Kapitel 3 Der Competitive Inteligence Zyklus

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3 Der Competitive-Intelligence-Zyklus

Solange man selbst den Krieg nicht kennt, begreift man nicht, wo die Schwierigkeiten der Sache liegen, von denen immer die Rede ist, und was eigentlich das Genie und die auerordentlichen Geisteskrfte zu tun haben, die vom Feldherrn gefordert werden. Alles erscheint so einfach, alle erforderlichen Kenntnisse erscheinen so flach, alle Kombinationen so unbedeutend, dass in Vergleichung damit uns die einfachste Aufgabe der hheren Mathematik mit einer gewissen wissenschaftlichen Wrde imponiert. Wenn man den Krieg gesehen hat, wird alles begreiflich, und doch ist es uerst schwer, das denjenigen zu beschreiben, was die Vernderung hervorbringt, diesen unsichtbaren und berall wirksamen Faktor zu nennen. Carl von Clausewitz (aus: Vom Krieg) Preuischer General und Militrschriftsteller (1780-1831)

3.1 EinfhrungIn diesem Kapitel werden die Grundlagen der eigentlichen CI-Operationen vorgestellt. Fr die einzelnen Phasen (vgl. Abbildung 3.1), bestehend aus Bedarfsbestimmung, Planung, Datenerhebung1, Datenaufbereitung, Analyse2 und Berichterstellung, werden die grundlegenden Verfahren und Ttigkeiten erlutert. Auf die Etablierung des CI-Zyklus in einem CI-Center wird in Kapitel 7 eingegangen. Als Faustformel fr den zeitlichen Bedarf der einzelnen Schritte des CIZyklus gilt: 10% fr Planung 40% fr Datenerhebung 30% fr Aufbereitung und Analyse 20% fr Berichterstellung, Kommunikation und Dokumentation.1

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Eine vertiefende Betrachtung der Informationserhebung (HUMINT, Internet und Online-Datenbanken) befindet sich im Kapitel 4. Die eigentlichen Analysemethoden werden in den Kapiteln 5 und 6 beschrieben.

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Grundstzlich werden drei Durchfhrungsformen von CI-Aktivitten unterschieden (vgl. Abbildung 3.1): Projekte, Scanning und Monitoring. Unter CI-(Recherche-)Projekten versteht man zeitlich befristete Recherchen mit definierten Zielen, Budgets und Vorgehensweisen. Der hierbei bliche Ablauf wird in diesem Kapitel beschrieben. Die Schwerpunkte beim CI-Scanning (auch als Scouting bezeichnet, vgl. Abschnitt 8.2) liegen auf der Identifikation von kontinuierlichen und diskontinuierlichen Vernderungen des Unternehmensumfelds (insbesondere der Wettbewerber), die potenzielle Chancen oder Gefahren fr das eigene Unternehmen oder seine Strategien darstellen3. Die Vorgehensweise ist die gleiche wie bei einem unfokussierten CI-Rechercheprojekt. Sind interessante Themen identifiziert, erfolgt anschlieend deren detaillierte Untersuchung in CI-Projekten. Unter Monitoring wird das kontinuierliche Beobachten von bereits bekannten Recherchegegenstnden (Wettbewerber-Websites, Frhwarnindikatoren, Patentdatenbanken etc.) verstanden. Die Vorgehensweise zur Identifikation der Indikatoren ist in Abschnitt 5.3.2 beschrieben. Monitoring-Objekte werden in Kapitel 4 behandelt.

Abb. 3.1 Der CI-Zyklus (nach Ashton u. Klavans 1997)

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Hufig werden Scanning-Aktivitten zur (strategischen) Frhwarnung durchgefhrt.

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3.2 Phasen des CI-Zyklus3.2.1 CI-Zyklus, Schritt 1: CI-BedarfsbestimmungJede Schlacht ist schon gewonnen, bevor sie begonnen hat. Sun Zu Chinesischer Militrtautor (ca. 300 Jahre v. Chr.)

CI-Projekte werden fr konkrete Aufgabenstellungen zur Entscheidungsuntersttzung durchgefhrt. Die hierfr bentigte Intelligence wird vorab in einer Bedarfsbestimmung erhoben. Hierbei werden die KITs (Key Intelligence Topics Intelligence-Schlsselthemen) identifiziert und daraus die zu recherchierenden KIQs (Key Intelligence Questions Schlsselfragen) abgeleitet. Es hat sich bewhrt, diese Erhebung durch Interviews mit den CI-Nutzern durchzufhren. Die KITs sollten vor folgendem Hintergrund formuliert werden (vgl. Abschnitt 7.2.2): 1. Welche Entscheidung steht an? (Beispiel: Entscheidung fr oder gegen einen neuen Produktionsstandort in China) 2. Vor welchem Hintergrund ist diese Entscheidung zu treffen? (Im Beispiel: strategische Partnerschaft mit chinesischen Unternehmen angestrebt; Nutzung der Distributionskanle des Partners fr einen effizienten Marktzugang) 3. Warum soll diese Entscheidung getroffen werden (Handlungsbedarf, prventive oder reaktive Handlungsoptionen)? (Im Beispiel: Ausnutzung der berlegenen Produkttechnologie im asiatischen Raum; Besetzen einer Marktnische, bevor ein Wettbewerber dies versuchen wird) 4. Bis wann muss diese Entscheidung getroffen werden? (Im Beispiel: in den nchsten sechs Monaten) 5. Welche Rolle spielt die zu beschaffende Intelligence in dieser Entscheidungssituation? (Im Beispiel: Bentigt werden weitere Erkenntnisse ber den lokalen strategischen Partner. Ebenso sind entsprechende Erwgungen der Wettbewerber zu hinterfragen: Lgen dort hnliche Plne vor, wrde ein neuer Produktionsstandort u.U. nur wenig Sinn machen.) Abgeleitete KITs und KIQs des Beispiels: KIT: Nutzen der angestrebten strategischen Partnerschaft KIQ: Wie geeignet sind die Distributionskanle des Partners? KIQ: Plant der Partner weitere JVs mit Wettbewerbern? KIQ: Planen Wettbewerber strategische Partnerschaften in der Region?

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KIQ: Ist der angestrebte Produkteinfhrungstermin unter den lokalen Randbedingungen realistisch? Die folgenden Randbedingungen sollten bei einer Intelligence-Bedarfserhebung dokumentiert werden: Bentigter Reporttyp, Berichtsformat und Stil (vgl. Abschnitt 3.2.14) Mindestzuverlssigkeit der gefundenen Erkenntnisse (z.B. Konfidenzintervalle fr numerische Angaben) Durchzufhrende Analysen und Umfang der Analysen (z.B. Strategische Marktsegmentierung mit Beschrnkung auf die Top drei der Wettbewerber) Ressourceneinsatz und Kosten (interne/externe Budgets) Zeitpunkt, bis zu dem die Ergebnisse vorliegen mssen. Gerade diese Randbedingungen sind es, die neben dem eigentlichen Recherchegegenstand die weitere Vorgehensweise bestimmen (Art, Umfang, Ressourcen bei Datenerhebung und -analyse). Die Bedarfsermittlung sollte deshalb so realistisch und konkret wie mglich sein. Beispielsweise kann erst durch konkrete Anforderungen die Notwendigkeit eines frhzeitigen Projektabbruchs erkannt werden. 4 Die Hauptgefahr fr den CI-Einsteiger besteht darin, zu hohe Erwartungshaltungen bei den CI-Nutzern zu wecken, indem zu viele KITs erhoben werden und deren Bearbeitung angekndigt wird. Besser ist es, eine klar fokussierte kleine Agenda zu erstellen und diese kontinuierlich zu erweitern. Ein generisches Wettbewerberprofil, aus dem sich typische Fragestellungen ableiten lassen, ist im Anhang 9.1 aufgefhrt.Checkliste: Aufgaben des CI-Teams whrend der CI-Bedarfsermittlung

Erhebung der Intelligence-Bedrfnisse (und damit der KITs) der CINutzer (Inhalt, Format, Berichtsform) Dokumentation der Recherche-Randbedingungen.

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In diesem Fall lassen sich die Ressourcen schonen und die Glaubwrdigkeit der CI-Abteilung aufrechterhalten. Ein rechtzeitiger Rechercheabbruch ist sinnvoller als ein misslungenes Endlosprojekt.

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3.2.2 CI-Zyklus, Schritt 2: Planung, Organisation und Controlling des CI-ZyklusPlans are nothing, planning is everything. Dwight D. Eisenhower 34. Prsident der USA (1890-1969)

Der Erhebungsplan bestimmt die eigentliche Vorgehensweise der CI-Recherche (Ziele, Quellen, zeitlicher Ablauf der Erhebung5, beteiligte Personen, Meilensteine etc.). In ihm werden operative Details festgelegt, wie z.B. die Umsetzung der KIQs in recherchierbare Indikatoren6. Die Herausforderung bei dieser Planung ist es, ein kritisches Informationsvolumen sicherzustellen bei gegebenem Budget und Berichtstermin. Nur wenn dieses kritische Volumen an Informationen erreicht wird, kann spter eine sinnvolle Analyse durchgefhrt werden. Um diese Masse an Informationen zu gewinnen, sind einerseits multiple Informationsquellen7 einzuplanen (die ber voneinander unabhngiges Wissen verfgen), zum anderen ist ein ausgewogener Quellenmix anzustreben8. Durch die kritische Masse an Informationen sollen so genannte Fehler erster Ordnung vermieden werden (vgl. Tab. 3.1): Obwohl die Recherchehypothese sich als richtig herauskristallisiert, werden keine Indikatoren bzw. Evidenz gefunden. Zur Absicherung von Erkenntnissen gehrt auch die gezielte negative Recherche, d.h. der Nachweis, dass das Nicht-vorhanden-Sein eines Recherchegegenstandes durch das Nichtauffinden der zugehrigen Indikatoren (bzw. Evidenz) belegbar ist (vgl. Abschnitt 6.2.3). Durch diesen Nachweis erhht sich die Plausibilitt der Erkenntnisse (vgl. Abschnitt 1.2.3), whrend gleichzeitig ein Fehler zweiter Ordnung vermieden werden soll. Mit einem Fehler zweiter Ordnung wird das irrtmliche Auffinden von Evidenz bezeichnet, obwohl die Recherchehypothese nicht zutreffend ist (vgl. Tabelle 3.1). Ebenso ist in dieser Phase zu planen, welcher Rechercheur welche Quellen bearbeitet. Gerade wenn mit externen Netzwerken und Unterauftrag-

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Vgl. Exkurs 3.2.4. Vgl. Exkurs 3.2.3. Vgl. Abschnitt 1.2.3. Durch unterschiedlichen Bezug zum Recherchethema ist eine breite Informationsbasis (z.B. ber Lnder oder Industrien) zu erreichen.

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nehmern9 gearbeitet wird, ist eine strikte Planung der Kontaktsequenzen und der Reporting-Zyklen zur Synchronisation des Projektes notwendig.Tabelle 3.1 Beispiel fr Fehler erster und zweiter Ordnung bei einer RechercheWird ein Wettbewerber einen Merger eingehen? Auf Merger hinweisende Indikatoren beobachtet Auf Merger hinweisende Indikatoren nicht beobachtet Intelligence unvollstndig (Fehler 1. Ordnung) Intelligence o.k.

Tatschlicher Merger

Intelligence o.k.

Kein Merger

Missinterpretierte oder fehlerhafte Intelligence (Fehler 2. Ordnung)

Whrend der Projektumsetzung ist eine hohe Flexibilitt erforderlich: Erste Rechercheerkenntnisse verndern die KITs, als sicher angenommene Randbedingungen werden schnell von der Realitt berholt. Aussichtsreiche Quellen erweisen sich als wertlos, anfnglich unbekannte Quellen entwickeln sich hingegen zu wahren Goldgruben.

Abb. 3.2 Zusammenspiel von CI-Team, CI-Nutzer und Rechercheteams9

Die eigentlichen Rechercheure und Kontaktpersonen werden auch als (Recherche-)Teams bezeichnet.

