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Jochen Arlt · Geschenkt

Jochen Arlt Geschenkt - nordpark-verlag.de · Tausendschön das Dorf Nachts ein Teil der Milchstraße In sich selbst lebend tagsüber ... Ein portugiesisches Rouleau singt falsches

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Jochen Arlt · Geschenkt

Jochen Arlt

GeschenktAusgewählte Gedichte

N o r d P a r k

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind

im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

N o r d P a r kV e r l a g

Alfred MierschKlingelholl 53 42281 Wuppertal

Gesetzt in der Palatino© Jochen Arlt

Alle Rechte vorbehaltenISBN: 978-3-943940-00-8www.nordpark-verlag.de

Die Besonderen Hefte werden eigenhändig in der Werkstatt des NordPark Verlages gesetzt,

nach Bedarf in kleinen Auflagen auf dem Geese Werkdruckpapier »Alster« gedruckt,

dann handgefalzt und handgeheftet und in den Schutzumschlag aus dem Passat-Vorsatzpapier des Hamburger Papierherstellers Geese eingeschlagen.

Für Sammler: dieses Heft wurde gedruckt imJuli 2014

Gedruckt auf dem Geese Werkdruckpapier Alster chlor- und säurefrei und alterungsbeständig

entsprechend ANSI 3948 und ISO 9706.www.geese-papier.de

FSC zertifiziertSGS – COC –004030

www.fsc.org

Inhalt

I

10 Morgensang 11 In der Nähe 12 Mai, Juni 13 Farinelli und ich und 14 Lange Weile 15 Siegaue II 16 Einsamkeit vonnöten 17 Lanzerath 18 Kartographie 19 Deudesfeld ist spät 20 Eifeltrab alltäglich 21 Basaltsommer 22 Kongo, nachmittags 23 Das Haus des Gärtners 24 Ruhiger Tag 25 Fortgehn 26 Notturno 27 Houverath 28 Maria Laach. Später 29 Judas Thaddäus 30 Herbstgold 31 Früher Hirsch 32 Vierter Advent 33 Ende Dezember 34 Im neuen Jahr 36 Ein Gedicht im alten Stil 37 Meine vier Jahreszeiten

II

40 Frühnebel41 Neuer Tag42 Heute43 Nach einer Skizze von Adolf Molitor (1927-2002)44 Walter Lobenstein, Botaniker45 Landläufig46 Erinnerung47 Hannes, auf ernstem Grund48 Dichterleben49 Falsche Fährten50 Spinners Kreuz – nicht wahr, Peter Zirbes51 Nur heute (Lothars Lied)52 Hausnummer 33-4553 So einfach war das am 1. Mai 2009 / 194554 Wind von Vogelsang55 Nov. 8956 Kismet57 Wo’s lang geht58 Geschenkt

Für Monika (1954 – 2010)

60 Dem Esel ist die Eselin das Schönste61 Zu zweit62 Winnen II63 Logbuch unserer Wanderung 65 Zuversicht66 Weit draußen67 Zeit haben68 Das genügt für diesen Tag69 Sommerglocken70 Frau im Schatten71 Herbstbaum72 Schmetterlingsjahre

73 An das Leid I & II75 Winterschmuck76 TraumLos77 Drei Jahre später78 Am Grab 79 Was bleibt80 Ja, und81 Ankunft82 Sechs’n’Sechzig

SchutzumschlagDie Illustration ist eine UNICEF-Briefmarke aus dem Jahr 1952, die in Großbritannien und Australien verwendet wurde. Die Einnahmen aus dem Verkauf flossen in den Aufbau von Schulen und Bib liotheken und erhöhten den Etat eines eigens gegründeten Buchfonds.

I

10

Morgensang

Gott sei DankIch habe einen Mund zum FastenUnd es ist sehr einfachIch habe ein Boot zum SchreibenUnd es ist nicht immer leichtIch habe einen Zug zum Verlieren

Gott sei DankFür die falsche Dunkelheit bei TagAuch das geht vorüberOhne weh zu tunWie dieser feine Regen

Gott sei DankSingen noch Fische am MeeresgrundUnd der Schmerz lässt nach Wenn die Grillen zögernIn einem Ohr der BlitzUnd im andern das Paradies

Gott sei DankFür die falsche Dunkelheit bei TagAuch das geht vorüberOhne weh zu tunWie dieser feine Regen

11

In der Nähe

Zwischen Osternund PfingstenSumpfdotterblumenblühenund Himmelsschlüssel

Junges Buchengrünein Kuckuck ruftharzduftende Luft

Bussarde kreisenmit Segelflugzeugen

12

Mai, Juni

Das Haus aus Latten gezimmertsolidarische Weißbuchen rundumund fortdauernd Blütendunst

Im längst vergessenen Morgenregenden inneren Geboten folgen

Der hellgrünen Nachtluft gleichhat ein Poem keine Eile

13

Farinelli und ich und

Der Gang am Waldrandfrüh morgens im Sternenstaub

Die ewigen Fragenverlassener Schneckenhäuseran alle Sinne

Das Vertrauenin Maskenund zweite Wahrheiten

*****

Talwärts Scarlatti IIerwacht im offenen Vogelkäfigauf dem Cembalo aus Macau

Für Gisela Hemau

14

Lange Weile

Schwarzwild kreuzt den Wiesenrain.Fuchs schnürt am Bach entlang.

