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Kapitel V. Determinanten
Inhalt:
16. Definition und Eigenschaften der Determinante
17. Anwendung auf lineare Gleichungssysteme
18. Determinante eines Endomorphismus
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 235
Wir behandeln eine weitere “Kennzahl” von n× n-Matrizen: die Determinante. Esgibt mehrere Zugange und Definitionen, die von den folgenden Mathematikernangegeben wurden:
Karl Theodor Wilhelm Weierstraß (1815–1897) formulierte eine axiomatische
Charakterisierung der Determinante, indem er 3 charakterisierende Eigenschaften derDeterminante angab.
Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) gab eine geschlossene Form zur Berechnung derDeterminante aus den Eintragen der Matrix an (Leibnizformel).
Pierre-Simon (Marquis de) Laplace (1749–1827) beschreibt die Determinante rekursiv,indem er von n × n-Matrizen auf (n − 1)× (n − 1)-Matrizen zuruckgeht (Laplace’scherEntwicklungssatz)
Außerdem merke man sich:
Mit dem Gauß-Algorithmus hat man das schnellste Berechnungsverfahren fur Matrizen abder Große 4× 4, falls nicht eine spezielle Form der Matrix vorliegt.
Die Determinante beinhaltet geometrische Information: Volumen (bzw. Flacheninhalt imR2) und Orientierung.
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 236
Definition und Eigenschaften der Determinante Einfuhrung: Determinante von 2 × 2-Matrizen
16 Definition und Eigenschaften der Determinante
16.1 Einfuhrung: Determinante von 2× 2-Matrizen: Es sei A =
(a b
c d
).
Die Zeilenvektoren von A nennen wir a1 = (a, b) und a2 = (c, d).
Wir betrachten fur einfache Beispiele das von den Vektoren a1 und a2 aufgespannteParallelogramm P, bestimmen seine Flache sowie die Orientierung (’+’ bzw. ’-’ fur Drehung vona1 nach a2 gegen bzw. im Uhrzeigersinn).
Vektoren Flache Orientierung A detA = ad − bc
a1 = (1, 0)a2 = (0, 1)
1 +
(1 00 1
)1
a1 = (1, 0)a2 = (2, 1)
1 +
(1 02 1
)1
a1 = (−1,−1)a2 = (2, 1)
1 +
(−1 −12 1
)1
Geometrisch: vom 1. zum 2. (und vom 2. zum 3.) Beispiel gelangt man durch eineScherung (siehe Cavalieri-Prinzip)
Matrix-Umformung: Jeweils eine elementare Zeilenumformung E3 aus 12.1
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 237
Definition und Eigenschaften der Determinante Einfuhrung: Determinante von 2 × 2-Matrizen
Vektoren Flache Orientierung A detA = ad − bc
a1 = (1, 0)a2 = (2, 1)
1 +
(1 00 1
)1
a1 = (2, 1)a2 = (1, 0)
1 −
(2 11 0
)−1
Geometrisch: Orientierungswechsel
Matrix-Umformung: Zeilenvertauschung E1 aus 12.1
Vektoren Flache Orientierung A detA = ad − bc
a1 = (1, 0)a2 = (2, 1)
1 +
(1 00 1
)1
a1 = (−3, 0)a2 = (2, 1)
3 −
(−3 02 1
)−3
Geometrisch: Multiplikation einer Seite mit α > 0 ergibt die proportionaleFlachenanderung, bei α < 0 zusatzlich den Orientierungswechsel.
Matrix-Umformung: Elementare Zeilenumformung E2 aus 12.1
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 238
Definition und Eigenschaften der Determinante Zusammenfassung fur 2 × 2-Matrizen
16.2 Zusammenfassung fur 2× 2-Matrizen
Auf dem K -Vektorraum der 2× 2-Matrizen definieren wir die Abbildung
det : MatK (2, 2) → K , A =
(a b
c d
)7→ ad − bc .
Diese Abbildung hat die folgenden Eigenschaften:
(1) Sie ist multilinear; d.h. als Funktion der Zeilenvektoren a1, a2 ∈ K 2 von A istdie Abbildung jeweils linear:
det
(αa1 + βa1
a2
)= α det
(a1a2
)+ β det
(a1a2
),
det
(a1
αa2 + βa2
)= α det
(a1a2
)+ β det
(a1a2
).
