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Aktienanalyse 175 6. Aktienanalyse Die richtige Aktie zur richtigen Zeit kaufen und verkaufen! Diesen Traum wollten wir uns bereits im letzten Jahrgang erfüllen. Vorbei an den Wertpapieranalystinnen und -analysten wollten wir den inneren Wert von Aktien feststellen und mit geeigneten Prognosen mit wenig Aufwand viel Geld verdienen. Offenbar sind wir aber mit unserem Vorhaben gescheitert: sonst müsste dieses Kapitel nicht mehr geschrieben werden. Aktienkurse vom Designer Im letzten Jahrgang vertrauten wir auf die sogenannte Fundamentalanalyse, bei der die Aktienbewertung mit Hilfe unternehmensbezogener Daten (der Bilanz) sowie des Unternehmensumfelds erfolgt. Das Ziel der Bestimmung des inneren Werts einer Aktie und das damit verbundene Wissen um den „fairen“ Preis dieser Aktie scheint jedoch für Spekulationen nur mäßig geeignet zu sein. Offensichtlich verhält sich der Aktien- markt nicht (nur) nach objektiven Kriterien (wodurch die Aktie zum inneren Wert tendieren müsste), es beeinflussen anscheinend auch viele andere Faktoren (u. a. auch psychologische Effekte) den Kurs des Wertpapiers. Bereits im letzten Jahrgang wurde kurz darauf verwiesen, dass es noch einen gänzlich anderen Zugang zur Bewertung von Aktien gibt: die technische Analyse. Die „Techniker“ unter den Analystinnen und Analysten versuchen an Hand des Kursverlaufs und des Handelsvolumens einer Aktie ihre zukünftige Entwicklung vorherzusagen. Ähnlich wie Designer den nächsten Modetrend vorhersehen müssen versuchen die technischen Analystinnen und Analysten Trends in den Aktienkursen zu erkennen. Und ähnlich den Designern suchen die Analystinnen und Analysten dabei nach Mustern, die für bestimmte Anlässe die Stimmung zum Ausdruck bringen sollen. Chartanalyse (mit freundlicher Genehmigung von Michael Gebhardt) Die technische Analyse von Aktien setzt sich im wesentlichen aus zwei Teilbereichen zusammen: der Chart- analyse und der Analyse technischer Indikatoren. „Den Mittelpunkt der technischen Aktienanalyse bildet der Aktenkurs selbst, der aus dem Spiel zwischen Angebot und Nachfrage hervorgeht. Die technische Analyse basiert auf der These, dass sich Aktienkurse grundsätzlich in Trends bewegen. Nur außergewöhnliche Ereignisse führen zur Trendumkehr, diese lässt sich aber an besonderen Konstellationen des Kursverlaufes erkennen. Im Rahmen der Chartanalyse wird versucht, die Kursentwicklung von heute mit bekannten Grundmustern aus der Vergangenheit zu vergleichen und damit Widerstände, Unterstützungen, etc. im Chart zu definieren. Die aus den Kursveränderungen errechneten Indikatoren liefern Kauf- bzw. Verkaufsignale oder weisen auf eine Divergenz zum Kursverlauf hin.“ (aus: Fundamentale und technische Aktienanalyse, Sparkassenakademie). Den Ursprung der technischen Analyse legte Charles Dow, der Gründer des Wall Street Journals. 6.01 Suche dir Informationen über die Entstehung der technischen Analyse. Gib in Form einer Zusam- menfassung einen kurzen Einblick in die Geschichte der technischen Analyse und der von Dow gemachten Annahmen zum Verhalten des Aktienmarktes.

Kapitel 06 1 2C DruckENDF - HPTarthur.hpt.at/php/online_links/links/LP_17858.pdfAktien feststellen und mit geeigneten Prognosen mit wenig Aufwand viel Geld verdienen. Offenbar sind

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Aktienanalyse 175

6. Aktienanalyse Die richtige Aktie zur richtigen Zeit kaufen und verkaufen! Diesen Traum wollten wir uns bereits im letzten Jahrgang erfüllen. Vorbei an den Wertpapieranalystinnen und -analysten wollten wir den inneren Wert von Aktien feststellen und mit geeigneten Prognosen mit wenig Aufwand viel Geld verdienen.

Offenbar sind wir aber mit unserem Vorhaben gescheitert: sonst müsste dieses Kapitel nicht mehr geschrieben werden. ☺

Aktienkurse vom Designer

Im letzten Jahrgang vertrauten wir auf die sogenannte Fundamentalanalyse, bei der die Aktienbewertung mit Hilfe unternehmensbezogener Daten (der Bilanz) sowie des Unternehmensumfelds erfolgt. Das Ziel der Bestimmung des inneren Werts einer Aktie und das damit verbundene Wissen um den „fairen“ Preis dieser Aktie scheint jedoch für Spekulationen nur mäßig geeignet zu sein. Offensichtlich verhält sich der Aktien-markt nicht (nur) nach objektiven Kriterien (wodurch die Aktie zum inneren Wert tendieren müsste), es beeinflussen anscheinend auch viele andere Faktoren (u. a. auch psychologische Effekte) den Kurs des Wertpapiers.

Bereits im letzten Jahrgang wurde kurz darauf verwiesen, dass es noch einen gänzlich anderen Zugang zur Bewertung von Aktien gibt: die technische Analyse.

Die „Techniker“ unter den Analystinnen und Analysten versuchen an Hand des Kursverlaufs und des Handelsvolumens einer Aktie ihre zukünftige Entwicklung vorherzusagen. Ähnlich wie Designer den nächsten Modetrend vorhersehen müssen versuchen die technischen Analystinnen und Analysten Trends in den Aktienkursen zu erkennen. Und ähnlich den Designern suchen die Analystinnen und Analysten dabei nach Mustern, die für bestimmte Anlässe die Stimmung zum Ausdruck bringen sollen.

Chartanalyse (mit freundlicher Genehmigung von Michael Gebhardt)

Die technische Analyse von Aktien setzt sich im wesentlichen aus zwei Teilbereichen zusammen: der Chart-analyse und der Analyse technischer Indikatoren.

„Den Mittelpunkt der technischen Aktienanalyse bildet der Aktenkurs selbst, der aus dem Spiel zwischen Angebot und Nachfrage hervorgeht. Die technische Analyse basiert auf der These, dass sich Aktienkurse grundsätzlich in Trends bewegen. Nur außergewöhnliche Ereignisse führen zur Trendumkehr, diese lässt sich aber an besonderen Konstellationen des Kursverlaufes erkennen.

Im Rahmen der Chartanalyse wird versucht, die Kursentwicklung von heute mit bekannten Grundmustern aus der Vergangenheit zu vergleichen und damit Widerstände, Unterstützungen, etc. im Chart zu definieren.

Die aus den Kursveränderungen errechneten Indikatoren liefern Kauf- bzw. Verkaufsignale oder weisen auf eine Divergenz zum Kursverlauf hin.“ (aus: Fundamentale und technische Aktienanalyse, Sparkassenakademie).

Den Ursprung der technischen Analyse legte Charles Dow, der Gründer des Wall Street Journals.

6.01 Suche dir Informationen über die Entstehung der technischen Analyse. Gib in Form einer Zusam-menfassung einen kurzen Einblick in die Geschichte der technischen Analyse und der von Dow gemachten Annahmen zum Verhalten des Aktienmarktes.

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176 Aktienanalyse

6.1 Charttypen

Unter einem Chart versteht man die grafische Darstellung des Kursverlaufs einer Aktie. Dabei wird meist in einem Kursdiagramm der Kurs der Aktie (auf der Ordinate) gegen die Zeit (auf der Abszisse) aufgetragen. Der gewählte Beobachtungszeitraum richtet sich dabei nach den Zielsetzungen der Analystin bzw. des Analysten. Um etwa den Einfluss bestimmter Meldungen auf den Aktienkurs zu ermitteln, sind eher kurze Zeiträume interessant, um hingegen Trends oder Zyklen im Kurs zu erkennen, benötigt man längerfristige Beobachtungszeiträume.

Die Darstellung der Kurse erfolgt zumeist auf eine der beiden folgenden Arten:

Entweder wird der Aktienkurs auf einer linearen Skala aufgetragen (d. h. gleiche Kursänderungen entspre-chen immer gleichen Abständen auf der Ordinate), oder der Kurs wird logarithmisch auf der Ordinate auf-getragen (d. h. gleiche Ordinatenabstände entsprechen gleichen relativen (prozentuellen) Änderungen des Aktienkurses).

logarithmischer Chart einer Aktie

dieselbe Aktie im linearen Chart

6.02 Überlege, warum die logarithmische Skalierung in manchen Fällen Vorteile bietet.

Hinweis: Bedenke, dass die Höhe des Aktienkurses Auswirkungen auf die grafische Darstellung hat.

Auf Grund der Darstellungsformen der Aktienkurse im Chart unterscheidet man verschiedene Charttypen. Die am häufigsten verwendeten Charttypen sollen im folgenden behandelt werden:

6.1.1 Linienchart (line chart)

Er stellt den am häufigsten verwendeten Chart in der technischen Aktienanalyse dar. Dabei werden (zumeist) die Schlusskurse jedes Börsentages in einem Kurs-Zeit-Diagramm aufgetragen und diese Werte dann mittels einer Geraden miteinander verbunden. Um langfristige Kursbewegungen übersichtlich darzustellen werden manchmal auch die Kurse in größeren Zeitintervallen (z. B. eine Woche, alle 14 Tage oder ein Monat) eingetragen und verbunden.

Linienchart

Der Vorteil dieser Darstellungsform des Aktienkurses liegt vor allem in seiner Übersichtlichkeit und dem geringen Aufwand bei der Erstellung. Allerdings lassen sich Schwankungen zwischen Eröffnungs- und Schlusskurs bzw. generell das Zusammenspiel zwischen Angebot und Nachfrage kaum ablesen.

6.03 Das Verbinden der Schlusskurse mittels einer Geraden kennst du bereits aus dem 2. Jahrgang. Wie nennt man dieses Verfahren und welche Annahme wird hier für die Entwicklung des Aktienkurses gemacht?

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Aktienanalyse 177

Du kannst auch selbst Aktienkurse als Chart darstellen. Auf der Homepage der Wiener Börse findest du unter www.wienerborse.at/stocks/atx aktuelle Aktienkurse und kannst dabei den Darstellungszeitraum und die Chartdarstellung auswählen. Auf www.aktieninformation.de findest du unter dem Link „Kurslisten“ eine Auswahl an Aktienindizes (EuroStoxx50, DAX, DowJones, Nasdaq100) und kannst dir die Charts zu den darin enthaltenen Aktien anzeigen lassen. Ausserdem bieten beide Seiten auch die Möglichkeit einer (eingeschränkten) Chartanalyse – aber dazu später mehr. Auch die meisten Banken bieten auf ihren Internetseiten die Möglichkeit an, Aktienkurse grafisch darzustellen.