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Es bleibt ein kontinuierliches Anpassen der Planung an eine sich verndernde Aufgabenstellung. Die Abwicklung umfangreicher CI-Projekte erfolgt daher mit einer strikten Projektmanagement-Vorgehensweise (Fortschrittskontrollen, Termine, Aktivittsplanung mit Gant-Diagrammen, Arbeitspakete mit Verantwortlichen, Meilensteine, Berichte; vgl. z.B. Madauss 1990).Performance Reviews

Nach Abschluss einer CI-Recherche erfolgt eine Bewertung der Durchfhrungseffizienz und rckblickend ein Vergleich der berichteten Intelligence und der tatschlich eingetretenen Ereignisse (Performance Monitoring der CI-Abteilung)10. Informationsquellen (primr und sekundr) werden hierbei nach ihrer Zuverlssigkeit beurteilt und diese Bewertung wird fr sptere Projekte dokumentiert (z.B. in einer Quellendatenbank). Beispiele fr Fragen in einem Performance Review: Warum traten vorhergesagte Entwicklungen nicht ein? Fehlten wesentliche Informationen? Htten diese fehlenden Informationen vorliegen knnen? Waren sich ndernde Randbedingungen ausschlaggebend? Wurden diese nderungen vorhergesehen? Wurden Fehlinterpretationen vorliegender Informationen vorgenommen? Wurde das Herausfiltern wesentlicher Informationen fehlerhaft durchgefhrt? Wurde das Nicht-wahrhaben-Wollen von eigentlich nahe liegenden Intentionen von Wettbewerbern den Analysten zum Verhngnis (vgl. Abschnitt 2.2)? Fehlte das Interesse der Entscheider, die Intelligence-Berichte bei ihrer Entscheidungsfindung zu bercksichtigen? Performance Reviews sind extrem wichtig fr den Erfahrungsaufbau der beteiligten Analysten und Nutzer, werden aber hufig nicht durchgefhrt! Es liegt in der menschlichen Natur (vgl. Abschnitt 2.4), besonders stark die Fehlschlge, so auch die einer CI-Abteilung, zu verinnerlichen, whrend erfolgreiche Projekte nur zu gerne als selbstverstndlich hingenommen und nicht weiter beachtet werden. Eine objektive Statistik kann hier nur hilfreich sein, um einer Legendenbildung entgegenzuwirken (vgl. Abschnitt 7.3.8).10

Bei Scanning-Aktivitten erfolgt entsprechend ein periodischer Performance Review.

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Checkliste: Aufgaben des CI-Teams whrend der Planungsphase

Planung der Datenerhebung und -analyse Umsetzung der Aufgabenstellung (KIQs) in Recherchegegenstnde (z.B. Indikatoren, die auf einen Sachverhalt hinweisen) - Abschtzung von Schwierigkeit, Komplexitt, Kosten, Dauer der Erhebung und Auswertung der Recherche - Identifikation und Mapping potenzieller Quellen (primr und sekundr) - Festlegung der Verantwortlichen fr Abwicklung und Berichterstattung - Vorauswahl potenzieller Analysekonzepte und damit der hierfr bentigten Datenbasis (Qualitt, Umfang, Formate) Auswahl der Recherchestrategien und -ziele - Sequenzielle oder parallele Vorgehensweise bei der Bearbeitung der Recherchegegenstnde (vgl. Abschnitte 3.2.4 und 3.2.6) unter Bercksichtigung von Kosten und Erfolgsaussichten - Auswahl und Einweisung der Rechercheteams (Briefing auf Need-toknow-Basis)11 Dokumentation des Projektverlaufs Dokumentation der CI-Performance (Qualitt und Quantitt der gewonnenen Intelligence)-

3.2.3 Exkurs: Organisation der CI-Recherche (Erhebungsplanung) Kernstck der Erhebungsplanung ist die Quellen/KIQ-Matrix. Diese bersicht ordnet den Ausgangsfragen (Themenbereichen, KIQs) potenzielle Quellen zu. Ein schematisches Beispiel ist in Tabelle 3.2 aufgefhrt. Die Quellen/KIQ-Matrix ermglicht eine Priorisierung und Aufwandsschtzung der einzelnen Rechercheziele.

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Insbesondere bei externen Rechercheuren wird nur so viel an Hintergrundinformationen weitergegeben, wie unbedingt fr die Ausfhrung der Recherchen notwendig ist. Einerseits soll so eine Beeinflussung der Rechercheure verhindert werden (Voreingenommenheit, Erwartungsdruck, bestimmte Ergebnisse liefern zu mssen), andererseits muss verhindert werden, dass sich im Falle eines Bekanntwerdens der Rechercheinhalte Rckschlsse auf die Intentionen des eigenen Unternehmens ziehen lassen (vgl. Beitrag 8.3.4).

3.2 Phasen des CI-Zyklus Tabelle 3.2 Beispiel fr einen Datenerhebungsplan Reportdatum: Lfd. Nr. Erhebungsplanung Projekt: ALPHA

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Genereller Infor- Spezifischer Infor- Indikatoren Potenmationsbedarf mationsbedarf Key Intelligence zielle Questions (KIQs) Quellen Tatschliche u. geplante Business-Daten Pro Geschftsfeld Auftragseingang Sind neue Auftrge absehbar (in VerhandLagerbestand lung)? Wie wird die Zu..... kunft der Industrie eingeschtzt? Trends? Hire or Fire? (siehe Outsourcing) Kritische Masse fr reibungslosen Ablauf? ... Umsatz ... Gewinn ... OrganisationsName, Funktion charts pro Lokation und Lokation der Mitarbeiter (Manager) Mitarbeiterzahl pro Abteilung ... .... ....

1.Business-Daten

2.BusinessStruktur

Wie ist ALPHA organisiert? Zuknftige Trends?

.... .... .... ....

Tabelle 3.3 ermglicht neben der Erhebungsplanung auch eine schnelle bersicht ber tatschlich erhobene Sachverhalte whrend der Projektabwicklung (vgl. Abschnitt 6.2.3 fr eine Auswertung der Indikatoren pro Ausgangsfrage). Ebenso kann der Informationsbedarf direkt den Quellen und deren Aussagen gegenbergestellt werden.

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Tabelle 3.3 Planungsbeispiel: Informationsbedarf und zugehrige Quellen

KIQ: Wird die ALPHA AG ein neues Produkt einfhren? Quellen Informationsbedarf (KIQs) Wurden neue Materialzulieferer kontaktiert? Wurde eine Marketingagentur engagiert? Wurde der Distributor in Land X gewechselt? ... Zulieferer Y X X Distributor Z X Messeteam O O ... Prioritt

A A B

Legende: X: Indikator liegt vor O: laufende Recherchen : Kein Indikator gefunden

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3.2.4 Exkurs: Phasen eines CI-Projektes Es empfiehlt sich, ein CI-Projekt nach vorab definierten Phasen abzuarbeiten (vgl. Abbildung 3.3). Projektphasen: 1. Warming-up Einarbeitung in die Ablaufplanung, die Projektrandbedingungen, die Erwartungshaltung der Entscheider und der beteiligten Akteure (CITeam, Entscheider, Gatekeeper etc.) 2. Evaluations-Phase Sichten der vorhandenen Informationen, erste Sekundrrecherchen und explorative Primrkontakte (Verfgbarkeit, Realitycheck der Erhebungsstrategie) 3. Erste Hauptphase Sekundrrecherchen und Auswertung, gezielte Primrkontakte (vgl. Abschnitt 3.2.6) 4. Zweite Hauptphase Weitere Primrkontakte zum Schlieen von Informationslcken und zur Absicherung von Ergebnissen, Sekundrrecherchen zur Plausibilittskontrolle, Analyse und Reporting (Abschlussbericht) 5. Q&A (Questions & Answers) Klrung von Zusatzfragen und Randbedingungen der Erhebung, Bewertung des Projekterfolges

Abb. 3.3 Volumen der Sekundr- und Primrerhebung eines CI-Projektes

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Am Ende jeder Phase steht ein go/no-go-Meilenstein: Liegen die erreichten Projektfortschritte weit hinter dem Plan, so kann zu diesen Zeitpunkten ein Abbruch erfolgen, da ein Erfolg innerhalb der gegebenen ZeitBudget-Restriktionen immer unwahrscheinlicher wird. Entsprechend realistisch mssen die zu erreichenden Projektfortschritte definiert und quantifiziert werden (vgl. Aufgaben in der Planungsphase, Abschnitt 3.2.2). Fortschrittsparameter sind z.B. Anteile der beantworteten KIQs, erfolgreich durchgefhrte Interviews, bentigtes Budget bis zum Projektende etc. Abbildung 3.4 zeigt einen typischen Mittelabfluss (Projektaufwand) und die Zielerreichung ber den jeweiligen Projektphasen auf. Ebenfalls bei der Planung zu bercksichtigen ist die Projektfrustkurve (s. Abbildung 3.3). Sie beschreibt das Wechselbad der Gefhle eines CITeams whrend des Projektverlaufs: Anfnglich schwelgt der Manager in Euphorie, gilt es doch, erste Erhebungen zu planen und operative Manahmen einzuleiten. Alles erscheint mglich. Die Erwartungshaltung der CINutzer motiviert zu Spitzenleistung. Sobald sich jedoch eine steigende Flut an Informationen aus Sekundrrecherchen einstellt, nimmt auch der Frust rapide zu. Schlielich versinkt das Projekt in unergiebigem Informationshandling, das Projektziel scheint in weite Ferne zu rcken. Erste Nachfragen der Intelligence-Nutzer nach konkreten Erkenntnissen frdern die Stimmung nicht sonderlich. Gerade Anfnger brechen Projekte zu diesem Zeitpunkt mit der Begrndung ab, dass kaum Erfolgsaussichten bestehen.

Abb. 3.4 Mittelabfluss und Zielerreichung eines CI-Projektes

Erst wenn sich die Analysten durch den Informationsberg gewhlt haben, eine strukturierte Datengrundlage erstellt wurde und gezielt fehlende Informationen recherchiert werden konnten, ist der Tiefpunkt berwunden. Die

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Arbeitsinhalte verlagern sich immer mehr von der Projektorganisation zur Intelligence-Generierung. Erste Puzzlesteine passen zueinander, die Konsistenz der Daten und eine steigende Aufgabenabdeckung in Zusammenhang mit einem positiven Feedback der Intelligence-Nutzer fhren schlielich zu einem steigenden Zufriedenheitsgrad des CI-Teams.

3.2.5 Exkurs: Quellenidentifikation und -verwaltungIdentifikation von Recherchequellen

Voraussetzung fr eine erfolgreiche Recherche ist die Identifikation aussagekrftiger Quellen sicherlich eine der Kernkompetenzen eines CI-Professionals. Gute Quellen sind nicht ad hoc generierbar, wenn sie bentigt werden, sondern sie bedrfen einer langfristigen Erschlieung und anschlieenden Pflege. Dies gilt insbesondere fr menschliche Informationsquellen (vgl. Abschnitte 4.2 und 7.3.1)! Zur Identifikation von Informationsquellen hat sich die folgende Vorgehensweise, die am Beispiel eines neu entwickelten Pharmamedikaments aufgezeigt wird, bewhrt: 1. Materialfluss: Wer ist an der Produktion des Medikaments beteiligt? Zu erstellen ist ein Materialfluss-Diagramm von Rohstoffen ber Zwischenprodukte und schlielich zum Endprodukt. Ebenso werden Verpackung, Muster und Promotionaktivitten untersucht. In den klinischen Testphasen werden Vorproduktion und beteiligte Kliniken bzw. medizinische Einrichtungen betrachtet. 2. Informationsfluss: Wer ist ber das Forschungsprojekt, spter die Produkte, informiert? Wer ist als Meinungsbildner, Kooperationspartner, Distributor etc. frhzeitig involviert? Welche Behrden, Gremien, Lobbygruppen sind in welcher Phase beteiligt oder informiert? 3. Geldfluss: Woher stammt das Eigen- und/oder Fremdkapital? Wer ist finanziell an einem Erfolg oder Misserfolg des neuen Medikaments interessiert? Welche Wettbewerber werden nach der Produkteinfhrung Auswirkungen auf das eigene Produktportfolio spren oder befrchten? 4. Kontrollfluss: Wer kontrolliert den Prozess der Produktentwicklung, der Vermarktung und der eigentlichen Anwendung? Wer sind die Einfluss nehmenden Parteien? Wer gewinnt oder verliert an Einfluss und/oder Kontrolle?

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Quellenverwaltung

Fr hufig wiederkehrende Recherchen (Themen, Unternehmen, Recherchegegenstnde) lohnt sich der Aufbau einer strukturierten Quellendatenbank12. Dieses Quellenmapping kann dann fr neue Aufgabenstellungen immer wieder verwendet und an spezifische Zwecke angepasst werden. Oft wird eine Kategorisierung nach Porters 5-Krfte-Modell vorgenommen (vgl. Abschnitt 5.3.11). Ebenso knnen Quellen nach ihrem Zugang oder ihrer Herkunft kategorisiert werden (vgl. Abbildung 3.5).

Abb. 3.5 Mgliche Kategorisierung von Informationsquellen

Kategorisierungsbeispiel fr ffentlich zugngliche Informationen: Printmedien (Bcher, Zeitschriften, Zeitungen, Studien- und Diplomarbeiten, sonstige Publikationen) Verbnde Staatliche Stellen und Behrden, Projektdatenbanken der EU Forschungseinrichtungen, Publikationen von Universitten Clearinghouses (z.B. fr Benchmarkingdaten) Spezielle Offline-Datenbanken Firmen- und Vereinsregister Amtsgerichte Patentmter Kongress- und Konferenzdokumentationen12

Eine einfache Auflistung in einer Textverarbeitungssoftware birgt die Gefahr der Unbersichtlichkeit und damit einer wenig effizienten Nutzung und Pflege.

