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Prof. Dr.-Ing. Rolf Katzenbach Direktor des Institutes und der Versuchsanstalt für Geotechnik der TU Darmstadt Studienunterlagen Geotechnik Seite III-1 III Grundwasserhydraulik 22.10.2013 III Grundwasserhydraulik 1 Erscheinungsformen des Wassers im Boden Die Poren der Lockergesteine (Böden) und die Klüfte der Festgesteine (Fels) sind i.d.R. teilweise mit Wasser gefüllt. Der Begriff Grundwasser ist folgendermaßen definiert: Unterirdisches Wasser, das die Hohlräume der Erdrinde zusammenhängend ausfüllt, und dessen Bewegung ausschließlich von der Schwerkraft und den durch die Bewegung selbst ausgelösten Reibungskräften bestimmt wird. Abb. III-1 Erscheinungsformen des Wassers im Boden Je nach der Durchlässigkeit der Schichten spricht man von Grundwasserleitern bzw. Aquiferen und Grundwasserstauern. Grundwasserstauer sind Schichten von wesentlich geringerer Durchlässigkeit als die Wasser führenden Aquifere. In einer Wechselfolge von Grundwasserleitern und Grundwasserstauern können sich daher mehrere Grundwasser- stockwerke ausbilden (siehe Abb. III-2).

Kapitel 03 - Grundwasserhydraulik 16-04-11 · gleiche Potential herrschen. Das Bezugsniveau wird mit dem Behälterboden definiert. Das Bezugsniveau wird mit dem Behälterboden definiert

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III Grundwasserhydraulik 22.10.2013

III Grundwasserhydraulik

1 Erscheinungsformen des Wassers im Boden

Die Poren der Lockergesteine (Böden) und die Klüfte der Festgesteine (Fels) sind i.d.R.

teilweise mit Wasser gefüllt. Der Begriff Grundwasser ist folgendermaßen definiert:

Unterirdisches Wasser, das die Hohlräume der Erdrinde zusammenhängend ausfüllt,

und dessen Bewegung ausschließlich von der Schwerkraft und den durch die

Bewegung selbst ausgelösten Reibungskräften bestimmt wird.

Abb. III-1 Erscheinungsformen des Wassers im Boden

Je nach der Durchlässigkeit der Schichten spricht man von Grundwasserleitern bzw.

Aquiferen und Grundwasserstauern. Grundwasserstauer sind Schichten von wesentlich

geringerer Durchlässigkeit als die Wasser führenden Aquifere. In einer Wechselfolge von

Grundwasserleitern und Grundwasserstauern können sich daher mehrere Grundwasser-

stockwerke ausbilden (siehe Abb. III-2).

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Abb. III-2 Grundwasserleiter und - stockwerke (DIN 4021)

Es wird zwischen freiem und gespanntem Grundwasser unterschieden. Die Besonderheit

des gespannten Grundwassers ist der Druckspiegel, d.h. eine Fläche, bis zu der das Wasser

ansteigen würde, wenn der Aquifer nicht von einem Grundwasserstauer überdeckt wäre.

Liegt der Druckspiegel über der Geländeoberkante, spricht man von artesisch gespanntem

Grundwasser (nach der frz. Landschaft Artois).

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2 Auftrieb und wirksame Spannungen

Die Auftriebskraft eines Körpers in einem Fluid entspricht dem Produkt aus dem Volumen

des verdrängten Fluids und der Wichte des Fluids:

FluidVA (Gl. III-1)

mit: A: Auftriebskraft [kN]

V: Volumen des verdrängten Fluids [m³]

Fluid: Wichte des Fluids [kN/m³]

Die Auftriebswirkung des Grundwassers auf das Korngerüst wird mit Hilfe des Prinzips

der wirksamen Spannungen (TERZAGHI) erfasst:

u' (Gl. III-2)

mit: ’: wirksame Spannung [kN/m²]

: totale Spannung [kN/m²]

u: neutrale Spannung (Porenwasserdruck) [kN/m²]

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3 Die Filterströmung

Anstelle der realen Bewegung des Grundwassers wird eine fiktive Kontinuumsströmung,

die Filterströmung, betrachtet. Für die mathematische Beschreibung der Filterströmung

werden zwei elementare Gleichungen aus der Hydromechanik angesetzt:

Kontinuitätsgleichung

BERNOULLI-Gleichung

1. Kontinuitätsgleichung

Die Kontinuitätsgleichung besagt, dass sich in einer Flüssigkeit mit konstanter Dichte die

Masse im Kontrollraum nicht ändern kann. Das bedeutet, dass der Zufluss im stationären

Fall auch dem Abfluss entspricht:

Q v A const (Gl. III-3)

mit: Q: Durchfluss [m³/s]

A: Querschnittsfläche [m²]

v: Geschwindigkeit [m/s]

d1

d2

Q1

Q2

Abb. III-3 Kontinuitätsgleichung

Der Durchfluss bleibt demnach in einem sich verengenden Querschnitt konstant, da die

Verringerung des Durchflussquerschnitts durch eine Erhöhung der Geschwindigkeit

ausgeglichen wird:

QQQ 21

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2. Energie Gleichung nach BERNOULLI (1700 – 1782)

ds

dm

z

y

s

ds

pdA

(p+dp)dA

dA�

Abb. III-4 BERNOULLI-Gleichung

Die Bewegungsgleichung in Richtung von s lautet wie folgt:

