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1 Yin und Yang KAPITEL Das Konzept von Yin und Yang ist wohl die einzigartigs- te, wichtigste und charakteristischste eorie der Chine- sischen Medizin. Man könnte sagen, dass die gesamte Physiologie, Pathologie und Behandlungslehre der Chi- nesischen Medizin letzten Endes auf Yin und Yang zu- rückgeführt werden können. Das Konzept von Yin und Yang ist einerseits ganz einfach, andererseits aber auch sehr tiefgründig. Man kann es anscheinend auf der ratio- nalen Ebene verstehen und findet doch immer wieder neue Ausdrucksformen davon in der klinischen Praxis und auch im täglichen Leben. Das Konzept von Yin und Yang hat, zusammen mit dem Konzept von Qi, die chinesische Philosophie über die Jahrhunderte durchdrungen und unterscheidet sich radikal von jeglichen westlichen philosophischen Ideen. Im Allgemeinen basiert die westliche Logik auf der Ge- genüberstellung von Gegensätzen; dies ist die Grundan- nahme der aristotelischen Logik. Gemäß dieser Logik können zwei gegensätzliche Aussagen (wie z. B. ‚Der Tisch ist quadratisch‘ und ‚Der Tisch ist nicht quadra- tisch‘) nicht beide richtig sein. Dies hat das westliche Denken seit nunmehr über 2000 Jahren bestimmt. Das chinesische Konzept von Yin und Yang unterscheidet sich grundsätzlich von diesem Denksystem: Yin und Yang repräsentieren gegensätzliche, aber einander er- gänzende Eigenschaſten. Jedes Ding und jedes Phäno- men kann gleichzeitig es selbst und sein Gegenteil sein. Darüber hinaus enthält Yin den Keim des Yang, so dass sich Yin in Yang umwandeln kann und umgekehrt. Ein Auszug aus einem Kommentar zu Chuangzi hebt diese Denkweise über die Komplementarität von Gegen- sätzen hervor: „Es gibt keine zwei Dinge unter dem Himmel, die nicht die gegenseitige Beziehung von das ‚Selbst‘ und das ‚An- dere‘ haben. Sowohl das ‚Selbst‘ als auch das ‚Andere‘ wollen gleichermaßen für sich handeln und stellen sich so mächtig einander entgegen wie Ost und West. Auf der an- deren Seite weisen das ‚Selbst‘ und das ‚Andere‘ gleichzei- tig die gegenseitige Beziehung von Lippen und Zähnen auf … daher helfen die Handlungen des ‚Anderen‘, die zum eigenen Nutzen ausgeführt wurden, gleichzeitig auch ‚dem Selbst‘. So sind sie, obwohl sie einander entgegenge- setzt sind, unfähig zur gegenseitigen Negation.“ 1 1.1 Historische Entwicklung Die wohl früheste Erwähnung von Yin und Yang findet sich im ‚Buch der Wandlungen‘ (Yi jing), das etwa 700 v. Chr. verfasst wurde. In diesem Buch werden Yin und Yang durch unterbrochene bzw. durchgezogene Linien dargestellt (Abb. 1.1). Die Kombination von unterbrochenen und durchge- zogenen Linien zu Paaren ergibt vier Diagrammmuster, die das äußerste Yin, das äußerste Yang und zwei Zwi- schenstadien darstellen (Abb. 1.2). Die Hinzufügung einer weiteren Linie zu diesen vier Diagrammen ergibt die acht Trigramme in verschiede- nen Kombinationen (Abb. 1.3). Schließlich entstehen aus den verschiedenen Kombi- nationen der Trigramme die 64 Hexagramme. Sie sollen alle möglichen Phänomene des Universums symbolisie- ren. Von daher zeigt sich, wie alle Phänomene letztlich von den zwei Polen Yin und Yang abhängen. Die philosophische Schule, die die Yin-Yang-Lehre zu ihrer höchsten Ausformung entwickelte, wird die Yin- Yang-Schule genannt. Während der Periode der Strei- tenden Reiche (476–221 v. Chr.) entwickelten sich viele Denkschulen, wozu auch die Yin-Yang-Schule gehörte. Sie widmete sich dem Studium von Yin und Yang und den Fünf Elementen. Ihr Hauptvertreter war Zou Yan (ca. 350–270 v. Chr.). Diese Schule wird auch zuweilen die Naturalismus-Schule genannt, da sie zum Ziel hatte, die Natur in positiver Weise zu deuten und die Naturge- setze zum Vorteil des Menschen zu nutzen, und zwar nicht durch den Versuch, die Natur zu kontrollieren und zu unterwerfen (wie in der modernen westlichen Wis- senschaſt), sondern durch ein Handeln im Einklang mit den Naturgesetzen. Diese Schule repräsentiert einen An- satz, den wir heute naturalistische Wissenschaſt nennen könnten. Die eorien von Yin und Yang und den Fünf Elementen dienten zur Deutung natürlicher Phänome- <LQ <DQJ Abb. 1.1 Yin-Yang-Diagramme 1

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1 Yin und Yang

KAPITEL

Das Konzept von Yin und Yang ist wohl die einzigartigs-te, wichtigste und charakteristischste Th eorie der Chine-sischen Medizin. Man könnte sagen, dass die gesamte Physiologie, Pathologie und Behandlungslehre der Chi-nesischen Medizin letzten Endes auf Yin und Yang zu-rückgeführt werden können. Das Konzept von Yin und Yang ist einerseits ganz einfach, andererseits aber auch sehr tiefgründig. Man kann es anscheinend auf der ratio-nalen Ebene verstehen und fi ndet doch immer wieder neue Ausdrucksformen davon in der klinischen Praxis und auch im täglichen Leben.

Das Konzept von Yin und Yang hat, zusammen mit dem Konzept von Qi, die chinesische Philosophie über die Jahrhunderte durchdrungen und unterscheidet sich radikal von jeglichen westlichen philosophischen Ideen. Im Allgemeinen basiert die westliche Logik auf der Ge-genüberstellung von Gegensätzen; dies ist die Grundan-nahme der aristotelischen Logik. Gemäß dieser Logik können zwei gegensätzliche Aussagen (wie z. B. ‚Der Tisch ist quadratisch‘ und ‚Der Tisch ist nicht quadra-tisch‘) nicht beide richtig sein. Dies hat das westliche Denken seit nunmehr über 2000 Jahren bestimmt. Das chinesische Konzept von Yin und Yang unterscheidet sich grundsätzlich von diesem Denksystem: Yin und Yang repräsentieren gegensätzliche, aber einander er-gänzende Eigenschaft en. Jedes Ding und jedes Phäno-men kann gleichzeitig es selbst und sein Gegenteil sein. Darüber hinaus enthält Yin den Keim des Yang, so dass sich Yin in Yang umwandeln kann und umgekehrt.

Ein Auszug aus einem Kommentar zu Chuangzi hebt diese Denkweise über die Komplementarität von Gegen-sätzen hervor:

„Es gibt keine zwei Dinge unter dem Himmel, die nicht die gegenseitige Beziehung von das ‚Selbst‘ und das ‚An-dere‘ haben. Sowohl das ‚Selbst‘ als auch das ‚Andere‘ wollen gleichermaßen für sich handeln und stellen sich so mächtig einander entgegen wie Ost und West. Auf der an-deren Seite weisen das ‚Selbst‘ und das ‚Andere‘ gleichzei-tig die gegenseitige Beziehung von Lippen und Zähnen auf … daher helfen die Handlungen des ‚Anderen‘, die zum eigenen Nutzen ausgeführt wurden, gleichzeitig auch ‚dem Selbst‘. So sind sie, obwohl sie einander entgegenge-setzt sind, unfähig zur gegenseitigen Negation.“ 1

1.1 Historische Entwicklung

Die wohl früheste Erwähnung von Yin und Yang fi ndet sich im ‚Buch der Wandlungen‘ (Yi jing), das etwa 700 v. Chr. verfasst wurde. In diesem Buch werden Yin und Yang durch unterbrochene bzw. durchgezogene Linien dargestellt (›Abb. 1.1).

Die Kombination von unterbrochenen und durchge-zogenen Linien zu Paaren ergibt vier Diagrammmuster, die das äußerste Yin, das äußerste Yang und zwei Zwi-schenstadien darstellen (›Abb. 1.2).

Die Hinzufügung einer weiteren Linie zu diesen vier Diagrammen ergibt die acht Trigramme in verschiede-nen Kombinationen (›Abb. 1.3).

Schließlich entstehen aus den verschiedenen Kombi-nationen der Trigramme die 64 Hexagramme. Sie sollen alle möglichen Phänomene des Universums symbolisie-ren. Von daher zeigt sich, wie alle Phänomene letztlich von den zwei Polen Yin und Yang abhängen.