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Geeignete Quellenverwaltungssoftware ermglicht einerseits ein schnelles themen- oder medienbezogenes Suchen und Finden der Quellen, andererseits kann unmittelbar ein Bezug zu den Rechercheobjekten hergestellt werden (Zuordnung der Quellen zu KITs). Da letztlich eine solche Datenbank nur genutzt (und gepflegt) wird, wenn sie eine einfache Bedienoberflche hat und intuitiv anwendbar ist, sollte eine verwendete Software entsprechende Visualisierungsmglichkeiten besitzen. Ein Beispiel fr eine Softwarelsung, die sich fr diese Zwecke einsetzen lsst, ist das Mindmapping-Tool der Firma Mindjet LLC. Hier sind einfache Strukturen visualisierbar (s. Abbildung 3.6). Quellen knnen z.B. nach der 5-Krfte-Struktur abgelegt werden (erweitert um allgemeine Quellen). Durch das Ein- und Ausblenden der ste lsst sich die angezeigte Informationsmenge steuern. Ein Ranking bzw. der Bearbeitungsstatus der Quellen ist durch Bildsymbole realisierbar. Hyperlinks zu Quellen sind direkt hinterlegbar, ebenso wie eine Aufgabenverwaltung (Action Item List), aus der der Bearbeitungsstatus der Quellen ersichtlich ist. In Freitextfeldern ist eine Quellenbeschreibung (Inhalt, Glaubwrdigkeit, Zuverlssigkeit, Kontakthistorie) mglich. Durch Querlinks zwischen einzelnen sten knnen Beziehungen und Empfehlungen visualisiert werden, zudem knnen Dokumente (z.B. Besuchsberichte) den einzelnen Objekten angehngt werden. Eine weitere Software fr Quellenmapping ist die in Abbildung 3.12 dargestellte CRM-Software Vineyard, mit der ein besonders mchtiges Kontaktmanagement (Sequenzen, Zugehrigkeiten, Informationen) durchgefhrt werden kann. Umfangreiche Suchfunktionen erlauben das Herausfiltern von Teilmengen der Gesamtstruktur (z.B. alle Kontakte, die im letzten Monat aktualisiert wurden), um so bersichtliche Einblicke in die Reherchesituation und Aufgabenabdeckung zu erhalten. Originaldokumente werden in eigene Verzeichnisse abgelegt, die wiederum mit den weiteren Objekten verknpft sind (z.B. Quellen, Reports, Bearbeiter, KIQs, KITs).

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Abb. 3.6 Ausschnitt aus einem Quellenmapping mit einem Mindmapping-Tool (Software Mindmanager)

3.2.6 Exkurs: Das Zwiebelprinzip Eine der grundlegenden Vorgehensweisen bei der Durchfhrung einer Recherche ist das Zwiebelprinzip. Folglich muss es bei der Planung einer Recherche bereits bercksichtigt werden. Am Beispiel einer Wettbewerberprofilierung soll das Prinzip nher erlutert werden: Das Umfeld eines Unternehmens kann man sich wie die Schalen einer Zwiebel vorstellen (vgl. Abbildung 3.7). Jede Schale verfgt ber exklusive und redundante Informationsquellen. In der innersten Schale befindet sich das Unternehmen selbst. Hierzu gehren folglich alle lokalen Mitarbeiter, Unterauftragnehmer vor Ort, Unternehmenspublikationen (Mitarbeiterzeitschriften, Pressemitteilungen, Marketingmaterialien, Vertriebsmaterialien) sowie Artikel und Anzeigen des Unternehmens in lokalen Zeitungen (z.B. Stellenausschreibungen).

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Die zweite Schale wird von dem lokalen Umfeld gebildet (normalerweise die Heimatstadt oder der Stadtteil des Unternehmenssitzes), hierzu gehren: lokale Zeitungen Behrden (Arbeitsamt, Gerichte, Stadtverwaltung, Finanzmter) (lokale) Zulieferer (lokale) Kunden (lokale) Lobbygruppen Reprsentanten weitere Unterauftragnehmer (wie Sicherheitsdienste, Reinigungsfirmen, Kantinenbetreiber, Leiharbeitsfirmen, EDV-Dienstleister, Fortbildungseinrichtungen) Rechtsanwlte Autovermietungen Marketingagenturen Speditionen Berater Personalvermittlungsagenturen Headhunter Finanzdienstleister (Banken, Venture Capital und Beteiligungsgesellschaften) ggf. weitere Wettbewerber. Kaum eine der lokalen Printpublikationen wird in elektronischen Medien wie Internet oder Online-Datenbanken erfasst. Daher bietet gerade die lokale Zeitung exklusive Informationen ber heimische Unternehmen (Meldungen ber neue Projekte, Stellenabbau, Betriebsvernderungen, Sponsoring, Leserbriefe von Mitarbeitern, Mietraumgesuche fr Angestellte etc.). Die dritte Schale bildet das nationale Umfeld des Unternehmens. In Analogie zu der zweiten Schale befinden sich hierin nunmehr die nationalen Marktteilnehmer, Behrden, Zulieferer, Unterauftragnehmer und Wettbewerber, ebenso akademische Einrichtungen (Universitten, Fachhochschulen, Akademien etc.), Medien (regionale und nationale Presse) sowie Fachverbnde, staatliche Forschungsverbnde bzw. Allianzen. Die vierte Schale stellt das internationale Umfeld dar. Eine fnfte Schale kann als Umfeld der zuknftigen Entwicklungen und Trends (Technologien, Gesetzgebung) betrachtet werden. Wie Abbildung 3.3 zeigt, wird zunchst mit Sekundrrecherchen begonnen. Bei Sekundrrecherchen wird von den inneren Schalen zu den ueren Schalen gearbeitet. Mglichst schnell sollen brauchbare Ergebnisse

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generiert werden. Der information overload ist so zumindest teilweise vermeidbar, da wesentliche Informationen rechtzeitig zur Verfgung stehen und nur noch Lcken gezielt aufgefllt werden mssen. Sekundrrecherchen dienen ebenso der Vorbereitung von Primrkontakten (Briefings, Kompetenzcheck, Verifikation von vorliegenden Erkenntnissen etc.).

Abb. 3.7 Das Zwiebelprinzip fr Recherchen

Im Verlauf der Recherche werden Informationslcken gezielt durch Primrrecherchen geschlossen. Bei diesen Recherchen werden Quellen von auen nach innen bearbeitet, um Aufwand und berlappungen gering zu halten. Wie in Abschnitt 4.2 beschrieben, sind die Kosten fr Primrrecherchen erheblich hher als fr Sekundrrecherchen, zudem ist die Verfgbarkeit der Primrquellen meist eingeschrnkt. Durch die aufgezeigte Vorgehensweise werden bereits sekundr recherchierte Informationen nicht noch einmal primr hinterfragt. Innerhalb einer KIQ-Liste werden zudem zuerst die einfachen Fragen bearbeitet, da die Mglichkeit besteht, schon bei diesen Recherchen auf relevante Informationen zur Beantwortung der schwierigeren Fragestellungen zu stoen.

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3.2.7 CI-Zyklus, Schritt 3: DatenerhebungThe most valuable commodity I know of is information. Gordon Gekko im Film Wallstreet von Oliver Stone, 1987

In diesem Schritt erfolgt die eigentliche Datenrecherche gem Erhebungsplan (vgl. Zyklusschritt 2). Die Abschnitte 4.2 und 4.1 bzw. 4.3 befassen sich ausfhrlich mit den Besonderheiten der HUMINT (ElicitationTechniken) bzw. der Sekundrerhebung (Internet, Datenbanken und Observation). Eingehende Informationen werden im Recherchekontext auf Glaubwrdigkeit und Plausibilitt geprft. Neuigkeiten und Ungereimtheiten mssen thematisiert und in laufende Recherchen eingespeist werden (z.B. ber Gatekeeper). Sobald diese berprfung abgeschlossen ist, erfolgt eine qualifizierende Archivierung relevanter Informationen. Dadurch wird zum einen das Wiederfinden und Reporting vereinfacht (vgl. Abschnitt 3.2.14), zum anderen knnen Querbeziehungen zwischen Informationen, Personen, Produkten und Unternehmen eingetragen werden. Whrend der Erhebung erfolgt ein kontinuierlicher Check der erreichten KIT-Abdeckung. Ist eine ausreichende Informationsbasis vorhanden13, so ist die nchste Projektphase einzuleiten. Lsst sich innerhalb der verplanten Ressourcen (Budget, Zeit) kein zufrieden stellendes Ergebnis generieren, so ist die Aufgabenstellung anzupassen. Ist dies nicht mglich, so ist das Vorhaben abzubrechen. Zur Verfolgung des Erhebungsprozesses hat es sich bewhrt, ein Logbuch zu fhren, in dem eingehende und ausgehende Informationen, der Recherchefortschritt, interne Entscheidungen (z.B. bzgl. der Recherchestrategie) und Mitteilungen (Kommunikation mit den CI-Nutzern) erfasst werden14. Softwaretechnische Realisierungsmglichkeiten sind z.B. durch ein E-Mail-System oder eine Datenbank gegeben. Wesentliche Informationen, die eine hohe Dringlichkeit besitzen, mssen als solche erkannt und unmittelbar an die zustndigen Nutzer weitergeleitet werden (Ad-hoc-Reporting), eine nicht einfache Aufgabe, da die Brisanz einer Information fr den Entscheider dem CI-Team nicht immer bekannt ist. Abhilfe kann hier nur ein kontinuierlicher Austausch von CI13

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Dieser Zeitpunk ist keineswegs einfach zu erkennen. Heuer (in Westerfield 1995) beschreibt in seinem Aufsatz Do You Really Need More Information? eindrucksvoll, wie schwierig es fr einen Intelligence-Analysten ist, den richtigen Zeitpunkt des Endes der Erhebungsphase zu bestimmen. Neben den eigentlichen Informationshighlights werden Zeitstempel, Dringlichkeit, ggf. Eskalationsbedarf sowie Bearbeitungsstatus erfasst.

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Bedrfnissen (vgl. Abschnitt 7.2.2) und Feedback zu gelieferter (und nicht gelieferter) Information (vgl. Abschnitt 2.4) bringen. Meist erhlt eine CIAbteilung aufgrund der versandten Informationen unmittelbar uerst wertvolle Kommentare und Bewertungen15. Besonderes Fingerspitzengefhl und Know-how sind fr das Briefing und Debriefing der eigentlichen Rechercheure erforderlich. Wie in Abschnitt 3.2.12 und 4.2 beschrieben, erfordert die Auswertung von Informationen, die auf HUMINT-Quellen basieren, eine auerordentliche Sorgfalt und groes Know-how. Hufig wird erst in diesen persnlichen Kontakten die ganze Flle der recherchierten Informationen auch transferiert. Durch Probing und Cross-Checks kann der CI-Manager bzw. -Analyst seinen Wissensstand hinterfragen und mit Hilfe der Rechercheure neue Ideen generieren.Checkliste: Aufgaben des CI-Teams whrend der Datenerhebung

Fhren eines Logbuchs (Projektfortschritt), dabei Eskalation bei eingehenden kritischen Informationen (vgl. Eskalationsprozeduren in Abschnitt 7.3.6) Kontinuierliche Bewertung eingehender Informationen - Realititscheck der Informationen - Cross-Check der Informationen durch Weiterleiten an andere Teams oder Experten (Spinning von Informationen), um die Plausibilitt sicherzustellen - KIT-Abdeckung Debriefing der Rechercheteams, dabei - Ermittlung der Glaubwrdigkeit und Zuverlssigkeit von Informationen und Informationsbermittlern (vgl. Abschnitt 3.2.12) - Probing der Rechercheure (Teams): Konfrontation mit von ihnen erhobenen widersprchlichen oder unvollstndigen Informationen (im Vergleich zu aus weiteren Quellen bekannten Informationen) - Ermittlung kollateraler Intelligence Archivierung eingehender Informationen

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Durch dieses Ad-hoc-Reporting erhlt die CI-Abteilung teils sogar mehr Aufmerksamkeit als durch zeitaufwendige Analysen, eine Tatsache, der sich das CI-Team bei seiner unternehmensinternen Vermarktung bewusst sein sollte.