Benders Rom-Postkarten als Mütze.Stacheldraht reißt Fünf ins Hemd.

Nach etwas suchen das nicht da ist.Motorsäge übertönts FariaFariaHo.

Himmel berührt die Erde nachmittags.Abends duftet’s nach Frühsommer.

15

Siegaue II

Pappelschnurweist Mühlenbachden Weg

Sonnenstrahlheilt Schulterdes Deichs

Calypso der Dohlenüberm WasserwerkundErdbeerfelderErdbeerfelder

16

Einsamkeit vonnöten

Reh oder Scherenschnittflaniert buschwärtsam Küchenfenster vorbei

Nur dem eigenen Gewissen verpflichtet

Sonne Regen Mondhelfenauch dem Unkraut

Das Bücherregal als Grabstätte

Schleiereule begleitetGustav Mahler zunächstspäter Ben Websterund meine gusseiserne Olympia

17

Lanzerath

Zwei durchlöcherteVorfahrt achten-Schilder

Fünfzehn Häuserein Zigarettenautomatkein Briefkasten

Vorm Spar FrischemarktReklametafelnstaubverklebtBILD dir deine MeinungLangnese Depot

Hinter der ergrautenSchaufensterscheibeinmittenlosgebretterter Regaleein Billardtisch

Auf grünlichem Tucheine Luftpumpe

18

Kartographie

Tausendschön das DorfNachts ein Teil der MilchstraßeIn sich selbst lebend tagsüberBeständig geht es um nichtsZauber kleiner Glücksmomente

Hemden im WindUnd nach dem Tod kein Ende

mit Michael Krupp in Obermendig

19

Deudesfeld ist spät

Gräten des Fünfuhrtees im tief nahenden Dunkel

Wehrlos schon der Abend

Nie gehörte Schritte

Dem Herbstwald gleichihre vergilbte Zunge

Der Klüttenhändlerverkauft seinen Rücken

Alles bar bezahlt

Ein ausgehungerter Fuchsstarrt zum Licht des Gasthofs

Unleserliche Gesichternahe der Hirschtränke

Warten auf die Abfahrtder Titanic

Zwei Spinnen seilen sich ab

20

Eifeltrab alltäglich

Hügel mit Wetteraugenin Landschaft ohne Rhein

Schweißtränen lockenerste Pferdefliegen

Überhole zwei Wandereraus dem Fotoalbum

Laufe weiter RichtungGasthaus Zu den vier Winden

Auf dem Campingplatzspielt jemand Trompete

Biege am Pflaumenbaumab zum Ginsterhorizont

Heiligenschein um Marias Kopfaus sieben Glühbirnen

Ein hustender Rehbockirgendwo Zwischenspurt

Spalier neugieriger Rinderbei auspendelndem Trab

Für H.-J.S.

21

Basaltsommer

Johannisbeeren flüsternKirschen tropfenButterblumen knisternMargeriten zernagt Sommerfrische undankbar

Basaltsteine güldenGlutgewölk heiter

Mond verschüchtertHainbuchen schnarchenSterne winken

22

Kongo, nachmittags

Von der Sonne abgefackelter RasenIsrael-Vibration mit Wiedererkennungswertno woman, no cry von der Martinsalm herTine nicht sicher ob ihres neuen H&M-BHsMama schläft unterm LindenbaumFür Elise des Eismanns fernes SehnenKein Wind kraults Fell der schwarzen Katze Metaphern brennen unter den Fingernägeln

Für Franz Norbert Mennemeier

23

Das Haus des Gärtners

flankiert vom Orchester der Insektenvon Apfel- Pflaumen- und Birnbäumen

am Küchenfenster vorbeischauendvier stumm erzählende Kürbisköpfe

unweit der Haustür eine Futterkrippemit angenageltem Weihwasserbecken(längst verschwunden Kaugummiautomat gelbe Telefonzelle und Brunnenschacht)

die Veranda umwachsen Ziersträucherwuchern über zu den Treppenstufen

morgens im Schatten des Vordachsspürbar die spätere 35-Grad-Sonne

der Wetterhahn will sich mitteilensetzt blechern krähend zum Flug an

grüne Dachpfannen leuchten rotnach dem zweiten Gewitterregen

zwischen Dill und Kerbel blüht Mohnverblüht hinterm Haus ohne Aufwand

24

Ruhiger Tag

Zwei Wildtaubengehören zum Haus

Musik für Flughäfenum halbelf im Radio

Augen sehen sichsauber in Lichtbalkender Mittagssonne

Katze ruhendauf Motorhaube

Eintauchen inHelmut Salzinger

25

Fortgehn

Noch Heu im Rückenmeiner Kindertage

Der Herbst alleinüber den Teichen

Auf den Wiesenliegt Asche

Vorhof zum Weltendeder geräumte Schankraum

Keimendes Vergehn ringsumdie Chiffren der Vernichter Feuer hinter Tannen gleichdas tröstende Abendrot

