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Indexed in EMBASE/Excerpta Medica/BIOBASE/SCOPUS P.b.b. 02Z031117M, Verlagsort: 3003 Gablitz, Mozartgasse 10 Preis: EUR 10,– Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie Zeitschrift für Erkrankungen des Nervensystems Journal für www.kup.at/ JNeurolNeurochirPsychiatr Homepage: www.kup.at/ JNeurolNeurochirPsychiatr Online-Datenbank mit Autoren- und Stichwortsuche Sinus- und Hirnvenenthrombose Röther J Journal für Neurologie Neurochirurgie und Psychiatrie 2010; 11 (4), 65-70

Joural r eurologie eurochirurgie und schiatrie - kup.at · machen nur einen kleinen Teil der Schlaganfälle ... kommt es nicht zu einer Erweiterung der ... Der VI. Hirnnerv und die

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Indexed in EMBASE/Excerpta Medica/BIOBASE/SCOPUS

P.b.b. 02Z031117M, Verlagsort : 3003 Gablitz, Mozartgasse 10 Preis: EUR 10,–

Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz

Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie

Zeitschrift für Erkrankungen des Nervensystems

Journal für

www.kup.at/ JNeurolNeurochirPsychiatr

Homepage:

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Online-Datenbank mit Autoren-

und Stichwortsuche

Sinus- und Hirnvenenthrombose

Röther J

Journal für Neurologie

Neurochirurgie und Psychiatrie

2010; 11 (4), 65-70

Seggauer Fortbildungstage 2018

Entzündlicher Formenkreis, Therapieansätze und Pathophysiologie. Individualisierte Arzneimitteltherapie

13. bis 14. Oktober 2018in schloss seggau bei leibnitz zum Programm

J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2010; 11 (4)

Sinus- und Hirnvenenthrombosen

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Sinus- und HirnvenenthrombosenJ. Röther

Kurzfassung: Sinus- und Hirnvenenthrombosenmachen nur einen kleinen Teil der Schlaganfälleaus. Sie manifestieren sich mit einem breitenSpektrum von Symptomen. Die Dynamik und dasAusmaß des Stauungsinfarkts bzw. der Stau-ungsblutung hängen maßgeblich von der Beteili-gung kortikaler und medullärer Venen sowie vonder Effizienz venöser Kollateralkreisläufe ab.Diese bestimmen den klinischen Verlauf, der vongering ausgeprägten Symptomen mit Kopf-schmerzen und/oder Stauungspapillen bis hin zuprogredienten Stauungsinfarkten mit Hirnödem,Anstieg des intrazerebralen Drucks und Komareicht. Die Prognose ist oftmals erstaunlich gut

und selbst ausgedehnte Stauungsödeme zeigeneine gute Reversibilität. Ungünstige prognosti-sche Faktoren sind das Vorliegen einer tiefenHirnvenenthrombose, einer Hemiparese, einesKomas, eines großen Stauungsinfarkts und einergroßen Stauungsblutung sowie hohes Alter.

Schlüsselwörter: Sinusvenenthrombose, Hirn-venenthrombose, Stauungsinfarkt, Schlaganfall,Kopfschmerzen

Abstract: Cerebral Sinus Thromboses. Cer-ebral sinus thrombosis is a rare cause of stroke.

Erstbeschreibung und Häufigkeit

1825 beschrieb Ribes erstmals ein klinisches Syndrom mitprogredienten Kopfschmerzen, Papillenödem, sekundär gene-ralisierten epileptischen Anfällen, einem fokalen neurologi-schen Defizit und der Entwicklung eines Komas im Verlauf[1]. Die Autopsie ergab eine Thrombose des Sinus sagittalissuperior, des Sinus transversus links sowie kortikaler Venender linken Hemisphäre. In autoptischen Studien von Towbin[2] wurden in 9 % aller Autopsien Sinus- und Hirnvenen-thrombosen (SVT) nachgewiesen. Ameri beschrieb 1992 eineHäufigkeit von SVT bei 1–2 % aller Schlaganfälle bei Patien-ten < 45 Jahre. Aufgrund der unterschiedlichen klinischenManifestationen mit einem unbekannt hohen Anteil asympto-matischer oder monosymptomatischer Fälle ist die Inzidenzder SVT letztlich unklar. Die Angaben schwanken zwischen10/100.000 und 4/1.000.000 Einwohner. Aufgrund derprädisponierenden Faktoren, wie Kontrazeptiva-Einnahme,Schwangerschaft und Puerperium, tritt die SVT bei Frauenmit ca. 75 % aller Fälle deutlich häufiger auf als bei Männern.Die genannten prädisponierenden Faktoren führen auch dazu,dass das Durchschnittsalter um die 40 Jahre liegt, wobei prin-zipiell alle Altersgruppen von einer SVT betroffen sein kön-nen.

