123
Jörg Wollnack Regelungstechnik I Analyse und Synthese linearer kontinuierlicher Regelsysteme System x y Im{ } s Re{ } s Integrations- weg / j + / j - Konvergenz- ebene

Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Jörg Wollnack

Regelungstechnik I

Analyse und Synthese linearer kontinuierlicher Regelsysteme

S y s te mx y

Im s

R e s

In tegration s-w eg

j+

j- K on vergen z-eb en e

Page 2: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich
Page 3: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Vorwort

Nennenswerte technische Regelungen sind eng mit dem Aufkommen der Dampfmaschinenverbunden. James Watt1 hat im Jahre 1788 eine Drehzahlregelung entwickelt. Das Regelungs-prinzip beruht dabei auf dem Erhalt eines Zustandes gegenüber äußeren Störungen.

Das Prinzip einer Regelung ist ein Grunde ein Naturphänomen, das die Evolution bereits vorder Entdeckung durch den Menschen zur Anwendung gebracht hat. Dieses Prinzip ist in nahe-zu allen Lebewesen wiederzufinden. Der aufrechte Gang des Menschen, die Regelung derKörpertemperatur, die Fokus- und Irisregelung der Augen usw. stellen Regelungsprinzipiendar.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte der französische Mathematiker J. B. J. Fourier2 bei demStudium der Wärmeleitungsphänomene die bemerkenswerte Entdeckung gemacht, daß gewis-se trigonometrische Reihen, die später nach ihm benannt wurden, zur Lösung der Wärme-leitungsgleichungen genutzt werden können. Seit dieser Zeit wurden die Fourier-Reihen undVerallgemeinerungen auf die Fourier-Integrale und orthogonalen Reihen bedeutsame Werk-zeuge von Naturwissenschaftlern, Ingenieuren und Mathematikern. Aufbauend auf diesenGrundlagen entwickelten sich weitere Integral-Transformationen, wie z.B. die Laplace3- undHilbert4-Transformation. Auch diese stellen zusammen mit der Fourier-Transformation einleistungsfähiges Werkzeug zur Untersuchung von linearen, zeitinvarianten Differentialglei-chungen und Regelsystemen dar.

Die Regelungstechnik ist heute ein Pflichtfach für viele Ingenieurstudiengänge. Sie erweitertdie Kenntnisse über dynamische Systeme und den Entwurf von Regelungsstrukturen. DieIdee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größenim Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich. Der Soll-Istvergleich wird dann zur Redu-zierung der Abweichungen zwischen den Soll- und Istwerten herangezogen.

Sowohl die Modellbildung und Analyse dynamischer Systeme als auch der Entwurf vonRegelungen steht dabei im Mittelpunkt der Betrachtungen.

Im Berufsalltag des Ingenieurs werden in zunehmenden Maße zur Simulation und nu-merischen Auswertung praktischer Regelungs- und Entwurfaufgaben Rechnersysteme einge-setzt. Aus diesem Grunde sollte die heutige Ausbildung den Studenten möglichst früh an die-se Werkzeuge heranführen. Hierzu wurde Matlab gewählt, weil es für Studenten als Class-room Kit zur Verfügung steht und es an fast sämtlichen Fachhochschulen und Hochschulenim Einsatz ist.

1Watt *Greenock bei Glasgow 19.1.1736, † Heathfield (heute zu Birmingham) 19.8.1819, brit. Ingenieur und

Erfinder. Verbesserte 1765 die (atmosphärische) Dampfmaschine von T. Newcomen durch Einführung des vomZylinder getrennten Kondensators. 1782–84 konstruierte er eine doppeltwirkende Dampfmaschine.2 Fourier [Jean-Baptiste] Joseph Baron de (ab 1808), *Auxerre 21.3.1768, †Paris 16.5.1830, frz. Mathematiker undPhysiker. Die von F. im Rahmen seiner Arbeiten über die Theorie der Wärmeausbreitung eingeführte Methode der Ent-wicklung von Funktionen in Fourier-Reihen (Reihen zur Darstellung einer period. Funktion) erwies sich für die theoret.Physik als außerordentlich fruchtbar.3 Laplace, Pierre Simon Marquis de (seit 1804), *Beaumont-en-Auge bei Lisieux 28. 3.1749, †Paris 5.3.1827, frz.Mathematiker und Astronom. Arbeitete v.a. über Kosmogonie, Potentialtheorie, Schwingungs- und Wärmelehre und Wahr-scheinlichkeitsrechnung.4 Hílbert, David, *Königsberg 23.1.1862, †Göttingen 14.2.1943, dt. Mathematiker. 1892–95 Prof. in Königsberg, dann inGöttingen. Grundlegende Arbeiten insbes. zur Invariantentheorie, zur Theorie der algebraischen Zahlkörper, zur Theorie derIntegralgleichungen und zur mathemat. Physik.

Page 4: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Die Matlab-Beispiele sollen den Leser anregen, den Lehrstoff an Beispielen zu erproben. DieProgramme können hierzu leicht modifiziert werden, so daß man Erfahrung mit dem Ver-halten dynamischer Systeme und dem Entwurf von Reglern erwerben kann.

Die Regelungstechnik umfaßt sowohl mathematische exakte, allgemeingültige Betrachtungenals auch ingenieurmäßige Interpretationen und Darstellungen. Die Mathematik ist gewisser-maßen die exakte Sprache, die zur Formulierung des Sachverhaltes herangezogen wird. Dieingenieurmäßige Betrachtung und die intuitive Erfassung des Gegenstandsbereiches kann undmuß das Verständnis über mathematische Strukturen ergänzen. Für die Ideenfindung und denkreativen Arbeitsprozeß des Menschen ist dies wahrscheinlich auch nötig. Zudem ist es so-wohl praktisch als auch wirtschaftlich in der Regel zweckmäßig, Vereinfachungen und eineBeschränkung auf das Wesentliche vorzunehmen. Aus diesem Grunde ist eine Kenntnis derMatrizenrechnung, Infinitesimalrechnung sowie der Fourier- und Laplace-Transformationausreichend.

Die mathematische präzisere Einführung der Integraltransformation wird in einer eigenstän-digen Vorlesungseinheit vorgenommen. In dieser Vorlesungseinheit steht die ingenieur-mäßige Betrachtungsweise im Fordergrund, die für die Denkweisen im Zeit- und Frequenzbe-reich wichtig sind.

Die Vorlesungsreihe ist in fünf Abschnitte unterteilt:

• Im ersten Abschnitt wird eine Einführung in die Regelungstechnik vollzogen,

• im zweiten Abschnitt wird der Stoff im Hinblick auf analoge Zustandsmodelle vertieft,

• im dritten Abschnitt werden diskrete Regelsysteme betrachtet,

• im vierten Abschnitt wird in die statistische Beschreibung dynamischer Systeme, dieSystemidentifikation, Optimierung und adaptive Regler eingeführt und

• im fünften Abschnitt werden nicht lineare Regelungen, Fuzzy-Regler, neuronale Reglerund numerische Verfahren der Regelungstechnik behandelt.

Page 5: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

- 1 -

Dr. Jörg Wollnack

Inhaltsverzeichnis

(Im Aufbau befindliches Manuskript)

1 Historische Entwicklung............................................................................................ 1

2 Einführung in die Regelungstechnik ........................................................................ 3

3 Steuerung und Regelung (Idee und prinzipielle Funktionsweise).......................... 5

4 Struktur- und Blockschaltbilder (Modularisierung und Hierarchisierung) ............. 8

5 Systemtheorie ........................................................................................................... 11

5.1 Mehr- und Eingrößensysteme ............................................................................... 13

5.2 Zeitinvarianz, Linearität und Homogenität ........................................................... 13

5.3 Linearisierung........................................................................................................ 14

5.4 Kontinuierliche und diskrete Systeme und Signale............................................... 15

5.5 Deterministische und stochastische Systeme und Signale .................................... 16

5.6 Kausale und nichtkausale Systeme und Signale.................................................... 17

5.7 Stabile und instabile Systeme................................................................................ 17

6 Systemtheoretische Anwendungsbeispiele ............................................................. 18

6.1 Konzentrierte Bauelemente ................................................................................... 18

6.2 Elektrische Systeme .............................................................................................. 21

6.3 Elektromechanische Systeme ................................................................................ 21

6.4 Dimensionierung elektrischer Antriebe ................................................................ 23

7 Systemanalyse und –synthese.................................................................................. 33

7.1 Systemanalyse ....................................................................................................... 33

7.2 Systemsynthese ..................................................................................................... 34

7.3 Vollständigkeit, Minimalität und Parameterunempfindlichkeit von Modellen .... 35

Page 6: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

- 2 -

Dr. Jörg Wollnack

8 Beschreibung im Zeitbereich .................................................................................. 37

9 Fourier- und Laplace-Transformation .................................................................. 39

9.1 Motivation ............................................................................................................. 39

9.2 Fourier-Transformation ......................................................................................... 40

9.3 Laplace-Transformation ........................................................................................ 41

9.4 Eigenschaften der Laplace-Transformation (Tabellen)......................................... 43

9.5 Sätze ...................................................................................................................... 43

9.6 Rücktransformation ............................................................................................... 45

9.7 Korrespondenzen................................................................................................... 47

10 Beschreibung im Frequenzbereich ......................................................................... 48

10.1 Übertragungsfunktion, Sprung- und Impulsantwort, SignalspektrumBetrags- und Phasengang ...................................................................................... 48

10.1.1 Eingrößensysteme .......................................................................................... 48

10.1.2 Mehrgrößensysteme ....................................................................................... 49

10.2 Komplexer Frequenzgang, Ortskurve, Betrags- und Phasendarstellung undBode-Diagramm .................................................................................................... 50

10.3 Blockschaltbilder und konzentrierte Bauelemente................................................ 53

10.4 Elektrische Systeme .............................................................................................. 55

10.4.1 Operationsverstärker ...................................................................................... 56

10.4.2 Vierpoltheorie................................................................................................. 57

10.5 Elektromechanische Systeme ................................................................................ 57

10.6 Wichtige Übertragungsglieder .............................................................................. 59

10.6.1 Verzögerungsglied 1. Ordnung (PT1-Glied) .................................................. 59

10.6.2 Verzögerungsglied 2- Ordnung (PT2-Glied und PT2S-Glied)........................ 62

10.6.3 Matlab-Programm Übertragungsglieder ........................................................ 66

10.7 Struktur von Regelkreisen und Übertragungsverhalten ........................................ 68

11 Das Verhalten linearer kontinuierlicher Systeme................................................. 71

11.1 Übertragungsfunktion mit verzögertem P-Verhalten ............................................ 72

11.2 Übertragungsfunktion mit verzögertem I-Verhalten............................................. 73

11.3 Übertragungsfunktion mit verzögertem I2-Verhalten............................................ 73

Page 7: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

- 3 -

Dr. Jörg Wollnack

11.4 Interpretation ......................................................................................................... 73

11.5 PID-Regler............................................................................................................. 74

11.5.1 Idealer PID-Regler ......................................................................................... 74

11.5.2 Realer PID-Regler .......................................................................................... 75

11.5.3 Vor- und Nachteile verschiedener PID-Reglertypen ..................................... 76

11.5.4 Matlab-Programm PID-Regler ....................................................................... 76

12 Technische Realisierung von kontinuierlichen regelungstechnischenSystemen ................................................................................................................... 79

12.1 Regler .................................................................................................................... 79

12.1.1 Elektrische Regler .......................................................................................... 79

12.1.2 Pneumatische Regler ...................................................................................... 80

12.2 Stellorgane............................................................................................................. 82

12.2.1 Elektrische Stellorgane................................................................................... 82

12.2.2 Pneumatische Stellorgane .............................................................................. 82

12.2.3 Hydraulische Stellorgane ............................................................................... 82

12.2.4 Thermische Stellorgane.................................................................................. 82

12.3 Sensoren ................................................................................................................ 82

12.3.1 Position........................................................................................................... 82

12.3.2 Geschwindigkeit............................................................................................. 82

12.3.3 Beschleunigung .............................................................................................. 82

12.3.4 Kraft ............................................................................................................... 82

12.3.5 Temperatur ..................................................................................................... 82

12.3.6 Druck.............................................................................................................. 82

13 Stabilität linearer kontinuierlicher Regelsysteme................................................. 83

13.1 Asymptotische Stabilität........................................................................................ 83

13.2 Algebraische Stabilitätskriterien ........................................................................... 85

13.2.1 Beiwertbedingungen....................................................................................... 85

13.2.2 Kurwitz-Kriterium.......................................................................................... 86

13.2.3 Routh-Kriterium............................................................................................. 87

13.3 Nyquist-Kriterium ................................................................................................. 89

13.3.1 Vorüberlegungen zur Oszillatorbedingung (Grenzstabilität)......................... 89

13.3.2 Oszillatorbedingung und -1-Punkt der Ortskurve ......................................... 90

13.3.3 Anwendungsbeispiel der Oszillatorbedingung (Stabilitätskarte einerWerkzeugmaschine) ....................................................................................... 91

13.3.4 Nyquist-Kriterium in Ortskurvendarstellung ................................................. 98

13.3.4.1 Allgemeines Nyquist-Kriterium.............................................................. 98

Page 8: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

- 4 -

Dr. Jörg Wollnack

13.3.4.2 Spezielle Nyquist-Kriterien (vereinfachte Formen).............................. 101

13.3.4.3 Anwendungsbeispiele ........................................................................... 102

13.3.4.3.1 Systeme mit Polfreiheit auf der Imaginärachse ............................. 102

13.3.4.3.2 Systeme mit I-Verhalten ................................................................ 103

13.3.4.3.3 Systeme mit Totzeitverhalten......................................................... 104

13.3.5 Das Nyquist-Kriterium in der Betrags- und Phasendarstellung (Betrags-und Phasenrand) ........................................................................................... 105

14 Entwurf linearer kontinuierlicher Regelsysteme................................................ 109

14.1 Beschränkungen der erreichbaren Regelgüte ...................................................... 109

14.2 Modellunsicherheiten .......................................................................................... 111

14.3 Reglerentwurf als Optimierungsproblem ............................................................ 111

14.3.1 Entwurf im Zeitbereich ................................................................................ 113

14.3.1.1 Dynamische Fehler................................................................................ 113

14.3.1.2 Integrale Gütekriterien .......................................................................... 114

14.3.2 Entwurf im Frequenzbereich ........................................................................ 115

15 Formelsammlung

16 Symbol- und Abkürzungsverzeichnis

17 Literaturverzeichnis

18 Anhang

Page 9: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 1 - Dr. Jörg Wollnack

1 Historische Entwicklung

Das Prinzip einer Regelung ist ein Grunde ein Naturphänomen, das die Evolution bereits vorder Entdeckung durch den Menschen ohne explizite Systemkenntnis zur Anwendung gebrachthat. Dieses Prinzip ist in nahezu allen Lebewesen wiederzufinden. Die Lebewesen besitzenfühlende und regelnde Organe, die jeder “Störung“ der Lebensbedingungen entgegenwirken.Der aufrechte Gang des Menschen, die Regelung der Körpertemperatur, die Fokus- und Iris-regelung der Augen usw. stellen Regelungsprinzipien dar.

Im technischen Bereich sind nennenswerte technische Regelungenmit dem Aufkommen der Dampfmaschinen verbunden. JamesWatt1 hat im Jahre 1788 eine Drehzahlregelung entwickelt. DasRegelungsprinzip beruht dabei auf dem Erhalt eines Zustandesgegenüber äußeren Störungen. Dieses Regelungsprinzip ist auchbei ökonomischen und soziologischen Prozessen wiederzufinden.

Die Entwicklung der Regelungstechnik läßt sich nach Unbehauenin vier Perioden einteilen. Die erste Periode beginnt mit derErfindung des Fliehkraftreglers um 1788. In dieser Phase waren

die Untersuchungen wenig von analytischen Ansätzen geprägt. Es dominierten experimentelleEntwicklungen. Die ersten analytischen Untersuchungen gehen auf Arbeiten von James ClerkMaxwell2 zurück, der als Begründer der allgemeinen Regelungstheorie gilt.

Die zweite Phase um 1900 war durch eine strenge mathematische Behandlung regelungstech-nischer Vorgänge gekennzeichnet. Die Arbeiten von A. Stodola und M. Tolle habe wichtigeBeiträge hierzu geleistet. Tolle hat 1905 ein erstes systematisches regelungstechnisches Lehr-buch veröffentlicht. In der selben Zeit haben E. Routh und A. Hurwitz wichtige Stabilitäts-kriterien dynamischer Systeme entwickelt. K. Küpfmüller hat 1930 mit seinen Arbeiten aufdem Gebiet der elektrischen Nachrichtentechnik Stabilitätsprobleme rückgekoppelter Ver-stärker analysiert. In dem gleichen Zeitraum hat auch H. Nyquist mit der Einführung neuerStabilitätskriterien anhand der Ortskurve wichtige Beiträge geleistet. Diese Arbeiten habender Regelungstechnik wesentlich Impulse gegeben.

Um 1940, mit dem Beginn der dritten Phase, haben A. Leonard und W. Oppelt durch ihre Ar-beiten die Regelungstechnik zu einer einheitlichen, systematisch geordneten aber auch selbst-ständigen Ingenieurdisziplin entwickelt. In dieser Epoche der klassischen analogenRegelungstechnik wurde die erste geschlossene Behandlung der Dynamik von Regelungenvollzogen.

Die statistischen Methoden der Regelungstechnik wurden in den Nachkriegsjahrenentwickelt. Dies gilt auch für die Entwicklung der Abtastsysteme sowie der nicht linearenRegelungstheorie. Diese Arbeiten fanden hauptsächlich in den USA und der Sowjetunion

1 Greenock bei Glasgow 19.1.1736, † Heathfield (heute zu Birmingham) 19.8.1819, brit. Ingenieur und Erf-

inder. Verbesserte 1765 die (atmosphärische) Dampfmaschine von T. Newcomen durch Einführung des vomZylinder getrennten Kondensators. 1782–84 konstruierte er eine doppeltwirkende Dampfmaschine.2 *Edinburgh 13.6.1831, †Cambridge 5.11.1879, brit. Physiker. Schöpfer der modernen Elektrodynamik und derelektromagnetischen Lichttheorie (Maxwellsche Theorie).

Abb. 1-1: James Watt

Page 10: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 2 - Dr. Jörg Wollnack

statt. Es entstanden hierbei auch erste pneumatische und elektronische Gerätekonzeptionenvon PID-Reglern (Proportional-Integral-Differential).

In der vierten Phase um 1960 mit dem Aufkommen von elektronischen Rechenmaschinen ent-stand die sogenannte “moderne“ Regelungstechnik. Hierbei konnten sowohl komplexeregelungstechnische Prozesse als auch Mehrgrößensysteme in der Praxis umgesetzt werden.Mit diesen Prozeßrechner konnten relativ große Datenmengen bearbeitet und optimaleFührungen der Prozesse realisiert werden. Dies induzierte auch die Weiterentwicklung undEinführung optimaler Steuerungs- und Regelungsverfahren, die bereits um 1956 vonL. Pontrjagin und in der selben Zeit von R. Bellman nach dem “Maximumprinzip“ und der“Dynamischen Programmierung“ entwickelt wurden.

Die modernen Regelungskonzeptionen erforderten neue Beschreibungsform, die bereits ca.achtzig Jahre vorher in der theoretischen Mechanik eingeführt waren. Diese Zustandsdarstel-lung war insbesondere auch für Mehrgrößensysteme geeignet. Jedoch war ihr vergleichsweisehoher mathematischer und numerische Aufwand an relativ leistungsfähige Rechnersystemegebunden, die ihren breiten Einsatz erst zum Ende der neunziger Jahre möglicht machte.Viele Fortschritte in der Raum- und Luftfahrt wurden erst durch Einführung dieser Verfahreneröffnet.

Die Blüte des Einsatzes der direkten digitale Regelung (Direct Digital Control DDC) und ins-besondere der Realzeitbetrieb geregelter technischer Prozesse war und ist eng an die Entwick-lung der Mikroprozessoren und Mikroelektronik gebunden. Mit dem Aufkommen preiswerterProzessoren um ca. 1975 führte diese Entwicklung in den achtziger Jahren zu einer dezen-tralen digitalen Gerätetechnik. Diese dezentralen Prozeßleitsysteme ersetzten ab 1985 weit-gehend die zentralen Prozeßrechner. Mit der Entwicklung preiswerter Netzwerke um 1990trat die Vernetzung dezentraler, lokaler Einheiten in den Fordergrund.

Diese Entwicklung insbesondere hin zum Einsatz des Ethernet auch für Echtzeitanfor-derungen ist gegenwärtig voll im Gange und sie wird auch, wie in der Vergangenheit, dieRegelungstechnik wesentlich beeinflussen. Damit werden vermutlich Prozeßleitsysteme mitPC und Browser-Technologien mehr und mehr verschmelzen. Es wird darauf zu achten sein,daß hier nicht geschlossenen, sondern offene Systeme entstehen, die einen Reglerentwurfsoftwaretechnisch ermöglichen. Die Standardisierung und Offenheit dieser Systeme darf nichtals ein Hindernis für die Kundenbindung, sondern sie muß als ein Motor der Kundenbindungim Kontext wirtschaftlicher Lösungen verstanden werden.

Page 11: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 3 - Dr. Jörg Wollnack

2 Einführung in die Regelungstechnik

Das gegenwärtige Zeitalter wird häufig als das Zeitalter der Automatisierung bezeichnet.Maschinen und Geräte sollen dabei weitgehend selbstständig arbeiten. Durch die Zusam-menfassung mehrer Maschinen und Geräte entstehen häufig komplexe industrielle Prozesseund Systeme. Diese Systeme sollen dabei nach gewissen Vorgaben ein möglichst wohl-definiertes Verhalten aufweisen. Die Verwirklichung dieses Ziels benötigt zu einem großenTeil die Steuerungs- und Regelungstechnik einschließlich der Prozeßdatenverarbeitung.Komplexe Systeme werden hierbei in der Regel hierarchisch strukturiert, wobei die Auto-matisierungsvorgänge, wie Regeln, Steuer, Überwachen, Protokollieren usw. auf den ver-schiedenen Hierarchiestufen ebenfalls strukturiert zu vollziehen sind.

Die Bedeutung der Steuerungs- und Regelungstechnik ist nicht auf technische Disziplinenbeschränkt. Biologische, ökonomische aber auch gesellschaftliche Prozesse gehören ebenfallszu Systemen, die mit den Methoden der System- und Regelungstheorie besser zu verstehensind. Dennoch stellt die Regelungstheorie dynamischer Systeme ein eigenständiges Fach-gebiet dar. Die Regelungstechnik ist relativ stark methodisch orientiert. Ihre Abstraktion löstsich bewußt vom Anwendungsfall, um die Verwandtschaft der Problemstellungen auf denverschiedenen Anwendungsgebieten herauszuarbeiten. Der Begriff des dynamischen Systemssoll dabei eine möglichst allgemeingültige Beschreibung darstellen:

Def. 2-1 Ein dynamisches System S ist eine Funktionseinheit zur Verarbeitungund Übertragung von Signalen. Signale können dabei Energie,Material, Information, Kapital oder andere Größen sein. Eindynamisches System besitzt damit Eingangs- und Ausgangsgrößen,wobei die Eingangsgrößen u in einem zeitlichen kausalen Zusammen-hang mit den Ausgangsgrößen y stehen (siehe Abbildung 2-1).

Sux

y

S ystem

Abb. 2-1: System

Betrachtet man die Definition 2-1, so wird deutlich, daß die Funktionseinheit im mathe-matischen Sinne eine Relation zwischen den Ein- und Ausgangsgrößen aufbaut. Die Ein- undAusgangsgrößen sind somit Funktionen der Zeit

∀ ∈ → ∈t u t ( ) (2-1.1)∀ ∈ → ∈t y t ( ) (2-1.2)

und ihre Messung erfordert Sensorsysteme. Die Struktur umfaßt einfache Eingrößensystemeaber auch komplexe Mehrgrößensysteme mit mehreren Ein- und Ausgangsgrößen. In diesemFall verwendet man Vektoren reeller Zahlen:

∀ ∈ → = ∈t t u t u trr

u( ) ( ) ( )1 t

und (2-2.1)

∀ ∈ → = ∈t t y t y tmm

y( ) ( ) ( )1 t

. (2-2.2)

Eingrößensysteme treten z.B. bei Meßfühlern, Verstärkern usw. und Mehrgrößensysteme beiDestillationskolonnen, Hochöfen usw. auf. Die hierarchischen Systeme werden vorteilhaftdurch Blockstrukturen symbolisch dargestellt (siehe Abbildung 2-3).

Page 12: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 4 - Dr. Jörg Wollnack

Die Relation zwischen den Ein- und Ausgangssignalen in Abbildung 2-1 läßt sich mittelseines System Operators S

u y S u( ) ( ) ( ) ( )t t t→ = τ (2-3)

beschreiben. Das gemeinsame Merkmale dieser Systeme ist, daß sich in ihnen eine zeitab-hängige, möglichst zielgerichtete Beeinflussung und Signal- bzw.Informationsverarbeitung abspielt. Wiener hat hierfür den über-geordneten Begriff der Kybernetik3 eingeführt. Die Kybernetik undSystemtheorie4 stehen dabei in enger Beziehung zueinander.

3 [griech.], von N. dynamische Systemen, d. funktionalen Beziehungen zueinander stehen und auf Einwirkungen von außerhalb des Systems (Informationen)reagieren (kybernetische Systeme).4 Naturwissenschaft und Technik: jede Gesamtheit von Objekten, die sich in einem Zusammenhang befindenund gegenüber ihrer Umgebung abzugrenzen sind. Ein physikalisches System wird im Hinblick auf seineWechselwirkung mit der Umwelt als offenes oder abgeschlossenes System bezeichnet, je nachdem, ob dasSystem mit der Umgebung in Energie- und Materieaustausch steht oder nicht. Technische Systeme sind imallgemeinen Zusammenfügungen unterschiedlicher Bauelemente, z. ! technische Anlagen, als elektrotechnische Systeme alle elektrischen Schaltungen und Netzwerke.

Abb. 2-2: Wiener

Manage-ment

Manage-ment

Opti-mierung

SteuernRegeln

SteuernRegeln

Opti-mierung

Pla

nung

M

arkt

Per

sona

lK

apita

lIn

form

atio

nP rodukteR ohsto ffeE nerg ieInfo rm ation

Abb. 2-3: Hierarchische Systeme

Page 13: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 5 - Dr. Jörg Wollnack

3 Steuerung und Regelung (Idee und prinzipielle Funktionsweise)

Die Steuerung und Regelung von Systemen unterscheidet sich wesentlich voneinander, wes-halb vorab das Wesentliche der Steuerungs- und Regelungsprinzipien herausgearbeitetwerden soll:

• Steuerung

Geht man z.B. von einer Steuerung der Raumtemperatur ϑR aus entsprechend der Ab-bildung 3-1 aus, so wird die Außentemperatur ϑA über einen Temperatursensor gemessen undeinem Steuergerät zugeführt. Die Außentemperatur stellt hierbei eine Störgröße z1 dar und siebewirkt über den Motor eine Verstellung des Ventils, was wiederum einer Veränderung desWärmeflusses Q am Heizkörper zur Folge hat. Die Steigung der Kennlinie, die den Zu-sammenhang zwischen Außentemperatur und Wärmefluß herstellt, kann an dem Steuergeräteingestellt werden. Der Wirkungsmechanismus der Störgröße ist dabei so zu gestalten, daßsich die Wirkung der Störung im Zusammenhang mit der Steuerung auf die zu steuerndeGröße verringert oder im günstigsten Fall sogar diese völlig beseitigt.

Steuer-gerät

Sensor

Motor

Ventil

Außen-temperatur

z 1

Raum -temperatur

Fensteröffnen

z 2

Heizkörper

R

A

Q

Abb. 3-1: Raumheizungssteuerung

Öffnet man nun z.B. das Fenster, so bewirkt die Störgröße z2 eine Raumtemperaturänderung.Diese wird jedoch nicht von dem Sensor erfaßt und hat somit keinen Einfluß auf dieSteuerung. Dies zeigt, daß man hierbei keine Kompensation sämtlicher Störgrößen vorneh-men kann. Die durch den Sensor erfaßte Außentemperatur bzw. Störgröße muß zugleich einendominierenden Einfluß auf die Raumtemperatur haben und der funktionale Zusammenhangder Steuerungskennlinie muß den Einfluß der Außentemperatur reduzieren bzw. kompen-sieren. Nicht erfaßte Störgrößen werden in ihrem Einfluß nicht reduziert.

Page 14: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 6 - Dr. Jörg Wollnack

• Regelung

Es liegt nun nahe, nicht die Außentemperatur ϑA sondern direkt die Raumtemperatur ϑR Ist zumessen und diese mit einer Solltemperatur w = ϑR Soll zu vergleichen (siehe Abbildung 3-2).Ist die Raumtemperatur zu hoch, so müßte der Motor das Ventil so verstellen, daß sich derWärmefluß Q reduziert und umgekehrt. Jede beliebige, auch gedanklich nicht erkannteStörung wird nun durch die Raumtemperaturabweichung bzw. Regelung erfaßt und hof-fentlich in ihrem Einfluß auf die Raumtemperatur deutlich reduziert.

Regler

Sensor

Motor

Ventil

Außen-temperatur

z 1

Raum -temperatur

Fensteröffnen

z 2

Heizkörper

R

A

Q

Raum soll-temperatur

w

Abb. 3-2: Raumheizungsregelung

Der Kern oder die Idee einer Regelung liegt in der Bildung einer Regeldifferenz aus Soll- undIstwert, wobei die Regeldifferenz differenzmindernd auf das System einwirken soll. Dies wirdoft auch als negative Rückkoppelung bezeichnet. Später wird sich zeigen, daß hiermit alleinkeine sinnvolle Reglung zu konzipieren ist.

Der Ablauf einer Regelung wird dabei durch folgende Prozedur gekennzeichnet:

• Messung der Regelgröße w als Istwert yIst.• Bildung einer Regelabweichung e = w - y aus Soll- und Istgröße w = ySoll und

y = yIst.• Verarbeitung der Regelabweichung e derart, daß durch Veränderung der Stell-

größe u die Regelabweichung vermindert oder beseitigt wird.

Vergleicht man Steuerung und Regelung miteinander, so lassen sich folgende Eigenschaftenfeststellen:

Sowohl Steuerungen als auch Regelungen benötigen Sensoren zur Messung der Störeinflüssebzw. der zu regelnden Größen.

Die Regelung

• erfordert eine Messung der zu regelnden Größen,• sie besitzt einen geschlossenen Wirkungsablauf bzw. Regelkreis,• wegen des geschlossenen Wirkungsrücklaufs (negative Rückkoppelung) kann sie

auch nicht erkannten bzw. erfaßten Störungen entgegenwirken und

Page 15: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 7 - Dr. Jörg Wollnack

• die Regelung ist nicht notwendigerweise stabil, d.h. die Regelgröße klingt nichtab, sondern sie wächst theoretisch über alle Grenzen bzw. läuft gegen einen tech-nisch bedingten Grenzwert (Stellwertbegrenzung der Regelstrecke).

Die Steuerung

• erfordert eine Messung der dominierenden Störungsterme,• stellt einen offenen Wirkungsablauf bzw. eine Steuerkette dar,• sie kann nur Störgrößen entgegenwirken, die gemessen und in der Steuerung

berücksichtigt werden,• die Steuerung setzt die Kenntnis eines funktionalen Zusammenhangs zwischen

Stör-, Regel- und der zu regelnden Größen voraus und• sie ist stabil, sofern die Störgröße und das zu steuernde Objekt stabil ist.

Man erahnt bereist auf dieser Stufe, daß man mit anschaulichen Betrachtung allein keine zu-friedenstellende Aussagen über das Verhalten von Regelungen und Steuerungen treffen kann.Der Mensch / Ingenieur ist nicht nur bestrebt das Verhalten einer bestehenden Regelung zuanalysieren. Er will vielmehr eine gezielten Entwurf eines Reglers vielleicht bis hin zu einerOptimierung und Anpassung an sich verändernden Bedingungen vornehmen. Letzteres sollvielleicht auch automatisch erfolgen können, weil sich die Regelstrecke und das Störungs-verhalten im Laufe der Zeit oder in verschiedenen Betriebssituationen ändert.

Aus diesem Grunde wird ist eine Mathematisierung im Sinne der System- und Regelungs-theorie unabdingbar sein.

