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Unbeschränkt und egalitär: Mona Grosche würdigt den Anarchafeminismus und seine Pionierinnen Seite 3 Hin- und hergerissen zwischen alten und noch nicht definierten neuen Rollenmodellen: Bewegte Männer heute.Von Isolde Aigner Seite 5 Über 50 Jahre Kampf für Frieden und Frauenrechte: Christiana Puschak stellt die Literaturwissen- schaftlerin Eva Kollisch vor Seite 6 Gestörtes Verhältnis zu Physik und Co.? Sabine Scherbaum über Ge- schlechterstereotypen in der Natur- wissenschaft Seite 7 junge W elt Die Tageszeitung feminismus Beilage der Tageszeitung junge Welt Mittwoch, 3. März 2010, Nr. 52 E s bestehen tatsächlich stati- stisch meßbare Unterschie- de zwischen Männern und Frauen.« Mit dieser bahnbre- chenden Erkenntnis sorgte 2008 eine neue Autorin für Furore, Susan Pinker, in Kanada lebende Psychologin und Therapeutin verhaltensauffälliger Kin- der. Ihr Buch »Das Geschlechterpara- dox. Über begabte Mädchen, schwieri- ge Jungs und den wahren Unterschied zwischen Männern und Frauen« trat als wissenschaftliches Sachbuch auf. Es leidet allerdings an einem unter seriösen Naturwissenschaftlern be- kannten Phänomen: Die jeweilige Aus- gangslage des Beobachters oder der Beobachterin bestimmt das Untersu- chungsergebnis entscheidend mit. Pin- ker verfügte schon über ihr Ergebnis, bevor sie die »Belege« dafür suchte. Was »wahr« ist, konnte sie daher nie herausfinden. »Der Gedanke, daß Männer mög- licherweise von Natur aus zum Wett- bewerb neigen, kam mir an jenem Nachmittag, an dem ich meinen drei- jährigen Neffen nach seinem Mittags- schlaf aus dem Bettchen holen woll- te.« Der Junge verwickelte Pinker nämlich in einen Wettstreit darüber, ob sein Dreirad schneller sei als ihr Fahrrad. Umgehend setzte sie sich an den Schreibtisch, um möglichst viel von dem zusammenzutragen, was ihre biologistischen Grundannahmen be- stätigt, daß Testosteron das Handeln der Männer steuert, daß viele Frauen im harten Berufsleben frustriert sind usw. Um ihre dünne Argumentations- basis zu stärken, prügelte Pinker ähnlich wie andere Verfechter solcher Thesen – auf eine Idee ein, die nie- mand ernsthaft vertritt, nämlich, daß Männer und Frauen »gleich« seien. Wir wissen, daß nicht einmal Frauen und Frauen, geschweige denn Männer »gleich« sind. Wie konnte so ein dümmliches, die Frauen auf ihre überwunden geglaubte Rolle als »weiche«, kommunikations- starke Wesen festlegendes Buch über Wochen die Feuilletons und Kultursen- dungen beschäftigen? Selbst von der Bundeszentrale für politische Bildung wurde es überschwenglich gelobt. Die Hauptkonsumentengruppe solcher Psy- chobücher ist weiblichen Geschlechts. Ohne Frauen als Käuferinnen wäre wohl auch Eva Herman 2006 mit ih- rem Titel »Das Eva-Prinzip: Für eine neue Weiblichkeit« nicht zur Bestsel- lerautorin geworden. Im Jahr darauf veröffentlichte sie ein Buch zur Ret- tung der Familie, um 2008 zu erklären, »warum wir die Schöpfung nicht täu- schen können«. Öffentlich kaum wahrgenommen werden dagegen feministische Unter- suchungen, die sich gegen die Flut der irrationalen Geschlechterbücher wenden. Ende 2009 erschien Frigga Haugs Artikel »Feministische Initia- tive zurückgewinnen«, in dem sich die Soziologin selbstkritisch mit der Entwicklung der Frauenbewegung auseinandersetzt. Haug stellt nüchtern fest, daß das »Rad der Geschichte« zurückgedreht wird, diskutiert jedoch an dieser Stelle nicht die Bedingungen Für immer Weibchen Biologismus heute: Vom Mißbrauch der Naturwissenschaften für die Diskriminierung der Frau und die Zurichtung aller Menschen zu funktionierenden Untertanen. Von Heike Friauf Fortsetzung auf Seite zwei O Zu den Fotos: In der Werbung sind Frauen noch richtige Frauen, also fürs Ko- chen, für die Wäsche und fürs Hübschsein zuständig. Und Männer dürfen noch echte Kerle sein: Also das Gaspedal genußvoll durchtreten, heimwerkern, Stärke zeigen, Entscheidungen fällen. Daran hat sich in den Jahrzehnten, die nach Produktion der Bilder in dieser Beilage vergangen sind, wenig geändert. Wie Werbung gestal- tet ist, sagt einiges über die Vorstellungen ihrer Schöpfer, aber auch über den Entwicklungsstand dieser Gesellschaft, in der nicht wenige Herren in meinungsbildenden Medien sich diese beque- me und Sicherheit ver- leihende Weltordnung auch für das wirkliche Leben zurückwünschen. Manche Damen unter- stützen sie in entspre- chenden ideologischen Grabenkämpfen, wie die folgenden Beiträge zeigen. Heike Friauf hat in Köln und München Geschich- te, Germanistik und Po- litische Wissenschaften studiert. Sie arbeitet als Lektorin und Publizistin mit den Schwerpunkten Literatur, Kunst und Fe- minismus. WWW.FlIcKR.cOM (8)

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Unbeschränkt und egalitär: Mona Grosche würdigt den Anarchafeminismus und seine Pionierinnen Seite 3

Hin- und hergerissen zwischen alten und noch nicht definierten neuen Rollenmodellen: Bewegte Männer heute. Von Isolde Aigner Seite 5

Über 50 Jahre Kampf für Frieden und Frauenrechte: Christiana Puschak stellt die Literaturwissen-schaftlerin Eva Kollisch vor Seite 6

Gestörtes Verhältnis zu Physik und Co.? Sabine Scherbaum über Ge-schlechterstereotypen in der Natur-wissenschaft Seite 7 jungeWelt

Die Tageszeitung

f e m i n i s m u s Beilage der Tageszeitung junge Welt Mittwoch,3. März 2010, Nr. 52

Es bestehen tatsächlich stati-stisch meßbare Unterschie-de zwischen Männern und Frauen.« Mit dieser bahnbre-

chenden Erkenntnis sorgte 2008 eine neue Autorin für Furore, Susan Pinker, in Kanada lebende Psychologin und Therapeutin verhaltensauffälliger Kin-der. Ihr Buch »Das Geschlechterpara-dox. Über begabte Mädchen, schwieri-ge Jungs und den wahren Unterschied zwischen Männern und Frauen« trat als wissenschaftliches Sachbuch auf. Es leidet allerdings an einem unter seriösen Naturwissenschaftlern be-kannten Phänomen: Die jeweilige Aus-gangslage des Beobachters oder der Beobachterin bestimmt das Untersu-chungsergebnis entscheidend mit. Pin-ker verfügte schon über ihr Ergebnis, bevor sie die »Belege« dafür suchte. Was »wahr« ist, konnte sie daher nie herausfinden.

»Der Gedanke, daß Männer mög-licherweise von Natur aus zum Wett-bewerb neigen, kam mir an jenem Nachmittag, an dem ich meinen drei-jährigen Neffen nach seinem Mittags-schlaf aus dem Bettchen holen woll-te.« Der Junge verwickelte Pinker nämlich in einen Wettstreit darüber, ob sein Dreirad schneller sei als ihr Fahrrad. Umgehend setzte sie sich an den Schreibtisch, um möglichst viel von dem zusammenzutragen, was ihre biologistischen Grundannahmen be-stätigt, daß Testosteron das Handeln der Männer steuert, daß viele Frauen im harten Berufsleben frustriert sind usw. Um ihre dünne Argumentations-basis zu stärken, prügelte Pinker – ähnlich wie andere Verfechter solcher Thesen – auf eine Idee ein, die nie-mand ernsthaft vertritt, nämlich, daß Männer und Frauen »gleich« seien. Wir wissen, daß nicht einmal Frauen und Frauen, geschweige denn Männer »gleich« sind.

Wie konnte so ein dümmliches, die Frauen auf ihre überwunden geglaubte Rolle als »weiche«, kommunikations-starke Wesen festlegendes Buch über Wochen die Feuilletons und Kultursen-dungen beschäftigen? Selbst von der Bundeszentrale für politische Bildung wurde es überschwenglich gelobt. Die Hauptkonsumentengruppe solcher Psy-chobücher ist weiblichen Geschlechts. Ohne Frauen als Käuferinnen wäre wohl auch Eva Herman 2006 mit ih-rem Titel »Das Eva-Prinzip: Für eine neue Weiblichkeit« nicht zur Bestsel-lerautorin geworden. Im Jahr darauf veröffentlichte sie ein Buch zur Ret-tung der Familie, um 2008 zu erklären, »warum wir die Schöpfung nicht täu-schen können«.

Öffentlich kaum wahrgenommen werden dagegen feministische Unter-suchungen, die sich gegen die Flut der irrationalen Geschlechterbücher wenden. Ende 2009 erschien Frigga Haugs Artikel »Feministische Initia-tive zurückgewinnen«, in dem sich die Soziologin selbstkritisch mit der Entwicklung der Frauenbewegung auseinandersetzt. Haug stellt nüchtern fest, daß das »Rad der Geschichte« zurückgedreht wird, diskutiert jedoch an dieser Stelle nicht die Bedingungen

Für immer WeibchenBiologismus heute: Vom Mißbrauch der Naturwissenschaften für die Diskriminierung der Frau und die Zurichtung aller Menschen zu funktionierenden Untertanen. Von Heike FriaufFortsetzung auf Seite zwei O

Zu den Fotos:In der Werbung sind Frauen noch richtige Frauen, also fürs Ko-chen, für die Wäsche und fürs Hübschsein zuständig. Und Männer dürfen noch echte Kerle sein: Also das Gaspedal genußvoll durchtreten, heimwerkern, Stärke zeigen, Entscheidungen fällen. Daran hat sich in den Jahrzehnten, die nach Produktion der Bilder in dieser Beilage vergangen sind, wenig geändert.

Wie Werbung gestal-tet ist, sagt einiges über die Vorstellungen ihrer Schöpfer, aber auch über den Entwicklungsstand dieser Gesellschaft, in der nicht wenige Herren in meinungsbildenden Medien sich diese beque-me und Sicherheit ver-leihende Weltordnung auch für das wirkliche Leben zurückwünschen. Manche Damen unter-stützen sie in entspre-chenden ideologischen Grabenkämpfen, wie die folgenden Beiträge zeigen.

Heike Friauf hat in Köln und München Geschich-te, Germanistik und Po-litische Wissenschaften studiert. Sie arbeitet als Lektorin und Publizistin mit den Schwerpunkten Literatur, Kunst und Fe-minismus.

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Mittwoch, 3. März 2010, Nr. 52 junge Welt 2 f e m i n i s m u s

für den an vielen Fronten zu beobachten-den Rollback. Diese Bedingungen aber müssen viel schärfer als bisher untersucht werden, wenn man überhaupt noch er-folgreich emanzipatorisch arbeiten will.

ElfenbeinturmfeminismusDoch abgekoppelt von realgesellschaftli-chen Entwicklungen rennen insbesonde-re akademisch arbeitende Feministinnen immer noch längst geöffnete Türen ein und stellen zum 100. Mal fest, daß »Ge-schlechterverhältnisse eine eigenständige Konfiguration sozialer, kultureller und psychischer Differenzierung« darstellen (Gudrun-Axeli Knapp, cornelia Klinger 2008). Auf Deutsch: daß zu den lebensbe-dingungen der Menschen neben Klassen- oder Schichtzugehörigkeit, Religion und Ethnie eben auch das Geschlecht gehört. Währenddessen zeigt die Maggi-Werbung im Jahr 2010 eine glückliche Mami mit einem glücklichen Töchterchen, wieder-auferstanden aus dem Mief der 1950er Jahre, wie sie beide für Ehemann und Sohn kochen, was »kräftige Männer« so brauchen.

Müssen Feministinnen alles noch ein-mal erklären? Schlimmer noch. Ein neuer ideologischer Kampf gegen die Selbstbe-stimmung der Frau ist in Gang. Unter dem Deckmantel der Naturwissenschaften, mit Hilfe alter und neuer Erkenntnisse aus Ge-hirnforschung, Verhaltensbiologie und Ge-netik, wird ein Menschenbild zusammen-gerührt, das Frauen ihren »angestammten« Platz in der Gesellschaft zuweist, ver-gleichbar einem Affen in seiner Horde.

Als Bestsellerautor tut sich dieser Tage Joachim Bauer hervor, ein Professor für Psychosomatische Medizin, der mit Titeln wie »Das Gedächtnis des Körpers. Wie Beziehungen und lebensstile unsere Gene steuern« (2002) oder »Prinzip Mensch-lichkeit. Warum wir von Natur aus ko-operieren« (2006) die öffentliche Debatte mitbestimmt. Vor allem eines will uns der Mediziner beibiegen: Unser Bewußtsein wird nicht vom Sein bestimmt, von gege-benen sozialen oder ökonomischen Um-ständen, nein, es wird zu großen Teilen von biologischen Prozessen gesteuert. Über-setzt heißt das: Jeder an seinen Platz und Ruhe! Daß dieser Platz von den Profiteu-ren der bestehenden Gesellschaftsordnung vorbestimmt ist, also keinesfalls »naturge-geben«, wird verschwiegen.

Unsterblicher Affe in unsWas sich nicht durch Gene erklären läßt, darf die Verhaltensbiologie herleiten. Daß der Mensch nicht einfach mit dem Tier verglichen werden kann, weil er sich nun mal zum Menschen entwickelt hat, und zwar aufgrund seiner besonderen Fähigkeit zu Tätigkeit und Reflexion, diese einfache Tatsache kann ein Verhaltensbiologe, sei-ne Versuchstiere im Auge, schon mal ver-gessen. Und der Vergleich mit dem Affen wird doch wohl jedem einleuchten. Meinen jedenfalls der Biologe und sogenannte Phi-losoph Franz M. Wuketits (»Der Affe in uns. Warum die Kultur an unserer Natur zu scheitern droht«, 2002) und der Zoolo-

ge und Verhaltensforscher Frans de Waal (»Der Affe in uns: Warum wir sind, wie wir sind«, 2006, Taschenbuchausgabe 2009).

So lustig die Titel auch klingen, eines ist nicht zu übersehen: Was ein glühen-des NSDAP-Mitglied wie der Verhaltens-biologe Konrad lorenz vormachte, der, der mit den Graugänsen schwamm, wird heutigentags massenhaft wiederholt: die Reduktion des Menschen auf seine »Na-tur«. In diesen Tagen sind allerdings nicht Graugänse angesagt, sondern Ameisen-

haufen. Nehmt euch ein Beispiel an den Ameisen, seht, wie ausgezeichnet sie ih-ren Staat organisieren, schreibt uns der Ameisenforscher und »Soziobiologe« Bert Hölldobler ins Stammbuch (»Die Ameise als Paradigma der Gesellschafts-wissenschaft«, FAZ vom 27.1.2010). Das Wie kann er allerdings nicht erklären. Deshalb werden wir auch nicht erfahren, ob die Monarchie nicht doch das Non-plusultra menschlicher Verfaßtheit ist.