F m a : dm a p dA (p dp) dA dm g sin (Gl. III-4)

dzmit : sin und dm dA ds eingesetzt in Gl.III 4 ergibt :

ds

dz

dA ds a dp dA dA ds g 0 : dAds

dz

ds a dp ds g 0 : dsds

0

ds

dzg

ds

dpa

2d vmit a ergibt sich fo lg endeGleichung :

ds 2

2d v dp dzg 0

ds 2 ds ds

(Gl. III-5)

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Durch Integration nach ds erhält man die BERNOUILLI-Gleichung:

2wvm

2

1VuhgmE (Gl. III-6)

mit: E: Energie der stationären Strömung [kNm]

m: Masse [kg]

g: Erdbeschleunigung [m/ s²]

z: geodätische Höhe [m], bezogen auf eine horizontale, frei wählbare

Bezugsebene

u: Wasserdruck [kN/m²]

V: Volumen [m³]

vw: wahre Geschwindigkeit [m/s]

Wird die Energie aus Gleichung (Gl. III-6) auf das Volumen bezogen, erhält man die

Gleichung in folgender Form:

2w

WW v

g2

1uz

V

E

(Gl. III-7)

Da im Grundwasser die in die Gleichungen (Gl. III-6) und (Gl. III-7) eingehende wahre

Fließgeschwindigkeit des Grundwassers gegen Null geht, wird der letzte Term i.d.R:

vernachlässigt. Gleichung (Gl. III-7) lässt sich dann wie folgt umstellen:

WW

uz

V

Eh

(Gl. III-8)

In dieser Form entspricht die bezogene Energie einer Höhe in [m] – auch Potential oder

Energiehöhe bzw. Standrohrspiegelhöhe genannt.

Geschwindigkeits- energie

Lage- energie

Druck- energie

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Die zwei Terme in Gleichung (Gl. III-8) sind:

geodätische Höhe: z [m]

(bezogen auf ein definiertes geodätisches Niveau)

Druckhöhe: u/W [m]

Beide Terme sind für Punkte identischen Potentials komplementär, d.h. diese Punkte

können voneinander abweichende Druckhöhen besitzen oder sich in unterschiedlichen

Höhenlagen befinden, die Summe beider Terme ist für ruhendes Wasser stets gleich.

Beispiel:

In einem Behälter steht das Wasser 1,0 m hoch. Da das Wasser im Behälter nicht strömt,

muss an der Wasseroberfläche (Punkt A) und am Boden des Behälters (Punkt B) das

gleiche Potential herrschen. Das Bezugsniveau wird mit dem Behälterboden definiert.

Damit erhält man folgende Potentiale:

m0,1m0m0,1u

zhW

AAA

m0,1m0,1m0u

zhW

BBB

1,0 m

Wasserspiegel

B

A

Abb. III-5 Potentiale im ruhenden Wasser

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Wird eine Bodenschicht durchströmt, gilt bei laminarer Strömung das Gesetz nach

DARCY (1856), der folgenden Zusammenhang zwischen der Filtergeschwindigkeit v und

dem hydraulischen Gefälle i für laminare Strömung entdeckte:

ikv (Gl. III-9)

mit: v: Filtergeschwindigkeit [m/s]

k: Durchlässigkeit [m/s]

i: hydraulisches Gefälle [ - ]

Bei der Durchströmung des Bodens wird der Potentialunterschied abgebaut, d.h. es wird

Energie umgewandelt. Dies lässt sich in Form einer Energielinie darstellen:

Abb. III-6 Filterströmung durch eine Bodenprobe

Das hydraulisches Gefälle stellt das Verhältnis zwischen dem Potentialunterschied h und

der dabei zurückgelegten Strecke l dar:

l

hi

(Gl. III-10)

mit: i: hydraulisches Gefälle [ - ]

h: Potentialunterschied [m]

l: zurückgelegte Strecke [m]

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Abb. III-7 Strömungsvorgänge in einer Bodenprobe [DIN 18130]

Die Filtergeschwindigkeit stellt keine Geschwindigkeit dar, mit der sich Wasserteilchen

wirklich bewegen, sondern ist eine über den Querschnitt gemittelte Geschwindigkeit unter

der Annahme, dass der Querschnitt voll durchflusswirksam ist. Dementsprechend

entspricht die Filtergeschwindigkeit einem Durchfluss bezogen auf einen Querschnitt der

Fläche A, die sowohl die durchflusswirksamen Poren als auch das Korngerüst beinhaltet:

gesamtA

Qv (Gl. III-11)

mit: v: Filtergeschwindigkeit [m/s]

Q: Durchfluss [m³/s]

Agesamt: gesamter Bodenquerschnitt [m²]

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Die durchflusswirksame Querschnittsfläche des Kontrollraums ist allerdings nur der Anteil

des Porenraums:

nAA gesamtwirksam (Gl. III-12)

mit: n: Porenanteil [ - ]

Da der durchflusswirksame Querschnitt also geringer ist als in der Theorie der

Filterströmung angenommen, muss die wahre Geschwindigkeit des Grundwassers höher

sein, um denselben Durchfluss zu erhalten. Die wahre Geschwindigkeit vw der

Grundwasserpartikel kann mathematisch nicht beschrieben werden, da sie für jedes

Teilchen unterschiedliche Beträge und Richtungen aufweist. Stattdessen kann über die

Kontinuitätsbedingung eine Abstandsgeschwindigkeit va ermittelt werden:

vAvA gesamtawirksam

vn

AvA wirksam

awirksam

vn

1va (Gl. III-13)

mit: va: Abstandsgeschwindigkeit [m/s]

v: Filtergeschwindigkeit [m/s]

n: Porenanteil [ - ]

Mit der Abstandsgeschwindigkeit lässt sich – wie der Name schon sagt – die Distanz, die

das Grundwasser in einer bestimmten Zeit zurücklegt, bestimmen.

