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22 BAUERNZEITUNG 29. WOCHE 2013 ACKER- UND PFLANZENBAU FOTOS: SABINE RÜBENSAAT Wenn das Wasser langsam weicht 1 Die Bodenansprache. Gefüge und Geruch geben Aufschluss über den Zustand. 2 Nicht Jahresringe, sondern Was- serstände lassen sich am Raps ablesen. 3 + 4 Die Bodenretter. Wenn sie ge- nug „Futter“ nden, sind die Regenwür- mer sehr schnell wieder bei der Arbeit. 5 Wissenschaft und Praxis. Dr. Jo- achim Bischoff (l.) und Landwirt Volker Bosse begutachten den geschädigten Wintergerstenbestand. 6 Hart wie Beton. Liegen die überstauten Böden zu lange brach, werden sie fest und lassen sich schwer bearbeiten. 7 Die Überlebenden. Mit dem Roll- striegel wurde der Boden gelockert. 1 2 3 4 5 7 6 Man muss lange suchen, bis man eine grüne Panze auf dem geschä- digten Acker fin- det. Meist handelt es sich dabei um ein Unkraut.

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22 BAUERNZEITUNG 29. WOCHE 2013ACKER- UND PFLANZENBAU

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Wenn das Wasserlangsam weicht

1 Die Bodenansprache. Gefüge und Geruch geben Aufschluss über den Zustand.2 Nicht Jahresringe, sondern Was-

serstände lassen sich am Raps ablesen. 3 + 4 Die Bodenretter. Wenn sie ge-

nug „Futter“ fi nden, sind die Regenwür-mer sehr schnell wieder bei der Arbeit.5 Wissenschaft und Praxis. Dr. Jo-

achim Bischoff (l.) und Landwirt Volker Bosse begutachten den geschädigten Wintergerstenbestand.6 Hart wie Beton. Liegen die

überstauten Böden zu lange brach, werden sie fest und lassen sich schwer bearbeiten.7 Die Überlebenden. Mit dem Roll-

striegel wurde der Boden gelockert.

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Man muss lange suchen, bis man eine grüne Pfl anze auf dem geschä-digten Acker fi n-det. Meist handelt es sich dabei um ein Unkraut.

2329. WOCHE 2013 BAUERNZEITUNGACKER- UND PFLANZENBAU

Wenn man sich der Übermacht des Was-sers geschlagen geben

muss, wird aus dem Funktionie-ren oft reines Warten und Hof-fen. Landwirt Volker Bosse aus Nienburg an der Saale musste insgesamt zehn Tage zusehen, wie die Hälfte seiner Flächen teilweise bis zu zwei Meter hoch mit Wasser überstaut waren. 390  ha bewirtschaftet er seit 1992 als Familienbetrieb mit ei-nem Mitarbeiter. Sein Betrieb, eine Domäne, liegt etwas außer-halb von Nienburg. Ein Großteil seiner Flächen befi ndet sich in der Saale-Aue. Hier herrschen normalerweise beste ackerbau-liche Bedingungen mit Boden-punkten nahe 100. Doch nach zehn Tagen Überstauung sieht es zum Teil verheerend aus. Vol-ker Bosse: „Ich hatte hier auf zweiunddreißig Hektar Zucker-rüben angebaut. Davon sind zwei Drittel kaputt. Auf einem Drittel haben aber etwa fünfzig- bis sechzigtausend Pfl anzen überlebt.“ Er fügt hinzu, dass es ihm leichter gefallen wäre, auch noch diesen Teil abzuspritzen, um im nächsten Jahr wieder Zu-ckerrüben anzubauen, wenn

weniger Pfl anzen überlebt hät-ten. So jedoch kalkuliert er, dass es kostenseitig funktioniert, wenn er um die 300  dt/ha von dem verbliebenen Drittel ernten kann.

Zusammen mit Dr. Joachim Bischoff , Ackerbauexperte der Landesanstalt für Landwirt-schaft, Forsten und Gartenbau am Zentrum für Acker- und Pfl anzenbau in Bernburg begut-achtet der Nienburger Landwirt die „Hinterlassenschaften“ auf seinen Flächen. Da gibt es zum einen den Zuckerrübenschlag.

Schon vor der Überstauung hat-ten die Rübenpfl anzen ob dem kalten und nassen Frühling zu kämpfen und konnten nur vier bis sechs Blätter ausbilden. Dann kam das Wasser und hin-terließ auf zwei Dritteln der Flä-che nichts außer rissige Erde. Dr. Bischoff dazu: „Nach Abzug des Wassers besteht auf überfl ute-tem Ackerland die Gefahr, dass der Boden so stark austrocknet und verhärtet, dass dadurch ei-ne sachgemäße Bearbeitung schon nach wenigen Tagen nicht mehr möglich ist.“ Die Durchlässigkeit und die Durch-lüftung stark verschlämmter Bö-den seien dabei sehr schlecht. Infolge der schlechten Luftzir-kulation verringere sich die bio-logische Aktivität. Der Wasser-überschuss in einer vernässten Krume verdränge die Luft aus den Bodenporen und erzeuge innerhalb kurzer Zeit Sauer-stoff mangel. „Das oberste Ziel muss deshalb die Wiederher-stellung der Bodengare sein, um dadurch eine schnellstmögliche Neubestellung zu erreichen“, so Dr. Bischoff .