Die Königsdisziplin der biologisti-schen Welterklärung ist zweifelsohne die Gehirnforschung. Ihre Befunde erklären endlich, wie Frauen »ticken« und welche Synapsen jubeln, wenn sie sich, typisch weiblich, in andere einfühlen. Der Neu-robiologe Gerald Hüther verschont dabei auch Kinder nicht mit seinen Weisheiten (»Felix und Feline entdecken das Ge-hirn«, 2. Auflage 2009. Davor veröffent-lichte er die »Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn«, 9. Auflage 2009).

Solche »Gehirnforschung« kommt je-nen Feministinnen zupaß, die ihr Selbst-bewußtsein aus etwas »spezifisch Weib-lichem« herleiten möchten. Tatsächliche Unterschiede zwischen männlichen, weiblichen, schwulen, lesbischen, trans-sexuellen oder anderen geschlechtlichen Orientierungen müssen natürlich aner-kannt werden, doch darum geht es den selbsternannten Welterklärern gar nicht. Wir sollen uns den Gegebenheiten anpas-sen und schließlich wehrlos in den Krieg oder in unterbezahlte Fabrikarbeit gehen. Schließlich spricht hier die Wissenschaft, und die meint es doch nicht böse.

Dieser Tage weist eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsfor-schung erneut auf die wachsende Armut hin, am stärksten betroffen sind Alleiner-ziehende, von denen die große Mehrheit Frauen sind (jW vom 18.2.2010). Schön,

wenn sich die Gedemütigten damit trösten können, daß sie rein biologisch zum lei-den und Mitfühlen prädestiniert sind. Eine im November 2009 veröffentlichte Studie belegt die besonders schlechte ökonomi-sche lage von Frauen weltweit, mit Hun-gerlöhnen und fehlender sozialer Absiche-rung. Angesichts der realen Existenzangst von immer mehr Frauen weltweit ist es reiner Zynismus, wenn eine nordamerika-nische Psychiaterin wie Susan Pinker mit Begeisterung eine Umfrage herbeizitiert,

nach der 50 Prozent der befragten Frauen lieber keiner bezahlten Arbeit nachgingen, wenn sie nur »genug Geld hätten, um so angenehm zu leben, wie sie es gern täten«.

In der PsychofalleWo sind die Aufbrüche der 1970er Jah-re geblieben? Die Soziologin Eva Illouz zeigt in ihrem Buch »Gefühle in Zeiten des Kapitalismus«, wie sich nach dem Zweiten Weltkrieg, beginnend in den USA, psychologische Beratung und The-rapie zunehmend auf »normale« leu-te ausrichteten und die »Arbeit an sich selbst« propagierten. Geschlechtsspezi-fisches Rollenverhalten mußte aufgebro-chen, sexuelle Erfüllung erarbeitet, Zuhö-renkönnen erlernt werden. Einerseits wa-ren diese und andere Rationalisierungen der zwischenmenschlichen Beziehungen unvermeidlich, um das Selbstbewußtsein von Frauen zu stärken und patriarchali-

sche Strukturen zu bekämpfen. Doch an-statt dabei die das leben handfest bestim-menden wirtschaftlichen Verhältnisse im Blick zu haben, schauen viele von uns noch heute vor allem auf ihre Befindlich-keit, machen sich selbst verantwortlich, wenn es ihnen schlecht geht. Da kommen Erklärungen aus dem bunten Reich der Biologie zur Entlastung gerade recht.

Daß in den genannten und unzähligen vergleichbaren Gesellschaftserklärungen biologische und soziale Begriffe perma-nent vermengt werden, unzulässig und fachlich falsch, durchschauen die meisten nicht. Dies, obwohl der Mißbrauch der Naturwissenschaften und die Bereitschaft ihrer Vertreter, sich mißbrauchen zu las-sen, gerade in Deutschland so verheeren-de Folgen hatte. Stimmen von Fachfrauen, die Naturwissenschaftlerinnen, die dem neuen Mißbrauch ihrer Fachrichtungen entgegentreten, sind bisher in der öffentli-chen Debatte kaum zu vernehmen.

FaschisierungstendenzenDie Philosophin Nicole c. Karafyllis kommt in ihrer Untersuchung aktueller Veröffentlichungen zur Gehirnforschung zu dem erschreckenden Ergebnis, daß sich »eine bedrückende Wiederkehr der Rassenforschung unter nationalistischen Vorzeichen« abzeichnet, »im Sinne eines ökonomischen Kampfs ums Überleben der Nation mit den besten Gehirnen«.

Die unverkennbare Wendung zum Faschismus läßt sich in vielen Berei-chen ablesen, von der Remilitarisierung Deutschlands über die Verfeinerung der Überwachungsstaatsmechanismen und die schleichende Aushöhlung des De-monstrations- und Asylrechts bis hin zur Stigmatisierung von »Sozialschmarot-zern«. »Herdprämie« und der Angriff auf das Recht auf Schwangerschaftsabbruch im vergangenen Jahr sollten für Frauen Warnsignal genug sein. Biologismuspre-diger stehen, selbst, wenn sie sich das nicht klarmachen, im Dienste des Klas-senkampfes von oben, der Zementierung bestehender Herrschaftsverhältnisse. Ihre Themen sind Dominanz, Auslese, Krieg. Für Frauen ist die Rolle der Mutter und Trösterin vorgesehen. Dagegen helfen nur die Analyse der Klassenverhältnisse, ver-bunden mit Faschismuskritik, und Solida-rität mit Menschen jeden Geschlechts, die der brutalen, angeblich naturgewollten »Auslese« tagtäglich zum Opfer fallen.

Zitierte Literatur, die nicht empfohlen wird:

Susan Pinker: Das Geschlechter-Paradox. Über begabte Mädchen, schwierige Jungs und den wahren Unterschied zwischen Männern und Frauen, DVA, München 2008, 448 S., 17,95 Euro (Taschenbuchausgabe 2009 im Münchner Pan-theon Verlag erschienen, 12,95 Euro)

Eva Herman: Das Eva-Prinzip: Für eine neue Weiblichkeit. Goldmann Verlag, München 2007, 256 S., 8,95 Euro

Cornelia Klinger, Gudrun-Axeli Knapp (Hg.): ÜberKreuzungen. Fremdheit, Ungleichheit, Differenz, Verlag West-fälisches Dampfboot, Münster 2008, 280 S., 27,90 Euro

Zum Weiterlesen:

»Elemente eines neuen linken Feminismus«. Das Argument Nr. 281, Heft 3/2009, darin Frigga Haug »Feministische Initiative zurückgewin-nen«, S. 393–408, 12 Euro

Eva Illouz: Gefühle in Zeiten des Kapitalismus, Suhrkamp Verlag, Frank-furt/Main 2006, 170 S., 14,80 Euro

Nicole C. Karafyllis: Das emotionale Gehirn als Geschlechtsorgan. Gedanken zur Liebe im Zeichen der Social Neurosciences. In Das Argument Nr. 273, Heft 5–6/2007, S. 210–227

Christine Zunke: Kritik der Hirnforschung. Neu-rophysiologie und Wil-lensfreiheit. Akademie Verlag, Berlin 2008, 222 S., 49,80 Euro

Gero Fischer, Maria Wölflingseder (Hg.): Bio-logismus – Rassismus – Nationalismus. Rechte Ideologien im Vormarsch. Promedia Verlag, Wien 1995, 264 S., 15,90 Euro

Alexander Wernecke: Biologismus und ideolo-gischer Klassenkampf, Dietz Verlag, Berlin 1976 – erstaunlich aktuell, anti-quarisch erhältlich

O Fortsetzung von Seite eins Robert Foltin NEU!!!Die Körper der MultitudeVon der sexuellen Revo-lution zum queer-feministischen Aufstand192 Seiten, kart., 12,80 EURISBN 3-89657-056-0

Andrea TrumannFeministische TheorieFrauenbewegung undweibliche Subjektbildungim SpätkapitalismusReihe theorie.org, 204 Seiten, kart.,10,00 EUR, ISBN 3-89657-580-5

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junge Welt Mittwoch, 3. März 2010, Nr. 52 3f e m i n i s m u s

Es ist heute für die Frau not-wendig geworden, sich von der Emanzipation zu emanzipie-ren, will sie wirklich frei sein«.

Nein, hier führt nicht mal wieder Eva Her-man das Wort. Hier spricht vielmehr Em-ma Goldman, eine herausragende Persön-lichkeit der anarchistischen Bewegung und eine der Mütter des Anarchafemi-nismus. Paßt das zusammen? Durchaus, denn Goldman geht es keineswegs dar-um, berufstätigen Frauen die Rückkehr an den Herd schmackhaft zu machen.

Ihre Kritik richtet sich vielmehr gegen die Beschränktheit von Teilen der Frau-enbewegung, die allein in der wirtschaft-lichen Unabhängigkeit den Schlüssel zu Freiheit und Selbstbestimmung von Frau-en sieht: »Dazu kommt die Belastung vie-ler Frauen, die nach einem harten Arbeits-tag sich auch noch um Heim und Herd kümmern müssen (….) Was für eine herrli-che Unabhängigkeit!« Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts erkannte Goldman die doppelte Ausbeutung von Frauen und frag-te provokativ: »Wieviel Unabhängigkeit ist erreicht, wenn die Masse der arbeitenden Frauen und Mädchen die Borniertheit (im Sinne von »Begrenztheit« und »Enge«, d. Red.) und den Mangel an Freiheit zu Hause eintauscht gegen die Borniertheit und den Mangel an Freiheit in der Fabrik, den Ausbeutungsbetrieben, im Kaufhaus oder Büro?«

Nicht die gleichen Rechte innerhalb des kapitalistischen Systems strebt sie an. Wie alle Anarchistinnen fordert Goldman viel-mehr die soziale Revolution, die den Wan-del der wirtschaftlichen Ordnung mit dem des gesamten gesellschaftlichen lebens verbindet, was auch den vollständigen Abschied von tradierten Rollenmodellen beinhaltet.

Reaktion auf MachismoDoch auch wenn sich die anarchistische Theorie (abgesehen vom sexistischen Frauenbild Proudhons) stets für die Gleich-berechtigung von Mann und Frau stark ge-macht hat, sah die Realität oft anders aus. Die meist männlichen Aktivisten vertrau-ten nur allzu gern darauf, daß sich der »Ne-benwiderspruch« der Unterdrückung der Frau im revolutionären Prozeß quasi von selbst erledige und setzten in ihrem All-tagsleben die bequeme Rollenverteilung fort. Die Frau hatte als fürsorgliche Ge-fährtin dem kämpfenden Mann in seinem Heim den Rücken freizuhalten. Aber nicht nur Emma Goldman wehrte sich gegen die Ignoranz ihrer Genossen und forderte de-ren Unterstützung im Kampf um die Frau-enbefreiung. Ebenso wie sie stieß z. B. auch die französische Anarchistin louise

Michel, eines der führenden Mitglieder der Pariser Kommune, mit feministischen Po-sitionen auf Ablehnung und Unverständnis in den eigenen Reihen.

Viele Anarchistinnen sahen sich so zer-rieben zwischen dem Kampf gegen den Kapitalismus und gegen den Sexismus in der Bewegung. Als Reaktion entstanden eigene Frauenorganisationen, die in vielen Aspekten die Struktur und Arbeitsweise des späteren anarchafeministischen Ansat-

zes vorwegnahmen: Sie boten Raum für theoretische Diskussionen und Bildungs-arbeit, zudem gab es gegenseitige Hilfe in praktischen Alltagsfragen wie Kinderbe-treuung oder Gesundheitsvorsorge.

Als Reaktion auf den Machismo ent-stand so in den 30er Jahren in Spanien die Organisation »Mujeres libres« mit rund 20 000 Mitgliedern. Trotz starker Anfeindungen von seiten der männlichen Anarchisten, die ihnen Spaltung der Be-wegung vorwarfen, leistete die Gruppe faktisch einen großen Beitrag in der spa-nischen Revolution. Sie sorgte mit dafür, daß in Spanien Frauen erstmals außer-halb des Hauses sichtbar wurden – und das nicht nur in typisch weiblichen Berei-chen, sondern auch an der Front und im Transportwesen.

»Alle oder keiner«Mit dem Vorwurf, die Bewegung durch frauenspezifische Ansätze zu schwächen, sahen sich nicht nur die spanischen Frauen konfrontiert. Auch der »Syndikalistische Frauenbund«, der sich 1921 in Deutschland gründete, stand im Kreuzfeuer männlicher

Kritik. Franziska Krischer schleuderte den Männern deshalb in einem Artikel im Syn-dikalist entgegen: »Wenn man aber den Frauen empfiehlt, diesen Befreiungskampf in der gemeinsamen Organisation mit den Männern zu führen, so ist das dasselbe, als wenn man den Arbeitern empfehlen würde, ihren Befreiungskampf in Harmonieverei-nen mit den Unternehmern zu führen«.

Trotz ihrer harschen Kritik an den män-nerdominierten Organisationen haben die meisten Anarchistinnen durchaus den ge-meinsamen Kampf gesucht. Einen Weg dazu formulierten vor allem US-amerika-nische Feministinnen wie Peggy Korneg-ger und carol Ehrlich mit dem Ansatz des »Anarchafeminismus«, der in den 70er Jah-ren geprägt wurde. Dieser versteht sich als Bindeglied zwischen feministischen und anarchistischen Vorstellungen. Er beruft sich dabei vor allem auf Pjotr Kropotkins libertären Kommunismus als Basis für eine »feministische Revolutionierung der Ge-sellschaft«. Kornegger geht dabei sogar so weit zu behaupten, daß »Feministinnen seit Jahren in Theorie und Praxis unbewußt An-archistinnen gewesen sind«.

Obwohl Kornegger damit wohl zu sehr vereinfacht, zeigt sich im Anarchafeminis-mus tatsächlich eine Option, die auch heute noch Anspruch auf Gültigkeit und Bestand erheben kann. In ihm sind die Beschrän-kungen klassenkämpferischer wie femini-stischer Modelle, die sich entweder auf die ökonomische Umgestaltung oder auf die Abschaffung des Patriarchats konzentrieren, überwunden. An deren Stelle bietet er einen neuen Weg, dessen Ansatz ebenso einfach wie bestechend ist: Der Anarchafeminis-mus formuliert keine neuen Haupt- und Nebenwidersprüche, sondern bekämpft alle Formen von Herrschaft gleichrangig – egal ob es sich um rassistische, sexistische oder wirtschaftliche Unterdrückungsmechanis-men handelt.