Die philosophische Schule, die die Yin-Yang-Lehre zu ihrer höchsten Ausformung entwickelte, wird die Yin-Yang-Schule genannt. Während der Periode der Strei-tenden Reiche (476–221 v. Chr.) entwickelten sich viele Denkschulen, wozu auch die Yin-Yang-Schule gehörte. Sie widmete sich dem Studium von Yin und Yang und den Fünf Elementen. Ihr Hauptvertreter war Zou Yan (ca. 350–270 v. Chr.). Diese Schule wird auch zuweilen die Naturalismus-Schule genannt, da sie zum Ziel hatte, die Natur in positiver Weise zu deuten und die Naturge-setze zum Vorteil des Menschen zu nutzen, und zwar nicht durch den Versuch, die Natur zu kontrollieren und zu unterwerfen (wie in der modernen westlichen Wis-senschaft ), sondern durch ein Handeln im Einklang mit den Naturgesetzen. Diese Schule repräsentiert einen An-satz, den wir heute naturalistische Wissenschaft nennen könnten. Die Th eorien von Yin und Yang und den Fünf Elementen dienten zur Deutung natürlicher Phänome-

Abb. 1.1 Yin-Yang-Diagramme

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ne, wozu auch der menschliche Körper in gesundem oder krankem Zustand zählte.

Die Th eorien von Yin und Yang und den Fünf Ele-menten, die von der Naturalismus-Schule systematisch ausgearbeitet wurden, wurden später zum gemeinsamen Erbe nachfolgender Denkschulen, insbesondere der neokonfuzianistischen Schulen der Song-, Ming- und Qing-Dynastie. Diese Schulen vereinten die meisten Ele-mente von früheren Denkschulen zu einer in sich ge-schlossenen Philosophie von Natur, Ethik, sozialer Ord-nung und Astrologie.2

Ich werde zunächst Yin und Yang aus einer allgemei-nen philosophischen Perspektive heraus und danach aus medizinischer Sicht betrachten.

1.2 Wesen des Yin-Yang-Konzepts

Die chinesischen Zeichen für ‚Yin‘ und ‚Yang‘ beziehen sich auf das Bild eines Hügels mit einer Schattenseite und einer Sonnenseite. Die Zeichen sind:陰 YIN阝 bedeutet ‚Hügel‘云 bedeutet ‚Wolke‘陽 YANG日 bedeutet ‚Sonne‘旦 bedeutet ‚Sonne über dem Horizont‘勿 bedeutet ‚Lichtstrahlen‘Somit steht das Zeichen für Yin für die schattige Seite

eines Hügels, während das Zeichen für Yang auf die son-nige Seite verweist. In einem weiteren Sinne bedeuten sie daher auch ‚Dunkelheit‘ und ‚Licht‘ bzw. ‚schattig‘ und ‚hell‘.

1.2.1 Yin und Yang als zwei Phasen einer zyklischen Bewegung

Der erste Ursprung von Yin-Yang-Phänomenen muss von der bäuerlichen Beobachtung des zyklischen Wechsels von Tag und Nacht ausgegangen sein. Dem-zufolge entspricht der Tag dem Yang und die Nacht dem Yin und in einem weiteren Sinne Aktivität dem Yang und Ruhe dem Yin. Dies führte zur ersten Beob-achtung, dass sich alle Erscheinungen ständig zwischen zwei zyklischen Polen bewegen, wovon der eine dem Licht, der Sonne, der Helligkeit und Aktivität ent-spricht (Yang), während der andere sich auf die Dun-kelheit, den Mond, den Schatten und die Ruhe bezieht (Yin). In dieser Hinsicht sind Yin und Yang zwei Stadi-en einer zyklischen Bewegung, wobei eines fortwäh-rend ins andere übergeht, so wie der Tag der Nacht weicht und umgekehrt.

Der Himmel (wo sich die Sonne befi ndet) ist daher Yang und die Erde ist Yin. Die alten chinesischen Bau-ern nahmen den Himmel als rundes Gewölbe und die Erde als fl ach wahr. Daher ist das Runde Yang und das Eckige Yin. Der Himmel mit Sonne, Mond und Sternen, auf die die chinesischen Bauern ihren Kalender gründe-ten, entspricht demzufolge der Zeit; die Erde, die in Fel-der unterteilt ist, entspricht dem Raum.

Da die Sonne im Osten aufgeht und im Westen unter-geht, gehört ersteres zum Yang, letzteres zum Yin. Wenn wir nach Süden blicken, ist der Osten auf der linken und der Westen auf der rechten Seite (in der nördlichen He-misphäre). In der chinesischen Kosmologie wurden die Richtungen des Kompasses unter der Annahme festge-legt, dass man nach Süden blickt. Dies zeigt sich auch in kaiserlichen Zeremonien: „Der Kaiser schaute nach Süden zu seinen Untertanen, die nach Norden blickten … Der Kaiser öff nete sich auf diese Weise für die Einfl üsse von Himmel, Yang und Süden. Der Süden ist daher wie der Himmel, der obenauf liegt; der Norden ist daher wie die Erde, die zuunterst liegt … Indem der Kaiser nach

Abb. 1.2 Die vier Stadien von Yin und Yang

Abb. 1.3 Die acht Trigramme

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1.2 Wesen des Yin-Yang-Konzepts

Süden blickt, identifi ziert er seine linke Seite mit dem Osten und seine rechte Seite mit dem Westen.“ 3

Links gehört also zu Yang, rechts zu Yin. Die ‚Einfa-chen Fragen‘ bezieht die Korrespondenz Yang-Links und Yin-Rechts auf die Physiologie. Es heißt hier: „Der Osten steht für das Yang … der Westen steht für das Yin … im Westen und Norden herrscht ein Mangel an Him-mel, daher hört bzw. sieht das linke Ohr und Auge besser als das rechte; im Osten und Süden herrscht ein Mangel an Erde, daher sind Hand und Fuß der rechten Seite kräf-tiger als auf der linken.“ 4

Die Schrift zeichen für ‚links‘ und ‚rechts‘ zeigen ganz deutlich ihre Beziehung zu Yin und Yang, indem das Zeichen für ‚links‘ das Symbol für Arbeit (Aktivität = Yang) beinhaltet, während das Zeichen für ‚rechts‘ einen Mund (der die Produkte der Erde = Yin isst) aufweist.5左 LINKS右 RECHTS工 bedeutet ‚Arbeit‘口 bedeutet ‚Mund‘Wir haben daher als erste Entsprechungen:

Yang YinLicht DunkelheitSonne MondHelligkeit SchattenAktivität RuheHimmel ErdeRund FlachZeit RaumOsten WestenSüden NordenLinks Rechts

Von diesem Standpunkt aus betrachtet sind Yin und Yang also im Wesentlichen ein Ausdruck zeitlicher Dua-lität, ein Abwechseln zwischen zwei gegensätzlichen Zeitstadien. Jedes Phänomen im Universum wechselt in einer zyklischen Bewegung von Höhen und Tiefen, und das Abwechseln von Yin und Yang ist die treibende Kraft für seine Wandlung und Entwicklung. Der Tag verwan-delt sich in die Nacht, der Sommer in den Winter, Wachstum in Verfall und umgekehrt. Daher ist die Ent-wicklung aller Phänomene des Universums das Ergebnis eines Wechselspiels zwischen zwei gegensätzlichen Sta-dien, die durch Yin und Yang symbolisiert werden, und jedes Phänomen beinhaltet in sich selbst beide Aspekte in unterschiedlichem Ausprägungsgrad. Der Tag gehört zum Yang, aber nachdem er um die Mittagszeit seinen Höhepunkt erreicht hat, beginnt sich das im Tag enthal-

tene Yin allmählich zu entfalten und zu zeigen. Daher kann also jedes Phänomen zu einem Yang-Stadium oder einem Yin-Stadium gehören, aber es enthält immer den Keim des entgegengesetzten Stadiums in sich selbst. Dies zeigt der Tageszyklus ganz deutlich (›Abb. 1.4).

Genau das Gleiche geschieht während des Jahreszyk-lus. Wir müssen nur ‚Morgengrauen‘ durch ‚Frühling‘, ‚Mittag‘ durch ‚Sommer‘, ‚Dämmerung‘ durch ‚Herbst‘ und ‚Mitternacht‘ durch ‚Winter‘ ersetzen (›Abb. 1.5).

• Frühling = Yang im Yin = Wachstum des Yang • Sommer = Yang im Yang = maximales Yang • Herbst = Yin im Yang = Wachstum des Yin • Winter = Yin im Yin = maximales Yin.

Die zwei Zwischenstadien (Morgengrauen/Frühling und Dämmerung/Herbst) sind keine neutralen Stadien zwi-schen Yin und Yang: sie gehören immer noch haupt-sächlich entweder zu Yin oder zu Yang (d. h., Morgen-grauen/Frühling gehört zum Yang und Dämmerung/Herbst gehört zum Yin), so dass der Zyklus immer auf die Polarität zweier Stadien reduziert werden kann.

