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Ökologie in Frage und Antwort 1 H.Dirks 10.04.2012 KERNREAKTOREN Was ist ein Isotop? Die Protonenzahl eines Elementes charakterisiert seine chemischen Eigenschaften. Die Neutronenzahl kann dagegen verschieden groß sein. Zur vollständigen Charakterisierung der Atomsorte (des„Isotops“) muß man daher entweder auch die Neutronenzahl oder die Gesamtzahl der Nukleonen (Oberbegriff für Protonen und Neutronen) angeben. Was bedeutet die Schreibweise 235 U? Bedeutung für die Kerntechnik? 235 U bezeichnet ein Uranisotop mit insgesamt 235 Nukleonen im Kern,das durch langsame Neutronen gespalten werden kann. Die Bruchstücke des Kerns und die freiwerdenden Neutronen fliegen mit großer Geschwindigkeit auseinander. Ein Kilogramm 235 U setzt bei der Spaltung soviel Energie frei, wie 2500 t Öl beim Verbrennen. Was ist der Haken an der Sache? Die entstehenden Spaltprodukte sind hochgradig radioaktiv. Ihren Zerfall kann man auf chemi- sche Weise weder verhindern noch beschleunigen. Sie bilden daher z.T. über Jahrtausende hinweg eine Gefahr für die Biosphäre. Welche vier Arten von radioaktiver Strahlung gibt es? Charakterisierung? α - Strahlen bestehen aus Heliumkernen und besitzen eine große Energie, die sie im Körper schon auf einer Strecke von 0,1mm abgeben. α-Strahler sind daher besonders gefährlich, aber nur, wenn sie in den Körper gelangen („inkorporiert werden“). Außerhalb des Körpers sind sie ungefährlich, weil α - Strahlen schon durch 0,1mm Haut vollständig absorbiert werden. β - Strahlen sind schnelle Elektronen. Im Körper geben sie ihre Energie auf einer Strecke von wenigen mm ab; durch die Haut werden sie vollständig absorbiert. Daher sind β - Strahler ebenfalls nur gefährlich, wenn sie inkorporiert werden. γ - Strahlen sind energiereiche Röntgenstrahlen, die den Körper vollständig durchdringen und daher nur wenig Energie im Körper abgeben. γ-Strahler sind daher zwar auch außerhalb des Kör- pers gefährlich, die Gefahr ist aber im Vergleich zu den beiden anderen Strahlenarten geringer. Neutronen dringen in den Körper ein und erleiden dort einen β - Zerfall. Neutronenstrahler sind daher auch außerhalb des Körpers gefährlich. Wie kann man die Radioaktivität eines Materials charakterisieren? Man gibt an, wieviele Zerfallsprozesse pro Sekunde in dem betrachteten Material stattfinden. Diese Zerfallsrate nennt man Aktivität und gibt sie in Becquerel (Bq) an: 1 Bq = 1 Zerfall/Sekunde. Man gibt die Halbwertszeit des Materials an: das ist die Zeit, nach der die Hälfte der radioaktiven Atome zerfallen ist. Aktivitäten A (in 10 15 Bq) und Halbwertszeiten t 1/2 (Angabe in Stunden [h] Tagen [d] oder Jahren [a]) einiger in einem typischen 1500 MW - Reaktor vorhandenen Spaltprodukte. Name Aktivität Halbwertszeit Name Aktivität Halbwertszeit 85 Kr(ypton) 329 9,4a 133 Xe(non) 7400 5,3d 88 Kr 2800 3h 134 Cs (Caesium) 510 2,3a 89 Sr (Strontium) 3900 54,5d 137 Cs 260 37a 90 Sr 200 25a 140 Ba(rium) 6900 12,8d 95 Zr (Zirkonium) 6600 65d 144 Cer 4000 275d 103 Ru(thenium) 5100 45d 238 Pu (Plutonium) 5 92a 106 Ru 1500 1a 239 Pu 1 24000a 131 I(od) 3800 8d 241 Pu 220 10a

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KERNREAKTOREN

Was ist ein Isotop?Die Protonenzahl eines Elementes charakterisiert seine chemischen Eigenschaften. DieNeutronenzahl kann dagegen verschieden groß sein. Zur vollständigen Charakterisierung derAtomsorte (des„Isotops“) muß man daher entweder auch die Neutronenzahl oder dieGesamtzahl der Nukleonen (Oberbegriff für Protonen und Neutronen) angeben.