Um das Entstehen neuer Hierarchien zu verhindern, organisiert frau sich – häufig gemeinsam mit Männern – in föderalisti-schen, basisdemokratischen Strukturen, die die Prinzipien der angestrebten freien Gesellschaft widerspiegeln. Das garantiert zwar nicht, daß sich die anarchistische und anarchosyndikalistische Bewegung von prägenden Rollenmustern und Sexismus komplett befreien konnte. Doch zumindest gibt es immer wieder fruchtbare Ansätze wie die innerhalb der anarchosyndikalisti-schen Freien ArbeiterInnen-Union (FAU) angestoßene »FAU sucht Frau«-Debatte, die zeigen, daß die von Emma Goldman und louise Michel erhobenen Forderungen ernst genommen werden. Schließlich wuß-te schon Franziska Krischer: »Die Befrei-ung ist unmöglich nur für einige. Sie küßt entweder alle oder keinen.«

Nix NebenwiderspruchBedenkenswert: Im Anarchafeminismus werden Beschränkungen klassenkämpferischer wie feministischer Modelle überwunden. Von Mona Grosche

„Die Philosophen haben die Welt bisher nur männlich interpretiert. Es kommt aber darauf an, sie auch weiblich zu interpretieren, um sie menschlich verändern zu können.“ – Irmtraud Morgner

LISA in der Par te i D IE L INKE

Liebe linke Frauen, zum 99. internationalen Frauentag wünschen wir allen Durchhalte vermögen und Kampfgeist, Glück, Lebens-freude und eine gehörige Portion Ungehorsam!

Wir denken Zukunft. Feminismus und

Geschlechterdemokratie

Wir analysieren Zusammenhänge. Selbstbestimmte Lebensformen

Wir überprüfen Konzepte. Europa

Wir vernetzen und sensibilisieren. Frieden und Sicherheit

Wir vermitteln Kompetenzen. Gender-Beratung und -Training

Wir verbreiten Perspektiven. virtuelles Wissensportal:

www.gunda-werner-institut.de

Buchpräsentation und Gespräch

Gunda-Werner-Institut in der Heinrich-Böll-Stiftung Schumannstraße 8 10117 BerlinT 030.285 34-122 F 030.285 34-109 E [email protected] I www.gunda-werner-institut.de

9. März 2010, 18 UhrHELDENDÄMMERUNGDie Krise der Männer und warumsie auch für Frauen gefährlich istmit der Autorin Ute Scheub, Prof. Rolf Pohl, Leibniz Universität Hannover, und Gitti Hentschel, Gunda-Werner-Institut

GWI_Anz_JungeWelt_2010_03_03_1201 1 24.02.2010 15:39:17

MeinefeministischeWahrheitbrauchtPlatz!

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Zum Weiterlesen:

Silke Lohschelder, Ines Gutschmidt, Liane M. Dubowy: AnarchaFemi-nismus. Auf den Spuren einer Utopie, Unrast Verlag, 2. Auflage 2009, 13 Euro

Vera Bianchi: Feministin-nen in der Revolution: Die Gruppe Mujeres Libres im Spanischen Bürgerkrieg, Unrast Ver-lag 2003, Neuaufl. 2009, 168 S., 14 Euro

Monika (Mona) Grosche: Anarchismus und Revo-lution. Zum Verständ-nis gesellschaftlicher Umgestaltung bei den anarchistischen Klassi-kern Proudhon, Bakunin, Kropotkin. Syndikat A, Moers 2004, 128 S. 7,80 Euro

Bernd Drücke (Hg.): JA! ANARCHISMUS. Gelebte Utopie im 21. Jahrhundert. Interviews und Gespräche, Karin Kramer Verlag 2006, 280 S., 19,80 Euro

Milly Witkop-Rocker, Hertha Barwich, Aimée Köster u. a.: Der Syndi-kalistische Frauenbund, Unrast Verlag 2007, 276 S., 16 Euro

Mona Grosche, Germa-nistin und Politikwis-senschaftlerin, lebt und arbeitet in Bonn, unter anderem als freie Jour-nalistin für Print- und Onlinemedien und Lek-torin

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Mittwoch, 3. März 2010, Nr. 52 junge Welt 4 f e m i n i s m u s

Um Wahlfreiheit zu anderen öffentlichen Angeboten und leistungen zu ermöglichen, soll ab dem Jahr 2013 ein

Betreuungsgeld in Höhe von 150 Euro, gegebenenfalls als Gutschein, für Kin-der unter drei Jahren als Bundesleistung eingeführt werden.« So steht es im Ko-alitionsvertrag von cDU/cSU und FDP unter Kapitel III mit der Überschrift »So-zialer Fortschritt«.

Die neue Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (cDU) will sich bedin-gungslos für die Umsetzung des Koaliti-onsvertrags einsetzen. Anspruch sollen nur Eltern haben, die ihr Kind im Alter von ein bis drei Jahren zu Hause betreuen. Die Regierung rechnet damit, daß das Be-treuungsgeld pro Jahr für etwa 900 000 Kinder gezahlt wird.

16 Verbände, unter ihnen der Deutsche Frauenrat, Gewerkschaften, der Verband Alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) und der pro-familia-Bundesver-band, sind sich in einer gemeinsamen Stellungnahme einig, daß ein Betreuungs-geld kontraproduktiv ist und weder dem Ziel der Gleichberechtigung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt noch der Bildungs- und chancengerechtigkeit der Kinder dient. Das Protestschreiben hat Schrö-der bereits bei ihrem Amtsantritt am 30. November 2009 vorgefunden. Eine Ant-wort auf den von weiteren Verbänden und vielen gesellschaftlichen Gruppen unter-stützten Einspruch gibt es bis heute nicht.

Die heilige KleinfamilieDie Konzeption der Prämie für das Zu-hausebleiben verstößt gegen grundlegen-de Prinzipien der Elternautonomie: Eine Entscheidung, wie Eltern ihre Kinder be-treuen, darf weder prämiert noch hono-riert oder bestraft werden. Durch den Aus-stieg aus der Erwerbstätigkeit vor allem von Frauen nach der Geburt eines Kindes verfestigen sich traditionelle Rollenmu-ster zwischen Mutter- und Hausfrauen-rolle und Vater- und Erwerbsarbeitsrolle in der heil(ig)en Kleinfamilie. Alleiner-ziehende, lebensformen außerhalb der Kleinfamilie und Eltern, die ihre Kinder in Einrichtungen betreuen lassen, weil

sie einer Erwerbsarbeit nachgehen wollen oder müssen und weil sie es für notwen-dig und richtig halten, daß Kinder von ausgebildeten Bezugspersonen und dem Spiel mit Gleichaltrigen profitieren, wer-den diskriminiert.

Wahlfreiheit zwischen häuslicher Er-ziehung und Betreuung der Kinder in ei-ner Tagesstätte, das haben Feministinnen konservativen Politikerinnen und Politi-kern schon oft erzählt, wäre erst herge-stellt, wenn qualitativ hochwertige und gebührenfreie bzw. günstige Ganztagsbe-treuungsplätze in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Davon sind wir weit entfernt. Auch 2013, dem Jahr, in dem für jedes dritte Kind unter drei Jahren ein Betreuungsangebot vorhanden sein soll, wird es, betrachtet man den gegenwärti-gen Stand des Ausbaus, nicht genügend Kitaplätze geben. Aktuellen Meldungen zufolge fehlen noch 275 000 Plätze. In Westdeutschland gibt es derzeit lediglich für 15 Prozent (im Osten für 45 Prozent)

aller Kinder unter drei Jahren einen Platz. Etliche Kommunen haben bereits erklärt, die Wirtschaftskrise mache es ihnen un-möglich, den gesetzlichen Anspruch um-zusetzen. Die Sorge, daß der Kitaausbau durch das Betreuungsgeld weiter verzö-gert werden soll oder daß gar vom Rechts-anspruch auf einen Platz abgerückt wird, ist also mehr als berechtigt.

Diskriminierende ScheineMinisterin Schröder und ihre Mitstreiter scheinen sich trotz aller Einwände über die Einführung des Betreuungsgeldes einig zu sein. Sie streiten sich noch dar-über, ob es in bar oder als Gutschein aus-gezahlt wird. Mit der Diskussion um ein Gutscheinsystem – zu dessen Ausgestal-tung noch kein Konzept vorliegt – schürt der Staat den Generalverdacht gegen ein-kommensarme Eltern, sie könnten nicht verantwortungsbewußt und im Interesse der Kinder haushalten. Mit ihren wieder-kehrenden populistischen Äußerungen über arme Familien mit und ohne Mi-grationshintergrund zeigen sich Politi-ker ignorant gegenüber den Anstrengun-gen vieler Eltern und verhindern deren Förderung und Integration umso mehr. Nur ein flächendeckendes, pädagogisch wertvolles Angebot an Betreuungsplät-zen für alle Kinder sowie Angebote der Erwachsenenbildung würden chancen-gleichheit fördern.

Die Zahl der Fachleute und Politiker, die das Betreuungsgeld als völlig fal-sches Signal oder gar als »Rolle rück-wärts in die 50er Jahr, die auch noch Geld kostet« (Sibyll Klotz, Grüne) ge-wertet haben, ist groß. Am deutlichsten äußerte sich der Berliner Senatssprecher Richard Meng im Tagesspiegel: »Alles, was wie eine Prämie fürs Zuhauseblei-ben aussieht, fördert nicht die frühe In-tegration unter Gleichaltrigen, sondern hemmt sie«. Von der SPD-Bundestagsab-geordneten Elke Ferner stammt der von

vielen Kollegen und Medienvertretern übernommene Begriff »Herdprämie«. Unterstützung bekommen deren Gegner von den Betroffenen selbst, etwa von der türkischen Vätergruppe Berlin-Neukölln. Deren Sprecher, der Psychologe Kazim Erdogan, befürchtet: »Die meisten Fami-lien werden der Verlockung des Geldes erliegen und ihre Kinder von den Kin-dergärten abmelden« – solange sie ohne-hin erwerbslos sind. Erdogan sieht darin einen entscheidenden Nachteil für die von ihm betreuten Kinder, deren Eltern – wie andere Eltern auch – oft mit der Vorbereitung ihrer Kinder auf die Schule überfordert sind. Für arme Familien sind 150 Euro viel Geld. Die Neuköllner Vä-ter wollen ihren Kindern einen besseren Start ins leben ermöglichen, und sie wissen, daß sie dafür Kitas und Schulen brauchen. Eine Studie des Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung, die im Auftrag des Bundesfamilienministe-riums erarbeitet wurde, kam jüngst zu dem Ergebnis, daß die Kosten für das Betreuungsgeld hoch und sein Nutzen gering sind.

Kristina Schröders Amtsvorgänge-rin Ursula von der leyen (cDU) hatte das Betreuungsgeld noch vor zwei Jah-ren als »bildungspolitische Katastrophe« bezeichnet. Schröder erklärte kurz nach ihrem Amtsantritt, es gehe beim Betreu-ungsgeld um ein für sie sehr wichtiges Anliegen, nämlich um die Unterstützung von jungen Vätern und Müttern, »die sich in den ersten Jahren nach der Geburt eines Kindes zu Hause in Vollzeit der Erzie-hung widmen«, also »ganz bewußt kei-nen Krippenplatz in Anspruch nehmen«. Doch das Geld erhalten auch jene Famili-en, deren Kinder von einem frühzeitigen Krippenbesuch profitieren würden. Köh-ler will sehen, »wie viele Familien das sind und welche Art der Unterstützung sie brauchen«. Sie kann sich vorstellen, Krippenplätze bevorzugt für »Härtefälle« bereitzuhalten – womit sie tendenziell zu diskriminierenden Sondereinrichtungen würden.

Abhängige FrauenGeld würden die überlasteten Kommu-nen sparen, indem die Betreuung in die Familien (sprich auf die Frauen) verlagert wird: Ein Betreuungsplatz in der Kita kostet Städte und Gemeinden monatlich 800 bis 1 000 Euro. Von Kinderkrippen und vorschulischer Bildung sollten aber alle Kinder profitieren, weil sie dort Anre-gungen bekommen und Erfahrungen ma-chen können, die ihnen auch ein »privile-giertes« Familienleben nicht bieten kann.

Bei Durchsetzung der »Herdprämie« würde die Abhängigkeit der Bezugsper-sonen von staatlichen Hilfen weiter for-ciert, weil für viele das Elterngeld schon jetzt nicht ausreicht, um ein, geschwei-ge denn zwei Jahre zu Hause bleiben zu können. Dabei ist völlig unklar, ob Hartz-IV-Bezieherinnen überhaupt vom Betreuungsgeld profitieren würden, denn bislang werden staatliche Transferleistun-gen – wie etwa das Kindergeld – auf den Hartz-IV-Regelsatz angerechnet. In dieser Frage hält sich das Bundesfami-lienministerium noch bedeckt.

Die 1,9 Milliarden Euro, die die »Herdprämie« den Steuerzahler pro Jahr kosten würde, wären besser angelegt, würden sie direkt in den qualitativen wie quantitativen Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuungsangebote investiert. Dazu ist ein Umsteuern hin zu einer Familienpolitik nötig, die von gleichbe-rechtigten Bezugspersonen ausgeht, für die es selbstverständlich ist, daß sie ihre Existenz selbst sichern können und von Kindern, die die gleichen chancen ha-ben sollen, egal, wie sie aussehen und wo sie herkommen.

Wer sich nicht wehrt ...... kommt an den Herd. Das Betreuungsgeld ist ein sozial- wie gleichstellungspolitischer Rückschritt. Von Gisela Notz

Generation Porno - schöne neue Sexwelt? Findet Ihre 14-jährige Tochter es auch normal, sich in Internetforen als »Kleines Flittchen« darzustellen?Die sexuelle Revolution war gestern, heute gehörenPornos zur Freizeitgestaltung. Doch »sexuelles fastfood« hat einen nachhaltigen Einfluss auf die junge Generation.Mit ihrem Buch hat die Journalistin Myrthe Hilkens europaweit Aufsehen erregt. Konsequent prangert sie in ihrem Buch »McSex« die zunehmende Sexuali-sierung unserer Gesellschaft an, in der Sex zum medial inszenierten Konsumartikel geworden ist.

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Gisela Notz ist Sozial-wissenschaftlerin, Histo-rikerin und Publizistin. Sie lebt und arbeitet in Berlin zu den Themen Arbeitsmarkt-, Sozial- und Familienpolitik, Al-ternative Ökonomie und zur historischen Frauen-forschung

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junge Welt Mittwoch, 3. März 2010, Nr. 52 5f e m i n i s m u s

Das schwache Geschlecht«, so titelte dieser Tage ausgerech-net die Welt, die es sich ge-wöhnlich nicht nehmen läßt,

vom vermeintlich »starken« männlichen Geschlecht zu berichten. Anlaß ist der er-ste wissenschaftliche Männerkongreß in Deutschland, der am 19. und 20. Februar an der Universität Düsseldorf stattfand. Unter dem Motto: »Neue Männer – muß das sein? Über den männlichen Umgang mit Gefühlen« untersuchten verschiede-ne Wissenschaftler die berufliche, private und gesundheitliche Krise des Mannes. Nach Ansicht des Sozialwissenschaftlers Klaus Hurrelmann »befinden sich Jun-gen und Männer in einem Rollengefäng-nis« und haben, anders als junge Frauen heute, keine vielfältigen Rollenmodelle, an denen sie sich orientieren können.

In der zahlenmäßig eher kleinen ak-tiven Männerbewegung haben sich un-terdessen verschiedene Gruppierungen herausgebildet. Das Spektrum reicht von rechtskonservativen, »maskulinistischen« bis hin zu antisexistischen Positionen.