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4 Durchlässigkeitsversuch nach DIN 18130:

Die Durchlässigkeit eines Bodens kann mit Hilfe eines Durchlässigkeitsversuchs bestimmt

werden. Es gibt sowohl einen Versuch mit konstantem hydraulischem Gefälle als auch

einen Versuch mit veränderlichen Druckhöhen.

Wasserzulauf

Überlauf

Überlauf

Q

Zylinder = 20 cm�

Filter

Bodenprobe

1,30 m

1,50 m

0,50 m

Abb. III-8 Durchlässigkeitsversuch mit konstantem hydraulischen Gefälle (schematisch)

Abb. III-9 Durchlässigkeitsversuch im Versuchszylinder mit Standrohren und

konstantem hydraulischen Gefälle [DIN 18130]

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Die Durchlässigkeit ergibt sich für den Versuch mit konstantem Gefälle aus der Beziehung

hA

lQ

i

vk

(Gl. III-14)

mit: Q: Durchfluss [m³/s]

l: Fließweg [m]

h: Potentialunterschied [m]

A: Querschnittsfläche der Probe [m²]

Für den Versuch mit veränderlichem hydraulischem Gefälle lautet die Beziehung

2

10

h

hln

tA

lak (Gl. III-15)

mit: l0: Fließweg [m]

a: Querschnittsfläche des Standrohrs [m²]

A: Querschnittsfläche der Probe [m²]

t: Messzeitspanne [s]

h1: Wasserhöhe im Standrohr bei Versuchsbeginn [m]

h2: Wasserhöhe im Standrohr bei Versuchsende [m]

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5 „Reihen- und Parallelschaltung“ von Böden mit unterschiedlichen

Durchlässigkeiten

Im Rahmen des Durchlässigkeitsversuchs werden zwei Bodenproben mit

unterschiedlichen, bekannten Durchlässigkeiten eingebaut und die Zusammenhänge

zwischen Durchfluss und Durchlässigkeit für „Reihen- und Parallelschaltungen“

untersucht.

Boden 1: Ton, k1 = 10-10 m/s

Boden 2: Sand, k2 = 10-3 m/s

Fall 1: Es wird nur Boden 1 (Ton) eingebaut:

Für diesen Fall ergibt sich der Durchfluss durch die Probe zu

s

³m10²m1,0

s

m10

m5,0

m5,0Ak

ll

HAvQ 1110

121

Fall 2: Es wird nur Boden 2 (Sand) eingebaut:

Für diesen Fall ergibt sich der Durchfluss durch die Probe zu

s

³m10²m1,0

s

m10

m5,0

m5,0Ak

ll

HAvQ 43

221

�H = 0,50 m

�l = 0,25 m1 �l = 0,25 m2

k = 10 m/s1

-10k = 10 m/s2

-3

A = 0,1 m²

Abb. III-10 „Reihenschaltung“ zweier Bodenproben im Durchlässigkeitsversuch

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Fall 3: Die Böden werden in „Reihenschaltung“ eingebaut (siehe Abb. III-10)

Aufgrund der Kontinuitätsbedingung bleibt der Durchfluss konstant:

constAvQ

Hieraus folgt:

Akl

hAk

l

h2

2

21

1

1

, wobei constA und 21 ll :

2211 khkh , bzw. 1

221 k

khh (1)

Weiterhin setzt sich der gesamte Potentialabbau h aus den einzelnen Höhen h1 und h2

zusammen:

21 hhH (2)

Setzt man (1) in (2) ein, folgt:

Hhk

kh 2

1

22

0101

m50,0

10

101

m50,0

k

k1

hh

7

sm10

sm3

1

22

und H101

m50,0

10

101

m50,0

k

k1

hh

7

sm3

sm10

2

11

Der Potentialabbau findet praktisch nur in der Schicht mit der geringsten

Durchlässigkeit statt. In der Praxis wird der Potentialabbau der

durchlässigeren Schichten ab einem Faktor 10² für den Unterschied der

Durchlässigkeiten vernachlässigt.

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Systemdurchlässigkeit:

11

kh

l

A

Q

H

l

A

Q

i

vk

Fall 4: Die Böden werden in Parallelschaltung eingebaut (siehe Abb. III-11):

Der Gesamtdurchfluss setzt sich aus den Einzeldurchflüssen durch die beiden Hälften

zusammen:

212121 kk2

A

l

H

2

Ak

l

H

2

Ak

l

HQQQ

221 kkk 2k2

A

l

HQ

Der Durchfluss konzentriert sich auf die durchlässigere Schicht.

