15
Offizielles Organ: AGRBM, BRZ, DVR, DGA, DGGEF, DGRM, D·I·R, EFA, OEGRM, SRBM/DGE Krause & Pachernegg GmbH, Verlag für Medizin und Wirtschaft, A-3003 Gablitz Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie – Journal of Reproductive Medicine and Endocrinology Andrologie Embryologie & Biologie Endokrinologie Ethik & Recht Genetik Gynäkologie Kontrazeption Psychosomatik Reproduktionsmedizin Urologie Indexed in EMBASE/Excerpta Medica/Scopus www.kup.at/repromedizin Online-Datenbank mit Autoren- und Stichwortsuche Welche Untersuchungsmethoden betreffen die Neuregelung der Präimplantationsdiagnostik (PID) durch §3a Embryonenschutzgesetz (ESchG) und die das Verfahren regelnde Rechtsverordnung (PIDV)? Frommel M, Geisthövel F, Ochsner A, Kohlhase J, Noss U Nevinny-Stickel-Hinzpeter C J. Reproduktionsmed. Endokrinol 2013; 10 (1), 6-17

Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie · Contraventions against the PIDV are not indictable, but regulatory offenses indicating that the novel regulation has form –

  • Upload
    others

  • View
    2

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie · Contraventions against the PIDV are not indictable, but regulatory offenses indicating that the novel regulation has form –

Offizielles Organ: AGRBM, BRZ, DVR, DGA, DGGEF, DGRM, D·I·R, EFA, OEGRM, SRBM/DGE

Krause & Pachernegg GmbH, Verlag für Medizin und Wirtschaft, A-3003 Gablitz

Journal für

Reproduktionsmedizin und Endokrinologie– Journal of Reproductive Medicine and Endocrinology –

Andrologie • Embryologie & Biologie • Endokrinologie • Ethik & Recht • Genetik Gynäkologie • Kontrazeption • Psychosomatik • Reproduktionsmedizin • Urologie

Indexed in EMBASE/Excerpta Medica/Scopus

www.kup.at/repromedizinOnline-Datenbank mit Autoren- und Stichwortsuche

Welche Untersuchungsmethoden betreffen die Neuregelung

der Präimplantationsdiagnostik (PID) durch §3a

Embryonenschutzgesetz (ESchG) und die das Verfahren

regelnde Rechtsverordnung (PIDV)?

Frommel M, Geisthövel F, Ochsner A, Kohlhase J, Noss U

Nevinny-Stickel-Hinzpeter C

J. Reproduktionsmed. Endokrinol 2013; 10 (1), 6-17

Page 2: Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie · Contraventions against the PIDV are not indictable, but regulatory offenses indicating that the novel regulation has form –

Journal für

Reproduktionsmedizin und Endokrinologie

Jahrgänge 2004–2014 gratis abzugebenDie kompletten Jahrgänge 2004–2014 (Bd. 1–11, 63 Ausgaben) sind gratis abzugeben.

Bei Interesse wenden Sie sich bitte an E-Mail: [email protected] / Sichwort: ARCHIV.Die Portokosten übernimmt der Empfänger.

Page 3: Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie · Contraventions against the PIDV are not indictable, but regulatory offenses indicating that the novel regulation has form –

6 J Reproduktionsmed Endokrinol 2013; 10 (1)

§3a Embryonenschutzgesetz und seine Verordnungen

Welche Untersuchungsmethoden betreffen dieNeuregelung der Präimplantationsdiagnostik (PID)durch §3a Embryonenschutzgesetz (ESchG) und diedas Verfahren regelnde Rechtsverordnung (PIDV)? 1

M. Frommel1, F. Geisthövel2, A. Ochsner2, J. Kohlhase3, U. Noss4, C. Nevinny-Stickel-Hinzpeter5

Der Bundesgerichtshof (BGH) Leipzig hat in seinem Urteil vom 06.07.2010 (5. StR 386/09) festgestellt, dass die Präimplantationsdiagnostik (PID) anTrophektoderm- (TE-) Zellen der Blastozyste nach geltendem Recht erlaubt ist. Obgleich damit durchaus genügende Rechtssicherheit geschaffen wordenist, hat sich der Gesetzgeber mit dieser Gerichtsentscheidung nicht zufrieden gegeben. Stattdessen hat er in das Embryonenschutzgesetz (ESchG) von 1991die Spezialvorschrift des § 3a (PID) eingefügt, welche das System des ESchG verändert. Die neue Regelung ist am 21.11. 2011 in Kraft getreten, aber nochnicht umgesetzt worden, da die Bundesregierung von der Ermächtigung in §3a Abs. 3 Satz 3 ESchG keinen Gebrauch gemacht. Zudem hat sie noch keinePID-Verordnung (PIDV) erlassen, welche das Verfahren und die von den Ländern durchzuführende Einrichtung einer Ethikkommissionen regelt. Zwar ist einReferentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit den Ländern und entsprechenden Verbänden zur Anhörung zugegangen, aber es gibt bisherkeine verbindliche Vorlage. Zuwiderhandlungen gegen die PIDV sind keine Straftaten, sondern Ordnungswidrigkeiten, was zeigt, dass die geplante Neu-regelung zwar einen strafrechtlichen Anteil hat, aber im Wesentlichen Verwaltungsrecht schafft. Die Hürde für ein rechtmäßiges PID-Verfahren ist sehrhoch, da die Ethikkommission nicht beratend tätig wird, sondern entscheidet. Ein Untersuchungsverbot mit Ausnahmen ist aber verfassungsrechtlich nurhaltbar, wenn auch ein absolutes Verbot zulässig wäre. Dafür müsste es aber triftige Gründe geben, da es erheblich die Entscheidungsfreiheit der Frau unddie Reproduktionsfähigkeit des Paares einschränkt. Nicht die Betroffenen selbst, sondern eine Ethikkommission entscheidet (praktisch nicht mehrjustiziabel) in einer höchstpersönlichen Angelegenheit (vgl. weiter unten). Angesichts dieser hohen Eingriffsintensität der Neuregelung ist es entschei-dend, welche Untersuchungsmethoden sie erfasst. Dies ist in einer in sich konsistenten rechtlichen Systematik darzulegen.

Verbietet das neue Recht mehr als das ESchG 1991 oder erweitert es sogar die vom BGH (5. StR 386/09) als erlaubt festgestellten Untersuchungs-methoden und schafft lediglich ein Verfahren und mehr Rechtssicherheit? Dies ist mit Blick auf die hier relevanten strafrechtlichen Rechtsgüter, nämlichauf die Reproduktionsfreiheit des Paares, die Entscheidungsfreiheit und Gesundheit der Frau sowie die Unversehrtheit des In-vitro-Embryos zu erörtern.Unter dieser Sicht wird hier die äußerst komplexe Rechtslage der jeweiligen genetischen Untersuchungsmethoden aus juristischer, reproduktions-biologischer und -medizinischer sowie aus humangenetischer Sicht hin untersucht. Die Prüfung ergibt, dass sich die Neuregelung entsprechend der Defi-nition der PIDV nur auf die Untersuchung von möglicherweise noch totipotenten Zellen bezieht. Die TE-Zelle der Blastozyste in vitro ist eine sicher nichtmehr totipotente, sondern eine bereits höher differenzierte Zelle, die weder Stammzelle im Sinne des Stammzellgesetzes noch der PIDV ist. §3a ESchG unddie Regelungen der PIDV treffen für die TE-Zelle nicht zu. Verboten sind nach §2 ESchG die Entnahme und Untersuchung totipotenter Zellen, und nurausnahmsweise erlaubt sind nach §3a ESchG solche Maßnahmen an möglicherweise noch totipotenten Zellen, z. B. solchen am 8-Zell-Furchungsstadium(Tag 3 der in-vitro-Kultur). Denn es ist noch ungeklärt, zu welchem Zeitpunkt die Totipotenz bei jeder einzelnen Blastomere verlorengeht. Lediglich für dieUntersuchung an Blastomeren ist eine Antragstellung bei der Ethikkommission (s. weiter unten) erforderlich. Der Rechtsfertigungsgrund für eine PID beider Fallgruppe „Tot- und Fehlgeburt“ (§3a Abs. 2, Satz 2) erscheint bereits durch die §1 Abs. 1 Nr. 2 und §4 Abs.1 Nr.2 ESchG 1991 erfüllt. Wird hierbei eineBiopsie an TE-Zellen durchgeführt, hat §3a ESchG keine Bedeutung. Eugenische Maßnahmen sind nämlich bereits durch § 2 ESchG verboten. Der rechtlicheUmgang mit Untersuchungen auf Aneuploidien und Translokationen weiblichen (PKD) und männlichen (PID) Ursprungs muss gleichermaßen bewertetwerden. Ein Aneuploidiescreening an der TE-Zelle ist erlaubt unter der Prämisse, dass die handlungsleitende Absicht die Herbeiführung einer Schwanger-schaft nach §1 Abs.1 Nr. 2 ESchG ist. Hinsichtlich des Rechtfertigungsgrundes der Fallgruppe „Monogenetische Erbkrankheit“ (§3a Abs.2, Satz 1) gilt dieRegel, dass eine Nicht-Schwangere nicht strenger als eine Schwangere behandelt werden darf; hier wie dort ist eine individuelle Problemlösung anzustre-ben. Fragestellungen die im hypothetischen Fallvergleich bei einer Pränataldiagnostik (PND) zur Erlaubnis für einen Schwangerschaftsabbruch führen, sindfür eine PID gleichermaßen zu bewerten, und eine PID wäre zulässig. Strittig bleiben Fragestellungen die auch im Falle einer PND keine Indikation für einenSchwangerschaftsabbruch wären. In einem solchen Falle hat die Ethikkommission einen Beurteilungsspielraum. Zu bedenken ist aber, dass die Wunsch-mutter eine starke Rechtsposition hat, da ihr die zentrale Entscheidungsbefugnis für den Embryotransfer zukommt (klargestellt in §4 Abs.2. Nr. 2 ESchG).Erfolgt die Untersuchung an möglicherweise noch totipotenten Blastomeren, so werden die Rechte des Wunscheltenpaares jedoch durch die Installierung(§3a, Abs.3 Nr. 3 ESchG) und geplante Strukturierung der Ethikkommission (§§4 und 5 der geplanten PIDV) unangemessen eingeschränkt.

Diese Einschränkungen resultieren durch 1.) die paternalistisch-technokratische Bürokratisierung per se, 2.). ein Abstimmungsverfahren mit lediglicheinfacher Mehrheit und 3.) eine zu schwache Rechtsposition (nur Anfechtungsklage) für das Patientenpaar im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Damitbesteht ein gravierender Wertungswiderspruch zu §218a Abs.2 StGB. Die Inhalte dieses Konstrukts sind mit den Ideen des Grundgesetzes und der Europäi-schen Menschenrechtskonvention unvereinbar und verlangen daher nach Korrekturen seitens des Gesetzgebers. Solange die PIDV noch nicht erlassen sind,ist §3a ESchG zu unbestimmt und nicht wirksam. Es gilt die Rechtsprechung des BGH (5. StR 386/09).

Zusammenfassend ergibt sich, dass der noch zu konkretisierende §3a ESchG immer dann zum Tragen kommt, wenn – z. B. aus klinischen Gründen – einPID-Verfahren am 8-Zell-Furchungsstadium (mit noch möglicherweise totipotenten Blastomeren) notwendig erscheint. Es wäre dann ein Antrag an dieEthikkommission zu stellen. Dies träfe auch zu für Fälle, die oberhalb der Schwelle angesiedelt sind, bis zu welcher beim hypothetischen Fallvergleich demRecht der Frau mit einem erlaubten Schwangerschaftsabbruch Vorzug gegeben würde. Das Abstimmungsverfahren der Ethikkommission und die Rechts-position der Frau und des Paares muss noch an die Vorgaben des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention angepasst werden..

Schlüsselwörter: Präimplantationsdiagnostik, Embryonenschutzgesetz, PID-Rechtsverordnungen, Ordnungswidrigkeiten, Ethikkommission

1 Vorläufige von der Bundesregierung noch nicht beschlossene Fassung des Entwurfs des BMG vom 11.07.2012, inhaltlich am 14.11.2012 von der Bundesregierung beschlossen.

Eingegangen: 23. November 2012; angenommen nach Revision: 16. Januar 2013Aus 1Kiel; dem 2Centrum für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin Freiburg (CERF), Freiburg i. Br.; der 3Praxis für Humangenetik, Freiburg i. Br.; dem 4IVF-Zentrum, München und dem 5MVZ Humane Genetik, MünchenKorrespondenzadresse: Prof. Dr. jur. Monika Frommel, D-24105 Kiel, Feldstraße 65; E-Mail: [email protected]

For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH.

