomSprint Backlog ein lieferbares Produktinkrement. DasEntwicklungsteam besteht aus 3-9 TeammitgliedernundenthältalleFähigkeiten,dienotwendigsind,umdasSprintBacklogindasProduktinkrementzuüberführen.ScrumfasstdenBegriffdesEntwicklerssehrweit:Jeder,derzurEntwicklungdesProduktinkrementsbeiträgtistein Entwickler. In der Software-Entwicklung wärendaher nicht nur Programmierer gemeint, sondern jenach Kontext auch UX-Experten, Designer, Handbuch-AutorenoderTester.

    Das Entwicklungsteam organisiert sich selbst. Es gibtweder eine formelle Hierarchie noch herausgehobeneRollenoderPositionenimEntwicklungsteam.

    Das Entwicklungsteam bestimmt im Sprint Planning,wie viel Arbeit es in den Sprint aufnimmt. Es wendetdasPull-Prinzipan(es„zieht“ArbeitindenSprint).Fürdie ausgewählten Einträge aus dem Product Backlogerstellt das Entwicklungsteam einen Plan für die Um-setzung imSprint.DieausgewähltenEinträgeausdemProduct Backlog zusammen mit dem UmsetzungsplanbildendasSprintBacklog.

    DasEntwicklungsteammachtsoeineVorhersage(Fore-cast) darüber, was es im Sprint schaffen kann. DieseVorhersage soll die Qualität einer Wettervorhersagehaben. In der Regel sollte das Entwicklungsteam dasliefern, was es eingeplant hat. Es sollte aber niemandübermäßig überrascht sein, wenn das hin undwiedernichtklappt.

    Während des Sprints treffen sich die TeammitgliederwerktäglichzumDailyScrum,umsichüberdenArbeits-fortschritt unddie nächstenAufgaben im Sprint abzu-stimmen. Dazu kommen die Teammitglieder jedenWerktag zur gleichen Uhrzeit am immer gleichen Ortfür maximal 15 Minuten zusammen und beantwortendreiFragen:

    1. Washabe ichseitdemletztenDailyScrumer-ledigt,dasunsdemSprintzielnäherbringt?

    2. WelcheHindernisseseheichaufdemWegzumSprintziel?

    3. Was plane ich, bis zum nächsten Daily Scrumzu erledigen, das uns dem Sprintziel näher-bringt?

    Der Product Owner ist ein optionaler Teilnehmer amDailyScrum.

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    Scrum: Verbesserungsperspektive Der ScrumMaster ist ein Coach für alle Beteiligten. Ersorgtdafür,dassProductOwner,dasEntwicklungsteamund Manager verstehen, wie Scrum funktioniert undhilftIhnen,Scrumeffektivanzuwenden.ErschaffteinenRahmen,indemsichdasTeamselbstorganisierenkannundhältdemTeamimmerwiederdenSpiegelvor.DerScrum Master kümmert sich außerdem darum, dassHindernisse identifiziert und beseitigt werden. Er mo-deriertdieScrum-Meetings.

    Der kontinuierliche Verbesserungsprozess ist beiScrum in zweiMeetings verankert. ZumeinenwerdenVerbesserungen im Daily Scrum gestartet, wenn Hin-dernisse identifiziert werden. Hindernisse sind inScrumalles,wasdieArbeitanaktuellenAufgabenblo-ckiert oder verlangsamt. Der Scrum Master kümmertsichumdieBeseitigungderHindernisse.Dasbedeutetnur selten, dass er dasHindernis alleine aus derWeltschafft.ErwirddazuinderRegelmitweiterenParteienimUnternehmeninteragierenmüssen(z.B.umfinanzi-elleMittelfürbessereArbeitsmittelzubeschaffen).

    AmEndedesSprintsfindetnachdemSprintReviewdieSprintRetrospektive statt. Hier reflektiert das Entwick-lungsteamzusammenmitdemProductOwnerdarüber,wasimletztenSprintgutundwaswenigergutgelaufenist.AufdieserBasisdefinieren sieVerbesserungsmaß-nahmen, die sie im nächsten Sprint umsetzen wollen.DieSprintRetrospektivewirddurchdenScrumMastermoderiert.

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    Kontinuierliche Verbesserung mit Kanban Kanban5verfolgt einen anderen Ansatz als Scrum undstartet mit der existierenden Situation. Kanban instal-liert einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess, derausgehendvondenaktuellenRollenundArbeitsweisenreal existierende Probleme identifiziert und beseitigt.Folgerichtig schreibt Kanban im Gegensatz zu ScrumkeineRollen,MeetingsoderArtefaktevor.DamiteignetsichKanbanimmerdann,wennbereitseinefunktionie-rendeArbeitsweiseexistiert,dieschrittweiseverbessertwerdensoll.Es istdamitbreiteranwendbaralsScrum.MankannauchWartung,SupportodergenerellService-ErbringungmitKanban schrittweise inRichtunghöhe-rerAgilitätbewegen.