�h = 0,50 m

k = 10 m/s1

-10

k = 10 m/s2

-3

A = 0,1 m²

Abb. III-11 „Parallelschaltung“ zweier Bodenproben im Durchlässigkeitsversuch

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6 Strömungskraft und wirksame Wichte

Der Potentialabbau entspricht einer Energieumwandlung. Da ein Energieabbau aufgrund

der Energieerhaltung nicht möglich ist, wird die „verlorene“ Energie über Reibung in

Kräfte, die auf das Korngerüst wirken, umgewandelt. Die resultierende Kraft auf das

Korngerüst wird als Strömungskraft bezeichnet. Auf ein Einheitsvolumen von V = 1 m³

bezogen, spricht man von der spezifischen Strömungskraft fs , die koaxial zum

hydraulischen Gefälle ausgerichtet ist:

Ws if (Gl. III-16)

mit: fs: spezifische Strömungskraft [kN/m³]

i: hydraulisches Gefälle [ - ]

W: Wichte des Wassers [kN/m³]

Wird die Strömungskraft auf ein definiertes Volumen V bezogen, erhält man sie über die

Beziehung

sS' f V (Gl. III-17)

Die wirksame Wichte ist die Vektorsumme der Wichte unter Auftrieb ’ und der

spezifischen Strömungskraft fs:

'f s

(Gl. III-18)

�'�

fS

Abb. III-12 Ermittlung der wirksamen Wichte

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7 Die Theorie der ebenen Filterströmung

Unter der Annahme, dass

das betrachtete Grundwasser inkompressibel ist,

ein starres Korngerüst vorliegt,

der Porenanteil des Bodens konstant bleibt und

das betrachtete Gebiet quellen- und senkenfrei ist,

lautet die Massenbilanz gemäß der Kontinuitätsgleichung:

01dxvdzz

vv1dzvdx

x

vv z

zzWx

xxW

(Gl. III-19)

dx

dz

x

z

d xx

vv

x

x�

��x

v

dzz

vv

z

z�

��

zv

Abb. III-13 Massenbilanz der ebenen Filterströmung

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Da Wasser inkompressibel ist, gilt für die Dichte des Wassers: w = const

0dxdzz

v

x

v zx

(Gl. III-20)

0z

v

x

v zx

(Gl. III-21)

Setzt man in die letzte Gleichung das Gesetz von DARCY

ikv x

hkv xx

z

hkv zz

ein, erhält man für isotrope Durchlässigkeitsverhältnisse kx = kz = k:

0²z

h²k

²x

h²k

(Gl. III-22)

und somit die LAPLACE’sche DGL:

0²z

²x

(Gl. III-23)

Die Lösung der LAPLACE’schen DGL erfolgt i.d.R. mit Hilfe der Konstruktion eines

Potentialnetzes (siehe Kapitel III.8).

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8 Das Potentialnetz

8.1 Graphische Konstruktion des Potentialnetzes

Ein gebräuchliches Verfahren zur approximativen Lösung der LAPLACE’schen DGL im

ebenen Fall ist die graphische Konstruktion von Potentialnetzen (oder Strömungsnetzen).

Ein Strömungsnetz führt mit fortschreitender Annäherung und geringem Aufwand zu einer

angemessenen Näherungslösung der LAPLACE’schen DGL.

Es ergeben sich dabei unter Beachtung der isotropen Durchlässigkeit (kx = kz = k) zwei

sich rechtwinklig schneidende Kurvenscharen, die Potentiallinien und die Stromlinien. Das

Netz aus Potentiallinien und Stromlinien muss derart graphisch konstruiert werden, dass es

sich aus krummlinigen Rechtecken (Bedingung: b / l = konstant) zusammensetzt. Aus

praktischen Gründen empfiehlt sich die Konstruktion von krummlinigen Quadraten, da

sich damit u.a. die Einhaltung der Konstruktionsbedingungen leichter kontrollieren lässt.

Für alle Punkte einer Potentiallinie stellt sich die Höhe der Wassersäule in einem

Standrohr immer gleich ein.

Vorgehensweise:

Zunächst müssen die Gebietsgrenzen, d.h. die Abmessungen des Untersuchungsgebietes

festgelegt werden, und zwar so, dass die Wahl der Gebietsgrenzen keine baupraktische

Relevanz für die untersuchten Größen (Wasserdruck, Auftrieb, relevanter Strömungsdruck

etc.) hat. Danach werden die Ränder des betrachteten Systems definiert, d.h. es wird

festgelegt, ob es sich um Randpotentiallinien oder Randstromlinien handelt (Definition der

Randbedingungen). Dabei gilt Folgendes (siehe Abb. III-14):

Undurchlässige Ränder des Strömungsfeldes sind Stromlinien, z.B.

Bauwerksumrisse, Oberfläche einer wasserundurchlässigen Schicht

(Senkrecht zu diesen Linien kann kein Wasser strömen.)

In Deichen und Dämmen ist die Spiegellinie eine Stromlinie. Sie kann z.B.

grafisch gemäß Abb. III-14 ermittelt werden.

Die Sickerlinie ist weder Strom- noch Potentiallinie.

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III Grundwasserhydraulik 22.10.2013

GW

Sa

Cl

k << kTon Sand

RPL 100%

RSL

�h

�h

�h

�h

n = 6

�h = const.

� �H = n h•

RSL

Spiegellinie Sickerquelle Sickerlinie

RSL

RPL 0%GW

Randstromlinie - RSL

Randpotentiallinie - RPL

�H

si’Sa

GW

Steife

Cl

GW

OF Gelände

Sym

metr

ieachse

Randstromlinie - RSL

Randpotentiallinie - RPL

RPL 100%

RSL

RSL

RSL

GW RPL 0%

RSL

RSL

k << kCl si’Sa

Abb. III-14 Zur Definition der Randbedingungen eines Potenzialnetzes

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III Grundwasserhydraulik 22.10.2013

Bei einer Baugrubenkonstruktion o.ä. werden die seitlichen Grenzen des Potentialnetzes in

einer ausreichend großen Entfernung als lotrechte Begrenzungen gewählt. Für eine erste

Abschätzung empfiehlt es sich, auf der aktiven Seite für die Entfernung der Begrenzung

etwa die zweifache Wandhöhe anzusetzen. Diese Grenze wird i.d.R – für den Wasserdruck

auf die Verbauwand auf der sicheren Seite liegend – als Randstromlinie definiert.