Page 16: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 8 - Dr. Jörg Wollnack

4 Struktur- und Blockschaltbilder (Modularisierung undHierarchisierung)

In den Natur- und Ingenieurwissenschaften hat es sich als vorteilhaft erwiesen, Struktur- undBlockschaltbilder als graphische Hilfsmittel zur Darstellung von Systemmodellen heranzu-ziehen. Die Verwendung von Struktur- und Blockschaltbildern setzt das Vorhandensein vonSystemgrenzen voraus (siehe Abbildung 4-1). Diese Systemgrenzen können mehr oderminder willkürlich gesetzt werden.

x zabge-grenztesSystem

Um gebung

Abb. 4-1: Systemgrenzen

Hierbei unterscheidet man offene und abgeschlossene Systeme. Bei abgeschlossenenSystemen findet kein Energie-, Material- oder Informationsaustausch an den Systemgrenzenstatt. Im Gegensatz hierzu sind offene Systeme gerade durch diese Eigenschaft gekennzeich-net. Die Prinzipien der Selbstorganisation und möglicherweise auch das Entstehen vonLebensformen aus unbelebter Materie sind hieran mit hoher Wahrscheinlichkeit gebunden.

Die Systemgrenzen sollten dabei so gesetzt werden, daß man zwischen den Eingangs- undZustandsgrößen5 x und z ein weitgehend rückwirkungsfreies bzw. im Idealfall völlig rück-wirkungsfreies Verhalten erhält. Neben der Rückwirkungsfreiheit sollte die Wahl der System-grenzen auch von dem Primat bestimmt sein, daß die Systemgrenzen, die das Systemverhaltenbestimmenden Einflußgrößen umfassen. Das Systemmodell muß und kann das Verhaltenprinzipiell nicht exakt beschreiben (Heisenbergsche6 Unschärferelation, Dualismus ausTeilchen und Welle, Quantelung7). Es kommt letztlich auf eine von der Anwendunganhängige hinreichend genaue Beschreibung des Systemverhaltens an (siehe auch Kapitel 7).Dies gilt insbesondere auch unter den Randbedingungen der Wirtschaftlichkeit.

Die Zustände des Systems sind in physikalischen und technischen Systemen meßbare Größen,wobei dies nicht implizieren muß, das sie einer Messung zugänglich sind. Häufig können nur

5 in der Physik die Gesamtheit der physikalischen Größen eines physikalischen Systems, die es in jedem Zeit-punkt in seinen Eigenschaften und seinem Verhalten eindeutig beschreiben.6 Heisenberg, Werner, *Würzburg 5.12.1901, †München 1.2.1976, dt. Physiker. Seit 1946 Direktor des Max-Planck-Instituts für Physik und Astrophysik (Göttingen, später München). H. hat mit seinen Beiträgen zurAtom- und Kernphysik die Entwicklung der modernen Physik nachhaltig beeinflußt. 1927 gelangte H. zurAufstellung seiner Unschärferelation. Für seine Beiträge zur Quantentheorie erhielt er 1932 den Nobelpreis fürPhysik. Ab 1953 befaßte er sich mit einer einheitlichen Feldtheorie der Elementarteilchen (HeisenbergscheWeltformel).7 das Aufteilen der bei physikalischen Vorgängen erscheinenden Energie und anderer atomarer Größen in be-stimmte Stufen oder als Vielfaches von bestimmten Einheiten.

Page 17: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 9 - Dr. Jörg Wollnack

gewisse Ausgangsgrößen y gemessen werden, die einen eindeutigen Rückschluß auf sämt-liche Zustände nicht zulassen. Man kann auch hier wieder erkennen, daß die Aufgabe derMessung physikalischer und technischer Größen und damit letztlich der Einsatz von Sensorenin einem engen Zusammenhang mit der System- und Regelungstheorie steht.

Letztlich ist die Annahme eines rückwirkungsfreien Systems eine vereinfachende Ideali-sierung, da im Grunde stets Wechselwirkungen zwischen Ausgangs- und Eingangsgrößenvorliegen. Man denke z.B. an die Gravitation- und elektromagnetischen Felder derenWirkung und damit auch Wechselwirkungen prinzipiell in unendlichen bzw. relativ großenRaumgebieten zu verzeichnen sind oder an eine Verbrennungsmaschine, die durch Abgabeihre Abgase die Temperatur und Sauerstoffkonzentration der Atmosphäre und Verbrennungs-maschine, wenn auch in eher unbedeutender Weise verändert. In der Praxis lassen sich jedochhäufig die Systemgrenzen so legen oder die technischen Systeme so konzipieren, daß dieRückwirkungen vernachlässigbar sind. Letzteres ist gerade die Aufgabe des Ingenieurs oderWissenschaftlers, nämlich Systeme oder Bauelemente zu konzipieren, die unter den Betriebs-bedingungen den o.g. Anforderungen soweit wie möglich gerecht werden. Diese Ent-koppelung ermöglicht im Zusammenhang mit der Modularisierung, Hierarchisierung undStandardisierung letztlich einen wirtschaftlichen Entwurf von technischen Systemen.

Wegen der Komplexität technischer Systeme ist es wichtig, analoge physikalische Zusam-menhänge in gleichartig veranschaulichten Darstellungen zu betrachten. Hierfür bedient mansich der Struktur- und Blockschaltbilder. Weitere wichtige Elemente in diesem Sinne sind dieSignalflußpläne in Tabelle 4-1, die sowohl Zusammenhänge zwischen den Systemen undSignalen als auch den Signaleingangs- und Signalausgangsbeziehungen wiedergeben. DieseSignalflußbilder zeichnen sich durch eine eindeutige Wirkungsrichtung, die durch die Pfeil-richtung angegeben wird, aus. Dabei ist es wichtig, daß die typischen Operationen, die beimAufbau komplexer Systeme notwendig sind, von den Signalflußplänen erfaßt werden. FürSignale sind es in der Regel die Grundoperationen der Addition, der Subtraktion und derSignalverzweigung, da höhere Operatoren im Blockschaltbild versinnlicht werden sollen.

Für die Blockschaltbilder selbst ist eine Verkettung des Signalflusses im Sinne einer Kom-position von Operatoren, die die Ein- und Ausgangsbeziehungen herstellen, vonnöten. Natür-lich ist auch eine Rückführung von Ausgangs- auf Eingangsgrößen zulässig, wenn der Werte-vorrat der Operatoren eine echte Teilmenge des Definitionsbereiches darstellt. Diese(expliziten) Rückkoppelungen sind eng verwandt mit Iterationen und Rekursionen und er-schließen die für die Technik wichtige Regelungstheorie. Bei der Verwendung der Block-schaltbilder wird angenommen, daß die Ausgangsgröße des Übertragungsgliedes nicht vondem Energiefluß (lastfrei) des nachfolgenden Übertragungsgliedes oder Operators abhängt.Blockschaltbilder sind somit rückwirkungsfrei.

Liegen nicht lineare statische Übertragungsglieder vor, so verwendet man ein leicht modi-fiziertes fünfeckiges Blocksymbol. Hierbei wird entweder der Operator oder der Verlauf derstatischen Kennlinie direkt oder in symbolischer Form eingetragen.

Page 18: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 10 - Dr. Jörg Wollnack

Operator Zeitbereich Signalflußplan

AllgemeinerOperator

y t S x t( ) ( ) ( )= τ S x t ( ) ( )

x y

S y s te m

Identitätsaussage(Verzweigungstelle)

x y y w= ∧ =x y

w

Addition(Additionsstelle)

y x x= +1 2

x 1 y

x 2

Subtraktion(Additionsstelle mit -)

y x x= −1 2

x 1 y

x 2

Faltung y t f x t( ) ( * )( )= X F 1YF 2

Faltungs-komposition

(Kettenschaltung)

y f f x= 1 2 ( ) x f1yf 2

Rückkoppelungy t f x t

x t x t f y t

( ) ( * )( ),

( ) ( ) ( * )( )

== −

1

2

D

D

f1y

f 2

x

+

Multiplikation y x x= 1 2x 2

x 1

y

M u ltip lik a tio n

X

Tab. 4-1: Operatoren und Signalflußpläne

Die Grundoperationen der Faltung und Rückkoppelung von Funktionalen, Integral- und Dif-ferentialgleichungen ist wenig intuitiv. Diese Operationen sind im I8-Bereich der Fourier- undLaplace-Transformation wesentlich transparenter, da sie auf algebraische Operationen zu-rückgeführt werden können. Hiermit hängt auch eng die Darstellung von Frequenzgängen derÜbertragungsglieder zusammen.

Die hier kurz eingeführten Begriffe werden in den nachfolgenden Abschnitten noch ausführ-lich diskutiert werden und im Rahmen von Übungsaufgaben in der Anwendung vertieft.

Bei mehrstufigen, hierarchisch gegliederten Systemen entsprechend Abbildung 4-2 bringendie Blockschaltbilder den Material-, Energie- oder Informationsfluß zum Ausdruck. Dabeisind auf den höheren Ebenen zumeist Management- und Koordinationsaufgaben und auf denunteren Ebenen überwiegend Optimierungs-, Steuerungs- und Regelungsprobleme zu lösen.

8 I steht für Integral-Transformation.

Page 19: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 11 - Dr. Jörg Wollnack

Manage-ment

Manage-ment

Opti-mierung

SteuernRegeln

SteuernRegeln

Opti-mierung

Pla

nung

M

arkt

Per

sona

lK

apita

lIn

form

atio

n

P rodukteR ohsto ffeE nerg ieInfo rm ation

Abb. 4-2: Mehrstufensystem

5 Systemtheorie

Mit der zunehmend theoretischen Analyse technischer Systeme ist die Systemtheorie mehrund mehr in den Vordergrund getreten. Es handelt sich hierbei um eine mathematische Ab-straktion, die zum Ziel hat, für verschiedene technisch, naturwissenschaftliche Bereiche einegemeinsame Struktur zu finden. Dies gilt in analoger Weise für die Mechatronic. Bis aufwenige Ausnahmen ergeben sich alle Grundgleichungen der Physik aus Variationsprinzipien.Hierdurch entstehen Systeme von gewöhnlichen oder partiellen Differentialgleichungen. Fürdie klassische Mechanik besitzen die Systeme eine endliche Zahl von Freiheitsgraden. ImGegensatz hierzu erhält man für Feldtheorien zumeist unendliche viele Freiheitsgrade.

Die partiellen Differentialgleichungen sind dabei von mehreren Variablen, z.B. drei Raum-variablen und der Zeit abhängig. Derartige Systeme werden als dynamische Systeme bezeich-net. Im allgemeinen liegen die Differentialgleichungen in impliziter Form

S

x y u

x x

y y

u u

0

, , ,

, , , ,

, , , ,

, , , ,

∂∂

+ + ∂∂

∂∂

+ + ∂∂

∂∂

+ + ∂∂

∂∂

+ + ∂∂

∂∂

+ + ∂∂

∂∂

+ + ∂∂

=

t t t t

t t t t

t t t tt

I I

k

I I

k

I I

k

1 1

1 1

1 11

,

mit x y u= ∈ = ∈ = ∈x x y y y ynn

mm

rr

1 1 1, , , , , , , , t t t

,

S = ∈ ∈ ∈s s t i Imm

i1 1, , , , ,2, , t

, t1 := Zeitvariable (5-1)

Page 20: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 12 - Dr. Jörg Wollnack

vor und sind nichtlinear sowie zeitvariant. Es werden hierbei mehrere Systemzustände,Eingangs- und Ausgangsgrößen zu einem Vektor x, u und y zusammengefaßt. Diese Relationwird in einem Schema entsprechend Abbildung 5-1 veranschaulicht.

Sux

y

S ystem

Abb. 5-1: System mit vektoriellen Ein- und Ausgangsbeziehungen

Dieses Schema geht von einer expliziten Beschreibung des Ausgangsvektors aus. Von vorn-herein ist jedoch weder die eindeutige Lösbarkeit der Differentialgleichung noch die expliziteBeschreibung des Ausgangsvektors gesichert. Zur Lösung der Differentialgleichung müssenin der Regel numerische Integrationsverfahren eingesetzt werden, die rekursiv aus gewissenAnfangsbedingungen die Lösung integrieren. Häufig ist es jedoch möglich, das das System-verhalten durch auf einen Raumpunkt konzentrierte Bauelemente charakterisiert werden kann.Dies sind beispielsweise Widerstände, Kondensatoren, Induktivitäten, aber auch Federn, Mas-sen Dämpfungsorgane usw. Der Systembegriff beschränkt sich nicht nur auf Bauelemente,sondern er umfaßt ferner technische Anlagen und Systeme, wie: Computer, Motoren, nach-richtentechnische Anlagen, Verkehrs- und Verwaltungssysteme sowie ökonomische Zusam-menhänge.

Beschränkt man sich auf Systeme mit konzentrierten Parametern, so erhält man gewöhnlicheDifferentialgleichungen. Durch Einführung von weiteren Zustandsvariablen können sukzes-sive die höheren Ableitungen auf Ableitungen erster Ordnung zurückgeführt werden. Das soentstehende Zustandsmodell konzentrierter Parameter hat die allgemeine Form:

( ( ), ( ), )x f x u= t t ty h x u= ( ( ), ( ), )t t t . (5-2)

Die Zustände ∀ ∈ ∃ ∈ →t t t tn x x( ) ( ), der Steuervektor ∀ ∈ ∃ ∈ →t t t tr

u u( ) ( )und der Ausgangsvektor ∀ ∈ ∃ ∈ →t t t tm

y y( ) ( ) 9 charakterisieren das System voll-ständig. Sind die Systemgrößen in einem Zeitintervall erklärt, so ist das System zeit-kontinuierlich. Entsprechend erhält man für ein mit der Abtastzeit T0 abgetastetes zeit-diskretes System die Differenzengleichung:

∆x f x u( ) ( ( ), ( ), )k T k T k T k T0 0 0 0= , mit ∆x x x( ) (( ) ) ( )k T k T k T0 0 01= + −y h x u( ) ( ( ), ( ), )k T k T k T k T0 0 0 0= 10 . (5-3)

Geht man davon aus, daß die Systemzustände eindeutig und explizit bestimmt werden kön-nen, so muß ein Operator S

∀ ∈ ∃ ∈ =u y y S u( ) ( ) ( ) ( ) ( )t t t tr m τ (5-4)

existieren der die Ein- und Ausgangsgrößen einander zugeordnet.

9 Die Dimensionen der Vektoren vergrößern sich dabei. Zur Vereinfachung der Schreibweise werden dieSymbole beibehalten.10 Die Abbildungssymbole f und h werden zur Vereinfachung der Schreibweise beibehalten.

Page 21: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 13 - Dr. Jörg Wollnack

5.1 Mehr- und Eingrößensysteme

Ein Mehrgrößensystem S nach Gleichung (5-2) besitzt mehrere Ein- und Ausgangsvariablen.Ein System S mit nur einer Eingangsgröße und ebenfalls nur einer Ausgangsgröße nennt manein Eingrößensystem. Obwohl ein Eingrößensystem als Spezialfall des Mehrgrößensystemsgedeutet werden kann, hat es sich bewährt die Eingrößensysteme ebenfalls als eine selb-ständige Systemklasse eingehender zu untersuchen.

5.2 Zeitinvarianz, Linearität und Homogenität

Im folgenden sollen einige Beschränkungen bezüglich der Freiheitsgrade des zuordnendenSystems definiert werden:

• Zeitinvarianz

S u S u( ) ( ) ( ) ( )t t t t t t − = −0 0 (5-5)

• Linearität

S u S uk kk

t t t t( ) ( ) ( ) ( ) k∑ ∑=

(5-6)

• Homogenität

C S u S C u C( ) ( ) ( ) ( ) ,t t t t r r = ∈ × (5-7)

Zeitinvariante Systeme sind meist nichtlineare Systeme, die mittels Groß- und Kleinsignal-analyse einer quasi linearen Analyse zugänglich gemacht werden. Nichtlineare Systeme er-geben im allgemeinen mathematische Strukturen, bei denen Aus- und Eingangsgröße nichtvon den Systemgrößen separierbar sind (spannungsabhängige Widerstände, die von dermagnetischen Flußdichte abhängige Permeabilität, nichtlineare Bewegungsgleichungen usw.).

Durch die obigen Einschränkungen wird es möglich, eine Größe zu separieren, die demSystem eigen ist. Wir werden sie später als Impulsantwort kennenlernen. Dies schränkt abernicht den Nutzen der Theorie ein. Es hat sich gezeigt, daß viele Systeme mit obiger Näherunghinreichend genau beschrieben werden können.

Die vektoriellen Beschreibungsformen werden zunächst nicht weiter diskutiert. Da dieskalaren Differential- und Integralbegriffe, die im folgenden Verwendung finden, auf dievektoriellen Formen übertragen werden können, indem man diese direkt per Definition aufdie Elemente der Vektoren und Matrizen überträgt, vererben sich die skalaren weitgehend aufdie vektoriellen Formen. Damit sind die skalaren aber auch unmittelbar ein Spezialfall dervektoriellen Ansätze. Lediglich bei den Konvergenzüberlegungen wären zugunsten der aufdie Elemente bezogenen Konvergenzanalysen Vektor- und Matrizennormen vorzuziehen.

Page 22: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 14 - Dr. Jörg Wollnack

5.3 Linearisierung

Eine Linearisierung des Systems wird durch eine differentielle Beschreibung über ∇ -Wertevorbereitet. Dieser Ansatz läßt sich über die Taylor-Reihe linearisieren. Hierdurch entstehenvier im allgemeinen zeitvariante Jacobi-Matrizen

Afx

( ) ( )t t= ∂∂

, Bfu

( ) ( )t t= ∂∂

, (5-8.1, 5-8.2)

Chx

( ) ( )t t= ∂∂

und Dhu

( ) ( )t t= ∂∂

, (5-8.3, 5-8.4)

die zur linearisierten Zustandsbeschreibung

∆ ∆ ∆ ( ) ( ) ( ) ( ) ( )x A x B u rxt t t t t= + +∆ ∆ ∆y C x D u ry( ) ( ) ( ) ( ) ( )t t t t t= + + (5-9)

herangezogen werden können, wenn die Restglieder r r x ux x≡ ( ( ), ( ), )∆ ∆t t t undr r x uy y≡ ( ( ), ( ), )∆ ∆t t t der Linearisierung vernachlässigbar sind bzw. für ∆ ∆x u, → 0 mit

höherer Ordnung als eins gegen null streben.

Weitere Spezialisierungen ergeben sich für zeitinvariante Systeme, bei denen dieMatrizen (5-8) unveränderlich sind:

∆ ∆ ∆ ( ) ( ) ( )x A x B ut t t= +∆ ∆ ∆y C x D u( ) ( ) ( )t t t= + . (5-10)

Eine noch weitergehende Einschränkung erhält man für lineare, zeitinvariante Systeme, dienur eine skalare Ausgangsgröße besitzen.

Zur Vereinfachung der Notation verzichtet man im allgemeinen auf die ∇ -Operatoren underhält die Darstellung:

( ) ( ) ( )x A x B ut t t= + (5-11.1)y C x D u( ) ( ) ( )t t t= + , (5-11.2)

mit

x( )t n∈ Zustandsvektor n-ter Ordnung, (5-11.3)u( )t r∈ Eingangs- oder Steuervektor r-ter Ordnung, (5-11.4)y( )t m∈ Ausgangsvektor m-ter Ordnung, (5-11.5)

A ∈ ×

n n (n x n) - Systemmatrix, (5-11.6)B ∈ ×

n r (n x r) - Eingangs- oder Steuermatrix, (5-11.7)

C ∈ ×

m n (m x n) - Ausgangs- oder Beobachtungsmatrix und (5-11.8)D ∈ ×

m r (m x r) - Durchgangsmatrix (5-11.9)

Die Zusammenhänge, die durch die Zustandsgleichungen beschrieben werden, sind in demBlockschaltbild 5-2 dargestellt. Der direkte proportionale Einfluß der Eingangs- auf die Aus-gangsgrößen wird mit der Durchgangsmatrix D charakterisiert. Systeme bei denen über DInformationen an den Ausgang gelangen, werden als sprungfähig bezeichnet. Ohne dieseKoppelungen wäre bedingt durch den Integrator zwischen Ein- und Ausgangsgrößen dasSystem am Ausgang nicht sprungfähig.

Page 23: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 15 - Dr. Jörg Wollnack

x ( )t x ( )t y ( )tu ( )tx ( )t 0

A

B

D

C d t

Abb. 5-2: Blockschaltbild eines Mehrgrößensystems

5.4 Kontinuierliche und diskrete Systeme und Signale

In der Signal- und Systemtheorie sind kontinuierliche und diskrete Signalverläufe derSystemvariablen entprechend Abbildung 5-3 zu unterscheiden.

• Kontinuierliche Signale

Kontinuierliche Signale zeichnen sich durchAbbildungen des Typs

∀ ∈ ∃ ∈t D y t Wt y( ) , mit

D t t W y yt y≡ ⊆ ∧ ≡ ⊆[ , ] [ , ]1 2 1 2 (5-12)

aus. Bei diesen Signalen wird zu jedem be-liebigen Zeitpunkt im Definitionsbereich Dt

der reellen Zahlen eine Belegung der Variab-len y aus dem kontinuierlichen Wertevorrat Wy

der ebenfalls reellen Zahlen erzeugt.

• Wertediskrete Signale

Wertediskrete Signale sind durch Abbildungendes Typs

∀ ∈ ∃ ∈t D y t Wt y( ) , mitD t tt ≡ ⊆[ , ]1 2

W q q q q q qy N i i i≡ < ∈+ , , , , ,0 1 1 (5-13.1)

definiert. Anstatt der Quantisierungsstufen qi

lassen sich auch die Indizes der Quantisierungsstufen heranziehen, so daß man Abbildungendes Typs

∀ ∈ ∃ ∈t D y t Wt y( ) , mit D t t W Nt y≡ ⊆ ∧ ≡ −[ , ] , , , 1 2 0 1 1 (5-13.2)

erhält. Bei diesen Signalen kann der Wert y des Signals nur bestimmte diskrete Werte, diedurch die Indizes codiert werden, annehmen.

• Zeitdiskrete Signale

Zeitdiskrete Signale sind durch eine diskrete Abtastung des Wertevorrats

y t( )

t

k o n tin u ie rlich

y t( )

t

w e rted isk re t

y t( )

tT 0

z e itd isk re t

y t

( )

tT 0

z e it- u n dw e rted isk re t

Abb. 5-3: Kontinuierliche und diskreteSignale

Page 24: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 16 - Dr. Jörg Wollnack

∀ ∈ ∃ ∈t D y t Wt y( ) , mit D t t t t t tt M i i i≡ < ∈− + , , , , ,0 1 1 1

Wy ∈ (5-14.1)

charakterisiert, dabei können auch hier wieder die Indizes als Codierung

∀ ∈ ∃ ∈t D y t Wt y( ) , mit D Mt ≡ − , , , 0 1 1

Wy ∈ (5-14.2)

herangezogen werden. Sind die Zeitwerte zu äquidistanten Zeitpunkten mit dem Intervall T0

gegeben, so liegt ein äquidistant abgetastetes Signal mit der Abtastperiode T0 vor. SolcheSysteme bezeichnet man auch als Abtastsysteme.

• Zeit- und wertediskrete Signale

Zeit- und wertediskrete Signale sind durch Abbildungen des Typs

∀ ∈ ∃ ∈t D y t Wt y( ) , mit D Mt ≡ − , , , 0 1 1

W Ny ≡ − , , , 0 1 1 (5-14.2)

definiert. In sämtlichen Systemen, in denen ein Digitalrechner die Signalverarbeitung bzw.Regelung vollzieht, können wegen der endlichen Speicherkapazität nur derartige Signale ver-arbeitet werden. Der Übergang zwischen den kontinuierlichen und diskreten Beschreibungs-formen erfolgt technisch mit Hilfe von Analog-Digital- bzw. Digital-Analog-Wandlern. DieseWandler stellen elektronische Schaltungen dar, die die mathematisch ideale Konvertierungapproximieren.

5.5 Deterministische und stochastische Systeme und Signale

Eine Systemvariable kann entweder einen deterministischenoder stochastischen Charakter entprechend Abbildung 5-4aufweisen. Dies kann sich sowohl auf die Signale als auchSystemeigenschaften beziehen. Im deterministische Fall sinddie Signale und das Modell zu jedem Zeitpunkt eindeutigbestimmt und reproduzierbar. Im stochastischen Fall habendie Signale bzw. das Modell ein regeloses zufälliges Ver-halten. Der Wert dieser Signale bzw. das Systemverhaltenkann zu einem beliebigen Zeitpunkt nur durch stochastischeGesetzmäßigkeiten charakterisiert werden. Das Signal- bzw.Systemverhalten ist somit nicht reproduzierbar.

y t( )

t

d e te rm in is tisch

y t( )

t

s to ch a s tisc h

Abb. 5-4: Kontinuierlicheund diskrete Signale stabil

Page 25: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 17 - Dr. Jörg Wollnack

5.6 Kausale und nichtkausale Systeme und Signale

Kausale11 Systeme sind Systeme bei denen die Ausgangsgrößen nur vom Verlauf der Ein-gangsgrößen abhängen. Bei einem kausalen System muß erst eine Ursache auftreten, bevorsich eine Wirkung zeigt. Systeme die ein anderes Verhalten aufweisen, nennt man nichtkausal. Reale technische Systeme sind kausal.

5.7 Stabile und instabile Systeme

Die Stabilität von Systemen ist einewichtige Eigenschaft, die später aus-führlich erörtert wird. Zunächst sollder Begriff der Ein- und Ausgangs-stabilität, im englischen Sprachraumals BIBO-Stabilität12 bezeichnet, ein-geführt werden. Betrachtet man hier-zu das Ausgangssignal eines Systemsin Abbildung 5-5, so leuchtet die fol-

gende Definition unmittelbar ein:

Def. 5-1 Ein dynamisches System ist genau dann (BIBO-stabil) stabil, wenn fürjedes beschränkte zulässige Eingangssignal ein ebenfalls beschränktesAusgangssignal entsteht. Ist dies nicht der Fall, so ist das System(BIBO-instabil) instabil.

Bemerkung: Ein mit konstanter Amplitude oszillierendes Ausgangssignal gilt in diesem Sinneals stabil, obwohl in der Regelungstechnik dieser Betriebszustand im allgemeinen uner-wünscht ist. Ein unendliches Anwachsen der Signale wird in der Praxis zumeist durch end-liche Wertebereiche bzw. begrenzte Leistungen oder ein nichtlineares Systemverhalten (Stell-wertbegrenzungen) bzw. eine Zerstörung des Systems verhindert.

11 [lat.]: ursächlich, das Verhältnis Ursache - Wirkung betreffend, dem Kausalgesetz entsprechend.12 bounded input bounded output

y t( )

t

s tab il

y t( )

t

in s tab il

Abb. 5-5: Stabiles- und instabiles Systemverhalten

Page 26: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 18 - Dr. Jörg Wollnack

6 Systemtheoretische Anwendungsbeispiele

6.1 Konzentrierte Bauelemente

Als Ausgangspunkt der Betrachtungen sollen (skalare) elektrische, mechanische, hy-draulische, pneumatische und thermische Systeme entsprechend Tabelle 6-1 und 6-2 gewähltwerden, die durch konzentrierte Parameter in Form von konzentrierten Bauelementen gekenn-zeichnet sind. Es handelt sich hierbei um mechanische, elektrische, hydraulische,pneumatische und thermische Bauelemente entsprechend der Tabelle 6-3 und 6-4. Es werdendie Symbole der Bauelemente und deren physikalischen Gesetze dargestellt. Mit Hilfe derEnergieerhaltungssätze kann ein Übergang zwischen den mechanischen, elektrischen,hydraulischen, pneumatische und thermische Bauelemente bzw. Systemen vollzogen werden.

Bei der Beschreibung von Systemen aus konzentrierten Bauelementen entstehen gewöhnlicheDifferentialgleichungen n-ter Ordnung. Diese sind, sofern es sich um lineare und zeitin-variante Bauelemente handelt, selbst linear und zeitinvariant. Die Abstraktion führt dann zueiner von der konkreten Anwendung unabhängigen Systembeschreibung. Auf dieser Ebenewerden die typischen Systemelemente erörtert.

Page 27: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 19 - Dr. Jörg Wollnack

Größe elektrischmechanisch

translatorischmechanischrotatorisch

Quantität LadungQ [C]

Wegx [m]

Auslenkungα [rad]

Potential-differenz

Spannungu [V]

KraftF [N]

DrehmomentM [N m]

Zeit Zeitt [s]

Zeitt [s]

Zeitt [s]

Strömung Stromstärke

qQ

t= d

d [A]

Geschwindigkeit

vx

t= d

d [m / s]

Winkelgeschwindigkeit

ω α= d

d t [rad / s]

Widerstand Elektr. Widerstand

Ru

i= [V / A]

Dämpfungswiderstand

dF

v= [N s / m]

Dämpfungswiderstand

dM

r = ω [N m s]

Kapazität Elektr. Kapazität

CQ

u= [A s / V]

Rez. Federkonstante1

c

x

F= [m / N]

Rez. Federkonstante1

c Mr

= α [1 / N / m]

Trägheit Induktivität

Lu

i t=

d d [V s / A]

Masse

mF

v t=

d d [kg]

Trägheitsmoment

JM

t=

d dω [kg m2]

Tab. 6-1: Analoge Größen I

Größe hydraulisch pneumatisch thermischQuantität Volumen

V [m3]Gasmasse

m [kg]Wärmemenge

Q [k J]Potential-differenz

Druckpd [N / m2]

Druckpd [N / m2]

Temperaturϑ [K]

Zeit Zeitt [s]

Zeitt [s]

Zeitt [s]

Strömung Durchfluß

qV

t= d

d [m3 / s]

Durchsatz

mm

t= d

d [kg / s]

Wärmestrom

φ= d

d

Q

t [k J / h]

Widerstand Laminarwiderstand

rp

ld

q= [m4 s2 / kg]

Pneumat. Widerstand

rp= d

m

Wärmewiderstand

Rw =ϑφ

[K h / k / J]

Kapazität Speicherkapazität

kV

ph = 0

0

[m4 s2 / kg]

Speicherkapazität

km

ppd

= [m s2]

Wärmekapazität

kQ

w = ϑ [k J / K]

Trägheit Lp

q th = d

d d [kg / m4] L

p

m tp = d

d d--------------------------

Tab. 6-2: Analoge Größen II

Page 28: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 20 - Dr. Jörg Wollnack

elektrischmechanisch

translatorischmechanischrotatorisch

BauelementSymbol

Widerstand R Dämpfung d Dämpfung dr

PhysikalischesGesetz

iR

u= 1v

dF= 1

t ω = 1

dM

rr

Laplace-Trans-formierte

I sR

U s( ) ( )= 1V s

dF s( ) ( )= 1

t Ω( ) ( )sd

M s= 1

rr

Pro

port

iona

lele

men

te

Übertragungs-funktion G(s)

1

R

1

d

1

dr

BauelementSymbol

Kondensator C Feder Feder

PhysikalischesGesetz

i Cu

t= d

dv

c

F

t= 1 d

dt ω = 1

c

M

tr

d

dr

BauelementSymbol

Induktivität L Masse m Trägheitsmoment J

Spei

cher

elem

ente

PhysikalischesGesetz

iL

u t= 1

d vm

F t= 1

t d ω = 1

JM tr d

Tab. 6-3: Konzentrierte Bauelemente I

hydraulisch pneumatisch thermisch

BauelementSymbol

Leitung rl Drossel r Ebene Wand Rw

Pro

port

iona

l

PhysikalischesGesetz

qr

pl

= 1d m

rp= 1

d φ ϑ= 1

Rw

BauelementSymbol

Speicher kh Speicher kp Speicher kt

Spei

cher

elem

en

PhysikalischesGesetz

q kp

t= h

dd

dm k

p

t= p

dd

dφ ϑ= k

tt

d

d

Tab. 6-4: Konzentrierte Bauelemente II

Page 29: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 21 - Dr. Jörg Wollnack

6.2 Elektrische Systeme

Die Beschreibung von elektrischen Netzwerken kann im Zeitbereich ausgeführt werden, wennman als Elemente die in Tabelle 6-3 dargestellten elektrischen Bauelemente heranzieht. DieKirchhoffschen13 Gleichungen

i tkk

( ) =∑ 0 (6-1.1)

u tmm

( ) =∑ 0 (6-1.2)

können dann zum Ansatz der Gleichungen herangezogen werden.

6.3 Elektromechanische Systeme

Als typisches elektromechanisches System sei der Gleichstrommotor für einen Lageantriebgewählt (siehe Abbildung 6-1). Hierbei sind iA der Motorstrom, uA die Motorspannung, RA

der Gleichstromwiderstand des Ankerkreises, LA die Induktivität des Ankerkreises, ue dieElektromotorische Kraft (EMK), MA das Ankermoment, ML das Lastmoment, J das effektivam Motor wirkende Trägheitsmoment des rotatorischen Systems, ω die motorseitige Winkel-geschwindigkeit der Rotationsachse.

iA

L A

R A

u e

u A

G le ic h -s tro m -m o to r

J

k M

k A

M AM L

Abb. 6-1: Funktionsschema des Gleichstrommotors

Die EMK des Motors sei in erster Näherung proportional zur Winkelgeschwindigkeit:

u k te = Mω( ) . (6-2)

Mit der EMK und der Maschengleichung am Motor erhält man weiter:

13 Kirchhoff, Gustav Robert, *Königsberg 12.3.1824, †Berlin 17.10.1887, dt. Physiker. Stellte die Kirchhoffschen Regelnzur Berechnung der Strom- und Spannungsverhältnisse in elektr. Leitersystemen auf.