6.04 Stell den Kursverlauf der AUA-Aktie im Zeitraum von a) einem Monat, b) einem Jahr, c) 5 Jahren als Linienchart dar. Überleg dir bei jedem Chart ob du derzeit die Aktie kaufen würdest. Stimmen die Überlegungen bei allen Charts überein oder widersprechen sie sich. Weshalb könnte es zu widersprüchlichen Kaufüberlegungen kommen?

6.05 Rechne wie in Aufgabe 6.04, aber jetzt mit der OMV-Aktie. 6.06 Rechne wie in Aufgabe 6.04, aber jetzt mit der Erste Bank-Aktie.

Hinweis: Solltest Du keinen Zugang zum Internet haben um dir die aktuellen Charts darstellen zu lassen, so findest du am Ende des

Kapitels Charts für die AUA-, OMV- und Erste Bank-Aktie als Ersatz, um die Aufgaben lösen zu können.

6.1.2 Balkenchart (bar chart)

Damit wird versucht, den zuvor beim Linienchart beschrie-benen Nachteil des Informationsverlustes über die Schwan-kungsbreite innerhalb der eingetragenen Zeitintervalle (also z. B. innerhalb des Handelstages) zu beheben. Auf der Ordi-nate wird dabei die Spannweite des Aktienkurses innerhalb eines betrachteten Zeitintervalls (etwa eines Handelstages) als senkrechte Linie aufgetragen. Um dabei die Information über den Schlusskurs der Aktie nicht zu verlieren kennzeich-net man diesen mit einer kurzen waagrechten Markierung nach rechts (manchmal wird auch der Eröffnungskurs durch eine waagrechte Markierung nach links dargestellt).

Balkenchart

6.07 Stell den Kursverlauf der Aktien aus den Aufgaben 6.04 bis 6.06 auch als Balkencharts dar. Was

sagen die senkrechten Linien über Angebot und Nachfrage der Aktie aus?

6.1.3 Kerzenchart (candlestick chart, japanischer Chart)

Diese Darstellungsform stammt aus Japan, wo bereits im 16. Jahrhundert die Preisentwicklung von Reis auf diese Weise dargestellt wurde. Auf Grund der Menge an Informationen, die in dieser Chartform vermittelt werden kann, findet der Kerzenchart seit einigen Jahren aber auch außerhalb Japans immer mehr Interessenten.

Jede einzelne Kerze stellt dabei ein beobachtetes Zeit-intervall (z. B. Handelstag, Monat, Woche, …) dar und besteht aus einem „Körper“ (real body), der die Differenz zwischen Eröffnungs- und Schlusskurs (opening und closing) beschreibt. Liegt der Schlusskurs über dem Eröffnungskurs, so bleibt der Körper transparent (bzw. weiß, manchmal auch rot), ist der Eröffnungskurs aller-dings höher als der Schlusskurs, so wird der Körper schwarz eingefärbt.

Zusätzlich erhält die Kerze dann noch einen „Docht“ und eine „Lunte“ (shadows), welche den Körper mit dem Höchstwert der Aktie (oberer Schatten) bzw. dem Tiefst-wert (unterer Schatten) verbinden.

Beschreibung einer Kerze eines japanischen Charts

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178 Aktienanalyse Im Kerzenchart sind somit Informationen über Höchst- und Tiefstkurs sowie Eröffnungs- und Schlusskurs und dem damit verbundenen Trend (Aktie im betrachteten Zeitintervall gefallen oder gestiegen) enthalten.

candlestick chart

Der Kerzenchart beinhaltet für sich bereits bestimmte Muster (patterns), die bereits als Signale für Kursent-wicklungen gedeutet werden können. Er ermöglicht Investoren damit ein gutes Bild der Marktsituation einer Aktie, es sei aber davor gewarnt, diese Muster als den Indikator für Kursentwicklungen zu sehen. Zur Bewertung von Aktien sind unbedingt weitere Indikatoren und Kennzahlen heranzuziehen!

6.08 Stell den Kursverlauf der Aktien aus den Aufgaben 6.04 bis 6.06 auch als Kerzencharts dar. Wie kannst du aus dem Kerzenchart den Linienchart erzeugen? Hinweis: Lege den Linienchart über den Kerzenchart und vergleiche dann.

6.2 „the trend is your friend“ – Chart Reading zur Kursprognose

Hinter dem Chart Reading, also dem Versuch, aus den bekannten Charts einer Aktie deren Kursentwicklung vorherzusehen, stecken viele verschiedene Konzepte. Die häufigsten Verfahren sind die Trendanalyse, die Lehre der Formationen sowie die Betrachtung von Unterstützung und Widerstand. Diese Konzepte wollen wir in diesem Abschnitt besprechen, wobei immer berücksichtigt werden muss, dass Entwicklungen im Kursverlauf einer Aktie zumeist mehrdeutig interpretiert werden können und daher keines dieser Konzepte geeignet ist, um isoliert Entscheidungen zu treffen.

6.2.1 Historische Betrachtung – die Dow-Theorie

Charles Henry Dow (1851–1902), der am 3. Juli 1884 den ersten Aktienindex der Welt, den Dow Jones Index, veröffentlichte, stellte fest, dass die Aktienkurse in ihrer Bewegung bestimmten Trends folgen. Aus dieser Erkenntnis entwickelte er die nach ihm benannte Dow-Theorie, die immer noch als methodische Grundlage der Chartanalyse gilt.

Da sich jeder Markt, also nicht nur der Aktienmarkt, sondern zum Beispiel auch der Rohstoff- oder Gold-markt, selten oder nie geradlinig bewegt, bedarf es einer genaueren Definition des Trends. Die Marktbewe-gung wird als eine Reihe von Zacken dargestellt, das heißt, eine Linie mit deutlich erkennbaren Gipfeln und Tälern. Es ist (nach Murphy) „die Richtung dieser Gipfel und Täler, die einen Markttrend“ konstituiert. Dow formulierte einen Aufwärtstrend als eine Serie stets höherer Gipfel und Täler als zuvor, ein Abwärtstrend dagegen wird durch immer „niedrigere“ Extrema beschrieben. Die dritte Form, der seitwärtsgerichtete Trend, besteht aus ungefähr gleich hohen Gipfeln und Tälern.

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Aktienanalyse 179

Aufwärtstrend

Abwärtstrend

Seitwärtstrend

Im Gegensatz zu der landläufigen Meinung vieler Anleger, es gebe an der Börse nur Auf- und Abwärtsbe-wegungen, existieren in der Realität diese drei Richtungen.

In einem Editorial im „The Wall Street Journal“ beschrieb Dow weiters drei unterschiedliche Marktbewe-gungen, die zur gleichen Zeit auftreten: Der langfristige Primärtrend [...] ist eine ausgedehnte Kursbewe-gung, die gewöhnlich mindestens ein Jahr andauert. Der mittelfristige Sekundärtrend stellt eine Korrektur-phase innerhalb des Primärtrends dar und dauert gewöhnlich zwischen 2 Wochen und 3 Monaten. [...] Die Dauer des kurzfristigen Tertiärtrends reicht von wenigen Stunden bis zu drei Wochen. Ein Vorteil der tech-nischen Analyse ist es, dass sie auf jeden Trend anwendbar ist. (aus: Michael Gebhardt, „technische Aktienanalyse und

die Anwendung bzw. Wirkung anhand ausgewählter Beispiele, Facharbeit aus Wirtschafts- und Rechtslehre).

6.2.2 Die Muster im Kerzenchart

Durch die Fülle an Informationen, die im Kerzenchart enthalten sind, lässt sich ein gutes Bild von der Entwicklung der Aktie gewinnen. Man kann im candlestick chart nach bestimmten Mustern (patterns) suchen, welche als Signale am Aktienmarkt interpretiert werden können.

Der Vorteil dieser Form der Chartanalyse liegt auf der Hand: es müssen keine vorbereitenden Arbeiten für die Chartanalyse durchgeführt werden; der Chart selbst enhält schon alle notwendigen Informationen.

Bevor du dich aber mit der Analyse der Kerzencharts beschäftigen kannst, benötigst du noch ein paar Begriffe, um die nachfolgenden Informationen verstehen zu können:

6.09 Im Zuge der Analyse des Aktienmarktes kommen immer wieder die Begriffe Bullenmarkt (bull market, Hausse) und Bärenmarkt (bear market, Baisse) vor. Trends, Formationen oder Kursverläufe werden oft als „bullisch“ und „bearisch“ bezeichnet. Suche dir Unterlagen zu diesen Begriffen und stelle diese in einer kurzen Präsentation einander gegenüber.

Die wesentlichsten Muster sind im Folgenden beschrieben (mit freundlicher Genehmigung von Martin Herndlbauer, den Schulungsunterlagen „fundamentale und technische Aktienanalyse“ der Sparkassenakademie entnommen):

Long White Body

kennzeichnet eine stark bullische Verfassung. Es besteht ein hoher Abstand zwischen Hoch und Tief, wobei die Kurse nahe des Tiefs eröffneten und nahe des Hochs schlossen. Dies indiziert rege Nachfrage bei wenig Gewinnmitnahmen.

Long Black Body

stellt eine stark bearische Formation dar. Es besteht ein hoher Abstand zwischen Hoch und Tief, wobei die Kurse nahe des Hochs eröffneten und nahe des Tiefs schlossen. Dies zeigt einen deutlichen Angebotsüberhang und somit deutlich nachgebende Kurse.

Doji-Lines

deuten auf eine Trendumkehr hin. Opening und Closing befinden sich auf demselben Niveau, während High und Low weit davon entfernt sein können. Dies deutet auf Unsicherheit im Markt bezüglich der künftigen Entwicklung hin. Aufgrund der Unentschlossenheit ist die Stimmung labil.

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180 Aktienanalyse Bullish Patterns

Hammer

Ist gekennzeichnet durch die Ausprägung eines kleinen Bodies mit einem langen darunter liegenden Schadow nach einem markanten Abwärtstrend. Intraday wurden zwar neue Lows getestet, die auf niedrigem Niveau einsetzende Nachfrage ließ die Kurse jedoch wieder ansteigen.

Morning Star

Deutet, sofern er nach einem Abwärtstrend auftritt, auf eine Bodenbildung hin und ist positiv zu beurteilen. Einem Long Black Body folgt ein darunter liegender kleiner Body (Farbe egal), dem wiederum ein Long White Body folgt. In diesem Fall hat sich nach einer Abwärtsbewegung starke Nachfrage gebildet. Bullish Engulfing Lines

Ist gekennzeichnet von einem kleinen Black Body gefolgt von einem überlappendem Long white Body nach einem Abwärtstrend. Auch hier erkennt man eine deutliche Zunahme der Nachfrage, weshalb das Signal positiv zu bewerten ist.