Gegen »Umerziehung«Die maskulinistische Richtung leugnet die Benachteiligung von Frauen und pro-klamiert eine gesellschaftliche wie beruf-liche »Entwertung« des Mannes durch die Frauenbewegung. In dieser Traditi-on stehen Männerrechtsgruppen wie der Verein MANNdat: »leute glauben inzwi-schen an die feministischen Mythen von der lohndiskriminierung der Frauen, von massenhaft gewalttätigen Männern, von verantwortungslosen Vätern. Keine ande-re gesellschaftliche Gruppe muß sich hier-zulande dermaßen diffamieren lassen.« Aktuelle familienpolitische Maßnahmen wie das Elterngeld sind für MANNdat Teil eines Umerziehungsprogramms. Von Umerziehung sprechen in diesem Kon-text auch der Ring Nationaler Frauen und die neurechte Zeitung Junge Freiheit. Kein Wunder also, daß die Junge Freiheit die Gruppe 2008 im Rahmen eines leit-artikels hofierte. Die maskulinistische Bewegung tritt überaus dogmatisch und martialisch auf. Männerbewegte, die den offenen Diskurs mit feministischen Fo-ren suchen, werden gemobbt. Einer von ihnen berichtet, er sei in »Maskuforen« beleidigt und als »lila Pudel« diffamiert worden. Seine Einschätzung: »Diese Sze-ne schadet in erheblicher Weise vernünfti-gen Männerbewegten, die eine Weiterent-wicklung der Geschlechterverhältnisse in gegenseitiger Empathiebereitschaft und Wertschätzung wollen.« Bloggerinnen der Internetseite »maedchemannschaft.de« sind massiv von maskulinistischen Bloggern bedroht worden. Hier wird die Widersprüchlichkeit jener Gruppierun-gen deutlich: Einerseits verwehren sie sich gegen das Stigma des gewalttätigen Mannes, andererseits bestätigen sie gera-de dieses Klischee.

Noch massiver als die Aussagen von MANNdat gestalten sich die auf wgvdl. com (Wieviel Gleichberechtigung verträgt das land). Hier heißt es zum Bei-spiel: »Wenn der Mensch zur Menschin wird. Gender-Mainstreaming ist Teil einer ›political correctness‹, Teil eines Massen-

Konditionierungsprogramms, das seinen Ursprung im Kommunismus hat. Totale Gleichschaltung wie z.B. in Orwells 1984 ist das Ziel.«

Unklare ZieleDifferenzierte Sichtweisen sind bei der Initiative Väteraufbruch für Kinder e.V. zu finden. Sie widmet sich neben den Rechten von Vätern »der Beziehung der Kinder zu beiden Eltern nach einer Tren-nung«, wobei hier häufig der Mann als Opfer im Fokus steht. Ein Ziel ist die Gleichstellung von nichtehelichen und ehelichen Kindern. Starke innere Wider-sprüchliche gibt es hier wie auch in der neuen Initiative Agens e.V. »Echte Ge-schlechterdemokratie« erlaube es »beiden Geschlechtern, sich nach eigener Wahl und eigenem lebensentwurf in Beruf und Familie aufzuhalten. Wir müssen uns die Freiheit erkämpfen, über neue Model-le, jenseits des Zwangs zur Erwerbstä-tigkeit bis zur Erschöpfung, nachdenken zu dürfen«, formuliert etwa die Agens nahestehende Goslarer Gleichstellungs-beauftragte Monika Dittmer. Angesichts dieser vermeintlich emanzipatorischen Worte lohnt ein Blick auf maßgebliche Gründungsmitglieder wie Arne Hoff-mann und Gerhard Amendt. Hoffmann war Zugpferd der maskulinistischen Be-wegung und bis vor kurzem regelmäßiger Autor der Jungen Freiheit. Amendt, bis zu seiner Emeritierung Professor am Institut

für Geschlechter- und Generationenfor-schung Bremen, proklamierte 2009 in der Welt die Abschaffung von Frauenhäusern, da sie Orte des »Männerhasses und Radi-kalfeminismus« seien. Sowohl Hoffmann als auch Amendt haben Beiträge für den

von Agens Ende 2009 veröffentlichten Sammelband »Befreiungsbewegung für Männer« geliefert. Der Ton der Autoren-schaft, zu der auch Frauen gehören, ist mehrheitlich dezidiert antifeministisch. Da ist etwa von »Opferverliebtheit« des Feminismus die Rede oder von der angeb-lichen »Heroisierung« alleinerziehender Mütter. Profeministische Männer haben sich für eine Mitarbeit in der »Befreiungs-bewegung« nach Ansicht der Herausge-ber disqualifiziert, weil sie für eigenes Interesse halten, was »mehr oder weniger

Erwartungen von Frauen sind«. Initiati-ven wie der vom Bundesfamilienmini-sterium geförderte Verein »Neue Wege für Jungs« stehen etwa bei Herausgeber Eckhard Kuhla unter Verdacht, Jungen vor allem »sozialverträglich« machen zu wollen, wie er im Gespräch mit jW erklär-te. Dabei ist sie gerade darauf ausgerich-tet, ihnen neue Perspektiven jenseits tra-dierter Rollenmodelle zu eröffnen und sie etwa für soziale und pädagogische Berufe zu begeistern. Ein typischer Widerspruch bei Agens: Man fordert mehr männliche Pädagogen, die als Vorbilder für Jungs fungieren sollen. Wirbt aber eine Initia-tive aktiv um potentielle Kandidaten für diese Aufgabe, wird geargwöhnt, dies sei Teil des Umerziehungsprogramms.

Dem gegenüber steht beispielsweise die antisexistische Bewegung. Ein Bei-spiel hierfür ist der Verein Pat-Ex e.V. (von PatriarchatEx) für emanzipatorische Bildungsarbeit. Zur Ausrichtung von Pat-Ex sagt Sebastian Scheele, Mitarbeiter im GenderKompetenzZentrum in Berlin: »Statt eine neue, alternative, reformierte oder balancierte männliche Identität her-vorbringen zu wollen, die zwangsläufig weiter auf Abgrenzung und Abwertung von vermeintlich weiblichen Identitäten beruhen würde, nimmt der Verein queer-Theorie ernst (beziehungsweise über-haupt erstmal wahr).«

Ökonomie kein ThemaNicht alle Impulse der Männerbewegung werden in aktuellen öffentlichen Debat-ten sichtbar. Der Düsseldorfer Männer-kongreß ist ein Beispiel dafür, obwohl er keineswegs von antifeministischen Positionen dominiert war. Der Initiator Prof. Dr. Matthias Franz vom Institut für Psychosomatische Medizin und Psycho-therapie der Uni Düsseldorf sagte gegen-über der tageszeitung, es gehe keineswegs um »Opferkonkurrenz mit Frauen oder Mädchen, die völlig zu Recht über dreißig Jahre gefördert wurden«. In seinem Ein-führungsvortrag sprach er vom »gesamt-gesellschaftlichen Projekt der Genderge-rechtigkeit«, die nur im »Miteinander in wechselseitiger Wertschätzung von Män-nern und Frauen« gelingen könne. Die-se Versicherung dürfte Reaktion auf eine Kontroverse im Vorfeld sein: Nachdem bekannt war, daß Gerhard Amendt als Referent auftreten würde, forderten nach Informationen der Initiative »Väter und Karriere« Feministinnen seine Ausladung. Die Veranstalter hielten jedoch an ihm fest. Auf der Tagung bliebendie großen antifeministischen Tiraden aus. Dennoch wurde der Feminismus von Referenten wie Teilnehmern als allgegenwärtiges Schreckgespenst gemalt: Er »unterwan-dere« alle Institutionen, habe die »Ent-wertung« des männlichen Geschlechts in den Medien eingeleitet und sei – oh Schreck – angekommen im Mainstream: »Wie konnte es so weit kommen, daß der UniSPIEGEL in seiner aktuellen Ausgabe eine Feministin vorstellt?« fragte ein ent-setzter Teilnehmer.

Auf eine Diskussion queer-oder trans-gender-theoretischer Ansätze oder gar auf politökonomische Debatten wartete man in Düsseldorf vergebens, obwohl gerade letz-tere im Zuge der Finanz- und Wirtschafts-krise zunehmend an Bedeutung gewinnen. Unsicherheit und Flexibilisierungszwang am Arbeitsmarkt erhöhen den Druck auf alle Menschen gleichermaßen. Männer in Bewegung wünschen sich nach eigener Aussage mehr Ausgewogenheit zwischen Beruf und Privatleben und die Möglichkeit, etwa die Elternzeit ohne Diffamierung oder berufliche Benachteiligung in Anspruch nehmen zu können. Die Herausforderung besteht für sie darin, die männliche in eine »menschliche« Perspektive zu überführen, denn die Emanzipation aller Geschlechter ist nur mit der grundlegenden Veränderung der gesellschaftlichen und ökonomischen Verhältnisse denkbar.

Weiterbildung und Beratung berufliche Arbeit und Selbstverwirklichung • Qualifizierung und Einstieg • Bewerbung und Durchsetzung • Existenzsicherung und

Rechte • Politik und Frauen Persönliche Beratung / Seminare /

Gruppenarbeit

Isolde Aigner, 26, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des For-schungsschwerpunkts Rechtsextremismus und Neonazismus an der FH Düsseldorf und Redak-teurin von Wir Frauen – Das feministische Blatt.

Ansichten von Männer-initiativen und deren Protagonisten sind auf zahlreichen Webseiten zu finden, z. B.:

www.manndat.dewww.mannifest.eu (Auftritt von Agens e.V.)www.vafk.de (Seite des Väteraufbruchs für Kin-der, Bundesverband)www.arnehoffmann.de

Und in Buchform (z.B.):

Paul-Hermann Gruner, Eckhard Kuhla (Hg.): Befreiungsbewegung für Männer. Auf dem Weg zur Geschlechterdemo-kratie. Essays und Analy-sen. Psychosozial-Verlag, Gießen 2009, 427 S., 29,90 Euro

Für fortschrittliche Väter und solche, die es werden wollen, und selbstverständlich für Frauen sehr zu empfeh-len:

Thomas Gesterkamp: Die neuen Väter zwi-schen Kind und Karriere. Verlag Barbara Budrich, Leverkusen 2010, 151 S., 12,90 Euro

Es handelt sich um die überarbeitete und aktualisierte, soeben erschienene Neuauf-lage des erstmals 2007 veröffentlichten Titels. Unter den empfohlenen deutschen Webadressen im Anhang des Buches ist keine der oben auf-geführten. Gesterkamp ist Autor mehrerer weiterer Bücher zum Wandel des männlichen Rollenverständnisses (siehe www.thomasge-sterkamp.de)

Ebenfalls vorbildlich: www.pat-ex.de

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Die neuen Leiden des jungen MBewegte Männer heute: Maskulinisten vs. Feministen? Über eine denkbar heterogene und widersprüchliche Szene. Von Isolde Aigner

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Eva Kollisch, ich nehme an, es war eine schwierige Entschei-dung für Sie, die trotzkistische

Gruppe zu verlassen, in der Sie als junge Frau politisch gearbeitet ha-ben?

Über diese Frage äußere ich mich in dem Erinnerungsbuch »Mädchen in Bewe-gung«. Es war Kriegsende, die internatio-nale Arbeiterrevolution, die wir erwartet hatten, fand nicht statt. Ich beschäftigte mich erst zu diesem Zeitpunkt intensiv mit dem Holocaust und den Konzentrations-lagern. Auf diese Schrecken konnte der Marxismus keine Antworten geben.

Wie bekamen Sie erstmals Kontakt zum Feminismus?

Ich denke, ich war Feministin und Sozia-listin von Jugend auf. Ich haßte die Unter-würfigkeit der Frauen in Österreich. Sogar

meine Mutter, die eine angesehene Dich-terin und Schriftstellerin war und sich als etwas Besonderes gegenüber »normalen« Frauen ansah, meinte, man müsse Männer bewundern und bedienen als »Entgelt« für deren liebe.

Was denken Sie über die feministi-sche Bewegung in den USA? Gibt es einen Rollback wie in manchen euro-päischen Ländern?

Die feministische Bewegung in den USA war in den 70er und 80er Jahren stark. Aber auch da war es eine Bewegung der Mittelklasse. Jetzt ist Feminismus weniger kämpferisch, sondern vor allem karriereo-rientiert. Frauen wollen beruflich schnellst-möglich in höhere oder Führungspositio-nen. Die jüngere Generation ist weniger ra-dikal, und es ist ihnen wichtiger, Männern zu gefallen. Sie wollen nicht als »männ-

lich« oder »bedrohlich« oder als lesbische Frauen erscheinen. Aber man darf das nicht verallgemeinern. So gibt es in den USA ei-ne noch junge politische feministische An-tikriegsorganisation »code Pink« genannt. Sie initiiert vielseitige Aktionen, und die Farbe pink soll eine Spur von Radikalität vermitteln, auch über die Kleidung. Sie fallen durch einfallsreiche Protestformen auf, die oft etwas Spielerisches haben, und sie zeigen Zivilcourage. Aber sie sind keine Radikalfeministinnen.

Was ist Ihnen an Code Pink neben dem Genannten besonders wichtig?

Mir ist natürlich das Ziel ein großes Anlie-gen: Frieden in der Welt zu erreichen. Und ich schätze die Solidarität und die Krea-tivität sowie den freundschaftlichen und dabei doch kritischen Umgang der Frauen untereinander.

Gibt es eigentlich eine Lesbenwegung in den USA?

Nein. Es gibt lesbische Gruppen und natür-lich einzelne lesbische Frauen. Aber nicht so etwas wie eine »Bewegung«. Für mich sind Geschlecht und sexuelle Orientie-rung keine wichtigen Bedingungen mehr bei Freundschaften. Mir sind menschliche Werte wie Intelligenz, Humor, gegenseiti-ge Unterstützung wichtig, ebenso eine be-stimmte Weltanschauung und Vorstellun-gen, wie die Welt verbessert werden kann.

Sie haben 30 Jahre am Sarah-Law-rence-College gearbeitet. Könnten Sie etwas über die Aktivitäten der Frauen dort, ihre Wünsche, ihre Kommuni-kation untereinander und die Ziele Ihrer Arbeit erzählen?

Das Sarah-lawrence-college war das er-ste in den USA, das Frauenstudiengänge

anbot und Graduierungsmöglichkeiten ent-wickelte, um den Master in »Weiblicher Geschichte« zu erreichen. Das college war viele Jahre hindurch nur Frauen zugänglich. Inzwischen gibt es auch männliche Studen-ten. Aber eine Sensibilität Frauen gegen-über und eine antirassistische Einstellung wird von allen Studierenden erwartet. Das Studium, persönliche Interaktionen und ein überwiegend intellektuelles Klima fördern ein derartiges Bewußtsein.

Nach meiner Erfahrung am college wa-ren viele Studentinnen voll konstruktiver Ideen, wissensdurstig und sympathisch. Ich habe dort eine wirklich großartige Zeit mit meiner lehrtätigkeit verbracht.

Wie schafften Sie es, sich nicht mehr wie früher als Außenseiterin zu füh-len?