Pathophysiologie

Pathophysiologisch führt der Verschluss eines Hirnsinus bzw.einer Hirnvene zu einer Zunahme des zerebralen Blutvolu-mens, bedingt dadurch einen Anstieg des intrakraniellenDrucks sowie daraus resultierend eine Abnahme des Perfu-sionsdrucks und des zerebralen Blutflusses. Die Folge ist dieAusbildung eines venösen Stauungsinfarkts, der hämorrha-

gisch einbluten kann. Eine erhöhte kapilläre Filtrationsratekann zu einem progredienten Hirnödem führen [3].

Die Dynamik und das Ausmaß des Stauungsinfarkts bzw. derStauungsblutung hängen maßgeblich von der Beteiligungkortikaler und medullärer Venen sowie von der Effizienz ve-nöser Kollateralkreisläufe ab. Diese bestimmen den klini-schen Verlauf, der von gering ausgeprägten Symptomen mitKopfschmerzen und/oder Stauungspapillen bis hin zu progre-dienten Stauungsinfarkten mit Hirnödem, Anstieg des intra-zerebralen Drucks und Koma reicht. Umgekehrt erklärt sichaus der Ausbildung von Kollateralkreisläufen bzw. der Ver-hinderung einer progredienten Thrombosierung durch eine„Partial Thromboplastin Time“- (PTT-) wirksame Heparini-sierung die oftmals erstaunliche Reversibilität von sogar aus-gedehnten Stauungsödemen.

Anatomie der zerebralen Venen

Die Anatomie der zerebralen venösen Abflusswege ist Vor-aussetzung für das Verständnis der SVT. Neben den großenvenösen Längsleitern, wie dem Sinus sagittalis superior, Si-nus sagittalis inferior, Sinus rectus, transversus, sigmoideus,cavernosus, und den kortikalen Venen mit ihren Anastomosen– der Trolard’schen Vene und der temporoparietal gelegenenV. Labbé – spielt das innere Hirnvenensystem mit der V.thalamostriata, V. cerebri interna, V. basalis Rosenthal, der V.Galeni und dem Sinus cavernosus eine wichtige Rolle [4](Abb. 1).

Klinischer Verlauf der SVT

Aufgrund der oftmals unspezifischen und heterogenen Symp-tomatik ist das Intervall zwischen dem ersten Auftreten vonSymptomen und der Diagnosestellung oftmals verzögert undliegt im Median bei 7 Tagen [6]. Die SVT beginnt in 10 % derFälle perakut mit einem „thunderclap headache“, in 20 % akutüber einen Zeitraum < 2 Tage, in 50 % subakut (2 Tage bis1 Monat) und in 20 % chronisch (> 1 Monat) [5, 7]. Die Häu-figkeit der klinischen Manifestationen ist in Tabelle 1 aufge-führt.

The clinical spectrum is broad and ranges fromheadaches and focal neurological signs to coma.The dynamic of the disease is determined by col-lateral venous flow and the extent of the af-fected veins and sinuses. The prognosis is ratherbenign and even large venous edema andinfarctions may resolve. Unfavorable outcome isobserved in patients with deep venous thrombo-sis, hemiparesis, coma, and large venous infarc-tion. J Neurol Neurochir Psychiatr 2010; 11(4): 65–70.

Key words: cerebral sinus thrombosis, venousinfarction, stroke, headache

Eingelangt am 21. April 2010; angenommen nach Revision am 30. August 2010

Aus der Neurologischen Klinik, Asklepios-Klinik Altona, DeutschlandKorrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Joachim Röther, Neurologische Klinik,Asklepios-Klinik Altona, D-22763 Hamburg, Paul-Ehrlich-Straße 1;E-Mail: [email protected]

For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH.