Page 4: Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie · Contraventions against the PIDV are not indictable, but regulatory offenses indicating that the novel regulation has form –

§3a Embryonenschutzgesetz und seine Verordnungen

J Reproduktionsmed Endokrinol 2013; 10 (1) 7

Which Examination Methods do Concern the Novel Regulation of Preimplantation Diagnosis (PID) through §3a German Embryo ProtectingLaw (Embryonenschutzgesetz, ESchG) and the By-Laws (PID-Verordnungen, PIDV) Governing the Procedure? The Federal Supreme Court ofJustice (Bundesgerichtshof, BGH) Leipzig has declared in its adjudgement of July 6, 2010 (5. StR 386/09) that the preimplantation diagnosis (PID) ontrophectoderm (TE) cells of the blastocyste is allowed according to the current law. Although therewith sufficient legal certainty has been accomplished,the legislator has not contented itself with this court judgement. Instead, it has introduced into the embryo protecting law (Embryonenschutzgesetz, ESchG)1991 the special prescription of the § 3a (PID), which has changed the system of the ESchG. The novel regulation has become effective on November 21,2011 it is, however, not implemented so far because the federal government has not exercised an authorisation in §3a para 3 sentence 3 ESchG. In addition,it has not enacted any PID by-laws (PID-Verordnungen, PIDV) regulating both the process and the installation of an ethical review committee which has tobe installed through the respective federal authorities.

Indeed, a first draft of the Federal Ministary of Health has been transmitted to the authorities and to respective societies for evaluation, however, amandatory one is still missing. Contraventions against the PIDV are not indictable, but regulatory offenses indicating that the novel regulation has form –apart from a penal share – primarily an administrative law. The barrier for a legal PID procedure is very high since the ethical review committee will not actadvisory, but decisively. A prohibition of investigation including exceptions is constitutionally tenable only in the case when an absolute prohibition wouldbe admissible. However, there must be a good reason since such a prohibition would considerably abridge couple’s autonomy of decision and reproduction.It is not the concerned person by itself, but an ethical review committee which decides in view of a very personal issue (comp. below). In light of a strongintensity of the novel regulation it is pivotal to know which examination method it compasses. This has to be shown based on a consistent judicialsystematic. Does the novel regulation prohibit more than the ESchG 1991 or does it even broaden the examination methods which have been considered asbeing permitted through the BGH (5. StR 386/09)? Does it create merely novel proceedings or more legal security? Those issues have to be reconsideredwith the here relevant penologic objects of protection in mind, such as the couple’s freedom of reproduction and the woman’s freedom of choice andhealth as well as the in-vitro embryo’s integrity. Being aware of this extremely complex legal situation the genetic examination methods will be investi-gated from the judicial, reproductive biological, reproductive medical and genetic point of view. The enquiry indicates that the novel regulation is – basedon the definition of the PIDV – referred on the examination of possibly still totipotent cells. The TE-cell of the blastocyste in-vitro is certainly not totipotentany more, but a much higher differentiated cell which is neither a steam cell according the steam cell law (Stammzellgesetz) nor the PIDV. §3a ESchG andthe regulations of the PIDV do not apply to the TE-cell. According to the §2 ESchG the removal and examination of totipotent cells are prohibited, andprocedures on possibly still totipotent cells, e. g. on those at the 8-cell cleavage stage (day 3 of in-vitro-culture), are permitted merely as an exceptionbecause it is not clarified yet, at which point of time the totipotency of each single blastomere is lost. Solely in such cases, an application for theexamination on blastomeres is required (s. below). The reason for a justification performing a PID in cases of “stillborn or miscarriage” (§3a para. 2,sentence 2) appears to be fulfilled already by §1 para. 1 no. 2 und §4 para.1 no. 2 ESchG 1991. If the TE-cells are harvested for PID, §3a ESchG does not haveany significance, eugenic procedures are namely forbidden already through § 2 ESchG. The legal handling of examination on aneuploidy and translocationsof female (polar body diagnosis) and male (PID) origin must be evaluated in equal measure. An aneuploidy screening on the TE-cell is permitted under thepremise that the predominant intention is the procurement of a pregnancy in accordance to §1 para.1 no. 2 ESchG. Regarding the reason for a justificationperforming a PID in cases of “monogenetic disorders” (§3a para.2, sentence 1) counts the rule that it is not allowed to treat a non-pregnant woman stricteras a pregnant one; in both cases, an individual resolution of the underlying problem is supposed to be pursued. Issues, which – using a hypotheticcomparison method – would lead to a permission of an artificial abortion following the prenatal diagnosis (PND), have to be evaluated in equale measurein the case of PID: therefore, a PID would be permissible. Those questions remain disputable which would not be an indication for an artificial abortion inthe case of PND. Here, the ethical review committee has got a scope of action. It has to be considered, however, that the woman desiring a child has gota strong legal position since the central authority to decide belongs to her (clarified through §4 para.2. no. 2 ESchG).

When the examination is performed on possibly still totipotent blastomeres, the couple’s rights are, however, unreasonably constrained through theinstallation (§3a, para.3 no. 3 ESchG) and the planed allocation of the ethical review committee (§§4 and 5 of the planed PIDV). These constrictions resultby 1.) the paternalistic technocratic bureaucracy per se, 2.) a voting procedure using merely a simple majority, and 3.) a too weak couple´s legal position(Anfechtungsklage) in an administrative court procedure. With that a serious contradiction of assessment exists in comparison to §218a para. 2 penal code(Strafgesetzbuch). The contents of this construct are incompatible with the ideas of the German federal constitution (Grundgesetz) and of the EuropeanConvention of Human Rights, and long for a revision on the part of the legislator. As long as the PIDV are not enacted, the §3a ESchG is too indefinite, andtherefore not operative. It counts the adjudication of the BGH (5. StR 386/09).

In conclusion, is has been shown in the present analysis that the §3a ESchG still to be substantiated always comes into effect when – because of specialclinical reasons – a PID-procedure on an 8-cell-cleavage stage (including possibly totipotent blastomeres) appears to be required. In such case, an applica-tion at the ethical review committee has to be made. This would be necessary, too, for cases being allocated above the level until which – using thehypothetic comparative method – the woman’s right would preferred using an permitted artificial abortion. The voting procedure of the ethical reviewcommittee and the woman’s and couple’s legal position has to be adjusted to the standards of the German federal constitution and the European Conven-tion of Human Rights. J Reproduktionsmed Endokrinol 2013; 10 (1): 6–17.

Key words: preimplantation diagnosis, german embryo protecting law, PID by-laws, regulatory offenses, ethical review committee

Abkürzungen: BGH: Bundesgerichtshof PID: PräimplantationsdiagnostikBVerfG: Bundesverfassungsgericht PIDV: PID-VerordnungenCGH: Comparative genetic hybridization PKD: PolkörperdiagnostikEUGH: Europäischer Gerichtshof PND: PränataldiagnostikESchG: Embryonenschutzgesetz StGB: StrafgesetzbuchGG: Grundgesetz StR: StrafregisterICM: inner cell mass StZG: StammzellgesetzOWis: Ordnungswidrigkeiten TE: TrophektodermPGS: Preimplantation genetic screening

Page 5: Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie · Contraventions against the PIDV are not indictable, but regulatory offenses indicating that the novel regulation has form –

8 J Reproduktionsmed Endokrinol 2013; 10 (1)

§3a Embryonenschutzgesetz und seine Verordnungen

Einleitung

Das gesetzliche Regelwerk zur sog.Künstlichen Befruchtung setzt ins Zen-trum seiner Ziele– die Herbeiführung einer Schwanger-

schaft (§1 Abs. 1 Nr. 2 und § 2 Abs. 2Embryonenschutzgesetz, ESchG)

– unter angemessener Wahrung der Pa-tientenrechte (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 ESchG)

– und des Embryonenschutzes (§ 2Abs. 1 ESchG).

Im Sinne des Schutzes von Embryonensind drei Anwendungsbereiche bereitsim ursprünglichen ESchG von 1991 ver-boten, und zwar– das Verwenden sicher totipotenter

Zellen (§2 Abs. 1 ESchG i. V. m. §8Abs. 2 ESchG),

– eugenische Maßnahmen (sog. „De-sign“-Baby [§1 Abs. 1 Nr. 2 und§2 Abs. 2 ESchG] sowie die generel-le Selektion eines Embryos zur Ge-schlechtswahl [§3 ESchG]) und

– die Instrumentalisierung eines In-vitro-Embryos zum Nutzen einesDritten (§1 Abs. 1 Nr. 2 und §2 Abs. 2ESchG).

Der Bundesgerichtshof (BGH) Leipzighat in seinem Urteil vom 06.07.2010 (5.StR 386/09) festgestellt, dass die Präim-plantationsdiagnostik (PID) an Troph-ektoderm- (TE-) Zellen der Blastozyste– unter den bereits oben genannten Ein-schränkungen – geltendes Recht ist, d. h.bereits vom ursprünglichen ESchG von1991 abgedeckt wird. Obgleich damitdurchaus genügende Rechtssicherheitgeschaffen worden ist, haben sich Bun-destag und Exekutive mit dieser Urteils-findung nicht zufrieden gegeben, son-dern haben das ESchG von 1991 mit derHinzufügung des §3a, des Präimplanta-tionsgesetzes neu geregelt. §3a ESchGist am 21.11.2011 in Kraft getreten undam 24.11.2011 im Bundesgesetzblattveröffentlicht worden. Es enthält einenstraf- und einen verwaltungsrechtlichenTeil. Ziel ist die effektive Kontrolle derZentren, die eine PID anbieten, um zugewährleisten, dass sie diese nur in dengesetzlich definierten Ausnahmefällenvornehmen, wobei die büro- und techno-kratischen Hürden, die damit aufgebautworden sind, hauptsächlich das Patien-tenpaar trifft. Unklar sind aber auf ver-schiedenen Ebenen die Anwendungs-bereiche, da aus den Gesetzesmateria-

lien nicht klar wird, was die Neurege-lung unter einer PID genau versteht.

Das BGH-Urteil (5. StR 386/09) zieltauf die Entnahme von TE-Zellen derBlastozyste, also am Tag 5 der Kultur invitro ab. In aller Regel wird das PID-Ver-fahren allerdings mit der Entnahme ei-ner embryonalen Tochterzelle (Blasto-mere) im 8-Zell-Furchungsstadium derembryonalen Entwicklung, also am Tag3 der In-vitro-Kultur assoziiert. DieBiopsie am 3. Kulturtag ist aber nichtunproblematisch, da nach Kenntnis derWissenschaft noch nicht geklärt ist, obmit diesem embryonalen Stadium derÜbergang von der Toti- in die Pluripo-tenz jeder einzelnen Blastomere bereitsabgeschlossen ist. Nach §2 Abs. 1ESchG i. V. m. §8 Abs. 2 ESchG ist eineUntersuchung von embryonalen Fur-chungsstadien und deren Blastomerenim Stadium der Totipotenz eine verbote-ne Verwendung eines Embryo. Ihr sub-zelluläres Entwicklungspotenzial lässtsich in diesem Stadium lichtmikrosko-pisch, d. h. unter den Standardbedingun-gen eines Assisted Reproductive Tech-niques- (ART-) Labors, nicht differen-zieren. Daher ist auch ungewiss und un-ter Juristen strittig gewesen, ob §2 ESchGdiese Untersuchungsmethode strikt ver-bietet oder ob ein solches Verbot unver-hältnismäßig wäre. §3a ESchG schließtdiese Gesetzeslücke, vermeidet es aber,die Konsequenzen dieser Neuregelungfür die nach §2 ESchG erlaubte Entnah-me und Untersuchung von TE-Zellen zunennen, wie es eigentlich das BGH-Ur-teil (5. StR 386/09) nahe gelegt hätte.Daher stellt sich die Frage, was unter„Zellen des Embryos in vitro“ im §3aAbs. 2 Satz 2 ESchG und unter „Zellen“und „Stammzellen“ in §2 PID-Verord-nungen (PIDV) gemeint ist. In der vor-liegenden Arbeit soll diese Fragestellungnachgegangen und bezüglich prakti-scher Relevanz geklärt werden.