Zur weiteren Bearbeitung wird der engste Querschnitt in „m“ Abschnitte, die sogenannten

Stromröhren, unterteilt (siehe Abb. III-15). Dadurch ergibt sich unter Berücksichtigung der

Randstromlinien die Anzahl der Stromlinien (m+1).

Anschließend lassen sich unter Beachtung der Forderungen nach krummlinigen

Rechtecken und nach sich rechtwinklig schneidenden Kurvenscharen die Potentiallinien

konstruieren.

Die Summe der Potentialschritte (bzw. Potentialdifferenzen) hi entspricht dem

abzubauenden Potential H zwischen Ober- und Unterwasser.

Es gilt folglich: o uH H H n h

�H=H -Ho u

2 h.�

1

2

3

45

6

7

8

n = 8m = 3

�l

�b

q

q

Bezugsniveau

z2

h2

zn

50%

87,5 %

100 %

37,5

%

25 %

12,5 %

0 %

62,5 %

75 %u /7 w�

z7

h7

u /2 w�

Ho

Hu

Abb. III-15 Potentialnetz

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8.2 Auswertung des Potentialnetzes

Ermittlung der einströmenden Wassermenge

Die Wassermenge q, die durch eine Stromröhre fließt, lässt sich unter Berücksichtigung

von (b = l) durch die folgende Gleichung bestimmen (siehe Abb. III-15):

hkbl

hkbik1bvAvq

(Gl. III-24)

mit:H

h (n Anzahl der Potentialschritte)n

Die Filtergeschwindigkeit v wird für ein krummliniges Quadrat eines Netzes als konstant

angenommen. Die Richtung des Filtergeschwindigkeitsvektors ist parallel zur Stromlinie

durch den betrachteten Punkt.

Da durch jede Stromröhre der gleiche Volumenstrom fließt, ergibt sich die

Gesamtwassermenge (nur bei der Verwendung krummliniger Quadrate) zu:

Hkn

mhkmqmQ (Gl. III-25)

Der Quotient n

m wird als Formfaktor bezeichnet.

Ermittlung des Wasserdrucks

Der Wasserdruck u lässt sich aus der Gleichung (Gl. III-8) bestimmen. Die Differenz (h –

z) entspricht dabei der Wassersäule im Standrohr, bezogen auf den zu betrachtenden

Punkt. Das Bezugsniveau kann für die geodätische Höhe z beliebig gewählt werden. In

Abb. III-15 wurde die untere Randstromlinie als Bezugsniveau gewählt.

ww

uh z u (h z)

(Gl. III-26)

Für den Fall, dass die geodätische Höhe vom Oberwasser aus positiv nach unten gezählt

wird (nachfolgend mit zn bezeichnet), berechnet sich der Wasserdruck wie folgt:

w w wi n i n iu z H z H (Gl. III-27)

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III Grundwasserhydraulik 22.10.2013

mit:100

100 ii

i: Potential [%]

Beispiel zur Ermittlung des Wasserdruckes auf eine Gleitfläche

90 %

80 %

70 %

60 %

50 %

40 %

30 %

20 %

10 %

100 %

zn

90

80

70

6050

4030

20

10

0%

GOK

a

p�

�H=H -Ho u

A B

Abb. III-16 Beispiel zur Ermittlung des Wasserdruckes aus einem Potentialnetz

Wasserdruck am Punkt A und B:

A A A

B B B

w w

w w

100 70u (z H) (z 0,3 H)

100100 10

u (z H) (z 0,9 H)100

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III Grundwasserhydraulik 22.10.2013

9 Nachweise der Sicherheit gegen hydraulisch verursachtes Versagen

Durch die Nachweise der Sicherheit gegen hydraulisch verursachtes Versagen müssen

folgende Grenzzustände eingehalten werden:

Grenzzustand der Lagesicherheit des Bauwerks oder Baugrunds infolge

Aufschwimmen (UPL)

Grenzzustand des Versagens verursacht durch hydraulischen Grundbruch,

innere Erosion und Piping im Boden (HYD)

Für den Grenzzustand ULP ist der Nachweis der Sicherheit gegen Aufschwimmen und für

den Grenzzustand HYD ist der Nachweis der Sicherheit gegen hydraulischen Grundbruch,

innere Erosion und Piping zu führen.

9.1 Nachweis der Sicherheit gegen Aufschwimmen

Der Nachweis der Sicherheit gegen Aufschwimmen muss mit Hilfe folgender Gleichung

(Grenzzustandsbedingung) geführt werden:

dst G,dst dst Q,dst stb G,stb G,stbG Q G T (Gl. III-28)

mit: Gdst: charakteristischer Wert ständiger destabilisierender vertikaler Einwirkungen (Auftriebskraft)

G,dst: Teilsicherheitsbeiwert für ständige destabilisierende

Einwirkungen im Grenzzustand UPL

Qdst: charakteristischer Wert der veränderlichen

destabilisierenden vertikalen Einwirkungen

Q,stb: Teilsicherheitsbeiwert für destabilisierender veränderliche

Einwirkungen im Grenzzustand UPL

Gstb: unterer charakteristischer Wert stabilisierender ständiger,

vertikaler Einwirkungen des Bauwerks

G,stb: Teilsicherheitsbeiwert für stabilisierende ständige Einwirkungen

im Grenzzustand UPL

T: zusätzlich als stabilisierende Einwirkung angesetzte

charakteristische Scherkraft

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III Grundwasserhydraulik 22.10.2013

Scherkräfte (Seitenreibung) werden nur angesetzt, wenn die Kraftweiterleitung sicher

nachgewiesen werden kann. Die Scherkräfte werden im Rahmen dieses Nachweises als

Einwirkungen und nicht als Widerstände klassifiziert!