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3.2.8 Exkurs: Informationsbeschaffung nach dem Schneeballprinzip Vor einem Rechercheprojekt sind keineswegs alle potenziellen Primrkontakte bekannt. Zum einen werden whrend der vorbereitenden Sekundrrecherchen Kontakte identifiziert, zum anderen werden bei den ersten Primrkontakten schnell weitere Kontakte von Gesprchspartnern benannt, die u.U. Antworten auf die Fragen geben knnten. Durch diese Leads wird zudem die Kontaktaufnahme erleichtert, wenn man sich auf den Ausgangskontakt berufen kann. Die Wirksamkeit dieses Schneeballprinzips wird hufig massiv unterschtzt, folglich fllt in der Planungsphase die Ressourcenallokation fr die Primrinterviews zu hoch aus. Mit etwas Erfahrung wird ein Rechercheur zuerst explorative Kontakte angehen, um ein Gefhl fr die Verfgbarkeit und Ergiebigkeit eines Suchansatzes zu erhalten16. Kann jede Informationsquelle auf durchschnittlich zwei weitere Kontakte hinweisen (ein nicht unrealistischer Wert), so ergeben sich bereits in der dritten Generation sieben, in der vierten Generation 15 Kontakte. Recherchetiefen von fnf Generationen sind keine Seltenheit, wobei sich bei den meisten Spezialthemen bereits zu diesem Zeitpunkt redundante Kontakte ergeben.

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Zudem kann mit diesen Vorkontakten ein Realittscheck der gewhlten Vorgehensweise durchgefhrt werden.

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Abb. 3.8 Das Schneeballprinzip bei der Datenerhebung

3.2.9 Exkurs: Wertigkeit von primr und sekundr recherchierten Informationen Ein Schwerpunkt der CI-Datenerhebung liegt auf den menschlichen (hier primren) Informationsquellen. Nur ein Bruchteil aller Informationen wird schlielich jemals publiziert, d.h. zum Beispiel als Artikel gedruckt oder auf Konferenzen prsentiert. Nur diese publizierten Informationen sind jedoch, wenn berhaupt, in Online-Datenbanken oder im Internet verfgbar oder befinden sich als Printmedien in recherchierbaren Archiven. Kategorisiert man Informationen nach ihrem Wert fr eine CI-Analyse und nach dem Volumen (vgl. Abbildung 3.9), so ist zu beachten, dass Informationen, die auf Sekundrquellen basieren, zwar 80% des Volumens ausmachen, jedoch nur 20% des Wertes. Informationen, die auf Primrquellen basieren, nehmen hingegen nur 20% des Volumens, jedoch 80% des Wertes ein, ein Umstand, der schnell in Vergessenheit gert, wenn der information overload den Analysten ber Gebhr beschftigt oder wenn keine soliden Primrrecherchen durchgefhrt werden.

3.2 Phasen des CI-Zyklus

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Abb. 3.9 Herkunft der Informationen fr einen CI-Bericht

Es ist die Herausforderung eines CI-Managers, durch unternehmensinterne und -externe Netzwerke diese exklusiven Informationen zu finden (vgl. Abschnitt 7.3.1). Natrlich sind gerade Informationen aus menschlichen Quellen von ungewisser Glaubwrdigkeit: Zuverlssigkeit der Informationsquelle und Intention der Quelle sind bei der Informationsauswertung immer gewissenhaft zu berprfen (vgl. Abschnitt 3.2.12). Obwohl der Wert der durch Sekundrrecherche gewonnenen Informationen gering ist, sind sie fr den CI-Manager dennoch unverzichtbar fr: Identifikation von Primrkontakten (Autoren von Publikationen, Konferenzteilnehmer, Manager, Ex-Beschftigte von Wettbewerbern etc.) Identifikation von Wahrnehmungslcken (Blindspots) in der eigenen Sicht des Wettbewerbsumfeldes Aufbau von Fachwissen (Grundlagen und Expertentum), IndustrieKnow-how, Marktstudien, Identifikation und Bewertung von Marktteilnehmern Verifikation von Resultaten der Primrrecherchen, Cross-Checking der Ergebnisse (Absichern von Aussagen unbekannter Zuverlssigkeit), Plausibilittschecks, Probing fr das Debriefing von Rechercheuren (vgl. Abschnitt 3.2.7).

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3 Der Competitive-Intelligence-Zyklus

3.2.10 CI-Zyklus, Schritt 4: Aufbereitung der erhobenen InformationenIn der Kunst der Ermittlung ist es von grter Bedeutung, aus einer Anzahl Tatsachen die nebenschlichen von den wichtigen unterscheiden zu knnen. Andernfalls werden Tatkraft und Aufmerksamkeit zwangslufig vergeudet statt konzentriert. Sherlock Holmes Romanfigur des engl. Schriftstellers A.C. Doyle (1859-1930)

Die Daten- und Informationsaufbereitung beschreibt die Transformation fragmentierter, unvollstndiger und unbearbeiteter Daten und Informationen unterschiedlichster Formate in einen einheitlichen, auswertbaren Zustand. Ziel der Datenaufbereitung ist es, aus den Rohinformationen eine mglichst umfassende Datenbasis fr die anschlieende Analyse zu erhalten. Dazu muss sichergestellt sein, dass die vorhandenen Informationen vollstndig ausgewertet werden. Besonders bei greren Unternehmen mit zahlreichen Lokationen, EDV-Systemen und dezentralen Intelligence-Abteilungen ist dies eine Aufgabe, die kaum ohne eine entsprechende Softwareuntersttzung zu bewerkstelligen ist (vgl. Abschnitt 7.3.10). Zur Informationsaufbereitung gehren eine Bewertung der Glaubwrdigkeit und eine Kommentierung der Zuverlssigkeit von Quellen und bermittlern (vgl. Abschnitt 3.2.12). Offensichtliche Fehlinformationen (und Wahrnehmungsfehler) werden als solche gekennzeichnet und von der Analyse ausgeschlossen, die verbleibenden Informationen in einer (aufgabenspezifischen) Struktur aufbereitet. Im einfachsten Fall erfolgt eine direkte Zuordnung der Information zu den KIQs. Da die Anzahl der zu bercksichtigenden Informationselemente17 schnell ein Volumen erreicht, das in die Zehntausende geht, ist eine starke Filterung dieser Informationen notwendig, um einen information overload zu verhindern. Tritt er dennoch ein, kann die Informationsauswertung aus Kapazittsgrnden nicht mehr systematisch erfolgen, sodass sich schnell ein opportunistisches Informationsmanagement einstellt18.17 18

Ein Artikel oder eine Analyse kann mehrere Informationen enthalten. Die Informationen, die zum Beispiel in einfach zu handhabender Dateiformation vorliegen (wie eine PPT-Prsentation), werden mit hherer Prioritt verarbeitet als ein im Internet gefundenes Bild im gif-Format, welches nicht automatisch indiziert und von einer Textmining-Software durchsucht werden kann. Dabei knnte die PPT-Prsentation beispielsweise ein geschntes Selbstbildnis des Wettbewerbers enthalten, whrend das gif-Bild eine wesentlich bessere Information beisteuern knnte.

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Abb. 3.10 Beispiel fr eine visuelle Aufbereitung fragmentierter Informationen (Software Anacubis)

Einige der in Kapitel 2 beschriebenen Wahrnehmungsfehler knnen durch eine professionell durchgefhrte Datenaufbereitung verhindert oder zumindest kompensiert werden. Entsprechend sorgfltig und ergebnisorientiert sollte die Datenaufbereitung erfolgen. Zur Optimierung des Datenaufbereitungsprozesses hat sich das folgende zweistufige Informationshandling bewhrt: Die erste Stufe beinhaltet das Sichten verfgbarer Informationen. Bei diesem Schritt erfolgt (mglichst automatisiert) eine erste Grobbewertung der Rohinformationen nach Relevanz und/oder Inhalt (z.B. vorhandene Schlsselwrter). Um diese erste Veredelungsstufe durchfhren zu knnen, muss eine Durchsuchbarkeit der Rohinformationen gegeben sein (vgl. Abschnitt 5.2.9). Auf der zweiten Stufe werden nur die fr relevant befundenen Informationen kommentiert und gespeichert. In der Regel sind dies auch die einzigen Informationen, die lokal gespeichert, d.h. zum Beispiel in einer Wettbewerberdatenbank abgelegt werden (vgl. Abschnitt 7.3.10).

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3 Der Competitive-Intelligence-Zyklus

Die Datenanalyse (vgl. Abbildung 3.11) besteht in der anschlieenden Interpretation der aufbereiteten Informationen mit Blick auf die Aufgabenstellung.

Abb. 3.11 Zweistufiges Informationsmanagement Checkliste: Die Aufgaben des CI-Teams whrend der Datenaufbereitung

Clearinghouse fr alle erhobenen Daten und Informationen, dabei Kontrolle und Konsolidierung aller verfgbaren harten (Fakten) und weichen (Gerchte, Indikatoren) Informationen, insbesondere Herausfiltern redundanter und offensichtlich falscher Informationen - Weitergabe der Informationen innerhalb und auerhalb des CI-Teams gem Autorisierung und vereinbarter Prozeduren (Frhwarnung, Gatekeeper etc.) zur weiteren Aufbereitung und Bewertung-

Synthese der Informationen und Daten, dabei - Schlieen von Informationslcken (vgl. Abschnitt 3.2.11) - Zusammenfgen einzelner Informationsteile zu einem plausiblen Gesamtbild, z.B. durch Visualisierung von Strukturen (Mapping) - Cross-Checking von Informationen mit Drittquellen, um Unsicherheiten in der Aussagekraft zu reduzieren (Absichern) - Gezielter Einsatz von Backup-Quellen, um Wissenslcken zu beseitigen (Ausputzen)

3.2 Phasen des CI-Zyklus

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Abb. 3.12 Beziehungen und Strukturen aufzeigen durch die CRM-Software Vineyard (fiktives Beispiel)

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3 Der Competitive-Intelligence-Zyklus

3.2.11 Exkurs: Aufbereitungs- und Interpretationsmethoden fr lckenhafte InformationenMeine Ergebnisse habe ich schon, ich wei nur nicht, auf welchem Weg ich zu ihnen gelange. Carl Friedrich Gau Deutscher Mathematiker, Astronom und Physiker (1777-1855)

Die Aufbereitung von Informationen setzt neben der gewissenhaften Prfung von Relevanz, Glaubwrdigkeit und Aktualitt auch die Erschlieung fehlender Informationen ein. Welches Verfahren auch immer hierfr verwendet wird, letztlich wird eine Hypothese (Annahme) fr die fehlenden Sachverhalte gebildet. Fr die Aufbereitung stehen folgende Mglichkeiten zur Verfgung: Extrapolation Erweiterung von Informationen oder Daten ber ihren Ursprungsbereich hinaus Anmerkung: Extrapolation ist nur bei einfachen, sich wiederholenden Prozessen ausreichend genau. Die Methode versagt hingegen z.B. bei neu auftretenden Entwicklungen. Beispiel: Prognose der aktuellen Produktionszahlen eines Wettbewerbers, basierend auf historischen Daten Interpolation Ergnzung fehlender Werte innerhalb einer Reihe Beispiel: Ein unbekannter chemischer Prozessschritt eines Wettbewerbers wird aus der Kenntnis der Eingangsprodukte und des Endproduktes gefolgert. Deduktion (Ableitung) Gewinnung einer besonderen Erkenntnis aus einer allgemeinen Anmerkung: Fr den CI-Analysten ist diese herleitende Folgerung mit Vorsicht zu verwenden: Selten sind die Fakten so glasklar, dass die Ableitungen fehlerfrei sind. Beispiel: Prognose der Wettbewerberpreise, basierend auf der allgemeinen Wettbewerberpositionierung (d.h. als Kostenfhrer wird der Wettbewerber

3.2 Phasen des CI-Zyklus

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eine Niedrigpreispolitik verfolgen, seine Preise werden niedriger als das eigene Preisniveau angenommen) Analogieschluss Folgerung, die aus analogen Fllen (Erfahrungsschatz) auf die gesuchte Information schliet Beispiel: bertragung des Produktlebenszyklus von Pkws auf PCs. Bei der Betrachtung der erwarteten Wettbewerberrivalitt bei PC-Herstellern in der anstehenden Sttigungsphase wird von einem hnlichen Verhalten wie bei Pkw-Produzenten in den 80er Jahren ausgegangen. Es wird daher eine hnliche Wettbewerbsdynamik der Branche angenommen. Induktion Logischer Schluss vom Besonderen (Observation, Indikatoren) auf das Allgemeine Beispiel: Aus dem beobachteten Aufbau einer Vertriebsniederlassung und der Einstellung neuer Mitarbeiter wird auf eine Produkteinfhrung bei einem Wettbewerber geschlossen. Anmerkung: Induktive Schlsse sind die typische Vorgehensweise eines CI-Analysten: Aus einer Indizienkette wird auf den Gesamtsachverhalt geschlossen. Der induktive Schluss wird in der AKH (vgl. Abschnitt 6.2.3) und dem Bayesschen Theorem (vgl. Abschnitt 6.2.4) angewandt. Die verwendete Logik ist dabei keineswegs eindeutig, weil das Erkennen vermeintlich logischer Zusammenhnge stark von der Erfahrung des CIAnalysten abhngt. Deshalb sind die einer Folgerung zugrunde liegenden Indikatoren zu dokumentieren und bezglich ihrer Aussagekraft zu erlutern. Erfolgt dies nicht, riskiert der CI-Analyst, dass seine Aussagen schnell als nicht nachvollziehbar oder als Kaffeesatzlesen abgetan werden (vgl. Wahrnehmungsfehler in Kapitel 2).