Bearish Patterns

Hanging Man

Ist bearish zu interpretieren wenn diese Formation nach einer Aufwärtsbewegung auftritt. Aus dem kleinen Body (Farbe egal) mit dem darunter liegenden Shadow kann man ersehen, dass bereits starke Unsicherheit herrscht und Intraday massiv Gewinne mitgenommen wurden.

Evening Star

Einem Long White Body folgt ein darüber liegender kleiner Real Body (Farbe egal), der wiederum von einem Long Black Body gefolgt wird. Diese Formation ist als Gipfelbildung zu lesen, wobei starke Gewinnmitnahmen bereits eingesetzt und die Kurse gedrückt haben.

Shooting Star

Sieht dem Evening Star ähnlich. Dem Long White Body folgt ein kleiner Body (Farbe egal) mit einem langen darüber liegendem Shadow. Bereits die mittlere Kerze zeigt Unsicherheit und Gewinnmitnahmen, ehe ein deutlicher Kursrückgang einsetzt.

6.10 Du hast in Aufgabe 6.08 schon einige Kerzencharts dargestellt. Suche nun in diesen Charts nach

einigen der oben gezeigten Muster. Beobachte dabei, ob sich die durch die patterns erhaltenen Informationen über die Aktien dabei oft ändern. Was könnte ein häufiger Wechsel bzw. eine lange Zeit gleich lautender Interpretation des Kursverlaufes für die Aktie bedeuten?

6.2.3 Trendlinien und Trendkanäle

Die Analyse von Kursverläufen mittels Trendlinien stützt sich auf die Annahme, dass Trends am Aktienmarkt eher dazu tendieren, ihre Richtung beizubehalten als diese zu ändern. Die Trendanalyse empfielt den Kauf bzw. Verkauf von Aktien erst im Fall einer Trendwende.

Die grafische Darstellung des Trends in einem Chart (meist Linienchart) ist denkbar einfach:

Zeigt der Aktienkurs eine Aufwärtstendenz, so wird an die Kurstäler der Aufwärtsbewegung eine Gerade angelegt, wobei die Täler so gewählt werden, dass ein Schnitt der Trendlinie mit den Aktienkursen vermieden wird.

Ist der Kurs der Aktie eher in einer Abwärtsbewegung begriffen, so werden die Kursgipfel mittels einer Geraden verbunden, um den Trend zu beschreiben.

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Aktienanalyse 181

Von einer Trendwende sprechen die Analystinnen und Analysten dann, wenn die Trendlinie nachhaltig durchbrochen wird. Dies soll dann als Kauf- bzw. Verkaufshinweis gedeutet werden.

6.11 Welchen Hinweis kann der Durchbruch der Trendlinie bei einem vorliegenden Aufwärtstrend geben? Begründe! Welche Signale könnte ein Investor aus diesem Kursverhalten ableiten?

6.12 Welchen Hinweis kann der Durchbruch der Trendlinie bei einem vorliegenden Abwärtstrend geben? Begründe! Welche Signale könnte ein Investor aus diesem Kursverhalten ableiten?

Trendlinie eines Aufwärtstrends (dicke Linie)

Trendlinie eines Abwärtstrends (dicke Linie)

Beide Grafiken mit freundlicher Genehmigung von Thomas Drabek, Studentisches Börsenforum Würzburg e.V.

6.13 Am Beispiel der beiden oben gezeigten Trendlinien erkennt man, dass der Kurs permanent Schwan-kungen unterliegt, die sich immer wieder den Trendlinien nähern und an diesen gleichsam abpral-len. Überleg wie dieser Abprall zustande kommen könnte. Welche Signale könnten Investoren bei Annäherung des Kurses an eine Trendlinie erkennen und wie wird sich das daraus resultierende Verhalten auf den weiteren Aktienkurs auswirken?

Allgemein geht man davon aus, dass eine Trendlinie, die mehrmals durch einen Abprall getestet worden ist (wie in beiden oben gezeigten Grafiken der Fall), verlässlichere Trendaussagen liefert als eine Linie, die nur selten getestet worden ist (siehe nebenstende Grafik). Selbstverständlich spielt auch der Betrachtungszeitraum eine bedeutende Rolle: Trendlinien, die sich über größere Zeiträume erstrecken sind bedeutendere Indikatoren als kurzfristige Trendlinien.

Anmerkung: Die Trendlinien müssen nicht notwendigerweise Geraden

sein. Bei sich stark beschleunigenden Kurssenkungen bzw.

Kurszuwächsen werden die Trendlinien manchmal auch als Kurven

dargestellt. In einem logarithmischen Chart zeigt eine nicht-lineare

Trendlinie sofort eine veränderte prozentuelle Kursveränderung an.

Trendlinie eines selten getesteten Aufwärtstrends (aus: Fundamentale und technische Aktienanalyse,

Sparkassenakademie).

6.14 Verwende die in den Aufgaben 6.04 bis 6.06 erstellten Liniencharts, um eine Trendlinienanalyse

durchzuführen. Suche dir dabei Zeiträume anhaltender Kursentwicklung und lege in diesen Bereichen eine Trendlinie. Vielleicht kannst du auch die Behauptung überprüfen, dass häufig getestete Trendlinien bedeutungsvollere Signale liefern.

Anmerkung: Auch zu Balkencharts lassen sich Trendlinien legen. Dabei werden die oberen bzw. unteren Enden der einzelnen Balken

zur Bestimmung der Trendlinie herangezogen. In unseren Betrachtungen wollen wir aus Gründen der Übersichtlichkeit die

Trendanalysen jedoch ausschließlich an Hand von Liniencharts durchführen. Die dabei durchgeführten Überlegungen sind bei Bedarf

auch auf die Analyse von Balkencharts anwendbar.

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182 Aktienanalyse Wie du an den letzten Charts schon sehen konntest, pendeln Aktienkurse häufig während eines Trends. In diesen Fällen zeichnet man dann oft zusätzlich zu den Trendlinien auch noch eine sogenannte Rückkehr-linie ein. Diese wird genauso wie die Trendlinie konstruiert, nur verbindet man beim Aufwärtstrend nun die Kursgipfel und beim Abwärtstrend die Kurstäler.

Sind die beiden eingezeichneten Linien (Rückkehr- und Trendlinie) annähernd parallel, so spricht man von einem Trendkanal. Bilden sich in Aktienkursen solche Trendkanäle aus, so werden sie von Investoren häufig für kurzfristige Spekulationen verwendet. Je öfter sich die Schwankungen innerhalb des Trends wiederho-len, desto zuverlässiger wird der Trend angesehen. Man spricht auch davon, dass der Chart an der Trend- und Rückkehrlinie mehrfach abprallt.

Trend- und Rückkehrlinie (durch seltenen Abprall nur wenig getestet)

(aus: Fundamentale und technische Aktienanalyse, Sparkassenakademie). 6.15 Überleg dir, wie Spekulanten diesen Abprall an den beiden Linien nützen könnten. Wie wirken sich

diese Spekulationen dann auf den Aktienkurs aus?

Anmerkung: In den beiden Charts vor Aufgabe 6.13 findest du ebenfalls Rückkehrlinien eingezeichnet. Im Gegensatz zum letzen Bild

sind diese Trends aber durch häufigen Abprall im Trendkanal weit besser getestet.

Ähnlich wie beim Durchbruch der Trendlinien kann auch der Ausbruch aus dem Trendkanal als Signal für Investoren bzw. Spekulanten angesehen werden. Die Überlegungen aus den Aufgaben 6.11 und 6.12 betreffend des Duchbruchs durch die Trendlinie bleiben aufrecht, allerdings kommen neue Signale beim Durchbrechen der Rückkehrlinie hinzu.

6.16 Welche Hinweise könnte ein Investor aus dem Durchbrechen der Rückkehrlinie bei derzeitigem Abwärtstrend erhalten? Wie sollte er deiner Meinung nach auf diese Hinweise reagieren? Begründe!

6.17 Welche Hinweise könnte ein Investor aus dem Durchbrechen der Rückkehrlinie bei derzeitigem Aufwärtstrend erhalten? Wie sollte er deiner Meinung nach auf diese Hinweise reagieren? Begründe!

Einige Analystinnen und Analysten gehen bei der Interpretation der Trendkanäle noch einen Schritt weiter und deuten den missglückten Versuch des Aktienkurses, sich einer der beiden Linien des Trendkanals zu nähern, als Zeichen dafür, dass die andere Linie des Kanals bald durchbrochen wird (der Trend droht also zu kippen oder sich zu beschleunigen).

Obwohl empirische Untersuchungen immer wieder ergeben, dass sich Kursverläufe in Trends bewegen, muss dennoch nachdrücklich darauf hingewiesen werden, dass es für dieses Verhalten keine eindeutige Erklärung gibt. Rationale Gründe oder Gesetzmäßigkeiten, warum sich Kursverläufe auf diese Weise entwicklen müssen, gibt es nicht. Immer wieder scheitern daher auch solche Analysen und führen zu falschen Kauf- oder Verkaufsignalen. Es bleibt also größte Vorsicht geboten.

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Aktienanalyse 183

6.18 Die beiden Charts vor Aufgabe 6.13 zeigen nach häufigem erfolgreichem Test des Trendkanals gegen Ende zunehmend die soeben besprochenen Signale. Beschreibe für beide Charts was gegen Ende des Beobachtungszeitraums gerade geschieht (bzw. schon geschehen ist), welche Signale man daraus ableiten könnte und welches Verhalten man als Investor überlegen sollte.

6.2.4 Unterstützung und Widerstand

Marktpsychologie ist ein wesentlicher Bestandteil des Aktienhandels. Egal ob rational fassbar oder nicht, subjektive Empfindungen, wiederholt gemachte Beobachtungen oder einfach das „G´fühl“ beeinflussen den Aktienmarkt. Emotionale Entscheidungen der Investoren beinflussen den Aktienmarkt – und damit auch die rational argumentierenden Anleger.

Eines der wesentlichsten Phänomene, das in diesem Zusammenhang in der technischen Analyse Anwen-dung findet, ist die Lehre von Unterstützung (support) und Widerstand (resistance).