In meinem Erinnerungsbuch »Man braucht einen Boden unter den Füßen« beschreibe ich das Treffen mit drei meiner früheren Mitschülerinnen aus Baden. Wir waren 13, als wir uns das letzte Mal sahen. Ich fühlte mich anfangs nicht wohl, nach so langer Zeit von ihnen zu hören. Wer waren sie? Was hatten sie während der Nazizeit gemacht? Eine intensive schriftliche Korrespondenz begann. Irgendwie ist mein Respekt vor ihnen gewachsen, und ich gewann mehr Vertrauen. Ihre Ehrlichkeit, ihr Bedürfnis, mich zu verstehen und ihre menschliche Wärme wurden mir zur Grundlage für un-sere Freundschaft. Ich brauchte nicht mehr allen Österreichern oder Deutschen meiner Generation zu mißtrauen und sie zu hassen. Ich konnte die drei Frauen in ihrer wahren Menschlichkeit erkennen und fühlte mich von ihnen angenommen. Interview: Christiana Puschak

Mittwoch, 3. März 2010, Nr. 52 junge Welt 6 f e m i n i s m u s

Während einer Tagung der Theodor-Kramer-Gesell-schaft im September 2009 in Wien hatte ich Gelegen-

heit, Eva Kollisch persönlich kennenzuler-nen. Sie war aus New York angereist, um am Symposium »Subjekt des Erinnerns« teilzunehmen und auf einer eigenen Veran-staltung aus ihrer Autobiographie zu lesen und aus ihrem bewegten leben zu erzäh-len.

Die 1925 in Baden geborene ehemali-ge Universitätsdozentin und Schriftstelle-rin, deren Mutter Margarete Kollisch eine später auch im englischsprachigen Raum bekannte lyrikerin war, entkam, als Jüdin verfolgt, nach dem sogenannten Anschluß Österreichs an Hitlerdeutschland gemein-sam mit ihren beiden Brüdern in einem Kindertransport nach England und im April 1940 zu den Eltern in die USA, die dank eines Affidavits (Bürgschaftserklärung, mit der in den USA oder Großbritannien lebende Freunde oder Verwandte von den Nazis Verfolgten die Einreise ermöglichen konnten) bereits zwei Jahre zuvor in die USA hatten flüchten konnten.

Dort lebte die Familie in ärmlichen Ver-hältnissen. Eva Kollisch, während der letz-ten Jahre ihrer Schulzeit in Baden übelsten antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt, fühlte sich in Amerika erneut als Außensei-terin. In ihrem autobiographisch gefärbten Roman »Mädchen in Bewegung« schreibt sie, die Mitschüler hätten auf sie »einen oberflächlichen Eindruck« gemacht und »in vorgefertigten Phrasen« geredet.

1941 schloß sie sich der jungen Sektion der Workers Party an, einer trotzkistischen Gruppe, getragen von dem Wunsch, »die Welt zu retten«. Vorübergehend entfrem-dete sie sich von ihrer Familie, arbeitete in Fabriken, lehnte aber im lauf der Zeit die hierarchischen und patriarchalischen Strukturen der Partei und die alles bestim-

mende Gruppendisziplin immer stärker ab. Selbst eine überzeugte Individualistin, fühlte sie sich unterdrückt und ging bald wieder eigene Wege. Nach vier Jahren ver-ließ sie die Partei und nahm nach absolvier-ter Hochschulreife ein Studium auf. Nach erfolgreichem Abschluß arbeitete Eva Kol-lisch am Sarah-lawrence-college in New York, wo sie deutsche, vergleichende und Frauenliteratur lehrte. Wichtig war ihr, daß dort humanistische Werte vermittelt wur-den, Randgruppen gegenüber Sensibilität gezeigt und dem Künstlerischen ein hoher Stellenwert beigemessen wurde.

Ihr Roman erschien im Jahr 2000 unter dem Titel »Girl in Movement« und erfuhr 2007 in »autobiographical stories and es-says« unter dem Titel »The Ground under my Feet« eine Fortschreibung. Noch im Frühjahr 2010 soll im Wiener czernin Ver-lag eine deutsche Fassung erscheinen.

Bis heute ist die emeritierte Professorin politisch aktiv. Sie engagiert sich in der Friedens- und Frauenbewegung, schreibt Gedichte und Essays, ist überzeugte Femi-nistin, setzt sich für die Rechte von lesben und Schwulen ein und wirkt in der Bewe-gung »One by One«mit, die den Dialog zwischen Nachkommen von Tätern und Opfern der Nazizeit unterstützt. Eva Kol-lisch lebt in New York mit ihrer langjähri-gen lebensgefährtin Naomi Replansky, ei-ner bekannten lyrikerin, zusammen, über die sie sagt: »Mit der Zeit lernte ich, daß Naomi mit Gedichten lebt, als wären sie alte Freunde.«

Christiana Puschak lebt und arbeitet als freie Psychologin, Publizi-stin und Journalistin in Berlin. Mitglied u.a. in der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft, der Wiener Theodor-Kramer-Gesell-schaft und der Gesell-schaft für Exilforschung.

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Immer in BewegungGeradlinigkeit einer Heimatlosen: Die literaturwissenschaftlerin Eva Kollisch, die als jüdische Migrantin in die USA kam. Von Christiana Puschak

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Mehr über Eva Kollisch und ihre Bücher auf ihrer Website http://eva-kollisch.moonfruit.com

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junge Welt Mittwoch, 3. März 2010, Nr. 52 7f e m i n i s m u s

Frauen, die mit negativen Vor-urteilen konfrontiert werden, schneiden in einem Mathe-matiktest schlechter ab als die

unbeeinflußte Vergleichsgruppe. Auch die leistungen von Schülerinnen bei naturwissenschaftlich-technischen Fra-gestellungen erwiesen sich als abhängig von vermittelten Geschlechterstereoty-pen. In der öffentlichen Wahrnehmung erscheint die Naturwissenschaft – mit Ausnahme der Biologie – männlich. Die-se kulturell geprägte geschlechtsspezifi-sche Zuschreibung wird kontinuierlich in Alltag und Schule reproduziert. Ge-sellschaftliche Erwartungen an Mädchen und Jungen beeinflussen erheblich deren

Selbstbild. Geschlechtsidentität ist ein wichtiger Faktor in der Selbstwahrneh-mung, denn die Gesellschaft zwingt die Kinder, eine entsprechende Identität zu entwickeln und sich als eher männlich oder eher weiblich geltenden Verhaltens-mustern zu unterwerfen: Verschiedene Studien, die sich mit dem Verhältnis von Schülerinnen zur Physik und ihrer dies-bezüglichen Selbstwahrnehmung befas-sen, betonen den gravierenden Einfluß von Interaktionen im Unterricht. Es wird angenommen, daß vor allem im Physi-kunterricht ein Ausmaß an geschlechts-spezifischem Verhalten erzeugt wird wie in kaum einem anderen Fach.

Selbstbewußte JungenBei mindestens gleicher Schulleistung schätzen Mädchen ihre leistungsfähig-keit geringer ein als Jungen. Die positive Selbsteinschätzung der eigenen Fähigkei-ten im mathematisch-naturwissenschaft-lichen Bereich steigt bei Jungen mit zu-nehmendem Alter immer weiter, die der Mädchen aber nicht. Mädchen beteiligen sich weniger am Physikunterricht als Jun-gen. Sie wissen weniger über Physik und Technik, und der Abstand zu den Jungen wird mit zunehmendem Alter größer. Im Gegensatz zu Jungen können Mädchen von guten leistungen in den sogenannten MINT-Fächern (Mathematik, Informa-tik, Naturwissenschaft, Technik) wenig

oder keine Verbesserung ihres Status erwarten. Sie beschäftigen sich au-ßerhalb des Unterrichts weniger mit Physik und Technik und sind daher stärker auf die in der Schule vermit-telten Kompetenzen angewiesen.

Eine Distanz der Schülerinnen zur Naturwissenschaft macht sich über-all dort bemerkbar, wo sie wählen können: bei der Wahl des Schulfa-ches, des Schultyps, des Studiums, des Berufs. Dem gegenüber stehen die Bemühungen von Politik und Hochschulen, mehr Frauen für Na-turwissenschaft und Technik zu ge-winnen, etwa über den »Nationalen Pakt für Frauen in MINT-Berufen«. Bildungsforscher fordern, die Wahl-möglichkeiten beider Geschlechter bis zu einem bestimmten Alter ein-zuschränken. Haben Schülerinnen sich erst einmal der Naturwissen-schaft und Technik zugewandt, sind ihre leistungen oft besser als die ihrer Mitschüler. Trotzdem meiden auch diese jungen Frauen meist ei-nen »MINT-Beruf«.

Untersuchungen zeigen, daß selbst flüchtige Begegnungen mit stereoty-pen Frauenbildern, zum Beispiel in Werbespots, ausreichen, um Frau-en in ihren lebensentwürfen von »Männerberufen« fernzuhalten. Es gibt inzwischen eine große Anzahl von empirischen Studien, die die Bedeutung von stereotypen Erwar-tungen belegen. Dieser »stereotype threat«-Effekt – die »Bedrohung durch Stereotype« – ist nicht auf Mathematik aufgaben beschränkt, sondern auf alle Situationen an-wendbar, in denen stereotype Erwar-tungen vermittelt werden können. Die dadurch bedingte leistungsmin-derung gilt als empirisch gesichert. Geschlechterstereotype sind kultu-rell geprägte Meinungen über spezifische Eigenarten und Fähigkeiten von Männern und Frauen bzw. Jungen und Mädchen. Sie werden von Eltern, Medien, Freundin-nen und Freunden, lehrkräften vermittelt und durch Beobachtungen erlernt und im-mer wieder aktiviert. In der Schule ist das Risiko für Mädchen hoch, auf negative Vorurteile zu stoßen: Fast ein Drittel von in Untersuchungen befragten Physiklehr-kräften halten – auf ihr Unterrichtsfach bezogen – Jungen für begabter als Mäd-chen. Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus sind solche Stereotype immer falsch, da es sich um Generalisierungen handelt (siehe literatur – Förster, 2007).

Stereotypisierungen erzeugen massi-ve Nachteile für die klassischen Frauen-berufe: Es gibt weniger lohn, weniger Aufstiegschancen, weniger Arbeitsplatz-sicherheit, weniger gesellschaftliche Anerkennung und oft ungünstigere Ar-beitsbedingungen. Die Ausbildungen sind häufiger schulgeldpflichtig, und im dualen System erhalten weibliche Auszu-bildende weniger Ausbildungsvergütung als männliche.

Männerdomäne PhysikStereotype Rollenzuschreibungen sind auch verantwortlich für die geringere Par-tizipation von Frauen in MINT-Berufen. Darüber hinaus äußern sie sich »in der Art, wie sich Naturwissenschaften prä-sentieren« und in einer bestimmten wis-senschaftlichen Denkweise. Die Vorstel-lung der »Physiker-community als eine Gemeinschaft maskuliner, vernunftgelei-

teter, sozial desinteressierter Helden des Geistes« erschwert es jungen Frauen, sich hier zugehörig zu fühlen bzw. als Mitglied akzeptiert zu werden (siehe literatur: Er-lemann, 2004). Die Physik ist nicht nur männlich geprägt, sondern sie erscheint

auch trocken und lebensfremd. Bis heute gelingt es ihren Repräsentanten nicht, sie als Disziplin zu präsentieren, die dazu beiträgt, das leben der Menschen an-genehmer zu gestalten. Die Frage »Wie kann Technik und Naturwissenschaft zu sozialem Fortschritt und zum Wohle der Gesellschaft beitragen?« findet bei der schulischen Wissensvermittlung in die-sem Bereich kaum Berücksichtigung. Doch genau dieser Bezug zur eigenen lebenswirklichkeit ist ausschlaggebend dafür, ob sich insbesondere Mädchen von Themen der »hard sciences« ansprechen lassen. Auch dieser Begriff, der in Ab-grenzung zu den Sozialwissenschaften

(»soft sciences«) für Naturwis-senschaften verwendet wird, ist gleichzeitig eng mit dem Begriff des Männlichen verknüpft.

Die Orientierung an den vor-herrschenden Geschlechterrollen bei der Förderung von Interessen, Fähigkeiten und Verhaltenswei-sen schafft geschlechtsspezifi-sche Barrieren für Mädchen und Frauen beim Zugang zu Naturwis-senschaft und Technik. Eine ge-schlechtergerechte Bildung müßte daher bestrebt sein, diese Barrie-ren abzubauen.

Vorurteile widerlegenDabei wäre die bewußte Wahrneh-mung des alltäglichen »doing gen-der«, also der wiederholten inter-aktiven Herstellung von geschlech-terbezogenen Verhaltensmustern, Voraussetzung für die Vermeidung von Stereotypisierungen. Vor al-lem im bildungspolitischen und fachdidaktischen Kontext müß-te die Diskussion um »un-doing gender« verstärkt Eingang finden. Dazu gehört die Bereitschaft zur Selbstreflexion sowie Gender-kompetenz aller Beteiligten. Eine effektive Methode, insbesondere lehrkräfte für ihr unbewußtes »doing gender« zu sensibilisieren, sind Videoaufzeichnungen vom Unterricht und deren anschließen-de Auswertung.

Weiter können individuelle Erfahrungen, die Vorurteile wi-derlegen, Entscheidungsprozesse jenseits von Stereotypisierungen fördern. Insbesondere weibliche Rollenvorbilder und spezifische Angebote, mit denen das Interesse von Mädchen und jungen Frau-

en für naturwissenschaftlich-technische Sachverhalte geweckt werden kann, sind erfolgversprechend. Auch durch eine deutlichere Verbindung von gesellschaft-lichen Fragestellungen mit Themen aus Naturwissenschaft und Technik können Mädchen und Frauen stärker für MINT-Berufe und -Studienfächer interessiert werden.

Was den Mädchen nützt, schadet im üb-rigen den Jungen nicht. Auch sie profitie-ren von einem stärker alltagsbezogenen naturwissenschaftlichen Unterricht. Die Wißbegierde von jungen Menschen bei-derlei Geschlechts kann mit relativ einfa-chen Mitteln wachgehalten und mit einer großen Bandbreite an lernstrate gien un-terstützt werden. Als immun gegenüber Vorurteilen erwiesen sich Umfragen zu-folge übrigens Studentinnen, die nicht an die Überlegenheit von Männern auf diesem Gebiet glaubten.

Der heimliche Gender-LehrplanWarum sich in den Naturwissenschaften Geschlechterstereotype besonders hartnäckig halten – und wie das zu ändern wäre. Von Sabine Scherbaum

Sabine Scherbaum ist als Physiki ngenieurin sowie als Trainerin für das Projekt »gender in research« innerhalb des Europäischen For-schungsrahmenpro-gramms tätig und leitet die Vorbereitungen für den ersten bayerischen Mädchentechnikkon-greß am 29. September an der Hochschule Kempten.