Page 30: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 22 - Dr. Jörg Wollnack

u t k t R i t Lt

i tAA M A A A

d

d( ) ( ) ( ) ( )− + +

=ω 0 . (6-3)

Die Bewegungsgleichung des rotierenden mechanischen Systems ergibt sich zu:

Jt

t M t M tL

d

d Aω( ) ( ) ( )= − , (6-4)

worin das Ankermoment über die Momentengleichung des Motors

M t k i tA A A( ) ( )= (6-5)

beschrieben wird. Es liegt damit eine System linearer, zeitinvarianter Differentialgleichungenvor, die in der Notation der Matrixalgebra

L R k

J k

ti t

tt

i t

t

u t

M tA A M

A

A

A

A

L0

d

dd

d

0

0 −

=−

( )

( )

( )

( )

( )

( )ω

ω

(6-6)

kompakt dargestellt werden können. Mit diesen Systemen lassen sich Lageregler aufbauen,wobei die Positionsfunktion

ϕ ω τ τ( ) ( )tt

=−∞ d (6-7)

die zu regelnde Größe darstellt. Bevor man eine regelungstechnischen Betrachtung dieserSysteme vollzieht, muß man zumeist vorab eine Dimensionierung der Antriebe vorzunehmen,weshalb hierauf kurz eingegangen werden soll.

Page 31: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 23 - Dr. Jörg Wollnack

6.4 Dimensionierung elektrischer Antriebe

Beim Bau elektrisch angetriebener Maschinen hat der Lageregler eine wirtschaftlich großeBedeutung erlangt. Neben der regelungstechnischen Betrachtung ist eine Dimensionierungder Antriebe vorzunehmen. Es sind dabei verschiedene mechanische Übertragungsarten, jenach Bewegungstransformation zu unterscheiden:

• Rotation ⇔ Rotation,

• Translation ⇔ Rotation und

• Translation ⇔ Translation.

Die regelungstechnische Betrachtung erfordert ein Aufstellen der Bewegungsgleichung, fürdie die o.g. Transformationen ebenfalls bedeutsam sind.

Entscheidend für die Dimensionierung von elektrischen Antrieben ist der Bedarf an me-chanischer bzw. elektrischer Leistung. Beschränkt man sich auf einfache Arbeitsmaschinenmit einer Kombinationen aus geradlinigen und Drehbewegungen, so findet eine Umrechnungder Zustandsgrößen zwischen geradlinigen und Drehbewegungen, zwischen Drehbewegungenmit unterschiedlichen Drehzahlen und zwischen geradlinigen und geradlinigen Bewegungenmit unterschiedlichen Geschwindigkeiten zumeist unter der Annahme verlustloser Über-

tragungsglieder statt. Aufgrund der Energie-erhaltungssätze stellt man die Energie-bilanzen vor und hinter den Übertragungs-gliedern (Getriebe, Spindel usw.) auf (sieheAbbildung 6-2). Die kinetische Ein- undAusgangsenergien sowie die Ein- und Aus-gangsaugenblicksleistungen müssen infolge-dessen gleich sein, so daß man die dies-bezüglichen Gleichungen formell gleich-setzen kann, womit man die gesuchtenmathematischen Transformationen der

physikalischen Zustandsgrößen, die Momente, Trägheitsmomente usw. erhält. Hierbei gehtman im allgemeinen von einem Verbraucherleistungsbegriff (P ≥ 0 Senke, P < 0 Quelle),rechtswendig orientierten Koordinatensystemen und mathematisch positiver Zählweise der

Drehrichtungen aus. Der Eingang wird dabei mit 1und der Ausgang mit 2 indiziert.

Anschließend berücksichtigt man die Verluste PV

der Übertragungsglieder durch Angabe desWirkungsgrades η (siehe Abbildung 6-3):

P P P1 2= + V (6-8)

η = =+

P

P P2

1

1

1 V 2P (6-9)

Die Zustandsgleichungen der allgemeinen, der translatorischen und der rotatorischenBewegungen zeigt Tabelle 6-5. Über die o.g. Ansätze erhält man die Zustandstransformationfür die verschiedenen mechanischen Übertragungsglieder nach Tabelle 6-6. TypischeWirkungsgrade von mechanischen Übertragungsgliedern zeigt Tabelle 6-7.

S ystemP 1 P 2

P V

Abb. 6-3: Wirkungsgrad undÜbertragungsglied

S ystem

n

v

F

M

m

J

1

n

v

F

M

m

J

2

Abb. 6-2: Verlustloses Übertragungsglied

Page 32: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 24 - Dr. Jörg Wollnack

allgemeine Bewegung translatorischerAntrieb

rotatorischerAntrieb Bemerkung

v

Fm vF

x

m

M

x

J

Zählpfeilsysteme

d dE t= F v d dE F v t= d dE M t= ω differentielle Ener-gie

Erzeugerleistungsbegriff(P ≥ 0 Quelle, P < 0 Senke)

Verbraucherleistungsbegriff(P ≥ 0 Senke, P < 0 Quelle)

Verbraucherleistungsbegriff(P ≥ 0 Senke, P < 0 Quelle)

Leistungsbegriff

P =d

d

E

t= F v P F vtrans = P Mrot = ω Augenblicks-

leistung

E m v= 1

22 E m v= 1

22 E J= 1

22ω kinetische Energie

Fv= mt

d

dF F m

v

tA

d

d= + M M J

tA

d

d= + ω Kräftebilanz

Antriebskräfte

Tab. 6-5: Energiebeziehungen und Bewegungsgleichung

Rotation ⇔ Rotation Rotation ⇔ Translation Translation ⇔ Translation

J 1

M 1

M 2

J 2

A btrieb

A ntrieb

h := Sp inde ls te igung

A ntriebv F

S chlitten

Sp inde l

m

J sp M

M otor

A rbe its-m asch ine

v 1

F 1

v 2

F 2

ün

n= =ωω

2

1

2

1

hs v v= = =ϕ ϕ

πω

2 üs

s

v

v= =1

2

1

2

M

M1

2

2

1

1= ωω η

M

F

v=ω η

1 F

F

v

v1

2

2

1

1=η

J

J1

2

2

1

2

=

ωω

J

m

v=

ω

2m

m

v

v1

2

2

1

2

=

J J J ii

G 1 =

+∑2

2

1

2

1

ωω

J mv

J J ii

G 1 sp=

+ +∑ω

2

1 m mv

vm i

iG 1 =

+∑2

2

1

2

1

Tab. 6-6: Zustandstransformation mechanischer Übertragungsglieder

Page 33: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 25 - Dr. Jörg Wollnack

Übungsbeispiel Dimensionierung eines Spindelantriebs

Ein Vorschubantrieb ist als Spindelantrieb entprechend Abbildung 6-4 ausgelegt.

Der Vorschubantrieb hat folgende technische Daten:

a. mechanische Daten

Spindellänge ls = 2000 mmSpindeldurchmesser ds = 50 mmSpindelsteigung hs = 10 mmSpindelzahnraddurchmesser dzs = 80 mmSpindelzahnradbreite bzs = 15 mmDichte Stahl σStahl = 7900 kg/m3

Vorschubgeschwindigkeit beiMotornenndrehzahl VxN = 7 m/minNennschnittkraft FSN = 10 kNNennvorschubskraft FxN = 1,5 kNlinear bewegte Schlittenmasse m = 100 kg

b. Motordaten des Gleichstrommotorselektrische Nennleistung PeN = 15 kWNenndrehzahl nN = 2500 /minAnkerlänge lA = 483 mmAnkerdurchmesser dA = 115 mmmittlere Dichte Ankers σA = 76 % σ Stahl

mechanisches Nenndrehmoment MN = 56 Nmmaximales Drehmoment Mmax = 250 Nm für 200 ms

Tab. 6-8: Datenblatt Spindelantrieb mit Gleichstrommotor

Übertragungsglied Wirkungsgrad ηStirnradzahnpaarung 96 % – 99 %

Keilriemengetriebe 94 % – 97 %

Flachriemenantriebe 96 % – 98 %

Ritzel – Zahnstange ca. 96 %

Schnecke – Zahnsstange ca. 90 %

Trapezspindel – Mutter ca. 70 %

Kugelgewindetrieb 75 % – 97 %

Tab. 6-7: Typische Wirkungsgrade vonmechanischen Übertragungsgliedern

Page 34: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 26 - Dr. Jörg Wollnack

h := Sp inde ls te igung

vFS chlitten

M otor

G etriebe

P ositions-sensor und

Tacho-genera to r

Sp inde l

m

J sp

ü

J M J Z M

J Z S

M 1

A ntrieb

i

u

P 1

Abb. 6-4: Spindelantrieb

1. Geben Sie die Gleichungen für die Berechnung der Trägheitsmomente von Spindel JS undSpindelzahnrad JZS an.

2. Geben Sie die Gleichung für das Verhältnis der Trägheitsmomente der GetriebezahnräderJZM/JZS über das Drehzahlverhältnis an. Gehen Sie dabei von gleichen Materialeigenschaftenund Zahnradbreiten aus.

3. Geben Sie die Gleichung für das auf die Motorwelle reduzierte Trägheitsmoment JSZM derSpindel-Zahnrad-Kombination und die Gleichung für die am Motor wirkenden Trägheits-momente JM an.

4. Stellen Sie die Gleichung für das Spindelmoment MS, das durch die linear bewegte Massem unter Berücksichtigung der Vorschubkraft Fx und unter Vernachlässigung von Spindel- undLagerreibungskräften bzw. -Momenten entsteht, an.

5. Geben Sie die Gleichung für das Motorlastmoment MLM an und zerlegen Sie dasMotorlastmoment in einen Momenten- und Trägheitsmomentenanteil.

6. Geben Sie die Gleichung des effektiven Motorträgheitsmoments Jeff an.

7. Geben Sie die Bewegungsgleichung bzw. Momentengleichung auf der Motorseite desSpindelantriebes an und interpretieren Sie das Gleichungssystem im Zusammenhang mit eineringenieurmäßigen Analyse, die auf eine Abschätzung der physikalischen Größen mit einerGenauigkeit von 10% abzielt.

8. Benennen Sie die Anteile bei derBewegungsgleichung unter 7., berechnen Siedie Zahlenwerte dieser Anteile, bewerten Siedie Relationen, vergleichen Sie die Zahlen-ergebnisse mit der Struktur der Bewegungs-gleichung und interpretieren Sie Ihr Ergebnisbzw. leiten Sie ingenieurmäßige Entwurfs-regeln ab.

9. Geben Sie von der Geschwindigkeitsfunk-tion des Schlittens in Abbildung 6-5 aus(v = vx). Stellen Sie die Positions- und Be-schleunigungsfunktion auf und geben Sie die

v / v e

t / tS

0 .4 0 .8 10

0 .4

0 .8

1

Abb. 6-5: Geschwindigkeitsfunktion desSchlittens

Page 35: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 27 - Dr. Jörg Wollnack

erforderliche maximale elektrische Motorleistung an. Berücksichtigen Sie dabei den Spindel-,Getriebe- und Motorwirkungsgrad ηSP = 0,75, ηÜ = 0,96 und ηM = 0,97 des Antriebs undgehen Sie davon aus das die Motorzeitkonstante τM klein gegenüber der Anstiegszeit ts ist(τ M S<< t ).

10. Bestimmen Sie die Auflösung ∆s des diskreten Positionsmeßsystems am Schlitten bei 2nP -Pulsen pro Umdrehung.

Lösung Dimensionierung eines Antriebs:

1. Trägheitsmoment der Spindel bzw. eines Zylinders (Rotation um Zylinderachse):

JS = 1 / 32 π σ dS4 lS. (6-10)

2. Bei gleichen Materialeigenschaften und Zahnradbreiten bzw. Zylinderlängen erhält man

JZM / JZS = (dZM / dZS)4 (6-11.1)

bzw. JZM / JZS = (nS / nM)4 mit (6-11.2)

JZS = 1/32 π σ dZS4 lZS (6-11.3)

3. Das Trägheitsmoment der Spindel-Zahnrad-Kombination ergibt sich aus der Summe derTrägheitsmomente von Spindel und spindelseitigem Zahnrad:

JSZ = JS + JZS (6-12)

In einem um eine Achse rotierenden System berechnet sich die in dem System gespeicherteEnergie zu:

E = 1/2 J ω 2 (6-13)

Aufgrund des im Abschnitt Vorüberlegungen skizzierten Ansatzes, erhält man bei einemverlustlosen masselosen Getriebe, welches einen massebehafteten Körper antreibt, die Glei-chungen:

E1 = E2

⇒ 1/2 J1 ω12 = 1/2 J2 ω2

2

⇒ J1/J2 = (ω2/ω1)2 = (n2/n1)

2 (6-14)

Interpretation: Die Trägheitsmomente vor und hinter dem masselosen Getriebe verhaltensich umgekehrt proportional zum Quadrat der Drehzahlverhältnisse vor und hinter demGetriebe. Diese Beziehung gibt nur an, wie ein Trägheitsmoment von der Welle 1 auf dieWelle 2 und umgekehrt transformiert wird. Für eine Abschätzung der Trägheitsmomente ei-nes Getriebe-Systems mit einer 10 %-tigen Genauigkeit können ab einem Drehzahlverhältnisvon n n1 2 10 316/ ,≥ = die Trägheitsmomente auf den niedertourigen Wellen gegenüber denhöhertourigen Wellen vernachlässigt werden, wenn die Trägheitsmomente der Wellen-Zahnrad-Kombinationen auf der nieder- und hochtourigen Seite in der gleichen Größen-ordnung liegen.

Das am Motor wirkende Motorträgheitsmoment der Spindel-Zahnrad-Kombination berechnetsich deshalb zu:

JSZM = (nS/nM)2 ( JS + JZS ) (6-15)

Page 36: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 28 - Dr. Jörg Wollnack

Die am Motor wirkenden Trägheitsmomente in Gleichung (6-15) müssen um die Trägheits-momente des motorseitigen Zahnrades und den Motor- bzw. Ankerträgheitsmomenten er-weitert bzw. superpositioniert werden. Für eine Systemanalyse ist es sinnvoll, das Trägheits-moment des Zahnrades auf der Motorseite über das Trägheitsmoment des Zahnrades auf derSpindelseite zu beschreiben, so daß man die Gleichung

JM=(nS/nM)2(JS+JZS)+(nS/nM)4JZS+JA mit JA=1/32 πσAdA4lA (6-16)

erhält.

4. Für einen bewegten Massenpunkt berechnet sich die Arbeit zu

E ES

S

= ⇒ = F s s F s s( ) ( )d d d1

2

, (6-17)

so daß man für die Augenblicksleistung

PE

ttmech = = =d

dd dF s s F v( ) / (6-18)

erhält.

Wird eine geradlinige Bewegung verlustlos in eine Drehbewegung umgesetzt, so gilt dieLeistungsbilanz

v F = =v F Mx xS S Sω , (6-19)

weshalb an der Spindel das Drehmoment

MS = vSX/ωS FSx = vSx/(2πnS) FSx (6-20)

zur Wirkung kommt. Bei einem Spindelantrieb können im allgemeinen Beschleunigungenauftreten, weshalb sich die am Schlitten wirkende Kraft zu

FSx = m dvx/dt + Fx (6-21)

ergibt, so daß man das Spindellastmoment zu

MLS = vx/2πnS ( m dvx/dt + Fx ) mit vxnS = h (6-22)

erhält.

e) Die Transformation der Getriebemomente, also des Spindellastmoments MLS in das Motor-lastmoment MLM, kann gleichwohl über den Energieansatz bestimmt werden:

E1 = E2 ⇒ dE1 = dE2 (6-23.1)

dE1 = M1 ω1 dt und dE2 = M2 ω2 dt (6-23.2)

⇒ M1 ω1 dt = M2 ω2 dt (6-23.3)

⇒ M1/M2 = ω2/ω1 (6-23.4)

Zwischen der linearen Bewegung des Schlittens und dem Bogenmaß der Motorwelle gilt dieBeziehung

sx = nS/nM h/(2π) ϕ , (6-24)

woraus sich nach zweimaliger Ableitung

Page 37: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 29 - Dr. Jörg Wollnack

dv

dt

d s

dt

n

n

h d

dtx x= =

2

2

2

22S

M πϕ

d

d

d

dS

M

v

t

n

n

h

tx =

2πω

(6-25)

ergibt.

Setzt man diese Beziehung in die Spindellastmomentengleichung (6-22) unter Berück-sichtigung von (6-23) ein, so erhält man das Motorlastmoment

MLM = (nS/nM)2 (h/(2π))2 m dω/dt + nS/nM h/(2π) Fx . (6-26)

Das Motorlastmoment läßt sich in einen Momentenanteil

MM = ns/nM h/(2π) Fx (6-27)

und einen reduzierten Trägheitsmomentenanteil

JM red = (nS/nM)2 (h/(2π))2 m (6-28)

zerlegen.

5. Das am Motor wirkende effektive Trägheitsmoment ergibt sich zu

Jeff = (nS/nM)2 (JS + JZS) + (nS/nM)4 JZS + (nS/nM)2 (h/(2π))2 m + JA (6-29)

6. Aufgrund des dynamischen Grundgesetzes von Newton (2. Newtonsches Axiom) erhältman für den Spindelantrieb die Bewegungsgleichung

Mel = MM + Jeff dωM/dt , worin Mel das elektrische Momentder Gleichstrommaschine repräsentiert . (6-30)

Eine Auflösung der obigen Gleichung für die konstruktive ingenieurmäßige Analyse ergibt:

Komponenten der Bewegungsgleichung

Mn

n

hFxel

S

M

=2π

reduziertes Motordrehmoment der am Schlittenwirkenden Kraft

+ n

nd l d bS

M

StahlS S ZS ZS

+

2

4 4

32

σ π

TrägheitsmomentenanteileSpindel + Zahnrad-Anteil

+ n

nd bS

M

StahlZS ZS

4

4

32

σ π Zahnrad motorseitig

+ πσ AA A324d l

Ankeranteil Motor

+ n

n

hm

tS

M

Md

d

2 2

2πω

(6-31)reduzierter linearer Beschleunigungsanteil

Im Zusammenhang mit einer ingenieurmäßigen Analyse bzw. Größenabschätzung bei einer10 %-igen Genauigkeit, kann man ab einem Drehzahlverhältnis von n nM S/ ,≥ =10 316 dieWirkung des motorseitigen Zahnrades gegenüber dem Spindelzahnrad, wirkend auf derMotorseite, vernachlässigen (siehe Gleichung (6-31) Term 2 zweiter Teil gegenüber Term 3).

Page 38: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 30 - Dr. Jörg Wollnack

Weitere Näherungen in dieser allgemeinen Form sind erst unter der Kenntnis der kon-struktiven Daten des Spindelantriebes zulässig.

7. Berechnung des Getriebeübersetzungsverhältnis

nSN = vxN/h und ü = nS/nM = nSN/nMN

⇒ nS/nM = 1/h vxN/nMN (6-32)

nS/nM = 1/(10mm) (7m/min)/(2500/min) = 0,28

Berechnung der Terme der Momentengleichung

Mel = 0,28 10mm/(2π) 1,5 kN

+ ( 0,282 1/32 π 7,9 103kg/m3 ((50mm)4 2000mm + (80mm)4 15mm)

+ 0,284 1/32 π 7,9 103kg/m3 (80mm)4 15mm

+ 1/32 π 0,76 7,9 103kg/m3 (115mm)4 483mm

+ 0,282 (10mm/(2π))2 100kg ) dωM/dt (6-33.1)

Mel = 0,67 Nm (Vorschubskraft-Anteil)+ [ 76,01 10-5 kgm2 (Spindel-Anteil)+ 3,74 10-5 kgm2 (Zahnrad-Spindel-Anteil)+ 29,00 10-7 kgm2 (Zahnrad-Motor-Anteil)+ 4,98 10-2 kgm2 (Anker-Anteil)+ 1,98 10-5 kgm2 ] dωM/dt (linear bewegter Massen-Anteil) (6-33.2)

Betrachtet man die obigen Formeln, so zeigt sich, daß bei den vorliegenden Verhältnissen dasTrägheitsmoment des Ankers, des im allgemeinen höhertourigen Antriebaggregats, um ca. 2Zehnerpotenzen größer als das der Spindel und der Zahnräder ausfällt. Bei Antrieben dieserArt wird das Trägheitsmoment des Systems im wesentlichen durch das Trägheitsmoment desAntriebs bestimmt. Selbst die linear beschleunigten Massen werden erst bedeutsam, wenn prokg linear beschleunigter Masse die Winkelbeschleunigung der Ungleichung

d

dkg

kgMωt

s/

/≥ 104 2

(6-34)

genügt, was für die meisten Anwendungsfälle nicht der Fall ist.

Die Bewegungsgleichung und der Leistungsbedarf eines typischen linearen Antriebs wird da-her dominierend von den Trägheitsmomenten des Antriebaggregats JA und der am Schlittenwirkenden Vorschubkraft Fx bestimmt:

Mn

n

hF J

txelS

MA

Md

d= +

2πω

. (6-35)

Page 39: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 31 - Dr. Jörg Wollnack

9. Aus der Geschwindigkeitsfunktion v(t) des Schlittens läßt sich die Streckenfunktion

s v c( ) ( )t t t= + d (6-36)

und die Beschleunigungsfunktion

av

( )( )

tt

t= d

d(6-37)

berechnen. Die unbekannte Konstante c kann über die Anfangsbedingung s(0) = s0 bestimmtwerden. Für die eindimensionale Dreiecksfunktion in Abbildung 6-5 erhält man die ab-schnittsweise erklärte Funktion:

v t

v

tt t

t

vt t

t t

tt t

e

e

( ) =

≤ <

− −−

≤ <

2 02

12

2

S

S

S

S S

SS

für

für2

. (6-38)

Hierfür erhält man die Beschleunigungsfunktion

a t

v

tt

t

v

t

tt t

e

e

( ) =≤ <

− ≤ <

2 0

22

S

S

S

SS

für2

für (6-39)

und die Streckenfunktion

s t

v

tt t

t

v tt t

t t

t tt t

e

e

( ) =

≤ <

−−−

≤ <

S

S

S

S

S SS

für2

4für

2

2

0

1

2

2

2 2

.

(6-40.1)

⇒ =s t v te( )S S

1

2 (6-40.2)

Die Abbildungen 6-7 und 6-7 zeigen dieStrecken- und Beschleunigungsfunktion derGeschwindigkeitsfunktion 6-5 des Schlit-tens.

Die maximale Leitung des Antriebs be-rechnet sich zu:

P F a vmax max max max= + (6-41)

bzw. motorseitig zu:

PF a v

MG

maxmax max max=

+ η

. (6-42)

Hierbei berechnet sich der Gesamtwirkungsgrad ηG aus:

0 .5

0 .5 10

0 .2 5

s / v t( )e S

t / tS

Abb. 6-7: Positionsfunktion des Schlittens

a v t / ( / )e s

0 0 .2 0 .4 0 .6 0 .8 1-2

-1

0

1

2

t t / s

Abb. 6-7: Beschleunigungsfunktion desSchlittens

Page 40: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 32 - Dr. Jörg Wollnack

η η η η ηG SP ü M= =∏ ii

. (6-43)

10. Die Auflösung des Positionsmeßsystems am Schlitten berechnet sich zu:

∆ sh

ü n= 1

2 P . (6-44)

Page 41: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 33 - Dr. Jörg Wollnack

7 Systemanalyse und –synthese

Die Begriffe der Systemanalyse und -synthese verschmelzen auf abstrakter Ebene zum Teil.Ihre begriffliche Unterscheidung tritt besonders zu Tage, wenn man unter der Systemanalysenur die theoretische Analyse versteht und diese vom Systementwurf abgrenzen will. Im Zu-sammenhang mit der Regelungstechnik wird häufig anstatt vom Systementwurf auch vomReglerentwurf gesprochen.

7.1 Systemanalyse

Für die Erstellung von mathematischen Modellen lassen sich zwei Vorgehensweisen nennen,die theoretische und die experimentelle Systemanalyse14 [60]. Hierbei gilt es, sowohl Systememit verteilten und konzentrierten Parametern als auch mit nichtlinearem und linearem Verhal-ten zu unterscheiden. Die Zustandsgrößen der Systeme mit verteilten Parametern sind sowohlvon der Zeit als auch vom Ort abhängig und werden durch partielle Differentialgleichungen(DGL) beschrieben. Bei dem konzentrierten Bauelement, welches eine praktikable Näherungdes realen, räumlich verteilten Bauelements darstellen muß, werden die Systemkomponentenauf einen Punkt im Raum konzentriert, so daß man für die Beschreibung des Systemver-haltens ein System gewöhnlicher Differentialgleichungen erhält.

Die theoretische Modellanalyse nutzt das Wissen über das physikalische Verhalten des Sy-stems und modelliert dieses durch das Aufstellen von

• Zustandsgleichungen,• Bilanzgleichungen und/oder• phänomenologischen Gleichungen.

Man erhält somit ein Modell mit bestimmter Struktur und bestimmten Parametern, das nichtnotwendigerweise explizit und eindeutig lösbar ist. Es ist zudem häufig umfangreich undkomplex, so daß es für die Anwendung nach Möglichkeit vereinfacht werden sollte.

Bei der experimentellen Systemanalyse erhält man das Modell aus Messungen. In der Regelgeht man hierbei von A-priori-Kenntnissen aus, die aus dem physikalischen Wissen über dasVerhalten des Systems oder aus vorangegangenen Messungen stammen. Die Messung vonEin- und Ausgangssignalen kann dann im Zusammenhang mit einer Identifikationsmethodezur Systemidentifikation genutzt werden.

Ziel der Identifikation ist es, ein mathematisches Modell zu erhalten, das den Zusammenhangzwischen Eingangs- und Ausgangssignalen mit der erforderlichen Genauigkeit beschreibt.Diese Aufgabenstellung führt zu den Problemen der Struktur- und Parameteroptimierung. DieStrukturoptimierung sucht aus der Menge der möglichen mathematischen Beschreibungsfor-men das Modell, welches das System möglichst exakt beschreibt, was zur Minimierung vonFunktionalen führt und eine klassische Domäne der Analysis ist [37]. Bereits vor Einführungdes Funktionalbegriffs wurde in den mathematischen Wissenschaften diese Zielsetzung unterdem Begriff der Variationsrechnung ausgiebig bearbeitet [140]. Die Parameteroptimierunggeht von einer definierten oder bekannten Struktur aus und optimiert deren Parameter so, daßdas Modell dem Systemverhalten möglichst nahe kommt.

14 [gr.-mlat.; "Auflösung"] die; -, -n: systematische Untersuchung eines Gegenstandes od. Sachverhalts hin-sichtlich aller einzelnen Komponenten od. Faktoren, die ihn bestimmen; Ggs. Synthese.

Page 42: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 34 - Dr. Jörg Wollnack

Das theoretische und experimentelle Modelleines Systems können, sofern beide Modelleexistieren, miteinander verglichen werden undzu einer wechselseitigen Korrektur und Ver-feinerung aber auch Vereinfachung führen.Diese Rückführung von Information führt zueinem iterativen Vorgang bei der Modellbil-dung (siehe Abbildung 7-1).

Der günstigste Fall der Systemanalyse liegtvor, wenn die Struktur eines parametrischenModells aus der theoretischen Analyse abge-leitet werden kann, so daß die Identifikations-aufgabe der Systemtheorie auf ein Parameter-identifikationsproblem zurückführbar ist.

Nach Isermann [60] lassen sich die Identifika-tionsmethoden nach

• Klassen von mathematischen Modellen,• Klassen der verwendeten Signale,• Fehlern zwischen Prozeß und Modell,• On-line- oder Off-line-Auswertung und

den• verwendeten Identifikationsalgorithmen

aufteilen.

7.2 Systemsynthese

Die Systemsynthese15 stellt die inverse Aufgabe der Systemanalyse dar. Für ein gegebenesEin- und Ausgangsverhalten wird ein System gesucht, daß dem vorgegebenen Verhalten mög-lichst nahe kommt. Auch in diesen Zusammenhang ist eine Struktur- und Parametersynthesezu unterscheiden. Diese Problemstellung ist eng verwandt mit der Systemidentifikation.

15 [gr.-lat.] die; -, -n: Zusammenfügung, Verknüpfung [einzelner Teile zu einem höheren Ganzen]; Ggs.Analyse.

A n n ah m en zu rVere in fach u n g

T h eoretisch eA n alyse

E xp erim en telleA n a lyse

n e in

ja

Abb. 7-1: Methodik der Systemanalyse

Page 43: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 35 - Dr. Jörg Wollnack

7.3 Vollständigkeit, Minimalität und Parameterunempfind-lichkeit von Modellen

Die Modellierung eines parametrischen physikalischen Systems in impliziter16 Form

∀ ∈ ∃ ∈ =( , ) ( ( ), ( ), ( ), )( , )p x y f y p u 0p u yD W t t t tI D Wp r m( , ) ,p u y⊂ ⊂+

, mit (7-1)

t := Zeitparameter,p := Parametervektor,D t( , , )p u := Definitionsbereich von f ,

y := Wertevorrat von y ,

p := Anzahl der Parameter,r := Anzahl der Eingangsgrößen undm := Anzahl der Ausgangsgrößen

erfolgt mit dem Ziel, daß für alle Eingangssignale u u∈ ⊂D r der Abstand zwischen den

Antworten von Modell fI und System fI M in einem normierten Raum im Sinne von

∀ ∈ = − <u f y p u f y p uuD Q t t t t t t t tI M I( ( ), ( ), ( ), ) ( ( ), ( ), ( ), ) ε (7-2)

unter eine von der Anwendung abhängige Fehlerschranke ε > 0 fällt. Diese Fehlerschrankekann nicht verschwinden, da zum einen ein reales physikalisches System nicht vollständigdurch ein mathematisches Modell beschreibbar ist und zum anderen keine physikalische Mes-sung frei von Meßunsicherheiten ist.

Die Modellierung kann dabei mehr unter Identifikations- oder Analysegesichtspunkten erfol-gen:

• Bei der Identifikation geht man von bekannten Ein- und Ausgangsgrößen aus und suchtdiejenigen Parameter, die das System hinreichend genau beschreiben. Diese Zielsetzungführt zur Minimumssuche der Gütefunktion (7-2). Die Minimumssuche bewirkt nicht not-wendigerweise ein Verschwinden des Abstands, weshalb man zumeist von einer oberenSchranke ausgeht, was zudem eine praxisgerechte Genauigkeitsanforderung darstellt. DieAuswahl eines geeigneten Modells sollte hierbei nicht allein von dem Vollständigkeitskri-terium (2) bestimmt werden, sondern, soweit möglich, sämtliche Kriterien der Tabelle 7-1erfüllen [133].

• Bei der Analyse geht man von bekannten Eingangsgrößen und Parametern aus, um dasAusgangsverhalten hinreichend genau zu beschreiben. Auf das Minimalitätskriterium derTabelle 1 kann in diesem Zusammenhang verzichtet werden.

Das Vollständigkeits- und das Minimalitätskriterium sind für die Parameteridentifikation vonzentraler Bedeutung, da ein Modell mit linear abhängigen Parametern nicht minimal und nichteindeutig identifizierbar ist, weil es redundante Parameter enthält. Diese Kriterien stellen not-wendige, aber nicht hinreichende Bedingungen dar. Für die Diskussion dieser Aspekte sei aufdie einschlägige Literatur verwiesen [32, 45, 60, 61, 99, 109, 133, 144, 162].

In der Praxis ist für die Aufgabenstellung der Genauigkeitssteigerung von Systemmodellender Beweis der Eindeutigkeit der Lösung nicht so bedeutsam, da das Experiment die Fragenach einer zufriedenstellenden Identifikation der Modellparameter beantworten kann.

16 Das implizite fI Modell enthält das explizite fE als Spezialfall: f y p u y f p u 0I E( ( ), ( ), ( ), ) ( ) ( ( ), ( ), )t t t t t t t t= − = .

Page 44: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 36 - Dr. Jörg Wollnack

Tab. 7-1: Modelleigenschaften

In diesem Zusammenhang sind eher die Fragen nach der Modellstetigkeit und Parameterun-empfindlichkeit von Interesse. Die Frage nach der Modellstetigkeit ist zumeist einfach zubeantworten, da bei den meisten physikalischen Systemen eine abschnittsweise Stetigkeit vor-liegt. Im allgemeinen schwieriger zu beantworten ist die zweite Fragestellung. Es hat sich ge-zeigt, daß die Identifikation nicht an singulären Stellen des Modells vollzogen werden darf,da dies zu einer entsprechenden Empfindlichkeit der identifizierten Parameter führt. Letztlichkann nur eine Empfindlichkeitsanalyse der Identifikation diese Fragestellung qualifiziert be-antworten, weshalb hierauf im Hinblick auf die Optimierung der Parameteridentifikation ein-gegangen wird.