Oft ist zu beobachten, dass Aktienkurse nach einem Aufwärts-trend einen einmal erreichten Höchstkurs selbst längere Zeit nicht überwinden können. Man spricht in diesem Fall von Widerstand. Häufig benötigen Aktienkurse mehrere Anläufe, um diese Widerstandslinie zu durchbrechen. Der Grund ist in den Gewinnüberlegungen der Anleger zu suchen: Erreicht die gehaltene Aktie einen historischen Höchststand (und damit die Widerstandslinie), so neigen viele Investoren, die diese Aktie zu einem besseren Kurs erworben haben, dazu, eine Verkaufsorder zu geben, sofern sie nicht gute Gründe haben, um von weiteren Kurszuwächsen überzeugt zu sein. Man spricht dann von einer Gewinnmitnahme (häufig ist davon in den Börseteilen der Tages-zeitungen zu lesen). Dieses erhöhte Angebot am Aktienmarkt führt dazu, dass der Aktienkurs tatsächlich zu sinken beginnt (und damit den Widerstand nicht brechen kann).

Widerstand (resistance)

(aus: Fundamentale und technische Aktienanalyse, Sparkassenakademie)

Ein ähnliches Phänomen kann man bei der sogenannten Unter-stützungslinie beobachten. Wieder spielen Gewinnüberlegungen die entscheidende Rolle:

Genauso wie es Aktienkursen manchmal schwer fällt, Höchst-werte zu übertreffen, unterschreiten sie oft auch langfristig einmal erreichte Tiefststände nicht mehr. An solchen Tiefs findet dann eine sogenannte Unterstützung statt, man zeichnet im Aktienchart eine Unterstützungslinie ein. Wie schon zuvor ist der Kursabprall an der Unterstützungslinie wieder den Überlegun-gen der Anleger und weniger der hinter der Aktie stehenden Firma zu verdanken: Erreicht der Aktienkurs einen historischen Tiefstwert, so können sich viele Spekulanten nicht vorstellen, dass der Kurs noch weiter absinken wird. Sie erachten diesen Zeitpunkt als günstig, um die Aktie zu erwerben und geben eine Kauforder ab. Dadurch stoppt in manchen Fällen tatsächlich der Kursverfall und die Aktie steigt wieder.

Unterstützung (support)

(aus: Fundamentale und technische Aktienanalyse, Sparkassenakademie)

Je häufiger ein Chart an Widerstand und Unterstützung getestet wurde, als umso zuverlässiger wird er meist angesehen. Ein Durchbruch der Widerstands- oder Unterstützungslinie kann dann ein wichtiger Hinweis auf eine künftige Trendänderung sein.

6.19 Der unten stehende Aktienchart beschreibt den Kursverlauf einer Aktie mit bereits vom Analysten eingezeichneten Unterstützungs- und Widerstandslinien. Erkläre mit eigenen Worten, was im Verlauf des Beobachtungszeitraums mit dem Kurs geschieht. Wo treten Besonderheiten im Chart

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184 Aktienanalyse

auf, wie könnte das Anlegerverhalten gewesen sein, bei welchem Kauf- oder Verkaufverhalten könnte man zu den Gewinnern bzw. Verlierern bei dieser Kursentwicklung zählen? Wie lassen sich die zuvor beschriebenen Überlegungen auf diesen Chart anwenden?

(mit freundlicher Genehmigung von Michael Gebhardt)

6.20 Nimm die bereits in den vorherigen Aufgaben verwendeten Liniencharts und suche darin nach Unterstützungs- und Widerstandssignalen. Zeichne die entsprechenden Linien ein und überprüfe die Aussagen über das Kursverhalten an deinen Charts. Stimmen die Empfehlungen immer mit dem tatsächlichen Kursverlauf überein?

Ein interessantes Detail des Zusammenhangs Widerstand – Unterstützung zeigt der folgende Chart:

Im vorliegenden Chart entwickelt sich die ursprüngliche Widerstandslinie nach erfolgtem dauerhaften Durchbruch anscheinend zur Unterstützungslinie des Aktienkurses.

mit freundlicher Genehmigung von Thomas Drabek, Studentisches Börsenforum Würzburg e.V.

6.21 Überleg dir, welche Kauf- bzw. Verkaufüberlegungen in diesem Chartverhalten stecken könnten. Was könnte Börsianer dazu bewegen, ihre Käufe und Verkäufe so durchzuführen, dass sich ein derartiger Effekt einstellt?

Umgekehrt kann natürlich ein ähnlicher Effekt eintreten: Unterstützungslinien werden nach deren Durchbruch zu neuen Widerstandslinien.

6.22 Such auf der Internetseite der Wiener Börse nach einem Chart der im ATX zusammengefassten Aktien, an dem dieses Verhalten (Wechsel von Unterstützungs- zur Widerstandslinie) zu erkennen ist. Fasse nochmals die Kauf- und Verkaufüberlegungen aus 6.21 anhand dieser Chartbilder zusammen.

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6.2.5 Trendformationen

Trendlinien und Trendkanäle sind geeignet um die Richtung eines Trends bzw. bei Über- oder Unterschrei-ten der Linien Kauf- oder Verkaufssignale zu erkennen.

Schwierig wird es jedoch in trendlosen Zeiten, d. h. wenn sich die Aktienkurse gleichsam seitwärts ent-wickeln. Dann stellt sich für Analysten die Frage, ob sich der zuvor vorherrschende Trend nach der Seit-wärtsbewegung fortsetzen wird (man spricht dann von einer momentanen Konsolidierungsphase der Aktie) oder ob sich der Trend wenden wird (Trendumkehr).

Um Signale für einen Fortbestand des Trends oder einer Trendumkehr zu erhalten, suchen Analystinnen und Analysten in den Aktiencharts nach Mustern und Formationen, welche ihnen Informationen über die zukünftige Entwicklung des Charts geben sollen. Einige bedeutende Formationen sollen nun vorgestellt werden:

Trendbestätigende Formationen (Konsolidierungsformationen)

Gerade bei Aufwärtsbewegungen einer Aktie kommt es immer wieder vor, dass der Trend kurzfristig ge-stoppt wird und sich später wieder fortsetzt. Der Grund dafür kann in der Angst der Investoren begründet liegen, auf eine wegen starker Kursgewinne überbewertete Aktie zu setzen. Erst wenn sich der Markt an das neue Kursniveau der Aktie gewöhnt hat, kann sich der Aufwärtstrend der Aktie fortsetzen.

Typische Trendbestätigungsformationen sind (mit freundlicher Genehmigung von Thomas Drabek, Studentisches Börsenforum Würzburg e.V.):

Das Dreieck

Dreiecke entstehen durch eine Folge von Gipfeln und Tälern,

deren Schwankungsbreite ständig abnimmt.

Der Wimpel

Wimpel entstehen durch konvergierende Trendlinien von Gipfeln

und Tälern. Voraussetzung für die Entstehung ist ein starker Umsatzrückgang.

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186 Aktienanalyse Die Flagge

Flaggen können sich, wie auch Wimpel, bei starken Umsatz-rückgängen ausbilden. Die Trendlinien von Gipfeln und Tälern verlaufen dabei parallel.

Trendumkehrformationen:

Um im Spekulationsgeschäft erfolgreich agieren zu können sind Formationen, welche auf eine Trendwende deuten lassen, möglicherweise noch bedeutender wie die soeben gezeigten Konsolidierungsformationen. Allerdings besteht die eigentliche Schwierigkeit darin, die Trendumkehrformation rechtzeitig zu erkennen. Ist das Formationsbild bereits deutlich erkennbar, so ist die Trendwende wahrscheinlich bereits eingetreten und damit der bestmögliche Ein- bzw. Ausstiegszeitpunkt bereits verpasst. Versucht man andererseits, die Trendumkehrformationen sehr frühzeitig festzustellen, so unterliegt man auf Grund der Mehrdeutigkeit der sich gerade erst entwicklenden Formation schnell einer Fehleinschätzung der Kurssituation.

Typische Umkehrformationen sind:

Die Kopf-Schulter-Formation

Kopf-Schulter-Gipfelformation

Bei der Kopf-Schulter-Gifpelformation wird im Aufwärtstrend ein Gipfel (C) von 2 tiefer liegenden Gifpeln (A und E) flankiert, wobei der Anstieg von A auf C mit Umsatzrückgängen verbunden ist. Durchbricht der Kurs bei seinem Abstieg nach Erreichen von E die sogenannte Nackenlinie, so liegt ein Trend-umkehrsignal vor. Analog dazu lässt sich im Abwärtstrend bei einer Kopf-Schulter-Bodenforma-tion ein Trendumkehrsignal erkennen.

Kopf-Schulter-Bodenformation

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Aktienanalyse 187

Die W-Formation

Die W-Formation entsteht durch zwei Kurstiefs, die von einem Hoch unterbrochen sind. Durchbricht der Kurs die Widerstandsline in Höhe des Zwischenhochs, so gilt das als Kaufsignal. Analog bildet sich bei zwei Kursgipfeln, die von einem Kurstief unterbrochen sind, eine M-Formation, welche beim Durchbrechen der

Unterstützungslinie auf Höhe des Kurstiefs ein Verkaufssignal auslöst.

In beiden Fällen müssen die Kauf- bzw. Verkaufsignale durch die Betrachtung der Umsatzentwicklungen abgesichert werden.

Die Untertassen-Formation

Die Untertassenformation entwickelt sich eher langsam mit mäßigen Kursrückgängen und langsam steigt dann das Kauf-interesse wieder. Genauso gibt es eine umgekehrte Untertassenformation.

Gerade was Charttechnik betrifft gibt es eine große Anzahl an selbsternannten Börsengurus, die den „tod-sicheren Anlagetipp“ haben und ihn aus reiner Nächstenliebe allen Interessentinnen und Interessenten mit-teilen wollen. Es bleibt nur die Frage, warum diese Profis dann nicht schon lange selbst zu den Topverdie-nern gehören ☺?

6.23 Beschaffe dir aus ernst zu nehmender Literatur (sei insbesondere bei Internetrecherchen auf Serio-sität bedacht!) Informationen zu weiteren Trendumkehr- und Trendbestätigungsformationen. Vielleicht findest du auch Beispiele für Kursverläufe, anhand derer man die bereits gezeigten und deine neuen Formationen erkennen kann.

6.24 Such dir auf der Homepage der Wiener Börse einen beliebigen Chart aus, der deiner Ansicht nach eindeutige Trendumkehr- bzw. Trendbestätigungsformationen enthält. Speichere diese Charts ab bzw. bringe sie zu Papier und tausche sie mit deinen Klassenkolleginnen und Klassenkollegen aus. Diese sollen dann in Kleingruppen versuchen, den Aktienverlauf zu analysieren, Trends und zuge-hörige Formationen erkennen und dann eine Empfehlung zur weiteren Vorgehensweise für die Aktionäre begründen. Überprüfe anschließend deine eigenen Überlegungen mit denen der Gruppe. Herrscht Übereinstimmung?