Literatur (Auswahl):– Spencer, S. J., Stee-le, C.M., Quinn, D.M. (1998). Stereotype threat women’s per-formance. Journal of Experimental Social Psychology– Stadler, Helga (2008): Warum wir uns mit dem Thema Gender/Geschlecht im Zusam-menhang mit naturwis-senschaftlichem Un-terricht beschäftigen müssen– Tausendpfund, Markus (2007): Höheres Inter-esse, schlechtere Lei-stungen: Geschlechts-spezifische Leistungser-wartung in der Mathe-matik und ihr Einfluß auf die Testleistung in der PISA-Studie 2003. Schriftenreihe »Mann-heimer sozialwissen-schaftliche Abschlußar-beiten«, Nr. 005/07 der Uni Mannheim – hier findet sich auf Seite 49 eine Liste von über 20 Studien zum »stereo-type threat«– Förster, J. (2007): Wie Vorurteile unsere Lei-stung verbessern oder verschlechtern können. Eine sozialpsychologi-sche Perspektive. Gen-der Lecture November 2007– Erlemann, Martina (2004): Inszenierte Er-kenntnis. Beobachtun-gen zur Wissenschafts-kultur im universitären Lehrkontext. In: Arnold, M. (Hg.): Disziplinierun-gen. Turia und Kant– Faulstich-Wieland, Hannelore (2009): Chancen und Blocka-den einer geschlechter-gerechten Schule – Rol-le der Lehrkräfte und Forderungen an ihre Ausbildung. Vortrag am 26.11.2009, TU München

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Mittwoch, 3. März 2010, Nr. 52 junge Welt 8 f e m i n i s m u s

Literatur: Florence Hervé/Renate Wurms: Das Weiberlexikon. 5. Aufl., Papyrossa Verlag, Köln 2006, 508 S., 29,90 Euro; Siegfried Scholze: Der Internationale Frau-entag einst und heute. Geschichtlicher Abriß und weltweite Tradition vom Entstehen bis zur Gegenwart, Trafo Verlag, Berlin 2001, 235 S., 20,90 Euro (nur noch direkt beim Verlag erhältlich: www.trafoberlin.de bzw. trafo Verlag, Finkenstr. 8, 12621 Berlin)

feminismus erscheint als Beilage der Tageszeitung junge Welt im Verlag 8. Mai GmbH, Torstr. 6, 10119 Berlin; Redak-tion: Jana Frielinghaus (V. i. S. d. P.); Anzeigen: Silke Schubert; Gestal-tung: Michael Sommer

Über den internationalen Frau-entag für die Rechte der Frau, für den Frieden und eine hu-mane Gesellschaft kursieren

immer noch Gerüchte und Halbwahrhei-ten. In Alice Schwarzers Emma (Aus-gabe November/Dezember 2009) wurde er jüngst als Erfindung der DDR und als deren »Ersatzmuttertag« dargestellt, den kaum eine vermisse. Allgemein wird gestritten, ob er dieses oder erst nächstes Jahr 100 Jahre alt wird.

Sicher ist, daß im August 1910 etwa 100 Frauen aus 17 Nationen in Kopenhagen beschlossen, »alljährlich einen Frauen-tag zu veranstalten«, mit »internationalen charakter« – auf Antrag von clara Zet-kin, Käthe Duncker und anderen Genos-sinnen. Mit dem Kampftag wollten sie die »Einführung des politischen Frauenwahl-rechts« beschleunigen.

Woher aber kam die Idee? Wissen-schaftliche Untersuchungen haben in den letzten Jahren mit der Behauptung aufgeräumt, die Demonstrationen von New Yorker Arbeiterinnen 1857 gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen hät-ten die Initialzündung gegeben. Klar ist heute, daß die Streiks der Tabak- und Tex-tilarbeiterinnen 1908 in Manhattan und der 20 000 Hemdennäherinnen 1909 in derselben Stadt wichtige Impulse gege-ben haben.

Die unmittelbare Anregung ist offen-bar 1908 von einem Beschluß der US-amerikanischen Sozialisten ausgegangen, »am letzten Februarsonntag große Propa-ganda für das Frauenwahlrecht und die Idee des Sozialismus zu veranstalten…«. Die entsprechenden Aktionen im Februar 1909 wurden zu einem Erfolg für die poli-tische Frauenarbeit und die Stimmrechts-bewegung in den USA. Die sozialistische Partei beschloß, das Projekt fortzufüh-ren. Der Vorsitzende der SPD, August Bebel, schickte am 3. Februar 1910 zum zweiten Frauentag eine Grußadresse an die amerikanischen Sozialistinnen: »Ich wünsche, daß Ihr nationaler Frauen-Tag eine internationale Bedeutung erlange, was sicher geschieht, wenn seine Bestre-bungen auf der Höhe der Zeit stehen und von Erfolg begleitet sind.« Er wurde zu einem Riesenerfolg. Die amerikanischen Sozialistinnen bekamen den Auftrag, auf der 2. Sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen zu beantragen, daß der letzte Sonntag im Februar als Internationaler

Frauentag bestimmt wird. Die Autorität von clara Zetkin und Käthe Duncker half, den Antrag durchzusetzen.

Insgesamt stießen Zetkin und ihre Mi-streiterinnen in ihrer Partei, der damals großen und international einflußreichen sozialdemokratischen, mit ihrem Plan, einen Frauentag einzuführen, auf wenig Gegenliebe. »Frauenrechtlerei« und »Ex-trawürste« sahen viele Männer nicht gern; Parteirechte fürchteten Umstürzlertum und manche linke vermuteten reformisti-sche Bestrebungen.

Doch Tausende Frauen erfüllten den Beschluß von Kopenhagen mit leben und kamen am 1. Internationalen Frau-entag, dem 19. März 1911, in Dänemark, Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA zu Versammlungen und De-monstrationen zusammen. Der 19. März war in Erinnerung an die 1848er Revoluti-on in Deutschland (Gedenktag für die Ge-fallenen) und an das mutige Engagement der Frauen der Pariser commune 1871 ge-wählt worden. An den Demonstrationen beteiligten sich auch Vertreterinnen der bürgerlichen Frauenbewegung: Die Fe-ministin Minna cauer und lida Gustava Heymann, spätere Mitbegründerin der In-ternationalen Frauenliga für Freiheit und Frieden, übermittelten den Berlinerinnen Grüße und bekannten sich zum Interna-tionalen Frauentag und dessen Forderun-gen.

1912 wurde auch in Frankreich, Hol-land, Schweden, 1913 in Rußland und der Tschechoslowakei unter anderem für das Wahlrecht, für Arbeiterinnen- und Mut-terschutz, für den Achtstundentag demon-striert. In Deutschland mußten die Genos-sinnen jedes Jahr um die Durchführung des Internationalen Frauentags kämpfen. clara Zetkin konstatierte noch 1912, in »manchen Parteikreisen« gebe es weiter »eine ziemliche Abneigung« dagegen. Während des Ersten Weltkriegs waren in

Deutschland und Österreich öffentliche Versammlungen zeitweilig verboten. So fanden 1916 nur Veranstaltungen in Sälen statt. »Krieg dem Krieg« lautete deren losung.

Revolutionäres ErbeDer Frauentag war zunächst an kein festes Datum gebunden. Am 8. März 1917 – nach dem alten russischen Kalender war das der 23. Februar – machten etwa 90 000 Peters-burger Textilarbeiterinnen und -arbeiter mit ihrem Streik den Anfang zur Februarre-volution. In Erinnerung daran wurde auf der 2. internationalen Konferenz der Kom-munistinnen 1921 der 8. März als festes Datum für den Frauentag beschlossen. Es folgten Veranstaltungen unter anderem in Bulgarien, china, England, Estland, Finn-land, Japan, dem Iran, litauen, Polen und Rumänien.

In Deutschland waren zum Ende der Weimarer Republik der Kampf gegen den Paragraphen 218, gegen Elend und Erwerbs-losigkeit sowie gegen die drohende faschi-stische Gefahr zentrale Themen. 1933, nach der Machtübertragung an die Nazis, waren Demonstrationen zum 8. März nicht mehr möglich. Illegale Flugblattaktionen fanden trotzdem statt. Sogar im Konzentrations-lager wurde der Frauentag begangen. So berichtet die Kommunistin Elli Schmidt über Ravensbrück: »Auf dem Weg zur Ar-beit, selbst in den Baracken erzählen die Kameradinnen, wie in ihrem lande der Weltfrauentag gefeiert wird (…)«.

Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges fand am 8. März 1945 in london ein in-ternationales Frauentreffen statt. Hier wie 1947 auf dem »Deutschen Frauenkongreß« zum Internationalen Frauentag in Berlin sollten lehren aus dem Faschismus gezo-gen werden und breite Frauenbewegungen entstehen. Auch in den Westzonen fanden nach 1945 gemeinsame Veranstaltungen

zum Frauentag statt. Trotz des kalten Krie-ges setzten Unorganisierte, Kommunistin-nen und Gewerkschafterinnen die Tradition des Frauentages in den 1950er Jahren fort. Sie forderten Gleichberechtigung in Beruf und Familie, kämpften gegen die Wieder-aufrüstung, für Völkerverständigung und internationale Zusammenarbeit. Doch in den 1960er Jahren war der Frauentag in der BRD fast vergessen.

Renaissance in den 70ernIn den 70er Jahren machten Kommuni-stinnen, Frauen der Demokratischen Fraueninitiative (DFI), Gewerkschafte-rinnen, dann auch Sozialdemokratinnen und Frauen aus der autonomen Bewe-gung den 8. März wieder als Tag der Frauen bekannt. Der gemeinsame Kampf gegen den Paragraphen 218, der Abtrei-bung kriminalisierte, die Reform- und Entspannungspolitik wie auch die inter-nationale Zusammenarbeit in der Frauen-friedensbewegung trugen entscheidend dazu bei.

Ein Beschluß des Deutschen Gewerk-schaftsbundes (DGB) von 1980, mit dem Veranstaltungen zum 8. März abgelehnt wurden, mußte aufgrund der Proteste der Gewerkschaftsfrauen rückgängig gemacht werden. In der DDR entwickelte sich der Internationale Frauentag zu einem sozia-listischen Feiertag, an dem Frauen ausge-zeichnet und geehrt wurden.

Einen mächtigen Impuls für die Frau-enbewegung brachte das 1975 das von der Internationalen Demokratischen Frauen-föderation (IDFF) vorgeschlagene UN-Jahr der Frau »für Gleichberechtigung, Entwicklung und Frieden«. Am 7. März 1975 fand im New Yorker Hauptquar-tier der Vereinten Nationen ein Sympo-sium über Geschlechterverhältnisse mit 500 Teilnehmerinnen statt. 1977 erklär-te die UN-Generalversammlung den 8. März zum Tag für die Rechte der Frauen und den Weltfrieden – er wurde in den UNO-Kalender der jährlich zu begehen-den bedeutenden Tage aufgenommen. In

Frankreich seit 1982 offiziell anerkannt, ist der 8. März in rund 30 ländern ein ge-setzlicher Feiertag. Das UN-Motto 2010: »Gleiche Rechte, gleiche chancen, Fort-schritt für alle«.

Ob in Kopenhagen, in Frankreich, in Schweden oder im Kurdistan – das Frau-entagsjubiläum wird dieses Jahr began-gen, in Deutschland auch 2011. Beides ist berechtigt: Dieses Jahr gilt es, das Engagement der Sozialistinnen und den historischen Beschluß der Kopenhage-ner Konferenz zu würdigen. Die ersten Demonstrationen im Jahr 1911 und deren 100. Jahrestag 2011 wiederum stehen für die Einsicht, daß es vieler Bündnisse auch außerhalb des sozialistischen lagers be-darf, einer »einheitlichen internationalen Aktion« (Zetkin), um etwas zu bewegen.

Keine JubelfeiernVor 100 Jahren beschlossen, 1911 erstmals begangen: Ein Rückblick auf die bewegte Geschichte des Internationalen Frauentags. Von Florence Hervé

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Florence Hervé, promo-vierte Germanistin, ist freiberufliche Publizi-stin und Journalistin in Düsseldorf und in einer Vielzahl feministischer Initiativen aktiv. Seit mehr als 30 Jahren ist sie Mitherausgeberin des Kalenders »Wir Frau-en«, seit über 25 Jahren auch der gleichnamigen Zeitschrift. Sie ist Auto-rin zahlreicher Bücher, u. a. über Clara Zetkin und Simone de Beauvoir.

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junge Welt Mittwoch, 3. März 2010, Nr. 52 9j w - s h o p

BefragungjW-Shop u Politische Bücher

Elfriede BrüningUnd außerdem war es mein LebenBekenntnisse einer Zeitzeugin

Elfriede Brüning erlebte ein Jahrhun-dert deutscher Geschichte: Kindheit im Kaiserreich, politisches und literarisches Heranreifen in der Weimarer Republik, kommunistischer Widerstand im Dritten Reich, anschließend Aufbau und Ent-wicklung der DDR sowie vierzig Jahre später ihr Ende. Die facettenreiche Auto-biografie der erfolgreichen Schriftstelle-rin vermischt Privates mit Öffentlichem und verbindet jugendliche Radikalität mit der Weisheit des Alters.u Neues Leben, 400Seiten, 22,95 €

Buchpremiere am 16. März 2010 19 Uhr in der jW-Ladengalerie!

Ronald M. SchernikauIrene Binz. Befragung

Das intensive Gespräch zwischen Mutter und Sohn fördert Bewegendes zutage: das Aufwachsen in der DDR, die Umstände der Flucht nach Westdeutschland aus lie-be zum Vater des gemeinsamen Kindes, die Demütigung, als sie erfährt, daß die-ser dort heimlich eine andere geheiratet hat, das Mißtrauen ihr, der Genossin, ge-genüber – Irene Binz, literarisches Alter Ego von Ellen Schernikau, geht weiter ihren Weg und fühlt doch schmerzhaft die leerstelle der fehlenden Heimat. Die-ses Buch ist das berührende Porträt einer ungewöhnlichen, starken Frau, die ihren Überzeugungen treu geblieben ist. Frap-pierend in seiner Einzigartigkeit, ist es doch auf seine Art exemplarisch für den verkrampften Umgang der beiden deut-schen Staaten miteinander – und dessen Konsequenzen bis heute.

Mit einem Vorwort von Dietmar Dathu Rotbuch, 224 Seiten, 16,95 €

Angela Davis, Klaus SteinigerAngela DavisEine Frau schreibt Geschichte

Sie ist eine Symbolfigur der linken, der

schwarzen und der Frauenbewegung. Als Angela Davis 1970 vom Staat USA infam des Mordes angeklagt wurde, löste dies weltweit eine große Welle der Solidarität aus. Allein die Schulkinder in der DDR schickten der jungen Kommunistin, die nach zwei Jahren freigesprochen wurde, Millionen selbstgemalter Rosen ins Ge-fängnis. Der Journalist Klaus Steiniger reiste damals als erster DDR-Auslands-korrespondent in die USA und schildert die dramatischen Ereignisse aus unmit-telbarer Nähe.u Neues Leben, 192 Seiten, 12,95 €

Buchpremiere in der jW-Ladenga-lerie am 27.04.2010 um 19 Uhr!

Helga E. HörzZwischen Uni und UNOErfahrungen einer Ethikerin

Eine international ausgewiesene Wissen-schaftlerin und anerkannte Diplomatin schildert ihre Erfahrungen in wissen-schaftlichen Auseinandersetzungen, mit diplomatischen Konflikten und bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Helga E. Hörz, Jahrgang 1935, leitete hauptamtlich als Professorin den von ihr gegründeten Bereich Ethik an der Sek-tion Philosophie der Humboldt-Univer-sität und vertrat die DDR über 15 Jahre ehrenamtlich in der UNO-Kommission »Zum Status der Frau«. So bewegte sie sich zwischen Uni und UNO. Es geht um viele Begegnungen mit interessan-ten Persönlichkeiten, um Standpunkte zu historischen und aktuellen ethischen Problemen, um ernste Konflikte und hu-morvolle Treffen. u Trafo Verlag, 393 Seiten, 29,80 €

Buchvorstellung in der jW-Laden-galerie am 07.04.2010 um 19 Uhr!