Volker Bosse dazu: „Das Schlimmste, was ich jetzt aber

machen kann, ist nass zu ackern. Ich setze da lieber auf den Re-genwurm. Die lagen zwar nach dem Abzug des Wassers zu Tau-senden tot auf der Ackeroberfl ä-che, aber ich bin mir sicher, dass genug überlebt haben und jetzt wieder aktiv werden.“

Seine Restrüben wurden in-zwischen mit Rollstriegel bear-beitet. Damit wurde wieder eine Rauigkeit hergestellt und die weitere Austrocknung unterbun-den. „Die Herausforderung wird jetzt die Unkrautbekämpfung werden. Noch lässt sich nicht ab-schätzen, wie groß die Fracht von Amarantsamen im Wasser war“, so Bosse. Über den Hagel-schaden, den seine Restrüben nach dem überstandenen Hoch-wasser erlitten haben, mag er ei-gentlich schon gar nicht mehr sprechen. Er könne nur von Glück sagen, dass der Boden vor der Überstauung wassergesättigt war und so vom Hochwasser nicht bis in tiefere Schichten ver-dichtet werden konnte. Das be-stätigt auch die Spatendiagnose, die Volker Bosse und Joachim Bischoff auf dem Rübenschlag durchführen. Allein die Regen-würmer fehlen.

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Das Wasser kam schnell und ging langsam. Mit den Hinterlassenschaften der Flut muss man richtig umgehen, um die Flächen schnellstmöglich wieder in Kultur zu bringen. Dabei arbeiten Wissenschaft und Praxis Hand in Hand.

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Trotz aller Schwierigkeiten sind aber die Ackerbauern immer noch besser dran, als viele Grün-land- und Futterbaubetriebe. Volker Bosse erklärt: „Die Rin-der- oder Schafhalter hatten die Futterfl ächen eingeplant. Dort fehlen jetzt erst mal die ,markt-fähigen Kulturen‘ sprich also das Futter.“ Th omas Th almann von der Pfl anzenbaugenossen-schaft eG Bernburg Nord kann das nur bestätigen. Sein Betrieb produziert für einen tierhalten-den Nachbarbetrieb das Futter. „Sechzig Hektar Grünland ste-hen immer noch unter Wasser. Auf zwanzig davon steht immer noch der erste Schnitt. Beim Mais haben wir zweihundert Hektar verloren.“ Jetzt geht es erst einmal darum, das Ergebnis der Futterproben abzuwarten. Erst danach ist klar, ob der Grün-landaufwuchs überhaupt verfüt-tert werden darf. Beiden Land-wirten ist wichtig, wie zukünftig mit dem Problem umgegangen wird. Zu der Diskussion um Flutbeihilfen gibt Volker Bosse zu bedenken, dass diese Mittel aus seiner Sicht gezielt für Ko-operationen zwischen Acker- und Futterbaubetrieben einge-setzt werden sollten. „Ich stelle mir das zum Beispiel so vor, dass mein Anbau von beispielsweise Futtererbsen fi nanziell unter-stützt wird, wenn ich den Auf-wuchs einem Futterbaubetrieb zur Verfügung stelle. Dabei re-den wir von etwa hundert Euro Saatgutkosten und noch einmal zirka hundert Euro für die Be-stellung. Es macht aber nur Sinn, wenn es um Kooperation zwischen den Betroff enen geht!“

Th omas Th almann meint: „Al-les, was Ackerland ist, sollte es auch bleiben, auch wenn wir al-le zehn Jahre absaufen. Aus un-seren guten Böden Grünland zu machen, wäre Wahnsinn.“ Zu-mal auf einem Acker mit der Schadstoff problematik viel ef-fektiver umgegangen werden kann als auf Grünland. Auf je-den Fall müssen die Landwirte mitdiskutieren, wenn es um die Zukunft des Hochwasserschut-zes geht.

Fest steht, dass die Erhöhung der Deiche keine dauerhafte Lö-sung ist. Ausgleichsfl ächen wer-den geschaff en werden müssen. Dabei gibt es aber sicherlich mehr Lösungsansätze als nur den Auenwald. Einerseits stei-gen und steigen die Bodenprei-se, und andererseits sollen beste Böden aus der Produktion ge-nommen werden. Es darf nicht vergessen werden, welchen Ur-sprung die Flächen haben und wer auf und von ihnen lebt. Le-sen Sie dazu auch die spannen-den Geschichten ab Seite 46.