Was bedeutet die Schreibweise 235U? Bedeutung für die Kerntechnik?235U bezeichnet ein Uranisotop mit insgesamt 235 Nukleonen im Kern,das durch langsameNeutronen gespalten werden kann. Die Bruchstücke des Kerns und die freiwerdenden Neutronenfliegen mit großer Geschwindigkeit auseinander. Ein Kilogramm 235U setzt bei der Spaltungsoviel Energie frei, wie 2500 t Öl beim Verbrennen.

Was ist der Haken an der Sache?Die entstehenden Spaltprodukte sind hochgradig radioaktiv. Ihren Zerfall kann man auf chemi-sche Weise weder verhindern noch beschleunigen. Sie bilden daher z.T. über Jahrtausendehinweg eine Gefahr für die Biosphäre.

Welche vier Arten von radioaktiver Strahlung gibt es? Charakterisierung?• α - Strahlen bestehen aus Heliumkernen und besitzen eine große Energie, die sie im Körperschon auf einer Strecke von 0,1mm abgeben. α-Strahler sind daher besonders gefährlich, abernur, wenn sie in den Körper gelangen („inkorporiert werden“). Außerhalb des Körpers sind sieungefährlich, weil α - Strahlen schon durch 0,1mm Haut vollständig absorbiert werden.• β - Strahlen sind schnelle Elektronen. Im Körper geben sie ihre Energie auf einer Strecke vonwenigen mm ab; durch die Haut werden sie vollständig absorbiert. Daher sind β - Strahlerebenfalls nur gefährlich, wenn sie inkorporiert werden.• γ - Strahlen sind energiereiche Röntgenstrahlen, die den Körper vollständig durchdringen unddaher nur wenig Energie im Körper abgeben. γ-Strahler sind daher zwar auch außerhalb des Kör-pers gefährlich, die Gefahr ist aber im Vergleich zu den beiden anderen Strahlenarten geringer.• Neutronen dringen in den Körper ein und erleiden dort einen β - Zerfall. Neutronenstrahlersind daher auch außerhalb des Körpers gefährlich.

Wie kann man die Radioaktivität eines Materials charakterisieren?• Man gibt an, wieviele Zerfallsprozesse pro Sekunde in dem betrachteten Material stattfinden.Diese Zerfallsrate nennt man Aktivität und gibt sie in Becquerel (Bq) an: 1 Bq = 1Zerfall/Sekunde.• Man gibt die Halbwertszeit des Materials an: das ist die Zeit, nach der die Hälfte derradioaktiven Atome zerfallen ist.

Aktivitäten A (in 10 15Bq) und Halbwertszeiten t1/2 (Angabe in Stunden [h] Tagen [d] oderJahren [a]) einiger in einem typischen 1500 MW - Reaktor vorhandenen Spaltprodukte.Name Aktivität Halbwertszeit Name Aktivität Halbwertszei t85Kr(ypton) 329 9,4a 133Xe(non) 7400 5,3d88Kr 2800 3h 134Cs (Caesium) 510 2,3a89Sr (Strontium) 3900 54,5d 137Cs 260 37a90Sr 200 25a 140Ba(rium) 6900 12,8d95Zr (Zirkonium) 6600 65d 144Cer 4000 275d103Ru(thenium) 5100 45d 238Pu (Plutonium) 5 92a106Ru 1500 1a 239Pu 1 24000a131I(od) 3800 8d 241Pu 220 10a

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In welcher Einheit mißt man die von einem Organ aufgenommene Strahlungsmenge?• Man berechnet zunächst die Energie, die von dem Organ aufgenommen wurde und dividiertdiese durch die Masse des Organs.• Das Ergebnis multipliziert man mit einem Risikofaktor q, der von der Strahlungsart abhängt.Dabei erhalten β-und γ-Strahlen den Wert eins zugeordnet; bei Neutronen ist (je nach Energie) q= 2...10, bei α - Teilchen ist q < 20.• Der so erhaltene Wert ist die „Äquivalentdosis“ und wird in Sievert (Sv) angegeben.