    Kanbanbeginntstetsdamit,dieexistierendeArbeitindemexistierendenArbeitsflusszuvisualisieren.DasgeschiehtübereinKanban-Board.DieeinzelnenSchrittedesWorkflowswerdenüberdieSpaltenabgebildet.DieeinzelnenAufgaben„wandern“durchdieSpalten.In der Abbildung rechts findet sich ein einfaches Bei-spiel.InderSpalte„Input“stehendieanstehendenAuf-gaben,dienochnichtbegonnenwurden.DieReihenfol-ge gibt die Priorisierung an. Danach durchlaufen dieAufgabendieSchritte„Analyse“,„Planung“„(Plan“)und„Umsetzung“ („Do“). Vollständig erledigte Aufgabenwandernnach„erledigt“(„Done“).Häufigwerdenphysi-sche Boards mit Haftnotizen verwendet, um Kanban-Boards abzubilden und mit ihnen zu arbeiten. Meistkommen die Beteiligten zu einer täglichen Kurz-Abstimmung zusammen, in der das Board aktualisiertwird.

    Damit ist zunächst nurder StatusQuo visualisiert.Da-mit Kanban als Verbesserungsprozess funktionierenkann,sindzweiÄnderungenderbisherigenArbeitswei-se notwendig. Zum einen muss auf ein Pull-Systemumgestellt werden. Eine Aufgabe auf dem Board wirderst dann in die jeweils nächste Spalte gezogen, wenndortArbeitskapazitätvorhanden ist.EswirdalsonichtArbeit zugewiesen oder in die jeweils nächste Spaltegeschoben(Push).

    AußerdemfordertKanban,dassdieMengederArbeitinden einzelnen Schritten limitiert ist (Work-in-Progress-Limit; kurz: WiP-Limit). Diese WiP-Limitswerden bei den entsprechenden Spalten annotiert. IndemBeispielrechtsdürfenalsomaximalzweiAufgabengleichzeitig analysiert,maximaldrei geplantundmaxi-malzweiumgesetztwerden.

    Durch die WiP-Limits werden Engpass-Situationensichtbar(engl.Bottlenecks):WennineinemSchrittdasWiP-Limit erreicht ist, staut sich Arbeit immer weiternach vorne. Der Stau entsteht immer direkt vor dem

    5DieoffizielleKanban-Beschreibungfindetsichin„KanbanEssentialsCondensed“:http://leankanban.com/guide/

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    Engpass(währendhinterdemEngpasshäufigUnteraus-lastunganzutreffenist).

    In der Abbildung rechts sind drei Aufgaben im Schritt„Plan“ in Arbeit. Es können keine weiteren Aufgabenparallelgeplantwerden.DiebeidenAufgabenin„Analy-se“sinderledigt,könnensichwegendesausgeschöpftenWiP-Limitsbei„Plan“abernichtweiterbewegen.Gleich-zeitigdürfenkeineweiterenAufgaben in „Analyse“ ge-zogenwerden,weilauchdortdasWiP-Limiterreichtist.IneinemKontext,indemesspezialisierteAnalystengibt,diedieAnalysendurchführen,sinddiesedamitarbeits-los.SiekönnenkeineweiterenAufgabenanalysieren.SoerzeugendieWiP-LimitsSlack-Time:Zeit,dienichtfürdieoperativeArbeitverwendetwerdenkann.DieseZeitsoll dafür verwendet werden, das Gesamtsystem zuverbessern.DieAnalystensolltensichjetztmitderFra-ge beschäftigen, wie der Prozess verbessert werdenkann. Das kann z.B. dadurch passieren, dass weiterePlaner integriert werden, die Planer von nicht-Planungsaufgaben befreit werden oder die AnalystendasPlanenlernen.

    Wenn durch solcheMaßnahmen der Engpass beseitigtwurde, wird an anderer Stelle der nächste Engpasssichtbar. Wird kein Engpass sichtbar, sollten dieWiP-Limits reduziert werden, um weitere Engpässe deutli-chersichtbarzumachen.

    Durch diese kontinuierliche Arbeit an den Engpässenwird der Arbeitsfluss (engl. Flow) verbessert. Einerelevante Metrik hierfür ist die Durchlaufzeit (engl.Lead Time) der Aufgaben. Nach Little’s Law sinkt diedurchschnittliche Durchlaufzeit, wenn das Work-in-Progressgesenktwird.

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    Kanban-Prinzipien und -Praktiken Kanban definiert drei Change-Management- und dreiService-Delivery-Prinzipien6.

    DiedreiChange-Management-Prinzipiensind:

    • Startwithwhatyoudonow.(Nehmedieexis-tierenden Rollen, Artefakte und ArbeitsweisenalsStartpunkt.)

    • Agree topursue improvement throughevo-lutionary change. (Vereinbare, Verbesserun-gen durch evolutionäre Veränderungen zu an-zustreben.)

    • Encourageactsof leadershipatevery level.(ErmutigezuLeadershipaufallenEbenenvomeinzelnen Mitarbeiter bis hin zum Top-Management.)