(2) Fur a1 = a2 gilt det
(a1a2
)= 0.
(3) Es gilt det
(1 00 1
)= 1.
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 239
Definition und Eigenschaften der Determinante Zusammenfassung fur 2 × 2-Matrizen
16.2 Zusammenfassung fur 2× 2-Matrizen (Fortsetzung)
Weiterhin gelten die folgenden Regeln:
(4) Umformung E3: Fur alle α ∈ K ist
det
(a1a2
)= det
(a1 + αa2
a2
)= det
(a1
a2 + αa1
).
(5) Umformung E1:
det
(a1a2
)= − det
(a2a1
).
(6) Skalare Multiplikation von A: fur λ ∈ K gilt
det
(λ
(a1a2
))= λ2 det
(a1a2
).
(7) Ist eine Zeile von A der Nullvektor, so ist detA = 0.
(8) Es gilt detA 6= 0 genau dann, wenn A invertierbar ist.
(9) Es gilt detA = detA⊤.
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 240
Definition und Eigenschaften der Determinante Definition von Weierstraß
16.3 Definition von Weierstraß
Es sei K ein Korper und n ∈ N. Eine Abbildung det : MatK (n, n) → K heißtDeterminante, falls sie die folgenden Eigenschaften hat:
(D1) Sie ist multilinear in den Zeilenvektoren a1, . . . , an von A. Dies bedeutet: Furi ∈ {1, . . . , n} und α, β ∈ K ist
det
a1...
ai−1
αai + βaiai+1
...an
= α det
a1...
ai−1
aiai+1
...an
+ β det
a1...
ai−1
aiai+1
...an
.
(D2) Sie ist alternierend, das heißt: Hat A zwei gleiche Zeilen, so ist detA = 0.
(D3) Sie ist normiert, das heißt: detEn = 1.
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 241
Definition und Eigenschaften der Determinante Satz: Weitere Eigenschaften
Bevor wir die Existenz und Eindeutigkeit der Determinantenfunktion betrachten,werden weitere Eigenschaften gefolgert.
16.4 Satz: Weitere Eigenschaften
Aus den Axiomen (D1)–(D3) der Determinantenfunktion folgt:
(D4) Umformung E3: Fur i , j ∈ {1, . . . , n} mit i 6= j und α ∈ K ist
det
a1...
ai−1
ai + αajai+1
...an
= det
a1...
ai−1
aiai+1
...an
.
(D5) Umformung E1: Entsteht B aus A durch eine Zeilenvertauschung, so istdetB = − detA.
(D6) Skalare Multiplikation von A: fur λ ∈ K gilt det(λA) = λn detA.
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 242
Definition und Eigenschaften der Determinante Satz: Weitere Eigenschaften
16.4 Satz: Weitere Eigenschaften (Fortsetzung)
(D7) Ist eine Zeile von A der Nullvektor, so ist detA = 0.
(D8) Es gilt detA 6= 0 genau dann, wenn A invertierbar ist.
(D9) Es gilt detA = detA⊤.
(D10) Ist A eine obere Dreiecksmatrix, also
A =
a1,1 · · · a1,n
. . ....
0 an,n
,
so ist
detA =
n∏
i=1
ai ,i .
Ein analoges Resultat gilt fur eine untere Dreiecksmatrix.
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 243
Definition und Eigenschaften der Determinante Satz: Weitere Eigenschaften
16.4 Satz: Weitere Eigenschaften (Fortsetzung)
(D11) Hat A die Blockgestalt
A =
(A1 C
0 A2
)
mit quadratischen Matrizen A1 und A2, so gilt
detA = (detA1) · (detA2).
Ein analoges Resultat gilt fur Matrizen der Form A =
(A1 0C A2
).
Warnung: Fur n ≥ 2 kann man det(A + B) NICHT auseinanderziehen; ebenso merke man sich(D6) genau.
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 244
Definition und Eigenschaften der Determinante Satz: Eindeutigkeit der Determinantenfunktion
16.6 Satz: Eindeutigkeit der Determinantenfunktion
Es sei K ein Korper und n ∈ N. Es gibt hochstens eine Abbildungdet : MatK (n, n) → K , die die Eigenschaften (D1)–(D3) in Definition 16.3 besitzt.