Meine Stundewegzubleiben

Für Michael Siefener

26

Notturno

Von Orange zu Anthrazitwechselt der Himmel

Schwarz blühende Hagebuttenauf Fritz von Willes Anhöhen

Ein portugiesisches Rouleausingt falsches Begehren

Hände des Schlafesaus der Zeit gefallen

Blues Sisters unterwegsim Auftrag des Herrn

Mein halber Stolzruht im Pfandhaus

Entscheidungen treffenbis zum nächsten Vollmond

27

Houverath

Der kurzsichtige Gnomimprovisiert am Harmoniumübertönt die Kranichedroben

Die Sonne verbrettertgezwängt mit Ameisenin fransenden Schafstallnebenan

Das handzahme Wieselentschwunden nach druntenhin zu den Reusenabends

Ich diktiere mir gerneper schrundigem Farbbandein Widmungsgedichthier

Für Jürgen Israel

28

Maria Laach. Später

SeeuferschwalbenAttackierendLavakreuzMit ParkplatzWächterhütteUnd HochwasserPegelfundStück GottVertrauen blieb

Einst KräuterMaare für WildGänse beiläufig

Jetzt BimssteinKluft im PapierDrachen spürbar

Ist Herbst Anfang istHerbst am Ufer

29

Judas Thaddäus

Sonnenzeilen der Oktoberfrühehinterm Nebel kriechend

Das Tal hochbeinig blass letztes Grün der feuchten Wiesesich beugend in erstes Tagesrot

Heller werdend die Erinnerungan Folgendes

nach einer Landschaftsmalerei von Leonhard Janta

30

Herbstgold

Aus dem Jahr hochfallende Kastanien

Sinkende Nachtgegen 18 Uhrins Morgenlaub

Der SonneAlmabtrieb

Rinder brüllenwie nie zuvorund kalte Hirsche

Katzenfrostzunehmend

Familie Eichhornsorgt vorfür den Winter

Sohn in St. PetersburgTochter zurück aus Taizé

Kalenderfür nächstes Jahrim Briefkasten

31

Des Nachsommersrostgelbes Blühen

Gesternzwei Wärmflaschenunentbehrlich

32

Früher Hirsch

Die Nacht will nicht weichen

Reif verzuckert tote Flurenund Wälder auf den Anhöhen

Draußen klirrt Wintertagkälte

Glücklich übers Papierfließende Feder drinnen

33

Vierter Advent

FroststarreHauchwölkchen

Vesperspaziergangim weiß bereiftenPhlegma der Feldwege

Hasenspuren

Auf dem Rückwegriechts Unter- und Oberdorfwie eine Weihnachtsbäckerei

Kindliche VorfreudeBeinahe-Unschuld

Als gäbe esmomentannichts anderesauf der Welt

34

Ende Dezember

Regungslose Stille amzugefrorenen Teich

Dem Verfolger in direinen Schritt voraus

Es riecht nach Myraund Christuslegenden

Mondsichelhände berühren Baumwipfeldes Hochthürmenauf der Suchenach unserer Vergangenheit

Im AltjahresgartenSanftmut der Dämmerung

Vom Himmel hoch Silvestersegen

35

Im neuen Jahr

Unter der Januarsonnezehn Grad Kälte

Freunde mich anmit mir selber

Die Alte im Rollstuhlund das Mädchen wieder unterwegsstatt Ziele zu erreichen

Aufrichtigkeit schenkenwie Aufmerksamkeit

Nichts istzu erzwingensoll etwas geschehengeschieht es

36

Ein Gedicht im alten Stil

Für sich seinim Anderennicht wie die Dingeuntertandasein seinim Fluss der Zeitneue Räume bauendie Gurte schließenüber den Ruinenaus sich das Lebenwagenden Überfluss versenken in denKrug der Formauf dass Gefäß undSame seiaufblühend übermsteinigen Karree

Der Tochter und dem Sohn gewidmet

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Meine vier Jahreszeiten

F r ü h l i n g

Auf der Hut sein vor mir selbstTreue zu mir selbstMein Recht auf Kauzigkeit

S o m m e r

Fledermäuse im PaarungsflugÄgyptische ZigarettenKastanie ploppt in die Maß

H e r b s t

Da sind immer weniger Freunde Da sind Gefährten oder AbschiedeDa sind Zu-kurz-Gekommene

W i n t e r

Sohn und Dachs im ScheinwerferlichtGott würfelt nie – es muss Gründe gebenSterben an Heiligabend

Viele sind gekommen. Viele sind gegangen. Auch Du.W i r aber werden uns n i e verlieren