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| Der Radiologe 12·991068
R. Klöppel1 · Th. Hierl2 · D. Gosch1 · Th. Primm3 · A. Hemprich2
1 Klinik und Poliklinik für Diagnostische Radiologie, Klinikum der Universität Leipzig2 Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie, Klinikum der
Universität Leipzig3 Selbständige Abteilung für Kieferorthopädie, Klinikum der Universität Leipzig
Kallusdistraktion des MittelgesichtsAnforderungen an die bildgebende Diagnostik
Präoperativ● Röntgenseitbild;● Orthopantomogramm;● Spiral-CT:
– axiale Schnittführung, nativ,– von oberem Orbitarand bis Kinn-
spitze,– keine Gantrykippung!– 2 mm Schichtdicke, 150 (–180) mAs;– 4 mm Tischvorschub pro Rotation
(Pitch 2);– 1 mm Rekonstruktionsintervall;– Algorithmus: gering konturbetont
oder Standard;– Vergrößerung: Gesichtsschädel for-
matfüllend, Außenkonturen erhal-tend;
– 3-dimensionale Oberflächenrekon-struktion: Ansicht von vorn undschräg von vorn-kranial;
– separate Speicherung der Axialbil-der zur Modellherstellung;
Postoperativ und während der 3–6 Wo-chen andauernden Kallusdistraktion:● durchschnittlich 3 Röntgenseitbilder;
Abschlußkontrolle nach 3–6 Monaten:● Röntgenseitbild;● Spiral-CT: von unterem Orbitarand
bis Oberkiefer-Alveolarkamm (sonstwie präoperative Durchführung).
Patienten mit ausgeprägter Hypopla-sie des gesamten Mittelgesichts habenneben sozialen Konflikten oft eine lan-ge Anamnese an Voroperationen hintersich. Neben den bisherigen kieferverla-gernden Eingriffen, wie z.B. der Le-Fort-I-Osteotomie bietet die Kallusdis-traktion des Mittelgesichts eine neueund hoffnungsvolle Operationsmetho-de zur Behandlung ausgeprägter sagit-taler und vertikaler Kieferbasendiskre-panzen. Dabei wird das hypoplastischeMittelgesicht durch eine subtotale Le-Fort-I-Osteotomie von Pterygoid, Joch-bein und Maxilla unterhalb der Orbitaegelockert und nachfolgend mit Hilfe ei-nes Distraktors, der an einem Halobo-gen befestigt ist, über mehrere Wochenschrittweise nach ventral gezogen. Die-ser sehr aufwendigen Prozedur geht eineexakte Planung anhand eines auf derBasis von CT-Datensätzen individuellgefertigten Modells voraus [1, 2, 4, 5].Die Anforderungen an die bildgebendeDiagnostik zur präoperativen Vorberei-tung, während der Kallusdistraktionund in deren Nachsorge werden defi-niert.
Material und Methode
Das seit 1998 beobachtete Krankengutumfaßt inzwischen 10 Patienten: 3männliche und 7 weibliche im Alterzwischen 11 und 55 Jahren. Umfang undDurchführung der bildgebenden Dia-gnostik entsprechen gleichermaßenden Empfehlungen im Ergebnis dieserStudie:
DentalradiologieRadiologe1999 · 39:1068–1071 © Springer-Verlag 1999
Zusammenfassung
Die Kallusdistraktion des Mittelgesichts ist
eine neue Methode zur operativen Behand-
lung der maxillären Hypoplasie. Die Planung
erfolgt anhand eines auf der Basis compu-
tertomographischer Bilddatensätze indivi-
duell gefertigten Modells. Bisher wurden 10
Patienten, 3 männliche und 7 weibliche im
Alter von 11–55 Jahren, erfolgreich diagno-
stiziert und behandelt. Die Anforderungen
an die bildgebende Diagnostik werden defi-
niert: Präoperativ sind Röntgenseitbild, Or-
thopantomogramm und Spiral-CT, während
der Kallusdistraktion 3 Röntgenseitbilder im
Verlauf und in der Nachsorge Röntgenseit-
bild und Spiral-CT erforderlich. Die Strahlen-
exposition wird detailliert berechnet.