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Sinus- und Hirnvenenthrombosen

Der Sinus sagittalis superior ist in 70 % der Patienten mit SVTbetroffen. Er drainiert den größten Teil des Kortex und spielteine wesentliche Rolle bei der Re-Absorption des Liquors,sodass eine Thrombosierung besonders häufig mit einer intra-kraniellen Druckerhöhung einhergeht. Die Folge ist eine iso-lierte intrakranielle Hypertension mit Kopfschmerzen, Papil-lenödem und gelegentlich einer Abduzensparese. Beim Fort-schreiten der Thrombosierung mit Entwicklung von Stau-ungsinfarkten oder Blutungen kann es zu progredienten, foka-len neurologischen Ausfällen und zu epileptischen Anfällenkommen. Tückisch ist, dass die intrakranielle Druckerhöhungsich nicht in einer Zunahme der Ventrikelweite äußern muss.Da der Druck im Subarachnoidalraum und ventrikulär glei-chermaßen ansteigt, kommt es nicht zu einer Erweiterung derVentrikel trotz zum Teil stark erhöhter intrazerebraler Drücke(Wichtig: das CT ist kein Manometer!).

Der Sinus transversus ist in 60–70 % der Fälle mitbeteiligtund in 30 % der Fälle isoliert betroffen. Er drainiert Blut vomSinus sagittalis superior, dem Cerebellum, dem Okzipitallap-

pen und vom Hirnstamm über den Sinus sigmoideus zur V. ju-gularis. Ein Drittel der Patienten mit einer Thrombosierungdes Sinus transversus weisen lediglich Kopfschmerzen auf.Die klinische Manifestation entspricht den Symptomen beimVerschluss des Sinus sagittalis superior.

Der Sinus cavernosus ist selten (ca. 5 % aller SVT) betroffen.Da die Hirnnerven III, IV und V die laterale Wand des Sinuscavernosus durchkreuzen, führt eine Thrombosierung oftmalszu Störungen der Okulomotorik bzw. zu einer Hemihypästhe-sie. Der VI. Hirnnerv und die A. carotis interna durchkreuzendas Zentrum des Sinus cavernosus, sodass auch eine Abdu-zensparese beobachtet werden kann. Der Sinus cavernosusdrainiert die Orbita und den vorderen Teil des Frontalhirnsüber den Sinus sphenoparietalis. Oft geht die Thrombose desSinus cavernosus mit einer schmerzhaften Ophthalmoplegie,Kopfschmerzen, einer Chemosis und einer Protrusio bulbieinher. Gelegentlich kommt es zu einer septischen Thromboseim Rahmen einer Sinusitis sphenoidalis oder Infektion derGesichtsweichteile. Solche septischen Sinusthrombosen wer-den aufgrund der frühzeitigen Antibiotikatherapie bei Infek-ten im Gesichtsbereich allerdings nur noch selten beobachtet.

Die oberflächlichen zerebralen Venen drainieren in den Sinussagittalis superior (frontale, parietale und okzipitale Hirn-venen), den Sinus cavernosus (mittlere Hirnvenen) und in denSinus transversus. Je nach Ort der Thrombose ist eine Fluss-umkehr möglich. Fokale Anfälle und fokale neurologischeDefizite entsprechend der Lokalisation der Thrombose wer-den am häufigsten beobachtet. Oft kommt es zu einer um-schriebenen kortikalen Schwellung und Einblutung und esbedarf einer differenzierten MRT-Diagnostik, um die kortika-le Hirnvenenthrombose nachzuweisen.

Tabelle 1: Klinische Manifestation der Sinus- und Hirnvenen-thrombose. Aus [5].

Kopfschmerz 91 %Epileptischer Anfall 49,5 %

Davon mit Todd’scher Parese 41 %Fokalneurologie 66 %Vigilanzstörung 56 %Stauungspapille 19 %Meningismus 13 %Intrakranielle Blutung 38 %Pathologischer Liquor 50 %Pathologisches EEG 81 %

Abbildung 1: Anatomie der zerebralen Venen

Tabelle 2: Prädisponierende Faktoren der SVT. Aus [5].

– Orale Kontrazeptiva (in 10 % der Fälle alleiniger ätiologischerFaktor!)