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3 Der Competitive-Intelligence-Zyklus

3.2.12 Exkurs: Bewertung der Aussagekraft einer Information und der Zuverlssigkeit der QuellenEin groer Teil der Nachrichten, die man im Kriege bekommt, ist widersprechend, ein noch grerer ist falsch und bei weitem der grte einer ziemlichen Ungewissheit unterworfen. Was man hier vom Offizier fordern kann, ist ein gewisses Unterscheiden, was nur Sach- und Menschenkenntnis und Urteil geben knnen. Das Gesetz der Wahrscheinlichkeit muss ihn leiten. Diese Schwierigkeit ist nicht unbedeutend bei den ersten Entwrfen, die auf dem Zimmer und noch auer der eigentlichen Kriegssphre gemacht werden, aber unendlich grer ist sie da, wo im Getmmel des Krieges selbst eine Nachricht die andere drngt; ein Glck noch, wenn sie, einander widersprechend, ein gewisses Gleichgewicht erzeugen und die Kritik selbst herausfordern. Viel schlimmer fr den Nichtgeprften, wenn ihm der Zufall diesen Dienst nicht erweist, sondern eine Nachricht die andere untersttzt, besttigt, vergrert, das Bild mit immer neuen ausmalt, bis die Notwendigkeit uns in fliegender Eile den Entschluss abgedrngt hat, der bald als Torheit erkannt wird, so wie alle jenen Nachrichten als Lgen, bertreibungen, Irrtmer usw. Mit kurzen Worten: die meisten Nachrichten sind falsch, und die Furchtsamkeit der Menschen wird zur neuen Kraft der Lge und Unwahrheit. In der Regel ist jeder geneigt, das Schlimme etwas zu vergrern, und die Gefhrlichkeiten, welche auf diese Weise berichtet werden, ob sie gleich wie die Wellen des Meeres in sich selbst zusammensinken, kehren doch wie jene ohne sichtbare Veranlassung immer von neuem zurck. Carl von Clausewitz (aus: Vom Krieg) Preuischer General und Militrschriftsteller (1780-1831)

Neben der Dokumentation und Interpretation der eigentlichen Informationsinhalte mssen auch Glaubwrdigkeit der Quelle und Zuverlssigkeit der Nachrichtenbermittler (vgl. Abbildung 3.13) dokumentiert und bewertet werden. Nur wenn sowohl Glaubwrdigkeit als auch Zuverlssigkeit gegeben sind, kann ohne Bedenken eine Information weiterverarbeitet werden. Die vorzunehmende Mindestbewertung des Gesprchsumstandes ist eine Einschtzung des Informationsbermittlers, ob die Quelle kooperativ oder unkooperativ war. Die Bewertung des Gesprchsumstandes kann per standardisierten Kontaktbericht erfolgen oder, wie besonders in kritischen Fllen ratsam, in Debriefings zwischen Analyst und bermittler (vgl. Abschnitt 3.2.7).

Abb. 3.13 bermittlung von Informationen

3.2 Phasen des CI-Zyklus Bewertung der Glaubwrdigkeit einer Information19

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Die Bewertung der Glaubwrdigkeit einer Information kann nach dem in Tabelle 3.4 aufgefhrten Schema erfolgen. Wird der Wahrheitsgehalt einer Information ber alle Zweifel hinweg als glaubwrdig eingestuft, da sie z.B. durch weitere, unabhngige Quellen besttigt werden kann, so erhlt die Aussage die Bewertung 1 (besttigt). Ist der Wahrheitsgehalt weniger zuverlssig, so erfolgt eine Abstufung bis hin auf 4 (unwahrscheinlich).Tabelle 3.4 Glaubwrdigkeitsranking einer Information

1 Besttigt durch weitere Quellen 2 Vermutlich wahr 3 Zweifelhaft 4 Unwahrscheinlich 5 Glaubwrdigkeit nicht bekannt Es ist offensichtlich, dass Informationen, die als zweifelhaft oder unwahrscheinlich eingestuft werden, anders behandelt werden mssen als besttigte oder vermutlich wahre Informationen. Sofern die Informationsinhalte, die als zweifelhaft oder unwahrscheinlich angesehen werden, wesentlich fr die angestrebte Analyse sind, muss die Glaubwrdigkeit der Information durch weitere Informationen abgesichert werden. Entsprechend sind neue CI-Recherchen durchzufhren. Ist eine direkte Besttigung einer Aussage nicht mglich, so kann es sinnvoll sein zu versuchen, komplementre Aussagen zu widerlegen (um dadurch indirekt die ursprngliche Aussage zu besttigen; vgl. Abschnitt 1.2.3). Bei einigen proprietren Informationen wird dies nicht mglich sein, da per definitionem nur wenige Personen ber die Informationen verfgen. In diesem Fall steht der CI-Manager vor der kritischen Frage, inwieweit eine Information, die nicht besttigt werden kann, trotzdem in der weiteren Analyse verwendet werden soll. Letztlich helfen hier nur Sach- und Menschenkenntnis sowie die richtige Urteilskraft (vgl. von Clausewitz, Eingangszitat Abschnitt 3.2.12). Dabei knnen berlegungen bzgl. der Plausibilitt von Aussagen und der Quellenzuverlssigkeit frderlich sein: Erweist sich eine Aussage als nicht plausibel und/oder stellt sich eine Quelle als unzuverlssig heraus, muss von einer geringen Glaubwrdigkeit der Aussage ausgegangen werden. Erweist sich eine Aussage als plausibel und wird die Quelle der Information als zuverlssig eingeschtzt, sind zwar notwendige, aber keine hinreichenden Bedingungen fr die Gltigkeit der19

Sinngem gelten die hier gettigten Aussagen auch fr allgemeine Quellen (Printmedien, Internet, Marktforschungsberichte etc).

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Aussage erfllt, d.h. auch in diesem Fall kann die Glaubwrdigkeit der Information nicht mit absoluter Sicherheit vorausgesetzt werden.1. Plausibilitt der Aussagen

Ist die Plausibilitt des geschilderten Sachverhaltes gegeben? Sie ist nicht zu verwechseln mit der Wahrscheinlichkeit, dass ein Sachverhalt richtig ist. Auch ein als uerst unwahrscheinlich bewerteter Sachverhalt kann ohne weiteres plausibel sein. Plausibilitt beschreibt, ob die Mglichkeit besteht, dass die gettigte Aussage richtig ist. Diese berlegung wird z.B. bei der AKH (vgl. Abschnitt 6.2.3) durchgefhrt. Der Plausibilittscheck kann nur mit Hilfe weiterer Informationen, ber die der Analyst verfgt, durchgefhrt werden.2. Quellenzuverlssigkeit

Um die Quellenzuverlssigkeit zu berprfen, kann der CI-Analyst ein Quellenprofil erstellen (vgl. Abschnitt 5.2.11). Hierbei sollte er folgende Fragen klren: Wer ist der Kontakt (Funktion, bisheriger Werdegang)? Welche Folgerungen lassen sich hieraus ziehen? Wie ist er in den hinterfragten Recherchegegenstand involviert? Wie gro sind Sachverstand und Erfahrung? Welche Intentionen und Interessen hat er, die Information weiterzugeben? Welchen Zugang hat er zu Experten, die ggf. der Ursprung seines Wissens sein knnen? Welches Interesse htte der Kontakt, bewusst Falschinformationen zu verbreiten? Wie wurde die Glaubwrdigkeit der Quelle in der Vergangenheit eingestuft? Handelt es sich bei dem Kontakt um Personen des ffentlichen Lebens, so kann mit relativ geringen (Sekundr-)Recherchen ein Profil (vgl. Abschnitt 5.2.11) erstellt werden, um diese Fragen zu klren. Bei weniger bekannten Personen (und bei Zeitmangel) ist der CI-Manager auf sein Fingerspitzengefhl und die Menschenkenntnis des Informationsbermittlers angewiesen, der eine Beurteilung der Quellenglaubwrdigkeit durchfhrt. Normalerweise wird eine Quelle nur dann als glaubwrdig eingeschtzt, wenn sie kompetent und motiviert ist (Intention und Interessenlage), korrekte Angaben zu machen. In Ausnahmefllen kann eine Quelle eine Information auch aufgeschnappt und weitergetragen haben, ohne die eigentli-

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chen Sachverhalte selbst beurteilen zu knnen. Durch eine Analyse der Gesprchssituation, bei der die Aussagen getroffen wurden, erfolgt eine Einschtzung, ob eine Fehlinformation (bewusst oder unbewusst) vorliegen kann. Selbst wenn die Quelle ber die notwendige Kompetenz und das erforderliche Know-how verfgt, ist nicht sichergestellt, dass ihr Wissen auch richtig weitergegeben wird. Aus verschiedenen Grnden knnte die Quelle falsche Sachverhalte von sich geben (z.B. Verkrzung der Konversation, Eingehen auf das Wunschdenken des Gesprchspartners, Verwechslung von Begriffen und/oder Zahlen, Irrtum bei Wiedergabe eines Sachverhaltes, Zeitmangel, Gesprchstaktik etc.). Weiterhin knnten Missverstndnisse zwischen Quelle und Informationsbermittler bestehen.Beispiel

Abbildung 3.14 zeigt eine Erfassungsmaske fr Informationen, die gleichzeitig auch eine Bewertung der Glaubwrdigkeit einer Information zulsst (im Beispiel eine fiktive HUMINT-Quelle). Da auch Informationen ber die Kontaktperson vorliegen (hier der fr das Unternehmen ALPHA zustndige Gatekeeper Dr. Hummerl), kann eine Dokumentation der Zuverlssigkeit dieser Kontaktperson vorgenommen werden. Die eigentliche Information ist als Volltext (vgl. Abbildung 3.14) unter dem angegebenen Pfad abgelegt (und kann ggf. durchsucht werden). Hintergrundinformationen ber die eigentliche Quelle der Mitteilung sind in diese Maske aus Vertraulichkeitserwgungen nicht aufgenommen, mssten also erst ber die genannte Kontaktperson erfragt werden.

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Abb. 3.14 Beispiel fr eine HUMINT-Erfassungsmaske mit Bewertung der Glaubwrdigkeit (Software Strategy!) Analyse der Zuverlssigkeit des Informationsbermittlers

Neben einer Beurteilung der Glaubwrdigkeit von Quellen ist auch eine Beurteilung der Zuverlssigkeit der Person, die die Nachricht bermittelt, notwendig. In Analogie zu Tabelle 3.4 kann eine Bewertung gem folgender Tabelle durchgefhrt werden:Tabelle 3.5 Beurteilung der Zuverlssigkeit eines Informationsbermittlers

A Absolut zuverlssig B Bedingt zuverlssig C Zuverlssigkeit schwankt D Unzuverlssig E Zuverlssigkeit unbekannt Eine hohe Zuverlssigkeit des bermittlers ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung dafr, dass die bermittelten Informationen weiterverwendet werden knnen. (Mglichkeiten, Unsicherheiten zuquantifizieren, werden in Abschnitt 2.3.3 diskutiert.) Nach Projektab-

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schluss bzw. bei den begleitenden Projektreviews sollten die folgenden Aspekte bercksichtigt werden: Als wie zuverlssig haben sich bermittler und Quellen letztlich erwiesen? Eine CI-Quellendatenbank lebt insbesondere bei menschlichen Quellen von historischen Rankings, wobei die historische Zuverlssigkeit eines bermittlers bzw. einer Quelle nicht zwangslufig mit der zuknftigen korreliert, aber es wchst zumindest das Vertrauen. Andererseits knnen kontinuierlich unglaubwrdig berichtende Informationsbermittler bei zuknftigen CI-Erhebungen vernachlssigt werden. Bei kontinuierlichen Kontakten (z.B. aus unternehmensinternen Netzwerken) kann im Nachhinein eine Bewertung des Informationsbermittlers stattfinden, indem berprft wird, ob die berichteten Sachverhalte auch tatschlich eintraten. So kann ber einen lngeren Zeitraum hinweg die Zuverlssigkeit erfasst und als Auswahlkriterium fr zuknftige Recherchen verwendet werden. Neue Informationen, die durch den bermittler gemeldet werden, knnen somit entsprechend (vor-)qualifiziert werden. Es ist jedoch zu beachten, dass auch ein in der Vergangenheit stets zuverlssiger Informationsbermittler Gerchten erliegen oder gezielt mit Falschinformationen versorgt werden kann. Ebenso knnte ein sonst eher zweifelhafter bermittler zufllig an eine glaubwrdige Information geraten. Es obliegt daher der Erfahrung und dem Fingerspitzengefhl des zustndigen CI-Analysten, die Zuverlssigkeit des bermittlers realistisch zu bewerten. Diese Zuverlssigkeitsbeurteilung des bermittlers wird zweckmigerweise in das Datenblatt der (Netzwerk-)Kontakte eingetragen. Anmerkungen: Im Allgemeinen korreliert die berzeugung eines Informationsbermittlers, eine glaubwrdige Nachricht bermittelt zu haben, nicht mit der Glaubwrdigkeit der Information (vgl. Tabelle 2.2)! Die Bewertung der Informationsglaubwrdigkeit sollte daher nie allein durch den bermittler der Information erfolgen, sondern immer auch durch mindestens einen neutralen, unbeteiligten Analysten. Zuverlssigkeit und Glaubwrdigkeit, wie in diesem Kapitel behandelt, sind nicht mit der Unsicherheit einer Aussage zu verwechseln (vgl. Abschnitt 2.3.3). Auch eine serise Quelle wird mutmaen oder spekulieren, wenn quantitative Angaben gemacht werden sollen (Mind Games). Sie sollten entsprechend verbal oder mittels Angabe einer Aussagewahrscheinlichkeit gekennzeichnet werden (vgl. Tabelle 2.1). Beispiele fr das Reporting von Aussagen sind in Tabelle 3.6 aufgefhrt.