Nach dem Wortlaut des §3a Abs. 1ESchG ist die Untersuchung von „Zelleneines Embryos“ verboten. Für zwei Fall-gruppen werden jedoch Ausnahmerege-lungen mit entsprechenden Rechtferti-gungsgründen (§3a Abs. 2 Satz 1 und 2)getroffen. Zum einen geht es um dasWunschelternpaar mit hohem Risikoeiner schwerwiegenden Erbkrankheitfür die Nachkommen (Satz 1), zum an-deren um das Wunschelternpaar mit

hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot-oder Fehlgeburt (Satz 2). Interessanter-weise hat sich das BGH-Urteil (5. StR386/09) auf die 2. Fallgruppe bezogen,Hinweis gebend darauf, dass die beidenWunschelterngruppen reproduktions-medizinisch und -biologisch, human-und molekulargenetisch und daher auchrechtlich differenziert betrachtet werdenmüssen.2

Nun wird mit §3a Abs. 3 Satz 3 ESchGdie Bundesregierung ermächtigt, mittelsRechtsverordnungen die vom Gesetz vor-gesehenen rechtmäßigen Handhabungenbezüglich Organisation und Durchfüh-rung des PID-Verfahrens im Einzelnenzu bestimmen. Das Bundesministeriumfür Gesundheit hat im Juli 2012 einenReferentenentwurf der PIDV an die je-weiligen Obersten Landesgesundheits-behörden und Verbände gesandt und an-gehört, die endgültigen Entscheidungenin den dafür zuständigen Gremien ste-hen aber noch aus (das im Folgendenverwandte Kürzel „PIDV“ betrifft alsokeine abgeschlossene Verordnung). Erstwenn diese existiert und die Länder sieumgesetzt haben, können Zuwiderhand-lungen als Ordnungswidrigkeiten (OWis)geahndet werden.

Bei der hier folgenden analytischen Be-trachtung der beiden Fallgruppen müs-sen daher neben dem Gesetz (ESchGu. a.) auch die PIDV herangezogen wer-den. Die aus der Analyse resultierendenpraktischen Konsequenzen werden dar-gelegt. Dies betrifft insbesondere dievom §3a Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 Unter-satz 2 ESchG sowie vom §4 PIDV er-stellten Vorgaben im Hinblick auf Ein-richtung, Zusammensetzung und Ver-fahrensweise einer Ethikkommission.

2 Dies unterlassen Frister und Lehmann [1], weilsie die Neuregelung historisch auslegen, also imWesentlichen den Willen der Gesetzgebung schil-dern, aber noch nicht das Gesamtsystem desESchG analysieren mit Blick auf die Grundrechteder Betroffenen. Sie meinen, die 2. Fallgruppe seizu weit und erkennen nicht, dass die 2. Fallgrup-pe aus gutem Grund weiter gefasst werden mussteals die erste und auch weit ausgelegt werdenmuss, wenn das Gesetz verfassungskonform seinsoll. Schließlich müssen die Gesundheit der Frau(schlechte Prognose) und die Reproduktionsfrei-heit des Paares angemessen beachtet werden.

Page 6: Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie · Contraventions against the PIDV are not indictable, but regulatory offenses indicating that the novel regulation has form –

§3a Embryonenschutzgesetz und seine Verordnungen

J Reproduktionsmed Endokrinol 2013; 10 (1) 9

Reproduktionsbiologische

Grundlagen und straf-

rechtliche Bewertung

Toti- und Pluripotenz, Differen-zierung der frühesten embryo-nalen ZellenDie ultimativ totipotente Zelle ist dieZygote, also das erste embryonale Stadi-um nach der Syngamie des maternalenund parternalen Vorkerns. Totipotenz istdie Kapazität einer einzelnen Zelle fürdie Entwicklung zu einem fertilen Nach-kommen [2], zu einem „Individuum“.Der Totipotenz einer Zelle folgt die Plu-ripotenz bis hin zur Unipotenz und Dif-ferenzierung in die spezialisierte Zelle[3].

Untersuchungen am Mausembryo ha-ben gezeigt, dass sich der Übergangvon der Totipotenz zur Differenzierungschrittweise, aber keineswegs symmet-risch für jede Tochterzelle (Bastomere)vollzieht [4]. In ähnlicher Weise hatsich ergeben, dass das humane 4-Zell-Furchungsstadium sowohl noch toti-wie auch schon pluripotente Blastome-ren enthält [5–8].

Wie und wann genau jede einzelne Blas-tomere ihre totipotente Kompetenz voll-ständig verliert, ist nach wie vor unge-wiss [4, 6, 8], so auch, ob dieser funktio-nelle Übergang bereits im späten 8-Zell-Furchungsstadium (am Nachmittag des3. Kulturtages) für alle Blastomeren ab-geschlossen ist oder sich für einzelnevon ihnen z. B. bis ins Morulastadium

(Tag 4 der Kultur) erstrecken könnte(Abb. 1).

Blastomeren, die ihre Totipotenz verlo-ren haben, wandeln sich dann zu einemgewissen Anteil zu pluripotenten Stamm-zellen um. Eindeutig besteht eine Pluri-potenz erst im Blastozystenstadium mitder Aufteilung der Blastozyste in ver-schiedene Zellkompartimente: in die„Innere Zellmasse“ (inner cell mass,ICM) und in die zelluläre Außenhülle,das Throphektoderm. Etwa 40 % derZellen einer Blastozyste ist die ICM, dergrößere Anteil ist dem Trophektodermzuzuordnen; insgesamt besteht die Blas-tozyste aus ca. 60, 160 bzw. 200 Zellenam Kulturtag 5, 6 bzw. 7 [11]. Zellen derICM, die Embryoblasten, genauer ge-sagt die Epiblasten, sind pluripotent [4];werden sie entnommen, bezeichnet mansie entsprechend des Stammzellgesetzes(StZG) als (humane) „embryonaleStammzelle“ (§3, Begriffsbestimmun-gen, StZG). Epiblasten können sich inalle drei Keimblätter, in Keimzellen undextra-embryonales Gewebe differenzie-ren; sie können aber keine Plazenta bil-den; insgesamt sind sie daher in derLage, sich unter geeigneten Bedingun-gen zu Zellen unterschiedlicher Spezia-lisierung zu entwickeln, jedoch nicht zueinem Individuum (Abb. 1).

Die Arbeitsgruppe um Morris et al. [4]hat am Mausembryo gezeigt, dass be-reits im 8-Zell-Furchungsstadium unter-schiedlich funktionelle Blastomerennachgewiesen werden, die sich zu Em-

bryoblasten mit verschiedener Funk-tionszuordnungen in Richtung der dreiKeimblätter (Epiblast) und des Primiti-ven Endoderms (Hypoblast) entwickeln(Abb. 1).

Der andere Teil der Blastomeren entwi-ckelt sich zu TE-Zellen (Abb. 1). Diesesind nicht nur Zellen, die sich nicht zueinem Individuum zu entwickeln vermö-gen, sondern sie haben bereits schon – imGegensatz zu den Epiblasten – die Pluri-potenz i. S. des Potenzials zur unter-schiedlichen Spezialisierung verlorenund sind auf dem Wege zur unipotentenDifferenzierung. So kann z. B. beimSäuger als molekulargenetischer Beweisder schon stark fortgeschrittenen Diffe-renzierung dieser Zellen das Fehlen derOct4-Epxression, zu der toti- und pluri-potente Zellen befähigt sind, dienen[12].

Daher sind TE-Zellen bereits präim-plantatorisch spezialisierte, sog. soma-tische Stammzellen, deren Potenzialstreng auf die Entwicklung hin zumChorion und zum Aufbau der Lakunen,d. h. zum Aufbau der Plazenta, limitiertist [9], wobei sie auf Reaktionen desmütterlichen Gewebes angewiesen sind.Somit lösen sich die TE-Zellen aufBlastozystenebene von der eigentlichenembryonalen (und späteren fetalen)Entwicklung ab, wobei sie ihrerseitsdem Embryo die Einnistung ermögli-chen, mit welcher der endokrine, nutri-tive, metabolische und immunologi-sche Kontakt mit dem mütterlichen Or-ganismus hergestellt wird.

Mit einer Biopsie am 8-Zell-Furchungs-stadium könnten daher mindestens dreipotenziell unterschiedliche Blastome-renarten [4] (Abb. 1) gewonnen werden:1.) eine noch totipotente Blastomere, dienach §8 Abs. 1 ESchG als schützenswür-diger Embryo fingiert; 2.) eine schon plu-ripotente Blastomere als Vorläuferzel-le eines pluripotenten Epiblasten, derzu „unterschiedlicher Spezialisierung“(§2, Halbsatz 3 PIDV) befähigt ist, oder3.) eine – wohl schon differenziertere –Blastomere als Vorläuferzelle der schondeutlich spezialisierten TE-Zelle. Auchals Zellverbund hat das Trophektodermkeinerlei Potenzial, sich zu einemmenschlichen Organismus zu entwi-ckeln. Daher können TE-Zellen sichernicht als Träger von Schutzansprücheni. S. des ESchG konstruiert werden.

Abbildung 1: Studien der frühesten Embryogenese der Maus zeigen, dass ein kontinuierlicher asymmetrischerÜbergang von den totipotenten Blastomeren zu den pluripotenten Epiblasten (Ausgangszellen für die drei Keimblät-ter, den Keimzellen u. a., d. h. für die eigentliche embryonale und fötale Entwicklung), zu den schon stärker differen-zierten Hypoblasten (extraembryonales Endoderm, Dottersack) und zu den deutlich differenzierten Trophektoderm-zellen (Plazenta) erfolgt; Epi- und Hypoblasten bilden die sog. „innere Zellmasse“. Die lokale Zuordnung in der Blas-tozyste zeichnet sich schon ab dem 8-Zell-Furchungsstadium ab.8-Z-Fst: 8-Zell-Furchungsstadium; 15-Z-Fst: 15-Zell-Furchungsstadium. Mod. nach [4, 9, 10]

Page 7: Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie · Contraventions against the PIDV are not indictable, but regulatory offenses indicating that the novel regulation has form –

10 J Reproduktionsmed Endokrinol 2013; 10 (1)

§3a Embryonenschutzgesetz und seine Verordnungen

ZwischenfazitNach wissenschaftlichem Kenntnisstandkann nicht ausgeschlossen werden, dassdas 8-Zell-Furchungsstadium noch ein-zelne totipotente Blastomeren enthält.TE-Zellen sind definitiv nicht mehr toti-potent, sondern schon in hohem Maßedifferenziert; sie können nicht als Trägervon Schutzansprüchen i. S. des ESchGfingieren.

Neuregelung der PID 2011–

2012 – Die Strafnorm des

§3a Abs. 1 ESchG und die

PIDV

„Wer Zellen eines Embryos in vitro vorseinem intrauterinen Transfer genetischuntersucht (Präimplantationsdiagnos-tik), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einemJahr oder mit Geldstrafe bestraft.“

Im Folgenden wird der Frage nachge-gangen, was das Verbot der Untersu-chung von „Zellen des Embryos“ (§3aAbs. 1 ESchG) genau bedeutet und wel-che Relevanz die diesbezüglich engereBegriffsdefinition der PIDV (§ 2) hat.

§2 Abs. 1 ESchG verbietet die miss-bräuchliche „Verwendung“ von Embryo-nen, also auch totipotenter Zellen, dienach §8 Abs. 1 ESchG als vollwertigeEmbryonen eingestuft werden und nachdieser Norm weder entnommen noch un-tersucht werden dürfen. Bis zur Entschei-dung des BGH (5. StR 386/09) war esumstritten, ob dieses Verbot auch gilt,wenn keine totipotenten Zellen verwen-det werden. Eigentlich hätte man die Auf-fassung vertreten können, dass es bei ei-nem Vorsatzdelikt wie §2 Abs. 1 ESchGdogmatisch ohnehin höchst fraglich ist,ob auch die Zerstörung einer nur mög-licherweise noch totipotenten Zelle unterdas Verbot subsumiert werden darf, dader Untersuchende keine totipotente Zel-le untersuchen will. Die Untersuchungvon nur möglicherweise noch totipoten-ten Zellen könnte daher eigentlich nurdurch ein Fahrlässigkeitsdelikt verbotenwerden. Aber die Gesetzgebung wollte2011 diese Streitfrage klar stellen undfügte §3a ESchG ein. Dessen Wortlaut istnun aber wieder zu weit, sodass dieRechtslage denkbar kompliziert gewor-den ist. Versuchen wir sie zu entwirren.

Legt man den Straftatbestand §3a Abs. 1ESchG wörtlich aus, dann wären alle

Untersuchungen nach dem Stadium derBefruchtung im Prinzip untersagt, da„Zellen eines Embryos“ generell untereinem Verwendungsverbot stünden. Dieskann nicht richtig sein, da die frühesteEmbryonalentwicklung – wie im vorhe-rigen Abschnitt bereits ausführlich dar-gestellt – komplexer ist, und totipotenteZellen sehr rasch die konsekutive Diffe-renzierung eingehen.