Beweisidee:
Falls A nicht invertierbar ist, so muss detA = 0 gelten, siehe (D8).
Falls A invertierbar ist, so kann A mit elementaren Umformungen E1 und E3 (ohneSpaltentausch!) in die Stufenform 12.3 gebracht werden. Dabei andern die UmformungenE3 die Determinante nicht, bei jedem Zeilentausch E1 muss das Vorzeichen derDeterminante angepasst werden. Ist also k die Anzahl der Tausch-Operationen, die zurErreichung der Stufenform C von A durchgefuhrt wurden, so gilt
detA = (−1)k detC .
Die Matrix C ist eine obere Dreiecksmatrix, also ist mit (D10)
detA = (−1)kn∏
i=1
ci,i .
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 245
Definition und Eigenschaften der Determinante Bemerkung
16.7 Bemerkung Dass fur invertierbares A bei der Erstellung der Stufenform kein Spaltentauscherforderlich ist, sieht man so:
Nach k ≥ 0 Eliminations-Schritten hat die aus A erzeugte Matrix B eine Blockgestalt der Form
B =
(B1 C
0 B2
)
mit Matrizen B1 ∈ Mat(k, k) und B2 ∈ Mat(n − k, n − k). Hierbei ist B1 bereits eine obereDreiecksmatrix.
Ware die gesamte erste Spalte von B2 gleich Null (nur dann ist ja der Spaltentausch notwendig),so hatte man schon die Blockgestalt
B =
B1 c1 C
0 0 ~b⊤
0 0 D
← (k + 1)-te Zeile
mit einer kleineren Matrix D ∈ Mat(n − k − 1, n − k − 1). Der erste Block ist eine obereDreiecksmatrix, deren letztes Diagonalelement gleich Null ist. Also ware seine Determinante 0(wegen (D10)) und auch detB = 0 (wegen (D11)). Hiermit ware auch detA = 0, einWiderspruch zur Voraussetzung, dass A invertierbar ist (siehe (D8)).
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 246
Definition und Eigenschaften der Determinante Satz: Existenz der Determinantenfunktion
16.8 Satz: Existenz der Determinantenfunktion
Es sei K ein Korper und n ∈ N. Die folgende Abbildung detn : MatK (n, n) → K ,besitzt die Eigenschaften (D1)–(D3) in Definition 16.3.
Fur n = 1, also A = (a) mit a ∈ K , ist det1(A) = a.
Fur n = 2, also A =
(a b
c d
), ist det2(A) = ad − bc .
Fur n > 2 bezeichne A′i ,j ∈ MatK (n − 1, n− 1) die Matrix, die aus A durch
Streichen der i-ten Zeile und j-ten Spalte entsteht. Dann ist fur ein festesi ∈ {1, . . . , n}
detn(A) =
n∑
j=1
(−1)i+jai ,j · detn−1(A′i ,j). (4)
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 247
Definition und Eigenschaften der Determinante Lemma
Mit kombinatorischem Geschick zeigt man das folgende Resultat:
16.9 Lemma
Die in 16.8 rekursiv definierte Funktion detn : MatK (n, n) → K hangt nicht vonder speziellen Wahl des Index i ∈ {1, . . . , n} ab; d.h. fur jedes 1 ≤ i ≤ n ergibtsich in (4) der gleiche Wert.
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 248
Definition und Eigenschaften der Determinante Zwischenfazit
16.10 Zwischenfazit: Wir haben bisher geklart, dass es genau eine Abbildungdetn : MatK (n, n) → K mit den Eigenschaften (D1)–(D3) in der Charakterisierungvon Weierstraß gibt, also dadurch die Determinante detn(A) wohldefiniert ist.Ublicherweise lasst man den Index n weg und schreibt einfach detA = detn(A).
Außerdem wurden bereits zwei Berechnungsmethoden vorgestellt:
(i) Der Gauß-Algorithums mit elementaren Zeilenumformungen E1–E3 (ohneSpaltentausch). Sobald sich zeigt, dass A nicht invertierbar ist (d.h. Nullen inder gesamten Spalte, einschließlich Diagonalelement), folgt sofort detA = 0.Andernfalls muss uber die Umformungen E1 (Zeilentausch, nur die Anzahl istrelevant) und E2 (hier werden Faktoren herausgezogen) streng Buch gefuhrtwerden.