Vielleicht hast du bei deiner Suche nach Trendformationen (aber auch bei einigen Grafiken auf den vorigen Seiten) bereits gemerkt, dass sehr häufig in den Charts auch die Umsatzkurven der Aktie eingezeichnet sind. Wie du dir sicher vorstellen kannst geschieht das nicht zufällig. Das Umsatzvolumen (d. h. die Anzahl an Aktien, die innerhalb einer bestimmten Zeitspanne – meist eines Börsentages – den Besitzer gewechselt haben) gibt zusammen mit Trendlinien und Trendformationen näheren Aufschluss über die „Stärke“ der Formation, d. h. über den auf der Aktie liegenden Kauf- bzw. Verkaufdruck.

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188 Aktienanalyse

Für den Zusammenhang zwischen Trend und Umsatz geben Analystinnen und Analysten oft den Leitsatz „Volume goes with the Trend“ aus. Hohe Umsätze deuten darauf hin, dass das Verhalten vieler (oder wichtiger) Investoren den derzeitigen Trend herbeigeführt haben; es ist also damit zu rechnen, dass sich der Trend fortsetzt. Allgemein sollte man sich bei Verwendung der Chartanalyse jedoch immer vor Augen halten, dass es keine Garantie für den Erfolg der Analyse gibt. Martin Herndlbauer schreibt dazu im Skript „Fundamentale und technische Aktienanalyse“ der Sparkassenakademie:

„Die Charttechnik und deren Anwendung in der Aktienanalyse ist in den letzten 10 Jahren auch in Europa zu unglaublicher Popularität gelangt. Aufgrund der fehlenden wissenschaftlichen Fundierung war diese Methode jedoch von Beginn an heftiger Kritik ausgesetzt. Gleichzeitig wurde die „Lehre" von den Chartisten als das Allheilmittel schlechthin bewertet.

Grundsätzlich ist hierzu anzumerken, dass das Lesen von Charts weder überbewertet, noch unterschätzt werden sollte. Erstaunlicherweise funktionieren Unterstützungslinien tatsächlich häufig, ebenso wie sich immer wieder Trends beobachten lassen.

Formationen erscheinen zwar dubios, sind aber dennoch des öfteren zu beobachten. Sie sollten aufgrund des hohen Grades an Subjektivität der Bewertung jedoch eine untergeordnete Bedeutung im Anlagepro-zess haben. (Jeder sieht das, was er sehen will.)

Es ist daher empfehlenswert die Analyse von Kursverläufen in die Entscheidungsfindung mit einzubeziehen, als einen weiteren Indikator der Informationen liefert und auf Risken aufmerksam macht.“

6.3 Technische Indikatoren

Im Gegensatz zur Chartanalyse, die sich auf Beobachtungen und Interpretationen der Kursentwicklung von Aktien stützt und damit von manchen als „Schattendeuterei“ bezeichnet wird, beziehen sich die techni-schen Indikatoren auf vordefinierte mathematische bzw. statistische Berechnungen und sind somit objektiv nachvollziehbar.

Die Tatsache, dass Indikatoren für alle Analystinnen und Analysten dieselben Ergebnisse (wenn auch nicht unbedingt dieselben Interpretationen) liefern, darf jedoch nicht missverstanden werden: Auch technische Indikatoren liefern Fehlsignale und sind damit auch nicht die alleinige optimale Entscheidungsgrundlage für Aktiengeschäfte. Der Vorteil liegt aber darin, dass – im Gegensatz zur Chartanalyse – unterschiedliche Analystinnen und Analysten dieselben Signale aus den Indikatoren erhalten.

Unter den technischen Indikatoren unterscheidet man grundsätzlich zwei Arten: Trendfolge-Indikatoren und Oszillatoren.

Während die Trendfolge-Indikatoren darauf abzielen, einen vorherrschenden Trend anzuzeigen, sollen Oszillatoren feststellen, ob eine Aktie „heiss“ ist, d. h. ob der Aktienmarkt überkauft bzw. überverkauft ist.

6.3.1 Trendfolge-Indikatoren (Trendfolger)

Wie bereits erwähnt sollen diese Indikatoren Trendrichtungen anzeigen und diesen Trends folgen. Dadurch ist allerdings auch schon klar, dass diese Indikatoren erst dann wirksam werden können, wenn sich bereits ein Trend entwickelt hat. Sie laufen damit dem Trend immer hinterher und bilden sich mit etwas Verzöge-rung aus.

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Aktienanalyse 189

Aus diesem Grund eignen sich Trendfolge-Indikatoren weniger dazu, optimale Ein- und Ausstiegszeit-punkte zu erkennen sondern eher dazu, Trends nicht zu verpassen oder zu früh aus einem Trend auszu-steigen. In Phasen ohne Trend (trendlose Zeit, Seitwärtsbewegung) liefern Trendfolger häufig Fehlsignale.

Über das Verfahren zur Bestimmung von Trendfolge-Indikatoren, die gleitenden Druchschnitte (Moving Averages, MAs), hast du bereits im Buch für den 2. Jahrgang einiges erfahren.

Nimm das Buch des 2. Jahrgangs zur Hand und arbeite das Kapitel 12.2.4 (gleitender Durchschnitt) nochmals durch. Fasse die Idee und ein Beispiel dazu auf einem einseitigen Handout zusammen.

MAs zeichnen sich durch die Fähigkeit aus, schwankende Zeitreihen zu glätten und dadurch Veränderun-gen besser sichtbar zu machen. Durch die fortschreitende Berechnung von Mittelwerten ist der gleitende Durchschnitt (GD) trendfolgend (man spricht auch von einem nachlaufendem gleitenden Durchschnitt). Der MA gilt als „Mutter“ aller Trendfolge-Indikatoren und wird in der technischen Analyse am häufigsten verwendet.

Bei der Untersuchung der Aktienentwicklung mittels gleitender Durchschnitte unterscheidet man meist zwischen kurzfristigen (bis ca. 50 Tage), mittelfristigen (bis ca. 100 Tage) und langfristigen (über 100 Tage) Beobachtungszeiträumen. Praktisch werden meist MAs mit 38, 100 (manchmal 90) und 200 Tagen zur Analyse herangezogen.

Zum Einsatz kommen verschiedene Berechnungarten für den GD. Man unterscheidet die Methoden simple (einfach), weighted (gewichtet) und exponential (exponentiell):

Einfacher gleitender Durchschnitt (simple moving average)

Dabei werden ausschließlich die arithemetischen Mittel der letzten Schlusskurse gebildet und im Chart eingetragen.

Für einen einfachen gleitdenden Durchschnitt (sMA) der Länge n zum Zeitpunkt t bedeutet das somit

.

1

0

n

t ii

t

C

sMAn

−==∑

, wobei Cx für den Aktienkurs vor

x Tagen (oder Wochen usw.) steht.

6.25 Beachte, dass diese Definition des GD etwas von der im Band 2 beschriebenen Darstellung abweicht. Erkennst du den Unterschied in den Voraussetzungen zu der damaligen Aufgabenstellung?

Gleitender Durchschnitt der letzten 100 Tage

6.26 Unter SchulbuchPlus findest du die Wochenschlusskurse einiger Aktien des ATX. Berechne jeweils

den GD der letzten 10 Tage und stelle diesen grafisch dar. Hinweise: Beachte, dass bei den 10 Tagen Handelstage und nicht Werktage gemeint sind. Wenn du keine Möglichkeit hast,

die Kurse auf SchulbuchPlus herunter zu laden, so findest du die notwendigen Kurse im Anhang dieses Kapitels.

6.27 Besuch die Seite der Wiener Börse im Internet und stelle dort zu den in Aufgabe 6.26 selbst berech-neten GDs passende MAs dar. Passen die grafischen Darstellungen zusammen? Wenn nicht, gibt es dafür eine plausible Erklärung?

Gewichteter gleitender Durchschnitt (weighted moving average)

Beim einfachen GD gehen alle Aktienkurse gleichermaßen in die Berechnung ein, d. h. sehr alte Kurse haben dasselbe Gewicht wie jüngere Kurse. Unter der Annahme, dass jüngere Kurse höheren Einfluss auf den weiteren Kursverlauf haben als ältere multipliziert man beim gewichteten gleitenden Durchschnitt (wMA) jeden einzelnen Kurs mit einem Gewichtungsfaktor und berechnet anschließend das (gewichtete)

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190 Aktienanalyse

arithmetische Mittel: .

1

10

1

·n

i t ii

t n

ii

w C

wMAw

+ −=

=

=∑

∑ mit wx Gewichtungsfaktor des x. Kurses (vom jüngsten Kurs

weg gerechnet).

Im allgemeinen gewichtet man die Kursverläufe linear, wobei man den aktuellsten Kurs n-mal höher ge-wichtet wie den ältesten Kurs, der in den wMA einfließt.

6.28 Erkläre, warum der einfache gleitende Durchschnitt eigentlich nur einen Sonderfall des gewichteten gleitenden Durchschnitts darstellt.

6.29 Überleg dir, wie die obige Formel für einen linear gewichteten GD aussehen könnte, wenn 10 Tage als Durchrechnungszeitraum gewählt werden.

6.30 Setze deine Überlegungen aus 6.29 anhand der Kursdaten von Aufgabe 6.26 (SchulbuchPlus oder Kapitelanhang) um. Versuche zuerst den wMA der letzten 10 Tage zu berechnen und stelle dann den wMA dem entsprechenden sMA (auch grafisch) gegenüber.

Exponentieller gleitender Durchschnitt (exponential moving average)

Erscheint der exponentielle gleitende Durchschnitt auf den ersten Blick als Abwandlung des soeben gewichteten gleitenden Durchschnitts, so steckt doch ein etwas anderes Konzept hinter diesem Begriff. Gemeinsam haben beide Indikatoren die stärkere Gewichtung der jüngeren Aktienkurse. Der Unterschied liegt aber in der Berücksichtigung historischer Kurse: Während der gewichtete GD nur einen Zeithorizont von n Tagen (oder Wochen, …) abdeckt, beinhaltet der exponentielle GD (eMA) die komplette historische Entwicklung des Aktienkurses.

Diese Aussage sieht auf den ersten Blick etwas widersprüchlich aus, gibt man doch beim exponen-tiellen gleitenden Durchschnitt ebenfalls einen Zeithorizont (hier oft Periodenlänge genannt) an.

100-Tage-eMA der Flughafen Wien-Aktie

Die Formel zur Berechnung des exponentiellen gleitenden Durchschnitts soll Licht in die Sache bringen:

0( ) · (1 ) · ( 1).eMA t C eMA t= + − −~ ~ eMA(t) stellt dabei den exponentiellen gleitenden Durchschnitt nach t Tagen (Wochen, …) dar mit C0 als aktuellem Aktienkurs und ~ als Gewichtungsfaktor.