Abb. 1.4 Yin und Yang im Tageszyklus

Süden

Osten Westen

Norden

Abb. 1.5 Yin und Yang im Zyklus der Jahreszeiten

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1.2.2 Yin und Yang als zwei Zustände materieller Dichte

Von einem anderen Standpunkt aus betrachtet stehen Yin und Yang für zwei Zustände im Prozess der Wand-lung und Transformation aller Dinge des Universums. Wie wir oben gesehen haben, durchläuft jedes Ding Zyk-lusphasen und verändert währenddessen seine Form. Beispielsweise erwärmt sich das Wasser von Seen und Meeren während des Tages und wird in Dampf umge-wandelt. Wenn sich die Luft am Abend abkühlt, kon-densiert der Dampf wieder zu Wasser.

Materie kann verschiedene Dichtegrade annehmen. Zum Beispiel ist ein Tisch eine dichte Form von Materie. Wenn er verbrennt, verwandelt sich diese Materie in Hitze und Licht, die weniger dichte Formen von Materie darstellen. Aus dieser Perspektive betrachtet symboli-siert Yang die eher immateriellen, dünneren Formen von Materie, während Yin den eher materiellen, dichten Zustand von Materie verkörpert.

Um noch einmal auf die Beispiele zurückzukommen, so gehört das Wasser in seinem fl üssigen Zustand zu Yin, während der durch Hitze entstandene Dampf zu Yang gehört. In gleicher Weise gehört Holz in seinem festen Zustand zu Yin, Hitze und Licht, die durch Ver-brennen des Tisches entstanden, hingegen zu Yang.

Diese Dualität in den Kondensationsstadien der Din-ge wurde im alten China häufi g durch die Dualität von ‚Himmel‘ und ‚Erde‘ symbolisiert. ‚Himmel‘ stand für alle dünneren, immateriellen, reinen und gasförmigen Zustände, ‚Erde‘ dagegen für alle dichten, materiellen, groben und festen Zustände der Dinge. Im Kapitel 2 der ‚Einfachen Fragen‘ heißt es: „Der Himmel ist eine An-sammlung von Yang, die Erde eine Ansammlung von Yin.“ 6 Daher sind Kondensation und Zusammenballung Yin-Zustände von Materie, während Zerstreuung und Verdampfung Yang-Zustände sind.

Es ist wichtig zu verstehen, dass die zwei gegensätzli-chen Kondensations- oder Aggregationszustände nicht unabhängig voneinander sind, sondern sich eher inein-ander umwandeln. Yin und Yang symbolisieren zwei solcher entgegengesetzter Aggregatzustände von Din-gen, wobei ersteres für ‚dicht‘ und letzteres für ‚zerstreut‘ steht. Lie Zi, ein taoistischer Philosoph (ca. 300 v. Chr.), sagte: „Die reineren und leichteren [Elemente], die nach oben streben, bildeten den Himmel; die gröberen, schwe-reren, die abwärts streben, bildeten die Erde.“7

In seiner reinsten und dünnsten Form ist Yang gänz-lich immateriell und entspricht der reinen Energie. Yin dagegen ist in seiner gröbsten und dichtesten Form gänzlich materiell und entspricht der Materie. Von die-sem Standpunkt aus betrachtet sind Energie und Materie

nur zwei Stadien eines Kontinuums mit einer unendli-chen Zahl von möglichen Aggregatzuständen. Im 2. Ka-pitel von ‚Einfache Fragen‘ heißt es: „Yin ist ruhig, Yang ist aktiv. Yang spendet Leben, Yin lässt es wachsen … Yang wird in Qi transformiert, Yin in materielles Le-ben.“ 8

Da Yang der Schöpfung und Aktivität entspricht, ver-körpert es natürlich auch Ausdehnung und steigt auf. Yin gehört zur Verdichtung und Materialisation, weshalb es auch dem Zusammenziehen entspricht und absteigt. Von daher können wir der Liste von Yin-Yang-Entsprechun-gen einige weitere Eigenschaft en hinzufügen:

Yang YinImmateriell MateriellProduziert Energie Produziert FormErzeugt Lässt wachsenNicht-substanziell SubstanziellEnergie MaterieExpansion KontraktionAufsteigen AbsinkenOben UntenFeuer Wasser

Die Beziehung und wechselseitige Abhängigkeit von Yin und Yang kann in dem bekannten Symbol (›Abb. 1.6) dargestellt werden. Dieses Symbol wird das ‚höchste Äußerste‘ (taiji) genannt und zeigt sehr deutlich die wechselseitige Beziehung von Yin und Yang.

Die wichtigsten Punkte dieser Wechselbeziehung sind:

Abb. 1.6 Yin-Yang-Symbol

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1.2 Wesen des Yin-Yang-Konzepts

• Auch wenn Yin und Yang für gegensätzliche Zyklusstadien oder gegensätzliche Stadien von materieller Dichte stehen, bilden sie eine Einheit und ergänzen einander.

• Yang enthält den Keim von Yin und umgekehrt; dies wird durch einen kleinen schwarzen bzw. weißen Punkt verkör-pert.

• Nichts ist gänzlich Yin oder gänzlich Yang. • Yang wandelt sich in Yin und umgekehrt.

1.2.3 Die vier Aspekte der Yin- und Yang-Beziehung

Die Yin-und-Yang-Beziehung kann in vier Hauptaspek-ten zusammengefasst werden:

• Gegensätzlichkeit von Yin und Yang. • Gegenseitige Abhängigkeit von Yin und Yang. • Wechselseitiger Verbrauch von Yin und Yang. • Wechselseitige Umwandlung von Yin und Yang.

Gegensätzlichkeit von Yin und Yang

Yin und Yang sind entweder gegensätzliche Stadien ei-nes Zyklus oder von Aggregatzuständen, wie es oben er-klärt wurde. Nichts in der natürlichen Welt entkommt dieser Gegensätzlichkeit. Es ist dieser innere Wider-spruch, der die treibende Kraft für die Veränderung, Entwicklung und den Verfall aller Dinge bereitstellt.

Diese Gegensätzlichkeit ist jedoch relativ, nicht abso-lut, da nichts gänzlich Yin oder gänzlich Yang ist. Alles enthält den Keim seines Gegensatzes. Darüber hinaus ist die Yin-Yang-Gegensätzlichkeit relativ, da die Yin- bzw. Yang-Eigenschaft von etwas nicht per se vorhanden ist, sondern nur im Verhältnis zu etwas anderem. Daher ist es streng genommen falsch zu sagen, dass etwas ‚Yang ist‘ oder ‚Yin ist‘. Alles gehört lediglich im Verhältnis zu etwas anderem zu Yin oder Yang. Beispielsweise gehört Hitze zu Yang und Kälte zu Yin, so dass man sagen könnte, dass das Klima in Barcelona im Verhältnis zu dem in Stockholm Yang ist, aber im Verhältnis zu dem Klima in Algier Yin. Um ein anderes Beispiel aus dem Bereich der chinesischen Diätetik zu nennen, ist Gemü-se im Allgemeinen Yin und Fleisch im Allgemeinen Yang. Es gibt jedoch innerhalb jeder Kategorie Abstu-fungen der Yang- oder Yin-Qualität: so ist Hühnerfl eisch verglichen mit Salat Yang, aber verglichen mit Lamm-fl eisch Yin.

Auch wenn alles Yin und Yang enthält, sind die bei-den Pole niemals in einem statischen 50:50-Verhältnis vorhanden, sondern in einem dynamischen, sich ständig verändernden Gleichgewicht. Zum Beispiel ist die Kör-pertemperatur des Menschen in einem sehr engen Be-

reich beinahe gleich bleibend. Dies ist jedoch nicht das Ergebnis eines statischen Zustands, sondern eines dyna-mischen Gleichgewichts vieler gegensätzlicher Kräft e.

Gegenseitige Abhängigkeit von Yin und Yang

Auch wenn Yin und Yang Gegensätze sind, so sind sie auch voneinander abhängig: das eine kann nicht ohne das andere existieren. Alles enthält gegensätzliche Kräf-te, die sich zwar gegenseitig ausschließen, aber gleich-zeitig aufeinander angewiesen sind. Der Tag kann nur nach der Nacht kommen und umgekehrt. Es gibt keine Aktivität ohne Ruhe, keine Energie ohne Materie und keine Kontraktion ohne Expansion.

Ein Auszug aus dem 36. Kapitel des taoistischen Klas-sikers ,Dao de jing‘ von Lao Zi beleuchtet diesen Gedan-ken sehr anschaulich: „Um zu kontrahieren, ist es zuerst notwendig zu expandieren.“ 9

Wechselseitiger Verbrauch von Yin und Yang

Yin und Yang stehen in einem dauernden dynamischen Gleichgewicht, das durch die fortwährende Anpassung der relativen Yin- und Yang-Pegel aufrechterhalten wird. Wenn entweder Yin oder Yang aus dem Gleichge-wicht gerät, so beeinfl usst dies den anderen. Durch eine Änderung ihres Verhältnisses erzielen sie eine neue Balance.

Abgesehen vom normalen Gleichgewichtszustand von Yin und Yang gibt es vier mögliche Ungleichge-wichtszustände:

• Überwiegen von Yin • Überwiegen von Yang • Schwäche von Yin • Schwäche von Yang.