– Gerinnungsstörungen: Faktor-V-Leiden-Mutation mit APC-Re-sistenz (10–25 % der Fälle), Prothrombin-Mutation G 20210 A,Antithrombin-III-, Protein-C- und -S-Mangel, zirkulierende Im-munkomplexe, heparininduzierte Thrombozytopenie II, Plasmi-nogenmangel, Hyperhomozysteinämie, Dysfibrinogenämien,disseminierte intravasale Gerinnung, Antiphospholipid-AK

– Intrakranielle Hypotension (Liquorunterdrucksyndrom)– Störungen mit venöser Stase: zentralvenöse Katheter, Strangu-

lation, durale arteriovenöse Malformation– Postpartal, seltener auch während der Schwangerschaft– Hämatologische Erkrankungen: Polyzytämie, Sichelzellanämie,

paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie, hypochrome bzw.immunhämolytische Anämie, Thrombozytämie

– Medikamentös-toxische Ursachen: Androgene, Chemothera-peutika, Kortikosteroide, Epoetin, Vitamin-A-Überdosierung,Drogen

– Metabolische Erkrankungen: Diabetes mellitus, Thyreotoxi-kose, Urämie, nephrotisches Syndrom, Hyperlipidämie

– Malignome: Karzinom, Lymphom, Karzinoid, Leukämie– Schwere Dehydratation– Magen-Darm-Trakt: Leberzirrhose, Morbus Crohn, Colitis ulce-

rosa– Kardiale Erkrankungen: Herzinsuffizienz, Kardiomyopathie– Lokal: Schädel-Hirn-Trauma, neurochirurgische Operationen,

mechanische Abflussbehinderung durch Tumoren– Idiopathisch (20–35 % der Fälle)

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Sinus- und Hirnvenenthrombosen

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Die tiefen Hirnvenen sind in 10 % der SVT betroffen und füh-ren aufgrund der resultierenden Schwellung und hämorrhagi-schen Infarzierung der Basalganglien, des Thalamus und desoberen Hirnstamms rasch zu einer Bewusstseinsstörung, einerHemi- oder Tetraparese sowie oftmals zu aphasischen Störun-gen [8].

Die venöse Drainage der hinteren Schädelgruppe erfolgt überKleinhirnvenen, die in die V. Galeni, den Sinus petrosus, denTorcular Herophili, den angrenzenden Sinus sagittalis undden Sinus sigmoideus drainieren.

Mögliche Ursachen und prädisponierende

Faktoren einer SVT

Generell wird zwischen einer blanden SVT und einer septi-schen SVT unterschieden.

An oberster Stelle des SVT-Risikos steht bei Frauen die Ein-nahme oraler Kontrazeptiva, die mit einem 16-fach erhöhtenRisiko einhergeht und bei 10 % der Frauen den alleinigenätiologischen Faktor darstellt. In einer internationalen Studienahmen 46 % von 465 Frauen mit SVT orale Kontrazeptivaein [9]. Besonders die „Pille danach“ geht mit einem hohenRisiko einher. Auch postpartale Hormonstörungen scheineneine Rolle zu spielen. Immer sollte nach einer Thrombo-

philieneigung gefahndet werden (Faktor-V-Leiden-Mutationmit APC-Resistenz 10 % der Fälle; Prothrombin-Mutation-G20 210 A 2 %, Protein-C- und -S-Mangel 1–3 %). In denasiatischen Ländern ist die SVT sehr viel häufiger als inEuropa, in Indien wird eine Exsikkose postpartal als wichtigerFaktor angeschuldigt. Seltenere Faktoren sind in Tabelle 2aufgelistet.

Als infektiöse Ursachen kommen lokale Infektionen im Mit-telgesichtsbereich, besonders Staphylococcus-aureus-Infek-tionen, Otitis media, Tonsillitis, Sinusitis, Stomatitis, Zahn-abszess, Hirnabszess, eine bakterielle Meningitis sowie einsubdurales Empyem in Betracht. Auch generalisierte Entzün-dungen, wie eine Septikämie, Endokarditis, Typhus, Tuber-kulose oder auch virale Entzündungen (Masern, Hepatitis,Enzephalitis mit HSV oder HIV sowie Zytomegalie-Virus),spielen eine Rolle. Selten kann eine Pilzinfektion, insbeson-dere eine Aspergillose bzw. eine parasitäre Entzündung (Ma-laria oder Trichinosis), zugrunde liegen.