Als Gewichtungsfaktor hat sich zumeist 21n

=+

~ eingebürgert und hier sieht man auch direkt die

Bedeutung des angegebenen Zeithorizonts: er dient lediglich als Angabe für den Gewichtungsfaktor der einzelnen Aktienkurse. Beim 10-Tage-eMA wird der aktuelle Kurs beispielsweise mit 18,18 % gewichtet,

beim 5-Tage-eMA mit 133 %.3

Möchte man umgekehrt den aktuellen Kurs mit 10 % (d. h. ~== 0,1)

gewichten, so wählt man einen 19-Tage-eMA.

Die Angabe der Periodenlänge n hat also – im Gegensatz zu den anderen gleitenden Durchschnitten – nichts mit der Anzahl an Tagen zu tun, die in die Berechnung des Durchschnitts einfließen.

Die Berechnung des eMA beginnt erst n Tage nach Beginn der Kursaufzeichnungen. Als Startwert eMA(n) für die weiteren Berechnungen verwendet man zumeist den einfachen gleitenden Durchschnitt der ersten n Aufzeichnungen.

6.31 Die Formel für den exponentiellen gleitenden Durchschnitt ist rekursiv angegeben. Informiere dich im 1. Band von Mathe mit Gewinn nochmals über rekursive Darstellungen und fasse die wesentlichen Punkte in einem Handout zusammen.

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Aktienanalyse 191

6.32 Versuch eine explizite Darstellung für den eMA(t) anzugeben. Hinweis: Vielleicht hilft es dir wenn du einen Vergleich zum gewichteten gleitenden Durchschnitt anstellst, der im Gegensatz

zum eMA zwar nur einen bestimmten zeitlichen Kursbereich der Aktie abdeckt aber an und für sich nach einem ähnlichen

Prinzip arbeitet wie der eMA.

6.33 Versuch die rekursive Darstellung mit deinem Rechenwerkzeug umzusetzen und wende diese dann auf die Aktienkurse aus SchulbuchPlus (oder dem Kapitelanhang) an (10-Tage-eMA).

6.3.2 Oszillatoren

Während die Trendfolger die Richtung eines Kurses begleiten sollen, sollen Oszillatoren die Geschwindigkeit und Stärke der Kursbewegungen analysieren. Die Idee hinter den Oszillatoren ist die Annahme, dass Kurs-bewegungen meist zwischen einer oberen und unteren Grenze schwingen. Durchbricht ein Oszillator diese Grenzen, so deutet das auf einen überkauften bzw. überverkauften Markt hin.

Oszillatoren eigenen sich hauptsächlich bei trendlosen Marktsituationen und sollen überkaufte bzw. über-verkaufte Marktlagen signalisieren. In Zeiten mit deutlichen Trendentwicklungen liefern Oszillatoren jedoch oft falsche Signale und sollten daher nicht eingesetzt werden.

Das Momentum (MOM)

Einer der am häufigsten verwendeten technischen Indikatoren, der von vielen Analystinnen und Analysten als der „Vater“ aller Oszillatoren angesehen wird, ist das Momentum.

Es misst die Stärke und Geschwindigkeit einer Kursbewegung und wird zur Prognose von Trendwechseln eingesetzt. Berechnet wird das Momentum auf sehr einfache Weise: Man zieht vom aktuellen Aktienkurs den Kurs vor n Tagen ab, also MOM = C0 – Cn (z. B. bedeutet 5-Tage-Momentum Kursheute – Kursvor 5 Tagen bzw. MOM = C0 – C5).

Für das Momentum macht es auch Sinn, den Trendverlauf zu analysieren. Es gilt als sogenannter Vorlaufindikator, d. h. es erreicht einen Höchstwert bevor ein Aufwärtstrend seinen Höhepunkt erreicht bzw. einen Tiefstwert, bevor ein Abwärtstrend sein Tief erreicht.

Kursverlauf einer Aktie mit 90-Tage-Momentum

Auch das Durchstoßen der Nulllinie wird als Signal gewertet: durchbricht das MOM die Linie von unten, dann stellt dies ein Kaufsignal dar, im anderen Fall ein Verkaufsignal.

Anmerkung: Um aber nicht sofort auf jede kleinste Bewegung des MOM zu reagieren werden normalerweise sogenannte Filter an das

Momentum angelegt. Dabei wird ein (symmetrischer) Bereich um die Nulllinie festgelegt, der gleichsam als Stillhaltezone dient. Erst

wenn das MOM diesen Bereich durchbricht wird tatsächlich ein Handelssignal gesehen.

6.34 Berechne das 7-Tage-Momentum für die in SchulbuchPlus (oder die am Kapitelende) angegebenen Aktien (siehe Aufgabe 6.26)

Der Relative Stärke Index (relative strength index, RSI)

Er stellt eine Weiterentwicklung des Momentums dar und misst die innere Stärke einer Aktie. Seine Berech-nungsmethode liefert Ergebnisse, die um den Wert 50 oszillieren und immer im Bereich von 0 bis 100 lie-gen. Dadurch macht der RSI verschiedene Aktien untereinander vergleichbar. Seine Stärke liegt insbeson-dere im Erkennen von Übertreibungsphasen (sowohl kurz-, mittel- als auch langfristig). Da auch der RSI ein Vorlaufindikator ist, kann auch er für Handelssignale genutzt werden.

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192 Aktienanalyse Der RSI wurde 1978 von Welles Wilder vorgestellt, damals ausschließlich mit einem Betrachtungszeitraum von 14 Tagen, heute werden teilweise auch 5-, 9- und 11-Tage RSIs eingesetzt.

Der RSI stellt die Aufwärtsbewegungen einer Aktie in einem vorgegebenen Zeitraum den Abwärtsbewegungen gegenüber. Berechnet wird der RSI nach folgender Formel:

1· 100

1 1

up

up

up down

up down

Cn

RSIC C

n n

Δ−

=Δ Δ

+− −

∑ ∑

Aktienchart mit 14-Tage-RSI und eingezeichneten Signallinien

aCup, aCdown … Kursdifferenz der Aktienkurse (Absolutbeträge!), wenn im Beobachtungszeitraum der Kurs

gegenüber dem Vortag höher bzw. niedriger ist.

nup, ndown … Anzahl der Kurse, die im Beobachtungszeitraum gegenüber dem Vortag höher bzw. niedriger sind.

Eine andere Formel für die Berechnung des RSI lautet:

Summe der Schlusskursdifferenzen mit Aufwärtstrend1Anzahl der Aufwärtsbewegungen – 1100100 mit =

Summe der Schlusskursdifferenzen mit Abwärtstrend1Anzahl der Abwärtsbewegungen – 1

up

up

down

Cn

RSI RSRS C

Δ−

= − =+ Δ

∑·

1downn −∑

Anmerkung: manche Berechnungsmethoden verwenden andere Verfahren zur Bestimmung des RSI: So wird beispielsweise auch der

gleitende Durchschnitt oder der exponentielle gleitende Durchschnitt statt des korrigierten gleitenden Durchschnitts in der Formel

verwendet. Wilder selbst setzte einen modifizieren exponentiellen gleitenden Durchschnitt ein.

6.35 Zeige, dass beide Formeln äquivalent sind.

6.36 Erkläre, woher die Aussage kommt, dass der RSI um den Wert 50 pendelt und wieso seine Ergeb-nisse immer im Bereich von 0 bis 100 liegen.

6.37 Wie bereits erwähnt lokalisiert der RSI überhitzte Marktsituationen. Suche in geeigneter Literatur nach Richtwerten, die diese Überhitzung anzeigen sollen. Schreib die Ergebnisse und die Schlussfol-gerungen für die Investoren in einem kurzen Bericht zusammen.

6.38 Der RSI darf nicht mit dem Begriff der „relativen Stärke“ verwechselt werden. Besorge dir Informa-tionen zur „relativen Stärke“ von Aktien und fasse die Berechnungsmethoden, die Idee und das Einsatzgebiet dieser Kennzahl zusammen.

6.3.3 Das Moving Average Convergence/Divergence System (MACD) – ein trendfolgender Oszillator

Das MACD wurde Ende der 70er Jahre von Gerald Appel entwickelt und stellt einen Indikator dar, der so-wohl trendfolgend als auch oszillierend ist. D. h. es kann sowohl zur Analyse der Trendrichtung als auch der Trendstärke eingesetzt werden und erfreut sich daher großer Beliebtheit.

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Aktienanalyse 193

Das MACD setzt sich aus der eigentlichen MACD-Linie und einer Triggerlinie (Signallinie) zusammen.

Die MACD-Linie besteht aus der Differenz zweier unterschiedlich langer exponentieller gleitender Durchschnitte. Meist wird ein 12-Tage-eMA und ein 26-Tage-eMA verwendet, d. h. MACD(t)=12-Tage-eMA(t) – 26-Tage-eMA(t). Durch die Verwendung zweier Trendfolge-Indikatoren ist auch die Differenz – und damit das MACD – trendfolgend. Andererseits schwankt das MACD auch um die Nulllinie und hat damit auch die Eigenschaften eines Oszillators.

Chart mit MACD- und Triggerlinie Untersucht wird beim MACD die Lage der beiden Linien (12-Tage-eMA und 26-Tage-eMA) zueinander. Laufen die Linien aufeinander zu (Konvergenz), so wird dieses Verhalten als Abschwächung des bestehen-den Trends angesehen. Entfernen sich die Linien voneinander (Divergenz), so sollte sich eine Intensivierung des Trends einstellen.

6.39 Im MACD-Diagramm wird nur die Differenzlinie der beiden zur Berechnung herangezogenen eMAs angezeigt. Wie lässt sich in diesem Diagramm Konvergenz bzw. Divergenz feststellen?

Um die Eigenschaft des MACD als Oszillator zur Prognose von Trendwenden einzusetzen, bestimmt Appel zusätzlich zur MACD-Linie noch einen 9-Tage-eMA des MACD selbst. Dieser dient als Triggerlinie für Kauf- oder Verkaufsignale (entsprechend der Nulllinie bei den zuvor beschriebenen Oszillatoren).

6.40 Überleg in Analogie zu den Signalen bei den Oszillatoren, wie die Signale aussehen, die von der MACD-Linie beim Durchbruch durch die Triggerlinie gesetzt werden.

6.41 Zeichne im untenstehenden MACD-Diagramm die Signalzonen ein und erkläre ihre Bedeutung.

MACD-Linie (grau) und Triggerlinie (schwarz) einer Aktie

6.4 Risikomaße für Aktien

Im Aktienkurs bzw. im Kursverlauf sind schon wesentliche Informationen über das Kursrisiko der Aktie enthalten. Die wesentlichsten Risikomaße für Aktien hast du bereits in den früheren Kapiteln kennen-gelernt. Wir wollen abschließend nochmals deren Bedeutung für die Aktienanalyse näher beleuchten. Grundlage aller Berechnungen ist im weiteren immer die Rendite der Aktie. Über sie werden die Risikokennzahlen der Aktie ermittelt.