Welche Strahlendosis bekommt man im gewöhnlichen Leben pro Jahr durchschnittlichab?• Durch den Zerfall der natürlichen radioaktiven Stoffe im Körper (z.B. 40K): 0,3 mSv• Durch Strahlung aus Erdboden (z.B. Radon) 0,5 mSv• Durch Höhenstrahlung aus dem Weltall (im Flachland) 0,3 mSv• Durch radioaktive Strahlung aus Baumaterialien (z.B. Beton) 0,2...1,3 mSv• Bei einer Flugreise nach USA ca. 20 µSv• Röntgenuntersuchung des Brustkorbes ca. 0,5 mSv• Urlaub in den Bergen (Höhenstrahlung!) ,3 Wochen über 2000m Höhe: 0,02 mSv• Kettenraucher (210Pb (Blei) und 210Po(lonium) im Tabakrauch), Lungendosis 8 mSvDie „normale“ Strahlenbelastung beträgt also pro Jahr bei gesunden Nichtrauchern ca. 2 mSv.

Welche Folgen hat eine einmalige Ganzkörperbestrahlung ?500 ... 1000 mSv Verdoppelung der Mutationsrate (bei Bestrahlung der Keimzellen)1 Sv Strahlenkrankheit: wunder Hals, punktförmige Blutungen, Durchfall, nach

ca. 2 Wochen Haarausfall. Erholung ohne Komplikationen3...6 Sv Erbrechen innerhalb 24 Stunden, starke Strahlenkrankheit. Ohne

medizinische Intensivbetreuung sterben 50% der Betroffenen innerhalbeines Monats.

6...10 Sv Erbrechen innerhalb 1...2 Stunden; sehr schwere Strahlenkrankheit undnahezu 100% Sterblichkeit ohne medizinische Intensivversorgung.

Einzelne Organe halten sehr viel mehr aus, das Gehirn z.B. um die 20 Sv!

Welche Spätfolgen hat die radioaktive Bestrahlung?Radioaktive Strahlung verursacht Krebs, da sie Mutationen hervorruft. Besonders berüchtigt istder Lungenkrebs nach Einatmen von Plutoniumpartikeln (ab 1µg erhöhte Lungenkrebsratenachweisbar), Schilddrüsenkrebs durch radioaktives Jod und Leukämie (Krebs desblutbildenden Systems) durch 90Sr, das sich im Knochen anreichert und das Knochenmarkbestrahlt.

Was versteht man unter biologischer Halbwertszeit? Konsequenzen?Radioaktive Stoffe werden je nach ihrer chemischen Natur verschieden schnell wiederausgeschieden:• Caesium wird anstelle des Kaliums in die Zellflüssigkeit eingeschleust und wiederausgeschieden. Nach einmaliger Inkorporation verläßt daher die Hälfte des Caesiums innerhalbder „biologischen Halbwertszeit“ von 140 Tagen den Körper wieder.• Strontium wird anstelle des Calciums in die Knochen eingebaut. Hier dauert es zehn Jahre, bisdie Hälfte des Strontiums im Zuge des permanenten Knochenumbaus den Körper wiederverlassen hat.

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Wie läuft die Kernspaltung im Detail ab?Ein 235U - Atom wird von einem langsamen Neutron getroffen und spaltet sich in zweiKernbruchstücke und ca. 3 Neutronen. Diese sind für eine effektive Kernspaltung noch zuschnell und müssen daher erst „moderiert“ werden. Dafür eignet sich Wasser als „Moderator“:durch Stöße mit den Protonen des Wassers werden die Neutronen ausreichend abgebremst, umdie Kettenreaktion aufrechterhalten zu können.

Was ist der Unterschied zwischen „prompten Neutronen“ und „verzögerten Neutronen“?Das Spalten des Kerns dauert 10–14 s. Dabei werden auch die prompten Neutronen heraus-geschleudert. Die Kernbruchstücke geben danach om Laufe von ca. einer Minute weitereNeutronen ab, die „verzögerten“ Neutronen.