Als einwirkende Scherkräfte T können auftreten:

Vertikalkomponente des aktiven Erddrucks:

av z ah aE E tan (Gl. III-29)

in einer Bodenfuge (z.B. beginnend am Ende eines waagerechten Sporns)

av z ahE E tan ' (Gl. III-30)

mit: Eav: Vertikalkomponente des aktiven Erddrucks

Eah: Horizontalkomponente des aktiven Erddrucks

δa: Wandreibungswinkel für den aktiven Erddruck

φ’: charakteristischer Reibungswinkel des Bodens

In beiden Fällen darf die Reibungskraft wie die Vertikalkomponente eines aktiven

Erddruckes min Ea behandelt werden. Es ist jedoch zu beachten, dass es sich bei min Eah

um den kleinsten zu erwartenden Erddruck handelt. Der Anpassungsfaktor ist mit ηz = 0,80

in den Bemessungssituationen BS-P und BS-T bzw. ηz = 0,90 in der Bemessungssituation

BS-A anzusetzen. Falls in begründeten Fällen eine Kohäsion angesetzt wird, ist auch die

Kohäsionskraft mit diesem Anpassungsfaktor abzumindern.

Damit die Sicherheit gegen Aufschwimmen nicht maßgeblich von den angesetzten

Scherkräften abhängt, muss bei Dauerbauwerken zusätzlich nachgewiesen werden, dass

die Grenzzustandsbedingung (Gl. III-26) auch ohne Ansatz der Scherkräfte mit den

Teilsicherheitsbeiwerten der Bemessungssituation BS-A erfüllt ist.

Ist die Grenzzustandsbedingung nicht erfüllt, ist eine Rückverankerung des

auftriebsgefährdeten Baukörpers mittels Ankern oder Pfählen erforderlich.

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III Grundwasserhydraulik 22.10.2013

Beispiel:

Für die Injektionssohle in der unten dargestellten Baugrube ist die Sicherheit gegen

Aufschwimmen für die angegebenen Grundwasserstände nachzuweisen:

GW -8,00 m GW -8,00 m

BGS -10,00 m

-13,00 m

GOK 0,00 m GOK 0,00 m

-15,00 m

d = 1,0 m

gr’Sa

= 19 kN/m³

= 20 kN/m³

�r

GW -11,00 m

Injektionssohle

h = 1,0 m1

h = 2,0 m2

h = 6,0 m

Abb. III-17 Beispiel Sicherheit gegen Aufschwimmen

Angaben:

Die Baugrube hat eine Grundfläche von A = 280 m².

Für die Injektionssohle ist eine Wichte von Inj = 20 kN/m³ anzusetzen.

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III Grundwasserhydraulik 22.10.2013

1. Ermittlung der charakteristischen Einwirkungen:

Der charakteristische Wert der günstigen ständigen Einwirkungskombination wird

folgendermaßen berechnet:

stb Inj 1 2 rG A d h h

stb

kN kN kNG 280m² 1,0m 20,0 2,0m 20 1,0m 19 22.120kN

m³ m³ m³

Die ständige destabilisierende Einwirkung (Auftriebskraft) beträgt:

dst W

kNG h A 6,00m 10 280m² 16.800kN

2. Ermittlung der Teilsicherheitsbeiwerte:

Da es sich bei der Baugrube um ein temporäres Bauwerk handelt, also eine

vorübergehende Situation vorliegt, sind die Teilsicherheitsbeiwerte für die

Bemessungssituation BS-T zu ermitteln (siehe Tab. A-1):

G,dst 1,05 für die destabilisierende ständigen Einwirkungen

G,stb 0,95 für die stabilisierende ständigen Einwirkungen

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3. Nachweis:

Der Nachweis erfolgt mit:

dst G,dst stb G,stbG G

!

16.800 kN 1,05 22.120 kN 0,95

17.640 kN 21.014 kN

Nachweis erfüllt!

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9.2 Nachweis der Sicherheit gegen hydraulischen Grundbruch, innere Erosion und

Piping

Die Definition des Grenzzustands HYD umfasst die Versagensformen hydraulischer

Grundbruch, innere Erosion und Piping im Boden, die alle durch Strömungsgradienten

hervorgerufen werden.

Allerdings gibt es nur für den hydraulischen Grundbruch eine Grenzzustandsgleichung. Es

muss nachgewiesen werden, dass für jedes in Frage kommende Bodenprisma der

Bemessungswert Sdst,d der destabilisierenden Strömungskraft kleiner ist als der

Bemessungswert des stabilisierenden Gewichts desselben Bodenprismas unter Auftrieb

G'stb,d

dst H stb G,stbS G ' (Gl. III-31)

mit: Sdst: char. Wert einer destabilisierenden Strömungskraft im Boden

H: Teilsicherheitsbeiwert für die Einwirkung aus Strömungskraft

G`stb: charakteristische Eigenlast des Bodenkörpers unter Auftrieb

G,stb: Teilsicherheitsbeiwert für eine ständige stabilisierende Einwirkung

erfüllt ist.