Werden jedoch die identifizierten Parameter zur Qualitätssicherung oder Analyse des Systemsherangezogen, so ist diese Fragestellung sowie die Wahl eines optimalen Modells von zentra-ler Bedeutung. Dies liegt darin begründet, daß ein mehrdeutiger Rückschluß auf die Parame-ter des Systems keine sichere Entscheidung auf die Unbrauchbarkeit oder den Defekt einzel-ner Systemkomponenten zuläßt. In diesem Fall gilt es, eine aus der Modellfunktion geeignetkonstruierte Jacobi-Matrix auf ihre Singularität hin zu untersuchen [133].

Vollständigkeit Das reale Systemverhalten wird mit ausreichenderGenauigkeit beschrieben.

Stetigkeit (Ausgangsunempfindlich-keit gegenüber Eingangsänderungen)

Kleine Änderungen der Parameter und Eingangs-größen bewirken nur kleine Änderungen der Aus-gangsgrößen.

Minimalität Das System weist eine minimale Anzahl von Para-metern auf. Dies schließt insbesondere auch Linear-kombinationen zwischen den Parametern aus.

Parameterunempfindlichkeit Kleine Änderungen der Eingangs- und Ausgangs-größen bewirken nur kleine Änderungen derParameter.

Page 45: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 37 - Dr. Jörg Wollnack

8 Beschreibung im Zeitbereich

Die Beschreibung im Zeitbereich geht von Zustandsmodellen der Art

( )x A x b= + u ty = c xt bzw.

( )

( )

( )

( )

( )

x t

x t

a a

a a

x t

x t

b

b

u t

n

n

n nn n n

1 11 1

1

1 1

=

+

y t

c

c

x t

x tn n

( )

( )

( )

=

1 1

t

. (8-1)

aus.

Betrachtet man z.B. in Abbildung 8-1 einen gedämpften mechanischen Schwinger mit derMasse m, der Dämpfungskonstanten d und der Federkonstante c, so erhält man dieBewegungsgleichung:

m y t d y t c y t u t( ) ( ) ( ) ( )+ + = (8-2)

bzw.

( ) ( ) ( ) ( )y tm

u t d y t c y t= − +1 (8-3)

Ersetzt man die erste Ableitung der Zustandsvariablenx t y t1( ) ( )= durch die Zustandsvariable x t y t2 ( ) ( )= , soerhält man in diesem Fall Zustandsvariablen, die eineunmittelbare physikalische Bedeutung haben. x1(t)beschreibt den Weg und stellt ein Maß für diepotentielle Energie dar und x2(t) definiert die Ge-schwindigkeit bzw. kinetische Energie der Masse.Damit erhält man ein System von Differentialgleichun-gen erster Ordnung:

( ) ( )x t x t1 2=

( ) ( ) ( ) ( )x tc

mx t

d

mx t

mu t2 1 2

1= − + . (8-4)

In Matrizenschreibweise ergibt sich:

( )

( )

( )

( )( )

x t

x tc

m

d

m

x t

x t mu t1

2

1

2

0 1 01

= − −

+

y tx t

x t( )

( )

( )=

0

11

2

t

. (8-5)

Bei diesem Beispiel handelt es sich um ein Eingrößensystem mit einer (skalaren) Eingangs-größe u(t) und einer (skalaren) Ausgangsgröße y(t). Bei einem Mehrgrößensystem sind dieEin- und Ausgangsgrößen ebenfalls Vektoren reeller Zahlen. Auf diesen Zeitbereichsansatzgeht der zweite Abschnitt der Vorlesungsreihe vertieft ein. Der erste Abschnitt konzentriert

cd

m

u t( ) y t( )

Abb. 8-1: MechanischerSchwinger

Page 46: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 38 - Dr. Jörg Wollnack

sich die Frequenzbereichsdarstellung, die eng mit der Fourier- und Laplace-Transformationbzw. den I-Transformationen verknüpft ist.

Page 47: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 39 - Dr. Jörg Wollnack

9 Fourier- und Laplace-Transformation

9.1 Motivation

Die I-Transformationen der Fourier- und Laplace-Transformation haben nicht allein denZweck nur eine Funktion zu transformieren, um das entstehende Transformationspaar mög-lichst einander eineindeutig zuzuordnen. Die Transformierte muß zumindestens Einblicke inEigenschaften der Funktionen und Systeme eröffnen, die in der Originaldarstellung verborgenbleiben oder komplizierte Operationen des Originalbereichs im Transformationbereich aufeinfachere Operationen zurückführen. Man denke z.B. an die Logarithmen, bei denen dieMultiplikation und Potenzierung auf eine Addition und Multiplikation zurückgeführt werdenkann.

Um die Integraltransformationen zu motivieren, gehe man zunächst von einer periodischenEingangsgröße aus. Die komplexe Fourier-Reihendarstellung periodischer Funktionen lehrt,daß man diese Funktion über eine Summe (Gleichmäßige Konvergenz der Summe sei an-genommen)

x t C ekjk t

k

( ) ==−∞

∑ ω0 (9-1)

periodischer Funktionen darstellen kann. Betrachtet man nun eine einfache lineare, zeitin-variante Differentialgleichung 2. Ordnung

bt

y t at

x t at

x t1 2

2

2 1

d

d

d

d

d

d( ) ( ) ( )= + , (9-2)

die das Systemverhalten charakterisieren soll, und setzen die Reihe (9-1) formal ein

bt

C e at

C e at

C eyvjv t

vk

jk t

kk

jk t

k1 2

2

2 10 0 0

d

d

d

d

d

dω ω ω

=−∞

=−∞

=−∞

∑ ∑ ∑= + , (9-3)

so kann man den Differentialoperator in die Summe ziehen und erhält

b jv C e a jk C e a jk C eyvjv t

vx k

jk t

kx k

jk t

k1 0 2 0

2

1 00 0 0ω ω ωω ω ω

=−∞

=−∞

=−∞

∑ ∑ ∑= +

b jv C e a jk a jk C eyvjv t

vx k

jk t

k1 0 2 0

2

1 00 0ω ω ωω ω

=−∞

=−∞

∑ ∑= + . (9-4)

Offensichtlich muß dann

b jv C a jk a jk Cyk x k1 0 2 0

2

1 0ω ω ω= + bzw.

Ca s a s

b sCyk x k= +2

21

1

, mit s jk= ω0 (9-5)

gelten. Betrachtet man das Ergebnis, so wird deutlich, daß man mittels der komplexenFourier-Reihendarstellung eine lineare, zeitinvariante Differentialgleichung in eine alge-braische Gleichung überführen kann. Der Quotient der komplexen Fourier-Koeffizienten

Page 48: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 40 - Dr. Jörg Wollnack

C

C

a s a s

b syk

x k

= +22

1

1

(9-6)

aus Ausgangs- und Eingangsgröße ist eine von den Eingangs- und Ausgangssignalen unab-hängige Kenngröße des Systems. Gelingt es nun, die obigen Darstellungen auf nichtperiodische Funktionen auszuweiten, so kann man vielleicht die obigen Besonderheitenhierauf vererben. Genau dieses leistet unter gewissen Voraussetzungen die Fourier- undLaplace-Transformation. Mit ihr kann man die Lösung von linearen, zeitinvarianten DGL aufdie Lösung von algebraischen Gleichungen zurückführen. Zudem wird auch die Faltung undKorrelation auf einfache algebraische Operationen zurückgeführt, womit die Operatoren inTabelle 4-1 sich wesentlich vereinfachen. Hierin liegt der Nutzen und Charme dieser I-Trans-formationen. Für weitere Einzelheiten zu den Eigenschaften der Fourier- und Laplace-Trans-formation sei auf [202] verwiesen.

9.2 Fourier-Transformation

Die Fourier-Transformation

F f t e tj t( ) ( )ω ω= −

−∞

d (9-7)

erzeugt eine Bild-, Spektralfunktion oder Fourier-Transformierte. Die inverse Fourier-Trans-formation

f t F e j t( ) ( )=−∞

1

2πω ωω d (9-8)

erzeugt die Original- oder Zeitfunktion. Die Abbildung 9-1 veranschaulicht die Trans-formationsbeziehungen zwischen dem Original-/Zeitbereich und dem Bild-/Frequenzbereich,die durch die Hin- und Rücktransformation hergestellt werden.

Neben der Integralschreibweise, läßt sich verkürzend die Operatorenschreibweise

F j f t j( ) ( ) ( )ω ω= ℑ (9-9)

f t F j t( ) ( ) ( )= ℑ −1 ω (9-10)

nutzen. Bei der Verwendung von Korrespondenztabellen ist darauf zu achten, ob der Faktor1/(2π) bei der Fourier-Transformation, ihrer Inversen oder zum Erhalt der Symmetrie mit

2π bei beiden Transformationen eingesetzt wird.

Page 49: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 41 - Dr. Jörg Wollnack

Abb. 9-1: Graphische Veranschaulichung der Fourier-Transformation1

9.3 Laplace-Transformation

Viele Vorgänge existieren erst von einem bestimmten Zeitpunkt an, den wir willkürlich zut = 0 setzen. Jede technische Apparatur muß erst konstruiert werden; sie existiert und nimmtihre Funktion erst von einem bestimmten Zeitpunkt an auf. Der einzelne Mensch, seinKollektiv aber auch die Gesamtheit der Lebewesen existieren erst von einem bestimmtenZeitpunkt an. Weitere Überlegungen würden zeigen, daß es eine große Anzahl von Vor-gängen gibt, die erst von einem bestimmten Zeitpunkt an zu beschreiben sind.

Energie in ihren unterschiedlichen Zustandsformen hat, soweit wir wissen, in nicht abge-schlossenen Systemen immer existiert und wird immer existieren; sie also genügt der Be-dingung nicht.

Beschränken man sich auf Vorgänge, die man kausal nennt, also auf Ursache und Wirkungberuhend, so läßt sich der Dämpfungsfaktor einfuhren. Multipliziert man eine beliebige Funk-tion mit der Sprungfunktion

s t

t

t

( ) =>

<

1 0

0 0

für

1 / 2 für t = 0

für

, (9-11)

1 Das Verhalten an den Unstetigkeitsstellen folgt aus den Dirichlet-Bedingungen.

Rücktransformation

F j f t e tj t( ) ( )ω ω= −

−∞

d

Hintransformation

f t F e dj t( ) ( )=−∞

1

2πω ωω

Original-/Zeitbereich

f t f t f t( ) lim ( ) ( )= + + −→∞ε

ε ε1

2

Bild-/Frequenz-bereichF(jω)

Page 50: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 42 - Dr. Jörg Wollnack

so erhält man eine kausale Funktion. Die ist natürlich nicht notwendig, wenn die Funktion be-reits kausal ist. Aus der mit einem Dämpfungsfaktor e t−δ modifizierten Fourier-Transforma-tion erhält man die Laplace-Transformation

F s f t s t e j f t s t e tt s t( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( )= ℑ =− −∞

δ ω d0

(9-12)

und die inverse Laplace-Transformation

f t s t e F j tj

F s ets

s t

j

j

( ) ( ) ( ) ( ) ( )= ℑ =−

− ∞

+ ∞

δδ

δ

δ

ωπ

1 1

2 ds . (9-13)

Für beschränkte Funktionen liegt hier eine stets konvergierende Transformation vor, da fürt →∞ e t−δ beliebig klein wird. Selbst für Funktionen des Typs e tα kann die Konvergenz desLaplace-Integrals realisiert werden, wenn δ α> ist.

Für die Laplace-Transformation wird in der Literatur häufig die Schreibweise

F s f t ss( ) ( ) ( )= L und

f t F s ts ( ) ( ) ( )= −L 1 , mit den kausalen Funktionen

f t

f t f t t

f ts ( )

( ) ( )

( )=

+ + − >

=

+

1

20

1

20 0

ε ε für

für

0 sonst

(9-14)

verwendet.

Page 51: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 43 - Dr. Jörg Wollnack

9.4 Eigenschaften der Laplace-Transformation (Tabellen)

9.5 SätzeLaplace-Integral Bemerkungen

Integral-transforma-tionen f t L F s t

jF s e dsst

j

j

S ( ) ( ) ( )

( )

= =

− ∞

+ ∞1

1

2

π δ

δ

kausale Funktionen:

f t

f t t

f t t( )

( )

( )≡>=

für

für

sonst

0

0

0

12

F s L f t s

f t e tst

( ) ( ) ( )

( )

= =−

±

d0

Konvergenzabzisse:δ δ> 0

s j= +δ ω

Abbildungen:f t y f t: ( )→ = ≡f y f tt D y D Ct f: ( )∀ ∃ =∈ ⊆ℜ ∈ ⊆

Unstetigkeitsstellen

f t f t f t( ) ( ) ( )= ⋅ − + +1

2ε ε

quadratisch Integrabel QI:

f t f t t K( ) ( )*⋅ ≤ < ∞−∞

∞ d

Definition:F F F j( ) ( ) ( )ω ω ω≡ =

(9-15)ParsevalscheGleichungoder Voll-ständigkeits-relation

F s F s s

f t f t t

j

j( ) ( )

( ) ( )

*

*

⋅ =

− ∞

+ ∞

d

d

δ

δ

(9-16)

Linearitäts-und Super-positionssatz

a f tk kk

⋅∑ ( ) a F sk kk

⋅∑ ( )(9-17)

Differen-tiationssätze

d

d

n

n

f

tt( )

( ) ( )− ⋅t f tn

s F s

s f

n

n v v

v

n

⋅ −

⋅− −−

=∑

( )

( )1

1

0

d

d

n

n

F

ss( )

ff

tk

k

k≡ d

d

(9-18)

Distributionδ( )t 1

Ausblendeigenschaft:f t f to( ) ( ) ( )0 = ⋅ −

ℜ τ δ τ τd

(9-19)Integralsätze .. .. ( ) ( )0

1− t n

n

f u ud

.. .. ( ) ( )−∞ t n

n

f u ud1

f t

t

( )

1

sF s

n⋅ ( )

1 01

1sF s

f

sn

v

n vv

n

⋅ +−

−− +

=∑( )

( )

F s ss

( ) d∞

(9-20)

Page 52: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 44 - Dr. Jörg Wollnack

Verschie-bungssätze

f t t( )− 0

e f ts t0 ( )

e f t e t

F s

st st

t

− −

− +

0

0

0( )

( )

d

F s s( )− 0(9-21)

Ähnlich-keitssatz f k t k k( ) , ,> ∈ℜ0

1

kF s k( / )

(9-22)

Faltungs-sätze

( ( ) ( ))( )f f t1 2τ τ∗ =

f u f t u ut

1 20( ) ( )− d

f t f t1 2( ) ( )

F s F s1 2( ) ( )

( ( ) ( ))( )F p F p s1 2∗ =1

2 1 2jF u F s u u

j

j

π δ

δ

( ) ( )−− ∞

+ ∞

d

Die Faltung ist kommutati-tiv, assoziativ und distribu-tiv

(9-23)

Kreuzkor-relationssatz

( ( ) ( ))( )f f t1 2τ τ⊗ =lim ( ) ( )T

S ST

T

Tf u f t u u

→∞ −+1

2 1 2 d

S s21( ) =

lim ( ) ( )*

TS ST

F s F s→∞

1

2 1 2

Die Korrelation ist kom-mutatitiv, assoziativ unddistributiv

Periodischeund perio-disch fortge-setzte Funk-tionen;Abtast-theoreme

Bestimmungdes statio-nären An-teils

f t f t k T k N( ) ( ),= − ∈0

f tT

f s eks t

k

k∞

=−∞

= ⋅∑( ) ( )1

0

mit s j k Tk = 2 0π /

1

1 0

0

0

0 0

0

= −

e

L f t s

L f t s f t e t

sT

stT

( ) ( ) ,

( ) ( ) ( )

mit

d

F s

esT

( )

1 0−

Zusammenhang zwischenSpektralfunktion F( ) unddiskretem Fourier-Koeffi-zient Ck :

Ct

F k tk = ⋅1

2 11( / )π

(9-24)

Grenzwert-sätze

lim ( ) lim ( )t s

f t s F s→ →∞+

= ⋅0

lim ( ) lim ( )t s

f t s F s→∞ →

= ⋅0

(9-25)

KausaleFunktionen(Hilbert-Transforma-tion)

f t s t f ts ( ) ( ) ( )= ⋅

oder f v Nv ( ) ,0− ∈

s t

t

t( ) /=>=

1 0

1 2 0

0

für

für

sonst(9-26)

Tab. 9-1: Sätze Laplace-Transformation

Page 53: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 45 - Dr. Jörg Wollnack

9.6 Rücktransformation

Prinzipien der Rücktransformation Definitionen undVoraussetzungen

AllgemeinerResiduensatz

f z z f z z AC

GG

CG G

i

n

ii

n

i

i

i

( ) ( )d dWeg in

umsämtliche

Weg inum

0

00

1 1

= =∑ ∑= =

( ≤ ≤i n) G0 repräsentiert ein ( )n +1 -fachzusammenhängendes Gebiet.

w f z= ( ) mit w u jv= +und z x jy= + ; f ist regulärund eindeutig in G0 , abernicht regulär in Gi

(9-27)

Das Residuum 1

2 1 1

0

jf z z R res f zi

i

n

CG

G

ii

n

o

i

π⋅ = =

=−

=∑ ∑( ) ( )d

Weg inum sämt

liche

f zg z

z zi

( )( )=−

; f regulär,

außer in zi ; f eindeutig

(9-28)

Rücktrans-formation

a) Zerlegung des Weges C0 des Umlauf-

intergrals f z z( ) d der Art, daß sämtliche

nicht regulären Gebiete eingeschlossen wer-den. Der Weg C0 muß dabei als Teilweg dasinverse Laplace- bzw. Fourier-Integral ent-halten. Nach Isolation des Teilweges, der derRücktransformation entspricht, kann, wenn dierestlichen Integrale mit ihren vom Problemgegebenen Wegen bestimmt sind, das Rück-transformationsintegral angegeben werden.

Wenn möglich,Anwendung desJordanschen Lemmas JL:Wenn für den Weg mit demRadius Rn bei n →∞Rn →∞ und

Max f z( ) → 0 dann ist

das JL erfüllt. C0 muß alsTeilweg das inverseIntegral enthalten.

(9-29)

b) Zerlegung des Weges C0 des Um-laufintegrals der Art, daß sämtliche nicht re-gulären Gebiete außerhalb des von Weg C0

eingeschlossenen Gebiets liegen, so daß danndas Umlaufintegral verschwindet. Der Weg C0

muß als Teilweg das inverse Integral ent-halten. - Dann wie unter a) weiter.

(9-30)

Page 54: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 46 - Dr. Jörg Wollnack

c) Anwendung des Cauchyschen Integral-satzes, wenn f z( ) vom Typus g w w z( ) / ( )− :

d

dd

n

n nC

f

zz

n

j

f w

w zw( )

! ( )=− +2 1π

.

Unter Anwendung des Residuensatzes:

f z z

jn z

f z z z

Cz

k

n

n kk

m

z z

k

k

k

k

( )

( )!( ) ( )

d

d

d

enthältalle

0

21

1

1

11

=

−⋅ ⋅ −

−= =

π

Für Funktionen f z( ), die dem JordanschenLemma genügen, ergibt sich:

f t f z z

jn z

f z z z

C

k

n

n kn

k

m

z z

k

k

k

k

( ) ( )

( )!( ) ( )

= =

−⋅ ⋅ −

−= =

d

d

d

Rücktransf.

21

1

1

11

π

f regulär und eindeutig in C

(9-31)

Laplace-Transforma-tion

f t

n sF s s s e

s

k

n

n kn s t

k

m

s s

k

k

k

k

( )

( )!( ) ( )

=

−⋅ ⋅ − ⋅

−= =∑ 1

1

1

11

d

d

F(s) erfüllt das JordanscheLemma.

(9-32)

UnterAnwendungder Laurent-reihe

f z F s es t( ) ( )= F sr

s skv

kv

v

n

k

m k

( )( )

=−==

∑∑11

, mit

rs

F s s skv

v

v kv

s sk

= ⋅ −−

−=

d

d

1

1( ) ( )

m := Anzahl der Singuläri-täten bzw. Polenk := Ordnung des Pols derk-ten SingularitätKonvergenz beachten!

(9-33)

Partialbruch-zerlegung

Wird durch die Laurentreihe abgedeckt. (9-34)

Anwendungvon Korres-pondenztabel-len

f t F s( ) ( )Tabelle

← →

(9-35)

Tab. 9-2: Rücktransformation der Laplace-Transformation

Page 55: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 47 - Dr. Jörg Wollnack

9.7 Korrespondenzen1 e at− 1

s a+e-Funktion

(9-36)2 e aat− >

2

0,π

ω

/ a e a−

2

2 Gauß-Funktion(9-37)

3 t en a t− n

s an

!

+ + 1 (9-38)

4 δ( )t a e a t− − s

s a+Puls-Funktion derDauer T0

(9-39)5 − −a e at a

s s a+ (9-40)

6 e e

a a

a t a t− −−−

1 2

2 1

1

1 2s a s a+ + (9-41)

7 sinω0t ωω0

202s + (9-42)

8 cosω0t s

s202+ω (9-43)

9 e ta t− sinω0ω

ω0

2

02s a+ + (9-44)

10 e ta t− cosω0s a

s a

++ + 2

02ω (9-45)

11 sinω0t

tarctan

ω0

s (9-46)

Tab. 9-3: Ausgewählte Korrespondenzen der Laplace-Transformation

Page 56: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 48 - Dr. Jörg Wollnack

10 Beschreibung im Frequenzbereich

10.1 Übertragungsfunktion, Sprung- und Impulsantwort, Signals-pektrum Betrags- und Phasengang

10.1.1 Eingrößensysteme

Für lineare, homogene und zeitinvariante Systeme gilt der Faltungssatz, der im Transfor-mationsbereich der Fourier-Transformation auf ein Produkt der Fourier-Transformierten ausSystemkennfunktion g(t) und Eingangsfunktion x(t) im Sinne der Abbildung 10-1 zurückge-führt werden kann [202].

Abb. 10-1: Relationen am linearen, homogenen und zeitinvarianten System

Die Impulsantwort eines Systems erhält man durch Erregung mit der Deltafunktion

φ δ δ( ) ( ) ( ) ( ) ( )v t u g t u u g t = − =−∞

d (10-1)

und die Sprungantwort durch Erregung mit dem Einheitssprung

w t s v t s u g t u u g t u u( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( )= = − = −−∞

∞ ∞

φ d d0

. (10-2)

Für kausale System gilt dann ferner die Relation:

d

d ts v t v tφ φ δ( ) ( ) ( ) ( ) = . (10-3)

Somit ist für kausale, lineare, homogene und zeitinvariante Systeme die Impulsantwort dasDifferential der Sprungantwort.

x(t) y t g t u x u u( ) ( ) ( )= −−∞

d

X(jω) Y j G j X j( ) ( ) ( )ω ω ω=

Lineares, homogenesund zeitinvariantes

System

G(jω)

g(t)

Page 57: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 49 - Dr. Jörg Wollnack

Zwischen Übertragungsfunktion, Sprung-, Impulsantwort, Signalspektrum und Betrags- undPhasengang existieren gewisse Zusammenhänge, die im folgenden dargestellt werden sollen:

Betrachtet man die Gleichung (10-3) des Zeitbereiches im Laplace-Raum, so erhält man mitdem Differentiationssatz [202]

G s s W s w( ) ( ) ( )= − −0 . (10-4)

Für kausale Systeme mit verschwindenden Anfangsbedingungen gilt die Spezialisierung:

G s s W s( ) ( )= . (10-5)

Ist somit die Sprungantwort eines kausalen, linearen, homogenen und zeitinvarianten Systemsbekannt, so läßt sich die Systemkennfunktion im Zeitbereich (10-3) oder Transformations-bereich (10-4) aus der Sprungantwort bestimmen. Damit kann die Systemantwort fürbeliebige Erregungsfunktionen über den Faltungssatz [202] berechnet werden.

Durch den Grenzübergang limδ

δ ω→

+0

j geht die Laplace-Transformierte kausaler, Quadratisch

Integrabler Systeme und Signale in die Fourier-Transformierte über. Damit gilt für dieSystemgrößen die Gleichung:

lim ( ) ( )δ

ω→

=0G s G j . (10-6)

10.1.2 Mehrgrößensysteme

Kausale, lineare und zeitinvariante Mehrgrößensysteme bzw. kausale, linearisierte, zeit-invariante Zustandsmodelle sind strukturell Eingrößensystemen ähnlich. Sie unterscheidensich lediglich dadurch, daß die Ein- sowie Ausgangsgrößen durch Vektoren und dieGewichtsfunktion durch eine Gewichtsmatrix dargestellt werden. Man erhält somit im

• Zeitbereich

y G x( ) ( ) ( )t tt

= − τ τ τd0

, mit

y( ) ( ) ( )t y t y tm= 1 t

x( ) ( ) ( )t x t x tn= 1 t

G( )

( ) ( )

( ) ( )

t

g t g t

g t g t

n

m mn

=

11 1

1

bzw. im (10-7)

Page 58: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 50 - Dr. Jörg Wollnack

• Laplace-Bereich

Y G X( ) ( ) ( )s s s= L

Y( ) ( ) ( )s Y s Y sm= 1 t

X( ) ( ) ( )s X s X sn= 1 t

GL ( )

( ) ( )

( ) ( )

s

G s G s

G s G s

n

m mn

=

11 1

1

. (10-8)

Die Laplace-Transformierte einer Matrix bzw. Vektors wird somit sinnvollerweise alsLaplace-Transformierte der Elemente definiert. Aus diesem Grunde lassen sich gewisse Be-griffsbildungen und Eigenschaften von Eingrößensysteme auf Mehrgrößensysteme über-tragen. Man kann auch hier die Eingrößensysteme als Spezialfall der Mehrgrößensystemedeuten.

10.2 Komplexer Frequenzgang, Ortskurve, Betrags- und Phasen-darstellung und Bode-Diagramm

• Komplexer Frequenzgang

Die Systemkenngröße G j( )ω bezeichnet man als den komplexen Frequenzgang. Stellt mandiesen Frequenzgang in der komplexen Ebene parametrisiert nach der Frequenz f dar, soerhält man die Ortskurve entsprechend Abbildung 10-2 des Systems.

0

0.7

Im Gi

10.5 Re Gi

0.5 0 0.5 1

0.6

0.4

0.2

0

Abb. 10-2: Ortskurve eines Systems 2. Ordnung

Page 59: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 51 - Dr. Jörg Wollnack

Der komplexe Frequenzgang G j( )ω bzw. die Ortskurve kann alternativ in die Betrags- undPhasendarstellung

G G j e j jG( ) ( ) ( )ω ω ϕ ω= , mit

G G j G j( ) Re ( ) Im ( )ω ω ω= +2 2 ,

ϕ ω ω ω π ωG G j G j k G j( ) arctan Im ( ) ,Re ( ) ( )= ± >2 2 0 für , k ∈ , ,2, 0 1 und

arctan ,arctan( / )

arctan( / )2

0

0y x

y x x

y x x = ≥

+ <

für

fürπ. (10-9)

eines Systems überführt werden. Die Betrags- und Phasendarstellung des komplexen Fre-quenzganges ist mehrdeutig in vielfachen von 2π . Sie kann daher nur innerhalb der Grund-phase , [0 2π für Spektralwerte G j( )ω mit nicht verschwindendem Signalbetrag oder ver-schwindender Energie G j( )ω > 0 eineindeutig angegeben werden. An den Stellen ver-schwindender Energie, ist die Phase nicht definiert bzw. sie kann beliebig festgelegt werden,da ein verschwindender Betrag für jede beliebige Phase das Nullelement 0 0+ j produziert. Inder Praxis sind diese Lücken oder Unstetigkeitsstellen des Phasengangs möglichst perDefinition so zu schließen, daß sich ein stetig differenzierbarer Phasengang ergibt. Dies giltanalog auch für den Periodizitätsübergang an den Stellen ±k 2π.

• Bodediagramm

Bildet man den natürlichen Logarithmus der Betrags- und Phasendarstellung, so erhält maneine komplexe Größe

ln ( ) ln ( ) ( )G j G j j Gω ω ϕ ω = + , (10-10)

aus der sich das Bode-Diagramm motivieren läßt. Die Definition des logarithmischen Pegelswurde historisch über Leistungsbegriffe der Signale vorgenommen. In vielen physikalischenSystemen steht die Augenblicksleistung P in einer quadratischen Beziehung P x~ 2 zumSignalwert x, so daß man für die Pegelmaßen die Beziehung

A G GG B B B= =10 202

log log , (10-11)

erhält. Da das verwendete polyadische Zahlensystem die Basis 10 hat, ist es zudem sinnvoll,den 10-ner Logarithmus heranzuziehen. Die Verwendung eines Faktors 10 anstatt der 1 bzw.20 anstatt 2 liegt vermutlich darin begründet, daß man für typische Verstärkungen bzw.Dämpfungen Pegel in einem Bereich erhält, die sich leichter handhaben lassen.

Man definiert deshalb den logarithmierten Betrag wie folgt:

A G jGdB = 20 lg ( )ω . (10-12)

Das Bodediagramm stellt hinsichtlich des Betrags eine doppeltlogarithmische und hinsicht-lich der Phase eine einfach logarithmische Darstellung der Übertragungsfunktion, wie in Ab-bildung 10-3 zu sehen, dar. Die Verwendung einer logarithmischen Skala auf der Frequenz-achse hat den Vorteil, daß man das Übertragungsverhalten über mehrere Dekaden darstellenkann.

Page 60: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 52 - Dr. Jörg Wollnack

100

0.001

G T D, ωi

1j.,

G T 101

D., ωi

1j.,

G T 102

D., ωi

1j.,

100.01 fi

0.01 0.1 1 101 10

3

0.01

0.1

1

10

100

Abb. 10-3: Betragsverlauf eines Systems 2. Ordnung

0

180

φ G T D, ωi

1j.,

φ G T 101

D., ωi

1j.,

φ G T 102

D., ωi

1j.,

100.01 fi

0.01 0.1 1 10

150

100

50

0

Abb. 10-4: Phasenverlauf eines System 2. Ordnung

Ein weiterer Vorteil des Bodediagramms, der mit dem zunehmenden Einsatz von Rechner-systemen eine eher untergeordnete Rolle spielt, liegt in der Tatsache, daß man bei einer Ket-tenschaltung von Übertragungsgliedern die Gleichung

G j G j G j( ) ( ) ( )ω ω ω= ≡1 2

ln ( ) ln ( ) ln ( ) ( ) ( )G j G j G j j G Gω ω ω ϕ ω ϕ ω = + + +1 2 1 2 , mit

ln ln logx B xB = (10-13)

nutzen kann. Damit läßt sich das Übertragungsverhalten einer Kettenschaltung durch diegraphische Addition der logarithmischen Beträge und der Phasen ermitteln.

Page 61: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 53 - Dr. Jörg Wollnack

10.3 Blockschaltbilder und konzentrierte Bauelemente

Für lineare, zeitinvariante Systeme bzw. lineare, zeitinvariante, konzentrierte Bauelementekönnen die Beschreibungsformen des Frequenzbereiches bzw. Laplace-Raums herangezogenwerden. Man erkennt in den Tabellen 10-1, 10-2 und 10-3 unmittelbar, daß sich dieOperationen im Laplace-Raum (gelbe Spalten) gegenüber dem Zeitbereich deutlich verein-fachen.