Schlüsselwörter
Gesichtsschädel · Strahlendiagnostik ·
Spiral-CT · Chirurgische Kallusdistraktion ·
Mittelgesichtsatrophie ·
Mittelgesichtshypoplasie
Prof. Dr. R. KlöppelDiagnostische Radiologie, Klinikum der Universi-
tät Leipzig. Liebigstraße 20a, D-04103 Leipzig&/fn-block:&bdy:
Der Radiologe 12·99 | 1069
Ergebnisse
In allen 10 Fällen verliefen Diagnostik,Operation und Nachsorge erfolgreichund ohne nennenswerte Besonderhei-ten.
Die folgende Kasuistik eines 22jäh-rigen Patienten repräsentiert den typi-schen Verlauf. Er litt unter extremerMittelgesichtshypoplasie mit doppel-seitiger Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalteund wurde insgesamt 8mal voroperiert.Präoperativ (Abb. 1) sind neben derSpaltbildung die flachen Kieferhöhlen,
denen das osteopenische Pterygoid di-rekt anliegt, bemerkenswert. Nachdemdas Mittelgesicht operativ gelockertwar, wurde ein extraoraler Distraktor,der an einem Halobogen fixiert ist, mo-dellgerecht eingebracht (Abb. 2). DieVorverlagerung des Mittelgesichts er-
Abb. 1a–d m 17jähriger Patient mit schwerer Mittelgesichtshypoplasie und doppelseitiger Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte, Verlaufsserie unter Kallusdistraktion: Präoperative Dokumentation: a Rönt-genseitbild: Umgekehrter Überbiß bei extremer Mittelgesichtshypoplasie; b Orthopantomogramm:doppelseitige Spaltbildung (Pfeile) sowie fehlende Frontzähne; c Axiales CT-Bild: doppelseitigeSpaltbildung und nahezu fehlende Distanz zwischen Kieferhöhlen und Pterygoid (Pfeile);d CT: 3D-Oberflächenrekonstruktion
Abb. 2 c Auf der Basis des Spiral-CT-Daten-satzes gefertigtes Modell zur Operations- und
Distraktionsplanung
R.Klöppel · Th.Hierl · D.Gosch · Th.Primm ·
A.Hemprich
Callus distraction of the midface.Requirements for diagnostic imaging
Summary
Callus distraction of the midface is a recently
developed surgical method for treatment of
atrophic or hypoplastic maxillae.The treat-
ment planning is based on individual shaped
models, being constructed with the help of
computed tomographic data. Our experience
is based on 10 patients (3 male/7 female;
age: 11–55 years).The demands for imaging
are reported.The following imaging proce-
dure is recommended: 1. preoperative: lateral
x-ray, orthopantomogram, spiral CT, 2. during
the time of callus distraction with normaly
takes 4 to 5 weeks: lateral x-ray (every 10
days), and 3. for follow up: lateral x-ray and
spiral CT.The Radiation exposure caused by
the repetitive images is calculated in detail.
Key words
Head and neck · Diagnostics, x-ray ·
Spiral CT · Surgery, callus distraction ·
Midfacial atrophy – Midfacial hypoplasia
Radiologe1999 · 39:1068–1071 © Springer-Verlag 1999
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Dentalradiologie
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folgte definiert nach ventral und kaudalüber 5 Wochen um insgesamt 31 mm(Abb. 3), das entspricht 1 mm Distrakti-on pro Tag. Die Nachkontrolle 4 Monatepostoperativ demonstriert den Thera-pieerfolg: das vorsätzlich leicht über-korrigiert distrahierte Mittelgesicht,den Zahnschluß (Abb. 4a), die Kallusre-aktion mit Distraktion pterygopalati-nal (Abb. 4b), aber auch noch die artefi-zielle Stufenbildung unterhalb der Or-bitae (Abb. 4c), die nach eigenen Erfah-rungen erst später kallös überbrücktwird.
Die Strahlenexposition im Ergeb-nis des hier vorgestellten und empfoh-lenen bildgebenden Managements setztsich folgendermaßen zusammen (Ta-belle 1).
Diskussion
Wenn auch über Spätergebnisse nochkeine Daten vorliegen, hat sich die Kal-lusdistraktion des Mittelgesichts als ei-ne zukunftsträchtige Operationsme-thode bei der Behandlung der ausge-prägten Mittelgesichtshypoplasie eta-bliert. Erstmalig wurde die Methodeauch bei zahnlosen Patienten erfolg-reich angewendet [1].