So gesehen ist der Wortlaut in §3a Abs. 1ESchG höchst unbestimmt. Die PIDVhingegen definiert den Begriff „Zelleneines Embryo“ viel enger, in direkter An-lehnung an §3 Abs. 1 Stammzellgesetz(StzG)3, und zwar wie folgt: Zellen imSinne des Entwurfs der PIDV (§2 Nr. 3)sind u. a. „Stammzellen, die a) einem invitro erzeugten Embryo entnommenworden sind und die Fähigkeit besitzen,sich in einer entsprechenden Umgebungselbst durch Zellteilung zu vermehren,und b) sich selbst oder deren Tochterzel-len unter geeigneten Bedingungen zuZellen unterschiedlicher Spezialisie-rung, jedoch nicht zu einem Individuumzu entwickeln vermögen. Die engereDefinition des §2 Nr. 3 der PIDV ent-spricht wie im Weiteren dargelegt wirdden Zielen des ESchG und wahrt auch

die Patientenrechte besser. Eine teleolo-gische (zweckmäßige und zielgerichte-te) Auslegung erfordert daher eine engeDefinition im Sinne der PIDV.

Der Verordnungsgeber des Jahres 2012orientiert sich bei seiner Begriffsdefini-tion nicht ohne Grund am StzG (§3, Be-griffsbestimmungen). Dieses Gesetz re-gelt zwar andere Sachverhalte3, aber esbetrifft ebenfalls eine verfassungsrecht-liche Grenzsituation. Es schränkt dieForschungsfreiheit ein und erlaubt nurausnahmsweise die Forschung mitembryonalen Stammzellen (§4 Abs. 2StZG), die durch eine – in Deutschlandverbotene – Zerstörung von Embryonenim Ausland gewonnen worden sind. DieEmbryoblasten haben wie beschriebenein umfassendes (pluripotentes) Ent-wicklungspotenzial (so auch die Rege-lung in §3 Abs. 1 StZG), sind aber sicherkeine Embryonen im Sinne des ESchG(totipotente oder womöglich noch toti-potente Zellen), dennoch werden die

3 Das StammzellG hat allerdings einen anderenRegelungszweck. Es bezieht sich auf die For-schung und unterliegt schon deswegen strengerenRestriktionen.

Abbildung 2: Die Indikationsbereiche für eine Präimplantationsdiagnostik (PID) werden algorithmisch nach repro-duktionsbiologischen und juristischen Gesichtspunkten unterteilt. Wird an den sicher nicht mehr totipotenten,schon stark differenzierten Trophektodermzellen (TE-Zellen) der Blastozyste ein PID-Verfahren eingeleitet, und istdie handlungsleitende Absicht die Herbeiführung einer Schwangerschaft, z. B. im Zustand nach Tot- und Fehlgebur-ten beim Wunschelternpaar, kann ein solches Verfahren nach den Maßgaben des ursprünglichen Embryonenschutz-gesetzes (ESchG) von 1991 durchgeführt werden. Hierbei spielt auch das Selbstbestimmungsrecht der Patientin(§4 Abs. 1 Nr. 2 ESchG) ein führende Rolle. Die Neuregelung nach §3a ESchG/PID-Verordnungen (PIDV) trifft nichtzu. Genauso ist unter denselben Voraussetzungen die Indikationsstellung bei der Frage monogenetischer Erkran-kungen zu bewerten, wenn die Schwelle, bis zu der bei einem hypothetischen Fallvergleich dem Recht der Frau aufeinen erlaubten Schwangerschaftsabbruch Vorzug gegeben würde (§218ff Strafgesetzbuch), nicht überschrittenist. Auch ein Screeningverfahren auf Aneuploidie des Embryos ist bei den genannten Voraussetzungen erlaubt. DieNeuregelung nach §3a ESchG/PIDV muss beachtet werden, wenn bei monogenetischen Erkrankungen die o. g.Schwelle überschritten wird, oder wenn das PID-Verfahren am 8-Zellfurchungsstadium, in dem eine Totipotenz ein-zelner Blastomeren noch möglich sein kann, angewendet werden soll. Am Embryoblasten darf wegen möglicherschwerer Schäden an der Integrität der Blastozyste kein PID-Verfahren durchgeführt werden.

Page 8: Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie · Contraventions against the PIDV are not indictable, but regulatory offenses indicating that the novel regulation has form –

§3a Embryonenschutzgesetz und seine Verordnungen

J Reproduktionsmed Endokrinol 2013; 10 (1) 11

Forschung (§2 Abs.1 ESchG; §4 Abs. 2StZG) und – noch deutlicher – die Kom-merzialisierung (Urteil des EuropäischenGerichtshofs, EuGH, vom 18.10.2010)durch europäische Patentrichtlinien re-glementiert.

Die Forschung ist also wesentlich stren-ger reglementiert als die Reproduk-tionsmedizin. So gesehen sind die Aus-nahmen vom Untersuchungsverbot in§3a ESchG nur zulässig, wenn sie Zel-len mit einem hohen Entwicklungs-potenzial betreffen. Eine Biopsie an derBlastozyste zur Gewinnung von Em-bryoblasten verbietet sich aber ausSchutz vor missbräuchlicher Verwen-dung4 (Abb. 1, 2).

Wie steht es nun um die TE-Zelle? Wieauch im Stammzellgesetz für die For-schung geregelt, ist in der Reproduk-tionsmedizin das Spektrum des Ent-wicklungspotenzials zu berücksichti-gen. Nur Zellen mit einem breit gefä-cherten Entwicklungspotenzial könnenfür fremdnützige und damit unzulässigeVerwendungen „missbraucht“ (§2 Abs. 2ESchG) werden. Dazu zählen sichernicht mehr die TE-Zellen, die bereits wiebeschrieben stark differenziert sind.Nach der hier vertretenen Ansicht ist da-her eine Trophektodermbiopsie nichtnach den Vorgaben des §3a ESchG zubewerten, da der Embryonenschutzüberhaupt nicht berührt ist, sondernnach den flexibleren Maßstäben desBGH (5. StR 386/09). TE-Zellen sindkein geeignetes Tatobjekt eines Untersu-chungsverbots. Somit ist die Trophekto-dermbiopsie sicher erlaubt, da diese Zel-len über ein derartig eingeschränktesEntwicklungspotenzial verfügen (s. o.)und ihre Entnahme – im Gegensatz zujener von Embryoblasten (ICM der Blas-tozyste) – schonend ist. Die schonendeMethode der Trophoblastenbiopsie isteines der tragenden Argumente desBGH-Urteils (5. StR 386/09) gewesen,indem sich die Richter auf die Tatsachegestützt haben, dass die Blastozystedurch die Biopsie „auch nicht mittelbargefährdet wird“.5 So gesehen macht dieDefinition der PIDV Sinn, weil sie si-

cherstellt, dass nur die Untersuchungvon den Zellen betroffen ist, die für denEmbryonenschutz relevant sind. DieNeuregelung bezieht sich also nicht aufdie TE-Zellen, da sie sicher wederStammzellen im Sinne des Stammzell-gesetzes noch solche dieser Verordnungsind. Daher betrifft auch der verwal-tungsrechtliche Teil des §3a ESchG die-se Untersuchungsmethode sicher nicht.Für eine PID mit Trophektodermbiopsiemüssen die Wunschelternpaare daherauch keinen Antrag auf Zustimmung beider zuständigen Ethikkommission stel-len (Abb. 1, 2).

Wenden wir uns nun der juristischen Wer-tigkeit der Blastomeren (im 8-Zell-Fur-chungsstadium, Tag 3 der In-vitro-Kul-tur) zu. Geht man wie hier davon aus, dassdas Untersuchungsverbot in Abs. 1 derNeuregelung weit über den Regelungs-kern von §2 Abs. 1 ESchG hinaus geht,weil es bereits die Untersuchung vonmöglicherweise noch totipotenten Zellen,also Zellen des 4- bis 8-Zell-Furchungs-stadium (allerdings mit Einschränkun-gen) verbietet, dann wird es plausibel,dass die PIDV eine Analogie zwischen §3Abs. 1 StZG und §3a ESchG herstellt. DieUntersuchung bzw. Zerstörung von Zel-len ohne Entwicklungspotenzial kannnicht verboten werden. Alles spricht alsodafür, dass „Zellen eines Embryos“ in§3a ESchG eng auszulegen sind, also imSinne der Begriffsbestimmung in §2PIDV. Nur wenn man wie in der PIDV ge-schehen den Anwendungsbereich derNeuregelung auf Untersuchungen vonBlastomeren begrenzt, entsteht ein kon-sistentes Recht der PID.6 Als missbräuch-lich verboten sind danach bereits durch§2 ESchG die Entnahme und Untersu-chung totipotenter Zellen, ausnahmswei-se erlaubt die Entnahme und Untersu-chung der möglicherweise noch totipo-tenten Blastomeren (z. B. am Tag 3 derBlastozystenkultur) durch §3a ESchG.Für die Reproduktionsmedizin verdrängt§3a ESchG als Spezialgesetz §2 ESchG.Die Neuregelung betrifft aber nur PID-Verfahren, bei denen Blastomeren schon

am Kulturtag 3 untersucht werden; diesmag in einigen Fällen klinisch begründetsein. An dieser Stelle sei aber deutlich da-rauf hingewiesen, dass die Blastomeren-entnahme am 6- bis 8-Zell-Furchungssta-dium die weitere embryonale Entwick-lung signifikant stören kann – wie eine„time-lapse-analysis“ der Embryogeneseeindeutig veranschaulicht hat [14]; ausreproduktionsbiologischer Sicht werdeninternational daher auch eine Abkehr vondiesem Verfahren und die Zuwendung zudem schonenderen Vorgehen der Blasto-zystenbiopsie beobachtet.

Wie auch immer hat die Neuregelung in§3a ESchG/PIDV bisherigen Zweifelnan der Zulässigkeit genetischer Untersu-chungen nun den Boden entzogen undein aufwändiges Zulassungsverfahrenfür die Durchführung der PID an Zellenmit hohem Entwicklungspotential etab-liert (Abb. 1, 2). Im Rückblick auf dieEntstehungsgeschichte ist daher klar,dass der Anwendungsbereich dieserneuen Regelung auch nur – wie hier be-gründet – auf die bislang strittigen Fälle,nämlich die Untersuchung an mögli-cherweise noch totipotenten Blastome-ren, beschränkt bleiben muss.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig,sich die Kompetenzen der hohen Gerich-te und des Bundesverfassungsgerichts(BVerfGs) zu den Vorgaben der Gesetz-gebung klar zu machen. Sie sind nichtwie Parlamente demokratisch legitimiertund sollen Gesetze nur auslegen, nichtverändern und auch nicht schaffen. Des-halb wird weder das BVerfG noch derEuropäische Gerichtshof (EuGH) in dasBeurteilungsermessen des Gesetzgeberseingreifen, sondern es hinnehmen, dassbeim Embryonenschutz des Guten zu-viel geregelt wurde und wird. Aber siewerden systemgerechte und in sich kon-sistente Regelungen verlangen, da ande-renfalls der Eingriff in Grundrechte, hierdie Reproduktionsfreiheit der Wunsch-eltern und die körperliche Integrität derWunschmutter, unverhältnismäßig undverfassungswidrig ist. Straf- und Ver-waltungsgerichte müssen dieses Gebotbei der Auslegung beachten und dasESchG so auslegen, dass es seinen Zie-len, eine angemessene Behandlung zuermöglichen, gerecht wird.

Es ist dies nicht die erste Rechtsfrage,die durch eine verfassungskonforme Re-striktion des ESchG gelöst werden

4 Nach der hier vertretenen Auffassung ist derGrundgedanke des §2 ESchG auf diese Konstella-tion zu übertragen.5 BGH (5. StR 386/09) Rdnr. 23 unter Verweis aufdie Darstellung in Frommel, Taupitz, Ochsner,Geisthövel in JRE 2010; 96–9.

6 Dies wird in den kürzlich publizierten Mitteilun-gen verschiedener Gesellschaften [13] übersehen.Hier wird vorgeschlagen, den Begriff der „Zelle“negativ zu definieren, nämlich als solche, dienicht mehr totipotent sind. §3a ESchG ist aberStrafrecht. Im Strafrecht muss genau definiertwerden, welches Tatobjekt der Gesetzgeber meint.Daher ist die in der PIDV gewählte Definitionnach dem Entwicklungspotenzial sinnvoll.

Page 9: Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie · Contraventions against the PIDV are not indictable, but regulatory offenses indicating that the novel regulation has form –

12 J Reproduktionsmed Endokrinol 2013; 10 (1)

§3a Embryonenschutzgesetz und seine Verordnungen

musste. Nicht zuletzt zeigt die Entschei-dung des BGH (5. StR 386/09), dassObergerichte dies verstanden haben.

