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Miszellen Keynes Vorschl~ge zur Wirtschaftsbelebung 1) Von Rudolf Stucken, ErL~ngen John Maynard Keynes versteht es, seine Vorschliige in einer wirk- samen Form vorzutragen. Die Grundgedanken setzt er klar und handfest hin, ohne lange bei den Einschrankungen oder Voraussetzungen zu ver- weilen, die der Wissenschaftler sonst in der Regel meint berlieksichtigen zu miissen, um mit seinem Gewissen in Einklang zu bleiben. Er illustriert seine Vorschlage mit Zahlenangaben und vermittelt so eine greifbare Vor- stellung von den Gr~fen, tun die es sieh handelt. 0ffensiehtlich: in der vor- liegenden Schrift wendet sich K eyries nicht an den Kreis seiner ewig skeptisehen Fachgenossen, sondern an ein weiteres Forum, das mag schon daraus erhellen, daf einige Artikel, die er im M~rz des Jahres in der Times erscheinen lief, die Grundlage dieser Schrift bilden. Hat Keynes aber eigentlieh bewiesen, daft die Vorschlage, die er zu machen hat, ge- eignet sind, das Wirtschaftsleben aus den dunklen Tiefen der Depression auf die lichteren HJhen der Prosperitat hinaufzufiihren? Streng genommen nein; man muf sehon manches aus seinem Buehe ,,Vom Gelde ''2) oder aus seiner Auseinandersetzung mit v. H ayek s) hinzunehmen, um von einem Beweis sprechen zu kJnnen. Sind die Mafnahmen, die er vorschlagt, etwa neu? Sicherlich ist das nicht der Fall bei seinem ersten Vorsehlag, der darauf hinauslauft, ~ffentliche Ausgaben dureh Anleihen zu finanzieren; ebensowenig bei dem Vorschlag, diese Mafnahme in den verschiedenen L~n- dern gleichzeitig zu ergreifen; eher schon bei seinem Vorschlag der Gold- noten, von denen zwar, wie er selbst sagt, sehon andernorts geredet worden ist, ohne da~ man sich jedoch eine klare Vorstellung davon machen konnte. Aber gleichgiiltig ob ein ausreiehender Beweis vorliegt und ob die Vor- sehlage neu sind, Keynes hat bereits mehrfaeh seine Instinktsicherheit bewiesen, vor allem in der Kriegsschuldenfrage, und er kann deshalb An- spruch darauf machen, daft man sich ernst mit seinen Vorschl~igen be- schaftigt. Und wenn wir uns hier in diesem Sinne bemiihen, glauben wir zweierlei feststellen zu kSnnen: seine Vorschlage erseheinen z u r r e c ht en Zeit und in einer gliicklichen Kombination. Zun~chst zu dem Vorschlag, ~ffentliche Ausgaben durch An- leihen zu finanzieren. Vor allem denkt Keynes bier an zusatzliche Ausgaben, dutch welche zus~tzliehe Arbeit geschaffen wird, z. B. an 5ffent- liche Zuschiisse zur Belebung des Wohnungsbaues oder zur ErmJglichung des Baues eines grofen Ozeandampfers. Under stellt hier eine interessante Rechnung auf, der zufolge das Sehatzamt die H~lfte his zwei Drittel der so verausgabten Betr~ge -- allerdings mit einem gewissen Zeitverlust m 1) Zu der Schrift yon John Maynard Keynes: The Means to Prosperity, Macmillan and Co., Limited, London 1933, 37 S. 2) Mfinchen und Leipzig 1932, 3) In der Zeitschrift Economica 1931 und 1932.