Wenn das Yin überwiegt, so führt es eine Abnahme des Yang herbei (d. h., der Yin-Exzess verbraucht das Yang). Überwiegt das Yang, kommt es zu einer Abnahme des Yin (d. h., der Yang-Exzess verbraucht das Yin).

Bei Yin-Schwäche besteht ein scheinbarer Yang-Ex-zess, und bei Yang-Schwäche ein scheinbarer Yin-Ex-zess. Aber dies ist nur scheinbar der Fall, da der Exzess nur im Verhältnis zur geschwächten Eigenschaft besteht und nicht absolut.

Diese vier Zustände können durch die Diagramme in ›Abb. 1.7 wiedergegeben werden. Sie werden noch

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einmal genauer im Kapitel über die Anwendung von Yin und Yang auf die Chinesische Medizin erläutert. Obwohl das Diagramm eines normalen, ausgeglichenen Zu-stands von Yin und Yang gleich große Anteile der bei-den Qualitäten zeigt, sollte dies nicht wörtlich genom-men werden: das Gleichgewicht wird durch verschiede-ne dynamische Anteile von Yin und Yang erzielt.

Es ist wichtig, den Unterschied zwischen einem Über-wiegen von Yin und einer Schwäche von Yang zu erken-nen: sie mögen gleich erscheinen, sind es aber nicht. Die Frage ist, was primär und was sekundär ist. Im Falle eines Überwiegens von Yin ist dies primär, als Folge verbraucht der Yin-Exzess das Yang. Im Falle einer Yang-Schwäche ist dies primär und der scheinbare Yin-Exzess ist die Fol-ge. Es sieht aus, als ob ein Yin-Exzess vorläge, aber dies scheint nur so im Verhältnis zu dem Yang-Mangel. Das

Gleiche trifft auf ein Überwiegen von Yang und Yin-Schwäche zu.

Wechselseitige Umwandlung von Yin und Yang

Yin und Yang sind nicht statisch, sondern wandeln sich ineinander um: Yin kann sich in Yang umwandeln und umgekehrt. Diese Umwandlung erfolgt nicht zufällig, sondern nur in einem bestimmten Entwicklungsstadi-um. Der Sommer wandelt sich in den Winter um, der Tag in die Nacht, Leben in Tod, Glück in Unglück, Hitze in Kälte und umgekehrt. Zum Beispiel mündet die große Hochstimmung eines feuchtfröhlichen Festes schnell am nächsten Morgen im Elend eines Alkoholkaters.

Es gibt zwei Grundbedingungen für die Umwandlung von Yin in Yang und von Yang in Yin: • Die erste betrifft die inneren Bedingungen. Dinge

können sich nur aufgrund innerer Bedingungen pri-mär ändern und aufgrund äußerer Bedingungen se-kundär. Ein Wandel fi ndet nur statt, wenn die inne-ren Bedingungen reif dafür sind. Beispielsweise ver-wandelt sich ein Ei unter Hitzeeinwirkung nur des-halb in ein Küken, weil das Ei in sich selbst die Fähigkeit enthält, sich in ein Küken zu verwandeln. Anwendung von Hitze auf einen Stein wird kein Kü-ken hervorbringen.

• Die zweite Bedingung ist der Zeitfaktor. Yin und Yang können sich nur in einem bestimmten Ent-wicklungsstadium ineinander umwandeln, wenn die Bedingungen reif für die Veränderung sind. Im Falle des Eis schlüpft das Küken erst, wenn die Zeit reif ist.

1.3 Anwendung von Yin und Yang auf die Medizin

Man könnte sagen, dass die ganze Chinesische Medizin, ihre Physiologie, Pathologie, Diagnose und Behand-lung, auf die grundlegende Th eorie von Yin und Yang zurückgeführt werden können. Jeder physiologische Prozess und jedes Symptom oder Zeichen kann im Licht der Yin-Yang-Th eorie analysiert werden. Letzt-lich zielt jede Behandlungsmaßnahme auf eine der vier Strategien ab, wie sie in dem unten stehenden Kasten aufgeführt sind.

Abb. 1.7 Überwiegen und Schwäche von Yin und Yang

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1.3 Anwendung von Yin und Yang auf die Medizin

Die Behandlung läuft auf vier Strategien hinaus: 1. Yang stärken 2. Yin stärken 3. Yang-Exzess beseitigen 4. Yin-Exzess beseitigen.

Es ist daher in der Praxis von größter Wichtigkeit, die Anwendung der Yin-Yang-Th eorie auf die Medizin zu verstehen: Man könnte sagen, dass es keine Chinesische Medizin ohne Yin und Yang gibt.

1.3.1 Yin und Yang und die Körperstrukturen

Jeder Teil des menschlichen Körpers hat einen vorherr-schenden Yin- oder Yang-Charakter, was in der klini-schen Praxis von Bedeutung ist. Es muss jedoch betont werden, dass dieser Charakter nur relativ ist. Zum Bei-spiel ist der Th orax im Verhältnis zum Abdomen Yang (weil er höher liegt), aber Yin im Verhältnis zum Kopf.

Als allgemeine Regel weisen die verschiedenen Kör-perstrukturen folgenden Charakter auf:

Yang YinOben UntenAußen InnenPosterolaterale Oberfl äche Anteromediale Oberfl ächeHinten VorneFunktion Struktur

Noch genauer sind die Yin-Yang-Charaktere der Körper-strukturen, Organe und Energien wie folgt (›Abb. 1.8):

Yang YinRücken Vorderseite (Th orax/

Abdomen)Kopf RumpfAußen (Haut/Muskeln) Innen (Organe)Oberhalb der Taille Unterhalb der TaillePosterolaterale Oberfl äche der Extremitäten

Anteromediale Oberfl äche der Extremitäten

Yang-Organe Yin-OrganeFunktion der Organe Struktur der OrganeQi Blut/Körperfl üssigkeitenAbwehr-Qi Nähr-Qi

Jeder dieser Aspekte soll nun genauer besprochen werden.

Rücken – Vorderseite

Auf dem Rücken verlaufen alle Yang-Leitbahnen. Sie transportieren Yang-Energie und haben die Funktion, den Körper vor äußeren pathogenen Faktoren zu schüt-zen. Es ist das Wesen von Yang, dass es sich an der Ober-fl äche befi ndet und schützt. Das Wesen von Yin ist es, im Inneren zu liegen und zu nähren. Von daher gehören die Leitbahnen auf dem Rücken zu Yang und können so-wohl zur Stärkung des Yang und damit der Abwehr von äußeren pathogenen Faktoren als auch zur Beseitigung pathogener Faktoren verwendet werden, nachdem diese schon in den Körper eingedrungen sind.

Auf der Vorderseite (Abdomen und Th orax) verlau-fen die Yin-Leitbahnen. Sie transportieren Yin-Energie und haben die Funktion, den Körper zu nähren. Sie wer-den oft für die Stärkung des Yin eingesetzt.

Kopf – Rumpf

Auf dem Kopf enden oder beginnen alle Yang-Leitbah-nen: daher treff en sie alle am Kopf aufeinander oder fl ie-ßen dort ineinander. Die Beziehung des Kopfes zur Yang-Energie zeigt sich in der Praxis auf verschiedene Weise. Zunächst hat Yang-Energie die Tendenz aufzu-steigen. In pathologischen Zuständen werden Hitze oder Feuer dazu neigen aufzusteigen. Da der Kopf das höchst-gelegene Areal des Körpers ist, neigt die Yang-Energie

Abb. 1.8 Yin und Yang und die Körperstrukturen

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(ob physiologische oder pathologische) dazu, zum Kopf aufzusteigen. Im pathologischen Fall verursacht dies ein rotes Gesicht und gerötete Augen.

Der Kopf wird auch leicht von pathogenen Faktoren des Yang-Typs wie Wind und Sommer-Hitze befallen.

Schließlich können Punkte im Kopfb ereich zur He-bung der Yang-Energie eingesetzt werden, da der Kopf der Ort ist, wo alle Yang-Leitbahnen zusammenkom-men.

Der Rest des Körpers (Th orax und Abdomen) gehört zum Yin und wird leicht von pathogenen Faktoren des Yin-Typs wie Kälte und Feuchtigkeit befallen.

Außen – Innen

Die Oberfl äche des Körpers schließt die Haut und Mus-keln ein und gehört zu Yang. Sie hat die Funktion, den Körper vor äußeren pathogenen Faktoren zu schützen. Das Körperinnere beinhaltet die Innenorgane und hat die Funktion, den Körper zu nähren.

Oberhalb der Taille – unterhalb der Taille

Das Gebiet oberhalb der Taille gehört zu Yang und wird leicht von pathogenen Faktoren des Yang-Typs, wie bei-spielsweise Wind, befallen. Demgegenüber gehört das Gebiet unterhalb der Taille zu Yin und wird leicht von pathogenen Faktoren des Yin-Typs, wie zum Beispiel Feuchtigkeit, angegriff en. Diese grundlegende allgemei-ne Regel wird häufi g bei der Diagnose von Hautkrank-heiten angewendet.