ZwischenfazitAlles spricht dafür, dass „Zellen einesEmbryos“ eng auszulegen sind im Sinneder Begriffsbestimmung in §2 PIDV.Nur wenn man wie in der PIDV gesche-hen, den Anwendungsbereich der Neu-regelung auf Untersuchungen von Blas-tomeren begrenzt, entsteht ein konsis-tentes Recht der PID. Verboten sinddanach bereits durch §2 ESchG die Ent-nahme und Untersuchung totipotenterZellen, ausnahmsweise erlaubt die Ent-nahme und Untersuchung der mögli-cherweise noch totipotenten Blastome-ren (z. B. am Tag 3 der Blastozystenkul-tur) (Abb. 1, 2); dies mag in einigen Fäl-len klinisch begründet sein. Eine Biopsiean der Blastozyste zur Gewinnung vonEmbryoblasten verbietet sich aus Schutzvor missbräuchlicher Verwendung.7 EinePID-Verfahren an TE-Zellen ist hinge-gen nicht nach den Vorgaben des §3aESchG zu bewerten, da weder eine Miss-brauchsgefahr besteht noch der Embryo-nenschutz berührt ist, sondern nach denflexibleren Maßstäben des BGH (5. StR386/09).

§4 Abs. 2 Embryonen-

schutzgesetz: Rechtspo-

sition der Frau (Wunsch-

mutter) vor dem Embryo-

transfer (auch im Rahmen

der Präimplantations-

diagnostik)

Bei schwerwiegenden bzw. nicht ver-erblichen, aber genetisch bedingtenErbkrankheiten bildet die Entscheidungder Frau (Wunschmutter) nach §4ESchG eine Zäsur. Wenn sie den Trans-fer verweigert, auch unter der Bedin-gung, dass der Embryo untersucht wird,dann kann sie das tun. Sie hat keinePflicht, einen Embryonentransfer hin-zunehmen, nur weil sie die Befruchtungveranlasst hat. Auch ein Übertragungs-gebot kennt das Gesetz nicht. Eine sol-che Regelung wäre auch verfassungs-widrig. Daher darf der Arzt auch nurdann übertragen, wenn die Frau damiteinverstanden ist. Demzufolge ergibt

sich aus dem Gesamtzusammenhangder geplanten Kinderwunschbehand-lung (und der rechtlichen Regelung),dass die bedingte Einwilligung in denTransfer als lebensbejahend gewertetwird und nicht als „Selektion“ ver-dammt. Die Wunschmutter bleibt daherentscheidungsbefugt, gerade auch wenndie Untersuchung ergibt, dass der aus-gewählte Embryo eine schwerwiegendeSchädigung aufweist. Dieses Recht istsogar höher einzustufen als jenes derSchwangeren im Rahmen der §218aStGB, da bei §218a StGB das BVerfGausdrücklich die Pflicht der bereitsschwangeren Frau nach dem Gesichts-punkt der Unzumutbarkeit begrenzt(BVerfGE 88, 203, 357). Damit fällt so-wohl das Würdeargument in sich zu-sammen als auch der Vorwurf, es han-dele sich bei einer PID um eine eugeni-sche Maßnahme. Hinzu kommt, dasseine solche Argumentation ohnehinnicht die Entscheidungsfreiheit derFrau aufheben könnte. Dann würde sichnämlich – im hypothetischen Fallver-gleich – ein unerträglicher Wertungs-widerspruch ergeben, was die Normverfassungswidrig macht (s. nächsterAbschnitt).

ZwischenfazitDie Frau (Wunschmutter) genießt beimPID-Verfahren eine starke Rechtsposi-tion, da ihr auf der Basis des Schutzesihres Persönlichkeitsrechtes, klargestelltin §4 Abs 1. Nr. 2 ESchG, eine zentraleEntscheidungsbefugnis beim Embryo-transfer zukommt.

Präimplantationsdiagnos-

tik (PID) – Pränataldiagnos-

tik (PND)

Zellkerne der TE-Zellen verfügen überdas selbe Genom wie die Embryoblas-tenzellen oder Zellen des 8-Zell-Fur-chungsstadiums; sie können daher mit-tels Trophektodermbiopsie – ohne nach-haltige Schädigung der Blastozyste – ge-wonnen und im Rahmen einer PID ge-nutzt und untersucht werden (vgl. „ Neu-regelung der PID 2011–2012). Von einerPränataldiagnostik (PND), die ohne Ein-schränkungen erlaubt ist, unterscheidetsich die Untersuchungsmethode an TE-Zellen vs. an Chorionzellen nur dadurch,dass jene extrakorporale, diese intrakor-porale Zellen betrifft. Auch normativsind diese beiden genetischen Untersu-chungen sehr nahe beieinander.

Die hier empfohlenen Methode des hy-pothetischen Fallvergleichs (vgl. auchunter „Rechtfertigungsgründe …/Dieerste Fallgruppe …“ [S. 14]; „Votum derEthikkommission …“ [S. 15]) geht vonfolgendem Auslegungsprinzip aus: Re-gelungen der PID können nicht strengerausfallen als das geltende Recht der me-dizinisch indizierten Abtreibung;– ansonsten entstünden Wertungswider-

sprüche, welche aus verfassungsrecht-lichen Gründen nicht hingenommenwerden können;

– weiterhin sind der Gleichbehand-lungsgrundsatz und

– zum anderen die Tatsache, dass dieART-Patientin nicht schwanger ist, zubeachten und

– außerdem kann die ART-Patientinnach §4 Abs. 1 Nr. 2 ESchG freierdarüber entscheiden als eine Schwan-gere, ob sie das Schicksal tragenkann, mit einem behinderten Kind ihrLeben zu gestalten (wie im vorheri-gen Abschnitt und an anderen Stellenausführlich dargestellt).

Für das Gebot der Gleichbehandlung derTrophektodermbiopsie mit einer PNDsprechen noch weitere Argumente (vgl.auch „Votum der Ethikkommission …“[S.15]). Das geltende Recht geht davonaus, dass selbst ein eingenisteter unddeshalb durchaus schutzwürdiger Fötusnicht gegen die Mutter geschützt werdenkann (Straffreiheit nach der Beratungs-lösung). Bei einem Embryo in vitroist der Schutz sehr viel geringer, da essich hier sicher um keinen Grundrechts-träger handelt. Folgt man Herdegen undDi Fabio in ihren Kommentierungenzu Art. 1 Abs. 1 (Menschenwürde) undArt. 2 Abs. 2 GG (Lebensrecht)8, dannist die Strafgesetzgebung bei der Rege-

8 Herdegen in: Maunz-Dürig GG [15], Art. 1 Abs. 1Rdnr. 113: „Für die Präimplantationsdiagnostiklässt sich aus Art. 1 GG kein fest konturierter Ord-nungsrahmen ableiten“, m. w. Nachw. zu den Au-toren wie etwa Beckmann, MedR 2001, 169ff,welche dies bestreiten. Ebenso DiFabio, in:Maunz-Dürig GG, Art. 2 Abs. 2 Rdnr. 31: „DieMenschen, die sich zum Kind – d. h. für neuesLeben – entschlossen haben, sind in den Kontextdes Handelns einzubeziehen und bestimmen die-sen mit. Ihre Abwägung, ob sie in der Lage undWillens ist, diejenigen Opfer und Leistungen zuerbringen, die ein schwer gesundheitlich beein-trächtigtes Kind abverlangt, hat nichts mit einerverbotenen Instrumentalisierung menschlichenLebens und nichts mit menschenverachtender Se-lektion zu tun“, m. w. Nachw. Diese Kommen-tierung entspricht der herrschenden Meinung derVerfassungsrechtler unter Einbeziehung der euro-päischen Menschenrechtskonvention.

7 Nach der hier vertretenen Auffassung ist derGrundgedanke des §2 ESchG auf diese Konstel-lation zu übertragen.

Page 10: Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie · Contraventions against the PIDV are not indictable, but regulatory offenses indicating that the novel regulation has form –

§3a Embryonenschutzgesetz und seine Verordnungen

J Reproduktionsmed Endokrinol 2013; 10 (1) 13

lung der Reproduktionsmedizin frei.Zwar gebiete es die Verfassung, allenFormen des menschlichen Lebens mitAchtung zu begegnen, aber die jeweili-gen Rechtsordnungen haben insoweitsehr unterschiedliche Formen gefunden,diese Achtung zum Ausdruck zu brin-gen. Es gibt kein verfassungsrechtlichesGebot, einen Embryo, der ja ohne denTransfer keine Chance hat, sich weiterzu entwickeln, wie einen Fötus zu schüt-zen.

Daher kann auch keine Frau mit Kinder-wunsch dazu gezwungen werden, unbe-sehen ein Risiko einzugehen, das ineinem medizinisch indizierten Schwan-gerschaftsabbruch enden kann. Gegendieses sowohl verfassungsrechtlich alsauch durch das einfache Recht gesicher-te Rechtsposition der Frau wird seit Jahr-zehnten mit durchaus fragwürdigen Ar-gumenten (z. B. „Menschenwürde derZygote“) gekämpft. Eine höchst undif-ferenzierte Status-Debatte hat denn auchseit 20 Jahren vergeblich ungleicheSachverhalte diskutiert und verkannt,dass der Menschenwürdeschutz des Em-bryos, wie später noch detaillierter dar-gelegt (s. unter „Votum der Ethikkom-mission …“ [S. 15]), kein Abwehrrechtdarstellt, sondern allenfalls mittelbarwirken kann. Im Unterschied zum Em-bryo in vitro ist der Schutz des einge-nisteten Fötus stärker, aber selbst dieserkann keinen absoluten Schutz gegen dieSchwangere beanspruchen. Vorgeschrie-ben wird lediglich ein Verfahren, demsich die Frau unterziehen muss. Auch dieNeuregelung des §3a ESchG beschränktsich auf ein Verfahren. Aber im Unter-schied zu den §§218ff Strafgesetzbuch(StGB) wird das Entscheidungsrecht derFrau und die Reproduktionsfreiheit desPaares einer heteronomen Entscheidungeiner Ethikkommission untergeordnet(s. unter „Votum der Ethikkommission…“ [S. 15]). Dieser Wertungswider-spruch ist zu beachten.

Rechtspolitisch bleiben unsachliche Mo-ralisierungen nicht folgenlos, aber instrittigen Fällen angerufene Gerichtehaben bislang immer wieder eine konsis-tente und systemgerechte Lösung ge-wählt. So gesehen ist es nicht verwunder-lich gewesen, dass der BGH (5. StR 386/09) den Freispruch des Berliner Landge-richts gehalten hat. Eines der tragendenArgumente des BGH-Urteils (5. StR 386/09) lautete, dass die Untersuchungen von

Zellen zum Zwecke der Identifikationvon chromosomalen Defekten undImbalanzen nicht „missbräuchlich“ sei,da der Sinn der Wunschkindbehandlungdie Schwangerschaft (§1 Abs. 1, Nr. 2ESchG), letztendlich die Geburt eines ge-sunden Kindes sei. Wenn eine solche Be-handlung erlaubt werde, dann ergebe sichaus dem „Gesamtzusammenhang“ dermit dem ESchG insgesamt verfolgtenZiele die Pflicht des Rechtsanwenders,die Gesetze konsistent auszulegen; zuweit geratene Begriffe (wie etwa „ver-wenden“ in §2 Abs. 1 ESchG ) seienverfassungskonform in ihren rechtlichenAuswirkungen zu reduzieren und Ausle-gungen zu wählen, welche die Repro-duktionsfreiheit der Frau und des Paaresnicht unangemessen beschränken.9 DerBGH (5. StR 386/09) hat es lediglich of-fen gelassen, ob die nicht zur Entschei-dung vorgelegte Konstellation der Unter-suchung einer möglicherweise noch toti-potenten Blastomere (s. oben) ebenfallsrechtlich unverfänglich sei.10 Im Folgen-den gehen wir davon aus, dass die Neu-regelung mit dem §3a ESchG lediglichzur Klärung dieser vom BGH (5. StR 386/09) offen gelassenen Sachverhalte, wiebereits oben ausführlich dargestellt sinn-voll war.