(ii) Die Entwicklung nach der i-ten Zeile von A (Satz 16.8). Dies bietet sich z.B.an, wenn A in einer Zeile viele Nullen stehen hat.
Daruberhinaus sind Falle von Dreiecksmatrizen, Block-Dreiecksmatrizen wie in(D10) und (D11) bereits geklart.
Wir behandeln noch weitere Eigenschaften und eine dritte Darstellung derDeterminante, die Leibniz-Formel.
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 249
Definition und Eigenschaften der Determinante Satz: Laplace’scher Entwicklungssatz
16.11 Satz: Laplace’scher Entwicklungssatz
Die Determinantenfunktion detn : MatK (n, n) → K ergibt sich sowohl durchEntwicklung nach einer beliebigen Zeile
detn(A) =n∑
j=1
(−1)i+jai ,j · detn−1(A′i ,j), i = 1, . . . , n,
als auch durch Entwicklung nach einer beliebigen Spalte
detn(A) =
n∑
i=1
(−1)i+jai ,j · detn−1(A′i ,j), j = 1, . . . , n.
Beweis: Der Beweis fur die Entwicklung nach einer Spalte wird genau wie vorher per Induktionerbracht: die dadurch rekursiv definierte Funktion erfullt (D1)–(D3), stimmt also mit dereindeutigen Determinantenfunktion uberein.
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 250
Definition und Eigenschaften der Determinante Folgerung: Determinante von A⊤
16.12 Folgerung: Determinante von A⊤
Fur A ∈ MatK (n, n) giltdetA = detA⊤.
Beweis: Entwicklung von A nach der 1. Spalte ist das gleiche wie Entwicklung von A⊤nach der1. Zeile. Der Rest folgt wieder per Induktion. �
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 251
Definition und Eigenschaften der Determinante Sarrus-Regel fur 3 × 3-Determinanten
16.13 Sarrus-Regel fur 3× 3-Determinanten: Der Entwicklungssatz (nachirgendeiner Zeile oder Spalte) liefert sofort
det
a1 1 a1 2 a1 3a2 1 a2 2 a2 3a3 1 a3 2 a3 3
=
a1 1a2 2a3 3 + a1 2a2 3a3 1 + a1 3a2 1a3 2 − a3 1a2 2a1 3 − a3 2a2 3a1 1 − a3 3a2 1a1 2.
Merken kann man sich diese Regel durch folgendes Schema:
a b c
d e f
g h i
a b
d e
g h
+aei +bfg +cdh−ceg −afh −bdi
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 252
Definition und Eigenschaften der Determinante Definition: Fehlstand und Paritat einer Permutation
Fuhrt man die Entwicklung der Determinante rekursiv fort, so erhalt man dieLeibniz-Formel fur detn(A).
Wir erinnern vorab an die Menge (Gruppe) der Permutationen
Sn = {σ : {1, . . . , n} → {1, . . . , n} | σ bijektiv}.
Diese Gruppe hat n! (n-Fakultat) Elemente, die man mit Hilfe des folgendenBegriffs in zwei gleich große Teilmengen zerlegt.
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 253
Definition und Eigenschaften der Determinante Definition: Fehlstand und Paritat einer Permutation
16.14 Definition: Fehlstand und Paritat einer Permutation
Fur eine Permutation
σ =
[1 2 3 · · · n
σ(1) σ(2) σ(3) · · · σ(n)
]
heißt das Indexpaar (i , j) mit i , j ∈ {1, . . . , n} ein Fehlstand, wenn
i < j und σ(i) > σ(j)
gilt. Die Permutation σ heißt gerade (bzw. ungerade), wenn die Anzahl ihrerFehlstande gerade (bzw. ungerade) ist. Man setzt
signσ =
{1, falls σ gerade ist,
−1, falls σ ungerade ist.
Beispiel: Die Anzahl der Fehlstande in σ =
[1 2 3 4 53 1 4 2 5
]ist 3, also ist signσ = −1.