Keynes Vorschläge zur Wirtschaftsbelebung

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Miszellen Keynes Vorschl~ge zur Wirtschaftsbelebung 1)

Von Rudolf Stucken, ErL~ngen

John Maynard K e y n e s versteht es, seine Vorschliige in einer wirk- samen Form vorzutragen. Die Grundgedanken setzt er klar und handfest hin, ohne lange bei den Einschrankungen oder Voraussetzungen zu ver- weilen, die der Wissenschaftler sonst in der Regel meint berlieksichtigen zu miissen, um mit seinem Gewissen in Einklang zu bleiben. Er i l lustr ier t seine Vorschlage mit Zahlenangaben und vermit tel t so eine greifbare Vor- stellung von den Gr~fen, tun die es sieh handelt. 0ffensiehtlich: in der vor- liegenden Schrift wendet sich K e y r i e s nicht an den Kreis seiner ewig skeptisehen Fachgenossen, sondern an ein weiteres Forum, das mag schon daraus erhellen, daf einige Artikel, die er im M~rz des Jahres in der Times erscheinen lief, die Grundlage dieser Schrift bilden. Hat K e y n e s aber eigentlieh bewiesen, daft die Vorschlage, die er zu machen hat, ge- eignet sind, das Wirtschaftsleben aus den dunklen Tiefen der Depression auf die lichteren HJhen der Prosperi tat hinaufzufiihren? Streng genommen nein; man muf sehon manches aus seinem Buehe ,,Vom Gelde ''2) oder aus seiner Auseinandersetzung mit v. H a y e k s) hinzunehmen, um von einem Beweis sprechen zu kJnnen. Sind die Mafnahmen, die e r vorschlagt, etwa neu? Sicherlich ist das nicht der Fal l bei seinem ersten Vorsehlag, der darauf hinauslauft, ~ffentliche Ausgaben dureh Anleihen zu finanzieren; ebensowenig bei dem Vorschlag, diese Mafnahme in den verschiedenen L~n- dern gleichzeitig zu ergreifen; eher schon bei seinem Vorschlag der Gold- noten, von denen zwar, wie er selbst sagt, sehon andernorts geredet worden ist, ohne da~ man sich jedoch eine klare Vorstellung davon machen konnte. Aber gleichgiiltig ob ein ausreiehender Beweis vor l iegt und ob die Vor- sehlage neu sind, K e y n e s hat bereits mehrfaeh seine Instinktsicherheit bewiesen, vor allem in der Kriegsschuldenfrage, u n d er kann deshalb An- spruch darauf machen, daft man sich ernst mit seinen Vorschl~igen be- schaftigt. Und wenn wir uns hier in diesem Sinne bemiihen, glauben wir zweierlei feststellen zu kSnnen: seine Vorschlage erseheinen z u r r e c h t en Z e i t und in e i n e r g l i i c k l i c h e n K o m b i n a t i o n .

Zun~chst zu dem Vorschlag, ~ f f e n t l i c h e A u s g a b e n d u r c h An- l e i h e n zu f i n a n z i e r e n . Vor allem denkt K e y n e s bier an zusatzliche Ausgaben, dutch welche zus~tzliehe Arbeit geschaffen wird, z. B. an 5ffent- liche Zuschiisse zur Belebung des Wohnungsbaues oder zur ErmJgl ichung des Baues eines grofen Ozeandampfers. U n d e r stellt hier eine interessante Rechnung auf, der zufolge das Sehatzamt die H~lfte his zwei Drit tel der so verausgabten Betr~ge - - allerdings mit einem gewissen Zeitverlust m

1) Zu der Schrift yon John Maynard Keynes: The Means to Prosperity, Macmillan and Co., Limited, London 1933, 37 S.

2) Mfinchen und Leipzig 1932, 3) In der Zeitschrift Economica 1931 und 1932.

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dank der dadurch herbeigeftihrten Ersparnis an Arbeitslosenuntersttitzung und dank der mit der Vermehrung der Einkommen Hand in Hand gehen- den Steigerung der Steuereinnahmen wiedergewinnt. Denselben Erfolg Ver. spricht er sich von einer Steuersenkung, die dadureh miiglich wird, daft geeignete Ausgaben, die man nach ordentlichen Finanzgrunds~ttzen auf An- leihe nehmen kann, durch Anleihen statt wie bisher durch Steuern gedeckt werden; denn die Steuersenkung wiirde die den Steuerpflichtigen fiir ihren Konsum zur Verfiigung stehenden Betrage erhiihen, und es wtirde so ins- gesamt zu einer Mehrnachfrage nach Gtitern kommen, sofern die bisherige Hiihe der Staatsausgaben unter Anleiheaufnahme aufrecht erhalten wird.