Posterolaterale und anteromediale Oberfl äche der Extremitäten

Die Yang-Leitbahnen verlaufen auf der posterolateralen, die Yin-Leitbahnen dagegen auf der anteromedialen Oberfl äche der Extremitäten.

Yang-Organe – Yin-Organe

Einige Organe gehören zu Yang, andere zu Yin. Die Yang-Organe transformieren, verdauen und extrahieren ‚unreine‘ Produkte aus der Nahrung und Flüssigkeiten. Die Yin-Organe speichern die ‚reinen‘ Essenzen aus dem Transformationsprozess, der von den Yang-Organen vollzogen wurde. Im 11. Kapitel der ‚Einfachen Fragen‘ steht: „Die fünf Yin-Organe speichern … sie scheiden

nicht aus … die sechs Yang-Organe transformieren und verdauen und speichern nicht.“ 10

Daher sind die Yang-Organe, in Übereinstimmung damit, dass das Yang mit Aktivität verknüpft ist, ständig dabei, sich zu füllen und zu entleeren und die Nahrungs-produkte zu transformieren, zu separieren und auszu-scheiden, um Qi zu produzieren. Sie stehen in Kontakt mit der Oberfl äche, da die meisten Yang-Organe (Ma-gen, Darm, Harnblase) mit ihr über Mund, Anus und Urethra kommunizieren.

Die Yin-Organe dagegen transformieren, verdauen und scheiden nicht aus, sondern speichern die reinen Essenzen, die mit Hilfe der Yang-Organe aus der Nah-rung gewonnen wurden. Im Besonderen speichern sie die Vitalen Substanzen (d. h. Qi, Blut, Körperfl üssigkei-ten und Essenz).

Funktion – Struktur von Organen

Yang korrespondiert mit Funktion, während Yin mit Struktur korrespondiert. Wir haben gerade gesagt, dass manche Organe Yang und manche Yin ‚sind‘. Jedes Or-gan beinhaltet jedoch, gemäß dem Prinzip, dass nichts gänzlich Yang oder Yin ist, in sich selbst einen Yang- und einen Yin-Aspekt. Im Besonderen gehören die Organstruktur selbst und das darin enthaltene Blut, die Essenz und Körperfl üssigkeiten zu Yin: sie sind sein Yin-Aspekt.

Die funktionelle Aktivität eines Organs entspricht sei-nem Yang-Aspekt. Die beiden Aspekte sind selbstver-ständlich miteinander verbunden und voneinander ab-hängig. Zum Beispiel entspricht die Funktion der Milz, die aus der Nahrung extrahierten Essenzen zu transfor-mieren und zu transportieren, dem Yang-Aspekt. Das Qi, das auf diese Weise aus der Nahrung gewonnen wird, wird anschließend in Blut umgewandelt, das als Yin-Substanz dazu beiträgt, die Milz-Struktur selbst zu for-men. Im 5. Kapitel von ‚Einfache Fragen‘ ist zu lesen: „Yang transformiert Qi, Yin bildet die Struktur.“ 11 Diese Beziehung kann in einem Diagramm dargestellt werden (›Abb. 1.9).

Ein weiteres gutes Beispiel für Funktion und Struktur eines Organs ist die Leber. Die Leber speichert Blut, was den Yin-Aspekt repräsentiert und ihre Struktur darstellt. Auf der anderen Seite kontrolliert die Leber den Qi-Fluss in allen Teilen des Körpers. Dies repräsentiert den Yang-Aspekt und ist ihre Funktion.

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1

1.4 Anwendung der vier Prinzipien von Yin und Yang in der Medizin

Qi – Blut

Qi ist im Verhältnis zu Blut Yang. Blut, welches eine dichtere oder materiellere Form von Qi darstellt, ist da-her mehr Yin.

Qi hat die Funktion des Wärmens, Schützens, Trans-formierens und Hebens, was alles typische Yang-Funk-tionen sind. Blut hat die typischen Yin-Funktionen des Nährens und Befeuchtens. Das Wesen und die Funktio-nen von Qi und Blut werden in ›Kapitel 3 genauer be-handelt.

Abwehr-Qi – Nähr-Qi

Abwehr-Qi ist im Verhältnis zu Nähr-Qi Yang. Abwehr-Qi zirkuliert in der Haut und in den Muskeln (einem Yang-Gebiet) und hat die Aufgabe, den Körper zu schüt-zen und zu wärmen (eine Yang-Funktion). Nähr-Qi zir-kuliert in den inneren Organen (einem Yin-Gebiet) und hat die Funktion, den Körper zu nähren (eine Yin-Funk-tion). Auf das Wesen und die Funktionen von Abwehr-Qi und Nähr-Qi wird ebenfalls detailliert in ›Kapitel 3 eingegangen.

1.4 Anwendung der vier Prinzipien von Yin und Yang in der Medizin

Wir wollen nun die Anwendung der vier Prinzipien der Yin-Yang-Wechselbeziehung in der Chinesischen Medi-zin eingehend besprechen.

1.4.1 Gegensätzlichkeit von Yin und Yang

Die Yin-Yang-Gegensätzlichkeit spiegelt sich in der Me-dizin in den gegensätzlichen Yin-Yang-Strukturen des menschlichen Körpers, der Yin-Yang-Gegensätzlichkeit der Organe und vor allem in der gegensätzlichen Sym-ptomatik von Yin und Yang wider. Alle Symptome und Zeichen in der Chinesischen Medizin können, egal wie kompliziert sie sind, auf ihren elementaren, grundlegen-den Yin-Yang-Charakter zurückgeführt werden.

Um den Charakter von klinischen Erscheinungen mit Hilfe der Yin-Yang-Terminologie zu interpretieren, kann man von einigen grundlegenden Eigenschaft en ausgehen, die in der klinischen Praxis als Leitkriterien dienen:

Yang YinFeuer WasserHitze KälteRöte BlässeRastlos RuhigTrocken NassHart WeichErregung HemmungSchnelligkeit LangsamkeitNicht-substanziell SubstanziellTransformation/Wandel Bewahrung/Speicherung/

Erhaltung

Feuer – Wasser

Dies ist eine der grundlegenden Yin-Yang-Dualitäten in der Chinesischen Medizin. Obwohl diese Begriff e der Fünf-Elemente-Th eorie entstammen, besteht hier ein Zusammenhang mit der Yin-Yang-Th eorie.

Das Gleichgewicht zwischen Feuer und Wasser im Körper ist von grundlegender Bedeutung. Feuer ist für alle physiologischen Prozesse äußerst wichtig: es verkör-pert die Flamme, die lebenserhaltend wirkt und alle me-tabolischen Prozesse unterhält. Das physiologische Feu-er unterstützt das Herz in seiner Funktion, den Geist (shen) zu beherbergen, es sorgt für die Wärme, die die Milz für Transformation und Transport benötigt, es sti-muliert die Dünndarm-Funktion der Trennung, es stellt die Hitze zur Verfügung, die Blase und Unterer Erwär-mer für die Transformation und Ausscheidung von Flüssigkeiten brauchen, und es liefert die nötige Hitze, damit der Uterus das Blut in Fluss halten kann.

Abb. 1.9 Yin und Yang in Beziehung zu Funktion und Struktur

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Wenn das physiologische Feuer abnimmt, leidet der Geist unter Depressionen, die Milz kann nicht mehr transformieren und transportieren, der Dünndarm kann die Flüssigkeiten nicht trennen, Blase und Unterer Er-wärmer können die Flüssigkeiten nicht ausscheiden, so dass Ödeme auft reten, und der Uterus wird kalt, was womöglich zu Unfruchtbarkeit führt.

Dieses physiologische Feuer wird Feuer des Lebensto-res (mingmen) genannt und entstammt der Niere.

Wasser hat bei allen physiologischen Abläufen im Körper die Funktion des Befeuchtens und Kühlens. Es schafft ein Gegengewicht zur wärmenden Funktion des physiologischen Feuers. Der Ursprung des Wassers liegt auch in der Niere.

Das Gleichgewicht zwischen Feuer und Wasser ist al-so für alle physiologischen Prozesse im Körper von grundlegender Bedeutung. Feuer und Wasser gleichen einander aus und kontrollieren einander bei jedem ein-zelnen physiologischen Vorgang. Wenn das Feuer außer Kontrolle gerät und überschüssig wird, hat es die Ten-denz, nach oben zu schlagen. Daher zeigen sich seine Manifestationen im oberen Teil des Körpers und im Kopf, mit Kopfschmerzen, geröteten Augen, einem ro-ten Gesicht oder Durst. Wenn Wasser in Fülle gerät, so hat es die Tendenz, nach unten zu fl ießen, wodurch Beinödeme, Polyurie oder Harninkontinenz auft reten.

Hitze – Kälte

Ein Yang-Exzess zeigt sich in Hitze, ein Yin-Exzess in Kälte. Beispielsweise ist einem Menschen mit Yang-Ex-zess heiß, einer mit Yin-Exzess neigt immer zu Kälte-empfi ndungen. Hitze- und Kälte-Charaktere können auch bei bestimmten Krankheitszeichen beobachtet werden. Zum Beispiel weist ein großes, einzelnes, rotes und sich heiß anfühlendes Furunkel auf Hitze hin. Eine sich sehr kalt anfühlende Lumbalregion zeigt dagegen Nieren-Kälte an.