Der Begriff Risiko ist in diesem Zusammenhang auch immer mit dem Begriff Chance verbunden. Risiko ist hier sowohl im negativen als auch im positiven Sinn zu sehen.

Grundlage der Risikoüberlegungen ist jedoch die nicht belegbare Annahme, dass sich die zukünftigen Aktienkurse ähnlich verhalten werden wie die historischen Kurse.

6.4.1 Volatilität

Die Volatilität, also die Standardabweichung der Rendite, gilt als Maß für das Gesamtrisiko der Aktie. Sie beschreibt die Streuung der Renditen um deren Mittelwert. Niedrige Volatilität bedeutet niedriges Anlage-risiko (aber meist auch geringes Entwicklungspotential). Hinweis: Das arithmetische Mittel der Rendite, der sogenannte Drift der Aktie, stellt im Vegleich dazu ein Maß für den Kurstrend dar.

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194 Aktienanalyse In der Volatilität sind alle systemischen (durch Marktveränderungen eintretende) wie auch alle unsystemi-schen (unternehmensbezogene) Risiken berücksichtigt.

In Aufgabe 3.21 hast du bereits die Volatilität von Aktien des ATX berechnet und interpretiert.

6.4.2 Betafaktor

Der Betafaktor stellt den Zusammenhang zwischen dem Renditenverlauf einer Aktie und dem Renditen-verlauf eines den Gesamtmarkt repräsentierenden Referenzindex (z. B. ATX, DAX, …) dar. Als Anstieg der Regressionsgeraden (Regressionskoeffizient) misst er damit den Einfluss, den der Gesamtmarkt auf den Kursverlauf einer bestimmten Aktie hat (systemisches Risiko). Der Betafaktor ist ein Maß dafür, wie stark sich die Aktienrendite ändert, wenn sich der Referenzindex um 1 % ändert. Bei einem Betafaktor kleiner 1 verändert sich der Aktienkurs in einem geringeren Prozentsatz als der Index.

Somit ist der Betafaktor, wie du ihn bereits in Aufgabe 3.19 bestimmt hast, auch ein Maß für die Anfällig-keit des einzelnen Aktienkurses gegenüber Marktveränderungen. Bei einem Betafaktor größer 1 reagiert die Aktie sehr sensibel auf Marktänderungen.

6.4.3 Korrelation

Mittels Korrelation soll die Qualität des Betafaktors (und damit des linearen Zusammenhangs von Referenz-index und Aktie) bewertet werden. Damit lässt sich sowohl das systemische als auch das unternehmens-bezogene (unsystemische) Risiko der Aktie quantitativ beschreiben.

Der Korrelationskoeffizient r gibt den Zusammenhang zwischen Referenzindex und Aktie an. Als Maß für die Güte wird jedoch nicht der Korrelationskoeffizient r selbst, sondern das Bestimmheitsmaß r2 heran-gezogen. Wie bereits in Kapitel 3.2.3 beschrieben gibt das Bestimmtheitsmaß Auskunft darüber, welcher Anteil der Gesamtstreuung durch das (lineare) Regressionsmodell erklärt werden kann. In den im besagten Kapitel berechneten Beispielen und Aufgaben war der ATX als marktrepräsentativer Index den einzelnen Aktienkursen gegenübergestellt. Somit gibt r2 den Anteil des systemischen Risikos am Gesamtrisiko einer Aktie an, der Rest 1 – r2 beschreibt das unsystemische Risiko, welches vom Unternehmen selbst ausgeht.

6.5 Manöverkritik, Random-Walk-Theorie

Zusätzlich zu den hier dargestellten Methoden der technischen Aktienanalyse gibt es noch eine Vielzahl an weiteren Möglichkeiten, um Charts zu interpretieren. So gibt es im Bereich der technischen Indikatoren beispielsweise auch noch trendvorlaufende Indikatoren, Umsatzindikatoren usw., welche alle ihre eigenen Signale liefern. Auf dem Gebiet der Chartanalyse gibt es abgesehen von den vorgestellten Grundformatio-nen noch ein Vielzahl anderer Muster und selbst bei den besprochenen Formationen lassen sich weitere Unterteilungen bzw. Sonderfälle beschreiben, die eine differenziertere Analyse der Charts ermöglichen.

Abgesehen von der bereits früher erwähnten fehlenden empirischen Grundlage der technischen Aktien-analyse (insbesondere der Charttechnik) ist weiters zu beachten, dass sich alle zuvor angestellten Überle-gungen natürlich nur unter günstigen Rahmenbedingungen anwenden lassen.

Der Versuch, Kursverläufe von Aktien zu prognostizieren, lässt sich nur dann sinnvoll durchführen, wenn das Kursverhalten grundsätzlich vom allgemeinen Börsengeschehen beherrscht wird und nicht von unter-nehmensabhängigen Meldungen. Das Auftreten kursrelevanter Meldungen über das Aktienunternehmen lässt alle durchgeführten Überlegungen gegenstandslos werden, genauso wie übermäßige Euphorie oder Panik nicht mit Hilfe der vorliegenden Methoden bewertet werden können.

Abgesehen von diesen Einschränkungen vertreten einige Wirtschaftswissenschafter und Mathematiker die Ansicht, dass kurz- und mittelfristige Kursprognosen ohnehin nicht durchführbar sind. Sie argumentieren, dass die Aktienkurse der Gesamtinformation über das Unternehmen und allen Rahmenbedingungen ange-passt sind. Neue Informationen führen zu einer sofortigen Kursanpassung der Aktien.

Da jedoch nicht vorhersehbar ist, wann solche kursrelevanten Informationen eintreten und ob diese posi-tive oder negative Auswirkungen auf den Aktienkurs haben werden, bewegen sich die Aktienkurse rein

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Aktienanalyse 195

zufällig aufwärts oder abwärts. Mithilfe von Methoden aus der Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung wird daher versucht, zumindest kurz- und mittelfristige Aussagen über wahrscheinliche Kursentwicklungen zu treffen. Diesen Ansatz nennt man Random-Walk-Theorie. In Kapitel 3 hast du bereits eine – wenn auch etwas vereinfachte – Umsetzung dieses Ansatzes zur Bestimmung von wahrscheinlichen Aktienkursen kennengelernt.

6.6 Do´s und Dont´s des Aktienhandels

Obwohl oder gerade weil es kein allgemein gültiges Erfolgsrezept im Umgang mit Aktien gibt, haben sich einige grundlegende Richtlinien für Investoren in den meisten Fällen bewährt:

Do´s

Handle nach Plan • Bevor du mit Aktien handelst, setze dir realistische Ziele. • Bestimme einen Zeitrahmen für deine Spekulationen. • Überleg dir alle möglichen Szenarien und definiere deine Reaktionen darauf. • Lege fest, was zu tun ist, wenn der Markt gegen dich läuft. • Überleg dir vor einer Transaktion, welchen Betrag du bereit bist maximal zu verlieren. • Definiere ebenso Zeitpunkte, zu denen du Gewinne mitnehmen willst. Halte deine Gier dabei in

Grenzen. • Definiere eindeutige Stopp-Kurse und halte dich daran.

Wähle deine Aktien sorgfältig aus (hierbei hilft die Fundamentalanalyse).

Beobachte sorgfältig den Chart (dabei unterstützt dich die technische Analyse).

Streue dein Risiko: systemisches Risiko lässt sich durch geschickte Wertpapierkombination reduzieren.

Dont´s

Halte im Verlust nicht ewig an Aktien fest: Setze rechtzeitig Stoppmarken ein und trenne dich von verlust-reichen Aktien um mit den profitablen Wertpapieren weiter zu arbeiten.

Reagiere nicht auf „heiße Tipps“: Überprüfe solche Ratschläge genau, oft verbirgt sich dahinter heiße Luft oder enormes Risiko.

Warte nicht auf den maximalen Gewinn: wer beim Gewinnhöhepunkt dabei ist, verpasst leicht die Trend-wende und verliert bereits erzielte Gewinne. Setze rechtzeitig Stopps.

Hüte dich vor selektiver Wahrnehmung: Manchmal sieht man in Kursentwicklungen nur jene Dinge, die man sehen will – mehrere Meinungen sind da oft hilfreich.

Lass dich nicht von Emotionen leiten: Gier und Panik sind schlechte Ratgeber; überleg dir daher rechtzeitig Handlungsstrategien für Extremsituationen.

Vergiss nicht, dass hinter jedem Potential auch ein Risiko steckt: hohes Potential geht meist mit hohem Risiko einher. Denk daher rechtzeitig darüber nach, ob du bereit bist, das eingesetzte Kapital hochriskant einzusetzen und eventuell zu verlieren.

6.7 Zusammenfassung

Im Gegensatz zur Fundamentalanalyse, die versucht Aktienkurse aufgrund unternehmens-spezifischer Kennzahlen zu ermitteln, verfolgt die techische Aktienanalyse den Ansatz, dass sich Aktienkurse grundsätzlich in Trends bewegen. Das Ziel der technischen Analyse ist es, diese Trends aufzuspüren, ihre Stärke zu messen und gegebenenfalls Signale zur Trendumkehr zu erkennen.

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196 Aktienanalyse

Im Wesentlichen bedient sich die technische Aktienanalyse der Methoden der Chartanalyse und der technischen Indikatoren.

Der Chart ist eine grafische Darstellung des Verlaufs der Aktienkurse und wird zumeist als Linienchart (line chart), Balkenchart (bar chart) oder Kerzenchart (candlestick chart) angezeigt.

Die Chartanalyse sucht nun innerhalb des Charts nach Trendlinien bzw. Trendkanälen, welche die Richtung des Kursverlaufs anzeigen sollen, sowie nach Widerstands- und Unterstützungslinien, die markante historische Höchst- und Tiefststände repräsentieren.

In weiterer Folge werden in den Charts Muster und Formationen gesucht, welche den derzei-tigen Trend bestätigen sollen (trendbestätigende Formationen wie z. B. Dreieck, Wimpel oder Flagge) oder auf einen Trendwechsel hindeuten sollen (Trendumkehrformationen wie z. B. Schul-ter-Kopf-, W- oder Untertassenformation). Im Kerzenchart sind zusätzlich verschiedene Muster als Trendsignale enthalten, die sich direkt ablesen lassen.