Delia ZamudioFrauenhaut – Eine AutobiographieEine schwarze Feministin und Gewerk-schafterin aus Peru

»Alles, was ich erlebt habe, hat mich wachsen lassen«, faßt Delia Zamudio die

Erfahrungen ihres bisherigen lebens zu-sammen. Als Kind schwarzer Eltern im Süden Perus geboren, wuchs sie in den vierziger Jahren in der Hauptstadt lima auf. In der Kindheit erlebte Delia die Gewalt innerhalb ihrer Familie; in der Schule gehörte der Rassismus von lehre-rinnen und Mitschülerinnen zum Alltag. Als jugendliche Hausangestellte wurde sie Opfer physischer und seelischer Ge-walttätigkeiten.

Später arbeitete sie für die peruanische Tochtergesellschaft der deutschen Sche-ring AG. Sie trat der Betriebsgewerk-schaft bei, wurde bald zur Generalsekre-tärin gewählt und beteiligte sich maß-geblich am Kampf der Belegschaft um ihre Rechte. Gleichzeitig nahm sie am Organisationsprozeß und an den Aktio-nen der feministischen Bewegung Perus teil. Seit dem massiven Personalabbau bei »Schering Farmacéutica Peruana« im Jahre 1992 versucht Delia Zamudio, ihr Überleben selbst zu organisieren. In der Volksbewegung organisiert sie Bildungs-programme für Frauen und vermittelt ih-re Erfahrungen als schwarze Frau in den politischen Bewegungen. u Neuer ISP Verlag / Atlantik Verlag, 142 Seiten, 12,80 €

Melanie Groß & Gabriele Winker (Hg.)Queer-Feministische Kritiken neoliberaler Verhältnisse

Seit den 1990er Jahren ist die femini-stisch und queer-feministisch orientierte Wissenschaft in Deutschland stark mit ihren eigenen theoretischen Grundlagen beschäftigt. Es gab vielfältige Erkennt-nisse sowohl aus komplexen theoreti-schen Debatten als auch aus akribischer empirischer Arbeit. Wie lassen sich mit diesen vorliegenden Erkenntnissen fe-ministischer und queer-feministischer Wissenschaft neoliberale Entwicklun-gen verstehen, die mit Ungleichheiten, fehlender Anerkennung oder geringer gesellschaftlicher Teilhabe bestimmter Gruppen von Menschen einher gehen? Daran schließt sich die Frage an, welche queer-feministischen Handlungsperspek-

tiven sich aus diesem Verständnis entwik-keln lassen.

Mit Beiträgen von Stefanie Bentrup, Kathrin Englert, Kathrin Ganz, Dorothee Greve, Melanie Groß, christiane Wehr und Gabriele Winker.u Unrast Verlag, 192 Seiten, 14 €

Ruth & Günter Hortzschansky Judith Auer (1905 – 1944)Möge alles Schmerzliche nicht umsonst gewesen sein

Judith Auer, geborene Vallentin, stamm-te aus einer Künstlerfamilie, verlor früh ihre Eltern. Bekannte der Familie er-möglichten ihr ein Musikstudium. Sie fand Kontakt zu fortschrittlichen Künst-lern und Intellektuellen und trat noch während des Studiums dem Kommuni-stischen Jugendverband bei. Nach ihrer Heirat arbeitete sie als Stenotypistin und wurde Mitglied der KPD. 1929 wurde Ruth, ihre Tochter, geboren, die sie innig liebte. Nach der Errichtung der Naziherr-schaft in Deutschland mußte sie mühsam um den lebensunterhalt ringen. Davon zeugt die überlieferte Korrespondenz mit ihrem inhaftierten Ehemann. Zusammen mit anderen Dokumenten und Aufzeich-nungen ergeben sie Einblicke in den All-tag im faschistischen Deutschland. An der Seite von Aenne und Anton Saefkow und anderen Kampfgefährten setzte sie sich selbstlos für die Überwindung der Herrschaft des faschistischen deutschen Imperialismus ein. 1944 wurde sie zum Tode verurteilt und hingerichtet. In ihrer Hand hielt sie das Bild ihrer Tochter.u Trafo Verlag, 146 Seiten, 13,80 €

Inge ViettNie war ich furchtloserAutobiographie

Inge Viett, der in den 70er Jahren das Prädikat »Topterroristin mit besonders grausiger Handschrift« verliehen wurde, spricht ohne Sentimentalitäten über ihr leben: die enge, muffige Kindheit bei Pflegeeltern in der norddeutschen Pro-

»Alles, was ich erlebt habe, hat mich wachsen lassen.«

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Mittwoch, 3. März 2010, Nr. 52 junge Welt 1 0 j w - s h o pvinz, ihre Zeit in der Berliner Subkultur und den Beginn des politischen Enga-gements. Zweimal bricht sie aus dem Gefängnis aus, wird Mitglied der »Bewe-gung 2. Juni« ...u Nautilus Verlag, 320 Seiten, 14,90 €

Eva Schöck-Quinteros & Christiane Streubel (Hg.)Ihrem Volk verantwortlichFrauen der politischen Rechten (1890 – 1933)

Das zeitgenössische Zitat »Ihrem Volk verantwortlich« bringt die Einstellung konservativer, völkischer und radikal nationalistischer Frauen auf den Punkt. Nach der Erfahrung von Krieg und Nie-derlage und mit der Einführung des Frau-enwahlrechts im November 1918 verstärk-te sich ihr Interesse, politisch aktiv zu werden und sich in öffentlichen Debatten Gehör zu verschaffen. Autor/innen aus den USA und Deutschland untersuchen Organisationen (Vaterländischer Frauen-verein, Frauenbund der Deutschen Ko-lonialgesellschaft, Bund Königin luise), Agitationen (Wahlpropaganda, Parteiar-beit in Ortsvereinen) und den Beitrag von Publizistinnen bei der Ideologiebildung im rechten Spektrum in der Zeit von 1890 bis 1933. Ausgehend von einem Plädoyer für einen intensiven Dialog zwischen All-gemeiner und Geschlechter-Geschichte werden die Beiträge in den aktuellen For-schungsstand zur politischen Rechten ver-ortet. Der Band enthält zusätzlich zu den einzelnen Aufsätzen eine Dokumentation ausgewählter Quellen. u Trafo Verlag, 350 Seiten, 24,80 €

Vera BianchiFeministinnen in der RevolutionDie Gruppe Mujeres Libres im Spani-schen Bürgerkrieg

Die Gruppe Mujeres libres (Freie Frau-en) wurde kurz vor Ausbruch des Spani-schen Bürgerkriegs gegründet, um sich zwei Zielen zu widmen: der sozialen Re-volution und der Verbesserung der Si-tuation der Frauen. In den drei Jahren ihres Bestehens waren mehr als 20 000 Mitglieder in über 150 Ortsgruppen orga-nisiert; sie gaben eine Zeitschrift heraus, leiteten Bildungs- und Ausbildungskurse für Frauen, organisierten Hilfsarbeiten für die Frontkämpfer und eigene Kolonnen von Frontkämpferinnen.u Unrast Verlag, 160 Seiten, 14 €

Inge HelmGelebte EmanzipationMutige Frauen zwischen Küche, Mutter-kreuz und »Roter Hilfe«

»Die Erinnerung an meine Kindheit und Jugend ist geprägt durch die unmittelba-re Nähe zu meiner Großmutter Hedwig clara Schiemann. Ihre Erzählungen über ihr leben, begonnen in den Masuren um die Jahrhundertwende, über die Nazizeit der dreißiger Jahre in Berlin und die Nachkriegsjahre, haben mich unglaub-lich fasziniert und schließlich zu dem Entschluß geführt, ein Buch über diese couragierte Frau, über ihre Freundin Me-ta Kraus-Fessel, die ›Rote Hilfe‹, über die klandestinen Treffen zu schreiben.« (Aus dem Vorwort)u Karin Kramer Verlag, 128 Seiten, 14,80 €

Anna SeghersGeschichten von Frauen

Damit die Darstellung der Frau in die-ser Erzählung nicht einseitig verzerrt er-scheint, ist es nützlich, zunächst auf die Frage nach der Erzählperspektive einzu-gehen. Aus welcher Perspektive erzählt also die Autorin? In welchem Verhältnis steht sie zum Gegenstand der Erzählung? Anna Seghers experimentiert in dieser Erzählung mit einer modernen Erzähl-technik, die es ihr erlaubt, »das Halbbe-wußte, Unterschwellige ohne metapho-rische Anstrengungen literarisch zu ver-gegenständlichen«. Es handelt sich um die Techniken des Perspektivenwechsels und des inneren Monologs, mit denen die Gedankengänge in einer Viererreihe einer Massendemonstration dargestellt werden.u Aufbau Taschenbuch Verlag, 237 Seiten, 7,50 €

Hans HübnerHelen Ernst Ein zerbrechliches Menschenkind (1904–1948)

Helen Ernst, geboren in Athen, aufgewach-sen in Zürich, wurde eine der »neuen Frau-en« und gestaltete mit gewagten Kostü-men das bewegte leben im Berlin der 20er Jahre mit. Um 1930 nahm sie sich in die soziale Pflicht und wollte, beflügelt durch Käthe Kollwitz und carl Meffert, künstle-rische chronistin der Arbeiterbewegung werden. Nach 1933 nahm ihr leben dann

dramatische Wendungen: Frauengefängnis Barnimstraße in Berlin, Exil und Mitarbeit bei den »Bauhäuslern von Amsterdam«, ab 1941 über vier Jahre KZ Ravensbrück. Mutmaßungen über eine Kollaboration mit der SS untergruben nach 1945 ihre schon angeschlagenen lebenskräfte wei-ter. Die Rehabilitierung kam zu spät – im Alter von nur 44 Jahren verstarb sie 1948 in Schwerin. Hans Grundig, der Freund, der sie einmal zärtlich und sorgenvoll »ein zerbrechliches Menschenkind« nannte, hinterließ uns ein 1934 gemaltes, berüh-rendes Porträt der Helen Ernst. u Trafo Verlag, 382 Seiten, 24,80 €

Christine Künzel (Hg.)Die letzte KommunistinTexte zu Gisela Elsner

Mit ihrem Erstling »Die Riesenzwerge« (1964) wurde Gisela Elsner über Nacht berühmt. Doch in den 1980er Jahren wur-de es still um die schreibende Kleopatra, die sich 1992 das leben nahm. Der Film »Die Unberührbare« brachte die Autorin im Jahr 2000 kurzzeitig wieder ins Ge-dächtnis.

Der Band ist ein erster Versuch, Els-ners Werke vor dem Hintergrund aktuel-ler literatur- und kulturwissenschaftlicher Debatten neu zu verorten und politischen Motiven in Elsners leben und Schaffen nachzuspüren.u Konkret Literatur Verlag, 144 Seiten, 14 €

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»Zwischen Uni und UNO«: Eine international ausgewiesene Wissen-schaftlerin und anerkann-te Diplomatin schildert ihre Erfahrungen in wis-senschaftlichen Ausein-andersetzungen, mit di-plomatischen Konflikten und bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Helga E. Hörz, Jahrgang 1935, leitete hauptamtlich als Professorin den von ihr gegründeten Bereich Ethik an der Sektion Phi-losophie der Humboldt-Universität und vertrat die DDR über 15 Jahre eh-renamtlich in der UNO-Kommission »Zum Status der Frau«. So bewegte sie sich zwischen Uni und UNO. Es geht um viele Begegnungen mit interes-santen Persönlichkeiten, um Standpunkte zu hi-storischen und aktuellen ethischen Problemen, um ernste Konflikte und hu-morvolle Treffen.

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junge Welt Mittwoch, 3. März 2010, Nr. 52 1 1j w - s h o p

Ich will da sein – Jenny GröllmannLaufzeit: 95 min; Regie: Petra Weisenbur-ger, BRD 2008

Jenny Gröllmann, oft die Romy Schnei-der des Ostens genannt, war eine der großen charakterdarstellerinnen und im-ponierendsten Künstlerpersönlichkeiten der DDR. Einer ihrer Karrierehöhepunk-te war die Hölderlin-Verfilmung »Hälfte des lebens«, mit der Jenny Gröllmann und Ulrich Mühe zum DEFA-Traumpaar wurden. »Ich will da sein – Jenny Gröll-mann« begleitet sie während ihrer letzten zwei lebensjahre. Mit Filmausschnitten und parallel montierten Bildern und Ge-sprächen mit Kollegen und Wegbeglei-tern wird die Karriere einer besonde-ren Schauspielerin und das bewegende persönliche Porträt einer starken Frau gezeichnet. Die Parallelerzählung von Fiktion und Realität verdichtet sich zu einem faszinierenden Dokument der Schauspielkunst, der Filmgeschichte und schließlich deutschen Geschichte. Ein Film über Glück und Tragik – erzählt mit einem lachenden und einem weinen-den Auge.u DVD, 15,90 €

LissyDEFA-Spielfilm, DDR 1957, Laufzeit: 86 Min, Regisseur: Konrad Wolf Konrad Wolf blendet in seinem dritten Spielfilm zurück in die Anfangsjahre des Nationalsozialismus und durchleuchtet die Gefühlskonflikte von Kleinbürgern und Mitläufern Hitlers. lissy Schröder, ein lebensfrohes, aber verführbares Ber-liner Arbeiterkind aus sozialdemokrati-schem Haus träumt vom gutsituierten leben. Als sie den Angestellten Alfred Fromeyer heiratet, hofft sie auf den ge-sellschaftlichen Aufstieg. Die Massenar-beitslosigkeit des Krisenjahrs 1932 ver-hindert dies jedoch. Alfred schließt sich den Nazis an, steigt in Kürze zum SA-Sturmführer auf und kann seiner Familie die ersehnte Sicherheit geben. Doch lis-sy merkt bald, daß Wohlstand allein nicht glücklich macht. Schließlich wendet sie sich von ihrem Mann und dessen Freun-den ab. Wohin ihr Weg sie führen wird, ist jedoch noch ungewiss. Ein sowohl inhaltlich als auch künstlerisch bemer-kenswerter Film.