Üblicherweise wird für den durchströmten Bodenkörper das TERZAGHI-Kriterium

verwendet, d.h. die Breite des maßgeblich durchströmten Bodenkörpers beträgt die Hälfte

der Einbindetiefe der Verbauwand:

t

H

H

t/2

� l

r�

lH�H� r

G’stb

Sdst

Abb. III-18 Maßgebender Bodenkörper nach dem TERZAGHI-Kriterium

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III Grundwasserhydraulik 22.10.2013

Die auf den Bodenkörper wirkende Strömungskraft wird aus dem mittleren Unterschied

der Standrohrspiegelhöhen (Potentiale) und dem Fließweg t ermittelt. Die Potentiale sind

z.B. mit Hilfe eines Potentialnetzes oder numerisch zu ermitteln und es wird der gemittelte

Wert angesetzt.

Wenn der Versagensmechanismus des hydraulischen Grundbruchs z.B. infolge

Kontakterosion direkt an der Verbauwand beginnt, was erfahrungsgemäß häufig vorkommt

und maßgeblich ist, dann ist der Standsicherheitsnachweis an einem unendlich schmalen

Stromfaden nach Baumgart/Davidenkoff zu führen. Die Nachweisführung erfolgt hier

direkt entlang der Verbauwand an einem Stromfaden resp. der senkrecht nach oben

gerichteten Strömungskraft (Abb. III-19).

H�

t

Sdst

G’stb

Stromfaden nachBaumgart/Davidenkoff

Abb. III-19 Maßgebender Versagenskörper nach Baumgart/Davidenkoff

Die auf den Bodenkörper wirkende Strömungskraft wird aus der Standrohrspiegelhöhe

(Potential) an der Verbauwand und dem Fließweg t ermittelt. Das Potential ist

gegebenenfalls mit Hilfe eines Potentialnetzes zu ermitteln.

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III Grundwasserhydraulik 22.10.2013

Bei der Ermittlung des Teilsicherheitsbeiwerts H für die Strömungskraft Sdst ist zwischen

„günstigem Baugrund“ und „ungünstigem Baugrund“ zu unterscheiden:

Günstiger Baugrund nach dem EC 7-1:

Kies

Kiessand

mindestens mitteldicht gelagerter Sand mit Korngrößen > 0,2 mm

mindestens steifer toniger bindiger Boden

Ungünstiger Baugrund nach dem EC 7-1:

locker gelagerter Sand

Feinsand

Schluff

weicher bindiger Boden

Um die Gefahr des Austrags von Boden durch innere Erosion zu begrenzen, müssen

Filterkriterien angewendet werden (vgl. Kapitel XIII 1.3). Sollten die Filterkriterien nicht

erfüllt sein, muss nachgewiesen werden, dass der hydraulische Gradient genügend weit

unter dem kritischen Bemessungswert des Gradienten bleibt, bei dem die feinen

Bodenbestandteile in Bewegung geraten.

Wenn bei den vorherrschenden hydraulischen und bodenmechanischen Bedingungen ein

Piping auftreten kann und dies die Standsicherheit oder die Gebrauchstauglichkeit der

wasserbaulichen Anlage gefährdet, müssen Vorkehrungen getroffen werden, um den

Beginn des Piping entweder durch Anwendung von Filtern oder durch konstruktive

Gegenmaßnahmen oder Unterbrechung der Grundwasserströmung zu verhindern.

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Beispiel:

Für die unten dargestellte Baugrube ist der Nachweis der Sicherheit gegen hydraulischen

Grundbruch zu führen. Hierbei handelt es sich um eine vorübergehende

Bemessungssituation.

-8,0 m

-9,0 m

-12,0 m

-13,0 m

-6,0 m

GOK 0,0 m

Sand

Sand

g = 18,0 kN/m³

g = 18,0 kN/m³

gr = 20,0 kN/m³

gr = 20,0 kN/m³

gr = 21,0 kN/m³

g = 21,0 kN/m³

I = 0,92c

Ton

k << kTon Sand

Abb. III-20 Beispiel Nachweis der Sicherheit gegen hydraulischen Grundbruch

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Das hydraulische Gefälle in der Tonschicht beträgt

0,1m0,3

m0,3

l

hi

Die in der Tonschicht angreifende Strömungskraft beträgt

dst S W W W

h kN kNS f l i l l h 3,0m 10 30

l m³ m²

Die stabilisierende Einwirkung infolge des wirksamen Bodeneigengewichts beträgt

stb

kN kN kNG ' 1,0m 18 3,0m 11 51

m³ m³ m²

Der Nachweis lautet schließlich

dst H stb G,stbS G '

Für dieses Beispiel ist für die Teilsicherheitsbeiwerte die Bemessungssituation BS-T

anzusetzen. Der Teilsicherheitsbeiwert für die Strömungskraft γH ist an die

Baugrundverhältnisse gekoppelt:

IC = 0,92 Konsistenz „steif“ günstiger Boden:

H = 1,45 G,stb = 0,95

!kN kN30 1,45 51 0,95

m² m²

kN kN43,5 48,5

m² m²

Nachweis erfüllt!