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 254
Definition und Eigenschaften der Determinante Lemma
Es gibt eine geschlossene Formel fur das Signum.
16.15 Lemma
Fur jede Permutation σ ∈ Sn gilt
signσ =∏
i<j
σ(j)− σ(i)
j − i.
Beweis: Zahler und Nenner haben jeweils n(n − 1)/2 ganzzahlige Faktoren. Man macht sichvorweg am Beispiel klar, dass im Zahler und Nenner wirklich die gleichen Zahlen (bis auf dasVorzeichen) auftreten:
∏
i<j
σ(j) − σ(i)
j − i=
(1 − 3)(4 − 3)(2 − 3)(5 − 3)(4 − 1)(2 − 1)(5 − 1)(2 − 4)(5 − 4)(5 − 2)
(2 − 1)(3 − 1)(4 − 1)(5 − 1)(3 − 2)(4 − 2)(5 − 2)(4 − 3)(5 − 3)(5 − 4).
Der Nenner enthalt nur positive Faktoren, der Zahler enthalt genau m negative Faktoren, wobei
m die Anzahl der Fehlstande ist.
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 255
Definition und Eigenschaften der Determinante Satz: Leibniz-Formel fur die Determinante
16.16 Satz: Leibniz-Formel fur die Determinante
Die Determinantenfunktion detn : MatK (n, n) → K lautet
detn(A) =∑
σ∈Sn
sign(σ) · a1,σ(1) · · · an,σ(n).
Hierbei treten alle n! Produkte a1,σ(1) · · · an,σ(n) von n Matrixelementen auf, diedurch die Auswahl genau eines Elements aus jeder Zeile und Spalte von A gebildetwerden konnen.
Beispiel: Fur n = 3 ist dies die Sarrus-Formel.Fur n = 4 enthalt die Formel 4! = 24 Summanden; sie ist zur Berechnung nur geeignet, wennviele Nullen auftreten. Fur theoretische Untersuchungen ist die Leibniz-Formel jedoch auch furgroßes n sehr hilfreich.
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 256
Definition und Eigenschaften der Determinante Satz: Produktsatz fur die Determinante
Eine weitere wichtige Eigenschaft der Determinante:
16.17 Satz: Produktsatz fur die Determinante
Fur A,B ∈ MatK (n, n) gilt
det(AB) = (detA) · (detB).
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 257
Definition und Eigenschaften der Determinante Satz
Als Folgerung des Produktsatzes ergibt sich sofort:
16.18 Satz
Es sei K ein Korper und n ∈ N.
(a) Fur jede invertierbare Matrix A ∈ MatK (n, n) gilt
det(A−1) =1
detA.
(b) Ahnliche Matrizen haben die gleiche Determinante. D.h. fur jede MatrixA ∈ MatK (n, n) und jede invertierbare Matrix T ∈ MatK (n, n) gilt
det(T−1AT ) = detA.
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 258
Definition und Eigenschaften der Determinante Satz
Zusammenfassung: Wir haben ausgehend von den 2× 2-Determinantenverschiedene Ansatze verfolgt, um die Determinante einer n × n-Matrix zudefinieren bzw. zu charakterisieren oder letztendlich zu berechnen. Jeder Zugangvon Weierstraß, Laplace, Leibniz oder uber den Gauß-Algorithmus fuhrt auf diegleiche Funktion
det : MatK (n, n) → K , A 7→ detA.
Die geometrische Interpretation der 2× 2-Determinante als Maßzahl einer Flacheund einer Orientierung wird erst in Abschnitt 18 aufgegriffen.
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 259
Anwendung auf lineare Gleichungssysteme Charakterisierung regularer Matrizen
17 Anwendung auf lineare Gleichungssysteme
Es sei K ein beliebiger Korper. Wir haben bereits die folgende Aussage zurLosbarkeit des linearen Gleichungssystems A~x = ~b mit einer MatrixA ∈ MAtK (n, n) bewiesen.
17.1 Charakterisierung regularer Matrizen
Fur A ∈ MatK (n, n) sind folgende Aussagen aquivalent:
(i) A ist invertierbar.
(ii) RangA = n.
(iii) detA 6= 0.
(iv) Das homogene LGS A~x = ~0 hat als einzige Losung ~x = ~0.