Operator Zeitbereich I-Transf.2 Signalflußplan

Identitätsaussage(Verzweigungstelle)

x y y w= ∧ = X Y Y W= ∧ =X Y

W

Addition(Additionsstelle)

y x x= +1 2 Y X X= +1 2

X 1 Y

X 2

Subtraktion(Additionsstelle mit -)

y x x= −1 2 Y X X= −1 2

X 1 Y

X 2

Faltung y t f x t( ) ( * )( )= Y F X= FX Y = F X

Faltungs-komposition

(Kettenschaltung)

y f f x= 1 2 ( ) Y F F X= 2 1 X F 1YF 2

Rückkoppelungy t f x t

x t x t f y t

( ) ( * )( ),

( ) ( ) ( * )( )

== −

1

2

D

DY

F

F FX=

±1

1 21

F 1 Y

F 2

X

+

Tab. 10-1: Operatoren und Signalflußpläne

2 Zur Vereinfachung der Schreibweise wird auf eine Darstellung der Abhängigkeit von s verzichtet.

Page 62: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 54 - Dr. Jörg Wollnack

elektrischmechanisch

translatorischmechanischrotatorisch

BauelementSymbol

Widerstand R Dämpfung d Dämpfung dr

PhysikalischesGesetz

iR

u= 1v

dF= 1

t ω = 1

dM

rr

Laplace-Trans-formierte

I sR

U s( ) ( )= 1V s

dF s( ) ( )= 1

t Ω( ) ( )sd

M s= 1

rr

Pro

port

iona

lele

men

te

Übertragungs-funktion G(s)

1

R

1

d

1

dr

BauelementSymbol

Kondensator C Feder Feder

PhysikalischesGesetz

i Cu

t= d

dv

c

F

t= 1 d

dt ω = 1

c

M

tr

d

dr

Laplace-Trans-formierte i s C s U s u( ) ( ) ( )= − −0 V s

cs F s u( ) ( ) ( )= − −

10t Ω( ) ( ) ( )s

cs M s M

r

= − −1

0r

Übertragungs-funktion G(s) C s

s

c

s

cr

BauelementSymbol

Induktivität L Masse m Trägheitsmoment J

PhysikalischesGesetz

iL

u t= 1d v

mF t= 1

t d ω = 1

JM tr d

Laplace-Trans-formierte

I ss L

U si

s( ) ( )

( )= + −1 0V s

s mF s

v

s( ) ( )

( )= + −1 0t Ω( ) ( )

( )s

s JM s

s= + −1 0

r

ω

Spei

cher

elem

ente

Übertragungs-funktion G(s)

1

s L

1

s m

1

s J

Tab. 10-2: Konzentrierte Bauelemente I

Page 63: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 55 - Dr. Jörg Wollnack

hydraulisch pneumatisch thermisch

BauelementSymbol

Leitung rl Drossel r Ebene Wand Rw

PhysikalischesGesetz

qr

pl

= 1d m

rp= 1

d φ ϑ= 1

Rw

Laplace-Trans-formierte

Q sr

P s( ) ( )= 1

ld

( ) ( )M sr

P s= 1d Φ Θ( ) ( )s

Rs= 1

w

Pro

port

iona

lele

men

te

Übertragungs-funktion G(s)

1

rl

1

r

1

Rw

BauelementSymbol

Speicher kh Speicher kp Speicher kt

PhysikalischesGesetz

q kp

t= h

dd

dm k

p

t= p

dd

dφ ϑ= k

tt

d

d

Laplace-Trans-formierte Q s k s P s p( ) ( ) ( )= − −h d d 0 ( ) ( ) ( )M s k s P s p= − −p d d 0 Φ Θ Θ( ) ( ) ( )s k s s= − −t 0 Sp

eich

erel

emen

te

Übertragungs-funktion G(s)

k sh k sp k st

Tab. 10-3: Konzentrierte Bauelemente II

10.4 Elektrische Systeme

Die Beschreibung von elektrischen Netzwerken kann unmittelbar im Laplace-Bereich aus-geführt werden, wenn man als Elemente die in Tabelle 6-3 dargestellten elektrischen Bau-elemente heranzieht. Man muß im Bildbereich dann jeweils entsprechende Strom- und Span-nungsquellen für die Anfangsbedingungen der Differential- und Integraloperatoren (9-18) und(9-20) der Bauelemente einführen. Die Kirchhoffschen3 Gleichungen können unmittelbar imLaplace-Bereich

I skk

( ) =∑ 0 (10-14.1)

U smm

( ) =∑ 0 (10-14.2)

formuliert werden. Überträgt man die symbolische Darstellung der elektrischen Netzwerkeauf die Laplace-Transformierten, so sind lediglich die Speicherelemente um zusätzliche Span-nungs- oder Stromquellen entsprechend Tabelle 10-4 zu erweitern.

3 Kirchhoff, Gustav Robert, *Königsberg 12.3.1824, †Berlin 17.10.1887, dt. Physiker. Stellte die Kirchhoffschen Regelnzur Berechnung der Strom- und Spannungsverhältnisse in elektr. Leitersystemen auf.

Page 64: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 56 - Dr. Jörg Wollnack

Zeitbereichs-Bauelement Widerstand RFehler! Keine gültige

Verknüpfung.

Kondensator CFehler! Keine gültige

Verknüpfung.

Induktivität LFehler! Keine gültige

Verknüpfung.

Laplace-Bauelement Widerstand R

U s( )

I s( )

R

Kondensator s C

U s( )

s C

I s( )

C u (0 )-

Induktivität 1/(s L)

U s( )

s L1 / ( )

I s( )

i s(0 ) / -

Laplace-Transformierte I sR

U s( ) ( )= 1i s C s U s u( ) ( ) ( )= − −0 I s

s LU s

i

s( ) ( )

( )= + −1 0

Tab. 10-4: Konzentrierte elektrische Bauelemente im Laplace-Raum

Daher lassen sich graphische Entwurfsmethoden, wie z.B. das Knotenpunktspotential- undMaschenstromverfahren, heranziehen, um die Matrixgleichungen des Netzwerkes aufzustel-len. Die Matrix- und Vektorelemente sind dann Laplace-Transformierte der Zeitfunktionen.

10.4.1 Operationsverstärker

Die invertierende Operationsverstärker-schaltung (OP) in Abbildung 10-5 kann mitHilfe der konzentrierten Bauelemente desLaplace-Raums der Tabelle 10-4 zusammenmit den Kirchhoffschen Gleichungen (10-14) direkt im Laplace-Bereich analysiertwerden.

Wegen des virtuellen Nullpunkts

U U+− −+= = 0 (10-15)

gilt

IU s

z s11

1

= ( )

( ) (10-16)

und

IU s

z s22

2

= − ( )

( ) . (10-17)

Da bei einem idealen OP I I+ −= = 0 ist, erhält man aus dem Knotensatz

I I I1 2 0− − =− (10-18)

des invertierenden OP-Eingangs hieraus unmittelbar:

I I1 2= . (10-19)

O PI 1

U z1

I 2

U z2

z s1( )

z s2( )

U s1( )U s2( )

U -+ = 0

v ir tu e lle rN u llp u n k t

I -

I +

Abb. 10-5: InvertierenderOperationsverstärker

Page 65: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 57 - Dr. Jörg Wollnack

Mit den Gleichungen (10-16) und (10-17) folgt weiter:

U s

z s

U s

z s1

1

2

2

( )

( )

( )

( )= − . (10-20)

Damit erhält man das Übertragungsverhalten des invertierenden Operationsverstärkers zu:

G sU s

U s

z s

z s( )

( )

( )

( )

( )= = −2

1

2

1

. (10-21)

Nach diesem Konzept lassen sich sämtliche Grundschaltungen des Operationsverstärkersdirekt in den Laplace-Bereich übertragen. Damit können die OP-Grundschaltungen mit reinOhmschen Widerständen direkt durch die Laplace-Impedanzen z(s) ausgetauscht werden,wenn man zugleich sämtliche Ströme und Spannungen ebenfalls durch ihre Laplace-Trans-formierte ersetzt.

10.4.2 Vierpoltheorie

Die Vierpoltheorie in Abbildung 10-6 kann unmittelbar auf denLaplace-Bereich übertragen werden, da diese ebenfalls lineare,zeitinvariante Systeme charakterisiert. Letztlich sind auch hiernur die Zeitfunktionen und Bauteile durch ihre Laplace-Darstellung zu ersetzen.

10.5 Elektromechanische Systeme

Geht man von der Zustandsbeschreibung (6-6) des elektrischen Antriebs in Ab-bildung 6-1 aus, so erhält man für die Laplace-Transformierten in kompakter Form:

L R k

J k

s I s i

s s

I s

s

U s

M sA A M

A

A A

A

A

L0

0

0

0

0

−−

=

( ) ( )

( ) ( )

( )

( )

( )

( )

Ω

Ω

ω .4 (10-22)

Nach Umordnung der Anfangsbedingungen und Isolierung der unbekannten BildfunktionenI sA ( ) und Ω( )s ergibt sich die Matrixgleichung zu:

s L R k

k s J

I s

s

U s L i

M s JA A M

A

A A A A

L-

+

=

+− +

( )

( )

( ) ( )

( ) ( )Ω0

0ω . (10-23)

Die gesuchten Größen I sA ( ) und Ω( )s berechnen sich über die Gleichungen

4 Für die Laplace-Transformierte der Momentenfunktion wird zur Vereinfachung der Schreibweise das SymbolM beibehalten.

i 1 i2

u 1 u 2V ie r-p o l

z 1 z 2

Abb. 10-6: Vierpoltheorie

Page 66: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 58 - Dr. Jörg Wollnack

I s

U s L i k

M s J s Js L R k

k s J

A

A A A M

L

A A M

A-

( )

( ) ( )

( ) ( )=

+− +

+

0

0ω und (10-24)

ΩA

A A A A A

A L

A A M

A

-

-

( )

( ) ( )

( ) ( )s

s L R U s L i

k M s Js L R k

k s J

=

+ +− ++

0

0ω . (10-25)

Die Lageinformation hängt über ein Integral mit der Winkelgeschwindigkeit zusammen.Somit ist zu bestimmen:

ΩAA A L A A A A

A A A M

( )( ) ( ) ( ) ( )

ss L R M s J k U s L i

s J s L R k k=

+ − + + ++ +

− −

ω 0 0 . (10-26)

Der Motor soll aus dem Stillstand und mit Spannungsfreiheit vor dem Einschalten betriebenwerden. Das Lastmoment sei zur Vereinfachung als konstant angenommen. Sodann erhältman:

Term Term Term

AA A A L A L

1 2 3

1

22

1 0 22

1 0 22

1 0

Ω ( )( )

sk U s

b s b s a

L M

b s b s a s

R M

b s b s a=

+ +−

+ ++

+ +

, mit

b J L2 = A , b J R1 = A und b k k0 = A M . (10-27)

Aufgrund des Superpositions- und Integralsatzes läßt sich die Winkelgeschwindigkeitsfunk-tion aus der Überlagerung von Funktionen des Typs

y tX s

b s b s at( )

( )( )=

+ +

−L 1

22

1 0

(10-28)

beschreiben.

Page 67: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 59 - Dr. Jörg Wollnack

10.6 Wichtige Übertragungsglieder

In der Regel lassen sich komplexe Systeme aus einfachen Elementen nach den Regeln derTabelle 10-1 zusammensetzen. Aus diesem Grunde werden nachfolgend zwei wichtige Über-tragungsglieder dargestellt. Hierbei sind die Übertragungsfunktion, die Ortskurve, das Bode-diagramm und die Sprungantwort von Interesse. Anhand von einfachen Matlab-Programmenkann man diese Systemgrößen berechnen und nachvollziehen, wie sich die Veränderungeinzelner Parameter auswirkt.

10.6.1 Verzögerungsglied 1. Ordnung (PT1-Glied)

Ein System 1. Ordnung wird durch die Differentialgleichung

bt

y t b y t c x t1 0

d

d( ) ( ) ( )+ + = , b b c0 1, , ∈ (10-29)

beschrieben. Nach Anwendung des Differentiationssatzes der Laplace-Transformation erhältman im Laplace-Bereich:

b sY s y b Y sc

sX s1 00( ) ( ) ( ) ( )− + + =− , b b c0 1, , ∈ . (10-30)

Nach Separation von Y(s) erhält man weiter:

Y s b s bc

sb y X s( ) ( ) ( )1 0 1 0+ + − =− und

Y sX s

b s b

b y

b s b

c

s b s b( )

( ) ( )=+

++

−+

1 0

1

1 0 1 0

0

=+

++

−+

−1 0

1

1

b

X s

s

b y

s

c

s s

( ) ( )

τ τ τ , mit τ = b

b0

1

. (10-31)

Damit erhält man als Systemantwort:

y tb

e x t u u y ec

be uu

tt u

t

( ) ( ) ( )= − + −−−

− −

− −

10

1 0 1 0

τ τ τd d . (10-32)

Wählt man als Eingangsgröße x t x s t( ) ( )= , so erhält man die Systemantwort zu:

w tb

e x u y ec

be ux

ut

t ut

( ) ( )= + −−

−− −

− −

10

1 0 1 0

τ τ τd d

= − + +−−

− −

− −

( )

x

be y e

c

beu

t

t u

t

1 0 1 0

0τ τ

τ τ τ

= − + − +− −−

−( )

x

be

c

be y et t t

1 1

1 1 0τ τ

τ τ τ

= −

− +−

−−c

b

x

be y et t

1 1

1 0τ τ

τ τ( ) . (10-33)

Durch Ausführung der Grenzprozesse lim ( )t

w t→∞

und lim ( )t

w t→ −0

ergeben sich die Gleichungen:

Page 68: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 60 - Dr. Jörg Wollnack

wx

b

c

bx ( )

∞ = −

1 1τ τ

und w yx ( ) ( )0 0− −= . (10-34)

Damit läßt sich die Gleichung (10-33) über das Anfangs-End-Wert-Theorem

w t t w w t w ext t

( ) ( ) ( ) ( )− = ∞ + − ∞− −

− − −0 0

0 τ (10-35)

linearer, homogener und zeitinvarianter Systeme 1. Ordnung darstellen. Dieses Darstellungder Systemantwort ist von Vorteil, weil man in der Praxis häufig Anfangs- und Endwerteeines Dynamischen Systems aus Grenzwertbetrachtungen ableiten kann Die Anfangs- undEndwerte ließen sich ferner mit den Anfangs- und Endwertsätzen aus der Laplace-Trans-formierten Y(s) bestimmen.

Die Ortskurve des Systems 1. Ordnung zeigt Abbildung 10-7, das Betrags- und Phasendia-gramm zeigen Abbildung 10-8 und 10-9 und die Sprungantwort ist in Abbildung 10-10 dar-gestellt.

0.01

0.6

Im Gi

10 Re Gi

0 0.2 0.4 0.6 0.8 1

0.4

0.2

Abb. 10-7: Ortskurve des Systems 1. Ordnung

1

0.01

G T ωi

1j.,

100.01 fi

0.01 0.1 1 100.01

0.1

1

Abb. 10-8: Betragsverlauf des Systems 1. Ordnung

Page 69: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 61 - Dr. Jörg Wollnack

0

100

φ G T ωi

1j.,

100.01 fi

0.01 0.1 1 10100

50

0

Abb. 10-9: Phasenverlauf des Systems 1. Ordnung

1

0

w 0 1, 1, t,( )

50 t

0 1 2 3 4 50

0.5

1

Abb. 10-10: Sprungantwort des Systems 1. Ordnung

Eine weitere Vereinfachung stellt das PT1-Glied mit verschwindender Anfangsbedingung dar.Dessen Ergebnisse sollen nur kurz zusammengefaßt werden:

• Differentialgleichung

x t x t K x t xa a e a( ) ( ) ( ) , ( )+ = =τ 0 0 (10-36)

• Laplace-Transformierte

G sK

s( ) =

+1 τ(10-37)

• Frequenzgang

G jK

j( )ω

τ ω=

+1(10-38)

Page 70: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 62 - Dr. Jörg Wollnack

• Amplitudengang

G jK

e

e( ) ,ωωω

ωτ

=

+

=

1

12

(10-39)

• Phasengang

ϕ ω ω ω( ) arctan ,= − 2 e (10-40)

• Logarithmischer Amplitudengang

A KGe

dB = − +

20 10 12

lg lg ωω

(10-41)

• Sprungantwort

h t K e t( ) = −τ (10-42)

10.6.2 Verzögerungsglied 2- Ordnung (PT2-Glied und PT2S-Glied)

Ein System 2. Ordnung werde durch die Differentialgleichung

12

02

2

20ω

ϑω

d

d

d

dty t

ty t y t x t( ) ( ) ( ) ( )+ + = , ω ϑ0 , ∈ 5 (10-43)

beschrieben. Das System sei in einem energielosen Zustand vor dem Einschalten, so daßsämtliche Anfangsbedingungen und Konstanten verschwinden. Nach Anwendung des Dif-ferentiationssatzes der Laplace-Transformation erhält man im Laplace-Bereich:

12

02

2

0ωϑω

s Y s sY s Y s X s( ) ( ) ( ) ( )+ + = (10-44)

bzw. als Übertragungsfunktion

G ss s s s

( ) =+ +

=+ +

11

2 1 2

02

2

0

02

20 0

2

ωϑω

ωϑω ω

. (10-45)

Die Residuen des Nennerpolynoms bzw. die Nullstellen s1 2, bestimmen über die Diskriminan-

te ≡ −ϑ 2 1 das Lösungsverhalten des Systems. Mit den Residuen läßt sich die Übertragungs-funktion wie folgt

G ss s s s

( ) =− −

ω02

1 2 , mit s1 2 02 1, = − ± −ω ϑ ϑ (10-46)

darstellen.

5 Die Wahl der Koeffizienten wird sich später als sinnvoll herausstellen. Durch die Methode des Koeffizienten-vergleichs kann ein System 2. Ordnung auf diesen Ansatz zurückgeführt werden.

Page 71: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 63 - Dr. Jörg Wollnack

Mit der Korrespondenz (9-41) und dem Linearitätssatz (9-17) erhält man im Zeitbereich so-dann

g te e

s s

s t s t

( ) =−

−ω0

2

1 2

1 2 , (10-47)

womit sich die Systemantwort zu

y te e

s sx t u u

s u s ut

( ) ( )=−

−−

ω02

1 20

1 2 d (10-48)

berechnet. Mit der l‘Hospitalschen Regel erhält man für ϑ = ⇒ =1 1 2s s :

g t e e

s s

se e

ss s

t es s

s t s t

s s

s t s t

s t( )lim lim

ω02

1 2

1

11 2

1 2

1 2

1 2

1 2

2=−−

=−

−=

→ →

dd

dd

. (10-49)

Damit läßt sich die Systemfunktion zusammenfassend zu

g t

e e

s ss s

t e s s

s t s t

s t

( ) =−

−≠

=

ω02

1 21 2

1 2

1 2

2

für

für

, mit s1 2 02 1, = − ± −ω ϑ ϑ (10-50)

beschreiben. Als Sprungantwort ergibt sich sodann im ersten Fall (s s1 2≠ ) die Gleichung:

w te e

s su

s u s ut

( ) =−

−−

ω02

1 20

1 2 d

=−

=

−− − −

ω ω02

1 2 1 2 0

02

1 2 1 2

1 2 1 21 1

s s

e

s

e

s s s

e

s

e

s

s u s ut

s t s t

=−

− − −

ω02

1 2

2 1 2 1

1 2

1 2

s s

s e s e s s

s s

s t s t für s s1 2≠ . (10-51)

Mit dem Vietaschen Wurzelsatz ω02

1 2= s s erhält man weiter:

w ts e s e

s s

s t s t

( ) = + −−

1 2 1

1 2

1 2

für s s1 2≠ . (10-52)

Für diesen Fall lassen sich drei unterschiedliche Situationen ϑ <1, ϑ >1 und ϑ = 0 unter-suchen:

Ist ϑ <1, so erhält man für s1 und s2 konjugiert komplexe Lösungen

s j a j b1 2 021, = − ± − = ±ω ϑ ϑ , so daß sich die Gleichung (10-52) weiter spezialisieren

läßt:

w ta j b e a j b e

a j b a j b

a j b t a j b t

( )( ) ( )

( ) ( )

( ) ( )

= − + − −+ − −

− +

1

= −+ −

12

2

j a j b e

j b

a j b tIm ( ) ( ) für ϑ <1 . (10-53)

Page 72: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 64 - Dr. Jörg Wollnack

Da

Im ( ) Im( ) ( arctan ( , ))a j b e a b e ea j b t a t j b t b a+ = +− + ! "2 2 2

= + +a b e b t b aat2 2 2sin arctan ( , ) = − + − −−e ttϑω ω ϑ ϑ ϑ0

02 21 2 1sin arctan ( , ) (10-54)

ist, erhält man ferner:

w te

tt

( ) sin arctan ( , )= −−

− + − −−

11

1 2 10

2 02 2

ϑω

ϑω ϑ ϑ ϑ für ϑ <1 . (10-55)

Ist ϑ >1, so gilt:

w te et t

( ) = + −−

1 2 1

1 2

1 2α αα α

α α

, mit α ω ϑ ϑ1 2 02 1, = − ± − ∈ . (10-56)

Ist ϑ = 0, so ist β ω1 2 0, = ± j , womit gilt:

w tj e e

j

j t j t

( ) = + − − −

12

0 1

0

0 0ω αω

ω ω

= −1 0cosω t . (10-57)

Im zweiten Fall (s s1 2 0= = − ∈ω , ϑ =1) ergibt sich:

w t ue ue

ss u e s ts u

t s u t

s t( ) = = − = − +− −

ω ω02

0

02

12 1

0

11

1

11 1 1d

= − +1 1 00ω ωt e t für ϑ =1. (10-58)

Damit sind sämtliche möglichen Fälle des Dynamischen Systems 2. Ordnung charakterisiert.

Die Ortskurve des Systems 2. Ordnung zeigt Abbildung 10-2, das Betrags- und Phasen-diagramm zeigen Abbildung 10-3 und 10-4 und die Sprungantwort ist in Abbildung 10-14dargestellt. Hierbei sind Gi = G j( )ω , D = ϑ = 0,01, T = T0 = 1 und fi = f/f0.

0

0.7

Im Gi

10.5 Re Gi

0.5 0 0.5 1

0.6

0.4

0.2

0

Abb. 10-11: Ortskurve des Systems 2. Ordnung

Page 73: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 65 - Dr. Jörg Wollnack

100

0.001

G T D, ωi

1j.,

G T 101

D., ωi

1j.,

G T 102

D., ωi

1j.,

100.01 fi

0.01 0.1 1 101 10

3

0.01

0.1

1

10

100

Abb. 10-12: Betragsverlauf des Systems 2. Ordnung

0

180

φ G T D, ωi

1j.,

φ G T 101

D., ωi

1j.,

φ G T 102

D., ωi

1j.,

100.01 fi

0.01 0.1 1 10

150

100

50

0

Abb. 10-13: Phasenverlauf des System 2. Ordnung

2

0

w 10 D. T, t,( )

w 20 D. T, t,( )

w 40 D. T, t,( )

400 t

0 5 10 15 20 25 30 35 400

0.5

1

1.5

2

Abb. 10-14: Sprungantwort des System 2. Ordnung

Page 74: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 66 - Dr. Jörg Wollnack

10.6.3 Matlab-Programm Übertragungsglieder

%% ÜbertragungsVerhaltenMain.m%% Lehrprogramm% Autor: Dr.-Ing. habil. Jörg Wollnack% Datum: 05.04.2002%% Workspace löschenclear all;

% Odnung des Systems: 1 oder 2SystemOrdnung = 1;

%-------------------------------------------------------------------------%-------------------------------------------------------------------------% Transferfunktion aus Koeffizienten%% am*sm + am-1*sm-1 + ... + a1*s + a0*s% H(s) = -------------------------------------------% bn*sn + bn-1*sn-1 + ... + b1*s + b0*s%% H = tf([am am-1 ... a1 a0], [bn bn-1 ... b1 b0])%%-------------------------------------------------------------------------

%-------------------------------------------------------------------------% Transferfunktion aus Pol-Nullstellen%% (s-s01) (s-s02) ... (s-s0m)% H(s) = k ------------------------------% (s-sp1) (s-sp2) ... (s-spn)%% H = zpk(Z,N,k)%%-------------------------------------------------------------------------%-------------------------------------------------------------------------

if SystemOrdnung == 1

%------------------------------------------------------------------------ % Übertragungsfunktion PT1-Glied (K=1) % 1 % G(s) = ----------- % Tau*s + 1 % Tau = 1.00; % Periodendauer (normiert) G = tf([1],[Tau 1]); %------------------------------------------------------------------------

end

Page 75: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 67 - Dr. Jörg Wollnack

if SystemOrdnung == 2

%------------------------------------------------------------------------ % Übertragungsfunktion PT2-Glied (K=1) % 1 % G(s) = --------------------- % T*s^2 + 2*D*T*s + 1 % T = 1.00; % Periodendauer (normiert) D = 0.40; % Dämpfung G = tf([1],[T 2*D*T 1]); %------------------------------------------------------------------------

else Inf = 'undefinierte Systemordnung!'end

%-------------------------------------------------------------------------% Ausgabe der PlotstMax = 30.00; % Meßzeit für Plots in Sekunden%-------------------------------------------------------------------------

%-------------------------------------------------------------------------% Fensterausgabe als Kacheln angeordnetkFigure = 0; % Initialisierung Zählvariable FensternummerMaxFigure = 4; % Maximale Anzahl der Kacheln (Potenz von zwei)

% Berechnung des Fensterpositios-Vektors% MaxFigure Potenz von zweiFigPos = FigureKachelPos(MaxFigure);

% Nyquist-Diagramm offene RegelschleifekFigure = kFigure + 1;figure('Position',FigPos(kFigure,:))nyquist(G)

% Bode-Diagramm offene RegelschleifekFigure = kFigure + 1;figure('Position',FigPos(kFigure,:))bode(G)

% Pol- und Nullstellenlage geschlossener RegelkreiskFigure = kFigure + 1;figure('Position',FigPos(kFigure,:))pzmap(G)

% Sprungantwort geschlossener RegelkreiskFigure = kFigure + 1;figure('Position',FigPos(kFigure,:))NP = 100;Dt = tMax / (NP+1);t = 0:Dt:tMax;step(G,t)%-------------------------------------------------------------------------

Page 76: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 68 - Dr. Jörg Wollnack

10.7 Struktur von Regelkreisen und Übertragungsverhalten

Ein Regelkreis nach Abbildung 10-15 besteht aus

• Regler,• Regelstrecke und• Sensor.

Die Regeleinrichtung und das Stellglied definieren zusammen den Regler. Die zu regelndeAusgangsgröße y wird üblicherweise durch Störungen beeinflußt. Mit Hilfe des Sensors wirddie Ausgangsgröße (Istgröße) gemessen, über eine Differenzglied mit der Führungsgröße w(Sollwert) verglichen und auf die Regelstrecke geschaltet. Diese Differenzbildung zusammenmit der Rückkoppelung des Fehlersignals e stellt das grundlegende Prinzip einer Regelungdar. Aufgrund von stets vorhandenen systematischen und zufälligen Meßfehlern (Linearitäts-fehler und Meßrauschen) der Sensoren wird die gemessene Ausgangsgröße y entsprechendeFehler aufweisen. Da diese zumeist additiv überlagert sind, kann man diese durch eineAdditionsstelle berücksichtigen. Somit erhält man die Grundstruktur eines Reglers entpre-chend Abbildung 10-15.

G R( )s G S( )s

G M( )s

W s( ) Y ( )s

E ( )s U ( )s

Z ( )s

Z M ( )sS ensor

R eg ler

A usgangs-s törterm

M eß-störterm

R ege l-s trecke

Regelstrecke

Abb. 10-15: Reglerblockschaltbild

In Abwendung der Regeln von Tabelle 10-1 erhält man folgende den Regler charakteri-sierende Gleichungen:

• Führungsübertragungsfunktion

G sY s

W s

G s G s

G s G s G sZ s Z sW

R S

R S MM1+

für( )( )

( )

( ) ( )

( ) ( ) ( )( ) ( )= = = =0 (10-59.1)

• Störübertragungsfunktion

G sY s

Z s G s G s G sW s Z sZ

R S MM1+

für( )( )

( ) ( ) ( ) ( )( ) ( )= = = =1

0 (10-59.2)

• Sensor-Störübertragungsfunktion

G sY s

Z s

G s G s G s

G s G s G sW s Z sZM

M

R S M

R S M1+für( )

( )

( )

( ) ( ) ( )

( ) ( ) ( )( ) ( )= = − = =0 (10-59.3)

• Ausgangsgröße

Y s G s W s G s Z s G s Z sZ( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( )= + +W Z MM(10-59.4)

Page 77: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 69 - Dr. Jörg Wollnack

• Abhängige und unabhängige Variablen

Zeit- Laplace-Bereich

y(t) Y(s) die Regelgrößew(t) W(s) die Führungsgrößee(t) E(s) die Regelabweichungu(t) U(s) die Stellgrößez(t) Z(s) die StörgrößezM(t) ZM(s) die Meßstörgröße (10-59.5)

Die Aufgabe der Regelung besteht darin, die Regelabweichung

e t w t y t( ) ( ) ( )= − E s W s Y s( ) ( ) ( )= − , (10-60)

die die Differenz aus Soll- und Istwert der Regelgröße darstellt, entsprechend der Funktionali-tät des Reglers als proportionale, integrierende, differenzierende oder entprechend geeignetenFunktionalität auf die Regelstrecke als Signal u zu schalten. Der Wirkungsmechanismus mußdabei so gerichtet sein, daß der Einfluß des Differenzsignals die Regelabweichung reduziertbzw. dem Störsignal entgegenwirkt. Dieser geschlossene Signalverlauf ist kennzeichnend füreinen Regler und er soll eine eingetretene Regelabweichung möglichst schnell beseitigenbzw. hinreichend klein halten.

Auf diese Grundstruktur lassen sich die überwiegende Zahl der regelungstechnischen Pro-bleme zurückführen.

• Offener Regelkreis und charakteristische Gleichung

Schneidet man für W s Z s Z s( ) ( ) ( )= = =M 0 den Rückkoppelungspfad vor der Additionsstelleauf, so erhält man das Übertragungsverhalten des offenen Regelkreises in Abbildung 10-16zu:

G sG s

G sG s G s G s G s G soffen

oa

oeR S Mmit( )

( )

( )( ) , ( ) ( ) ( ) ( )= = − =0 0 . (10-61)

G R( )s G S( )s

G M( )s

W s( )= 0 Y ( )s

E ( )s U ( )s

Z ( )= 0s

Z M ( )= 0sS ensor

R eg ler

A usgangs-störterm

M eß-störterm

R egel-s trecke

X o e( )s X o a( )s

Abb. 10-16: Offener Regelkreis

Läßt sich G0(s) durch eine gebrochene rationale Übertragungsfunktion beschreiben, so erhältman für den geschlossenen Regelkreis die charakteristischen Gleichungen der Übertragungs-funktionen (10-59.1 bis .3) die Gleichung:

Page 78: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 70 - Dr. Jörg Wollnack

N s s a sii

i

n

( ) ( )= = ==∑1+ G0 0

0

. (10-62)

Die Tatsache, daß die charakteristischen Gleichungen sämtlicher Übertragungsfunktionenidentisch sind, ist von besonderer Bedeutung, da die charakteristische Gleichung dasStabilitätsverhalten bestimmt. Das Übertragungsverhalten des offenen Regelkreises ist fernerfür die Oszillatorbedingung, das Nyquist-Kriterium und den Phasen- und Amplitudenrand vonBedeutung.

Page 79: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 71 - Dr. Jörg Wollnack

11 Das Verhalten linearer kontinuierlicher Systeme

Die Abbildung 11-1 zeigt das bereits in Kapitel 10.6 eingeführte Blockschaltbild eines Regel-kreises.

G R( )s G S( )s

G M( )s

W s( ) Y ( )s

E ( )s U ( )s

Z ( )s

Z M ( )sS ensor

R eg ler

A usgangs-s törterm

M eß-störterm

R ege l-s trecke

Regelstrecke

Abb. 11-1: Reglerblockschaltbild

Für lineare Regelstrecken lassen sich sämtliche Störgrößen durch eine Gesamtgröße

Z s Z s G si ii

n

( ) ( ) ( )==∑ Z

Z

1

. (11-1)

beschreiben. Diese Struktur gilt auch, wenn die Störgröße an einer anderen Stelle im Regel-kreis, wie z.B. wie bei den Meßstörungen ZM(s), einwirkt. In der Praxis läßt sich das Übertra-gungsverhalten des offenen Regelkreises durch eine allgemeine Standardübertragungsfunk-tion

G sK

s

s s

s se m n k

km

m

nn

T s0

0 1

1

1

10 1( ) , , , ,2, = + + +

+ + +≤ ∈−β β

α α

t . (11-2)

charakterisieren. K0 stellt hierbei die Verstärkung des offenen Regelkreises und der Expo-nent k charakterisiert den Typ der Übertragungsfunktion G0(s) im Sinne von:

• k = 0 ⇒ verzögertes proportionales Verhalten (VP-Verhalten),• k = 1 ⇒ verzögertes integrales Verhalten (VI-Verhalten) und• k = 2 ⇒ verzögertes doppeltintegrales Verhalten (VI2-Verhalten).

Besitzt die gebrochen rationale Funktion in Gleichung (11-2) lediglich Pole in der linken s-Halbebene, dann kann man für verschiedene Signalformen der Führungs- oder der Störgrößedas stationäre Verhalten des geschlossenen Regelkreises untersuchen.

Für die Regelabweichung

E s W s Y s( ) ( ) ( )= − (11-3)

erhält man, sofern man sämtliche Störungen auf den Ausgang bezieht, die Gleichung:

E sG s

W s Y s( )( )

( ) ( )=+

−1

1 0

. (11-4)

Page 80: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 72 - Dr. Jörg Wollnack

Mit Hilfe des Grenzwertsatzes der Laplace-Transformation (9-25) kann man unter Annahmeeines existierenden Grenzwertes den stationären Endwert der Regelabweichung über

e e t s E st s

∞ →∞ →∞= =lim ( ) lim ( ) (11-5)

berechnen. Abgesehen vom Vorzeichen lassen sich so beide Arten von Eingangsgrößen, dieFührungs- und Störgröße, mit einem Ansatz charakterisieren und analysieren.