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10 Ermittlung des Erddruckes bei Strömungsvorgängen

10.1 Graphische Ermittlung des Erddrucks

Wird ein Bauwerk umströmt, sind Betrag und Richtung des Erddrucks an jeder Stelle des

Bodenkontinuums verschieden, so dass der Erddruck nicht mehr exakt nach RANKINE

ermittelt werden kann. Zur exakten Ermittlung des Einflusses der Umströmung muss auf

die graphische Ermittlung des Erdruckes nach COULOMB zurückgegriffen werden, indem

neben der Gewichtskraft G, der Erddruckkraft Ea bzw. Ep und den aus den

Scherparametern resultierenden Kräften C und Q die anhand des Potentialnetzes

bestimmten Wasserdrücke am Gleitkeil angetragen werden.

Gleitkeil

umströmte Wand

Krafteck

(totale Kräfte)

U1

J

dd

a

rG

Ea

U2

U2

EaQ

aa

Q

U1

U2

Gr

Variation vonJ

EmaxE

E

= a

a

Abb. III-21 Ermittlung des Erddruckes bei Umströmung einer Stützwand

Der Gleitflächenwinkel wird solange variiert, bis für den aktiven Erddruck ein Maximum,

bzw. für den passiven Erddruck ein Minimum an Erddruckkraft ermittelt wird.

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Für die Berücksichtigung der mechanischen Wirkung des strömenden Grundwassers

existieren zwei äquivalente Vorgehensweisen:

1. Ansatz der Wasserdrücke und der Wichte des wassergesättigten Bodens:

U1

U2

Gr

Q’

C

Ea

Abb. III-22 Berücksichtigung der Strömung, Variante 1

2. Ansatz der Strömungskraft und der Wichte des Bodens unter Auftrieb:

Fs

Ea

G’

Q’

C

Abb. III-23 Berücksichtigung der Strömung, Variante 2

Beide Vorgehensweisen führen zum gleichen Ergebnis.

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III Grundwasserhydraulik 22.10.2013

10.2 Näherungsverfahren nach BRINCH-HANSEN:

Das Näherungsverfahren nach BRINCH-HANSEN – verankert in den „Empfehlungen des

Arbeitskreises Ufereinfassungen (EAU)“ (E 114) – erlaubt eine approximierte Bestimmung

des aktiven und passiven Erddrucks bei umströmten Stützkonstruktionen, indem ein mittleres

hydraulisches Gefälle für die aktive bzw. passive Seite der Stützkonstruktion ermittelt wird.

h1

wüh

pheahe

t

Abb. III-24 Näherungsverfahren nach Brinch-Hansen

Für die aktive Seite:

thh

h7,0i

11

wüa

(Gl. III-32)

Für die passive Seite:

tht

h7,0i

1

wüp

(Gl. III-33)

mit: ia, ip: hydraulisches Gefälle [ - ]

hwü: hydrostatische Überdruckhöhe [ - ]

h1: durchströmte Bodenhöhe auf der aktiven Seite bis zum Wandfuß

[m]

t: durchströmte Bodenhöhe auf der passiven Seite bis zum Wandfuß

[m]

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III Grundwasserhydraulik 22.10.2013

Die Wichten unter Auftrieb werden dann um folgende Anteile beaufschlagt:

wüa w

1 1

0,7 h

h h t

(aktive Seite) (Gl. III-34)

wüp w

1

0,7 h

t h t

(passive Seite) (Gl. III-35)

Die Wichte des Wassers wird analog modifiziert:

wüw a a w w

1 1

0,7 h1 i 1

h h t

(Gl. III-36)

wüwp p w w

1

0,7 h1 i 1

t h t

(Gl. III-37)

mit: w: Wichte des Wassers

wa, wp: modifizierte Wasserwichten

Diese Wichten werden in der analytischen Berechnung der Erd- und Wasserdrücke

eingesetzt.

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III Grundwasserhydraulik 22.10.2013

Literatur:

[1] Brinch-Hansen et. al. (1960)

Hauptprobleme der Bodenmechanik · Springer Verlag, Berlin 1960

[2] DIN 1054: 2010

Baugrund Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau - Ergänzende

Regelungen zu DIN EN 1997-1 · Beuth Verlag

[3] DIN 18130: 1998

Bestimmung des Wasserdurchlässigkeitsbeiwerts · Beuth Verlag

[4] DIN 4021: 1990

Aufschluss durch Schürfe und Bohrungen sowie Entnahme von Proben ·

Beuth Verlag

[5] DIN 4049:1979

Hydrologie · Beuth Verlag

[6] DIN EN 1997-1:2009

Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik – Teil

1: Allgemeine Regeln · Beuth Verlag

[7] DIN EN 1997-1/NA:2010

Nationaler Anhang – National festgelegte Parameter – Eurocode 7: Entwurf,

Berechnung und Bemessung in der Geotechnik – Teil 1: Allgemeine Regeln ·

Beuth Verlag

[8] Empfehlungen des Arbeitsausschusses "Ufereinfassungen", 10. Auflage,

Verlag Ernst und Sohn, Berlin 2004

[9] Davidenkoff (1970)

Unterläufigkeit von Stauwerken · Werner-Verlag, Düsseldorf 1970

[10] Davidenkoff (1973)

Anwendung von Bodenfiltern im Wasserbau · Mitteilungsblatt der

Bundesanstalt für Wasserbau, Nr. 35, Karlsruhe 1973, S. 3-33

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III Grundwasserhydraulik 22.10.2013

[11] Schuppener (2003)

Aufschwimmen – Nachweis der Auftriebssicherheit von Bauwerken nach

DIN 1054, Referatensammlung der Gemeinschaftstagung „Bemessung und

Erkundung in der Geotechnik“ in Heidelberg · DIN Deutsches Institut für

Normung, Berlin