ZwischenfazitDie Trophektodermbiopsie ist nach §2ESchG seit 1991 erlaubt. Eine Nicht-Schwangere, die nach der Verfassungund §4 ESchG das volle Entscheidungs-recht hat, darf bei einer PID nicht stren-ger behandelt werden als eine im frühenoder gar fortgeschrittenen StadiumSchwangere, welche nach PND einenSchwangerschaftsabbruch verlangenkann. Untersuchungen von Zellen zumZwecke der Identifikation von chromo-

somalen Defekten und Imbalanzen sindnicht „missbräuchlich“, da der Sinn derWunschkindbehandlung die Herbeifüh-rung einer Schwangerschaft ist. DieReproduktionsfreiheit der Frau und desPaares darf nicht unangemessen be-schränkt werden (Abb. 2).

Polkörperdiagnostik (PKD)

und PID – Welche rechtli-

chen Unterschiede beste-

hen?

Eine PKD wird zeitlich vor Vollendungdes Befruchtungsvorgangs (Syngamie)und damit juristisch vor den rechtlichenBeschränkungen des ESchG durchge-führt. Das machte sie angesichts der frü-her vertretenen rechtlichen Sicht attrak-tiv, obgleich sie klinisch gesehen denNachteil hat, dass nur das mütterlicheGenom auf genetische Veränderungenhin untersucht werden kann. Das Risiko,das mit der die Eizelle imprägnierendenSamenzelle auch chromosomale Imba-lanzen (Aneuploidien, Translokationen)des männlichen Genoms weitergegebenwerden können, wird dabei außer Achtgelassen. Auch ist das Zeitfenster, d. h.das Entwicklungsintervall von der 2-Vorkern-Zelle (2-Pronuclei-Zelle, 2-PN-Zelle) zum 2-Zell-Furchungsstadiumsehr klein. Eine angemessene Beratungund Behandlung des Wunschelternpaa-res setzt aber voraus, dass neben mütter-lichen auch väterliche Aneuploidien undTranslokationen erkannt werden kön-nen. Eine gerade publizierte amerikani-sche Studie [16] hat gezeigt, dass beiWunschelternpaaren mit idiopathischemhabituellem Abort ein „preimplatationgenetic screening“ (PGS) mittels „com-perative genetic hybridization“- (CGH-)Array-Analyse, also ein umfangreichesAneuploidiescreening der In-vitro-Blas-tozyste, zu einer signifikanten Erniedri-gung der Abortrate im Vergleich zu dereigentlich erwarteten Abortrate geführthat.

Ein ähnlicher Untersuchungsaufbau ei-ner anderen Studie [17] wies ebenfallseine deutliche Erniedrigung der Abort-rate beim generellen ART-Verfahren auf.Allerdings kann zum jetzigen Zeitpunktnoch nicht ausgesagt werden, dass die-ses methodische Vorgehen gegenüberdem ART-Verfahren unter Einsatz einerPKD von Vorteil sei, da keine verglei-chenden Untersuchungen vorliegen.

9 Dazu später noch mit Blick auf den verfassungs-rechtlichen Kontext.10 Sicher legal war daher nur die von Dr. med.Matthias Bloechle (Berlin) gewählte Methode.Das am 21.06.2012 geborene Kind ist daher daserste Kind, das nach einer sicher legalen PID –auf der Website als „array compartive genetichybridization“ (CGH) benannt – geboren wurde.Da diese Methode zunehmend als angemesseneingestuft wird, hätte es nach dieser Klarstellungdurch den BGH keiner gesetzlichen Regelung be-durft. Zentren, welche PID durchführen wollen,hätten lediglich diese Methode erlernen müssen.Sollte die hier vertretene Rechtsauffassung zu-treffend sein, dann müssen sie sich auch künftignicht einer Ethik-Kommission stellen, da diesenur die problematische Biopsie von Blastomerenzu begutachten hat (s. „Neuregelung der PID2011–2012 …“ [S. 10]).

Page 11: Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie · Contraventions against the PIDV are not indictable, but regulatory offenses indicating that the novel regulation has form –

14 J Reproduktionsmed Endokrinol 2013; 10 (1)

§3a Embryonenschutzgesetz und seine Verordnungen

Der Nutzen liegt also auf der Hand. We-der ethisch noch rechtlich ist einzu-sehen, wieso Aneuploidien oder Trans-lokationen, welche im väterlichen Ge-nom ihren Ursprung haben, oder auchspontane Aneuploidien der Samenzellenbzw. Aneuploidien, die erst nach denersten Zellteilungen entstehen, uner-kannt bleiben sollen. Bis zur BGH-Ent-scheidung (5. StR 386/09) wurde ange-führt, dass das ESchG jede PID, alsoauch ein Aneuploidiescreening, das erstnach der Befruchtung durchgeführt wer-den kann, kategorisch verbiete. DiesesArgument ist nun hinfällig. Es gibt nureinen Grund, mütterliche und väterlicheImbalanzen der Chromosomen nach un-terschiedlichen normativen Kriterien zubehandeln, nämlich dann, wenn man aufdem Standpunkt steht, dass jede PID dieUnversehrtheit des Embryos berühre,die PKD hingegen nicht, da sie vor Ab-schluss der Befruchtung, d. h. vor Bil-dung eines neuen menschlichen Genomsdurchgeführt werde. Aber auch diesesArgument ist falsch. Zwar wird bei einerTrophektodermbiopsie unstrittig einEmbryo untersucht, aber auf eine denEmbryoblasten schonende Weise. Esgibt also – ethisch und rechtlich gesehen– keinen Grund, beide Untersuchungenunterschiedlich zu behandeln. Beide Un-tersuchungen tangieren den Lebens-schutz nicht, geben der Frau und demPaar aber die Information, die sie benöti-gen, um sich informiert auf der Basis derim §4 Abs. 1. Nr. 2 ESchG der Wunsch-mutter zugestandenen Rechtsposition(s. o.) zu entscheiden. Zu klären ist künf-tig lediglich die Kostentragungspflicht,aber diese Thematik muss zu einem an-deren Zeitpunkt gesondert behandeltwerden.

Nach der hier vertretenen Auslegung istdie vom BGH (5. StR 386/09) entschie-dene Fallgruppe nach wie vor nach §2Abs. 1 ESchG zu beurteilen (Abb. 2).§3a ESchG hat sogar die Tendenz derGesetzgebung gefestigt, eine PID immerdann zu erlauben, wenn das Ziel derUntersuchung zugleich auch ein wesent-licher Bestandteil der Kinderwunsch-behandlung ist, nämlich möglichst ohnevermeidbare Belastungen ein gesundesKind zu bekommen.

Zu bedenken ist aber, dass sich schon beiden gegenwärtig angewendeten Metho-den (array CGH) Überschussinforma-tionen ergeben, die ja selbst schon im

Rahmen der PND zutage treten; unterVerwendung anderer Techniken wiez. B. der „next generation sequenzing-“Methode werden diese Überschussinfor-mationen noch um vieles umfangreicher.Diese Informationen dürfen aber nichtfür eine eugenisch motivierte Auswahlberücksichtigt werden. Ein solches diag-nostisches Verfahren wäre als miss-bräuchlich nach §2 ESchG strafbar, weilauch im Rahmen einer Trophektoderm-biopsie eine eugenisch motivierte Aus-wahl nicht stattfinden darf. Im Übrigenwären bei einer solchen Vorgehensweiseaber auch noch andere Strafnormen desESchG verletzt, da dann das handlungs-leitende Ziel nicht die Herbeiführungeiner Schwangerschaft (§1 Abs.1 Nr. 2ESchG) ist, sondern die vom ESchGnicht mehr gedeckte willkürliche Em-bryonenauswahl nach Gesichtspunkten,welche inakzeptabel erscheinen (z. B.Selektion von Embryonen auf Verlangender Wunscheltern im Hinblick auf soma-tische oder intellektuelle Veranlagungendes Nachkommen; „Design“-Baby) (vgl.„Einleitung“ [S. 8]).

ZwischenfazitEin Aneuploidiescreening ist erlaubt,wenn es im Rahmen einer Trophekto-dermbiopsie erfolgt, und die handlungs-leitende Absicht die Herbeiführung einerSchwangerschaft (BGH 5StR 386/09)(Abb. 2) ist. Hiermit kann die Fehlgebur-tenrate deutlich gesenkt werden. Diesschützt die Gesundheit der Frau und da-mit ein Rechtsgut, dessen Vorrang unbe-stritten ist. Damit stellt sich aber die Fra-ge nach der Gleichbehandlung von PKDund PID, wenn keine Trophektoderm-biopsie, sondern eine andere Methodegewählt wird. Dies soll noch kurz spätererörtert werden.

Rechtfertigungsgründe

für die von §3a ESchG

erfassten Untersuchungs-

methoden

Wie bereits in der Einleitung dargelegt,werden für zwei Fallgruppen Ausnahme-regelungen mit entsprechenden Recht-fertigungsgründen getroffen.

Die erste Fallgruppe der Aus-nahmen ist in §3a Abs. 2,Satz 1 ESchG normiert„Besteht aufgrund der genetischen Dis-position der Eltern oder eines Elternteiles

für deren Nachkommen eine hohe Wahr-scheinlichkeit für eine schwerwiegendeErbkrankheit, handelt nicht rechtswidrig,wer zur Herbeiführung einer Schwanger-schaft nach dem allgemein anerkanntenStand der medizinischen Wissenschaftund Technik einen Embryo in vitro vordem intrauterinen Transfer auf die Ge-fahr dieser Krankheit untersucht.“

Satz 1 ist eine relativ eng gefasste Er-laubnis. Erlaubt sind danach genetischeUntersuchungen, um auf Verlangen derFrau eine schwerwiegende Erbkrankheitdes zukünftigen Kindes zu vermeiden.Hat die Ethikkommission ablehnend vo-tiert, kann entsprechend §6 Abs. 5 PIDVdas Gericht, das über die Strafbarkeit zuentscheiden hat, nach Einholung einesSachverständigengutachtens bewerten,ob der Konflikt für die Frau und ihre Fa-milie „schwerwiegend“ ist. Dabei wirdes sich hypothetisch an Fallgruppen ori-entieren, die nach PND bei einem indi-zierten Schwangerschaftsabbruch erfah-rungsgemäß auftreten und in diesem Re-gelungsbereich zu einer ärztlichen Indi-kation des Schwangerschaftsabbruchführen (Methode des hypothetischenVergleichs der PID mit der PND) (vgl.„PID-PND“ [S. 12]; „Votum der Ethik-kommission …“ [S. 15]).

Teleologisch (Auslegung nach der Ziel-setzung des Gesetzes) basiert diese Fall-gruppe auf dem Gedanken, dass eineSchwangerschaft auf Probe unzumutbarist. Die Frau mit Kinderwunsch antizi-piert eine Situation, in der sie nach demgeltenden Abtreibungsrecht die Schwan-gerschaft beenden kann, da die Voraus-setzungen für eine medizinische Indika-tion gegeben sind. Die Methode des hy-pothetischen Fallvergleichs fragt nachder Gesamtsituation einer Schwangeren,die nach einem positiven Befund derPND einen Schwangerschaftsabbrucherwägt. Dies hat den Vorteil, dass auchbei einer PID nicht ausschließlich em-bryopathisch gedacht wird, sondern dieZumutbarkeit einer Schwangerschaftauf Probe in den Blick kommt. Es sinddann in einem ersten Schritt dieselbennormativen Maßstäbe anzulegen wie beieinem Schwangerschaftsabbruch nachPND. Dies heißt nichts anderes, als dasseine Entscheidung nur nach intensiverindividueller und persönlicher Beratungerfolgen sollte. Daher kann es keine sichverfestigenden Listen von Erbkrankhei-ten geben, und es können auch Erkran-

Page 12: Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie · Contraventions against the PIDV are not indictable, but regulatory offenses indicating that the novel regulation has form –

§3a Embryonenschutzgesetz und seine Verordnungen

J Reproduktionsmed Endokrinol 2013; 10 (1) 15

kungen wie die Trisomie 21, obgleichnicht vererbt, einbezogen werden, da de-ren Folgen für die Frau und das Paargleich schwer wie eine Erbkrankheitwiegen können. Der im Gesetz verwen-dete Begriff „Erbkrankheit“ ist daher nurein Synonym für einen beachtlichenKonflikt der Frau und des Paares, der ei-ner individuellen Lösung zugeführt wer-den muss. Es ist nach der Schwelle zusuchen, bis zu der bei einem hypotheti-schen Fallvergleich dem Recht der Frauauf einen erlaubten Schwangerschafts-abbruch Vorzug gegeben würde (vgl.„PID-PND“ [S. 12]; „Votum der Ethik-kommission …“ [S. 15]). Weiterhin istzu bedenken, dass die Frau noch nichtschwanger ist und damit auch noch kei-ne Pflichtenstellung gegenüber dem Em-bryo hat (§4 Abs. 1, Nr. 1). Ihre Situationkann großzügiger bewertet werden. Ver-boten ist aber eine Embryonenauswahlnach eugenischen Gesichtspunkten (z. B.Schönheitsideal, Intelligenz, Geschlechtaus familienplanerischen Gründen etc;vgl. „Einleitung“ [S. 8] und vgl. auch indiesem Abschnitt weiter oben).