Röte – Blässe

Eine gerötete Gesichtsfarbe deutet auf einen Yang-Ex-zess hin, eine blasse Gesichtsfarbe auf einen Yin-Exzess.

Rastlos – ruhig

Unruhe, Schlafl osigkeit, Zuckungen und Tremor weisen auf einen Yang-Exzess hin, ruhiges Verhalten, Bewe-gungsunlust und Schläfrigkeit auf einen Yin-Exzess.

Trocken – nass

Jegliches Symptom oder Zeichen von Trockenheit, wie trockene Augen, trockene Kehle, trockene Haut oder trockener Stuhl, deutet auf einen Yang-Exzess (oder Yin-Mangel) hin. Alle Symptome oder Zeichen von übermäßiger Nässe, wie tränende Augen, laufende Nase, feucht erscheinende Hautpickel oder weiche Stühle, ver-weisen auf einen Yin-Exzess (oder Yang-Mangel).

Hart – weich

Alle harten Knoten, Schwellungen und Ansammlungen können normalerweise auf einen Yang-Exzess zurück-geführt werden, während deren Weichheit für einen Yin-Exzess spricht.

Erregung – Hemmung

Wann immer eine Funktion hyperaktiv ist, deutet dies auf einen Yang-Exzess hin. Hypoaktivität verweist dage-gen auf einen Yin-Exzess. Beispielsweise kann eine Ta-chykardie für einen Yang-Exzess des Herzens sprechen, während eine Bradykardie auf einen Herz-Yin-Exzess hindeutet.

Schnelligkeit – Langsamkeit

Diese Eigenschaft en zeigen sich in zweifacher Hinsicht: in den Bewegungen eines Menschen und im zeitlichen Auft reten von Krankheitserscheinungen.

Wenn die Bewegungen eines Menschen, sein Gang oder seine Sprache schnell sind, kann dies auf einen Yang-Exzess hindeuten. Sind sie langsam, so kann dies für einen Yin-Exzess sprechen.

Wenn Symptome und Zeichen plötzlich auft reten und sich schnell verändern, zeigt dies einen Yang-Zustand an. Treten sie allmählich auf und verändern sie sich langsam, so spricht dies für einen Yin-Zustand.

Substanziell – nicht-substanziell

Wie oben bereits erläutert, entspricht Yang einem fei-nen, Yin dagegen einem dichten, groben Aggregatzu-stand. Wenn das Yang normal ist, bleiben die Dinge in Bewegung, das Qi fl ießt normal und die Flüssigkeiten werden transformiert und ausgeschieden. Wenn Yang im Mangelzustand ist, so stagniert das Qi, die Flüssigkei-

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1

1.4 Anwendung der vier Prinzipien von Yin und Yang in der Medizin

ten werden nicht transformiert oder ausgeschieden. Da-her wird Yin überwiegen. Yang hält also die Dinge in Bewegung, in einem Zustand des Flusses oder der ‚Nicht-Substanzhaft igkeit‘. Wenn Yin vorherrscht, so versagt die Bewegungs- und Transformationskraft des Yang. Energie kondensiert zu Form und wird ‚substanziell‘.

Wenn sich Qi beispielsweise normal im Abdomen be-wegt, sind auch die Darmfunktionen der Trennung und Ausscheidung von Flüssigkeiten normal. Wenn Yang versagt und das Qi abnimmt, wird die Yang-Kraft des Bewegens und Transformierens beeinträchtigt. Die Kör-perfl üssigkeiten werden nicht umgewandelt, das Blut wird nicht bewegt und nach einer gewissen Zeit lässt die Qi-Stagnation eine Blut-Stase entstehen und danach tat-sächliche stoffl iche Ansammlungen und Tumoren.

Transformation/Wandel – Bewahrung/Speicherung/Erhaltung

Yin korrespondiert mit Bewahrung und Speicherung; dies spiegelt sich in der Funktion der Yin-Organe wider, die Blut, Körperfl üssigkeiten und Essenz speichern und sie als wertvolle Essenzen bewahren. Yang korrespon-diert mit Transformation und Wandel; dies zeigt sich in der Funktion der Yang-Organe, die fortwährend gefüllt und geleert werden und die ständig transformieren, transportieren und ausscheiden.

Die oben genannten allgemeinen Richtlinien befähigen uns, klinische Manifestationen mit Hilfe der Yin-Yang-Th eorie zu interpretieren. Alle Symptome und Zeichen können im Licht dieser Richtlinien gedeutet werden, weil alle klinischen Manifestationen einer Trennung von Yin und Yang entspringen. Im gesunden Zustand sind Yin und Yang in einem dynamischen Gleichgewicht harmo-nisch aufeinander abgestimmt. Wenn Yin und Yang sich in einem derartigen Gleichgewicht befi nden, können sie nicht als getrennte Einheiten identifi ziert werden. Daher treten Symptome und Zeichen nicht in Erscheinung. Wenn zum Beispiel Yin und Yang und Blut und Qi sich in einem Gleichgewichtszustand befi nden, hat das Gesicht eine normale, rosarote, blühende Farbe und ist weder zu blass noch zu rot oder zu dunkel usw. Anders ausge-drückt, können wir nichts Auff älliges beobachten.

Wenn Yin und Yang sich nicht im Gleichgewicht be-fi nden, so trennen sie sich voneinander. Es wird vom ei-nen oder vom anderen zu viel da sein, und das Gesicht ist entweder zu blass (Yin-Exzess) oder zu rot (Yang-Ex-zess). Yin und Yang zeigen sich also erst, wenn sie aus dem Gleichgewicht geraten. Man kann sich bildlich vor-stellen, wie das Yin-Yang-Symbol des ‚Höchsten Äußers-ten‘ (›Abb. 1.6) sich sehr schnell dreht: In diesem Fall

sind die weiße und die schwarze Farbe nicht sichtbar, weil sie vom Auge nicht unterschieden werden können. Auf ähnliche Weise können Yin und Yang nicht unter-schieden werden, wenn sie sich im Gleichgewicht befi n-den und sich harmonisch bewegen; sie sind nicht sicht-bar und Symptome und Zeichen werden nicht auft reten.

Alle Symptome und Zeichen können auf diese Weise interpretiert werden, nämlich als ein Ungleichgewicht von Yin und Yang. Ein weiteres Beispiel: Sind Yin und Yang im Gleichgewicht, so hat der Harn eine normale blass-gelbe Färbung und ist in normaler Menge vorhan-den. Bei einem Yin-Exzess ist er sehr blass, sieht fast wie Wasser aus und die Harnmenge ist reichlich. Bei einem Yang-Exzess dagegen ist er ziemlich dunkel und spärlich.

Alle Symptome und Zeichen können letztlich auf ein Yin-Yang-Ungleichgewicht zurückgeführt werden.

Indem man die allgemeinen Prinzipien des Yin- und Yang-Charakters von Symptomen und Zeichen beach-tet, kann man die wichtigsten klinischen Manifestatio-nen wie folgt zusammenfassen:

Yang YinAkute Krankheit Chronische KrankheitRascher Beginn Allmählicher BeginnRasche pathologische Änderungen

Schleichende Krankheit

Hitze KälteRastlosigkeit, Schlafl osigkeit

Schläfrigkeit, Lustlosigkeit

Wirft die Bettdecke ab Möchte zugedeckt seinMöchte ausgestreckt liegen

Möchte sich zusammen-rollen

Heiße Extremitäten, heißer Körper

Kalte Extremitäten, kalter Körper

Rotes Gesicht Blasses GesichtVorliebe für kalte Getränke

Vorliebe für heiße Getränke

Laute Stimme, redet viel Schwache Stimme, redet ungern

Heft ige Atmung Flache, schwache AtmungDurst Kein DurstSpärlicher, dunkler Harn Reichlicher, blasser HarnVerstopfung Weiche StühleRote Zunge mit gelbem Belag

Blasse Zunge

Voller Puls Leerer Puls

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14 A - 1 Yin und Yang

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Es muss schließlich, nachdem der Yin- und Yang-Cha-rakter von Symptomen und Zeichen besprochen wurde, betont werden, dass auch wenn die Unterscheidung zwi-schen Yin und Yang bei den klinischen Manifestationen grundlegend ist, sie nicht genau genug ist, um in der Pra-xis von großem klinischem Nutzen sein zu können. Ein Beispiel: Wenn das Gesicht zu rot ist, deutet dies auf ei-nen Yang-Exzess hin. Diese Schlussfolgerung ist jedoch zu allgemein, um uns einen Hinweis auf die angemesse-ne Behandlungsmethode zu geben. Das Gesicht könnte nämlich aufgrund einer Fülle-Hitze oder Leere-Hitze durch einen Yin-Mangel gerötet sein; beide Formen kön-nen als Yang-Exzess klassifi ziert werden. Wenn Fülle-Hitze vorläge, müsste man weiter diff erenzieren, welches Organ hauptsächlich daran beteiligt ist: das Gesicht könnte aufgrund von Leber-Feuer, Herz-Feuer, Lungen-Hitze oder Magen-Hitze gerötet sein. Die Behandlung wäre in jedem einzelnen Fall unterschiedlich.