(v) Das LGS A~x = ~b ist universell eindeutig losbar.
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 260
Anwendung auf lineare Gleichungssysteme Cramersche Regel
Fur kleine Matrizen und weitere Anwendungen ist die folgende Regel wichtig.
17.2 Cramersche Regel
Die Matrix A ∈ MatK (n, n) sei invertierbar. Dann haben die Komponenten des
eindeutigen Losungsvektors ~x von A~x = ~b die Darstellung
xj =1
detAdet
a1,1 · · · a1,j−1 b1 a1,j+1 · · · a1,n...
......
......
an,1 · · · an,j−1 bn an,j+1 · · · an,n
;
in der Matrix A wird also die j-te Spalte ersetzt durch die rechte Seite ~b.
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 261
Anwendung auf lineare Gleichungssysteme Satz: Adjunktenform der Inversen
Mit der Cramerschen Regel kann man auch eine Darstellung fur die Inverse von A
erhalten.
17.3 Satz: Adjunktenform der Inversen
Die Inverse einer invertierbaren Matrix A ∈ MatK (n, n) hat die Form
A−1 =1
detA(αj,k )n×n
mit αj,k = (−1)j+k detA′k,j .
Die Zahl αj,k = (−1)j+k detA′k,j heißt der (k , j)-Minor von A.
Bemerkung: Man achte auf die Index-Vertauschung: der Eintrag αj,k der Inversen stammt vom(k, j)-Minor von A.
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 262
Anwendung auf lineare Gleichungssysteme Beispiele
17.4 Beispiele:
(a) Lose das LGS
(1 23 4
)~x =
(78
).
Es ist det
(1 23 4
)= −2, also nach der Cramerschen Regel x1 =
det
(7 28 4
)
−2= −6
x2 =
det
(1 73 8
)
−2=
13
2
Weiter:
(1 23 4
)−1
=1
−2
(4 −2−3 1
)
Allgemein:
(a b
c d
)−1
=1
ad − bc
(d −b
−c a
), falls ad − bc 6= 0; sonst ist die Matrix
nicht invertierbar.
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 263
Anwendung auf lineare Gleichungssysteme Beispiele
(b) In Ubungsaufgabe 45 wurde die Inverse der komplexen Matrix
A =
1 2 + i −3i4i 5 1− i
2− 3i 2i 5
gesucht. Mit Sarrus erhalt man
detA = 25 + (2 + i)(1− i)(2− 3i) + (−3i)(4i)(2i)−
(2− 3i)(5)(−3i) − (2i)(1 − i)− 5(4i)(2 + i)
= 25 + (3− 11i) + 24i − (−45− 30i)− (2 + 2i)− (−20 + 40i) = 91 + i .
Berechnung der 2× 2-Determinanten ergibt nun
A−1=1
91 + i
25− 2i(1− i) −5(2 + i) + 2i(−3i) (2 + i)(1 − i)− 5(−3i)−5(4i) + (2− 3i)(1− i) 5− (2− 3i)(−3i) −(1 − i) + 4i(−3i)
(4i)(2i) − 5(2− 3i) −2i + (2− 3i)(2 + i) 5− (4i)(2 + i)
=1
91 + i
23− 2i −4− 5i 3 + 14i−1− 25i 14 + 6i 11 + i
−18 + 15i 7− 6i 9− 8i
.
War das nun leichter?
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 264
Anwendung auf lineare Gleichungssysteme Bemerkung
17.5 Bemerkung
Fur eine beliebige Matrix A ∈ MatK (n, n) kann
A# = (αj,k )n×nmit αj,k = (−1)j+k detA′
k,j
gebildet werden. Man nennt A# die komplementare Matrix zu A. Es gilt
A# · A = A · A# = (detA) · En, detA# = (detA)n−1.
Im Fall detA 6= 0 besagt 17.3 gerade
A−1 =1
detA· A#.
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 265
Anwendung auf lineare Gleichungssysteme Bemerkung
17.6 Bemerkung
Auch fur n × n-Matrizen A, deren Eintrage ai ,k Elemente eines kommutativen
Ringes R mit Eins sind, lasst sich die Determinante durch den Entwicklungssatzvon Laplace oder die Leibniz-Formel erklaren. Die weiteren Beziehungen bleibenbestehen, sofern sie ohne Verwendung der Division formuliert werden konnen.