Aus diesem Grunde kann man stellvertretend für beide Arten von Eingangsgrößen, dieFührungs- und Störgröße, eine Bezeichnung Xe(s) einführen. Die Regelabweichungen könnendann mit der Gleichung (11-4) und die stationären Endwerte mit der Gleichung (11-5) fürunterschiedliche Signalformen Xe(s) und Typen von Übertragungsfunktion G0(s) des offenenRegelkreises berechnet werden.

Für diese Betrachtungen sollen die folgenden Testsignale herangezogen werden (siehe auchAbbildung 11-2):

1. sprungförmige Erregung: X sx

see( ) = 0 , mit der Sprunghöhe xe0. (11-6)

2. rampenförmige Erregung: X sx

see1( ) =2

, mit der Anstiegsgeschwindigkeit xe1. (11-7)

3. parabelförmige Erregung: X sx

see2( ) =3

, mit dem Beschleunigungsmaß xe2. (11-8)

t

x te( )

x t x te e0( ) = ( )

x e 0

0 t

x te( )x t x t te e1( ) = ( )

0 t

x te( ) x t x t te e1( ) = ( ) 2

0

Abb. 11-2: Typische Verläufe von Stör- und Führungsgrößensignale

Für die Regelabweichung gilt dann:

E sG s

X s X sZ s

W se e( )( )

( ) ( )( )

=+

=−

1

1 0

, mitfür Störverhalten

( ) für Führungsverhalten . (11-9)

Setzt man in diese Beziehung nacheinander die obigen Signalformen ein, so läßt sich das Ver-halten für verschiedene Typen von Übertragungsfunktionen analysieren.

11.1 Übertragungsfunktion mit verzögertem P-Verhalten

Für diesen Fall erhält man aus Gleichung (11-2) die Übertragungsfunktion des offenenRegelkreises zu:

G s Ks s

s se m nm

m

nn

T s0 0

1

1

1

1( ) ,= + + +

+ + +≤−β β

α α

t . (11-10)

Die Verstärkung des offenen Regelkreises ergibt sich aus dem Produkt der Verstärkungen vonRegler und Strecke zu:

K K K0 = R S . (11-11)

Für die bleibende Regelabweichung erhält man aus Gleichung (11-5) bei sprungförmigerErregung (11-6):

Page 81: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 73 - Dr. Jörg Wollnack

e

x K∞ =

+e0 0

1

1 . (11-12)

Bei der rampen- und parabelförmigen Erregung in Gleichung (11-7) und (11-8) sind dieGrenzwerte undefiniert bzw. streben gegen unendlich.

11.2 Übertragungsfunktion mit verzögertem I-Verhalten

Aus Gleichung (11-2) erhält man die Übertragungsfunktion des offenen Regelkreises zu:

G sK

s

s s

s se m nm

m

nn

T s0

0 1

1

1

1( ) ,= + + +

+ + +≤−β β

α α

t . (11-13)

Für die bleibende Regelabweichung erhält man aus Gleichung (11-5) bei sprungförmigerErregung (11-6):

e∞ = 0 . (11-14)

Bei der rampenförmigen Erregung in Gleichung (11-7) erhält man als Grenzwert

eK

x∞ = 1

01e (11-15)

und bei der parabelförmigen Erregung in Gleichung (11-8) ist der Grenzwert undefiniert bzw.strebt gegen unendlich.

11.3 Übertragungsfunktion mit verzögertem I2-Verhalten

Aus Gleichung (11-2) erhält man die Übertragungsfunktion des offenen Regelkreises zu:

G sK

s

s s

s se m nm

m

nn

T s0

02

1

1

1

1( ) ,= + + +

+ + +≤−β β

α α

t . (11-16)

Für die bleibende Regelabweichung erhält man aus Gleichung (11-5) bei sprungförmiger undrampenförmiger Erregung (11-6) und (11-7) verschwindende Grenzwerte:

e∞ = 0 . (11-17)

Hingegen bei der parabelförmigen Erregung in Gleichung (11-8) erhält man als Grenzwert:

e

x K∞ =e2 0

1 . (11-18)

11.4 Interpretation

Aus den vorherigen Ergebnissen wird deutlich, das die verbleibende Regelabweichung, diedas stationäre Verhalten des Regelkreises charakterisiert, in sämtlichen Fällen, sofern sieeinen endlichen Wert annimmt, mit wachsender Kreisverstärkung K0 abnimmt. Bei einemVP-Verhalten des offenen Regelkreises bedeutet dies analog, daß die Regelabweichung mitdem statischen Regelfaktor

RK

=+1

1 0

(11-19)

Page 82: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 74 - Dr. Jörg Wollnack

abnimmt.

Man könnte leicht verführt sein, eine große Kreisverstärkung für eine hohe Regelgüte anzu-streben. Dies führt jedoch, wie sich später im Zusammenhang mit der Stabilitätsanalyse zei-gen wird, häufig zu Instabilitäten des geschlossenen Regelkreises. Es muß hier häufig eineKompromiß im Sinne einer Optimierung getroffen werden.

11.5 PID-Regler

11.5.1 Idealer PID-Regler

Die technische Realisierung eines Reglers umfaßt die Bildung der Regelabweichung

e t w t y t( ) ( ) ( )= − E s W s Y s( ) ( ) ( )= − (11-20)

sowie deren weiteren Verarbeitung zur Reglerausgangsgröße

u t g e tt

R R d( ) ( ) ( )= − τ τ τ0

U s G s E sR R( ) ( ) ( )= . (11-21)

Die Reglerausgangsgröße wird einem Stellglied zugeführt und erzeugt die Regelgröße

u t g u tt

( ) ( ) ( )= − RS R dτ τ τ0

U s G s U s( ) ( ) ( )= RS R (11-22)

der Regelstrecke. Häufig werden Regler undStellglied oder Aktuator zu einer Regelein-richtung zusammengefaßt und in ihrer gemein-samen Wirkung als Regler verstanden.

Die meisten der in der Praxis eingesetztenanalogen linearer Regler sind Standardreglervom PID-Typ. Dieser Regler läßt sich aus dreiidealisierten linearen Grundformen des P-, I-und D-Gliedes zusammensetzen. Die prinzipiel-le Wirkungsweise dieses Reglers zeigt anschau-lich das Blockschaltbild in Abbildung 11-3.Hieraus ergibt sich das Übertragungsverhaltendes Reglers zu:

G sU s

E sK

K

sK s

K s K s K

sRR

PI

DD P I( )

( )

( )= = + + = + +2

. (11-23)

Die Nullstellen dieses Reglers liegen bei

sK

KK K KRZ

D

PP D I21 221 1

4; = − ± −

, (11-24)

so daß man die Pol-Nullstellen-Darstellung

G sK s s s s

sR

D RZ RZ- -( ) = 1 2

. (11-25)

K sI /

K sD

K P

EU U

R

Abb. 11-3: Blockschaltbild des PID-Reglers

Page 83: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 75 - Dr. Jörg Wollnack

heranziehen kann. Eine alternative Darstellung über Zeitkonstanten führt zu Gleichung:

G s KK

sK s K

K

K s

K

Ks K

T sT sR P

ID P

I

P

D

PR

ID( ) = + + = + +

= + +

11

11

,

mit K K TK

KT

K

KR P IR

ID

D

R

= = =, , . (11-26)

Hierbei ist KR der Verstärkungsfaktor, TI die Integral- bzw. Nachstellzeit und TD die Differen-tial- oder Vorhaltezeit des Reglers. Diese Größen sind die Einstellwerte des Reglers und siekönnen gewöhnlich in bestimmten Werte- bzw. Definitionsbereichen vom Anwender einge-stellt werden.

11.5.2 Realer PID-Regler

Die bisherigen Betrachtungen sind davon ausgegangen, daß sich der ideale D-Verhaltenschaltungstechnisch realisieren läßt. Aufgrund einer stets vorhanden endlichen Wertebe-reiches und einer stets vorhandenen Signalverzögerung läßt sich dieses Verhalten nicht rea-lisieren. Verwendet man jedoch anstelle des D-Gliedes ein DT1-Glied, so kann man demrealen D-Glied gerecht werden. Dabei ist dann die Übertragungsfunktion des PIDT1-Reglers

G s KK

sK

T s

T sR PI

D( ) = + ++1

(11-27)

zu berücksichtigen. Man kann auch hier Reglereinstellwerte einführen und erhält:

G s KT s

Ts

T sR RI

D( ) = + ++

11

1 ,

mit K K TK

KT

K T

KR P IR

ID

D

R

= = =, , . (11-28)

Die Übergangsfunktion h(t) des PIDT1-Reglers zeigt Abbildung. Für t = 0 liegt ein relativstarker Anstieg vor, der vom P- und D-Anteil hervorgerufen wird. Relativ schnell geht dieserAnstieg jedoch auf den vom P-Anteil vorgegebenen Wert zurück, um dann anschließend inden langsameren I-Anteil einzulaufen. Das P-, I- und D-Verhalten kann voneinander unab-hängig eingestellt werden. Bei üblichen Reglern wird der “D-Sprung“ typischerweise um 5-bis 25-mal größer als der “P-Sprung“ eingestellt. Bei einer zu starken Bewertung des D-Anteils besteht jedoch das Problem einer Stellwertbegrenzung des Stellgliedes durch seinen“Anschlag“.

Die Sonderfälle des PI- und PD-Reglers erhält man aus dem allgemeinen Ansatz durch Null-setzen der diesbezüglichen Parameter.

Für einen Einsatz dieses klassischen Reglers kann man mit Hilfe des Matlab-Programms inKapitel 11.5.4 das Störverhalten des PID-Reglers untersuchen. Das Verhalten der Regel-strecke sei durch die Übertragungsfunktion

G sK

T sS

S( ) =+1 4

(11-29)

beschrieben und es liege eine sprungförmige Störung (11-6) vor

Page 84: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 76 - Dr. Jörg Wollnack

11.5.3 Vor- und Nachteile verschiedener PID-Reglertypen

Für einen Vergleich verschiedener PID-Reglertypen müssen die Reglerparameter nach einemspäter zu erörternden Gütemaß eingestellt und der Amplitudeneinfluß eliminiert werden, in-dem man die Regelgröße y(t) auf KS z0 normiert. Als Bewertungskriterium wird die Aus-regelzeit und die normierte Überschwingamplitude herangezogen. Als 3%-Ausregelzeit seidie Zeit verstanden, die vergeht, bis die Differenz y t y( ) − ∞ kleiner als 3% des stationärenEndwertes im ungeregelten Fall beträgt. Die normierte maximale Überschwingung ist dabeidas Maß y K zMax S 0 .

Betrachtet man den P-. I-, PI-, PD- und PID-Regler, so erhält man folgende Ergebnisse:

a. Der P-Regler besitzt ein relativ großes maximales Überschwingmaß und einerelativ große Ausregelzeit sowie eine nicht verschwindende Regelabweichung.

b. Der I-Regler hat aufgrund des relativ langsam einsetzenden I-Verhaltens ein nochgrößeres Überschwingmaß und Ausregelzeit, jedoch mit einer verschwindendenRegelabweichung.

c. Der PI-Regler vereinigt die Eigenschaften des P- und I-Reglers und besitzt unge-fähr die maximale Überschwingweite und Ausregelzeit des P-Reglers mit demVorteil einer verschwindenden Regelabweichung.

d. Der PD-Regler besitzt wegen des relativ “schnellen“ D-Anteils eine geringeremaximale Überschwingweite und die geringste Ausregelzeit. Er hat jedoch eben-falls eine verbleibende Regelabweichung, die aber wegen der größeren Verstär-kung geringer ausfällt.

e. Der PID-Regler vereinigt die Eigenschaften des PI- und PD-Reglers. Er weist einenoch geringere maximale Überschwingweite als der PD-Regler auf und er besitztaufgrund des I-Anteils eine verschwindende Regelabweichung. Der I-Anteil be-wirkt jedoch eine Ausregelzeit, die größer als beim PD-Regler ist.

Diese qualitativen Betrachtungen lassen sich weitgehend auch auf andere Typen von Regel-strecken übertragen. Hier soll zunächst nur ein erster Einblick gewährt werden, der an ge-eigneter Stelle, im Zusammenhang mit dem Reglerentwurf, zu vertiefen ist.

11.5.4 Matlab-Programm PID-Regler

Mit dem Matlab-Programm werden das Nyquist- und Bodediagramm, der Pol- und Nullstel-len-Plan sowie die Sprungantwort berechnet und als Plot ausgegeben. Es kann dazu genutztwerden, das Verhalten verschiedener Reglereinstellungen zu untersucht.%% PIDReglerVerhaltenBeispielMain.m%% Lehrprogramm% Autor: Dr.-Ing. habil. Jörg Wollnack% Datum: 05.04.2002%% Workspace löschenclear all;

%-------------------------------------------------------------------------%-------------------------------------------------------------------------% Transferfunktion aus Koeffizienten%

Page 85: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 77 - Dr. Jörg Wollnack

% am*sm + am-1*sm-1 + ... + a1*s + a0*s% H(s) = -------------------------------------------% bn*sn + bn-1*sn-1 + ... + b1*s + b0*s%% H = tf([am am-1 ... a1 a0], [bn bn-1 ... b1 b0])%%-------------------------------------------------------------------------

%-------------------------------------------------------------------------% Transferfunktion aus Pol-Nullstellen%% (s-s01) (s-s02) ... (s-s0m)% H(s) = k ------------------------------% (s-sp1) (s-sp2) ... (s-spn)%% H = zpk(Z,N,k)%%-------------------------------------------------------------------------%-------------------------------------------------------------------------

%-------------------------------------------------------------------------% Reglerverhalten% PID-Regler% KD*s^2 + KP*s + KI% GR(s) = KP + KI/s + KD*s = --------------------% sKP = 1.00;KI = 0.50;KD = 0.70;

% Reglerpolynom% PID-ReglerGR = tf([KD KP KI],[1 0]);%-------------------------------------------------------------------------

%-------------------------------------------------------------------------% Streckenpolynom TD2-Glied% 1% GS(s) = ---------------% ( 1 + T*s )^4%T = 1.00; % Zeitkonstante (normiert)GS1 = tf([1],[T 1]);GS2 = series(GS1,GS1);GS = series(GS2,GS2);%-------------------------------------------------------------------------

%-------------------------------------------------------------------------G0 = series(GR,GS); % offene RegelschleifeGLoop = feedback(G0,1); % geschlossene Regelschleife mit idealem Sensor%-------------------------------------------------------------------------

Page 86: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 78 - Dr. Jörg Wollnack

%-------------------------------------------------------------------------% Ausgabe der PlotstMax = 30.00; % Meßzeit für Plots in Sekunden%-------------------------------------------------------------------------

%-------------------------------------------------------------------------% Fensterausgabe als Kacheln angeordnetkFigure = 0; % Initialisierung Zählvariable FensternummerMaxFigure = 4; % Maximale Anzahl der Kacheln (Potenz von zwei)

% Berechnung des Fensterpositios-Vektors% MaxFigure Potenz von zweiFigPos = FigureKachelPos(MaxFigure);

% Nyquist-Diagramm offene RegelschleifekFigure = kFigure + 1;figure('Position',FigPos(kFigure,:))nyquist(G0)

% Bode-Diagramm offene RegelschleifekFigure = kFigure + 1;figure('Position',FigPos(kFigure,:))bode(G0)

% Pol- und Nullstellenlage geschlossener RegelkreiskFigure = kFigure + 1;figure('Position',FigPos(kFigure,:))pzmap(GLoop)

% Sprungantwort geschlossener RegelkreiskFigure = kFigure + 1;figure('Position',FigPos(kFigure,:))NP = 100;Dt = tMax / (NP+1);t = 0:Dt:tMax;step(GLoop,t)%-------------------------------------------------------------------------

Page 87: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 79 - Dr. Jörg Wollnack

12 Technische Realisierung von kontinuierlichenregelungstechnischen Systemen

12.1 Regler

12.1.1 Elektrische Regler

Moderne elektrische Regler werden überwiegend durch Operationsverstärkerschaltungenrealisiert. Dabei kann man von einem idealen Operationsverstärker, wie er bereits in Kapi-tel 10.4.1 eingeführt wurde, ausgehen. Beschaltet man den Operationsverstärker mit einemRückkoppelungsnetzwerk entsprechend Abbildung 10-5, so erhält man das Übertragungsver-halten des invertierenden Verstärkers zu:

G sU s

U s

z s

z sa

eR ( )

( )

( )

( )

( )= = − 2

1

. (12-1)

Mit Hilfe verschiedener Beschaltungen lassen sich die verschiedenen PID-Reglertypenrealisieren. Dabei wählt man zumeist Schaltungen mit mehrer Operationsverstärkern, um dieReglerparameter voneinander unabhängig einstellen zu können. Die Abbildung 12-1 zeigteine derartige Schaltung.

O P

R DC D

U se( )

U sa( )

R I

O P

C I

S

O P

R 2R 2

O P

R PR 1

R 3

R 1

R 1

D -S c h a ltu n g

P -S ch a ltu n g

A d d ie re r-sch a ltu n g

I-S c h a ltu n gAbb. 12-1: PID-Reglers mit entkoppelt einstellbaren Koeffizienten

Die Reglerparameter sind hierbei:

KR

RT C R T C RP

R I I I D D D= = =1

, , . (12-2)

Page 88: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 80 - Dr. Jörg Wollnack

Der Widerstand R3 realisiert dabei den PIDT1-Regler, um eine Übersteuerung des Reglersbzw. der Stellorgane auszuschließen.

Derartige analoge elektrische Standardregler werden heute mehr und mehr durch digitaleRegler ersetzt. Dabei werden die Rechenfunktionen des P-, I- und D-Verhaltens mittelsMikroprozessorprogramme realisiert. Diese Regler können sowohl hinsichtlich der Zeit alsauch der Werte nur diskrete Daten verarbeiten. Der Übergang zwischen den kontinuierlichenund diskreten Welten wird mittels Analog/Digital-Wandler- bzw. Digital/Analog-Wandler-Schaltungen verwirklicht. Auf die Arbeitsweise dieser Abtastregelsysteme geht ausführlichder Band III ein.

12.1.2 Pneumatische Regler

In verfahrenstechnischen Anlagen und der chemischen Industrie werden auch heute noch fürregelungstechnische Geräte Druckluftsysteme eingesetzt. Die Vorteile dieser Regelgerätesind:

• einfache Handhabbarkeit,• prinzipielle keine Explosionsgefahr und• pneumatisch betriebene Stellglieder sind besonders einfach sowie robust und

erzeugen relativ große Stellkräfte

Page 89: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 81 - Dr. Jörg Wollnack

Page 90: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 82 - Dr. Jörg Wollnack

12.2 Stellorgane

12.2.1 Elektrische Stellorgane

12.2.2 Pneumatische Stellorgane

12.2.3 Hydraulische Stellorgane

12.2.4 Thermische Stellorgane

12.3 Sensoren

12.3.1 Position

12.3.2 Geschwindigkeit

12.3.3 Beschleunigung

12.3.4 Kraft

12.3.5 Temperatur

12.3.6 Druck

Page 91: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 83 - Dr. Jörg Wollnack

13 Stabilität linearer kontinuierlicher Regelsysteme

Bereits im Kapitel 3 bei der grundlegenden Betrachtung von Steuerungen und Regelungenwurde deutlich, daß aufgrund der Rückkoppelung Regelsysteme instabil sein können. ImKapitel 5.7 wurde die BIBO-Stabilität eingeführt. Die BIBO-Stabilität ließ die Oszillation mitkonstanter Amplitude zu, weshalb der Begriff der asymptotischen Stabilität hilfreich ist.

13.1 Asymptotische Stabilität

Um die vorhergenannten Probleme mit der BIBO-Stabilität zu umgehen, definiert man:

Def. 13-1 Ein lineares zeitinvariantes System heißt asymptotisch stabil, wennseine Gewichtfunktion asymptotisch auf null abklingt, es heißt in-stabil, wenn der Betrag der Gewichtfunktion über alle Grenzen wächstund es heißt grenzstabil, wenn der Betrag einen endlichen Wertzustrebt.

lim ( )t

g t→∞

= 0 stabil (13-1.1)

lim ( )t

g t→∞

= ∞ instabil (13-1.2)

lim ( )t

g t c→∞

= grenzstabil (13-1.3)

Diese Definition allein über die Systemeigenschaft ist möglich, da bei linearen zeitinvariantenSystemen die Gewichtfunktion das Systemverhalten vollständig beschreibt. Ist das Stabilitäts-kriterium (13-1) erfüllt, so existiert keine Anfangsbedingung und keine beschränkte Ein-gangsgröße, die zur Folge hat, daß die Ausgangsgröße über alle Grenzen wächst.

Diese Stabilitätsdefinition kann direkt zur Untersuchung der Stabilität eines linearen zeit-invarianten Systems herangezogen werden, wenn die Gewichtfunktion als geschlossene For-mel vorliegt. Dies ist jedoch häufig nicht der Fall, da man nur die Laplace-TransformierteG(s) der Gewichtsfunktion kennt. Man kann dann z.B. den Endwertsatzes (9-25) der Laplace-Transformation oder den Residuensatz (9-27) nutzen. Letzteres führt zu einer Stabilitäts-bedingung, die hilfreich ist:

Ist G(s) eine rationale Übertragungsfunktion

G sZ s

N s

Z s

a a s a snn

( )( )

( )

( )= =+ + +0 1

, (13-2)

so läßt sich das Nennerpolynom bzw. die charakteristische Gleichung in die Produktdarstel-lung

N s a s a s skk

nk

n ii

n

( ) = = −= =∑ ∏

0 1

(13-3)

der Wurzeln s i v v ni , ,2, , ,∈ ≤1 des Nennerpolynoms überführen. Aus diesem Grundesetzt sich die zugehörige Gewichtfunktion

g t g tjj

v

( ) ( )==

∑1

(13-4)

Page 92: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 84 - Dr. Jörg Wollnack

aus Summanden der Form

g t c t e j v i nj js ti( ) , , ,2, , ,2, , , ,2, , = ∈ ∈ ∈µ µ 0 1 1 1 (13-5)

zusammen. Die cj sind dabei komplexe Konstante und die Zahl µ wird für die Ordnung vonMehrfachpolen ungleich null herangezogen. Bildet man den Betrag dieser Funktion, so erhältman:

g t c t e c t e ej js t

jt j ti i i( ) = =µ µ σ ω . (13-6)

Da t µ und e i tσ positiv sind und e j tiω = 1 ist, erhält man

g t c t ej jti( ) = µ σ . (13-7)

Sind nun für alle i die σ i < 0 , so strebt für t → ∞ die e-Funktion schneller gegen null als jede

endliche Potent von t. Damit streben die g tj ( ) bzw. strebt g(t) gegen null.

Dies macht deutlich, daß die asymptotische Stabilität genau dann erfüllt ist, wenn sämtlichePole von G(s) einen negativen Realteil besitzen. Ist der Realteil auch nur eines Pols positivoder ein Mehrfachpol gleich null, so wächst die Gewichtfunktion mit t über alle Grenzen.

Es genügt somit die Pole der Übertragungsfunktion bzw. die Nullstellen dercharakteristischen Gleichung

N s a skk

nk( ) = =

=∑

0

0 (13-8)

zu überprüfen. Damit lassen sich folgende notwendige und hinreichende Stabilitätskriterienformulieren:

Satz 13-1: a) Asymptotische StabilitätEin lineares, zeitinvariantes System ist genau dann asymptotischstabil, wenn für die Wurzeln sk seiner charakteristischen Gleichung∀ ∈ <k n sk , , 1 0 Real gilt bzw. sämtliche Pole der Übertra-

gungsfunktion in der linken s-Halbebene liegen.

b) InstabilitätEin lineares, zeitinvariantes System ist genau dann instabil, wennmindestens ein Pol seiner Übertragungsfunktion in der rechten s-Halb-ebene oder wenn mindestens ein mehrfach Pol der Ordnung µ ≥ 2 aufder imaginären Achse liegt.

c) GrenzstabilitätEin lineares, zeitinvariantes System ist genau dann grenzstabil, wennkein Pol seiner Übertragungsfunktion in der rechten s-Halbebeneliegt, keine Mehrfachpole auf der imaginären Achse liegen undmindestens ein einfacher Pol auf der imaginären Achse existiert.

Betrachtet man den o.g. Satz, so wird deutlich, daß das Polbild eines linearen, zeitinvariantenSystems in Abbildung 13-1 das Stabilitätsverhalten anschaulich charakterisiert. Der Vorteilder bildlichen Darstellung liegt in der unmittelbaren visuellen Beurteilung des Stabilitätsver-haltens. Im allgemeinen ist die Berechnung der exakten Werte der charakteristischen Glei-chung nicht einfach. Für den Regelungstechniker ist es häufig völlig ausreichend zu wissen,

Page 93: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 85 - Dr. Jörg Wollnack

ob sämtliche Wurzeln der charakteristischen Gleichung in der linken s-Halbebene liegen odernicht.

j

s tab il

j

g re n zs ta b il

j

in s tab il

1 /s 2

j

in s tab il

s -E b e n e

Abb. 13-1: Stabilität eines linearen, zeitinvarianten Systems anhand der Wurzelorte dercharakteristischen Gleichung

Viele Stabilitätskriterien überprüfen gerade diesen Sachverhalt. Diese Kriterien lassen sichihrerseits in algebraische und graphische Methoden klassifizieren.

13.2 Algebraische Stabilitätskriterien

Die folgenden Stabilitätskriterien untersuchen die Lage der Pole der charakteristischen Glei-chung. Liegen die Pole in der linken s-Halbebene, so liegt nach Satz 13-1 ein asymptotischstabiles System vor. Die algebraischen Bedingungen definieren Ungleichungen zwischen denKoeffizienten ai der charakteristischen Gleichung derart, daß sämtliche Wurzeln des Poly-noms diese Bedingung erfüllen.

13.2.1 Beiwertbedingungen

Die Bewertbedingungen stellen eine notwendige aber nicht hinreichende Bedingung für dieasymptotische Stabilität eines linearen, zeitinvarianten Systems dar.

Zerlegt man hierzu die charakteristische Gleichung in Wurzelfaktoren, so gilt:

s s s s s sn− − − =1 2 0 . (13-9)

Für physikalische reale (reelle) Systeme nimmt man an, daß die ersten 2q der n Wurzeln kon-jugiert komplexe Wurzelpaare

∀ ∈ = ±−k q s jk k k k ,2, , ;1 2 1 2 2 2 σ ω (13-10)

repräsentieren. Damit kann man Gleichung (13-9) in die Produktdarstellung

s j s j sk k k kk

q

kk q

n

− − − + − == = +

∏ ∏σ ω σ ω σ2 2 2 21 2 1

0 (13-11)

zerlegen. Liegt ein asymptotisch stabiles System vor, so ist die notwendige Bedingung

Page 94: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 86 - Dr. Jörg Wollnack

∀ ∈ <k n k , , 1 0 σ ⇒ ∀ ∈ = −k n k k , , 1 σ σ (13-12)

erfüllt. Infolgedessen erhält man aus Gleichung (13-11):

s sk kk

q

kk q

n

+ + + == = +

∏ ∏σ ω σ2

2

22

1 2 1

0 . (13-13)

Multipliziert man diese Produktdarstellung aus, so erhält man für die Koeffizienten ai dercharakteristischen Gleichung nur positive, von null verschiedene Werte:

⇒ ∀ ∈ >i n ai ,2, , 1 0 . (13-14)

Aufgrund der logischen Schlußrichtung ist die Bedingung notwendig.

Sie ist nicht hinreichend, wenn man ein Beispiel findet, daß der Bedingung widerspricht. Gehtman hierzu von dem charakteristischen Polynom

P s s s s s j s j s( ) = + + + = − + − − − − =3 22 2 40 1 3 1 3 4 0 (13-15)

aus, so ist daß System instabil, obwohl die Vorzeichenbedingung erfüllt ist. Damit ist die Vor-zeichenbedingung notwendig aber nicht hinreichend.

13.2.2 Kurwitz-Kriterium

Ein Polynom

P s a s a s s aii

i

n

n ii

n

n( ) ,= = − >= =∑ ∏

0 1

0 (13-16)

heißt Hurwitz Polynom, wenn sämtliche Wurzeln ∀ ∈i n si ,2, , 1 einen negativen Realteilaufweisen. Ein lineares, zeitinvariantes System ist wegen der Stabilitätsbedingungen inSatz 13-1 genau dann asymptotisch stabil, wenn sein charakteristisches Polynom ein HurwitzPolynom ist. Das von Hurwitz 1895 aufgestellte Stabilitätskriterium weist einen notwendigenund hinreichenden Satz von Bedingungen für die Koeffizienten des Hurwitz-Polynoms aus:

Satz 13-2: Hurwitz PolynomEin Polynom P(s) ist dann und nur dann ein Hurwitz-Polynom, wennfolgende 3 Bedingungen erfüllt sind:

1. sämtliche Koeffizienten ai von P(s) sind von null verschieden,2. sämtliche Koeffizienten ai haben ein positives Vorzeichen und3. für die n Determinanten Di gilt

D an1 1 0= >−

Da a

a an n

n n2

1

3 2

0= >−

− −

D

a a

a a a

a a a

n n

n n n

n n n

3

1

3 2 1

5 4 3

0

0= >−

− − −

− − −

Page 95: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 87 - Dr. Jörg Wollnack

D

a a

a a

a

n

n n

n n−

− −= >1

1

3 2

1

0

0 0

0

.

D a Dn n= >−0 1 0 .

Das Matrixschema

a a

a a a a

a a a a

a a a a

a

n n

n n n n

n n n n

n n n n

− − −

− − − −

− − − −

1

3 2 1

5 4 3 1

7 6 5 4

1

0 0 0

0

0

0

0 0 0 0

(13-17)

kann zur Aufstellung der Determinanten herangezogen werden. Die Matrix (13-17) ist da-durch gekennzeichnet, daß in der Hauptdiagonalen die Koeffizienten a a an n n v− − −1 2, , , ,v n∈ ,2, , 1 stehen und in den Zeilen die Indizes der Koeffizienten von links nach rechtsaufsteigen. Koeffizienten, deren Indizes kleiner 1 oder größer n sind, werden mit null belegt.Die Auswertung der Determinanten D1 bis Dn-1 zusammen mit der letzten Determinante ergibtdas Hurwitz-Kriterium in Satz 13-2.

Das Hurwitz-Kriterium kann neben der numerischen Anwendung auch analytisch genutztwerden, indem man die frei wählbaren Parameter durch die Ungleichungsbedingungen derebenfalls analytisch berechneten Determinanten festlegt.

13.2.3 Routh-Kriterium

Eine numerische Überprüfung der Stabilität eines Systems kann nach dem von Routh 1877entwickelten Verfahren vollzogen werden. Das Routh-Kriterium lautet:

Satz 13-3: Routh-KriteriumEin Polynom P(s) ist dann und nur dann ein Hurwitz-Polynom, wennfolgende 3 Bedingungen erfüllt sind:

1. sämtliche Koeffizienten ai von P(s) sind von null verschieden,2. sämtliche Koeffizienten ai haben ein positives Vorzeichen und3. sämtliche Koeffizienten bn-1 , cn-1 usw. in der ersten Spalte des

Routh-Schemas sind positiv:

Page 96: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 88 - Dr. Jörg Wollnack

n

n

n

n

a a a a

a a a a

b b b b

c c c c

d d

e e

f

g

n n n n

n n n n

n n n n

n n n n

n n

n n

n

n

−−−

− − −

− − − −

− − − −

− − − −

− −

− −

1

2

3

3

2

1

0

0

0

0

0

0

0

2 4 6

1 3 5 7

1 2 3 4

1 2 3 4

1 3

1 2

1

1

Die Koeffizienten bk in der dritten Zeile ergeben sich aus demKreuzprodukt der ersten beiden Zeilen:

ba a a a

ann n n n

n−

− − −

= −1

1 2 3

1

ba a a a

ann n n n

n−

− − −

= −2

1 4 5

1

ba a a a

an in n i n n i

n−

− − − −

=−1 2 2 1)

1

(

und die Koeffizienten ck in der vierten Zeile ergeben sichanalog zu:

cb a a a

bnn n n n

n−

− − − −

= −1

1 3 1 2

1

cb a a b

bnn n n n

n−

− − − −

= −2

1 5 1 3

1

cb a a a

bn in n i n n i

n−

− − + − − −

=−1 2 1) 1 1)

1

( ( .

Aus diesen zwei gewonnen Zeilen werden in gleicher Weiseweitere Zeilen gebildet, so daß man in den letzten beidenZeilen die Koeffizienten

fe d d e

enn n n n

n−

− − − −

= −1

1 2 1 2

1

bzw.

g en n− −=1 2

erhält.