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Beispiel: Die Information Wettbewerber X plant den Abbau von 30 Arbeitspltzen kann als A1 (vgl. Tabellen 3.4 und 3.5) bewertet werden, wenn sowohl der Inhalt durch weitere Quellen besttigt wurde als auch der bermittler als glaubwrdig eingestuft werden kann. Diese Information mit D2 oder A4 bewertet, wrde zu einer eingeschrnkten weiteren Verwendung fhren. Sie knnte z.B. eine interne Politik untersttzen oder tatschlich geplant, spter aber wieder fallen gelassen worden sein. 3.2.13 CI-Zyklus, Schritt 5: Analyse und InterpretationEs ist im Grunde nicht schwierig, eine Reihe von Schlssen zu ziehen, deren jeder sich vom vorhergehenden ableitet und an sich unkompliziert ist. Wenn man nach diesem Vorgehen nun einfach alle Zwischenschritte berspringt und seinen Zuhrern nur den Ausgangspunkt und die Lsung prsentiert, lsst sich eine verblffende Wirkung erzielen, die allerdings nach Effekthascherei aussehen mag. Sherlock Holmes Romanfigur des engl. Schriftstellers A.C. Doyle (1859-1930)

Die CI-Analyse beinhaltet die Interpretation der aufbereiteten Informationen (vgl. Abschnitt 3.2.11) mit Blick auf die Aufgabenstellung. Ziel der Analyse ist es, eine Antwort auf die Fragen (KIQ) der Intelligence-Nutzer zu finden. Hierbei ist eine verteidigbare Position fr die Entscheider aufzubauen (Schlussfolgerungen aus Hypothesen, Empfehlungen, Prognosen). Darin liegt hufig sicherlich der komplizierteste und herausforderndste Schritt des CI-Zyklus. Die Analyse-Handschrift ist die Visitenkarte des CI-Analysten: Professionalitt und Integritt werden sptestens bei diesem Schritt ersichtlich! Grundstzliche Vorgehensweise bei allen Analyseverfahren ist die Verwendung eines analytischen Frames (Analysekonzepte, vgl. Tabelle 5.1.). Dieser ermglicht es, die Daten strukturiert und aussagekrftig zu modellieren und damit im Sinne der Aufgabenstellung zu interpretieren. Erst durch diesen Arbeitsschritt entstehen die bentigte Intelligence und damit der von Entscheidern bentigte Mehrwert der CI. Da CI-Aufgaben selten repetitiv sind, ergibt sich die Notwendigkeit, verwendete Analysekonzepte immer wieder auf ihre Effizienz hin zu berprfen und ggf. neue Verfahren zu verwenden. Mag auch die Anwendung eines Konzeptes nur ein bestimmtes Methoden-Know-how voraussetzen, so ist die Wahl des richtigen Ansatzes meist schon ausschlaggebend fr den spteren Analysenutzen. (In Kapitel 5 werden grundlegende und in Kapitel 6 fortgeschrittene Analysekonzepte vorgestellt.)

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Das Ergebnis einer Analyse ist in verstndlicher Form zu prsentieren (vgl. Abschnitt 3.2.14), kein einfaches Unterfangen, bedenkt man die kurzen Prsentationszeiten und (teils) geringen Kenntnisse der Entscheider von Analyseverfahren und zugrunde liegenden Informationen.Checkliste: Die Hauptaufgaben des CI-Teams whrend Analyse und Interpretation

Erstellen der bentigten Analysen zur Beantwortung der KIQs Identifikation von neuen Themen (Querdenken, vorhandene Denkmuster und mentale Modelle in Frage stellen) Interpretation der Analysen mit Blick auf die Ausgangssituation und die anstehenden Entscheidungen Dokumentation der zugrunde liegenden Annahmen und der verwendeten Analyseverfahren Dokumentation der durchgefhrten Analysen, inkl. Herleitung der Schlussfolgerungen Rckblickende Dokumentation der Erfahrungen beim Einsatz der verwendeten Analyseverfahren (Nutzen, Effizienz, Verstndlichkeit fr Nutzer, vorhandene Informationsbasis bei Analyseerstellung)

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3.2.14 CI-Zyklus, Schritt 6: Berichterstellung und ReportingYou need to understand that I dont have enough time to do my job. I dont have time for academic stuff. Combine my lack of time and a feeling that I know it all and you have a tough sales call to make. So, how do I like to get intelligence? I like to get it fast and like to understand the facts. Facts can be a lot of things. They can be analytic evaluation of cost structure, market research, or what the salesperson tells you. Every time I am listening to someone, I have one question going through my mind so what? When you call on me, within one minute I am starting to form conclusions about whether I want to keep talking to you or not. So I want it fast, I want it factual, I want it integrated. Please dont come out of a wheelbarrow and say, Hey look what I got! I got all these jigsaw puzzles parts, and dump them down on my carpet and sit there and try to guess with me what sort of picture it makes. Please put the puzzle together before you see me. I want it actionable, too. Thats interesting, so what? You dont need to make cosmic predictions. Youve gone out, youve collected information, youve reflected, and your view is that we are 95% right in what we are doing. But theres a little course correction we could make. Kevin Sharer Executive Vice President, MCI Communications Corporation (zitiert aus Bernhardt 1994)

Der letzte Schritt im Intelligence-Zyklus besteht in der Berichterstellung und Prsentation fr die CI-Nutzer. Die Bedeutung dieses so genannten Reporting wird hufig falsch eingeschtzt. Gute Intelligence wird z.B. nur drftig prsentiert, womit die Wertschtzung und Glaubwrdigkeit der Intelligence bei den Empfngern leidet. Im anderen Extrem wird Reporting stark berbewertet: Aufwendige, meist mit reichhaltigem Layout erstellte Placebo-Berichte werden an mglichst viele Leser weitergereicht ohne den individuellen Intelligence-Bedrfnissen Rechnung zu tragen und eine Informationsbasis und eine Analysetiefe vorzuweisen, die ber vorhandenes Wissen der Empfnger hinausgeht. Im gnstigsten Fall werden diese Berichte einfach ignoriert, im ungnstigsten Fall wird der CI-Gedanke in Misskredit gebracht und damit eine erfolgreiche CI-Implementierung im Unternehmen in Frage gestellt. Reporting kann in zahlreichen Formaten, Stilen und Medien erfolgen20. Sinnvollerweise sollte sich der CI-Manager anhand einer Berichtspyramide (vgl. Abbildung 3.15) ein Konzept fr sein Reporting erstellen21: Wer braucht wie oft welche Intelligence(-Reports)?20

21

Jedes Unternehmen hat seine eigenen Standards des internen Berichtswesens. Die CI-Reports sollten sich so weit wie mglich an diese bewhrten Formate anlehnen. Bei Verwendung eines Standard-CI-Softwaretools lassen sich zahlreiche Berichtsvorlagen finden. In diesem Buch werden exemplarisch einige der 150

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Abb. 3.15 Berichtspyramide (entwickelt aus Bernhardt 1994)

Der eingangs zitierte, fordernde I want it fast and factual-Entscheider ist der Schlssel zum Erfolg. Nur wenn der CI-Manager es schafft, einen solchen Kunden zufrieden zu stellen, wird CI in einem Unternehmen akzeptiert. Empfehlenswert ist, mit wenigen Routineberichten zu beginnen, und sobald diese etabliert sind, mit wachsender Nachfrage sukzessive das Reporting-Angebot zu steigern. Reports mssen keineswegs nur schriftlich vermittelt werden: Direkte Prsentationen ermglichen meistens einen intensiven Gedankenaustausch und erleichtern den unmittelbaren Bezug zu einer Entscheidungssituation. Eventuelle Bedenken knnen sofort geuert und Feedback kann eingeholt werden.Checkliste: Die Hauptaufgaben des CI-Teams whrend des Reportings

Umsetzung von Analyseergebnissen in einen an den Bedrfnissen der Empfnger ausgerichteten Report Verteilung/Prsentation der Berichte Einholen von Feedback und Klrung von Fragen Dokumentation und Archivierung der Reports

Standardberichte der CI-Software Strategy! verwendet (vgl. Abschnitt 9.4.1).

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Richtlinien fr das CI-Reporting

Jeder Intelligence-Bericht ist eine Visitenkarte der CI-Abteilung: Form und Inhalt sollten im Einklang mit der Bedeutung der CI fr das Unternehmen stehen. Faustregel fr die Aufwandsabschtzung: Fr jede Stunde Analysettigkeit ist eine weitere Stunde Reporterstellung notwendig. Jeder Bericht muss mit Vermerken ber Bearbeitungsstatus (Entwurf, Vorlage etc.), Erstelldatum, Autor, Anlass, Dokumentenname und Verteiler versehen sein. Vertrauliche Berichte, die vom Empfnger nicht weitergereicht und/oder kopiert werden drfen, sind pro Exemplar mit eindeutigem Wasserzeichen (z.B. durchlaufende Drucknummer) zu versehen und zu verteilen22. Berichtsinhalt, Stil, Sprachniveau und Empfehlungen richten sich immer an den Empfngern aus. Der Stil eines Intelligence-Berichtes sollte sachlich und direkt sein. Ein technischer Detailbericht, der Vorzge eines Wettbewerberproduktes aufzhlt, mag fr den Leiter der Entwicklung verdaubar sein, ist aber vermutlich fr den Leiter des Controllings nur unverstndliches Kauderwelsch. Fr Letzteren sind lediglich die Schlussfolgerungen interessant. Das Berichtsformat muss zweckdienlich sein, d.h. der Leser sollte auf den ersten Blick erkennen, welchen Reporttyp er zu welchem Anlass vor sich hat23. Die Berichtsgliederung sollte einen schnellen Einstieg und ein einfaches Navigieren im Bericht erlauben. In Analogie zu gut recherchierten Zeitungsartikeln24 ist es sinnvoll, zuerst eine treffende berschrift, anschlieend eine zusammenfassende Analyse (was kann der Leser von dem Be22

23

24

Die Weiterleitungsfunktion in einer E-Mail-Software ermglicht es, in Bruchteilen einer Sekunde Dokumente an einen umfangreichen Verteiler zu bermitteln. Entsprechend vorsichtig und restriktiv sollten vertrauliche Berichte auf elektronischem Weg versandt werden: Je weiter die Dokumente verteilt werden, umso grer die Wahrscheinlichkeit einer ungewollten oder irrtmlichen Weitergabe! Ebenso sind elektronische Dokumente auf PCs durch Hackerangriffe gefhrdet (vgl. Abschnitt 8.3). Eine starke Distribution fhrt zu einer hohen Gefhrdung durch PC-Angriffe. Papier hat als Medium fr CI-Berichte allein aufgrund dieser Problematik noch nicht ausgedient. Leider hat sich die Unsitte von Powerpoint-Reports in vielen Unternehmen ausgebreitet. So geeignet diese Reports als zusammenfassende Kurzprsentationen sein mgen, so ungeeignet sind sie fr eine substantielle, dokumentierende Berichterstattung. Vgl. Hintergrundberichte aus dem Economist (www.economist.com) der FAZ (www.FAZ.net) oder strategische Analysen (Intelligence-Brief) wie z.B. von Stratfor (www.stratfor.com).