ZwischenfazitBedeutsam wird das Votum einer Ethik-kommission also nur bei der Untersu-chung von Zellen mit breit angelegtemEntwicklungspotenzial (Totipotenz, Blas-tomere im 8-Zell-Furchungsstadium)und in Fällen, die oberhalb der Schwelleangesiedelt sind, bis zu der beim hypo-thetischen Fallvergleich dem Recht derFrau mit einem erlaubten Schwanger-schaftsabbruch Vorzug gegeben würde(Abb. 2). In diesen Fällen hat die Ethik-kommission einen Beurteilungsspiel-raum. Noch aber gibt es keine kasuisti-sche Erfahrung, wie Grenzfälle rechtlichzu bewerten sind. Bei eindeutigen Fäl-len, bei denen nach einer PND ein medi-zinisch indizierter Schwangerschafts-abbruch rechtmäßig wäre, muss dieEthikkommission einer PID zustimmen.

Die zweite Fallgruppe wird in§3 a Abs. 2, Satz 2 wie folgtgeregelt„Nicht rechtswidrig handelt auch, wereine Präimplantationsdiagnostik zurFeststellung einer schwerwiegendenSchädigung des Embryos vornimmt, diemit hoher Wahrscheinlichkeit zu einerTot- oder Fehlgeburt führen wird.“

Es ist dies eine erheblich weiter gefassteErlaubnis, die auf einer Prognose beruht.

Es genügt nicht, dass die Frau ein gewis-ses Alter und damit eine statistisch er-höhte Rate von Fehl- oder Totgeburtenhat. Entscheidend ist vielmehr eine indi-viduelle Indikation, an die allerdingskeine allzu hohen Maßstäbe zu stellensind, da es darum geht, der Frau und da-mit auch dem Paar Fehlgeburten undTotgeburten zu ersparen und gemäß §1Abs. 1 Nr. 2. ESchG auf die Herbeifüh-rung einer (fortlaufenden) Schwanger-schaft abzuzielen.

Auch bei dieser Fallgruppe der chromo-somalen Imbalanzen (Aneuploidien,Translokationen) unterstellen wir für dieAuslegung der Neuregelung, dass nichtTE-Zellen untersucht werden sollen, danach der hier vertretenen Rechtsansichtdann ohnehin §3a ESchG nicht anzu-wenden ist (vgl. unter Neuregelung).Eine solche Situation könnte aus klini-scher Sicht eintreten, wenn im individu-ellen Fall die Kultivierung bis hin zumBlastozystenstadium nicht sinnvoll wäre.Das Problem ist aber auch dann dieGleichbehandlung von PKD und PID(vgl. „Polkörperdiagnostik und PID“),denn auch bei dieser Untersuchungs-methode kann kein normativer Unter-schied gemacht werden, ob chromoso-male Imbalanzen mütterlichen oderväterlichen Ursprungs sind. Verwiesenwerden soll an dieser Stelle auf ver-fassungsrechtliche Vorgaben. Zu fragenist, was eigentlich mit Argumenten wie„Lebensschutz“ des Embryos in vitround „Menschenwürdeschutz“ gemeintist. Tragen sie rechtlich oder werden sieverfassungspolitisch in dem ideologi-schen Sinne verwendet, dass der Ein-druck erweckt wird, der demokratischeGesetzgeber sei gehindert, ein angemes-senes und konsistentes Recht der Fort-pflanzungsmedizin zu schaffen. Hin-derungsgründe sind – das sollte hier be-tont werden – nicht das Grundgesetz undschon gar nicht die Charta der EU-Grundrechte, sondern die verfassungs-politisch getarnten Moraldebatten dervergangenen Jahrzehnte.

ZwischenfazitWerden für die zweite Fallgruppe TE-Zellen untersucht, ist das ursprünglicheEschG von 1991 und nicht die Neurege-lung nach §3a ESchG anzuwenden.Auch wenn Blastomeren untersuchtwürden, ist eine Gleichbehandlung vonPKD und PID zu fordern (s. auch „Pol-körperdiagnostik und PID“ [S. 13]).

Ordnungswidrigkeiten

Psychosoziales Beratungsan-gebot und Aufklärungspflichtnach §3a Abs. 3 Nr. 1 ESchG„Eine Präimplantationsdiagnostik nachAbsatz 2 darf nur nach Aufklärung undBeratung zu den medizinischen, psychi-schen und sozialen Folgen der von derFrau gewünschten genetischen Untersu-chung von Zellen der Embryonen, wobeidie Aufklärung vor der Einholung derEinwilligung zu erfolgen hat […], vorge-nommen werden.“

Dabei handelt es sich um ein Angebot,welches die jeweilige Frau auch ableh-nen kann; dieser Passus ist als interdiszi-plinäres Beratungsangebot jenem imSchwangerschaftskonfliktgesetz (2010)anzugleichen.

Antrag auf Durchführung einerPID nach §3a Abs. 3 Nr. 2EschG und §5 PIDVEine genetische Untersuchung durcheine nicht zugelassene Einrichtung und/oder ohne positives Votum einer Ethik-kommission kann unter den Erlaubnis-tatbestand fallen, erfüllt aber dennochden Tatbestand der in der PIDV konkre-tisierten Ordnungswidrigkeit (OWI).Solange diese RVO noch nicht erlassenist, sind aber die Voraussetzungen nichtgegeben und die entsprechenden OWI-Tatbestände zu unbestimmt. Eine Sank-tionierung ist also abhängig von exekuti-vem Recht, im vorliegenden Fall derPIDV und deren Umsetzung durch dieLänder.

Votum der Ethikkommissionnach §3a Abs. 3 Nr. 2 EschGund §6 PIVDWie bereits eingangs erwähnt, hat dieEthikkommission eine erhebliche Be-deutung. Zwar ist diese Institution inter-disziplinär zusammengesetzt und trägtden irreführenden Namen „Ethik“-Kom-mission, sie soll jedoch rechtlich ent-scheiden, was bedeutet, dass sie die un-bestimmten Rechtsbegriffe der Aus-nahmetatbestände in §3a ESchG/PIDVauszulegen hat; sinnigerweise sollenentsprechend §4 Abs. 1 PIDV von den8 Mitgliedern der Ethikkommissionzwei Sachverständige der Fachrichtung„Ethik und Recht“ angehören, was auchimmer dies heißen mag. Bei der erstenFallgruppe wird die Ethikkommissionim Rahmen des Merkmals „schwerwie-

Page 13: Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie · Contraventions against the PIDV are not indictable, but regulatory offenses indicating that the novel regulation has form –

16 J Reproduktionsmed Endokrinol 2013; 10 (1)

§3a Embryonenschutzgesetz und seine Verordnungen

gend“ die Zumutbarkeit für die Frau unddas Paar zu beachten haben, da dies dertragende Gesichtspunkt in §218a Abs. 2StGB (medizinisch indizierter Schwan-gerschaftsabbruch) ist. Erneut ist hierdie Methode des hypothetischen Fallver-gleichs (vgl. unter „PID-PND“ [S. 12];„Rechtfertigungsgründe …/Die ersteFallgruppe …“ [S. 14]) heranzuziehen.

Wie auch immer wird insbesondere beider zweiten Fallgruppe, den Aneuploi-dien und Translokationen, ohnehin eineTrophektodermbiopsie zu empfehlensein, sodass sich die Problematik auf dieFrage der Kostentragungspflicht derKrankenkassen verlagert.

Das Verfahren wird durch die PIDV derBundesregierung geregelt (§3a Abs. 3Nr. 2 ESchG). Strategisch wichtig für dievorgesehene Kontrolle ist die Einschal-tung einer vom Lande zu bestimmendenEthikkommission (§4 PIDV). Dieses– wie schon erwähnt – interdisziplinär zu-sammengesetzte Gremium prüft dieRechtmäßigkeit des Anliegens, also nichtdie ethische Vertretbarkeit, und gibt einzustimmendes oder ablehnendes Votumab (§6 PIDV). Dessen praktische Bedeu-tung ist sehr hoch. Endet die Prüfung miteinem positiven Votum, dann gibt diesÄrzten und Genetikern Rechtssicherheit.Sie können sicher sein, dass sie in keinstrafrechtliches Ermittlungsverfahren ver-wickelt werden. Hingegen hat ein ableh-nendes Votum, das mit einfacher Mehr-heit zustande kommt (§6, Abs. 3 Nr. 4PIDV), für das Paar erhebliche Konse-quenzen. Unter anderem dieser Folgenwegen sind die Kompetenzen der Kom-mission in der PIDV relativ eng gefasst.Sie darf also lediglich prüfen, ob die inAbsatz 2 des ESchG geregelten Erlaub-nistatbestände im Einzelfall – unter Be-rücksichtigung der Zumutbarkeit für dieFrau und das Paar – auch tatsächlich ge-geben sind. Streng genommen hat dieEthikkommission also die Funktion eineröffentlichen Behörde, die am Ende ihrerPrüfung (welche drei Monate dauerndarf) einen Verwaltungsakt erlässt. Gegeneine Ablehnung kann das Paar am Endevor einem Verwaltungsgericht klagen.11

Die Kombination von Strafrecht undVerwaltungsrecht ist zwar bei einemUntersuchungsverbot, das sich an Ärzteund Humangenetiker richtet, nachvoll-ziehbar. Sie verschiebt die Kontrollevom Strafrecht ins Verwaltungs- undArztrecht. Vordergründig erscheint diesvorzugswürdig, aber eine solche Sichtverkennt, dass Strafrecht auf den erstenBlick „paradox“ interveniert. Es ist zwareingriffsintensiv, muss aber gerade des-wegen präziser sein als Verwaltungs-recht und Freiheitsrechte stärker beach-ten. Verwaltungsrecht hingegen ist eherordnungspolitisch und lässt Hoheitsträ-gern im Allgemeinen nicht unerheblicheBeurteilungsspielräume. Diese könnendann auch zulasten der Bürger ausgefülltwerden. Im Strafrecht hingegen giltnicht nur der Grundsatz in dubio pro reo,sondern auch das Gebot der Bestimmt-heit der Tatbestände und das Verbot einerAnalogie zulasten des Beschuldigten.Für Patienten ist die Regelung also eherbelastend. Sie haben keine Rechtssicher-heit, sondern müssen hoffen, dass dieEthikkommission ihren Argumentenfolgt. Klagen sie, dann wird das angeru-fene Verwaltungsgericht eher die Wer-tung der Kommission für vertretbar er-klären, zumal diese mit der Zeit lernen,wie sie ihre Bewertung so begründen,dass sie nicht aufgehoben wird.

Völlig neu und ungewöhnlich ist daherdie Konstruktion, dass eine Ethikkom-mission zum Hoheitsträger wird undderartig weitreichende Eingriffsbefug-nisse erhält. Sie wird ermächtigt, inhöchst sensible Grundrechte wie die Re-produktionsfreiheit eines Paares einzu-greifen, noch dazu unter höchst unklarenund auslegungsbedürftigen Vorausset-zungen. Die Gesetzgebung hat dieseProblematik zwar im Juli 2011 in Kaufgenommen, der Verordnungsgeber hatsich aber seit mehr als einem Jahr Zeitgelassen, um die Rechtsverordnung zuerlassen und zu debattieren; verabschie-det ist sie noch immer nicht. Der Web-fehler des neu gefassten §3a ESchG wirdsowohl die Umsetzung als auch die In-terpretation der Verbots- und Erlaubnis-tatbestände prägen. Nicht ohne Grund

nannte Bernhard Schlink im SPIEGELvom 21. Juni 2011 alle Entwürfe – alsoauch den Gesetz gewordenen gemäßig-ten – unerträglich paternalistisch. DieVermischung von ethischer Debatte undhoheitlichem Handeln ist nicht nur juris-tisch schwierig, sondern wird die Debat-ten um PID nicht zur Ruhe kommen las-sen. Hier sollte interdisziplinär analy-siert und rational aufgelöst werden, waszu entwirren der Gesetzgebung nicht ge-lungen ist.

