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Kambodscha Der bittere Geschmack des Zuckers Vertreibung für eine Zuckerplantage in der Provinz Oddar Meanchey, Kambodscha Landnahme und Vertreibung Im Dorf Bos lebten über 200 Familien. Im April 2008 wurden 154 Häuser unter Aufsicht der lokalen Behörden zerstört. Später riegelten Militärpolizisten das restliche Dorf ab und ver- hafteten etliche Bewohner*innen. Ein großer Teil der Menschen blieb jedoch vor Ort. Als Polizisten und Soldaten im Jahr darauf die restlichen Häuser anzündeten, versteckten sie sich aus Angst vor Verhaftungen im Wald. Eine anonyme Reisbäuerin berichtet von den Vertreibungen in Bos. Sie besaß ein Reisfeld, mit dem sie ihren Lebensunterhalt verdiente. Mitr Phol aus Thailand ist der fünftgrößte Zucker- produzent der Welt und einer der wichtigsten Zu- lieferer von Coca Cola. Die Firma ist Mitglied von BONSUCRO, einer privaten Nachhaltigkeitsplatt- form mit 470 Mitgliedern. BONSCURO verspricht einen „nachhaltigen Anbau von Zuckerrohr“ und den Respekt der Menschenrechte. Eine anonyme Reisbäuerin schildert: “Meine ganze Familie wurde gewaltsam vertrieben. Unser Haus wurde komplett niedergebrannt. Ich habe meine Farm verloren und musste mich verschulden, um uns zu ernähren. Meine Kinder mussten Studium und Schulbesuch beenden, seitdem wir unser Land verloren haben.” Leere Worte von Coca Cola Der Coca Cola-Konzern, einer der wichtigsten Abnehmer von Mitr Phol, hat „Null Toleranz“ gegenüber Landgrabbing und Menschen- rechtsverletzungen versprochen. Coca Cola kündigte sogar an, sich konkret für die von den Vertreibungen betroffenen Menschen in Kambodscha einzusetzen. Jahre nach dieser Zusage des Konzerns, haben die Vertriebenen keine Unterstützung erhalten, die ihre Situa- tion verbessert hätte. Zuckerrohr, die weltweit wichtigste Zuckerquelle, wird auf Plantagen produziert, die we- gen Umweltverschmutzung durch Pestizide, sklavenähnlicher Arbeitsbedingungen und Menschenrechtsverletzungen berüchtigt sind. Ein Teil unseres in Europa verwendeten Zuckers kommt aus Kambodscha. Was sind die Hintergründe? FIAN hat nachgeforscht. Der Zuckerkonzern Mitr Phol hat in den vergangenen zehn Jahren große Landflächen für den Anbau von Zuckerrohr erworben. Aber das Land war – wie fast immer in solchen Fällen – nicht leer, sondern Heimat von insgesamt 31 Dörfern. Foto: © LICADHO Foto: © LICADHO www.d-maps.com

Kambodscha… · Kambodscha einzusetzen. Jahre nach dieser Zusage des Konzerns, haben die Vertriebenen keine Unterstützung erhalten, die ihre Situa-tion verbessert hätte. Zuckerrohr,

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Page 1: Kambodscha… · Kambodscha einzusetzen. Jahre nach dieser Zusage des Konzerns, haben die Vertriebenen keine Unterstützung erhalten, die ihre Situa-tion verbessert hätte. Zuckerrohr,

Kambodscha Der bittere Geschmack des Zuckers

Vertreibung für eine Zuckerplantage in der Provinz Oddar Meanchey, Kambodscha

Landnahme und VertreibungIm Dorf Bos lebten über 200 Familien. Im April 2008 wurden 154 Häuser unter Aufsicht der lokalen Behörden zerstört. Später riegelten Militärpolizisten das restliche Dorf ab und ver-hafteten etliche Bewohner*innen. Ein großer Teil der Menschen blieb jedoch vor Ort. Als Polizisten und Soldaten im Jahr darauf die restlichen Häuser anzündeten, versteckten sie sich aus Angst vor Verhaftungen im Wald. Eine anonyme Reisbäuerin berichtet von den Vertreibungen in Bos. Sie besaß ein Reisfeld, mit dem sie ihren Lebensunterhalt verdiente.Mitr Phol aus Thailand ist der fünftgrößte Zucker-

produzent der Welt und einer der wichtigsten Zu-lieferer von Coca Cola. Die Firma ist Mitglied von BONSUCRO, einer privaten Nachhaltigkeitsplatt- form mit 470 Mitgliedern. BONSCURO verspricht einen „nachhaltigen Anbau von Zuckerrohr“ und den Respekt der Menschenrechte.