Instabilität liegt bereits dann vor, wenn ein negativer oder verschwindender Wert auftritt. Ausdiesem Gunde braucht man das Routh-Schema nur bis zu dem Auftreten eines verschwin-denen oder negativen Werts aufbauen. Das Routh-Kriterium ist äquivalent zum Hurwitz-Determinanten-Kriterium in Satz 13-2, da die Koeffizienten b cn n− −1 1, der ersten Spalte desRouth-Schemas identisch mit dem Quotienten aufeinanderfolgender Hurwitz-Determinantensind.

Page 97: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 89 - Dr. Jörg Wollnack

13.3 Nyquist-Kriterium

Das Nyquist-Kriterium wurde 1932 ursprünglich für Stabilitätsprobleme rückgekoppelterVerstärker entwickelt. Es ist jedoch auch speziell für regelungstechnische Probleme geeignet.

In der Praxis macht man häufig die Erfahrung, daß man beim Bau eines Verstärkers einen Os-zillator und beim Bau eines Oszillators einen Verstärker erhält. Dieser Sachverhalt erscheintzunächst irreführend. Im Zusammenhang mit dem Nyquist-Kriterium und der Oszillatorbe-dingung wird sich diese Erfahrung jedoch auch theoretisch als plausibel erweisen.

Mit dem Nyquist-Kriterium kann man von dem Übertragungsverhalten der offenen Regel-schleife (10-61) auf die Stabilität des geschlossenen Regelkreises schließen. Dabei ist es nichtzwingend, daß das Übertragungsverhalten in analytischer Form vorliegt. Eine Messung desÜbertragungsverhaltens G0(jω) und Darstellung in graphischer Form reicht für die Stabilitäts-analyse aus. Dieses Kriterium kann sowohl in der Ortskurvendarstellung als auch in der Fre-quenzkennlinien-Darstellung (Bode-Diagramm bzw. Betrags-/Phasen-Darstellung) ange-wandet werden, weshalb beide Darstellungsformen erörtert werden.

13.3.1 Vorüberlegungen zur Oszillatorbedingung (Grenzstabilität)

Bevor das Nyquist-Kriterium und hiermit in enger Beziehung stehende Kriterien diskutiertwerden, soll ein Gedankenexperiment die Bedeutung eines charakteristisches, kritischenPunktes in der Ortskurve illustrieren. Dieser Punkt tritt auch beim Nyquist-Kriterium in Er-scheinung. Geht man hierzu von einem offenen Regelkreis entsprechend Abbildung 13-2 undeiner harmonischen Erregung aus, so erhält man das Ausgangssignal der offenen Schleife imeingeschwungenen Zustand zu:

X j x e e G j w e ej t j j t jx w

0 0 0a a0a( ) ( ) ω ωω ϕ ω ϕ= = − . (13-18)

G R( )s G S( )sW s( )

R eg lerS inus-

G enra tor

S cha lte r

R ege l-s trecke

X o e( )s X o a( )s

Y s( )

Abb. 13-2: Oszillatorbedingung (Erregung)

Sucht man nun eine Frequenz ωos bei der das Ausgangssignal der offenen Schleife hinsicht-lich Betrag und Phase identisch mit dem Erregersignal ist, so muß gelten:

X j

w e eG j jj t j w

00 1 0a os

osos

( )

( )ω ωω ϕ = − = + . (13-19)

Betätigt man nun den idealen Schalter, so wird in der Schaltzeit null sowohl die Erregungvom Eingang getrennt als auch das Signal der offenen Schleife auf die Additionsstelle ge-schaltet und man erhält des Zustand in Abbildung 13-3.

Page 98: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 90 - Dr. Jörg Wollnack

G R( )s G S( )s

W s( )R eg ler

S inus-G enra tor

S cha lte r

R ege l-s trecke

X o e( )s X o a( )s

Y s( )

Abb. 13-3: Oszillatorbedingung (Oszillation)

Damit liegt am Eingang das Signal, welches Ursache für das Ausgangssignal war (Kau-salität). Infolgedessen muß daß System weiter mit dieser harmonischen Frequenz oszillieren.

13.3.2 Oszillatorbedingung und -1-Punkt der Ortskurve

Mit den Vorüberlegungen des vorherigen Kapitels kann man die Oszillatorbedingung

G j j0 1 0( )ωos = − + bzw.

G j G j k k0 00 01 180 360 0 1( ) arg ( ) , , ,2, ω ωos os= ∧ = ± ∈ oder

A G j k kG00 180 360 0 10

0 0dB os= ∧ = ± ∈arg ( ) , , ,2, ω . (13-20)

einer offenen Regelschleife notieren. In der Ortskurvendarstellung in Abbildung 13-4 ist die-ser charakteristische -1-Punkt offensichtlich für eine stabile Oszillation der geschlossenenRegelschleife charakteristisch.

R e ( )G j0

Im ( )G j0

ϕ3 0 0

6 0 01 2 0 0

1 5 0 0

1 8 0 0

2 1 0 0

2 4 0 0

2 7 0 03 0 0 0

3 3 0 0f / H z

1 2

Abb. 13-4: Ortskurve des offenen Regelkreises und Oszillatorbedingung

Da für die stabile Oszillation der Realteil der Übertragungsfunktion der offenen Regelschleifedie Gleichung

Real osG j0 1( )ω = − (13-21)

und der Imaginärteil die Gleichung

Im osG j0 0( )ω = (13-22)

Page 99: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 91 - Dr. Jörg Wollnack

erfüllen muß, wird man bei geringen Abweichungen des Realteils von der –1-Bedingung ent-weder eine sich aufbauende oder abklingende Schwingung vorliegen haben (intuitive Argu-mentation):

Re ( )G j0

1

1

1

ωos

a) exponentiell abklingende Schwingung

b) stabile Schwingung

c) exponentiell aufbauende Schwingung

<=>

(13-23)

Die exakte Erfüllung der Oszillatorbedingung ist in der Praxis letztlich nicht zu verwirk-lichen, da bereits geringe Temperaturschwankungen das Übertragungsverhalten eines tech-nischen Systems beeinflussen. Die Oszillatorbedingung zeigt, daß der –1-Punkt eine kritischeStelle beschreibt, die erst mit dem Nyquist-Kriterium präzise abgehandelt werden kann.

13.3.3 Anwendungsbeispiel der Oszillatorbedingung (Stabilitätskarte einer Werkzeug-maschine)

Obwohl die Oszillatorbedingung streng genommen keine vernünftigen Aussagen über dasSystemverhalten macht, hat sie sich dennoch bei der Stabilitätsanalyse von Werkzeug-maschinen hinsichtlich der Ratterschwingungsproblematik und dem Entwurf von Oszillatorenbewährt. Am Beispiel des regenerativen Rattervorgangs einer Werkzeugmaschine soll diesillustriert werden:

Modellbildung

Der Schnittprozeß eines regenerativen Rattervorgangs einer Werkzeugmaschine wird ent-sprechend Abbildung 13-5 durch ein Masse-Feder-Dämpfungssystem charakterisiert. Diegerichteten Prozeßkräfte Fx bewirken eine Positionsveränderungen ∆x des Schneidwerk-zeuges und damit eine Modulation der Schneidkontur.

m

k

d

F

Ft 1

t 3

t2

t4

F

Fx

Abb. 13-5: Modell regenerativer Rattervorgang

Die Prozeßmodellierung eines spanenden Arbeitsvorgangs geht davon aus, daß das Werkzeugbei der i-ten Umdrehung einen Span der Tiefe h(t) abhebt. Nach der Totzeit Tt greift das

Page 100: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 92 - Dr. Jörg Wollnack

Werkzeug erneut in die bereits bearbeitete Kontur des Werkstücks ein und nimmt erneuteinen Span der Tiefe h(t+Tt) ab (siehe Abbildung 13-6). Diese drehzahl- und schneidenzahl-abhängige Totzeit Tt ist für den Regenerativeffekt charakteristisch. Sie definiert die Zeit, diezwischen dem Aufschneiden einer Oberflächenwelle und dem erneuten Einschneiden in dieseWelle vergeht.

i-ter Messereingriff

(i+1)-ter Messer-eingriff

n := Umdrehungen/minz:= Anzahl der Messer

Abb. 13-6: Schema des Spanprozesses bei einer Schneidenzahl 2

Da man im allgemeinen mit einem Vorschub des Werkzeugs zu rechnen hat, wird das Werk-zeug nicht mit voller Breite wieder in die Kontur einschneiden. Hierzu läßt sich ein Über-deckungsfaktor heranziehen, der diesen Sachverhalt im Sinne einer linearen Kraftreduktionzum Ausdruck bringt. Der Überdeckungsfaktor gibt dabei den Grad der Überdeckung zweieraufeinanderfolgender Schnitte an (siehe Abbildung 13-7).

Schnitt (i)

Schnitt (i+1)

Überdeckung

Abb. 13-7: Überdeckungsgrad zweier aufeinander folgender Schnitte

Um zu einen regelungstechnischen Blockschaltbild des Prozesses zu kommen, wird dieKienzle-Formel1

F k b h x c f px xmx= ⋅ ⋅ ∈−

1 11

.( ) , , , (13-24)

herangezogen, die den Zusammenhang zwischen Prozeßkräften Fx, Spantiefe h und –breite büber eine empirische Formel definiert.

Die Idee der Prozeßmodellierung geht von einer stationären Spantiefe bzw. Werkzeugpositionaus, die durch Inhomogenitäten im Werkstückmaterial und die endliche dynamische Steifig-keit um diesen Arbeitspunkt bzw. stationären Wert schwankt. Für hinreichend kleine Werte-änderungen läßt sich eine lineare Näherung über eine Taylor-Reihe 1. Ordnung

F k b h k b m h h hx xm

x xx

mx= ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅ − ⋅ ⋅ −− −

1 1 1 1 1.(1 )

. ( ) ( )stationär stationär stationär (13-25)

entwickeln, so daß man für die Prozeßkräfte einen stationären und dynamischen Anteil in derArt

F k b h

F k b m h h

xm

x xm

x

x

stationär stationär

stationär

= ⋅ ⋅

= ⋅ ⋅ − ⋅ ⋅

1 1

1 1 1

.(1 )

. ( )∆ ∆(13-26)

1 b gibt hier die Spanbreite und nicht die Spantiefe an.

Page 101: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 93 - Dr. Jörg Wollnack

erhält. Für den dynamischen Anteil läßt sich dann ein Proportionalitätsgesetz

∆ ∆ ∆F k b h h x= ⋅ ⋅ =cb dmit, (13-27)

ableiten, worin kcb als die spezifische dynamische Schnittsteifigkeit bezeichnet wird. Es läßtsich somit ein linearer Zusammenhang zwischen der Kraft- und Werkzeugpositionmotivieren.

Das Übertagungsverhalten Gg(jω) in Abbildung 13-8 der Werkzeugmaschine wird als gerich-teter Nachgiebigkeitsfrequenzgang bezeichnet. Dieser Frequenzgang charakterisiert dendynamischen Einfluß von Kräften auf die Werkzeugposition. Er wird wegen der Komplexitätdes Systems in der Regel empirisch ermittelt. Hierzu verwendet man ein elektrodynamischenKrafteinleitungssystem (Shaker) und eines Positionssensors, so daß man die Kraft-Positions-Ortskurve bzw. den Nachgiebigkeitsfrequenzgang per Messung bestimmen kann.

R e ( )G j0

Im ( )G j0

ϕ3 0 0

6 0 01 2 0 0

1 5 0 0

1 8 0 0

2 1 0 0

2 4 0 0

2 7 0 03 0 0 0

3 3 0 0f / H z

( m /N )µ

( m /N )µ 0 ,0 1 0 ,02 0 ,0 3 0 ,0 4 0 ,05 0 ,0 6

bk G j

G jcr

cb g r

g rMin

für= −⋅ ⋅

<1

20

Re ( )Re ( )

ωω

Abb. 13-8: Ortskurve des Nachgiebigkeitsfrequenzganges

µT tk cbb

G jg( )

F x

S ch n ittp ro zeß

M a sch in e

-

-

Abb. 13-9: Regelungstechnisches Blockschaltbild des regenerativer Rattervorgangs

Da die Totzeit Tt, der Überdeckungsfaktor µ und die Kienzle-Formeln (13-27) den Einfluß derSpantiefe auf die Prozeßkräfte definieren, muß der Schnittprozeß im Rückkoppelungspfad desgerichteten Nachgiebigkeitsfrequenzgangs angesiedelt sein. Damit erhält man für das

Page 102: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 94 - Dr. Jörg Wollnack

regelungstechnische Modell des Schnittprozesses einer Werkzeugmaschine das in Abbil-dung 13-9 gezeigte Blockschaltbild.

• Stabilitätsanalyse

Die Übertragungsfunktion der offenen Regelschleife ergibt sich daher zu:

G s b k G s e sT

s j0 1( ) ( )= ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ −−

=cb gt

r

µω

, mit ω ωr os≡ 2. (13-28)

Mit Hilfe der Euleridentität

e T j Tj T− = −ω ω ωr t

r t r tcos( ) sin( ) (13-29)

erhält man für µ = 1 weiter:

G j

G jb k T j T0 1

( )

( )cos( ) sin( )

ωω

ω ωr

g rcb r t r t= ⋅ ⋅ − −

⇒ = ⋅ ⋅ + ⋅ − −G j b k G j j G j T j T0 1( ) Re ( ) Im ( ) cos( ) sin( )ω ω ω ω ωr cb g r g r r t r t a jb c jd ac bd j ad bc+ ⋅ + = − + + ⇒ = ⋅ ⋅ ⋅ − + ⋅Re ( ) Re ( ) cos( ) Im ( ) sin( )G j b k G j T G j T0 1ω ω ω ω ωr cb g r r t g r r t Im ( ) Re ( ) sin( ) Im ( ) cos( )G j b k G j T G j T0 1ω ω ω ω ωr cb g r r t g r r t = ⋅ ⋅ − ⋅ + ⋅ − .

(13-30)

Existiert eine harmonische Schwingung der Frequenz fr nach Fall a) bis c) in (13-23), so ver-schwindet der Imaginärteil der Übertragungsfunktion der offenen Regelschleife, so daß mandie notwendige Bedingung

Im ( ) cos( ) Re ( ) sin( )G j T G j Tg r r t g r r tω ω ω ω ⋅ − = ⋅1

⇒ =−

Im ( )

Re ( )

sin( )

cos( )

G j

G j

T

Tg r

g r

r t

r t

ω

ωω

ω 1

(13-31)

erhält und da tan /cos

sinα α

α2

1 = − ist, ergibt sich weiter:

tanRe ( )

Im ( )arctan ( ) arctan ( )

ω ω

ωr t g r

g r

= − ∠ − = − ∠T G j

G jx x

2

ω πω

ωr t g r

g r

⋅ ± ⋅ = − ∠

∈Tm

G j

G jm

20 1arctan

Re ( )

Im ( ), , ,2,

. (13-32)

Die Totzeit beschreibt die Zeitspanne zwischen dem Aufschneiden einer Oberflächenwelleund dem erneuten einschneiden in diese Welle:

Tz f

fs

ntn

n= ⋅ = ⋅1 1 1

60,

/ minmit . (13-33)

Damit ergibt sich für die Drehzahl:

2 Der Index r steht hier für rattern.

Page 103: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 95 - Dr. Jörg Wollnack

ns

z

f

G j

G jm

= − ⋅

⋅ ∠

±

≥60

10

/ min

arctanRe ( )

Im ( )

r

g r

g rπωω

. (13-34)

Die obige Gleichung gibt für die Frequenz fr eine Reihe von diskreten Maschinendrehzahlenan, bei denen die Maschine mit der Frequenz fr rattert, sofern das Realteilkriterium a) in (13-23) nicht erfüllt ist. Hierbei kommen nur positive Lösungen der Drehzahl in betracht, weileine Drehrichtungsänderung bei einem spanbildenden Prozeß physikalisch keinen Sinn hat.

Das Realteilkriterium der Oszillatorbedingung lehrt, daß Stabilität vorliegt, wenn

Re ( )G j0 1ωr < (13-35)

ist. Nutzt man die Beziehung, die sich aus dem Imaginärteilkriterium ergab, so erhält man mit

Im ( ) Re ( )sin( )

cos( )G j G j

T

Tg r g rr t

r t

ω ω ωω = ⋅

−1(13-36)

aus

Re ( ) Re ( ) cos( ) Im ( ) sin( )G j k b G j T G j T0 1ω ω ω ω ωr cb g r r t g r r t = ⋅ ⋅ ⋅ − + ⋅

= ⋅ ⋅ ⋅ − + ⋅−

k b G j T G jT

Tcb g r r t g rr t

r t

Re ( ) cos( ) Re ( )sin ( )

cos( )ω ω ω ω

ω 11

2

= ⋅ ⋅ ⋅ − +−

k b G j TT

Tcb g r r tr t

r t

Re ( ) cos( )sin ( )

cos( )ω ω ω

ω 11

2

(13-37)

mit

cossin

cos

cos (cos ) sin

cos

cos sin cos

cos

cos sin

xx

x

x x x

x

x x x

x

x x

+−

− = − +−

− = + −−

+ =

2 2 2 2

2 2

11

1

11

11

1trigonometrischer Phytagoras:

⇒ = −−

− = −1

11 2

cos

cos

x

x(13-38)

Sodann erhält man für die Stabilitätsanalyse die Ungleichung:

Re ( ) Re ( )G j k b G j0 2 1ω ωr cb g r = − ⋅ ⋅ ⋅ < . (13-39).

Der freie Parameter ist hierbei die Spantiefe b, so daß man aufgrund der Eigenschaften derOrdnungsrelation

a b k

a ba b

k a k b k

k a k b k

, , ∈∀ > ⇒ <

⇒ ⋅ > ⋅ >⇒ ⋅ < ⋅ <

1 1

0

0

für

für

(13-40)

die Bedingung

bk G j

k G j> −⋅ ⋅

⋅ >1

20

cb g r

cb g rfürRe ( )

Re ( )ω

ω

bk G j

k G j< −⋅ ⋅

⋅ <1

20

cb g r

cb g rfürRe ( )

Re ( )ω

ω

(13-41)

Page 104: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 96 - Dr. Jörg Wollnack

erhält. Die Spanungstiefe b muß aus physikalischen Gründen einen positiven Wert ergebenund die gerichtete dynamische Schnittsteifigkeit kcb des Prozesses ist stets positiv. Infolge-dessen gilt es nur die Ungleichung für einen negativen Realteil der Ortskurve Gg(.) zu unter-suchen, da die Ungleichung für positive Werte des Realteils der Ortskurve als untereSchranke einen negativen Zahlenwert angibt und damit jede physikalisch mögliche positiveSpantiefe die Stabilitätsbedingung erfüllt.

Für einen stabilen Zerspanungsprozeß muß also gelten, daß die Spanungstiefe die Unglei-chung

01

20≤ < −

⋅ ⋅<b

k G jG j

cb g r

g rfürRe ( )

Re ( )ω

ω

(13-42)

erfüllt. Ist die Stabilität im gesamten Drehzahlbereich gefordert, so muß die stets positiveSpantiefe die Bedingung

bk G j

G jx x

x xcr

cb g r

g rMin fürMin Max

Min Max< −

⋅ ⋅

<=

− = −1

20

1 1

Re ( )Re ( )

/ /

ωω

(13-43)

bzw.

01

20≤ < −

⋅ ⋅<b

k G jG jcr

cb g r

g rMin

fürRe ( )

Re ( )ω

ω

(13-44)

erfüllen. Für eine bestimmte Drehzahl läßt sich eine drehzahlabhängige kritische Grenz-spantiefe

bk G j

G jcr

cb g r

g rfür= −⋅ ⋅

<1

20

Re ( )Re ( )

ωω

(13-45)

angeben, von der auf an das System zu rattern beginnt.

• Stabilitätskarte

Die Stabilitätskarte einer Werkzeugmaschine berechnet sich über die Gleichungen

ns f

z G j

G jm

g r

g r

= − ⋅ ⋅

±

≥60 1

10

/ min

arctanRe ( )

Im ( )

r

πωω

(13-46.1)

mit arctanarctan( / )

arctan( / )∠ =

≥+ <

a

b

a b b

a b b

für

für

0

0π(13-46.2)

und m ∈ ∞0 1, , , (13-46.3)

bk G j

G jr

rcr

cb g

gfür= − <1

20

Re ( )Re ( )

ωω

(13-47),

in dem man für die Folge der Parameter m = 0,1,2,3,..... für die in fr parametrisierte Kurve dieZuordnung

b f nf f constcr

r=

= =( )

.(13-48)

über die Gleichungen (13-46.1) und (13-47) ermittelt.

Page 105: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 97 - Dr. Jörg Wollnack

Vorgehensweise:

1. Wähle m = 0,1,2,3,5,...

2. Bestimme, unter der Bedingung eines negativen Realteils der Über-tragungsfunktion, für verschiedene Frequenzen fr, mit 0 ≤ ≤ ∞fr , den Real-und Imaginärteil der Übertragungsfunktion Gg(.) aus der Ortskurve.

3. Berechne die normierte Drehzahl z n f m⋅ ( , )r über die Gleichung (13-46.1).Dabei sind nur positive Lösungen von n sinnvoll, weil eine negative Lösungeine Drehrichtungsänderung beschreibt, die bei einem Zerspanungsprozeßnicht sinnvoll ist.

4. Berechne die kritische Grenzspantiefe bcr(s fr).

5. Zeichne den Graphen der Zuordnung z n f m b⋅ →( , )r cr der in m und fr para-metrisierten Kurve, die dann die Stabilitätskarte entsprechend Abbildung 13-10 darstellt.

a bso lu t s tab ile rD re h za h lb ere ich

in -s tab il

s tab il

S tab ili-tä ts ran d

L eis tu n g sg re nz e

f rm = 1m = 2

ü b lich e D re h o p e ra tio ne n m < 5ü b lich e F rä so p era tio n en m > 5

m = 3

m = 4m = 5

m = 6

D reh za h l * S c h n e id e n zah l ; n z / m in -1

b c r / m m

Gre

nzsp

anun

gs-

tiefe

Abb. 13-10: Stabilitätskarte einer Werkzeugmaschine

Aus der Stabilitätskarte läßt sich für jede normierte Drehzahl n z die Grenzspanungstiefe bcr

ermitteln. Unterhalb dieser Grenzspanungstiefe ist ein stabiler Betrieb des Spanprozesses ge-währleistet. Die einem Koordinatenpaar (bcr , n z) zugeordnete Frequenz fr gibt zugleich dieRatterfrequenz des Systems an. Übliche Drehoperationen mit einer kleinen Schneidenzahlliegen in einem normierten Drehzahlbereich von m ≥ 5. Hingegen bei typischen Fräsprozes-sen mit einer relativ großen Schneidenzahl liegen die normierten Drehzahlen, bei denen dieSchwingbedingung erfüllt ist, in einem Bereich von m ≤ 5.

Wesentlich für den regenerativen Rattereffekt sind die stochastischen Schwankungen derSchnittkräfte, die relativ breitbandig den Prozeß anregen und somit Modulationen auf derWerkstückoberfläche hinterlassen. Diese Modulationen sind aufgrund der Eigenresonanzender Werkzeugmaschine besonders für diese Resonanzfrequenzen ausgeprägt, so daß beimwiederholten Einschneiden in die Oberflächenwelle eine dynamische Anregung mit geradediesen Resonanzfrequenzen erfolgt, weshalb auch im unterkritischen Betrieb wellige Struk-turen auf den Werkstückoberflächen entstehen können. Eine Erhöhung der Systemdämpfungund damit eine Reduzierung der welligen Oberflächenstrukturen kann man sowohl durch eineVerringerung der Spantiefe als auch Erhöhung bzw. Erniedrigung der Drehzahl erreichen. DieRichtung der Drehzahlveränderung ist abhängig von der Lage des Spanprozesses innerhalbder Stabilitätskarte, wie sich leicht aus der Abbildung 13-10 ersehen läßt.

Page 106: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 98 - Dr. Jörg Wollnack

13.3.4 Nyquist-Kriterium in Ortskurvendarstellung

13.3.4.1 Allgemeines Nyquist-Kriterium

Zur Herleitung des Nyquist-Kriteriums geht man von einer gebrochen rationalen Übertra-gungsfunktion

G sZ s

N s00

0

( )( )

( )= (13-49.1)

der offenen Regelkreises (10-61) ohne Vorzeichenumkehr mit teilerfremden Polynomen

N s0 ( ) und Z s0 ( ) (13-49.2)

sowie der Grad-Relation der Zähler- und Nennerpolynome entsprechend

Grad GradZ s N s m n0 0( ) ( ) ≤ ≡ ≤ (13-49.3)

aus.

Die Pole βi des offenen Regelkreises sind die Wurzeln der Gleichung

N s0 0( ) = . (13-50)

Da für die Stabilitätsanalyse des geschlossenen Regelkreises die Pole αi der charakteris-tischen Gleichung maßgeblich sind, ist der Zusammenhang zwischen den Polen αi und βi überdie Gleichung

1 000

0

0 0

0 0

+ = + = + = =G sZ s

N s

N s Z s

N s

N s

N s( )

( )

( )

( ) ( )

( )

( )

( )g (13-51)

von Interesse. Betrachtet man diese Gleichung, so wird deutlich, daß einerseits die Nullstellenvon Ng(s) zugleich die Pole der charakteristischen Gleichung sind. Somit gilt:

N s N s Z sg ( ) ( ) ( )= + =0 0 0 . (13-52)

Da der Grad des Zählerpolynoms kleiner oder gleich dem Grad des Nennerpolynoms ist, mußder Grad von Ng(s) gleich n sein, so daß ferner gilt:

Grad gN s n( ) = . (13-53)

Andererseits sind aber auch die Pole der Übertragungsfunktion der offenen Regelschleife zu-gleich Polstellen des geschlossenen Regelkreises. Infolgedessen kann man folgende äqui-valent Darstellung

′ = + = ′−

=

=

∏G s G s k

s

s

ii

n

ii

n( ) ( )1 0 01

1

α

β

, mit

α i ≡ Pole der Übertragungsfunktion des geschlossenen Regelkreises und

β i ≡ Pole des Übertragungsfunktion der offenen Regelschleife (13-54)

für die charakteristische Gleichung wählen.

Page 107: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 99 - Dr. Jörg Wollnack

Geht man von einer Pollage entsprechend Abbildung 13-11 aus, so gilt für den geschlossenenRegelkreis:

1. von n-Polen αi des geschlossenen Regelkreises liegenN in der rechten s-Halbebene,v auf der imaginären Achse und(n-N-v) in der linken s-Halbebene.

2. von den n-Polen βi des offenen Regelkreises liegenP in der rechten s-Halbebene,µ auf der imaginären Achse und(n-P-µ) in der linken s-Halbebene.

s -E b e n ej

o ffen e r R eg e lk re is

n P µ- - Pµ

j

g esc h lo ssen e r R e g e lk re isn N v- -

Nv

Abb. 13-11: Pole des offenen und geschlossenen Regelkreises

Hierbei sind P und µ des offenen Regelkreises bekannt, so daß man vor der Aufgabe steht, Nund v aus dem ebenfalls bekannten Verlauf der Ortskurve G0(jω) zu bestimmen. Hierzu bildetman für s j→ ω den Frequenzgang:

′ = + =G j G jN j

N j( ) ( )

( )

( )ω ω

ωω

1 00

g . (13-55)

Für dessen Phasengang gilt:

ϕ ω ω ω ω( ) arg ( ) arg ( ) arg ( )= ′ = −G j N j N j g 0 . (13-56)

Durchläuft ω den Bereich 0 ≤ ≤ ∞ω , so gilt für die Phasenänderung

∆ ∆ ∆ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ= ∞ − = −( ) ( )0 g 0 . (13-57)

Jede Wurzel des Polynoms N jg ( )ω bzw. N j0 ( )ω liefert zu ∆ϕ g bzw. ∆ϕ 0 einen Beitrag von

π 2 , wenn sie in der linken s-Halbebene liegt und von −π 2, wenn die in der rechten s-Halb-ebene liegt. Die Phasenänderung ist stetig. Jede Wurzel jδ δ, > 0 auf der Imaginärachsebewirkt eine sprungförmige Phasenänderung beim Durchlauf von jω durch jδ . Dieser un-stetige Phasenanteil kann unberücksichtigt bleiben. Infolgedessen erhält man den stetigenPhasenanteil zu:

∆ϕ π µ πS = − − − − − − −n N v N n P P 2 2

= − − − − −n N v n P2 2 2 2 π µ π= − + −2 2P N v µ π . (13-58)

Ist außer P und µ auch die stetige Phasenänderung ∆ϕ S bekannt, so kann man aus (12-200)bestimmen, ob N > 0 oder/und v > 0 ist. Damit ist die Anzahl der Pole des geschlossenenRegelkreises in der rechten s-Halbebene und auf der Imaginärachse bekannt.

Page 108: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 100 - Dr. Jörg Wollnack

Der stetige Phasenverlauf kann aus dem Graphen der Ortskurve (12-197) bestimmt werden.Zweckmäßigerweise verschiebt man diese Kurve um den Wert 1 nach links in Richtung deskritischen Punkt und verlegt damit den Drehpunkts des Vektors vom Koordinatenursprung inden kritischen Punkt (-1 , j0) (siehe Abbildung 13-12). Dies hat zur Folge, daß man mit derOrtskurve des offenen Regelkreises die Stabilität des geschlossenen Regelkreises überprüfenkann. Dabei gibt ∆ϕ S die stetige Winkeländerung des Fahrstrahls vom kritischen Punkt zumlaufenden Punkt der Ortskurve des offenen Regelkreises an. Läuft nun diese Ortskurve durchden kritischen Punkt oder besitzt sie Unendlichkeitsstellen, so entsprechen diese Punkte denNullstellen bzw. Polstellen auf der imaginären Achse der Übertragungsfunktion des Nenner-polynoms der charakteristischen Gleichung. Deren Größe ist aus der Ortskurve jedoch nichteindeutig bestimmbar.

R e ( )G ’ j0

j G ’ j Im ( )0

G ’-E b e n e

= 0

= 00

1+(

)

Gj0

R e ( )G j0

j G j Im ( )0

G 0-E b e n e

= 00 = 0

1+(

)

Gj0

G j0( )

Abb. 13-12: Ortskurven G‘(jω) und G0(jω) zum Nyquist-Kriterium

Zusammenfassend gilt:

Durchläuft ω den Bereich 0 ≤ ≤ ∞ω , dann beträgt die stetige Winkeländerung ∆ϕ S des Fahr-

strahls vom kritischen Punkt (-1 , j0) zum laufenden Punkt der Ortskurve G0(jω) des offenenRegelkreises ∆ϕ µ πS = − + −2 2P N v . Hierbei geben die ganzzahligen Größen P, N, µund v die Anzahl der Pole der offenen Regelschleife nach Abbildung 13-11 an. Der geschlos-sene Regelkreis ist wegen ∆ϕ µ πS = − + −2 2P N v genau dann asymptotisch stabil,wenn N = v = 0 ist .

Hieraus folgt die allgemeine Fassung des Nyquist-Kriteriums zu:

Satz 13-4: Allgemeines Nyquist-KriteriumDer geschlossene Regelkreis ist dann und nur dann asymptotischstabil, wenn die stetige Winkeländerung ∆ϕ S des Fahrstrahls vom kri-

tischen Punkt (-1 , j0) zum laufenden Punkt der Ortskurve von G0(jω)des offenen Regelkreises der Gleichung ∆ϕ π µ πS = +P 2 genügt.

Bemerkung: Das Nyquist-Kriterium gilt auch für Totzeitsysteme. Auf ein Beweis wird ver-zichtet.

Page 109: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 101 - Dr. Jörg Wollnack

13.3.4.2 Spezielle Nyquist-Kriterien (vereinfachte Formen)

Geht man von einer stabilen offenen Regelschleife aus, so ist P = 0 und µ = 0. In diesem Fallerhält man ∆ϕ π µ πS = + =P 2 0. Damit kann man das Nyquist-Kriterium vereinfacht zuformulieren:

Satz 13-5: Spezielles Nyquist-KriteriumIst der offene Regelkreis asymptotisch stabil, so ist der geschlosseneRegelkreis genau dann asymptotisch stabil, wenn die OrtskurveG0(jω) des offenen Regelkreises den kritischen (-1 , j0)-Punkt wederumkreist noch durchdringt.

oder

Satz 13-6: Spezielles Nyquist-KriteriumBesitzt der offene Regelkreis nur Pole in der linken s-Halbebene,außer einem 1- oder 2-fachen Pol bei s = 0, so ist der geschlossene Re-gelkreis genau dann asymptotisch stabil, wenn der kritische (-1 , j0)-Punkt in Richtung wachsender ω-Werte links von der Ortskur-ve G0(jω) liegt.

