8
Claudio Paglieri Kein Grappa für Commissario Luciani

Kein Grappa für Commissario Luciani - · PDF filemichelden Tex Willer und Dylan Dog. 2003 erschien von ihm im Aufbau Taschenbuch Verlag der Roman Sommer Ende Zwan-zig,

  • Upload
    vodang

  • View
    214

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Kein Grappa für Commissario Luciani -   · PDF filemichelden Tex Willer und Dylan Dog. 2003 erschien von ihm im Aufbau Taschenbuch Verlag der Roman Sommer Ende Zwan-zig,

Claudio Paglieri

Kein Grappa für Commissario Luciani

Paglieri - Kein Grappa fuerCommissario_CS5.indd 1Paglieri - Kein Grappa fuerCommissario_CS5.indd 1 04.12.12 14:0204.12.12 14:02

Page 2: Kein Grappa für Commissario Luciani -   · PDF filemichelden Tex Willer und Dylan Dog. 2003 erschien von ihm im Aufbau Taschenbuch Verlag der Roman Sommer Ende Zwan-zig,

Claudio Paglieri, geboren 1965 in Genua, arbeitet bei der Genueser Zeitung »Il Secolo XIX«. Bekannt wurde er durch die humoristischen Biographien der beiden italienischen Co-michelden Tex Willer und Dylan Dog. 2003 erschien von ihm im Aufbau Taschenbuch Verlag der Roman Sommer Ende Zwan-zig, 2007 sein preisgekröntes Krimi-Debüt Kein Espresso für Com missario Luciani, gefolgt von Kein Schlaf für Commissario Luciani (2008) und Keine Pizza für Commissario Luciani (2010).

Ein Graf ohne Nachkommen, eine Haushälterin, ein Trödler, ein Drogendealer – das sind die Todesopfer dieses ansonsten ruhigen Sommers in Genua. Für Lucianis neuen, aalglatten Vize Livasi sind die vier scheinbar zusammenhanglosen Fälle in null Komma nichts abgehakt, während der Commissario zähneknirschend zu Hause sitzt und den alleinerziehenden Va-ter eines sechs Monate alten Säuglings gibt.

Doch dann taucht wie eine Vision aus der Vergangenheit seine ehemalige Klassenkameradin und Schulschönheit Fiam-metta Sforza auf, von den Jahren unberührt wie Dorian Gray. Als Restauratorin hatte sie für den verstorbenen Grafen eine seit Generationen im Familienbesitz befindliche Rötelzeich-nung untersucht und herausgefunden, dass es sich um ein bis dato unbekanntes Selbstporträt da Vincis handelt. Eine Beute von unschätzbarem Wert …

Das Baby vor den Bauch geschnallt, macht sich der spindel-dürre, baumlange Commissario sofort auf eigene Faust auf die Jagd nach dem verschwundenen Porträt, im ungleichen Wett-lauf gegen einen geisterhaften Mörder, karrieregeile Widersa-cher, die Tücken schöner Frauen und – den Schlafrhythmus seines Sohnes.

Paglieri - Kein Grappa fuerCommissario_CS5.indd 2Paglieri - Kein Grappa fuerCommissario_CS5.indd 2 04.12.12 14:0204.12.12 14:02

Page 3: Kein Grappa für Commissario Luciani -   · PDF filemichelden Tex Willer und Dylan Dog. 2003 erschien von ihm im Aufbau Taschenbuch Verlag der Roman Sommer Ende Zwan-zig,

Claudio Paglieri

Kein Grappafür Commissario Luciani

Roman

Aus dem Italienischen von Christian Försch

Paglieri - Kein Grappa fuerCommissario_CS5.indd 3Paglieri - Kein Grappa fuerCommissario_CS5.indd 3 04.12.12 14:0204.12.12 14:02

Page 4: Kein Grappa für Commissario Luciani -   · PDF filemichelden Tex Willer und Dylan Dog. 2003 erschien von ihm im Aufbau Taschenbuch Verlag der Roman Sommer Ende Zwan-zig,

Die Originalausgabe mit dem TitelL’Enigma di Leonardo. Un’indagine del commissario Lucianierschien 2012 bei Edizioni Piemme, Casale Monferrato

ISBN 978-3-7466-2902-5

Aufbau Taschenbuch ist eine Marke der Aufbau Verlag GmbH & Co. KG

1. Auflage 2013© Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2013

© 2012 EDIZIONI PIEMME SpA, MilanoUmschlaggestaltung morgen, Kai Dieterich

unter Verwendung eines Motivs von vario imagesSatz LVD GmbH, Berlin

Druck und Binden CPI – Clausen & Bosse, LeckPrinted in Germany

www.aufbau-verlag.de

Paglieri - Kein Grappa fuerCommissario_CS5.indd 4Paglieri - Kein Grappa fuerCommissario_CS5.indd 4 04.12.12 14:0204.12.12 14:02

Page 5: Kein Grappa für Commissario Luciani -   · PDF filemichelden Tex Willer und Dylan Dog. 2003 erschien von ihm im Aufbau Taschenbuch Verlag der Roman Sommer Ende Zwan-zig,

164

[…]

Eine halbe Stunde später traf er mit Alessandro im Tragesack in der Dienststelle ein. Er hätte gerne vermieden, den Kleinen mitzuschleppen, aber leider hatte er keine Wahl.