Insbesondere besitzt A eine Inverse, wenn detA eine Einheit des Rings R ist.
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 266
Anwendung auf lineare Gleichungssysteme Beispiel
17.7 Beispiel: Die Matrix
A =
(2 + t 5− t2
3− t 7 + t2
)
hat Eintrage ai,k ∈ R[t]. Die Determinante
detA = (2 + t)(7 + t2)− (3 − t)(5 − t2) = −1 + 12t + 5t2 ∈ R[t]
ist selbst wieder ein Element des Ringes (hier also ein Polynom). Auch die komplementareMatrix ist wie vorher uber die Minoren von A definiert:
A# =
(7 + t2 −5 + t2
−3 + t 2 + t
).
Einfache Rechnung ergibt
A · A# = A# · A = detA
(1 00 1
).
Hier steht die Einheitsmatrix als Matrix mit den Ringelementen 0R und 1R , also den konstantenPolynomen.
Weil (detA) KEINE Einheit in R[t] ist, kann die Adjunktenform der Inversen nicht verwendet
werden: A besitzt gar keine Inverse, die wieder aus Polynomen besteht.
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 267
Determinante eines Endomorphismus Erinnerung
18 Determinante eines Endomorphismus
Wir knupfen an Abschnitt 14 an, indem wir die Matrix-Darstellung(en) von EndomorphismenF : V → V betrachten. Hierbei ist V ein endlich-dimensionaler Vektorraum, dimV = n ∈ N.
18.1 Erinnerung
In Satz 14.11 wurde klar, dass die darstellende Matrix eines Endomorphismus F : V → V zurBasis A = (v1, . . . , vn) die quadratische Matrix A ∈ MatK (n, n) mit den Spaltenvektoren~ak = (aj,k)1≤j≤n ist, wobei
F (vk) =m∑
j=1
aj,kvj , k = 1, . . . , n
gilt. Geht man zu einer neuen Basis A′ (sowohl im Definitions- als auch im Wertebereich) uber,so erhalt man als neue darstellende Matrix
B = T−1AT ,
mit einer Matrix T ∈ Gl(n,K). Der Produktsatz 16.17 bzw. Satz 16.18 zeigen
detA = detB.
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 268
Determinante eines Endomorphismus Definition: Determinante eines Endomorphismus
Der folgende Begriff ist also wohldefiniert.
18.2 Definition: Determinante eines Endomorphismus
Es sei V ein n-dimensionaler Vektorraum, n ∈ N, sowie F : V → V linear. Dannist die Determinante von F
det(F ) := det(A)
definiert als die Determinante der darstellenden Matrix von F bzgl. einer (unddaher jeder) Basis A von F .
Lineare Algebra, Teil I 28. Januar 2011 269
Determinante eines Endomorphismus Beispiele
18.3 Beispiele:
(a) D : Pn → Pn hat det(D) = 0.
(b) L : Pn → Pn mit L(f ) = f − D(f ) hat det(L) = 1: die darstellende Matrix zur BasisA = (f0, f1, . . . , fn) in Beispiel 13.30(b) ist eine obere Dreiecksmatrix:
L(fj ) = t j = fj +
j−1∑
k=0
ak,j fk , 0 ≤ j ≤ n,
mit geeigneten Skalaren ak,j . Die Diagonalelemente sind alle gleich 1, also ist detA = 1.
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Determinante eines Endomorphismus Satz:
18.4 Satz:
Es sei V ein n-dimensionaler Vektorraum, n ∈ N, sowie F : V → V linear. Dannsind folgende Aussagen aquivalent:
(i) F ist injektiv.
(ii) F ist surjektiv.
(iii) F ist bijektiv, also F ∈ Aut(V ).
(iv) Rang(F ) = n.
(v) Kern(F ) = {0V}.
(vi) detF 6= 0.
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Determinante eines Endomorphismus Definition: Flache und Volumen
Zum Abschluss wollen wir eine geometrische Betrachtung der linearen Abbildungen
F : Rn → Rn, F (x) = Ax
mit einer quadratischen Matrix A ∈ Mat(n, n) anstellen. Dazu benotigen wir einenFlachen- bzw. Volumenbegriff, der zunachst nur fur einfache Objekte, sog.Parallelotope, angegeben wird.