Die Yin-Yang-Th eorie ist also trotz ihrer fundamenta-len Bedeutung zu allgemein, um uns konkrete Richtlini-en zur Behandlung bereitzustellen. Wie wir später sehen werden, muss die Yin-Yang-Th eorie in die Acht Prinzi-pien und die Th eorie der Krankheitsmuster der inneren Organe integriert werden, um auf tatsächliche klinische Zustände angewendet werden zu können (›Kapitel 30 bis ›Kapitel 42). Die Yin-Yang-Th eorie ist nichtsdes-toweniger die notwendige Grundlage, um Symptome und Zeichen verstehen zu können.

1.4.2 Wechselseitige Abhängigkeit von Yin und Yang

Yin und Yang sind Gegensätze, aber sie sind auch wech-selweise voneinander abhängig. Yin und Yang können nicht isoliert bestehen, was sehr off ensichtlich wird, wenn man die Physiologie des Körpers betrachtet. Alle physiologischen Prozesse sind das Ergebnis von Gegen-sätzlichkeit und wechselseitiger Abhängigkeit von Yin und Yang. Die Funktionen der inneren Organe in der Chinesischen Medizin zeigen die wechselseitige Abhän-gigkeit von Yin und Yang sehr deutlich.

Yin- und Yang-Organe

Die Yin- und Yang-Organe weisen ganz verschiedene Funktionen auf, aber gleichzeitig sind sie bei der Erfül-lung dieser Funktionen aufeinander angewiesen. Die Yin-Organe hängen von den Yang-Organen ab, um Qi und Blut aus der Nahrungsumwandlung zu produzieren. Die Yang-Organe sind bezüglich ihrer Nährung auf die

Yin-Organe angewiesen, die sich aus Blut und Essenz speist, die in den Yin-Organen gespeichert sind.

Struktur und Funktion der Organe

Jedes Organ weist eine Struktur auf, die durch das Organ selbst sowie durch Blut und Körperfl üssigkeiten, die in ihm enthalten sind, repräsentiert wird. Gleichzeitig hat jedes Organ eine bestimmte Funktion, die die Struktur sowohl beeinfl usst als auch von der Struktur beeinfl usst wird. Beispielsweise wird die Struktur der Leber durch das Organ an sich sowie durch das in ihr gespeicherte Blut repräsentiert. Im Besonderen hat die Leber die Funktion, das Blut zu speichern. Eine weitere Funktion der Leber ist es, den reibungslosen Qi-Fluss im ganzen Körper zu gewährleisten. Indem sie den reibungslosen Qi-Fluss aufrechterhält, sorgt sie auch für eine Blut-Be-wegung und bewirkt dadurch eine angemessene Blut-Speicherung in sich selbst. Dies ist ein Beispiel dafür, wie die Leber-Funktion die Leber-Struktur unterstützt. Auf der anderen Seite benötigt das Leber-Organ, um sei-ne Funktion ausüben zu können, die Nährung durch das Blut, was ein Beispiel dafür ist, wie die Leber-Struktur die Leber-Funktion unterstützt.

Ohne Struktur (Yin) könnte die Funktion (Yang) nicht ausgeführt werden; ohne Funktion würde es der Struktur an Transformation und Bewegung mangeln.

Im 5. Kapitel von ‚Einfache Fragen‘ heißt es: „Yin ist im Inneren und ist die materielle Basis von Yang; Yang ist an der Oberfl äche und ist die Manifestation von Yin.“ 12

1.4.3 Wechselseitiger Verbrauch von Yin und Yang

Yin und Yang befi nden sich in einem kontinuierlichen Wechsel, so dass der Anstieg des einen den Verbrauch des anderen zur Folge hat, damit das Gleichgewicht ge-wahrt bleibt. Dies können wir leicht am Abnehmen und Zunehmen von Tag und Nacht beobachten. Wenn sich der Tag zu Ende neigt, nimmt Yang ab und Yin zu. Ge-nau das Gleiche können wir im Kreislauf der Jahreszei-ten beobachten. Wenn der Frühling kommt, beginnt Yin abzunehmen und Yang nimmt zu. Über die bloße Be-wahrung ihres Gleichgewichts hinaus ‚verbrauchen‘ Yin und Yang einander. Wenn das eine ansteigt, muss das andere abnehmen. Ein Beispiel: Wenn das Wetter unge-wöhnlich heiß wird (Yang), trocknet das Wasser (Yin) im Erdboden aus.

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1.4 Anwendung der vier Prinzipien von Yin und Yang in der Medizin

• Wenn Yin verbraucht wird, steigt das Yang. • Wenn Yang verbraucht wird, steigt das Yin. • Wenn Yin ansteigt, wird Yang verbraucht. • Wenn Yang ansteigt, wird Yin verbraucht.

Im menschlichen Körper können wir den wechselseiti-gen Verbrauch von Yin und Yang aus physiologischer und aus pathologischer Sicht betrachten.

Aus physiologischer Sicht ist der wechselseitige Ver-brauch von Yin und Yang ein normaler Prozess, der die physiologischen Funktionen im Gleichgewicht hält. Die-ser Prozess kann bei allen physiologischen Vorgängen beobachtet werden, beispielsweise bei der Regulation des Schwitzens, der Harnausscheidung, der Körpertem-peratur, der Atmung usw. So ist im Sommer das Wetter heiß (Yang), so dass wir mehr schwitzen (Yin). Wenn die Außentemperatur sehr niedrig ist (Yin), beginnt der Körper in dem Versuch, etwas mehr Wärme zu produ-zieren, zu zittern (Yang).

Aus pathologischer Sicht können Yin oder Yang über ihren normalen Pegel hinaus ansteigen und zum Ver-brauch der gegensätzlichen Qualität führen. So kann die Temperatur während einer Infektionskrankheit anstei-gen (Yang-Exzess), was zu Trockenheit und Erschöp-fung der Körperfl üssigkeiten führen kann (Yin-Ver-brauch). Obwohl man dies als einen Versuch des Kör-pers betrachten könnte, das Gleichgewicht zwischen Yin und Yang aufrechtzuerhalten (Körperfl üssigkeiten und Temperatur), handelt es sich dabei doch nicht um ein normales, sondern um ein pathologisches Gleichge-wicht, das auf einem Yang-Exzess beruht. Man könnte noch weiter gehen und behaupten, dass die erhöhte Kör-pertemperatur ja ein Versuch des Körpers sei, einen pa-thogenen Faktor zu bekämpfen. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass der Temperaturanstieg einen Yang-Exzess darstellt, der zu einem Yin-Verbrauch führt.

Vom pathologischen Standpunkt aus betrachtet, kön-nen vier verschiedene Zustände eintreten: ein Yin- oder Yang-Exzess, der zu Yang- bzw. Yin-Verbrauch führt, oder ein Yang- oder Yin-Verbrauch, der einen scheinba-ren Yin- bzw. Yang-Exzess zur Folge hat. Es ist wichtig anzumerken, dass Yang-Exzess und Yin-Verbrauch nicht dasselbe sind. Bei einem Yang-Exzess ist der pri-märe Faktor der abnorme Anstieg des Yang, der zu ei-nem Yin-Verbrauch führt. Beim Yin-Verbrauch ist der primäre Faktor der Yin-Mangel, der spontan entsteht und zu einem scheinbaren Yang-Exzess führt.

Die folgenden fünf Diagramme (›Abb. 1.10 bis ›Abb. 1.14) sollen dies veranschaulichen.›Abb. 1.10 zeigt Yin und Yang im Gleichgewicht.

Yin-Exzess

Ein Beispiel hierfür ist ein Exzess von (innerer oder äu-ßerer) Kälte, die im Körper das Yang verbraucht. Es handelt sich um Fülle-Kälte. (›Abb. 1.11)

Yang-Exzess

Ein Beispiel hierfür ist ein Exzess von (innerer oder äu-ßerer) Hitze, der die Körperfl üssigkeiten verbraucht (die zum Yin gehören) und zu Trockenheit führt. Es handelt sich um Fülle-Hitze. (› Abb. 1.12)

Yang-Verbrauch

Dazu kommt es, wenn die Yang-Energie des Körpers spontan in einen Mangelzustand gerät. Die Abnahme der Yang-Energie führt zu Kälte, Frösteln und anderen Symptomen, die in einem gewissen Ausmaß denen äh-neln, die durch einen Yin-Exzess verursacht wurden. Die Situation ist jedoch ganz unterschiedlich, da bei ei-

Abb. 1.10 Gleichgewicht von Yin und Yang

Abb. 1.11 Yin-Exzess

Abb. 1.12 Yang-Exzess

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16 A - 1 Yin und Yang

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nem Yin-Exzess ebendieser der primäre Aspekt ist, der zu einem Yang-Verbrauch führt. Im Falle von Yang-Verbrauch ist die Yang-Abnahme der primäre Aspekt und das Yin ist nur scheinbar im Exzess. Dies nennt man Leere-Kälte. (› Abb. 1.13)

Yin-Verbrauch

Dazu kommt es, wenn die Yin-Energien des Körpers er-schöpft sind. Die Yin-Abnahme kann zu Symptomen ei-nes scheinbaren Yang-Exzesses führen, wie etwa Hitze-empfi ndungen. Auch hier ist die Situation wieder ganz anders als bei einem Yang-Exzess. Bei einem Yang-Ex-zess ist ebendieser der primäre Aspekt. Bei einer Yin-Abnahme ist dies der primäre Aspekt und das Yang be-fi ndet sich nur scheinbar im Exzess. Dies nennt man Leere-Hitze.