Er ik Pilger mann

Ganz anders sieht es hinge-gen auf einem Nachbarschlag aus. Von weitem möchte man denken, es handele sich um eine abreifende Wintergerste. Erst bei näherer Betrachtung wird sichtbar, dass es sich auch hier eindeutig um ein Flutopfer han-delt. Die Pfl anzen sind zwar weitgehend trocken und gelb, doch hat noch keine Lignifi zie-rung stattgefunden. Zum Zeit-punkt der Überstauung waren die Pfl anzen noch grün, und der Stickstoff wurde innerhalb der Pfl anze noch nicht verlagert. Das erweist sich jetzt als Glück im Unglück. Schließlich handelt es sich bei dem ganzen Bestand um nicht mehr druschfähiges Getreide und verdorbenes Pfl anzenmaterial.

Ohne nennenswerten Lignin-anteil ist es aber äußerst schmackhaft für das Bodenle-ben. Dr. Bischoff s Empfehlung lautet daher: „Alle Pfl anzen-rückstände sollten am besten so in den Boden eingearbeitet wer-den, dass sie die Bodendurch-wurzelung der nachfolgenden Kulturen nicht behindern.“ Er fügt hinzu, dass Pfl anzen mit viel oberirdischer Biomasse vor dem Einarbeiten allerdings mit einer Scheibenegge oder ei-nem Schlegelmulcher zerklei-nert werden müssen. Das sorg-fältige Einarbeiten ist dabei für Zersetzungsvorgänge und Ab-bauprozesse von pfl anzenschä-digenden Stoff en von größter

Bedeutung. Ein Vergraben von organischer Substanz bei Sau-erstoff mangel führt nämlich schnell zur Fäulnis.

Arbeitstiefen zwischen 15 bis maximal 20 cm reichen zum Einarbeiten von viel organischer Substanz in der Regel aus. Ein Tiefl ockern der wassergesättig-ten Böden macht hingegen kei-nen Sinn. Wichtig ist, den richti-gen Zeitpunkt für eine Bodenbe-arbeitung zu erfassen und keine Zeit zu verlieren, wenn der Bo-den ausreichend abgetrocknet und befahrbar ist. Der mecha-nisch gelockerte Boden verfügt aber noch nicht über die Gefü-geeigenschaften, die der Land-wirt und der Wissenschaftler anstreben. Von nachhaltigem Erfolg ist die mechanische Bo-denlockerung nur, wenn es ge-lingt, das Lockerungsgefüge möglichst rasch und dicht zu durchwurzeln. Volker Bosse da-zu: „Ich mache mir jetzt natür-lich auch Gedanken, ob und wie ich noch einen Ertrag hinbe-kommen kann. Das Zeitfenster für die allermeisten Hauptkultu-ren ist inzwischen verstrichen.“ Dr. Bischoff ergänzt: „Das Was-ser kam zum denkbar ungüns-tigsten Zeitpunkt. Alle Feldar-beiten waren gemacht. So sind beispielsweise bei der Zuckerrü-be bis zur dritten Unkrautsprit-zung in etwa tausend bis tau-sendzweihundert Euro Kosten pro Hektar entstanden.“ Unge-klärt ist auch die Frage der

Schlagbilanz. Auf den meisten Flächen wurde die volle Auf-wandmenge gestreut, aber nichts geerntet.

Im Fall des zerstörten Winter-gerstenschlages sieht der Bern-burger Wissenschaftler keine Probleme, den Boden bis zur diesjährigen Rapsaussaat wie-der in Gang zu bekommen. Er betont noch einmal: „Da, wo ge-nug organisches Material vor-handen ist und in den Boden eingearbeitet wird, siedelt sich das Bodenleben unglaublich schnell wieder an. Diese Er-kenntnis aus unseren Untersu-chungen zum Augusthochwas-ser 2002 bestätigt sich hier ein-deutig.“ Viel dramatischer sei aber die Lage auf den betroff e-nen Maisfl ächen. Gerade dort sei es jetzt besonders wichtig, die geschädigten Flächen sofort wieder mit Haupt- oder Zwi-schenfrüchten zu bestellen, so-dass sich die Böden möglichst schnell regenerieren können. Tunlichst sollte vermieden werden, die Ackerfl ächen bis zur Herbstbestellung brach lie-gen zu lassen. In Anbetracht der kürzer werdenden Tage bietet sich hier die Körnererbse an. Ihr Anbau garantiert natürlich, dass sie auch wirklich noch im Okto-ber druschreif wird, aber die Chancen stehen gut. Auch wenn sie nicht geerntet werden kann, entfaltet sie auf jeden Fall ihre positiven Vorfruchtwirkungen für die nachfolgende Kultur.

Das Futter ist verloren. Thomas Thalmann hat Luzerne-, Gras- und Maisbestände verloren. MitDr. Joachim Bischoff beratschlagt er, wie man jetzt mit den Flächen vorgehen sollte.

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