Wir halten die Rechnung von K e y n e s beztiglich der dem Schatzamt zu- flielienden oder yon ihm ersparten Betr~ge keineswegs fiir allzu optimistisch, sofern nur die Bedingung erftillt ist, dal~ die Finanzierung von Ausgaben dutch Anleiheaufnahme wirklich zu z u s ~t t z 1 i e h e n Ausgaben fiihrt, wenn also nicht a l s F o l g e d e r A n l e i h e a u f n a h m e an andern Stellen Aus- gaben unterbleiben, die sonst getiitigt worden w~tren. K e y n e s reehnet nun ganz offensichtlich damit, dal~ die durch Anleihen finanzierten Ausgaben praktisch zus~ttzliche Ausgaben sind, woftir er allerdings den Beweis schuldig geblieben ist. Ftir Deutschland ist eine solehe Annahme aber sieher- lich falsch, wenn an eine Finanzierung dureh l a n g f r i s t i g e Anleihen gedacht wird; der Staat kann hierbei wohl bestenfalls Betr~tge an sich ziehen, die sonst an anderer Stelle angeboten worden w~iren und zu In- vestitionen Anlall gegeben h~ttten, denn es fehlt u. E. in Deutschland auch heute noch weniger an der Bereitsehaft, Investit ionen vorzunehmen, z. B. Hi,user zu bauen, als an der Miiglichkeit, geeignete Kredite, insbesondere Hypothekarkredite, zu bekommen. Aber es gibt hierbei wesentliche Unter- schiede yon Land zu Land, sowohl beziiglieh der Investitionsbereitschaft als aueh beztiglich des Kapitalangebots - - wir sind auf diese Unterschiede bereits vor einem Jahr eingegangen 1) - - und wir reehnen damit, daft eine solche Mal~nahme in England den yon K e y n e s angenommenen Erfolg zu erzielen vermag, den sie in Deutschland nicht erzielen kann. Fiir Deutschland kommt deshalb weniger eine Ausgabenfinanzierung durch langfristige als durch nominell kurzfrist ige Kredite in Frage, wofiir man verschiedene geeignete Formen gefunden hat, ohne dal~ uns allerdings auch hierbei voll gesichert zu sein scheint, daft die so finanzierten Ausgaben zus~ttzliche Aus- gaben sind; wit kommen darauf noch zuriick.

Nun ist aber in den vergangenen Jahren die gleiche Mal~nahme schon im grol~en Stil zur Anwendung gebracht worden, und zwar ohne den ge- wiinsehten Erfolg, K e y r i e s erinnert an die (iffentlichen Arbeiten der Labour-Regierung, die wegen der gleichzeitigen Verschlechterung der engli- schen Zahlungsbilanz nicht zu der angestrebten Konjunkturbelebung geftihrt haben sollen. Wir kiinnten ebenso an die entsprechenden Mafinahmen er- innern, die in den Vereinigten Staaten yon Amerika nach dem Ausbruch der Weltkrise ergriffen wurden; dal~ und warum auch diese nicht zu dem ge- wiinsehten Erfolg gefiihrt haben, haben wir an anderer Stelle ausgeftthrt~). Die Griinde, die fiir einen solchen Miflerfolg verantwortl ich sind, lassen sich allgemeiner, als K e y n e s es getan hat, in der Sprache unserer Kon~unktur - tehre folgendermal~en darstellen: die Vermehrung der 8ffentlichen In- vestitionen ist ein kon~unkturverbesserndes Moment, aber dies Moment wird mtiglicherweise durch andere unabh~tngig davon auftretende konjunktur-

1) Vgl. vom Verfasser- Die Konjunkturen irn Wirtschaf t s l eben , J e n a 1932, S. 171ff, 3) Die K o n j u n k t u r e n im Wirtschaf t s l eben , a. a. O., S. 152ff .