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richt erwarten?), dann erst den eigentlichen Hauptteil und schlielich Anhnge vorzustellen. So kann der Empfnger gleich zu Beginn erkennen, ob sich die weitere Lektre lohnt bzw. fr wen in seinem Umfeld der Bericht interessant sein knnte. Insbesondere bei komplexen Zusammenhngen (d.h. zahlreichen Themen/Perspektiven/Spekulationen) sollte der Bericht durch ein plausibles, in sich konsistentes Gedankengebude darber Aufschluss geben, wie der Analyst zu seinen Folgerungen gekommen ist. Wird unsichere Information/Intelligence berichtet, so ist mglichst eine Unsicherheitsquantifizierung vorzunehmen und Konfidenzintervalle sind anzugeben. Statt das Marktwachstum wird im nchsten Jahr vermutlich nicht mehr als 1,5% betragen, ist die Angabe erwartetes Marktwachstum: 1,5% +/- 0,5% aussagekrftiger. Die Quellen, auf denen der Bericht basiert, sind zu beschreiben (Typ, Glaubwrdigkeit, Bezug zum Thema, Art der Kontakte) und zu bewerten (vgl. Abschnitt 3.2.12), um dem Leser ein Gefhl fr Brisanz und Relevanz der berichteten Informationen zu vermitteln. Bei vertraulichen Quellen ist eine Verschlsselung der Quellenbezeichnung vorzunehmen. Eine gute Visualisierung hilft, komplexe Sachverhalte einprgsam zu vermitteln. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte gilt besonders fr kurz und bndig abzufassende Berichte. Ist ein Empfnger erst einmal mit einer bestimmten graphischen Darstellungsmglichkeit vertraut, kann hierauf aufbauend eine konkrete Interpretation der Erkenntnisse erfolgen. Bei jedem Report-Update kann so z.B. eine konsistente Marktund Wettbewerbsdarstellung vorgenommen werden (vgl. Visualisierungsbeispiele in Kapitel 5 und 6). Zudem sollten Graphiken und Bilder eine Bezeichnung erhalten, die prgnant die zu vermittelnde Aussage zusammenfasst. Eigene Schlussfolgerungen/Empfehlungen sind deutlich von Aussagen Dritter zu trennen. Der Leser kann so einzelne Folgerungen direkt ablehnen/kommentieren, ohne den gesamten Bericht abzulehnen. Beschrnken Sie den Empfngerkreis so weit wie mglich. Meist liegen jedem Entscheider schon ohne Intelligence-Berichte Unmengen an (Roh-) Informationen zur Bearbeitung vor. Fr spezifische IntelligenceBerichte ist es sinnvoll, minimale Verteiler zu erstellen: Wer braucht wirklich diese Art von Intelligence? Holen Sie sich regelmig das Feedback der Leser mit Vorschlgen fr weitere Empfnger der Berichte und Themen ein, damit sich Intelligence-Angebot und -Nachfrage einpendeln knnen. Intelligence-Berichte sind keine Denksportaufgaben. Nur weil der Analyst einer verzwickten Sache auf die Spur gekommen ist, muss ein

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Empfnger noch kein Verstndnis fr eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Irrungen und Wirrungen bei Datenerhebung und Analyse aufbringen. Ein Entscheider braucht Hilfe bei der Lsung seiner Aufgaben nicht zustzliche Problemstellungen. Die Akzeptanz eines Berichtes steigt mit dem Nutzen fr den Entscheider. Dieser Nutzen muss regelmig hinterfragt werden. Handlungsempfehlungen, die auf einem logischen, nachvollziehbaren Konstrukt basieren, sind der Schlssel zum CI-Erfolg! Auch wenn die Versuchung, Rohinformationen weiterzureichen, gro ist auer Bibliothekaren werden sich kaum dankbare Abnehmer finden. Sollten Rckfragen zu Originaldokumenten kommen, so knnen diese immer noch mit vertretbarem Aufwand nachgereicht werden. Es empfiehlt sich, strikt zwischen Push- und Pull-Berichten zu unterscheiden: Push-Reports gehen an einen Verteiler, der informiert werden muss (d.h. es steht eine Entscheidung an oder es sind Manahmen zur Abwehr von Gefahren/Risiken zu treffen). Sie sollen helfen, Blindspots zu verhindern, d.h. einer selektiven Informationsauswahl der Empfnger entgegenwirken. Pull-Berichte dagegen werden von den CI-Nutzern verlangt und sind somit individuell auf die Belange des Anfordernden auszurichten. Eskalationsprozeduren mssen vor Berichterstellung definiert und dokumentiert werden (vgl. Abschnitt 7.3.6). Was muss beim Eintreten vorab definierter Situationen geschehen? Wer ist zu benachrichtigen, wenn ein Entscheider nicht erreichbar ist? Bis wann muss wer informiert sein? Eine Archivierung der Berichte ist eine notwendige Pflichtbung! Auch wenn die Halbwertszeit der Dokumente teils nur bei wenigen Wochen liegen mag, lohnt es sich, Intelligence auch spter noch im Zugriff zu haben. Zudem werden Grundlagen fr die Performance-Messung der CI-Abteilung bentigt (vgl. Abschnitt 7.3.8). Es hat sich bewhrt, als Vorbereitung einer CI-Prsentation oder eines CI-Berichts den So what-Test25 durchzufhren: Innerhalb der CIGruppe findet ein Trockenlauf der Prsentation statt oder ein Entwurf des CI-Berichtes wird diskutiert. Bei diesem Treffen sollten nach Mglichkeit Vertreter der Intelligence-Empfnger (z.B. Assistenten) teilnehmen und die Erkenntnisse bewerten und kritisch hinterfragen. Jedes So what ist ein Indikator fr eine unspezifische, nicht relevante oder nicht aktuelle Information, die ggf. nicht verwendet oder in einem anderen Kontext prsentiert werden sollte.

25

Vgl. Eingangszitat zu Abschnitt 3.2.14: So I want it fast, I want it factual ....

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Gliederung eines CI-Berichtes Zusammenfassung: Welche Schlussfolgerungen und daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen fr das eigene Unternehmen ergeben sich? Ausgangssituation (Lage), insbesondere Relevanz, d.h. Anlass und Bedeutung des Berichtes fr das eigene Unternehmen. Was gibt es zu berichten? Warum sollte ein Empfnger diesen Bericht lesen? Analyse: Welche Erkenntnisse resultieren aus den durchgefhrten Analysen? Welche Ziele bzw. strategischen Initiativen des eigenen Unternehmens lassen sich in dieser Sache ableiten (z.B. Marktanteil pro Marktsegment, Applikation, Region, Technologie)? Was wurde (bisher) unternommen, z.B. um Informationen zu erheben? Handlungsempfehlungen: Wie kann das eigene Unternehmen seine Ziele unter den analysierten Randbedingungen (derzeit und zuknftig) erreichen? Welche Wettbewerberaktionen und -reaktionen sind zu erwarten? Welche technologischen Entwicklungen sind bercksichtigt? Anhang: Worauf basieren die beschriebenen Einschtzungen von Markt und Wettbewerb? Hier knnen Einzelheiten der Datenlage, der Analysemethoden und der Hypothesenvalidierung (z.B. AKH) beschrieben werden.

Beispiele fr CI-BerichteOffenbar gibt es auch in der Kommunikation eine Art Unschrferelation: bersichtlichkeit und Genauigkeit schlieen einander aus. These: Das Produkt aus Exaktheit und Verstndlichkeit einer Arbeit ergibt eine Konstante. Hans-Peter Beck-Bornholdt und Hans-Hermann Dubben Deutsche Radiologen und Buchautoren

Je nach Dringlichkeit, Intention und Inhalt werden unterschiedliche Berichte (die so genannten Intelligence-Produkte) angefertigt (vgl. Abbildung 3.15). Zu den Standardberichten sollten aktuelle Wettbewerberprofile (Push und Pull) sowie ein Chancen/Risiken-Bericht (vgl. Abschnitt 6.1.7) gehren. Wird vertriebsuntersttzende Intelligence von der CI-Abteilung bereitgestellt, so sollten Produktbenchmarks, Win/Loss- und SWOT-Analysen zum Reportumfang gehren. Je nach durchgefhrter CI-Analyse (vgl. Kapitel 5 und 6) ergeben sich spezifische Berichte. Diese Beispielsberichte sind in den angegebenen Kapiteln aufgefhrt.

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Newsbulletin/Newsletter

Zu den Klassikern der CI-Berichte zhlt die elektronische Version der Clippings (Ausschnitte)26. Der Mehrwert dieser Newsbulletins liegt im Vorselektieren und Zusammenfassen aktueller Nachrichten und Erkenntnisse, in der Kategorisierung der Nachrichten in bestimmte Rubriken (z.B. Regionen, Produkte, Industrien), in der kommentierenden Analyse (Was bedeutet diese Nachricht fr das eigene Unternehmen? In welchem Bezug steht eine Nachricht zu frheren Nachrichten und Erkenntnissen? Warum ist die Nachricht z.B. relevant fr laufende strategische Initiativen des eigenen Unternehmens?). Zeitgem werden Newsbulletins per E-Mail verschickt und auf Intranetseiten archiviert (z.B. im Rahmen eines CI-Portals; vgl. Abbildung 3.16 als Beispiel fr ein einfaches Nachrichtenportal und Abbildung 7.20 als Beispiel fr ein kommentiertes Nachrichtenportal). Um das Lesen der Bulletins zu erleichtern, empfiehlt sich, nur die Zusammenfassungen und Kommentare in das Hauptdokument aufzunehmen, whrend Volltexte per Hyperlink dem interessierten Leser zur Verfgung gestellt werden. Es sind etliche News Alerts27 und Monitoring-Softwareprodukte verfgbar, durch die die Erstellung der internetbasierten Clippings automatisiert werden kann. Durch Integration von Response-Elementen in den Newsletter soll der Leser animiert werden, eigene Kommentare zu den Meldungen zu schreiben oder Fragen zu stellen. Mit der Mglichkeit, Zugriffsstatistiken in einem Intranetportal zu erheben, kann eine CI-Abteilung sehr genau messen, welche Meldungen z.B. im Volltext angesehen werden, folglich eine hohe Relevanz besitzen oder zumindest neugierig machen28.

26

27 28

Bedauerlicherweise endet hiermit auch schon das Berichtswesen etlicher CIAbteilungen (vgl. Umfrageergebnisse in Abschnitt 1.1.2). Vgl. Listing unter www.competitive-intelligence.com. Im Rahmen des Newsletters kann eine CI-Abteilung auch auf interne Veranstaltungen (z.B. anstehende CI-Schulungen) und abgeschlossene Studien/Projekte hinweisen.

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Abb. 3.16 Fiktives Beispiel fr ein CI-Intranet-Portal mit Alerts und Archiv (Software IntoAction!) Intelligence-Update-Bericht

Der Intelligence-Update-Bericht wird bei lngeren CI-Initiativen und -Projekten verwendet, um Beteiligten den aktuellen Sachstand des Projektes zu prsentieren. Er wird meist periodisch oder zu Meilensteinterminen erstellt. Inhalt: Zweck des Berichtes Fortschritt (Abdeckung der Aufgabenstellung derzeit und vermutete Abdeckung bei Projektende) Ressourcensituation (Personal, Budget) Highlights der neuen Erkenntnisse, insbesondere falls die ursprngliche Zielsetzung des Vorhabens beeinflusst wurde Besondere Probleme/Hindernisse, die aufgetreten sind und die weiteren Recherchen beeintrchtigt haben Empfehlungen fr die weitere Vorgehensweise

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Situationsanalyse/Briefing

Dieser Bericht gibt eine bersicht ber den aktuellen Kenntnisstand zu einem spezifischen Thema. Typische Inhalte einer Situationsanalyse: Was ist ber die neue Produktentwicklung eines Wettbewerbers bekannt? Welche Chancen haben wir in der aktuellen Ausschreibung? Welche Auswirkungen hat der krzlich angekndigte Merger zweier Wettbewerber auf das eigene Unternehmen? Der Bericht wird bei Bedarf oder periodisch an die Beteiligten bzw. Betroffenen verteilt. Inhalt: Zweck des Berichtes Ausgangspunkt der Analyse (Was wurde hinterfragt?) Aktueller Informationsstand (Quellen, Inhalte, Materialien, Abschtzung der Glaubwrdigkeit) Analyse der Informationen und deren Auswirkung auf die Fragestellung (meist AKH-Analyse) Besondere Probleme/Hindernisse, die eine weitere Datenerhebung beeintrchtigen knnten Empfehlungen fr die weitere Vorgehensweise und einzuleitende Manahmen Beispiel einer strategischen Situationsanalyse:Neue Aktivitten der ALPHA AG im Feststofffilter-Markt in Europa Zusammenfassung: Unsere Bemhungen, im europischen Feststofffilter-Markt auch auerhalb unserer traditionellen Zielsegmente Marktanteile zu gewinnen (vgl. Strategische Vertriebsplanung vom Nov. 2003), knnte durch die potenzielle Einfhrung eines neuen Flssigkeits-Festtofffilters29 der ALPHA AG gefhrdet werden. Das hierbei verwendete Filterkonzept knnte durch seine langen Wartungsintervalle unseren Flssigkeitsfilterkonzepten berlegen sein. Es liegen erste Hinweise vor, dass insbesondere die Getrnke- und Lebensmittelindustrie Akquisitionsziel von ALPHA sein knnte.