Darsteller: Sonja Sutter, Horst Drin-da, Hans-Peter Minetti, Kurt Oligmül-ler, Gerhard Bienert, Else Wolz, Mathil-de Danegger, Horst Friedrich, christa Gottschalk, Annemarie Hase, Gerd Mi-chael Henneberg, Else Koren, Raimund Schelcher, Willi Schwabe, Otto Stübler. Drehbuch: Konrad Wolf, Alex Wedding. Kamera: Werner Bergmann. Musik: Jo-achim Werzlauu DVD, 14,99 €

Die Frau des LeuchtturmwärtersFrankreich; laufzeit 100 min; Regie: Philippe lioret 1963 taucht auf einer kleinen Insel vor der

bretonischen Küste ein Fremder auf und heuert als leuchtturmwärter an. Während ihm die Männer des Ortes feindselig ge-genüber stehen, zeigen die Frauen Inter-esse an dem schweigsamen Neuen. Mit Mabel, der Frau des leuchtturmwärters, kommt es zu einer folgenschweren lei-denschaftlichen Begegnung und auf der kleinen Insel wird nichts mehr so sein wie es war.u DVD, 12,95 €

Brennende BettenRegie: Pia Frankenberg Gina ist Deutsche. Als KFZ-Prüferin beim TÜV nutzt sie liebevoll ihre chan-cen zur Rache an Mensch und Maschi-ne, privat verschreibt sie sich mit rück-haltloser Erforschungswut der ehemals verpassten sexuellen Revolution. »I’m British, my dear!« sagt Harry. Gemeint sind Selbstbeherrschung, Diskretion, Zu-rückhaltung. Eigenschaften, die ihm als Paukist im abwartenden Zuschlagen stets nützlich waren. Harrys liebe gilt der Ex-plosion, und eine Druckwelle treibt ihn nach Hamburg, in die Dachwohnung zu Gina, die ihn am liebsten sofort wieder loswerden will. Das ist der Beginn einer wunderbaren Feindschaft ...u DVD, 14,90 €

Mögliche LiebenBrasilien; Laufzeit: 90 min; Regie: Regie: Sandra WerneckRio de Janeiro, ein Kino. carlos wartet auf Julia, die ihn versetzt. Was wird er machen? Fünfzehn Jahre später. Sein le-ben könnte wieder um Julia kreisen. Aber jede Julia, jeder carlos, jedes leben ist anders: carlos als reicher Anwalt, den Julia zum Ausbruch aus seiner erstarr-

ten Ehe verführen will. Oder carlos mit liebhaber, der wieder Gefühle für seine geschiedene Frau Julia entdeckt. Oder carlos noch immer bei der Mama auf der Suche nach der Traumfrau: Julia? Eine herrlich leichte und doch hintersinnige Sommerkomödie von Sandra Werneck über Zufall und Schicksal in der liebe! u DVD, 14,95 €

Die KommissarinUdSSR 1967, Laufzeit ca. 106 min; Regie: Alexander Askoldow Mitten im russischen Bürgerkrieg muß sich die unerbittliche Politkommissarin der Roten Armee für einige Zeit aus dem Kampfgeschehen zurückziehen. Sie ist hochschwanger als das Regiment von der vorrückenden Übermacht der weißen Armee bedroht wird. Widerwillig wird sie beim jüdischen Kesselflicker Jemfin einquartiert. Dieser und seine Frau Mari-ja leben mit ihren vielen Kindern sehr be-dürftig, haben sich jedoch ihre Mensch-lichkeit bewahrt. Mit überraschender Fürsorge und Wärme schaffen sie es, daß

sich der seelische Panzer der Kommissa-rin löst. Sie erkennt schließlich die tödli-che Gefahr, in welcher sich die jüdische Familie wegen des mörderischen Antise-mitismus in der Ukraine befindet ... u DVD, 14,99 €

Die PolizistinBRD 2000; Laufzeit ca. 90 Min.; Regie: Andreas DresenNach ihrer Ausbildung als Polizistin lan-det Anne im Ostsee-Nest lütten-Klein bei Rostock. Hier zerschlägt sich ihre Hoffnung von einem soliden Job sehr schnell: Ihr Arbeitsalltag wird von sozi-alen Problemfällen und grauer Bürokra-tie geprägt. Als sie sich dann auch noch von dem russischen Kleinganoven Jegor angezogen fühlt, sieht sie sich zwischen beruflicher Pflicht und persönlichem Engagement hin- und hergerissen. Dazu kommen ihre Gefühle für ihren verheira-teten Kollegen Mike. In dieser verzwick-ten Situation gleiten Anne die Fäden bald aus der Hand.u DVD, 12,99 €

Die Frau am Ende der StraßeBRD 2006; Laufzeit ca. 90 Min.; Regie: Claudia GardeDie Bibliothekarin Martina nimmt nach einer Therapie ihre ungeliebte Arbeit in der Bücherhalle wieder auf, sie rich-tet das neue Reihenhaus ein, sie ver-sucht, ihrem sympathischen Mann eine gute Frau zu sein, sie befreundet sich mit einer Nachbarin, sie sorgt für den Sohn. Normalität ist ihre Endstation Sehnsucht. Doch so sehr sie kämpft, die Dämonen einer seelischen Erkrankung sind stärker.u DVD, 12,99 €

Mögliche LiebenjW-Shop u Frauen im Film

Ein bewegender Film: Für »Ich will da sein« begleitete Petra Weisenburger Jenny Gröllmann in ihren letzten zwei Lebensjahren (hier mit Uwe Kockisch im Dezember 2004 beim Dreh)

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Nach ihrer Ausbildung als Polizistin landet Anne im Ostsee-Nest Lütten-Klein bei Rostock. Hier zerschlägt sich ihre Hoffnung von einem so-liden Job sehr schnell: Ihr Arbeitsalltag wird von sozialen Problemfällen und grauer Bürokratie geprägt. Als sie sich dann auch noch von dem russi-schen Kleinganoven Jegor angezogen fühlt, sieht sie sich zwischen beruflicher Pflicht und persönlichem Engagement hin- und her-gerissen. Dazu kommen ihre Gefühle für ihren ver-heirateten Kollegen Mike. In dieser verzwickten Situation gleiten Anne die Fäden bald aus der Hand. »Die Polizistin«, ein Film von Andreas Dresen.

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AbobedingungenDer Abonnent abonniert verbindlich sechs oder zwölf Ausgaben der Bibliothek, die in der Regel innerhalb eines halben Jahres/eines Jahres ausgeliefert werden. Der Vertrag verlängert sich um weitere sechs/zwölf Ausgaben der Edition, wenn das Abonnement nicht bis zur Auslieferung des fünften/des elften Mediabooks gekündigt wurde. Der Abonnent kann ohne weiteres vom Normalabo auf das Unterstützerabo bzw. vom Unterstützerabo auf das Normal abo umsteigen. Einfache schriftliche Mitteilung an den Verlag genügt. Der Umstieg gilt für noch nicht ausgelieferte Ausgaben, es werden also keine schon ausgelieferten Bücher nachträglich belastet.

Die ersten zwölf Bücher (Programm für 2010):

1. Ausgabe – Der 2. Juni 1967 (BRD 1967, 47 min) – Der Polizeistaatsbesuch (BRD 1967, 44 min) – Auszüge aus Aktuelle Kamera (DDR, 16:30 min) – Auszüge aus Sendungen des Senders Freies Berlin (BRD, 32 min)2. Ausgabe – Angela Davis – eine Legende lebt (D 1998, 79 min) – Angela Davis – Portrait of a Revolutionary (USA 1969, 60 min)3. Ausgabe – Schrei im Dezember (GR 2008, 48 min)4. Ausgabe – Krawall (CH 1970, 70 min)5. Ausgabe – Rebels with a Cause (USA 2000, 110 min)6. Ausgabe – The Weather Underground (USA 2002, 92 min)7. Ausgabe – Pantéon Militar – Kreuzzug gegen die Subversion (D/AR 1991, 90 min)8. Ausgabe – »dass Du zwei Tage schweigst unter der Folter!« Elisabeth Käsemann – ein deutsches Schicksal (D 1991, 45 min)9. Ausgabe – Die Schlacht um Chile, Teil 1–3 (CL/CU, 263 min)10. Ausgabe – Gipfelstürmer und Straßenkämpfer (D 2003, 45 min)11. Ausgabe – Calle Santa Fé (CL 2007, 163 min)12. Ausgabe – Aufrecht gehen, Rudi Dutschke – Spuren (BRD 1988, 92 min)

Liebe Leserinnen und Leser der jungen Welt,

die Geschichte des linken Widerstandes ist vielfältiger, als es selbst aktive Linke wahrneh-men. Deshalb bringt der Laika-Verlag in Kooperation mit der Tageszeitung junge Welt ab März 2010 eine filmische Bibliothek des Widerstandes heraus. Unser ehrgeiziges Ziel ist es, die 100 wichtigsten Filme zu diesem Thema, die weltweit seit der Mitte der sechziger Jahre erschienen sind, auf DVD zu veröffentlichen. Zu jedem Thema gehört ein sorgfältig editiertes Buch. Die Filme beschäftigen sich vor allem mit außerparlamentarischem und militantem Widerstand. Von A wie Apo bis Z wie Zapatistas, von der Bürgerrechtsbewegung im Süden der USA in den frühen sechziger Jahren bis zu den antikapitalistischen Aktionen von Genua, Heiligendamm oder Athen. Viele der Dokumentarfilme sind in Deutschland erstmals zu se-hen, andere waren nicht mehr verfügbar.

Unsere Film- und Buchedition erinnert nicht nur an vergangene Kämpfe und damit daran, in welcher Tradition wir stehen. Sie gibt auch vielfältige Anregungen für gegenwärtige und künftige Kämpfe. Damit macht sie historische Erfahrung verfügbar, regt zur Diskussion in Sachen Theorie und Praxis an. Und ist mitunter auch konkrete Anleitung zum Handeln. Eine vergleichbare filmische Bibliothek des Widerstands gibt es im deutschsprachigen Raum bisher nicht.

So ein Projekt kann nur über mehrere Jahre angelegt funktionieren. Und nur dann, wenn es genügend Menschen gibt, die diese Edition brauchen und die Herausgabe unterstützen. Jedes Jahr sollen zwölf Bücher erscheinen, denen jeweils bis zu drei Filme beigelegt sind. Jede Ausgabe ist einzeln zu erwerben. Für eine sichere Arbeitsgrundlage suchen wir aber mindestens 500 Interessierte, die diese einmalige Filmedition abonnieren. Abonnenten erhal-ten jede Ausgabe nach Hause geschickt, verpassen also keinen Themenbereich und bauen eine lückenlose Sammlung auf. Außerdem haben Abonnenten einen erheblichen Preisvorteil: Sie erhalten jede Ausgabe für 19,90 Euro plus Versandkosten – egal ob darin ein, zwei oder drei Filme enthalten sind. Vor allem: Mit Ihrem Abonnement helfen Sie, daß dieses Projekt erfolgreich durchgeführt werden kann. Sie können die Herausgabe der Bibliothek des Wider-stands zusätzlich unterstützen, indem Sie zum Unterstützerpreis von 29,90 Euro pro Ausgabe abonnieren. Oder Patenschaftsabos für Bibliotheken, Jugendzentren, Schulen oder Gewerk-schaftshäuser übernehmen. Damit sichern wir die ökonomische Seite und die politische Wirk-samkeit des Projektes.

Nutzen Sie den Coupon für Ihre Bestellung. Empfehlen Sie die Bibliothek des Widerstands weiter. Wir bedanken uns für jede Unterstützung dieses Projektes

Karl-Heinz Dellwo für den Laika-VerlagDietmar Koschmieder für die junge Welt/Verlag 8. Mai GmbH

1. Mediabook:

»2. Juni 1967«Am 2. Juni 1967 wird während der Proteste gegen den Schah-Besuch aus Persien der Student Benno Ohnesorg von dem Polizisten Karl-Heinz Kurras erschossen.

Während für die Rebellierenden der Schah von Persien ein Folterkaiser und ein Ausbeuter des iranischen Volkes war, war er für die politische und gesellschaftliche Elite der BRD ein willkommener Bündnispartner. Ohnesorg ist der erste Tote der außerparlamentarischen Op-position, die sich seit Mitte der 60er Jahre gegen die Nachkriegsordnung der Bundesrepublik Deutschland aufgebaut hat. Sein Tod ist für viele eine Erschütterung, aus der heraus sich eine neue Politisierung ergibt. Hinter den Polizisten Kurras stellen sich der größte Teil der politi-schen Elite, die Springer-Medien sowie Polizei und Justiz. Sie können sich der Zustimmung eines erheblichen Teils der BRD-Bevölkerung sicher sein. Für die außerparlamentarische Bewegung belegt dies die Gewaltbereitschaft des restaurierten kapitalistischen Staates, der außenpolitisch die Völkermordstrategie der USA in Vietnam mit seinen Mitteln genauso unter-stützte wie den Kampf gegen die antikolonialen Befreiungsbewegungen in der sogenannten dritten Welt. Der 2. Juni 1967 gehört zu den Schlüsselereignissen einer ganzen Generation und hat ihre Politisierung beschleunigt.

2009 wird bekannt, daß der Schütze Karl-Heinz Kurras zugleich Stasi-Agent war. Das Buch erinnert an die außerparlamentarische Bewegung und verwirft die Behauptung, daß die Ge-schichte der 68er-Bewegung umgeschrieben werden muß.

Mit Texten von: Uwe Soukup, Karl-Heinz Roth und Karl-Heinz Dellwo

Die Filme im Mediabook:

»2. Juni 1967«, BRD 1967, ca. 47 min, Regie: Thomas Giefer und Hans-Rüdiger Minow Thomas Giefer und Hans-Rüdiger Minow gehörten Ende der sechziger Jahre zur Gruppe jener politischen Dokumentaristen, die die Aktionen der APO filmisch begleiteten. Ihr Film „2.Juni 67“ schildert detailliert die studentischen Protestaktionen um den Besuch des persischen Schahs in Westberlin, die am Abend des 2. Juni zur Erschießung Benno Ohnesorgs durch den Staatsschutzbeamten Kurras führten. Giefers und Minows Film diente auch dem studen-tischen Ermittlungsausschuß, der sich nach der Ermordung Benno Ohnesorgs konstituierte, als Beweismaterial für den Notstandseinsatz der Westberliner Polizei, die mit dem Segen des SPD-Senats bürgerkriegsmäßig gegen die Demonstranten vorging. Der Film gehört heute zu den wichtigsten Dokumenten der Bewegung der 68er und ist eines der wichtigsten Dokumen-te des beginnenden Widerstands in der BRD.

»Polizeistaatsbesuch«, BRD 1967, ca. 44 min, Regie: Roman BrodmannRoman Brodmann, ein Schweizer Dokumentarfilmer, gehörte mit 47 Jahren nicht zur Studen-tenbewegung der sechziger Jahre. Wegen seiner sozialkritischen TV-Reportagen mußte er 1963 das Schweizer Fernsehen verlassen und wechselte als freier Regisseur zum Süddeut-schen Rundfunk. Sein später mit dem Grimme-Preis ausgezeichneter Film ist die Chronologie einer minutiös geplanten Notstandsübung, die im Tod Benno Ohnesorgs gipfelte. Brodmanns Film beschränkt sich nicht auf die Proteste in Westberlin, sondern dokumentiert Tag für Tag den Ausnahmezustand, in dem die BRD sich während des Schah-Besuchs befand.

2. Mediabook:

»Angela Davis – Eine Legende lebt«, D 1998, ca. 79 min, Regie: Christel Priemer, Ingeborg Weber »Angela Davis – Portrait of a Revolutionary«, USA 1969, ca. 60 min, Regie: Yolande DuLuart, Englisch mit deutschen Untertiteln

3. Mediabook:

»Schrei im Dezember«, Griechenland 2008, ca. 48 min, Regie: Kostas Kolimenos, Griechisch mit deutschen Untertiteln

BIBLIoTHEK DES WIDERSTAnDS100 Bücher mit den wichtigsten Filmen des Widerstands seit 1967 jungeWelt

Die Tageszeitung