18.5 Definition: Flache und Volumen
Es seien a1, . . . , an ∈ Rn (Spalten-)Vektoren.
a) Das von diesen Vektoren aufgespannte Parallelotop ist die Menge
P = P(a1, . . . , an) =
{x ∈ R
n |
n∑
k=1
λkak , 0 ≤ λk ≤ 1 fur k = 1, . . . , n
}.
b) Das n-dimensionale Volumen dieser Menge wird definiert als
Voln(P) = | det(A)|,
wobei A = (a1, . . . , an) die Matrix mit den gegebenen Vektoren alsSpaltenvektoren ist.
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Determinante eines Endomorphismus Definition: Flache und Volumen
Bemerkung:
Zum Volumenbegriff vgl. Forster, Analysis 3, §5.
Es gilt Voln(P) = 0 genau dann, wenn die aufspannenden Vektoren a1, . . . , an linearabhangig sind. Dies stimmt mit unserem geometrischen Verstandnis uberein: dasParallelotop P liegt in dem r-dimensionalen Teilraum Span(a1, . . . , an), und es giltr = Rang(A) < n genau dann, wenn a1, . . . , an linear abhangig sind.
Fur n = 2 ist P ein Parallelogramm und Vol2(P) der Flacheninhalt in der euklidischenGeometrie (Vol2(P) = Grundseite mal Hohe).
Fur n = 3 ist P ein sog. Spat und Vol3(P) das Volumen: (Vol3(P) = Flache der Grundseitemal Hohe).
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Determinante eines Endomorphismus Satz
18.6 Satz
P = P(a1, . . . , an) sei ein Parallelotop, B ∈ Mat(n, n) sei eine Matrix. Dann ist dieBildmenge
Q = B(P) = {Bx | x ∈ P}
das Parallelotop mit den Kanten Ba1, . . . ,Ban, und es gilt
Voln(Q) = | detB| · Voln(P).
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Determinante eines Endomorphismus Definition: Orientierung
18.7 Definition: Orientierung
Das von den Vektoren a1, . . . , an ∈ Rn aufgespannte Parallelotop ist
positiv orientiert, falls det(a1, . . . , an) > 0 gilt,
negativ orientiert, falls det(a1, . . . , an) < 0 gilt.
Bemerkung:
Fur n = 2 ist P(a1, a2) positiv orientiert genau dann, wenn a1 und a2 linear unabhangigsind und der kleinere der beiden Winkel eine Linksdrehung von a1 nach a2 beschreibt.
Fur n = 3 ist P(a1, a2, a3) positiv orientiert genau dann, wenn die Familie (a1, a2, a3) linearunabhangig ist und ein sogenanntes Rechtssystem beschreibt: zur Veranschaulichung dientdie “Drei-Finger-Regel der rechten Hand” oder die “Korkenzieherregel”.
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Determinante eines Endomorphismus Satz
18.8 Satz
P = P(a1, . . . , an) sei ein Parallelotop, B ∈ Gl(n,R) sei eine invertierbare Matrix.Dann hat das Parallelotop
Q = B(P) = {Bx | x ∈ P}
die gleiche Orientierung wie P , falls detB > 0 gilt,
die entgegengesetzte Orientierung zu P , falls detB < 0 gilt.
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Determinante eines Endomorphismus Bemerkung
18.9 Bemerkung: Nicht nur Parallelotope, sondern allgemeinere Polytope (oder Vielflachs)werden durch die Abbildungsvorschrift x 7→ Bx erneut in Polytope abgebildet. Dies wird anhandvon Mengen im R
2, deren Rand ein Polygonzug ist, veranschaulicht.
Es gilt sogar etwas mehr: Ist P ⊂ Rn ein Polytop, m ≤ n und B ∈ Mat(m, n) mit Rang(B) = m,
so ist die Bildmenge B(P) ein Polytop im Rm. Dieses Resultat leistet besonders in derComputergrafik und bei technischen Zeichnungen (Bauwesen, Maschinenbau, Architektur), aberauch in der Kunst einen wichtigen Beitrag.
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