Die vorgestellten technischen Indikatoren unterteilen sich in Trendfolger und Oszillatoren. Wäh-rend die Trendfolge-Indikatoren die Richtung eines Kurses anzeigen und den Trend begleiten sollen, haben die Oszillatoren die Aufgabe die Stärke und Geschwindigkeit der Kursschwankungen zu messen.

Beispiele für Trendfolge-Indikatoren sind gleitende Durchschnitte (moving averages), für Oszilla-toren das Momentum oder der relative Stärke Index (relative strength index).

Das häufig eingesetzte MACD (moving average convergence/divergence system) ist eine Kombi-nation aus Trendfolger und Oszillator.

Zusätzlich kann man anhand des Kursverlaufes auch noch das Risiko bzw. die in einer Aktie ent-haltene Chance bewerten. Dazu eignen sich die bereits in früheren Kapiteln eingeführten statis-tischen Kennzahlen der Volatilität (als Maß für das Gesamtrisiko) sowie Beta-Faktor und das Be-stimmheitsmaß (als Kenngrößen für das systemische und unsystemische Risiko der Aktie).

Wir haben in diesem Kapitel ausschließlich einzelne Aktien analysiert. Abgesehen davon besteht häufig auch Interesse an einer risikoarmen Mischung aus verschiedenen Wertpapieren (Anleihen, Aktien, Op-tionsscheinen usw.), welche dennoch Gewinnpotential aufweist. Diese Papiere werden in einem soge-nannten Portfolio zusammengefasst.

Die mathematischen Methoden, die eingesetzt werden müssen, um ein risikoarmes Portfolio zu generieren, sind dir grundsätzlich bereits weitestgehend geläufig. Da im Lehrplan allerdings ausdrücklich die Aktien-analyse angeführt ist wurde im vorliegenden Kapitel nicht weiter auf das allgemeine Wertpapiermanage-ment eingegangen. Interessenten finden Hinweise dazu aber auf SchulbuchPlus.

Eine gute Aktienanalyse ist jedoch ohnehin die Voraussetzung für ein qualitativ hochwertiges Portfolio.

6.8 Weitere Aufgaben

6.42 Fasse nochmals in einer Präsentation die Vor- und Nachteile der Fundamentalanalyse und der technischen Analyse zusammen. Gehe dabei auf die unterschiedlichen Ansichten und Voraus-setzungen ein, die von den Vertretern der beiden Analysemethoden verwendet werden.

6.43 Abgesehen von den bisher vorgestellten Indikatoren gibt es natürlich noch eine große Anzahl wie-terer Kenngrößen, mit deren Hilfe sich Aktien bewerten lassen. Begib dich auf die Seite der Wiener Börse (www.wienerboerse.at) und öffne einen interaktiven Chart für eine beliebige Aktie. Wähle zwei beliebige Oszillatoren und zwei Trendfolger aus, die bisher nicht besprochen wurden. Suche dir anschließend Informationen über die Berechnung und die Interpretation dieser Größen. Zeichne die Größen in deinen Chart ein und vergleiche die Signale mit anderen – bereits besprochenen – Indikatoren. Überprüf, ob die verschiedenen Indikatoren gleiche Signale liefern. Überleg dir gege-benenfalls, wann welche Indikatoren sinnvoll sein könnten.

Page 23: Kapitel 06 1 2C DruckENDF - HPTarthur.hpt.at/php/online_links/links/LP_17858.pdfAktien feststellen und mit geeigneten Prognosen mit wenig Aufwand viel Geld verdienen. Offenbar sind

Aktienanalyse 197

Datum AUA OMV Erste Bank Datum AUA OMV Erste Bank Datum AUA OMV Erste Bank

03.07.2006 6,89 47,1 44,95 18.09.2006 6,51 37,86 48 05.12.2006 7,1 41 56,6

04.07.2006 7,21 46,82 44,76 19.09.2006 6,65 38,25 47,25 06.12.2006 7,35 40,76 57,7

05.07.2006 7,32 46,99 44,75 20.09.2006 6,68 37,8 47,6 07.12.2006 7,52 42 57,78

06.07.2006 7,23 48,85 45,58 21.09.2006 6,75 37,2 46,95 11.12.2006 7,6 41,22 57,3

07.07.2006 7,2 48,6 44,53 22.09.2006 6,7 37,59 45,75 12.12.2006 7,75 41,8 57,34

10.07.2006 7,15 47,63 44,4 25.09.2006 6,62 37,25 46,07 13.12.2006 7,71 42,3 57,63

11.07.2006 7,04 46,85 43,65 26.09.2006 6,7 37,89 47,25 14.12.2006 7,68 42,7 58

12.07.2006 7,09 48,2 44,07 27.09.2006 6,87 38,7 49,45 15.12.2006 7,59 43,02 59

13.07.2006 6,94 47,5 43,65 28.09.2006 7 40,4 49,69 18.12.2006 7,63 43,85 58,71

14.07.2006 6,7 46,55 43,16 29.09.2006 7,27 40,86 49,1 19.12.2006 7,6 43,33 58

17.07.2006 6,64 46,5 42,69 02.10.2006 7,22 39,08 48,75 20.12.2006 7,6 43,21 58,89

18.07.2006 6,72 46 42,59 03.10.2006 6,8 38,89 48,41 21.12.2006 7,6 42,68 58,16

19.07.2006 6,74 46,4 43,49 04.10.2006 7,04 38,2 48,9 22.12.2006 7,5 42,78 57,9

20.07.2006 6,77 46,6 43,9 05.10.2006 6,92 39,25 50,05 27.12.2006 7,39 42,59 57,98

21.07.2006 6,61 45 42,61 06.10.2006 6,92 38,09 49,8 28.12.2006 7,34 42,99 58,1

24.07.2006 6,43 46 43,7 09.10.2006 6,85 39,4 50,06 02.01.2007 7,7 43,31 60

25.07.2006 6,38 47 44,3 10.10.2006 6,89 38,8 51,99 03.01.2007 7,7 42,95 60,95

26.07.2006 6,56 48,7 45,2 11.10.2006 6,8 39,45 51,09 04.01.2007 8,15 41,9 60,95

27.07.2006 6,45 48,75 45 12.10.2006 6,87 40,5 51,47 05.01.2007 8,12 40,8 59,09

28.07.2006 6,4 48,78 45,2 13.10.2006 6,97 41,72 52,36 08.01.2007 8,12 40,36 58,7

31.07.2006 6,33 48,02 45,16 16.10.2006 7,21 42,29 52,4 09.01.2007 8,64 40 59,6

01.08.2006 6,45 47,86 45,2 17.10.2006 7,28 41,85 52,4 10.01.2007 8,67 39,1 57,4

02.08.2006 6,4 47,65 45,5 18.10.2006 7,29 42,06 52,75 11.01.2007 8,86 39,25 58,51

03.08.2006 6,32 46,91 44,6 19.10.2006 7,32 41,59 52,55 12.01.2007 9,28 39,2 58,9

04.08.2006 6,22 47,33 45,2 20.10.2006 7,27 42,1 52,98 15.01.2007 9,37 39,38 59

07.08.2006 6,26 46,73 45 23.10.2006 7,38 41,25 53,3 16.01.2007 9,35 39,34 58,45

08.08.2006 6,3 46,1 45,59 24.10.2006 7,7 41,41 54,15 17.01.2007 9,3 39,41 58,21

09.08.2006 6,3 45,7 46,13 25.10.2006 7,56 42,45 55 18.01.2007 9,7 39,83 58,13

10.08.2006 6,29 46,48 45,5 27.10.2006 7,54 41,63 53,88 19.01.2007 9,86 40,35 58,3

11.08.2006 6,28 44,92 45,25 30.10.2006 7,04 41,5 53,8 22.01.2007 9,55 41,11 58,75

14.08.2006 6,28 45,4 45,68 31.10.2006 7,15 42,59 53,35 23.01.2007 9,5 40,9 60,14

16.08.2006 6,25 46,01 46,89 02.11.2006 7,46 43,25 52,47 24.01.2007 9,3 40,68 59,75

17.08.2006 6,39 45,05 46,61 03.11.2006 7,51 43,58 52,92 25.01.2007 9,25 40,8 60,19

18.08.2006 6,63 45,21 46,5 06.11.2006 7,92 43,8 53,5

21.08.2006 6,57 43,49 46,2 07.11.2006 7,98 44 52,39

22.08.2006 6,55 42,8 45,9 08.11.2006 7,99 43,7 53,3

23.08.2006 6,55 41,95 45,78 09.11.2006 8,32 43,95 54

24.08.2006 6,54 42,02 45,56 10.11.2006 8,08 45 54,25

25.08.2006 6,47 43,26 45,86 13.11.2006 8,05 44,96 53,9

28.08.2006 6,39 42,85 45,9 14.11.2006 7,91 44,78 53,9

29.08.2006 6,39 41,25 46,4 15.11.2006 7,78 43 54,6

30.08.2006 6,44 41,5 47,1 16.11.2006 7,91 43,55 54,8

31.08.2006 6,5 41,62 47,2 17.11.2006 7,52 42,01 56

01.09.2006 6,51 41,81 47,69 20.11.2006 7,4 42 55,35

04.09.2006 6,42 42,7 47,16 21.11.2006 7,4 42,31 55,55

05.09.2006 6,44 41,85 47,99 22.11.2006 7,5 41,02 56,54

06.09.2006 6,3 40,6 46,8 23.11.2006 7,79 40,56 55,53

07.09.2006 6,24 40,08 46,45 24.11.2006 7,7 40,75 54,22

08.09.2006 6,3 40,64 46,79 27.11.2006 7,75 40,3 53,51

11.09.2006 6,35 39,33 46,28 28.11.2006 7,53 39,99 53

12.09.2006 6,29 38,62 46,7 29.11.2006 7,6 41,06 54,99

13.09.2006 6,32 39 46,6 30.11.2006 7,2 40,5 55,01

14.09.2006 6,38 38,75 47,65 01.12.2006 7,14 41,27 55,45

15.09.2006 6,5 37,95 47,41 04.12.2006 7,44 41 57,33

Page 24: Kapitel 06 1 2C DruckENDF - HPTarthur.hpt.at/php/online_links/links/LP_17858.pdfAktien feststellen und mit geeigneten Prognosen mit wenig Aufwand viel Geld verdienen. Offenbar sind

198 Aktienanalyse

AUA-Aktie: 1-Monats-Chart

AUA-Aktie: 1-Jahres-Chart

AUA-Aktie: 5-Jahres-Chart

OMV-Aktie: 1-Monats-Chart

OMV-Aktie: 1-Jahres-Chart

OMV-Aktie: 5-Jahres-Chart

Erste Bank-Aktie: 1-Monats-Chart

Erste Bank-Aktie: 1-Jahres-Chart

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Aktienanalyse 199

Erste Bank-Aktie: 5-Jahres-Chart