    DiedreiService-Delivery-Prinzipiensind:

    • Focusonthecustomer.(DenKundenundsei-neBedürfnisseundErwartungenverstehenunddarauffokussieren.)

    • Manage the work; let people self-organizearound it. (Die Arbeitmanagen und nicht dieMitarbeiter. Rahmen für Selbstorganisationherstellen.)

    • Evolve policies to improve customer andbusiness outcomes. (Richtlinien und Verein-barungen schrittweise verbessern, um Ergeb-nissefürKundenunddaseigeneUnternehmenzuverbessern.)

    FürdieUmsetzungderPrinzipienschlägtKanbansechsPraktikenvor:

    • Visualize• LimitWiP• Manageflow• Makepoliciesexplicit• Feedbackloops• Improve&evolve

    6Die Abbildung ist angelehnt an „Essential Kanban Condensed“:http://leankanban.com/guide/

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    Agil(er) werden AgileEntwicklungerfordertveränderteVerhaltens-undDenkweisen bei allen Beteiligten. Nur die Mechanikeines Ansatzes wie Scrum zu installieren, reicht nichtaus.

    Die notwendigen Verhaltensänderungen lassen sichnicht über Anweisungen herbeiführen, wie nebenste-hende Abbildung zeigt. Jeder hat ein Wertesystem imKopf. Ein Glaubenssatz könnte z.B. sein: „Vertrauen istgut,Kontrolleistbesser.“DiesesWertesystemprägtdaskonkreteVerhalten,daswirandenTag legen, z.B. „Hr.Müller,ichvertraueIhnendieseAufgabeanundmöchte,dass siemirmorgen früh Bericht über den Fortschritterstatten.“DiesesVerhaltenerzeugtimgegebenenKon-text bestimmte Reaktionen und Ergebnisse und prägtdamitdieErfahrungen,diewirmachen.SoerfahrenwirvielleichtamnächstenTag,dassHr.Müllermitderihmanvertrauten Aufgabe noch nicht mal angefangen hat.Diese Erfahrungenwirken zurück auf unserWertesys-tem („Gut, dass ich kontrolliert habe.“). In der RegelhabensichZyklenentwickeln, indenensichWerteundErfahrungen gegenseitig verstärken („Nächstes Malkontrolliereichambestenhalbtäglich.“).

    Die neuen Verhaltensweisen müssen schrittweise er-lerntwerden.EinverändertesVerhaltenerzeugteande-reErfahrungenundschließlichändert sichunserWer-tesystemimKopf.

    Werschonmalversuchthat,abzunehmenodermitdemRauchenaufzuhören,weiß,wieschweresist,angelernteVerhaltensweisen abzulegen. So geraten wir immerwiederinSituationen,indenenwirunswiderbesseresWissen unpassend verhalten. Und selbstwennwir diegewünschteVerhaltensweiseineinerSchulungeingeübthaben, fallen wir in Stress-Situationen häufig wiederzurückinalteVerhaltensmuster.

    Coaching(durcheinenScrumMasterodereinenexter-nen Scrum-Coach) hilft dabei, Verhalten nachhaltig zuändern.DazumussderCoachverstehen,wasagileEnt-wicklungwirklichbedeutetunddazumusseresbereitspraktiziert haben– ansonstenhatderdenProzessderVerhaltensänderungselbstnochnichtdurchlaufen.

    Umnachhaltigunderfolgreichagil(er)zuwerden,mussalsodasWissenvermitteltundVerhaltensweisengeän-dert werden. Eine Kombination aus Schulungen undCoachingistunabdingbar.

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    Abschluss AgilitätistinersterLinieeineFragedesMindsets(Wer-te und Prinzipien). KonkretemethodischeAnsätzewieScrumundKanbankönnendabeihelfen,diesesMindsetzu erlernenund zuverankern. Sie entfalten ihreWirk-samkeitabernur,wennderMindset-Wandelauchstatt-findet.

    AgileEntwicklung, ScrumundKanbanhaben ihrenUr-sprungalleinderSoftware-Entwicklung.AgileEntwick-lungwurde aber auch in vielen anderenBereichen er-folgreich praktiziert: Entwicklung von physischen Pro-duktenwieAutos, Entwicklung undDurchführung vonServices (z.B. Übersetzungen) undOrganisationsverän-derungen (z.B. Unternehmensagilisierung). Wenn manstetsdieagilenWerteundPrinzipienvorAugenhat,istder Transfer agiler Vorgehensweisen auf neueAnwen-dungsbereichemöglich.

    Es ist sicher sinnvoll, sich über dieses PDF hinausmitAgilität auf theoretischer Ebene zu beschäftigen. Aberirgendwann ist es notwendig, mit agilen Verfahren zuarbeiten,umwirklichzuverstehen,wasdiese imgege-benen Kontext bedeuten. Seien Sie nicht zu zögerlich,aberbleibenSieoffenfüralldiepositivenundnegativenÜberraschungen, die sich bei der Anwendung zeigenwerden.

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    StefanRoock

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