Warum sind die verzögerten Neutronen so wichtig?Der Reaktor wird so geregelt, dass die Kernspaltungsrate konstant bleibt. Abweichungen werdendurch Einschieben von neutronenabsorbierenden Steuerstäben ausgeglichen. Ohne die verzö-gerten Neutronen müssten diese viel zu schnell reagieren. Ein Reaktor, der bereits mit denprompten Neutronen allein eine Kettenreaktion aufrechterhalten kann, fliegt in die Luft.

Was ist ein „Brennelement“?Uranoxidtabletten (Durchmesser ca. 1cm) werden in 3,9m lange gasdichten Röhren, die„Brennstäbe“ aus „Zirkalloy“ (das keine Neutronen absorbiert und erst bei 1800°C schmilzt)gefüllt, von denen wiederum je 236 Stück ein „Brennelement“ darstellen. Der Reaktorkern(„Core“) besteht dann z.B. aus 193 dieser Brennelemente.

Wie kommt die Energie aus dem Uran in den Generator (Beispiel: Biblis)?Im Druckwasserreaktor � steht dasWasser unter einem Druck von 155 bar,so daß sich trotz einer Temperatur von320°C kein Dampf bilden kann (daher„Druckwasserreaktor“). Das erhitzteWasser wird von derHauptkühlmittelpumpe � durch vieridentische Wärmetauscher, die Dampf-erzeuger � gepumpt, wo Wasser beieinem Druck von 54 bar zum Kochengebracht wird. Dieser Dampf treibt danndie Turbinen an. Der Druckhalter �bildet ein Ausgleichsgefäß, ähnlich wiebei jeder Zentralheizungsanlage mitgeschlossenem Kreislauf. DieWärmeerzeugung im Reaktordruckgefäßwird über den Gehalt des Wassers an Bor(Neutronenabsorber) sowie im Notfallüber Steuerstäbe geregelt, die von obenin den Reaktor eingefahren werdenkönnen

Turbine

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Welche Barrieren trennendie Spaltprodukte von derUmwelt?Erste Barriere: Brennstabhüllen.Falls diese undicht werden, bildetder geschlossene Primärkreislaufdie zweite Barriere. Wird dieserauch undicht, gelangt Radioaktivitätins Innere einer Hohlkugel aus 3cmdickem Stahl, dem „Containment,(18), das einem Überdruck von4,8bar standhält. Gegen Gewaltein-wirkung von außen (Flugzeugab-sturz...) schützt den Reaktor einBetonmantel (20). DerSekundärkreislauf bildet ebenfallsein geschlossenes System.

Wodurch unterscheidet sich ein Druckwasserreaktor von einem Siedewasserreaktor?Beim Siedewasserreaktor spart man sich den Sekundärkreislauf. Hier ist der Dampferzeuger indas Reaktordruckgefäß integriert.● In der folgenden Abbildung ist der Siedewasserreaktor Mark 1 zu sehen, wie er z.B. inFukushima (Block 1) installiert wurde.● Zu erkennen ist das Reaktordruckgefäß, das Containment, welches den Betonmantelauskleidet und der torusförmige Kondensator, der im Störfall den Dampf aus dem Containmentaufnehmen und kondensieren soll.● Das Abklingbecken ist rechts neben dem Reaktordruckgefäß zu erkennen (obere Etage).● Zum Größenvergleich betrachte die Person in der Schaltwarte rechts!

Was unterscheidet ein Kernkraftwerk grundsätzlich von einem Kohlekraftwerk?Das radioaktive Inventar eines Kernkraftwerks ist ungleich gefährlicher, als brennende Kohle.Daher reduziert sich die gesamte Kernkraftdiskussion meist auf die Frage nach der Sicherheitder Kernreaktoren.

Wie sicher sind Kernkraftwerke?Wenn sie streng nach Anweisung der Entwickler a) gebaut und b) betrieben werden, sind siesicher. Die Voraussetzungen a) und b) sind aber in der Praxis nicht erfüllbar. Außerdem ist dasÜberraschungspotential bei Kernreaktoren im Vergleich zu Kohlekraftwerken noch erheblichhöher. Da man sich nur gegen bekannte Risiken absichern kann, gilt hier das Wort von WilhelmBusch:

Stets findet Überraschung statt, / wo man sie nicht erwartet hat!