Eine anonyme Reisbäuerin schildert: “Meine ganze Familie wurde gewaltsam vertrieben. Unser Haus wurde komplett niedergebrannt. Ich habe meine Farm verloren und musste mich verschulden, um uns zu ernähren. Meine Kinder mussten Studium und Schulbesuch beenden, seitdem wir unser Land verloren haben.”

Leere Worte von Coca ColaDer Coca Cola-Konzern, einer der wichtigsten Abnehmer von Mitr Phol, hat „Null Toleranz“ gegenüber Landgrabbing und Menschen-rechtsverletzungen versprochen. Coca Cola kündigte sogar an, sich konkret für die von den Vertreibungen betroffenen Menschen in Kambodscha einzusetzen. Jahre nach dieser Zusage des Konzerns, haben die Vertriebenen keine Unterstützung erhalten, die ihre Situa-tion verbessert hätte.

Zuckerrohr, die weltweit wichtigste Zuckerquelle, wird auf Plantagen produziert, die we-gen Umweltverschmutzung durch Pestizide, sklavenähnlicher Arbeitsbedingungen und Menschenrechtsverletzungen berüchtigt sind. Ein Teil unseres in Europa verwendeten Zuckers kommt aus Kambodscha. Was sind die Hintergründe? FIAN hat nachgeforscht. Der Zuckerkonzern Mitr Phol hat in den vergangenen zehn Jahren große Landflächen für den Anbau von Zuckerrohr erworben. Aber das Land war – wie fast immer in solchen Fällen – nicht leer, sondern Heimat von insgesamt 31 Dörfern.

Foto: © LICADHO

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Katz- und Mausspiel auf dem Rücken der Betroffenen2011 haben die Vertriebenen eine Beschwerde bei BONSUCRO eingereicht. Kurz danach ist der Zuckerkonzern Mitr Phol aus dieser sogenannten „Nachhaltigkeitsplattform” ausgestiegen und hat sich dadurch der Bearbeitung der Eingabe entzogen – nur um später wieder einzusteigen. BONSUCRO verlieh Mitr Phol 2015 sogar einen Preis für Nachhaltigkeit. Die schriftliche Klage der Vertriebenen jedoch, so BONSUCRO, sei mittlerweile verjährt. Die daraufhin im Januar 2016 erneut eingereichte Beschwerde wurde im Dezember 2018 abgelehnt. Offenkundig sind die Regeln das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Im März 2019 haben Vertreter*innen von mehr als 700 kambodschanischen Familien Beschwerde gegen die private Zertifizierungsstelle für Nachhaltigkeit der Zuckerin-dustrie, BONSUCRO, wegen Verstößen gegen die OECD-Richtlinien für multinationale Unternehmen eingereicht. Die Familien waren gewaltsam vertrieben worden, um einer Zuckerplantage des BONSUCRO-Mitglieds Mitr Phol Platz zu machen. Laut Beschwerde hat BONSUCRO es versäumt, Mitr Phol für dessen Menschenrechtsverstöße zur Rechenschaft zu ziehen.

Zuckerrohr-Ernte hinter Stacheldraht

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Erste Erfolge in Kambodscha: EU untersucht Menschenrechts-verletzungen im Zuckersektor FIAN unterstützt die langjährige Forderung der von Landraub betroffenen Gemeinden in Kambod-scha: die EU soll die Landkonflikte im Zuckersektor untersuchen, da sie mit ihrer Handelsinitiative „Alles außer Waffen” den großflächigen Zuckerrohran-bau mit ausgelöst und massiv subventioniert hat. Immer wieder hat die EU-Handelskommissarin einer Untersuchung eine Absage erteilt. Selbst mehrere Aufforderungen des Europaparlamentes wurden ignoriert. Im Oktober 2018 erklärte Handelskom-missarin Cecilia Malmström nun erstmals öffentlich, eine formale Untersuchung einzuleiten, die FIAN immer wieder in Gesprächen gefordert hat. Sie habe „Kambodscha informiert, dass wir einen Pro-zess zum Entzug der Handelspräferenzen einleiten werden. Ohne klare und evidente Verbesserungen vor Ort wird dies zur Aussetzung der Handelspräfer-enzen führen, die sie aktuell genießen.” Die formale EU-Untersuchung begann im Februar 2019 und wird mehrere Monate andauern. Damit liegt es nun an Kambodscha, die Menschenrechtssituation imZuckersektor deutlich zu verbessen.

Foto: © FIAN

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Etliche Familien wurden von ihrem Land vertrieben.