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verschlechternde Momente kompensiert oder iiberkompensiert. Solange nun solche konjunkturverschlechternde Momente stark am Werke sind, ist der Erfolg der staatlichen Mafnahmen nicht, dab der Beschaftigungsgrad steigt, sondern nur, daf er nicht so schnell sinkt, wie es ohne sie der Fal l ware; im 5ffentlichen Haushalt bleibt unter solchen Umstanden die erwartete Er- leichterung aus, d ie Anleihelast ist erhfht worden, aber die Ausgaben fiir die Arbeitslosen sind doch weiter gestiegen und die Steuereinnahmen weiter gesunken; die staatlichen Mafnahmen haben dann eventuell auflerdem die ungiinstige Folge, daft sic eine etwa nf t ige Senkung der Lfhne, der Zins- s~ tze und der Warenpreise eines Landes aufhalten und damit die Schwierig- keiten vertangern.

Wir glauben nun, daf die Voraussetzungen heute wesentlieh giinstiger dafiir sind, daf die Mafnahmen zur Konjunkturankurbelung den angestrebten Erfolg herbeifiihren als friiher, und deshalb erklarten wir zu Anfang, daf die K e y n e s s c h e n Vorschlage zu~r r e c h t e n Z e i t in die 0ffentl ichkeit getragen worden sind. Die Voraussetzungen scheinen uns: vo r allem deshalb giinstiger zu sein, weil sich die konjunkturverschlechternden und -verbessernden Momente in den Hauptlandern schon seit Monaten die Waage halten, wobei die letzteren sogar vielfach iiberwiegen. Vor allem aber erscheint es uns wichtig, daf der Prozef der Ausbreitung der Kon- ~unkturverschlechterung von einzelnen Produktionszweigen auf weitere und von einzelnen Landern auf andere zu einem gewissen Abschluf gek0mmen ist, dean die Entwicklung der Weltkrise hat gezeigt, daf dleser P roze f Sic'h mit einer solchen Vehemenz vollzieht, daf das kon]uakturverbessernde Mo- ment zusatzlicher staatlicher Investitionen die Wirtschaftsentwicklung nieht in die Aufwartsbewegung hineinzubringen vermagl), solange der genannte Prozef noch im Gange ist. Aber wenn auch im groflen und ganzen die Voraus- setzungen giinstiger geworden sind und die Kompensation durch konjunktur- verschlechternde Momente weniger droht, sollte man doch darum bemiiht sein, den Erfolg der Ankurbelungsmafnahmen in jeder nur m~glichen Weise zu sichern. Zu diesen Sicherungsmafnahmen gehf r t einmal die von K e y n e s und von andern vor ihm geforderte G l e i c h z e i t i g k e i t d e s V o r g e h e n s in den verschiedenen L~tndern, denn diese Gleichzeitigkeit bannt die Ge: fahren, die bei einem isolierten Vorgehen eines einzelnen Landes drohen~). Diese Gleichzei t igkei t vermag dariiber hinaus Tatbestiinde z u verwirk- lichen, zu denen es beim isolierten Vorgehen schwerlich kommt, und die geeignet sind, weitere Kon~unkturverbesserung hervorzurufen, vor allem eine Preissteigerung wichtiger Rohstoffe herbeizufiihren, wodurch dana die Tendenz zur LagervergrSferung bei den Abnehmern der Rohstoffe selbst wie auch der daraus gefertigten Fabrikate ausgelfs t wird. Zur Sicherung gehf r t weiter, daft konjunkturverschlechternde Momente, die noch am Werke sind, soweit als mfglich ausgeschaltet werden; speziell fiir Deutschland scheint uns folgendes Moment von g ro fe r Wichtigkeit zu sein:

W~hrend im Zusammenhang mit den staatlichen Ankurbelungsmafl- nahmen fortlaufend aeue Kredite gegeben werden, werden andererseits standig Kredite seitens der Reichsbank und der Kreditbanken geklirzt, um die Hfhe der den einzelnen Unternehmungen gewahrten Kredite mit den gesunkenen Werten der Lagervorrate, Aufenstande usw. in Einklang zu

1) ~ber die allm~hliehe Absehw~ichung der Tendenzen zur Ausbreitung der Kon- ]unkturverschlechterung im Verlauf tier Depression vergi. Die Konjunkturen im Wirt schaftsleben, a. a. O., S. 103ff.