Die Unterscheidung zwischen Leere-Kälte und Fülle-Kälte bzw. zwischen Leere-Hitze und Fülle-Hitze ist von größter praktischer Bedeutung, denn in Fällen von Leere muss tonisiert werden, in Fällen von Fülle hingegen müssen die pathogenen Faktoren ausgetrieben werden. (›Abb. 1.14)

Der ›Kasten 1.1 fasst Hitze und Kälte zusammen.

1.1 Gegenseitiger Verbrauch von Yin und Yang: Hitze und Kälte

1. Yin-Exzess = Fülle-Kälte 2. Yang-Exzess = Fülle-Hitze 3. Yang-Verbrauch = Leere-Kälte 4. Yin-Verbrauch = Leere-Hitze

1.4.4 Wechselseitige Umwandlung von Yin und Yang

Auch wenn Yin und Yang Gegensätze darstellen, kön-nen sie sich ineinander verwandeln. Diese Transforma-tion fi ndet nicht willkürlich statt, sondern wird durch das jeweilige Entwicklungsstadium und durch innere Bedingungen bestimmt.

Zunächst fi ndet der Wechsel statt, wenn die Bedin-gungen zu einem bestimmten Zeitpunkt reif sind. Der Tag kann sich nicht zu jeder Zeit in die Nacht verwan-deln, sondern nur, wenn er den Zeitpunkt seiner Er-schöpfung erreicht hat.

Die zweite Bedingung für die Veränderung wird durch die inhärenten Eigenschaft en jedes Dings oder Phäno-mens bestimmt. Holz kann sich in Kohle wandeln, ein Stein jedoch nicht.

Der wechselseitige Umwandlungsprozess von Yin und Yang kann bei vielen Naturphänomenen beobach-tet werden, so zum Beispiel im Wechsel von Tag und Nacht, im Wechsel der Jahreszeiten und des Klimas.

Das Prinzip der wechselseitigen Umwandlung von Yin und Yang hat viele Anwendungsbereiche in der kli-nischen Praxis. Das Verstehen dieser Transformation ist wichtig für die Krankheitsverhütung. Wenn wir uns des-sen bewusst sind, wie sich ein Ding in sein Gegenteil ver-wandeln kann, können wir dem vorbeugen und ein Gleichgewicht erzielen, das die Essenz der Chinesischen Medizin darstellt.

Zum Beispiel führt übermäßiges Arbeiten (Yang) oh-ne Ruhepausen zu einem extremen Mangel (Yin) an Körperenergien. Übermäßiges Jogging (Yang) bewirkt einen sehr langsamen (Yin) Puls. Übermäßiger Alkohol-genuss schafft eine angenehme Hochstimmung (Yang), der schnell ein Kater (Yin) folgt. Übermäßige Sorgen (Yang) erschöpfen die Körperenergien (Yin). Übermä-ßige sexuelle Aktivität (Yang) erschöpft die Essenz (Yin). Daher ist nach der Chinesischen Medizin ein Gleichge-wicht in unserem Leben bezüglich Ernährung, sportli-cher Betätigung, Arbeit, Gefühlsleben und sexueller Ak-tivität die Essenz der Krankheitsvorbeugung. Ein Ver-ständnis dessen, wie sich Yang in Yin verwandeln kann und umgekehrt, hilft uns, rasche Übergänge des einen ins andere zu vermeiden, da diese unserem physischen und emotionalen Leben abträglich sind. Es ist jedoch in unserer modernen westlichen Gesellschaft , die anschei-nend darauf aus ist, von einem Extrem ins andere zu fallen, wohl nichts schwieriger zu erreichen als ein sol-ches Gleichgewicht.

Die Yin-Yang-Transformation kann auch in der klini-schen Praxis anhand von pathologischen Veränderun-gen beobachtet werden. Beispielsweise kann äußere Käl-

Abb. 1.13 Yang-Verbrauch

Abb. 1.14 Yin-Verbrauch

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1.4 Anwendung der vier Prinzipien von Yin und Yang in der Medizin

te in den Körper eindringen und sich nach einer gewis-sen Zeit leicht in Hitze verwandeln. Ein Exzess-Zustand kann sich leicht in einen Mangel umwandeln. So kann übermäßige Hitze die Körperfl üssigkeiten schädigen und zu einem Mangel an Körperfl üssigkeiten führen. Ei-ne Mangel-Situation kann auch in einen Exzess um-schlagen. Beispielsweise kann ein Milz-Yang-Mangel zu übermäßiger Feuchtigkeit oder zu Schleim führen. Es ist aus diesem Grund sehr wichtig, die Yin-Yang-Transfor-mation in der klinischen Praxis erkennen zu können, um den Zustand adäquat zu behandeln.

Z U S A M M E N F A S S U N GIn diesem Kapitel wurden folgende Themen angesprochen: 1. Wie man das Konzept von Yin und Yang erfasst. 2. Die Klassifikation der Phänomene nach Yin und Yang. 3. Die vier Aspekte der Yin-Yang-Wechselbeziehung. 4. Wie man die Yin-Yang-Theorie auf die Medizin anwendet. 5. Die Auffassung der Konzepte von Yin-Mangel, Yang-Man-

gel, Yin-Exzess und Yang-Exzess.

ANMERKUNGEN 1 Needham, J. 1977. Science and Civilization in China. Bd. 2.

Cambridge University Press, Cambridge, S. 303. 2 Eine eingehendere Diskussion der historischen Entwicklung

der Yin-Yang-Theorie über die Jahrhunderte würde den Rah-men dieses Buches sprengen. Der interessierte Leser sei auf folgende Werke verwiesen:

Fung, Yulan 1966. A Short History of Chinese Philosophy.Macmillan, New York.

Granet, M. 1967. La Pensée Chinoise. Albin Michel, Paris. Moore, C. A. 1967. The Chinese Mind. University Press of

Hawaii, Honolulu. Needham, J. 1956. Science and Civilization in China. Bd. 2.

Cambridge University Press, Cambridge. Wing Tsit Chan 1969. A Source Book in Chinese Philosophy.

Princeton University Press, Princeton.

3 Granet, M. La Pensée Chinoise. Albin Michel, Paris, S. 367. 4 1979. The Yellow Emperor's Classic of Internal Medicine -

Simple Questions (Huangdi neijing suwen, 黄帝内经素问). People's Health Publishing House, Beijing, S. 44.

5 Es ist interessant, dies mit der westlichen kulturellen Auffas-sung von links und rechts zu vergleichen, wonach ‚links‘ eher ‚schlecht‘ und ‚rechts‘ eher ‚gut‘ ist. Einige Beispiele in der englischen Sprache sind hierfür die Wörter ‚sinister‘ (mit ei-nem etymologischen Bezug zu ‚links‘), ‚cack-handed‘ (das sowohl ‚linkshändig‘ als auch ‚ungeschickt‘ bedeutet) und ‚dexterous‘ (mit der Bedeutung von ‚rechtshändig‘ und ‚geschickt‘).

6 Simple Questions, S. 31. 7 Science and Civilization in China. Bd. 2, S. 41. 8 Simple Questions, S. 31. 9 Zitiert nach Bahm, A. 1960. Tao Teh King. Frederick Ungar

Publishing, New York, S. 38 10 Simple Questions, S. 77–78. 11 Simple Questions, S. 32. 12 Simple Questions, S. 42–43.

WEITERFÜHRENDE LITERATUR Needham, J. 1977. Science and Civilization in China. Bd. 2.

Cambridge University Press, Cambridge. Fung Yulan 1966. A Short History of Chinese Philosophy. Free

Press, New York. Moore, C. A. 1967. The Chinese Mind. University Press of

Hawaii, Honolulu. Wing Tsit Chan 1969. A Source Book in Chinese Philosophy.

Princeton University Press, Princeton. Kaptchuk, T. 2000. The Web that has no Weaver – Understand-

ing Chinese Medicine. Comtemporary Books, Chicago. Wilhelm, R. 1967. The I Ching. Routledge & Kegan Paul,

London. Wang Bi 1994. The Classic of Changes (übersetzt von R. J.

Lynn). Columbia University Press, New York.

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