29

Vgl. Bericht Technisches Benchmarking 2003-172 Wettbewerbsfilter mit Rotationsscheiben ab 2004 einsatzbereit vom 17.11.2003.

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Ausgangssituation: ALPHA war bisher lediglich im Bereich der knstlichen Bewsserung in mediterranen und arabischen Lndern aktiv. Hierbei ist das von ALPHA verwendete Rotationsscheiben-Filterprinzip (vgl. Anhang A) durch hohe Durchflussvolumina und geringen Wartungsaufwand (Splung, Mechanik, Abrieb) zweifelsfrei kostengnstig einsetzbar. ALPHAs Filter gelten als Arbeitspferde (d.h. sie sind robust, anspruchslos, zuverlssig). Nachteilig sind die verfahrensbedingt minimal filterbaren Partikelgren. Da weder Aktivitten in anderen Industrien noch Regionen angestrebt bzw. bekannt waren, galt ALPHA bisher nicht als direkter Wettbewerber unserer Produkte (vgl. Anhang B: Marktsegmentierung Feststofffiltermarkt vom 30.06.2003). Somit existiert weder ein Wettbewerberprofil in unserem CI-Archiv, noch wurden bisher Benchmarking-Tests im eigenen Labor mit ALPHA-Filtern durchgefhrt. Situationsanalyse: Unsere Vertriebsoffensive 2004 ist u.a. auf die Getrnke- und Lebensmittelindustrie ausgerichtet. Zum einen sollen vorhandene Filteranlagen durch unsere Neuentwicklungen ersetzt werden (Top 50 Key Accounts), zum anderen werden erstmalig Marktsegmente ber neue Vertriebspartner angegangen. Beide Initiativen knnten durch einen leistungsstrkeren Filter von ALPHA zumindest gefhrdet werden. Erste Abschtzungen ergeben ein Abwanderungspotenzial von 10% unserer Kunden bezogen auf unsere Vertriebsplanung (vgl. Anhang C mit einer Abschtzung der potenziellen Absatzgefhrdung). Bei dieser Abschtzung wurde auch die kundenseitige Verunsicherung bercksichtigt, die allein durch die Ankndigung eines neuen Feststofffilterkonzeptes zu erwarten ist. 2001 wurde der spter gefloppte Filter von BETA mit PR-trchtigen Events in zahlreichen Key Accounts vorgestellt. Die Auswirkungen waren deutlich negativ fr unseren Absatz. ALPHAs Filter sind von uns bisher lediglich auf den internationalen Messen analysiert worden, einzelne Publikationen liegen in den einschlgigen Journalen vor. Wir haben ALPHA bisher als kleines, wenig ambitioniertes Unternehmen betrachtet. Uns liegen keine Wettbewerbsstrategieanalysen vor, direkte eigene Kontakte sind nicht bekannt. Derzeit haben wir weder ausreichende Informationen fr eine technische Performance-Bewertung noch fr eine Einschtzung von ALPHAs Intention (und damit dem Bedrohungspotenzial) vorliegen.

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Handlungsempfehlung: Die folgenden KITs sind zu klren: 1) Hat ALPHA tatschlich einen neuen Filter entwickelt (neues Wirkprinzip) oder wurden lediglich die vorhandenen Filter verbessert? Mglich wre auch ein Relaunch der vorhandenen Technologie, um neue Marktsegmente angehen zu knnen. 2) Sind ALPHAs neue Filter tatschlich den hohen Anforderungen der europischen Getrnke- und Lebensmittelindustrie gewachsen (Reinheitsvorschriften, Zuverlssigkeit, Wartungsintervalle)? 3) Da wir derzeit davon ausgehen, dass ALPHA keinen Direktvertrieb und keine lokalen Servicestationen aufbauen kann (und will), sind potenzielle Distributoren zu identifizieren, die in D, F, NL fr ALPHA aktiv werden knnten. Es ist zu klren, ob in diesen Mrkten nicht schon eigene Kontakte vorhanden sind, die u.U. den Markteintritt ALPHAs verhindern oder zumindest erschweren knnten. 4) Falls der neue Filtertyp schon in Drittlndern (USA?) verfgbar ist, sollte umgehend ein Exemplar ber unsere Niederlassungen erworben und in unserem Labor getestet werden (Abrieb, Standzeiten, minimale Partikelkrnung, Zuverlssigkeit, maximale Durchflussvolumina). Anhnge Quellen-Update

Dieser Bericht dokumentiert aktuell eingehende Neuigkeiten (Rohinformationen) und informiert betroffene Gatekeeper und beteiligte CI-Teammitglieder. Eine erste Bewertung nach Relevanz und Eskalationsbedarf wird vorgenommen (vgl. Tabelle 3.6). Da diese Darstellung einen vorlufigen Charakter hat, sind keine greren Formatierungen notwendig. Wird ein Datenbanksystem zur Erfassung und Archivierung verwendet, so kann meist unmittelbar ein Bericht aus diesem System erstellt werden.

3.2 Phasen des CI-Zyklus

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Tabelle 3.6 Reporting eingehender Informationen in chronologischer Reihenfolge Glaubwrdigkeit der Information

Lfd. Nr.

Berichts- Quelle / datum Team

Information

Auswirkung Eskalation Knnte Rckzug aus Replikantenmarkt bedeuten. Besttigt unsere Liquidittsanalyse vom 01.03.04. Steht im Widerspruch zu 04-67! Schon bekanntes Projekt? Knnte lediglich PRMeldung fr den Projektstart sein. Check mit Dr. Maibach (VL-42).

04-110 16.04.04

04111 16.04.04

04-112 18.04.04

04-113 19.04.04

Dr. Glaubwrdig ALPHA plant Beger keit nicht Abbau von 30% (VL-41) bekannt der F&E-Mitarbeiter. FAZ Vermutlich Analysten erwahr warten Gewinneinbruch bei ALPHA durch schwaches Auslandsgeschft. Dr. UnwahrALPHA wird Hummel scheinlich keine Patent(VA-44) klage gegen BETA AG angehen. ALPHA Vermutlich Neue ForWebsite wahr schungsgelder des BMF sind bewilligt.

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3 Der Competitive-Intelligence-Zyklus

3.3 Praxisbeitrge3.3.1 TEMIS SA: Wettbewerbsvorteile durch auf CI angewendetes Textmining30 von Prof. Dr. Alessandro Zanasi

Einleitung

In einer Welt, in der alle Organisationen dank des Internets globale Organisationen sind, knnen nur die Organisationen, die wesentliche Wettbewerbsvorteile haben, berleben und wachsen. Diese Wettbewerbsvorteile basieren auf der Fhigkeit, die Bedrfnisse des globalen Marktes zu erkennen, die sich aus einer Umwelt ergeben, welche aus Technologie, Organisationen (Unternehmen, Regierungen, Verbnde), Menschen (Kunden, Brgern, Arbeitnehmern) und ihren Meinungen, Handlungen und Produkten besteht. Nur wer es versteht, handlungsorientierte Intelligence zu gewinnen, indem Webseiten, E-Mails, Chat-Diskussionen und ganz allgemein ffentlich zugngliche Quellen analysiert und in Dokumente eingebracht werden, wird in der Lage sein, einen Wettbewerbsvorteil zu erringen und ihn zu wahren. Mit dem Textmining steht nun eine neue Technologie zur Verfgung, um diese Aufgabe zu bewltigen.Das Problem

In unserem vorangeschrittenen Informationszeitalter existiert praktisch jede Information, der irgendeine Relevanz beizumessen ist (z.B. VIP-Statements, technologische Fortschrittsberichte, politische Entscheidungen, Kundenbeurteilungen, wissenschaftliche Erkenntnisse), irgendwo in elektronischem Format (Toffler 1993), in einer Online-Datenbank oder auf einer Webseite (die so genannten frei zugnglichen Quellen). Allerdings wird sie hufig von zu vielen anderen Informationen verdeckt. Um automatisch die gesuchte Information in den Vordergrund zu rcken, gilt es, verschiedene Schwierigkeiten zu berwinden: Bearbeitung von Dokumenten verschiedener multimedialer Quellen, die in unterschiedlichen Sprachen und Formaten verfasst sind

30

bersetzung aus dem Englischen

3.3 Praxisbeitrge

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Erkennen von Synonymen (verschiedene Worte mit der gleichen Bedeutung) und Polysemen (gleiche Worte mit verschiedenen Bedeutungen) Reduktion der Komplexitt und Gruppierung aller Dokumente nach vorab definierten Themengebieten Angabe einer groben Beschreibung, was die einzelnen Themen behandeln, mit Verweisen auf ihren Inhalt (z.B. Menge, Kontext) Erschlieen von - Querverbindungen, die einen berblick ber zwischen den Themen bestehende Beziehungen, die Untenehmen und die zitierten Personen geben - Vernderungssignalen wie Verbindungen, Prognosen, Rechtsansprchen - Namen und Aktionen von Markteinsteigern - verschiedenen Wissensniveaus - ... Entdecken und Extrahieren der spezifischen Gruppenmitglieder (Personen, Kunden, Brger), ihrer in den Dokumenten ausgedrckten Gefhle und Probleme, Erkennen derer Ursachen, sofern sie ableitbar sind, und der Art der Probleme (technisch, finanziell, beziehungsbedingt) Bercksichtigen des spezifischen Kontextes, in den diese Probleme eingebettet sind.Die Lsung: Die Textmining-Technologie

Mit dem Ziel, eine Textmining-Technologie zu entwickeln, die in der Lage sein sollte, die oben genannten Probleme zu bewltigen, wurde im Frhjahr 2000 die Temis SA (Text Mining Solutions) von einer Gruppe von Ex-IBM-Spezialisten mit Niederlassungen in Deutschland (Heidelberg), Italien und Frankreich sowie Partnern in einigen anderen Lndern gegrndet. Textmining stellt eine Erweiterung der Datamining(Zanasi et al. 1997)Fhigkeiten auf unstrukturierte Daten dar.

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Textmining (Zanasi 2003a) erlaubt: Schlsselkonzepte aus Textdokumenten zu extrahieren und logische Beziehungen zwischen z.B. Firmennamen, M&As, VIP-Statements, Angestellten, Marktanteilen herzustellen inhaltshnliche Dokumente zu gruppieren, wobei die Suchergebnisse in dynamisch generierte Kategorien einsortiert werden die Kategorisierung von Dokumenten durch Einsortieren in von Benutzern vordefinierte Kategorien den Inhalt von Dokumenten zusammenzufassen. Temis bietet ein Tool fr alle oben genannten Aufgaben (die Module Temis Insight Discoverer Extractor, Categorizer und Clusterer) in sieben (bald fnfzehn) Sprachen an sowie eine spezifische Web-Applikation fr Intelligence (Online Miner), die ber all diese Komponenten verfgt.Textmining auf CI angewendet

Textmining fr CI wurde von dem Autor bereits lange Zeit bei der IBM untersucht (Zanasi 1998; Zanasi 2000), anschlieend bei Temis (Zanasi 2001a). Dort wurde entschieden, eine spezielle CI-Applikation (den Online Miner) zu entwickeln, die tausende Dokumente untersuchen und analysieren kann.Competitive Intelligence

Der Online Miner transformiert unstrukturiertes Datenmaterial, welches aus dem Internet oder anderen Quellen stammt, in ein Format, welches mathematisch bearbeitet werden kann. Dieser Prozess wird durch eine linguistische Analyse ermglicht, die auf drei Basiskomponenten beruht: 1. einem Sprachmodul (sieben Sprachen, bald 15), das das grammatikalische Wissen beinhaltet, einen Satz in seine Basiskomponenten zu zerlegen, 2. einem generischen Wrterbuch (auch mit Idiomen), das um industriespezifische Wrterbcher erweitert werden kann, 3. einer Skills Cartridge, welche eine Textanalyse und das Extrahieren von Organisationsbegriffen fr ein spezifisches Thema erlaubt. So ermglicht z.B. die CI-Skills Cartridge die Aufdeckung so genannter Schwacher Signale, die u.U. Indikatoren fr eine nderung der Wettbewerbsumgebung sind. Auf diese Weise knnen zum einen zuknftige Aktivitten (abgeleitet aus Verlautbarungen von Topmanagern, Partnerschaften, Allianzen oder Joint Ventures) und zum anderen typische (strategische) CI-Recherchegegenstnde erhoben we