Livasi und die anderen hatten sich zu Hause noch ein paar Stunden hingelegt, um sich auszuruhen und die Festgenom-menen eine Weile schmoren zu lassen, bis sie womöglich geste-hen würden. Iannece wartete auf den Kommissar in dessen Büro, und als er ihn mit seinem Kind sah, weitete sein Mund sich zu einem strahlenden Lächeln:

»Da haben wir ihn ja endlich!«»Iannece, ich darf dir Kaiser Alexander den Großen vorstel-

len.«Sein Gegenüber verbeugte sich und beeilte sich, ihm die

Hand zu küssen.»Er ist schön wie ein Engel, Commissario. Wo haben Sie

den denn her?«»War ein Sonderangebot. Zwei zum Preis von einem. Den

anderen kriegst du zu Weihnachten.«»Das ist wirklich nicht nötig, Commissario, meine drei sind

mehr als genug. Wie geht es Ihrer Tante?«»Nicht besonders gut. Ich habe eben mit meiner Mutter ge-

redet, sie muss noch eine Weile in Rom bleiben. Ich werde mich um das Kind kümmern müssen.«

»Und die Mutter? Des Kindes, meine ich«, entfuhr es Ianne-ce, was er sofort bereute.

Der Kommissar schaute finster drein. »Die Mutter … Im Moment steckt auch sie im Schlamassel. Aber Ale und ich wer-den schon miteinander klarkommen, stimmt’s, mein Kleiner?«

Iannece schaute sie perplex an.»Was gibt’s, Iannece? Glaubst du, ich bin nicht in der Lage,

mich um diesen Knirps zu kümmern? Wir leben inzwischen

Page 6: Kein Grappa für Commissario Luciani -   · PDF filemichelden Tex Willer und Dylan Dog. 2003 erschien von ihm im Aufbau Taschenbuch Verlag der Roman Sommer Ende Zwan-zig,

165

im 21. Jahrhundert, die Väter sind nicht mehr die von frü-her.«

»Klar doch, Commissario. Das weiß ich selbst, dass es die Väter von früher nicht mehr gibt.«

»Du meinst, das ist ein Verlust?«»Was weiß denn ich. Ich weiß nur, dass das Leben nicht so

kompliziert ist, wie wir es heute machen. Es hat immer Regeln des gesunden Menschenverstandes gegeben, und um glücklich zu sein, musste man nur diesen Regeln folgen. Eine Regel ist, dass die Glucken auf den Eiern hocken …«

»Ja, das hattest du mir schon gesagt. Die Frauen müssen die Kinder kriegen.«

»… und eine andere Regel besagt, dass das Kind bis zum dritten Lebensjahr ganz der Mutter gehört. Der Papa – was soll der schon tun? Der kann ein bisschen mit ihm spielen, sich am Sonntag vor den Verwandten aufplustern, aber am Ende ist unsere Aufgabe, das Geld ranzuschaffen und unserer Frau das Gefühl zu geben, dass sie immer noch schön ist, begehrens-wert, auch wenn sie vielleicht nicht mehr so schlank ist wie am Tag der Hochzeit. Die Frau ist deprimiert, wenn der Mann nicht mehr hinter ihr her ist.«

Marco Luciani dachte an Ianneces Frau. Sympathisch, aber keinen Meter sechzig groß bei mindestens achtzig Kilo. Abge-sehen vom persönlichen Geschmack, war es ein anatomisches Rätsel, wie die beiden es miteinander treiben konnten.

»Ich fürchte, so einfach ist es nicht, Iannece.« Er war sicher, dass Sofia dem Kindbett ebenso makellos entstiegen war wie Aphrodite ihrer Muschel, das eine oder andere zusätzliche Kilo auf den Hüften hätte sie höchstens noch anziehender gemacht. Und er war gern bereit, dafür zu sorgen, dass sie sich jeden Tag, an dem Gott die Sonne aufgehen ließ, schön und begehrens-wert fühlte. Das einzige Problem war, dass er sie vorher finden musste. Alessandro fing an zu quengeln, und der Kommissar

Page 7: Kein Grappa für Commissario Luciani -   · PDF filemichelden Tex Willer und Dylan Dog. 2003 erschien von ihm im Aufbau Taschenbuch Verlag der Roman Sommer Ende Zwan-zig,

166

schuf auf dem Schreibtisch ein wenig Platz, um ihn zu wi-ckeln.