Selbstverständlich macht es Sinn, dassdie Konflikte einer Schwangeren ineinem Vertrauensverhältnis („ärztlicheErkenntnis“) mit einem Arzt, den sie sichselbst aussuchen kann, behandelt wer-den (§218a Abs. 2 i. V. m. dem Anspruchder Schwangeren nach §2a Abs. 2Schwangerschaftskonfliktgesetz inter-disziplinär beraten zu werden). Daher istes auch höchst bedenklich, dass sich imGegensatz dazu das Wunschelternpaarnach schriftlicher Antragstellung ineinem unpersönlichen Rahmen einerihm unbekannten Ethikkommission stel-len muss, von deren Votum es weitge-hend und fremdbestimmt abhängig ist.Dies mag einem büro-technokratisch-juristischen Spießrutenlaufen gleich-kommen, für das es in der Medizin kei-nen Vergleich gibt und welches mit denIdeen des Grundgesetzes und der Euro-päischen Menschenrechtskonventionunvereinbar ist.

ZwischenfazitDie PID-Ethikkommission, ein interdis-ziplinäres Gremium, ist eine öffentlicheBehörde, die mit einfacher Mehrheiteinen Verwaltungsakt erlässt. Strafrechtgeht in Verwaltungsrecht über. Somitsteht das Wunschelternpaar einem Ho-heitsträger mit weitreichenden, paterna-listisch anmutenden Befugnissen gegen-über. Zu fordern ist daher, dass das Ab-stimmungsverhältnis geändert und demWunschelternpaar – statt der Möglich-keit zur Anfechtungsklage – das Rechteiner die Entscheidung der Ethikkom-mission ersetzenden Verpflichtungskla-ge eingeräumt wird.

Zusammenfassender

Kommentar und Ausblick

Strafrechtliche Rechtsgüter des ESchGsind die Reproduktionsfreiheit einesPaares, die Gesundheit der Frau und dieder transferierten Embryonen. Grund-

11 Der vorläufige Entwurf vom 11.07.2012 sieht lediglich eine Anfechtungsklage vor (§6 Abs. 5 PIDV),was bedeutet, dass die Ablehnung der Ethikkommission aufgehoben, aber nicht durch das Verwaltungs-gericht ersetzt werden kann. Letzteres könnte nur durch eine Verpflichtungsklage erreicht werden. Aberauch bei einem verbesserten Rechtsschutz sind praktisch das Entscheidungsrecht der Frau und dieReproduktionsfreiheit des Paares unangemessen eingeschränkt. Die Normunterworfenen werden dahergeradezu ermuntert in Länder auszuweichen, die eine liberalere Praxis haben.

Page 14: Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie · Contraventions against the PIDV are not indictable, but regulatory offenses indicating that the novel regulation has form –

§3a Embryonenschutzgesetz und seine Verordnungen

J Reproduktionsmed Endokrinol 2013; 10 (1) 17

rechtsträger sind Embryonen nicht, aberes ist der Achtungsanspruch, den sichentwickelndes menschliches Leben ver-dient, angemessen zu berücksichtigen.Diese Haltung drückt sich im Verbot dermissbräuchlichen Verwendung von Em-bryonen aus und erklärt die Redeweisevom „Missbrauch“ an und für sich er-laubter Behandlungsmethoden. Verfas-sungsrechtlich abgesichert ist selbst die-se Missbrauchskontrolle nur schwach,da im Gegensatz zur Rechtsprechungzu den §§218ff StGB die noch nichtschwangere Frau die volle Freiheit hat,sich ohne staatlichen Zwang für odergegen das Leben zu entscheiden. IhrGrundrecht ist in §4 ESchG lediglicheinfach gesetzlich klargestellt. Dies be-deutet, dass nach den Vorgaben der Ver-fassung ihre Entscheidung nicht nurtoleriert wird. Die Auslegung des ESchGhat sich vielmehr daran zu orientieren,dass sie das hochrangige Grundrecht hat,den Transfer ganz zu verweigern oderBedingungen zu stellen. Dies bedeutet,dass Embryonen zwar nicht missbräuch-lich verwendet werden dürfen, aber siehaben kein „Recht“, ohne Untersuchungoder nach einer Untersuchung transfe-riert zu werden, vielmehr dürfen sie sichselbst überlassen werden, wenn die Fraudies wünscht. Wer die Entscheidungs-freiheit hat, missbraucht sie nicht, wenner oder sie sich entscheidet.

Die Untersuchungsmethoden PKD undPID sind beides Maßnahmen, um derFrau und dem Paar die Entscheidung zuerleichtern. Die genetische Abklärungvon Zellen des Trophektoderm vor demTransfer der untersuchten Blastozystenist eine für den Embryo schonendeUntersuchung. Daher gibt es keinenGrund, diese strenger zu bewerten alsbislang eine Polkörperuntersuchung.Die Befruchtung ist zwar eine Zäsur,sodass die Untersuchung von Zellen

mit einem hohen Entwicklungspoten-tial verboten werden kann, aber mit derDifferenzierung der TE-Zellen der Blas-tozyste wird das Argument „Lebens-schutz“ absurd.

Aus rechtlicher Sicht ist es daher auchsystematisch zwingend, die genetischeUntersuchung der Zellen, welche nichtzum Embryoblasten gehören, deren Un-versehrtheit also nicht gefordert werdenkann, vom Verbot des §3a Abs. 1 ESchGauszunehmen, auch wenn der Wortlautdes §3a Abs. 1 ESchG diese Lesart nichterzwingt, sondern nur die Begriffsbe-stimmung in der PIDV. Diese Einschrän-kung ist nötig, weil sich gezeigt hat, dass§3a ESchG ein wenig durchdachtesKompromissgesetz ist, das eine verfas-sungskonforme Reduktion notwendigerscheinen lässt. Seine Inhalte müssenmit den reproduktiven Rechten, die dasGrundgesetz und die Europäische Men-schenrechtskonvention garantiert, imEinklang stehen und verlangen dahersowohl nach Korrekturen seitens des Ge-setzgebers als auch nach einer Ausle-gung (ggf. des BVerfG), welche Wer-tungswidersprüche beseitigt.

Halten wir also fest: schon bei eineroberflächlichen Lektüre fallen unauflös-bare Wertungswidersprüche bei der hieruntersuchten Neuregelung (§3a ESchG/PIDV) auf. Wir haben hier versucht,dennoch zu einem konsistenten Systemdes Rechts der Reproduktionsmedizinzu gelangen, soweit es um genetischeUntersuchungen geht.

Danksagung

Hiermit wird der Fa. MSD Sharp &Dohme GmbH, Haar, Deutschland, fürdie finanzielle Unterstützung bei der Er-stellung der vorliegenden interdiszipli-nären Arbeit gedankt.

Interessenkonflikt

Die Autoren versichern, dass kein Inter-essenkonflikt besteht.

Literatur:

1. Frister H, Lehmann M. Die gesetzliche Regelung der Präim-plantationsdiagnostik. Juristenzeitung 2012; 13: 659–67.

2. Tarkowski AK, Ozdzenski W Czolowska R. Mouse singletonsand twins developed from isolated diploid blastomores sup-ported with tetraploid blastomeres. Int J Dev Biol 2001; 45:591–96.

3. Mitalitoc S, Wolf D. Totipotency, pluripotency and nuclearreprogramming. Adv Biochem Eng Biothecnol 2009; 114: 185–9.

4. Morris SA, Teo RTY, Li H, et al. Origin and formation of thefirst two distinct cell types of the inner cell mass in themouse embryo. PNAS 2010; 107: 6364–9.

5. Veiga A, Calderon G, Barri PN, et al. Pregnancy after the re-placement of a frozen-thawed embryo with less than 50% in-tact blastomers. Hum Reprod 1987; 2: 321–32.

6. Van de Velde H, Cauffman G, Tournraye H, et al. The fourblastomeres of a 4-cell stage human embryo are able to de-velop individually into blastocysts with inner cell mass andtrophectoderm. Hum Reprod 2008; 23: 1742–7.

7. Krtolica A, Ilic D, Giritharam G, et al. Derivation of humanembryonic stem cell lines from biopsied blastomeres with aminimal exposure to xenomaterials. Fertil Steril 2008; 90(Suppl): 1.

8. Geens M, Mateizel I, Sermon K, et al. Human embryonicstem cell lines derived from single blastomers of thw 4-cellstage embryos. Hum Reprod 2009; 24: 2709–17.

9. Standring S. Gray’s Anatomy. Churchill Livingstone Elsevier,2008.

10. Xenopoulos P, Kang M, Hadjantonakis AK. Cell lineage al-location within the inner cell mass of the mouse blastocyst.Results Probl Cell Differ 2012; 55: 185–202.

11. Veek L, Zaninovic N. An Atlas of Human Blastocysts.Parthenon Publishing, 2003.

12. Graw J. Genetik. Kapitel 13: Entwicklungsgenetik. Sprin-ger Verlag, Berlin, 2006.

13. Mitteilungen der Gesellschaften. Gemeinsame Stellung-nahme zum Entwurf einer Verordnung über die rechtmäßigeDurchführung einer Präimplantationsdiagnostik (Präimplanta-tionsdiagnostikverordnung – PIDV) vom 11. Juli 2012. J Re-produktionsmed Endokrinol 2012; 9: 281–95.

14. Kirkegaard K, Hindkjaer JJ, Ingerslev HK. Human embry-onic development after blastomere removal: a time-lapseanalysis. Hum Reprod 2012; 27: 97–105.

15. Maunz/Dürig. Grundgesetz. Loseblatt-Kommentar. 66. Aufl.Loseblatt. C.H. Beck, München, 2012.

16. Hodes-Wertz B, Grifo J, Ghadir S, et al. Idiopathic recur-rent miscarriage is caused mostly by aneuploid embryos.Fertil Steril 2012; 98: 675–80.

17. Harton G, Surrey M, Grifo J, et al. Implantation and mis-carriage rates following array CGH analysis at the cleavageand blastocyst stages. Fertil Steril 2011; 95 (Suppl): 7.

Page 15: Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie · Contraventions against the PIDV are not indictable, but regulatory offenses indicating that the novel regulation has form –

Haftungsausschluss

Die in unseren Webseiten publizierten Informationen richten sich ausschließlich an geprüfte und autorisierte medizinische Berufsgruppen und entbinden nicht von der ärztlichen Sorg-faltspflicht sowie von einer ausführlichen Patientenaufklärung über therapeutische Optionen und deren Wirkungen bzw. Nebenwirkungen. Die entsprechenden Angaben werden von den Autoren mit der größten Sorgfalt recherchiert und zusammengestellt. Die angegebenen Do-sierungen sind im Einzelfall anhand der Fachinformationen zu überprüfen. Weder die Autoren, noch die tragenden Gesellschaften noch der Verlag übernehmen irgendwelche Haftungsan-sprüche.

Bitte beachten Sie auch diese Seiten:

Impressum Disclaimers & Copyright Datenschutzerklärung

Mitteilungen aus der Redaktion

e-Journal-AboBeziehen Sie die elektronischen Ausgaben dieser Zeitschrift hier.

Die Lieferung umfasst 4–5 Ausgaben pro Jahr zzgl. allfälliger Sonderhefte.

Unsere e-Journale stehen als PDF-Datei zur Verfügung und sind auf den meisten der markt-üblichen e-Book-Readern, Tablets sowie auf iPad funktionsfähig.

 Bestellung e-Journal-Abo

Haftungsausschluss

Die in unseren Webseiten publizierten Informationen richten sich ausschließlich an geprüfte und autorisierte medizinische Berufsgruppen und entbinden nicht von der ärztlichen Sorg-faltspflicht sowie von einer ausführlichen Patientenaufklärung über therapeutische Optionen und deren Wirkungen bzw. Nebenwirkungen. Die entsprechenden Angaben werden von den Autoren mit der größten Sorgfalt recherchiert und zusammengestellt. Die angegebenen Do-sierungen sind im Einzelfall anhand der Fachinformationen zu überprüfen. Weder die Autoren, noch die tragenden Gesellschaften noch der Verlag übernehmen irgendwelche Haftungs-ansprüche.

Bitte beachten Sie auch diese Seiten:

Impressum Disclaimers & Copyright Datenschutzerklärung

Mitteilungen aus der Redaktion

e-Journal-AboBeziehen Sie die elektronischen Ausgaben dieser Zeitschrift hier.

Die Lieferung umfasst 4–5 Ausgaben pro Jahr zzgl. allfälliger Sonderhefte.

Unsere e-Journale stehen als PDF-Datei zur Verfügung und sind auf den meisten der markt-üblichen e-Book-Readern, Tablets sowie auf iPad funktionsfähig.

 Bestellung e-Journal-Abo

Besuchen Sie unsere Rubrik

Medizintechnik-Produkte

InControl 1050 Labotect GmbH

Aspirator 3 Labotect GmbH

Philips Azurion: Innovative Bildgebungslösung

Neues CRT-D Implantat Intica 7 HF-T QP von Biotronik

Artis pheno Siemens Healthcare Diagnostics GmbH