Diagnostik der SVT

Am wichtigsten ist es, an das mögliche Vorliegen einer SVTzu denken. Langsam progrediente Kopfschmerzen, Stauungs-papillen und epileptische Anfälle sind häufige initiale Symp-tome. Bereits das Nativ-CT zeigt oftmals Hinweise auf eine

Abbildung 2: Bildgebung der SVT: Thrombose des Sinus sagittalis superior und der V. Rolandi. Klinisch zunächst nur Kopfschmerzen bei intrakranieller Hypertension, imVerlauf fokal-motorische Anfälle und beinbetonte Hemiparese rechts nach Entwicklung des Stauungsinfarkts mit Stauungsblutung. A–C: CT mit hyperdensem Sinus sagittalissuperior und einer kortikalen Vene; D: MRT (FLAIR) mit einer kortikalen Venenthrombose; E, F: MRT (T2w) Stauungsblutung hochfrontal links; G: MR-Venographie mit Throm-bose des Sinus sagittalis superior.

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Sinus- und Hirnvenenthrombosen

Thrombose, wie einen hyperdensen Sinus, eine diffuse Volu-menzunahme des Hirnparenchyms, einen Stauungsinfarktoder eine Stauungsblutung [10]. Nach Kontrastmittel- (KM-)Gabe kann gelegentlich ein umspülter Thrombus in einer kor-tikalen Vene („Schienen-Phänomen“) nachgewiesen oderaber eine KM-Aussparung in den Sinus im Sinne eines Delta-Zeichens oder auch „empty-triangle sign“ diagnostiziert wer-den. Insbesondere atypisch gelegene Stauungsinfarkte undBlutungen parasagittal sowie temporal sollten an eine Sinus-sagittalis- oder Sinus-transversus-Thrombose denken lassen.

Die CT-Venographie ist hinsichtlich des Nachweises einerThrombosierung inzwischen gleichwertig mit der MR-Veno-graphie. Die verschiedenen Signalparameter des MRTs sindallerdings dem Nativ- oder KM-CT überlegen und zeigenneben den Parenchymveränderungen typische „Flow-void“-Phänomene bzw. den umspülten Thrombus. Ein „empty-triangle sign“ wird nur in 30 % der Fälle mit SVT beobachtet.Weitere bildmorphologische Zeichen der SVT sind eine„empty sella“, enge äußere Liquorräume sowie eine ver-dickte, ödematös aufgetriebene Optikusscheide in der MRT(Abb. 2–5).

Die Bestimmung der D-Dimere erwies sich in mehreren Stu-dien mit einer hohen Rate falsch positiver (um 10 %) undfalsch negativer (bis zu 25 %) Befunde als ungeeignete Me-thode zum Ausschluss einer SVT. Besonders Patienten mit

einer isolierten benignen Hypertension weisen oftmals nega-tive D-Dimere auf [11].

Therapie der SVT

Es liegen keine guten randomisierten Studien zur Therapie derSVT vor. Eine kleine Studie mit lediglich 27 Patienten ergabeinen Vorteil für die PTT-wirksame Heparinisierung [12].Ziel der Heparinisierung ist die Unterbindung des weiterenThrombuswachstums. Des Weiteren sollten mögliche zu-grunde liegende Ursachen, insbesondere bei einer infektiösenGenese, behandelt werden. Beim Auftreten von Anfällen isteine antikonvulsive Medikation erforderlich und bei Patientenmit erhöhtem intrazerebralen Druck ist gegebenenfalls eineintensivmedizinische Behandlung mit Osmotherapeutikaindiziert. Eine dauerhafte orale Antikoagulation ist im An-schluss an die Heparinisierung für die Dauer von 3–6 Mona-ten indiziert. Bei Nachweis einer prothrombotischen Grund-erkrankung ist gegebenenfalls eine lebenslange Antikoagula-tion erforderlich. Wichtig ist eine konsequente PTT-wirk-same Heparinisierung auch in Fällen mit einer Stauungsblu-tung. Hierdurch kann ein progredientes Thrombuswachstumunterbunden werden. Gelegentlich kommt es trotz PTT-wirk-samer Heparinisierung zu einer Progression der Erkrankung.Kleinere Fallserien berichten in diesen Fällen über eine syste-mische oder lokale Thrombolyse mit Urokinase oder rtPA[14] bzw. eine dekompressive Kraniektomie [15].