Die vereinfachten Fassungen des Nyquist-Kriteriums lassen sich in der Praxis häufig nutzen.Hierbei ist der Bereich der Ortskurve maßgeblich, der dem kritischen Punkt am nächstenliegt. Diesen Sachverhalt konnte man bereits bei der Entwicklung der Oszillatorbe-dingung (13-20) vermuten. Bei komplizierten Ortskurvenverläufen ist jedoch die allgemeineFassung des Nyquist-Kriteriums nach Satz 13-4 vorzuziehen.

Page 110: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 102 - Dr. Jörg Wollnack

13.3.4.3 Anwendungsbeispiele

13.3.4.3.1 Systeme mit Polfreiheit auf der Imaginärachse

Zum anschaulichen Verständis des Nyquist-Kriteriums im folgenden einige Anwendungsbei-spiele. Die Ortskurven in Abbildung 13-13 zeigen Systeme, die keine Pole auf der Imaginär-achse besitzen. Diese Ortskurven beginnen bei ω = 0 auf der reellen Achse und enden fürω → ∞ im Ursprung der komplexen G0-Ebene. Weshalb die Winkeländerung ein ganz-zahliges vielfaches von π sein muß.

a)

R e

j Im

= 00 = 0

G j0( )

P = 0µ = 0

∆ϕ S stabil= ⇒ = ⇒0 0N

b)

R e

j Im

G j0( )

= 00 = 0P = 0µ = 0

∆ϕ πS instabil= − ⇒ = ⇒2 2N

c)

R e

j Im

G j0( )

= 00 = 0P = 0µ = 0

∆ϕ S stabil= ⇒ = ⇒0 0N

d)

R e

j Im

= 00

G j0( )

= 0P = 2µ = 0

∆ϕ πS stabil= ⇒ = ⇒2 0N

Abb. 13-13: Ortskurven zum Nyquist-Kriterium

Geht die Ortskurve bei ωa = 0 durch den kritischen Punkt, so hat wegen 00+ =G j( )ωa der

geschlossene Regelkreis einen Pol auf der imaginären Achse bei s = jωa und s = -jωa. DieserFall tritt in den Beispielen nicht auf, weshalb v = 0 ist. Die Zahl der Pole läßt sich deshalbanhand von Gleichung (13-58) zu

N P= + −µ ϕ π2 ∆ S (13-59)

bestimmen.

Page 111: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 103 - Dr. Jörg Wollnack

Erhöht man in dem Beispiel a) die Verstärkung K0 des offenen Regelkreises, so kann dieOrtskurve den kritischen Punkt erreichen oder überschreiten. Damit geht das stabile Systemin ein instabiles System über. Dieser Fall zeigt das Beispiel b). Dabei ändert sich auch ∆ϕ S

von 0 nach -2π und da ferner N > 0 wird, ist der geschlossene Regelkreis instabil. Beispiel c)zeigt ein bedingt stabiles System, das jedoch sowohl bei einer Vergrößerung als auch einerVerkleinerung von K0 instabil wird. Ebenso ist auch der Fall d) ein bedingt stabiles System.

13.3.4.3.2 Systeme mit I-Verhalten

Für Pole auf der imaginären Achse sei der wichtige Spezialfall von Polen im Ursprung be-trachtet. Dieser Fall tritt bei einem I-Verhalten des offenen Regelkreises auf. Die Ab-bildung 13-14 zeigt die Ortskurven derartiger Systeme.

a)

R e

j Im

= 00

= 0

G j0( )

G sK

s Ts00

1( ) =

+ P = 0µ = 1

∆ϕ πS

stabil

= ⇒ =⇒

2 0N

b)

R e

j Im

= 00

= 0 G j0( )

G sK

s Ts00

2 1( ) =

+ P = 0µ = 2

∆ϕ πS

instabil

= − ⇒ =⇒

N 2

c)

R e

j Im

= 00

G j0( )

= 0

G sK

s Ts00

1( ) =

− + P = 1µ = 1

∆ϕ πS

instabil

= − ⇒ =⇒

2 2N

d)

R e

j Im

= 00

G j0( )

= 0

G s

K

s T s T s

0

0

1 21 1

( ) =

+ + ,

mit KT T

T T01 2

1 2

> +

P = 0µ = 1

∆ϕ πS

instabil

= − ⇒ =

3

22N

Abb. 13-14: Nyquist-Kriterium und Ortskurven mit I-Verhalten

Die Ortskurven beginnen für ω = 0 im Unendlichen und enden im Ursprung. Demzufolgemuß ∆ϕ S ein ganzzahliges Vielfaches von π/2 sein. Nach Gleichung (13-59) erhält man auchhier für N stets einen ganzzahligen Wert.

Page 112: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 104 - Dr. Jörg Wollnack

13.3.4.3.3 Systeme mit Totzeitverhalten

Das Nyquist-Kriterium kann, wie erwähnt, auch auf Totzeitsysteme angewendet werden.Hierzu sei ein einfacher Regelkreis in Abbildung 13-15 mit Totzeit betrachtet.

G KR R( )=s G S( )sW s( ) Y s( )

G sK e

T s

s T

SS

t

( ) =+

1

Abb. 13-15: Nyquist-Kriterium und Regelkreis mit Totzeit

Der offene Regelkreis dieses Systems ist stabil (P = 0, µ = 0), weshalb die Winkeländerungdes Fahrstrahls vom kritischen Punkt zur Ortskurve identisch gleich null ist.

Die Ortskurve des offenen Regelkreises hat wegen des Drehfaktors e s T− t unendlich vieleSchnittpunkte mit der reellen Achse. Die Lage des Schnittpunktes mit der niedrigsten Fre-quenz ist für die Stabilität maßgeblich, da zu höhere Frequenzen die Systemdämpfung denBetrag der Ortskurve entsprechend Abbildung 13-16 reduziert.

R e

j Im

= 00

G j0( )

1 = 02

34

Abb. 13-16: Ortskurve Regelkreis mit Totzeit

Liegt dieser Schnittpunkt links vom kritischen Punkt, so ist der geschlossene Regelkreis in-stabil und liegt er rechts, so ist er stabil. Für hinreichend kleine KR ist der Regelkreis somitstabil. Vergrößert man KR soweit, bis die Ortskurve den kritischen Punkt schneidet, so liegtein grenzstabiles Verhalten vor und der Regelkreis arbeitet an seiner Stabilitätsgrenze (Oszil-latorbedingung). Der Bereich von KR, bei dem das System stabil ist, ließe sich durch eineAnalyse der Übertragungsgleichung der offenen Regelschleife analysieren.

Page 113: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 105 - Dr. Jörg Wollnack

13.3.5 Das Nyquist-Kriterium in der Betrags- und Phasendarstellung (Betrags- undPhasenrand)

Die einfache Anwendung der Bode-Diagramme legt es nahe, das Nyquist-Kriterium auchhierauf zu übertragen. Hierbei muß man die stetige Winkeländerung des Phasenverlaufs ∆ϕ S

vom kritischen Punkt zur Ortskurve durch den Amplituden- und Phasengang ausdrücken.Diese Winkeländerung geht, wie man in Abbildung 13-17 ersehen kann, unmittelbar aus derAnzahl der Schnittpunkte der Ortskurve links vom kritischen Punkt mit der reellen Achsehervor (Bereich [-∝ , -1]). Damit läßt sich das Nyquist-Kriterium auch über die Anzahl derSchnittpunkte darstellen.

R e ( )G j0

j G j Im ( )0

G 0-E b e n e

G j0( )

= 00

- -+

S = 1S = 2

+

-

R e ( )G j0

j G j Im ( )0

G 0-E b e n e

G j0( )

= 00- +

S = 1S = 1

+

-

Abb. 13-17: Schnittpunkte der Ortskurve mit der reellen Achse links vom kritischen Punkt

Diese Schnittpunkte und das Nyquist-Kriteriums können infolgedessen im Bode-Diagrammdargestellt werden. Geht man hierzu davon aus, daß die Verstärkung des offenen Regelkreisespositiv ist, so betrachtet man für wachsende ω die positiven Schnittpunkte, die den Übergangvon der oberen in die untere Halbebene und die negativen Schnittpunkte, die dem Übergangvon der unteren in die obere Halbebene definieren. Aus dem Verlauf der Ortskurve läßt sichleicht erkennen, daß ∆ϕ S = 0 ist, wenn die Anzahl der positiven und negativen SchnittpunkteS+ und S- links vom kritischen Punkt gleich ist. Der stetige Phasengang hängt somit direkt mitder Differenz der Anzahl der positiven und negativen Schnittpunkte zusammen. Für den Fall,daß der offene Regelkreis keine Pole auf der Imaginärachse besitzt, gilt:

∆ϕ πS = −+ −2 S S . (13-60)

Bei einem offenen Regelkreis mit einem I-Anteil bzw. einem Pol im Ursprung der komplexenEbene (µ=1) beginnt die Ortskurve für ω = 0 bei δ − ∞j . Hierdurch entsteht ein zusätzlicherAnteil in der Phase von π 2 . Bei einem P- und I-Verhalten des offenen Regelkreises giltdeshalb:

∆ϕ π µ π µS = − + ∈+ −2 2 0 1S S , , . (13-61)

Diese Formel ist grundsätzlich auch für µ = 2 anwendbar. Jedoch beginnt die Ortskurve beiδ − ∞j . Man müßte dann diesen Punkt scheinbar als einen negativen Schnittpunkt zählen,falls δ > 0 ist. Tatsächlich ergibt sich aber für δ ≠ 0 kein Schnittpunkt, wie man bei einer

genaueren Untersuchung der unstetigen Winkeländerung an der Stelle ω = 0 erkennen würde.Da man jedoch lediglich die stetige Winkeländerung betrachtet, kann man den Beginn derOrtskurve im Ursprung des Koordinatensystems als einen halben Schnittpunkt definieren. Erist in Analogie zur obigen Definition für δ < 0 positiv und für δ > 0 negativ. Damit gilt fürdie stetige Winkeländerung:

∆ϕ π µS = − =+ −2 2S S , . (13-62)

Page 114: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 106 - Dr. Jörg Wollnack

Durch Gleichsetzen der Formeln (13-61) bzw. (13-62) mit der Gleichung in Satz (13-4) erhältman das Nyquist-Kriterium wie folgt:

Satz 13-7: Nyquist-Kriterium im BodediagrammBesitzt die Übertragungsfunktion G0(jω) des offenen Regelkreises PPole in der rechten Halbebene und möglicherweise einen einfachenPol (µ = 1) oder doppelten Pol (µ = 2) bei s = 0 sowie S+ positive undS- negative Schnittpunkte mit der reellen Achse links vom kritischenPunkt, so ist der geschlossene Regelkreis genau dann asymptotischstabil, wenn die Beziehung

D S SP

P*

/ ,= − =

=+ =

+ −

2 0 1

1

22

für

für

µ

µ

gilt. Für den speziellen Fall, daß der offene Regelkreis stabil ist(P = 0, µ = 0), muß somit die Anzahl der positiven und negativenSchnittpunkte gleich sein.

Aus dieser Formulierung ergibt sich auch die Tatsache, daß die Differenz der Anzahl derpositiven und negativen Schnittpunkte für den Fall µ ∈ , 0 1 eine ganze Zahl ist und für µ = 2keine ganze Zahl ist. Hieraus folgt wiederum unmittelbar, daß für µ ∈ , 0 1 P gerade und fürµ = 2 die Zahl P + 1 ungerade ist, woraus folgt, daß P eine gerade Zahl sein muß, wenn dergeschlossene Regelkreis asymptotisch stabil ist. Dies gilt allerdings nur, wenn D* ≥ 1 ist.

Mit diesen Vorüberlegungen kann man das Nyquist-Kriterium direkt in das Bode-Diagrammübertragen. Der zur Ortskurve gehörende logarithmische Amplitudengang A0dB(ω) ist in denzuvor definierten Schnittpunkten der Ortskurve mit der reellen Achse im Intervall [-∞,-1]stets positiv. Dieser Schnittpunkt der Ortskurve entspricht aber auch einem Schnittpunkt desPhasengangs mit den Geraden ±180°, ±540° usw. (180°±k 360°, k ∈ , ,2, 0 1 ) bzw. einenungeraden vielfachen von 180°.

Liegt ein positiver Schnittpunkt der Ortskurve vor, so erfolgt der Übergang des Phasenver-laufs über die ±(2k+1) 180°-Linien von unten nach oben. Bei einem negativen Schnittpunkterfolgt der Übergang umgekehrt von oben nach unten. Diese Schnittpunkte sollen als positiveund negative Übergänge des Phasenganges ϕ0(ω) über die ±(2k+1) 180°-Linien bezeichnetwerden. Beginnt der Phasengang bei –180°, so zählt der Punkt als halber Übergang mit dementprechenden Vorzeichen. Damit läßt sich nun das Nyquist-Kriterium in der für das Bode-Diagramm passenden Form formulieren:

Satz 13-8: Nyquist-Kriterium im BodediagrammBesitzt die Übertragungsfunktion G0(jω) des offenen Regelkreises PPole in der rechten Halbebene und möglicherweise einen einfachenPol (µ = 1) oder doppelten Pol (µ = 2) bei s = 0 sowie S+ positive undS- negative Übergänge des Phasenganges ϕ0(ω) über die ±(2k+1)180°-Linien (k ∈ , ,2, 0 1 ) in den Frequenzbereichen bei denenA0dB(ω) > 0 ist, so ist der geschlossene Regelkreis genau dann asymp-totisch stabil, wenn Beziehung

D S SP

P*

/ ,= − =

=+ =

+ −

2 0 1

1

22

für

für

µ

µ

Page 115: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 107 - Dr. Jörg Wollnack

gilt. Für den speziellen Fall, daß der offene Regelkreis stabil ist(P = 0, µ = 0), muß die Anzahl der positiven und negativen Schnitt-punkte gleich sein bzw. D S S* = − =+ − 0gelten.

In analoger Weise läßt sich ebenfalls die zweite Variante des Nyquist-Kriteriums im Bode-diagramm formulieren:

Satz 13-9: Nyquist-Kriterium im BodediagrammBesitzt der offene Regelkreis nur Pole in der linken s-Halbebene,außer einem 1- oder 2-fachen Pol bei s = 0, so ist der geschlossene Re-gelkreis genau dann asymptotisch stabil, wenn für G0(jω) bei derDurchtrittsfrequenz ωD bei der A0dB(ωD) = 0 ist, der Phasenwinkel derUngleichung ϕ ω ω0 0 180( ) arg ( )D D= > − °G j genügt.

Die obigen Kriterien können für die Charakterisierung einer “Stabilitätsgüte“ des Regel-kreises herangezogen werden, da je größer die Ortskurve vom kritischen Punkt entfernt ist,desto weiter muß auch der geschlossene Regelkreis von seinem Stabilitätsrand entfernt sein.

Als Maß benutzt man hierfür die Begriffe des Phasen- und Amplitudenrands (siehe auch 13-18). Hierzu führt man folgende Begriffe ein:

Def. 13-2 Phasenrand

Der Phasenrand ist der Abstand der Phasenkennlinie von der –180°-Geraden bei der Durchtrittfrequenz ωD bei der A0dB(ωD) = 0 ist:

ϕ ϕ ω ωR D dB Dfür ( ) = 0 = +18000 0( ) , A .

Def. 13-3 Amplitudenrand

Der Amplitudenrand ist der Abstand der Amplitudenkennlinie von der0dB-Linie (A0dB(ωD) = 0 ⇔ G0 1( )ωD = ) bei der Durchtrittfrequenz

ωS bei der ϕ ω00180( )S = − :

A ARdB dB S Sfür= = −0 00180( ) , ( )ω ϕ ω .

R e ( )G j0

j G j Im ( )0

G j0( )

= 00

D

R

1 -A R

A 0 dB( )

0

0( )

0

-1 8 0

D S

R

A R d B

Abb. 13-18: Phasen- und Amplitudenrand in der Ortskurvendarstellungund im Bode-Diagramm

Für eine gut gedämpfte Regelung haben sich folgende Werte als brauchbar erwiesen:

Page 116: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 108 - Dr. Jörg Wollnack

ARdB

dB bis dB für Führungsverhalten

dB bis dB für Störverhalten=

− −− −

12 20

3 5 9 5, ,(13-63.1)

und

ϕ R

bis für Führungsverhalten

bis für Störverhalten=

40 60

20 50

0 0

0 0 . (13-63.2)

Die Durchtrittsfrequenz ωD stellt ein Maß für die Dynamik des Regelkreises dar, da mit wach-sender Durchtrittsfrequenz auch die Grenzfrequenz des geschlossenen Regelkreises zunimmt.Dies wiederum beschleunigt die Reaktion auf Störungen und Sollwertänderungen. Als Grenz-frequenz ist dabei die Frequenz zu betrachten, bei der Betrag des Frequenzganges des ge-schlossenen Regelkreises näherungsweise auf den Wert null abgefallen ist.

Page 117: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 109 - Dr. Jörg Wollnack

14 Entwurf linearer kontinuierlicher Regelsysteme

14.1 Beschränkungen der erreichbaren Regelgüte

Es ist leicht einzusehen, daß eine perfekte Regelung hinsichtlich der Führungsübertragungs-funktion der Gleichung

G sW ( )!

=1 (14-1)

und hinsichtlich der Störübertragungsfunktion der Gleichung

G sZ ( )!

=0 (14-2)

genügen sollte. In diesem Fall würde eine Störung völlig ausgeregelt und eine Führungs-größenänderung exakt an die zu regelnde Größe weitergegeben. Dabei wird allerdings voraus-gesetzt, daß das Sensorsystem, das zur Messung der Ausgangsgröße y herangezogen wird,keine systematischen und zufälligen Meßfehler aufweist. Die Regelung wäre in diesem Fallsicherlich als perfekt zu bezeichnen. Nicht nur wegen der stets vorhandenen Meßfehler ist eszu erwarten, daß es im allgemeinen keinen Regler gibt, der diese idealen Eigenschaften er-füllt. Insofern ist von prinzipiellem Interesse, ob man gewisse Schranken angeben kann, dieeine Güteforderung zu erfüllen hat.

• Meßfehler

Die systematischen und zufälligen Meßfehler sind Bestandteil der Sensorstörfunktion ZM(s).Meßfehler werden abgesehen vom Vorzeichen genau so gut bzw. schlecht übertragen wie dieFührungsgröße. Selbst bei einer perfekten Regelung wären die Meßfehler vollständig in derRegelgröße enthalten. Aus diesem Grunde kann eine Regelung nur so gut sein, wie die Mes-sung derselben. Aufgrund der endlichen Dynamik eines Sensorsystems kann auch der Regel-kreis nicht schneller als sein als die Messung der Regelgröße. Man kann dies zweifelsohne anden Übertragungsfunktionen (10-59.1 bis 4) erkennen.

• Gleichgewichtstheorem

Vergleicht man das Führungsverhalten des Regelkreises mit und ohne Regler bzw. das Ver-halten des ungeregelten mit dem geregelten System, so gilt ohne Regler Y(s) = U(s) = 0. Fürdie Regelabweichungen erhält man sodann:

E s W sohne Regler ( ) ( )= und (14-3.1)

E sG s

W smit Regler ( )( )

( )=+

1

1 0

. (14-3.3)

Der Quotient dieser beiden Größen gibt das Verhältnis aus geregeltem und ungeregeltemSystem an:

R sE s

E s G s( )

( )

( ) ( )= =

+mit Regler

ohne Regler

1

1 0

. (14-3.3)

Page 118: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 110 - Dr. Jörg Wollnack

Er wird auch als Regelfaktor bezeichnet. Um ein gutes Regelverhalten zu erreichen, muß derBetrag des Regelfaktors durch Wahl des Reglers möglichst klein werden. Damit wird gleich-zeitig auch erreicht, daß die Störung sich wenig auf die Regelgröße auswirkt. Betrachtet man

die Ortskurve in Abbildung 14-1 des Regelfaktors bzw.den Verlauf der Ortskurve der offenen Regelschleife, solassen sich in Anlehnung an die Oszillatorbe-dingung (13-20) drei charakteristische Frequenzberei-che Bereiche definieren:

1. Gegenkoppelungsbereich: Der Betrag des Regel-faktors (14-3.3) ist deutlich kleiner 1. Die Regel-größe wird der Führungsgröße näherungsweisenachgeführt. Störungen werden mit R j( )ω gemin-derten Amplitude an den Ausgang übertragen.R( )0 ist die statische Regelabweichung, die bei

sprungförmiger Erregung auftritt.

2. Mitkoppelungsbereich: Der Betrag des Regelfak-tors ist deutlich größer als 1. Infolgedessen ist die Regelabweichung deutlich größer alsbeim ungeregelten System und die Störung wird um den Faktor R j( )ω verstärkt an denAusgang des Regelkreises übertragen.

3. Unempfindlichkeitsbereich: Der Betrag des Regelfaktors ist näherungsweise gleich 1.Die Regelgröße wird der Führungsgröße nicht nachgeführt und Störungen werden unver-ändert am Ausgang erscheinen. Die Regelung ist letztlich ohne Wirkung.

Das von Westcott 1952 bewiesene Gleichgewichttheorem

lg ( ) lg( )

R j jG j

jj

j

j

j

ω ωω

ω d d- -∞

+ ∞

+ ∞

=+

=1

10

0

(14-4)

eines stabilen und mit einem Polüberschuß von mindestens 2-ter Ordnung versehenen Regel-kreises besagt, daß die Flächen oberhalb und unterhalb der logarithmischen Betragskurvegleich sind. Für den Reglerentwurf bedeutet dies, daß eine Verbesserung des Regelkreisver-haltens im Gegenkoppelungsbereich zur einer Verschlechterung im Mitkoppelungsbereichund umgekehrt führt.

Ziel des Reglerentwurfs muß es deshalb sein, die Grenze zwischen diesen Bereichen so zulegen, daß die wichtigen Spektralbereiche des Führungs- und Störsignals im Gegenkop-pelungsbereich liegen.

• Stellgrößenbeschränkungen

Die Forderung eines idealen Führungsverhaltens (14-1) führt bei realem Streckenverhalten zuunendlich großen Stellgrößen, die sowohl aus energetischen als auch technischen Gründenauszuschließen sind bzw. wegen der endlichen Stellwertebereiche der Stellglieder zu ent-sprechenden Begrenzungen führen. Diese Stellwertbegrenzungen sind in den bisher verwen-deten Modellen nicht berücksichtigt, obwohl sie in jeder praktischen Anwendung letztlichauftreten. Die Stellwertbeschränkung ist eine wesentliche Nichtlinearität, die nur im Zusam-menhang mit der Theorie nicht linearer Regelungen bearbeitet werden kann. Hierauf geht derBand III ein. Diese Stellwertbeschränkungen sind ein weiterer Grund dafür, daß die erreich-bare Regelgüte ihrerseits beschränkt ist.

R e

j Im

= 00

G j0( )

= 0

1 + ( )G j0

Abb. 14-1: Typischer Verlauf derOrtskurve einer offenen

Regelschleife

Page 119: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 111 - Dr. Jörg Wollnack

• Dynamik des Regelkreises

Die Dynamik eines Regelkreises wird durch die Dynamik der maßgebenden Zeitkonstantendes Meßgliedes, der Regelstrecke oder des Reglers bestimmt. Dies kann man leicht denÜbertragungsfunktionen (10-59.1 bis 4) im Zusammenhang mit einer dominierenden Zeitkon-stante entnehmen.

In den meisten praktischen Anwendungen besitzt der Regelkreis eine Dynamik, die von derRegelstrecke oder dem Stellglied bestimmt wird. Eine schnelle Regelstrecke im Zusammen-hang mit einem ebenfalls schnellen Stellglied führt deshalb zu einem ebenfalls dynamischenRegelkreis. Eine Kompensation einer trägen Regelstrecke ist meist nicht möglich, da dieStellwertbeschränkungen dies nicht zulassen.

• Reglerentwurf

Bei dem Reglerentwurf werden zumeist im ersten Stadium die nicht linearen Effekte vernach-lässigt, um anschließend per Simulation mit einem nicht linearen Modell den Einfluß dieserEffekte zu bestimmen und zu bewerten. Die Simulation hat aufgrund der Leistungsfähigkeitpreiswerter Rechnersysteme mittlerweile einen hohen Stellenwert bei dem Entwurf vonRegelsystemen erlangt.

14.2 Modellunsicherheiten

Regelkreise sind hinsichtlich von Modellunsicherheiten bzw. Veränderungen des Regel-streckenverhaltens relativ robust, weil die Rückkoppelungen den Veränderungseinflüssen ent-gegenwirken. Dies Verhalten steht in einem deutlichen Gegensatz zu den Steuerungen, dieempfindlich auf Modellunsicherheiten und -veränderungen reagieren. In Bezug auf die Sta-bilitätsbetrachtungen spricht man von einer robusten Regelung, wenn die Modellunsicher-heiten nicht zu einem instabilen Verhalten des Regelkreises führen.

14.3 Reglerentwurf als Optimierungsproblem

Die vorangehenden Überlegungen haben gezeigt, daß der Entwurf eines Reglers letztlich einOptimierungsproblem mit Nebenbedingungen darstellt. Als Nebenbedingungen können Stell-wertbeschränkungen, das Erfüllen der Stabilitätskriterien oder weitere technische Rangbe-dingungen, die zu beachten sind, auftreten. Man unterscheidet hierbei eine Struktur undParameteroptimierung, wobei die Optimierungsaufgabe eng mit der Systemidentifikation derStrecke verknüpft ist. Die Steckenidentifikation im Zusammenhang mit der Regleropti-mierung bzw. dem Reglerentwurf ermöglicht eine Realisierung von adaptiven bzw. sichselbsteinstellenden Reglern. Für diese Reglerkonzepte werden überwiegend digitale Systemeeingesetzt, weshalb in diesem Zusammenhang der Schwerpunkt auf digitale Systeme gelegtwird. Diese Problemstellung wird vertieft im Band III dargelegt. Im folgenden soll nur einekurze Einführung in den Entwurf von kontinuierlichen Reglern vollzogen werden.

Für die Optimierung von Regelsystemen werden Gütekriterien bzw. Fehlermaße benötig. Immathematischen Sinne sind dies letztlich Normen. Die Euklidische Norm bzw. der quadra-tische Fehlerbegriff

Page 120: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 112 - Dr. Jörg Wollnack

Q s t g s t tt

( ) ( ) ( , ) ( )p p= − −

τ τ τd d0

2

0

, mit

p ∈ PR := Parameter des Reglers (z.B. PID-Regler (10-59)) (14-5)

ließe sich z.B. hierfür heranziehen. Dabei würde man dem Fehler

e t s t g s tt

( , ) ( ) ( , ) ( )p p= − − τ τ τd0

(14-6)

über die Zeit ein konstantes Gewicht geben. Letztlich ließe sich auch anstatt des Sprung-signals ein beliebiges anderes Testsignal heranziehen.

Wegen der Parsevalschen Gleichung der Fourier- und Laplace-Transformation kann man dasGütekriterium alternativ sowohl im Frequenzbereich

E j S j G j S j S j G j( , ) ( ) ( , ) ( ) ( ) ( , )p p pω ω ω ω ω ω= − = −1 (14-7)

als auch im Laplace-Bereich

E s S s G s S s S s G s( , ) ( ) ( , ) ( ) ( ) ( , )p p p= − = −1 (14-8)

ansetzen. Man erhält im Fourier-Raum sodann

s t g s t t S j G jt

( ) ( , ) ( ) ( ) ( , )− −

= − ∞

−∞

p pτ τ τπ

ω ω ωd d d0

2

0

2 21

21 (14-9)

bzw.

s t g s t tj

G jt

( ) ( , ) ( ) ( ) ( , )− −

= + −

−∞

p pτ τ τπ ω

π δ ω ω ωd d d0

2

0

221

2

11 .(14-10)

und im Laplace-Raum

s t g s t t

jS s S s G s G s s

t

j

j

( ) ( , ) ( )

( ) ( ) ( , ) ( , )

− −

= − − − −

− ∞

p

p p

τ τ τ

π

d d

d

0

2

0

1

21 1

(14-11)

bzw.

s t g s t t

j sG s G s s

t

j

j

( ) ( , ) ( )

( , ) ( , )

− −

= − + − − −

− ∞

p

p p

τ τ τ

π

d d

d

0

2

0

2

1

2

11 1

. (14-12)

Man erkennt hieran, daß man bei quadratisch integrablen Funktionen Gütemaße sowohl imZeit- als auch Frequenz-/Laplace-Bereich heranziehen kann.

Page 121: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 113 - Dr. Jörg Wollnack

14.3.1 Entwurf im Zeitbereich

14.3.1.1 Dynamische Fehler

Die typische Sprungantwort des Testsignals h(t) zeigt Abbildung 14-2.

y t( )

t

W e n d e-p u n k t

e M a x

tM a x t0

2

t a

t 5 0 %

t u

1 0 0 %

5 0 %

0 %

Abb. 14-2: Typische Sprungantwort einer Führungsprungerregung

Für die Führungsübergangsfunktion können folgende Parameter für eine Regleroptimierungvon Interesse sein:

• Maximale ÜberschwingweiteDie maximale Überschwingweite eMax gibt den Betrag der maximalen Regelab-weichung an, die nach dem erreichen des Sollwertes (100%) auftritt.

• Zeitpunkt des Auftretens der maximalen ÜberschwingweiteDie Zeit tMax beschreibt den Zeitpunkts des Auftretens der maximalen Überschwing-weite.

• AnstiegszeitDie Anstiegszeit ta ergibt sich aus dem Schnittpunkt der Wendetangente von h(t) mitder 0%- und 100%-Linie. Alternativ ließe sich auch die Zeit bis zum 50%-tigen Soll-wert der Wendepunkttagente heranziehen.

• VerzugszeitDie Verzugszeit tu ergibt sich aus dem Schnittpunkt der Wendpunkttagente mit der t-Achse.

• Ausregelzeit

Die Ausregelzeit tε definiert den Zeitpunkt, von dem ab die Regelabweichung unter-halb der ε-Schranke liegt.

• AnregelzeitDie Anregelzeit definiert die Zeit bis zu dem erstmaligen erreichen des 100%-Sollwer-tes. Näherungswiese erhält man hierfür: t t tan u a≈ + .

Page 122: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 114 - Dr. Jörg Wollnack

e M a x

1 0 0 %

0 %

t

2

o h n e R e g le r

m it R e g le r

y t( )

t

Abb. 14-3: Typische Sprungantwort einer Störungsprungerregung

In analoger Weise kann man auch das Störverhalten eines Störungssprunges in Abbildung 14-3 charakterisieren.

Die Größen eMax und tε stehen in Beziehung zur Systemdämpfung und die Größen tan, ta undtMax stehen in Beziehung zur Systemdynamik, wohingegen e∞ das statische Systemverhaltencharakterisiert. Da diese Größen die Abweichungen von der idealen Übergangsfunktion be-schreiben, wird man bei dem Entwurf eines Reglers bestrebt sein, diese zu minimieren.Häufig ist es in der Praxis ausreichend, sich auf drei Größen tan, tε und eMax zu beschränken.

14.3.1.2 Integrale Gütekriterien

Für eine Synthese des Reglers sind lediglich Gütekriterien geeignet, bei denen sich eineÄnderungen der Reglerparameter in dem Gütemaß ausdrücken, weshalb man die zuvor ge-nannten dynamischen Fehler in einem Gütemaß

Q k t k t k e= + +1 2 3an Maxε . (14-13)

vereinigen muß.

Norm / Gütemaß Eigenschaften

Q g t e t t=∞

Q d( ) ( )0

allgemeine zeitgewichtete Normregelfläche

Q e t t=∞

( ) d0

Betragsregelfläche

Q e t t=∞

2

0

( ) d Quadratische Regelfläche

Q e t u t t= +∞

2 2

0

( ) ( )α d Quadratische Regelfläche mit Stellaufwand

Q e t t t=∞

2

0

( ) d Zeitbeschwerte quadratische Regelfläche

Tab. 14-1: Integralnormen als Gütemaße

Page 123: Jörg Wollnack Regelungstechnik I - tuhh.de · Idee der Regelung beruht dabei auf einer Messung und Rückführung der zu regelnden Größen im Zusammenhang mit einem Soll- Istvergleich

Analoge dynamische Systeme im Laplace/Frequenz-Bereich

- 115 - Dr. Jörg Wollnack

Einen weitaus praktikableren Ansatz erhält man jedoch bei der Verwendung von den bereitseingeführten Integralnormen (14-5), (14-10) oder den Integralnormen in Tabelle 14-1. Indiesen integralen Gütemaßen lassen sich sowohl zeitliche Ableitungen als auch Stellgrößenberücksichtigen. Durch eine zeitliche Gewichtung der Fehlermaße kann man z.B. die Fehlermit wachsender Zeit höher bewerten, wenn es für die Anwendung wichtig ist. Das gesuchteMinimum kann dabei sowohl im innern als auch auf dem Rand des Einstellbereiches derReglerparameter liegen.

14.3.2 Entwurf im Frequenzbereich