Die bildgebende Diagnostik hat inallen Phasen dieser über Monate dau-ernden Prozedur eine maßgebliche Be-deutung: In der Vorbereitung ist erstensdie Ausgangssituation zu dokumentie-ren, wobei für den Chirurgen desweite-ren potentiell heilungsverzögernde
Faktoren von Interesse sind: doppelsei-tige Spaltbildung, Fehlen von Zähnenbis zur Zahnlosigkeit, Atrophieneigung(meist kombiniert mit schlechterDurchblutung) und Defekte im Ergeb-nis vorangegangener Operationen. Zwei-
tens ist die CT so anzufertigen, daß an-hand des Datensatzes ein Modell zurindividuellen Operations- und Distrak-tionsplanung gefertigt werden kann.Besonders zu beachten sind Senkrecht-stellung der Gantry, Akquisition in Spi-
Tabelle 1
Strahlenexposition (ausgewählte Dosen) im Rahmen des bildgebenden Managements bei Kallusdistraktion des Mittelgesichts
Dosis ( mSv)Augenlinsen rotes Knochenmark effektive Dosis
5 Röntgenseitbilder (insgesamt) 4,2 0,3 0,11 Orthopantomogramm 0,04 0,04 0,0071 Übersichts-CT (Somatom plus 4) 10,8 0,8 1,1Mittelgesichts-CT 1,0 0,4 0,4
Abb. 3 m Während der Kallusdistraktion:Seitenansicht des Patienten
Abb. 4a–c b PosttherapeutischeDokumentation: a Röntgenseit-bild: leicht überkorrigiert vorver-lagertes Mittelgesicht; b AxialesCT-Bild: Kallusreaktion und deut-licher Abstand zwischen Kiefer-höhlen und Pterygoid (Pfeile);c CT: 3D-Oberflächenrekonstrukti-on, Ansicht von vorn und vornoben: Kallusreaktion und Stufen-bildung unterhalb der Orbitae(Pfeile)
Literatur1. Hierl T, Hemprich A (1999) Callusdistraction
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ral-Technik mit einer Kollimation vonnicht mehr als 2 mm und ein für alleBilder einheitlicher Vergrößerungsfak-tor, um Sekundärschnitte „stufenlos“berechnen zu können. Aufgrund derprimär guten Kontraste des Knochensreicht eine niedrige Dosis aus.
Während der Kallusdistraktion umüblicherweise 1 mm pro Tag ist unge-fähr aller 10 Tage die veränderte Stel-lung zu dokumentieren. In der Nach-sorge ist neben der Kallusbildung dieDokumentation des erreichten Zu-standes von besonderem Interesse, umweitere, z.B. kieferorthopädische undzahnprothetische Maßnahmen an-schließen zu können.
Die Dosisdifferenzen zwischen denbeiden CT-Untersuchungen erklärensich durch die unterschiedliche Aus-dehnung der abgescannten Region. Beider zur Modellherstellung größervolu-migen Erst-CT sind die Augenlinsenund fast doppelt so viel rotes Knochen-mark in das Scanfeld eingeschlossenwie bei der Abschlußkontrolle. Hierbeisind die Augenlinsen exkludiert. Dieüber mehrere Monate fraktioniert ap-plizierte Strahlendosis halten wir unterBerücksichtigung des überzeugend ho-hen therapeutischen Nutzens für ge-rechtfertigt.
Hrsg.: G. PolakDas Handbuch Public HealthTheorie und Praxis
Wien, New York: Springer, 1999. 502 S.,14 Abb., (ISBN 3-211-83176-2), geb., DM 148,–
Ein umfangreiches Werk, das sich mit den vielsei-
tigen Ausprägungen und Entwicklungen von Pu-
blic Health beschäftigt: Über 50 Autoren der ver-
schiedensten wissenschaftlichen Fachrichtungen
versuchen, sich den Inhalten von Public Health zu
nähern, wobei der Herausgeber hierunter „die ge-
meinsamen Bemühungen der Gesellschaft um
die gesundheitliche Entwicklung und das gesun-
de Leben der Bevölkerung“ versteht. Die Ausbil-
dungssituation im deutschsprachigen Raum, ins-
besondere in Österreich, wird eingehend darge-
stellt und bietet gemeinsam mit einem ausführli-
chen 100 Seiten umfassenden Informationsteil
über internationale Ausbildungsstätten zum Ma-
ster of Public Health einen sehr guten Überblick.
Nützliche und themenbezogene Internet- und
Verlagsadressen von Fachzeitschriften ergänzen
dieses akutelle Handbuch.
H.-J. Ruff (Mainz)
Buchbesprechung