Abbildung 3: Bildgebung der SVT: Isolierte kortikale Ve-nenthrombose bei 32-jähriger Patientin mit Kopfschmer-zen, Übelkeit und Erbrechen. Im Verlauf nach 3 Tagen ge-neralisierte Anfälle mit fokaler Einleitung. Nach 5 Tagenbeinbetonte Hemiplegie R. Faktor-V-Gen-Mutation und pa-thologische APC-Resistenz. A, B: CT mit Stauungsblutunghochfrontal links; C, D: Digitale Subtraktionsangiographiemit Verschluss einer kortikalen Vene; E: MR-Venographiemit normalem Befund.

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Abbildung 4: A, B: Bildgebung der SVT: Innere Hirnvenen-thrombose (*V. thalamostriata) mit Stauungsinfarkt. Hypodensitäthält sich nicht an die Grenzen der striatolentikulären Gefäße, son-dern umfasst auch den Thalamus! C–E: 6-jähriger Junge mit Down-Syndrom und Colitis. Exsikkose nach Diarrhöen. Innere Hirnvenen-thrombose (* V. thalamostriata; + V. Galeni und Sinus rectus).

Abbildung 5: Bildgebung der SVT: CCT-Zeichen der SVT: A: hyperdenser Sinus; B: enge Ventrikel; C: diffuse Schwellung; D: „empty triangle“ oder Delta-Zeichen durch den mitKM umflossenen Thrombus. MRT-Zeichen der SVT: D–F: hyperintenser Sinus; G: Thrombose des Sinus transversus in der MR-Venographie.

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Sinus- und Hirnvenenthrombosen

Prognose der SVT

In den meisten Fällen weist die SVT selbst bei ausgeprägtemHirnödem mit Stauungsinfarkten und -blutungen eine rechtgute Prognose auf. Die „International Study on Cerebral Veinand Dural Signs Thrombosis“ (ISCVT), die 624 Patientenprospektiv rekrutierte, ergab eine Gesamtsterblichkeit von8,3 %. Im Gegensatz zur früheren Auffassung ist insgesamtdie Prognose nach SVT recht günstig einzuschätzen mit kei-nem oder nur minimalem Residuum (MRS 1) bei 79,1 %,leichter bis mittelgradiger Behinderung (MRS 2–3) bei10,4 % und schwerer Behinderung (MRS 4–5) bei 2,2 % [16].

Ungünstige prognostische Faktoren sind das Vorliegen einertiefen Hirnvenenthrombose, einer Hemiparese, eines Komas,eines großen Stauungsinfarkts und einer großen Stauungsblu-tung und hohes Alter. Bei konservativ nicht zu beherrschen-dem raumforderndem Effekt wird als Ultima Ratio auch einedekomprimierende Hemikraniektomie empfohlen [15].

Relevanz für die Praxis

Es ist vor allem wichtig, an das Vorliegen einer SVT zudenken. Die CT- oder MR-Venographie ermöglicht einensicheren Ausschluss von Sinusthrombosen. Allenfalls beikortikalen Venenthrombosen kann gegebenenfalls derNachweis schwierig sein, sodass hier selten eine digitaleSubtraktionsangiographie erforderlich ist. Wichtig ist diekonsequente PTT-wirksame Heparinisierung in der Akut-phase der SVT.

Interessenkonflikt

Der Autor verneint einen Interessenkonflikt.

Literatur:

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Prof. Dr. Joachim RötherMedizinstudium und Promotion an derUniversität Marburg. Neurochirurgische(RWTH Aachen) und neurologische Ausbil-dung (Universitätsklinikum Heidelberg/Mannheim). 1994–1996 Stipendiat derDeutschen Forschungsgemeinschaft ander Stanford University, USA. 1996–2005leitender Oberarzt und C3-Professor anden Neurologischen UniversitätsklinikenJena und dem UKE Hamburg-Eppendorf.2000–2005 Chefarzt der Neurologischenund ab 2008 Ko-Chefarzt der Geriatrischen Klinik des Johannes-Wesling-Klinikums Minden. Seit Juli 2010 Chefarzt der Neurologi-schen Klinik der Asklepios-Klinik Altona.

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