Was bedeuten GAU, Störfall, Unfall?GAU ist die umgangssprachliche Abkürzung für Größter Anzunehmender Unfall, meist gleich-gesetzt mit dem Abriß einer Hauptkühlmittelleitung am Druckbehälter. Im Vokabular der Kraft-werksbetreiber wäre dies der größte Störfall , für den die Sicherheitseinrichtungen noch ausge-legt sind. Ein „Unfall “ im Sinne der Kraftwerksbetreiber beginnt erst beim unprogrammgemä-ßen Austreten von Radioaktivität aus dem Reaktorgebäude nach Versagen aller Sicherheitsein-richtungen. Dies wäre im umgangssprachlichen Gebrauch aber bereits ein „Super - GAU“.

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Warum könnte es zu einem Abriß einer Hauptkühlmittelleitung (GAU) kommen?Die Einmündung der Hauptkühlmittelleitung in den Druckbehälter ist ein Schwachpunkt desPrimärkreislaufes :• durch die permanente Neutronenbestrahlung versprödet der Stahl• Vibrationen durch den hohen Wasserdurchfluß beanspruchen das Material• Bei einem Druck von 155bar reißen ca. 800t an dem Rohrstutzen.

Warum kann man einen Reaktor nicht einfach abschalten?Es ist zwar möglich, durch Einfahren der Steuerstäbe die Kettenreaktion schlagartig zu beenden.Die Spaltprodukte produzieren jedoch durch ihren radioaktiven Zerfall soviel „Nachwärme“,daß der Kern über längere Zeit gekühlt werden muß, weil es sonst zu einer „Kernschmelze“kommt.

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Welche Sicherheitseinrichtungen sollen bei einem GAU die Kernschmelze verhindern?Sobald eine der Hauptkühlmittelleitungen abreißt, liefert der Reaktor keinen Strom mehr, daDruck und Temperatur im Primärkreislauf sofort zusammenbrechen. Daher müssen Notstrom-diesel die Energie für die Notkühlpumpen liefern, die den Kern unter Wasser halten sollen.

Wie versucht man die Ausfallsicherheit der Notkühlung zu steigern?Alle Aggregate sind mehrfach vorhanden. Ein zufälliger Ausfall aller Aggregate gleichzeitig iststatistisch sehr unwahrscheinlich, falls die Aggregate untereinander hinreichend verschiedensind (z.B. von verschiedenen Herstellern stammen). Gegen diese Regel wurde in der Vergangen-heit oft verstoßen: „common cause“ - Ausfälle waren die Folge.

Worauf ließen sich bis 2010 alle schweren Reaktorunfälle zurückführen?Auf menschliches Versagen:• die Reaktoren wurden von der Bedienmannschaft nicht gemäß dem Betriebshandbuch bedient.• Technische Probleme überforderten das Bedienungspersonal, das die Folgen seinerHandlungen falsch einschätzte.

Welche Kraftwerke sind sicherer, als die derzeitigen Veteranen der „II. Generation“?Reaktoren der „III. Generation“ sind auf inhärente Sicherheit ausgelegt, d.h. sie setzen auch beivollständigem Ausfall aller Notkühlsysteme keine Radioaktivität frei. Eines dieser Konzepte istder „European Pressurized Reactor“ EPR, der in Olkiluoto (Finnland) gebaut wird. Er besitztu.a. eine Auffangwanne für die Kernschmelze. Die Kühlung dieser Wanne erfolgt durch einenhochgelegenen Wassertank und reine Schwerkraft, ist also nicht auf Notstromaggregateangewiesen.

Welche unvorhergesehenen Naturkatastrophen bedrohen deutsche Kernkraftwerke?● Die Vulkane der Eifel sind noch aktiv (aus den Eifel - Mare blubbert CO2) ; der letzeverheerende Ausbruch ist erst 15 000 Jahre her.● Der Oberrheingraben reißt allmählich auseinander; in einigen Millionen Jahren ist DarmstadtHafenstadt. Die damit verbundenen leichten Erdbeben können den Reaktoren nichts anhaben.Wenn sich jedoch ein überraschend schweres Beben ereignet, sind wir dran! Das letzte schwereErdbeben der Stärke 7 (!) hat vor nur 650 Jahren die Stadt Basel verwüstet.