Iannece starrte ihn verblüfft an. »Wissen Sie, was mein Bru-der gemacht hat, als seine Frau ihn zum ersten Mal bat, seinem Kind die Windel zu wechseln? Er hat es an einem Fuß gefasst wie ein Hähnchen, hat es halb rumgedreht, hat so getan, als würde es ihm runterfallen, und hat das völlig mit Scheiße ver-schmierte, quiekende Kind im Fallen aufgefangen. Der armen Frau standen die Haare zu Berge, und sie schrie: ›Finger weg! Ich mache das, du hast wirklich von nichts eine Ahnung!‹ Er ganz zerknirscht: ›Entschuldige, Schatz, warte, ich helfe dir, lass es mich einmal versuchen …‹ und hat ihn hie und da noch ein bisschen mit Scheiße eingerieben, bis sie ihn aus dem Zim-mer gejagt hat. Da war für alle Zeit Schluss mit dem Windeln, und nur im absoluten Notfall hat sie ihn mit einer ihrer Rotz-nasen länger als zehn Minuten allein gelassen.«

Er betrachtete Marco Luciani, der gerade mit dem Wickeln fertig war, wobei er die Windel hermetisch geschlossen und al-les in tadellose Ordnung gebracht hatte. »Sie dagegen, Com-missario, haben Ihre Sache gelernt, wie ich sehe. Schade. Je mehr man machen kann, desto mehr lassen sie dich machen. Und das gilt nicht nur für die Kinder, sondern auch im Leben ganz allgemein. Wer für drei arbeiten kann, der arbeitet für drei, und die zwei anderen ruhen sich aus.«

»Ich verstehe, Iannece. Das heißt, du hast nichts dagegen, wenn ich dir das Kind eine halbe Stunde überlasse, während ich mal mit Iaquinta rede?«

Der Polizeichef saß gemütlich und mit hochzufriedener Miene im Sessel seines Büros. Er befand sich nicht oft in der Position des Stärkeren gegenüber dem unbestechlichen und untadeli-gen Luciani.

Page 8: Kein Grappa für Commissario Luciani -   · PDF filemichelden Tex Willer und Dylan Dog. 2003 erschien von ihm im Aufbau Taschenbuch Verlag der Roman Sommer Ende Zwan-zig,

369

[…] »Der Täter ist sie, die Zeichnung. Das habe ich heute kapiert, als mir ein Satz einfiel, den der Graf gesagt hatte, als er sie mir das erste Mal gab. ›Vermeiden Sie jeden direkten Haut-kontakt und lassen Sie keine Luft darankommen. Wenn Sie sie lange betrachten müssen, dann tun Sie das durch eine Glas-scheibe. Und benutzen Sie immer eine Schutzmaske.‹ Ich war fast beleidigt, ich dachte, was meint der denn, mit wem er es hier zu tun hat?, und sagte: ›Hören Sie, ich weiß, wie man ein antikes Werk schützt, das ist mein Beruf.‹ Er starrte mich mit merkwürdiger Miene an und erwiderte: ›Ich sage das nicht, um das Werk zu schützen, sondern Sie.‹ Ich hatte nicht verstanden, was er meinte, und ließ es auf sich beruhen. Heute dagegen verstehe ich es sehr gut. Ich habe die Zeichnung selbst nur ein-mal gut eine Minute lang geprüft, ansonsten habe ich immer Fotokopien und exzellente Reproduktionen verwendet, aber dieses eine Mal hatte ich ein Gefühl … ein Gefühl, das ich dir nicht beschreiben kann.«

»Das heißt?«»Ich weiß nicht, es war, als blickte man in einen Abgrund, in

die Tiefen der Seele eines anderen Menschen, aber zugleich war es, als sähe ich mich selbst, meinen innersten, verborgensten Kern. Durch die Zeichnung schimmern andere Zeichnungen durch, am Nacken des porträtierten Mannes. Ein Wolf, der ihn mit Zähnen der Unzucht beißt, und ein Lamm, das sich an seinen Hals schmiegt. Sie sind wie Teufel und Engel, die sich um seine Seele streiten, und nicht nur um seine Seele, sondern um unser aller Seele. Iz ni vado dran oi, so zeichne ich das Ich, die Seele des Menschen, das Paradies und die Hölle, die in uns sind. Wenn du das Porträt lange genug anschaust, wirst du se-hen, was du wirklich bist. Und nicht jeder kann diesen Anblick ertragen. Vor allem, wenn er einen Mord auf dem Gewissen hat.«