~) Vgl. Die Konjunkturen im Wirtschaftsleben, a. a. O., S. 170 ff.

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bringen. Das besagt aber nichts anderes, als daR die planm/~ltig angestrebte ,Kreditausweitung durch die nebenhergehende Yon den Banken erzwungene Kreditbeendigung zu einem mehr oder weniger grol~en Teil kompensiert wird; die in irgendeiner Form vom Staate garantierten Kredite treten nicht einfach zu den sonstigen von den Banken gew/ihrten Krediten hinzu, sondern zum Teil an deren Stelle. Wir k5nnen uns nun des Eindruckes nicht er- wehren, dal~ bei den Bankleitungen keine volle Klarheit dariiber herrscht, dab eine Finanziertmg der staatlichen Arbeitsbeschaffung auf Kosten der Finanzierung solcher Unternehmert/itigkeit, die auch ohne die Staatsein- griffe erfolgen wiirde, nicht im Sinne der Zielsetzung liegt, die mit der Arbeitsbeschaffung tats/ichlich verfolgt wird. Es muff u. E. die gr6Bte Auf- merksamkeit darauf verwandt werden, dab nicht die Aufrechterhaltung und eventuell Neugew/ihrtmg solcher Kredite, die schlechthin aus privater Init iat ive genommen worden sind oder angefordert werden, und die nicht ausdriicklich vom Staate gutgeheil~en sind, unterbleibt, weil sich im Zu- sammenhang mit der staatlichen Arbeitsbeschaffung und wegen ihrer formell kurzfrist igen Finanzierung reichlich Gelegenheit zu bankm/iRiger Anlage unter staatlicher Sicherung ergibt. Nicht nur Finanzierung der staatlichen Arbeitsbeschaffung, sondern auch sorgf/iltigste Pflege des sonstigen Kredit- gesch/iftes scheint uns notwendig zu sein, um die Wirtschaftsbelebung wirk- lich zu erreichen.

Anleihefinanzierung 8ffentlicher Ausgaben und die gleichzeitige Er- greifung dieser MaBnahme in einer mSglichst groBen Zahl yon L/indern ist der eine Hauptvorschlag, den K e y n e s der Offentlichkeit im allgemeinen und tier Weltwirtschaftskonferenz im besonderen unterbreitet. An deren Seite stellt er seinen Vorschlag zur S c h a f f u n g s o g e n a n n t e r G o l d n o t e n , die im internationalen Verkehr neben das Gold treten sollen. Er geht davon aus, daB die heutige Goldverteilung l~n der Welt ungiinstig ist. Eine ganze Reihe yon Liindern verfiigt fiber schwache Goldreserven fiir den internationalen Zahlungsausgleich, und diese Lander sind durch die Geringfiigigkeit ihrer Reserven in ihrer Bewegungsfreiheit gehemmt, man kann von ihnen kaum wirklich aktives Vorgehen zur Konjunkturankurbelung erwarten, solange ihre Reserven fiir den internationalen Zahlungsausgleich nicht irgendwie aufgefiillt sind. K e y n e s halt es fiir hoffnungslos, von den sogenannten goldreichen L/indern zu verlangen, dab sie durch reichliche Anleihegew~th- rung an die goldarmen Lander eine Neuverteilung der Goldbest/inde er- m~iglichen, zumal die goldreichen Lander angesichts der gegenw/irtigen all- gemeinen wirtschaftlichen Unsicherheit gar nicht das Gefiihl eines Zuviel, eines Uberflusses haben. Er bemerkt, daBt auf Grund der gegebenen all- gemeinen Lage iiberhaupt insgesamt die Reserven fiir den internationalen Zahlungsausgleich grtiBer sein miissen, als sie unter normalen Verh/iltnissen Zu sein brauchen, u n d e r hat deshalb nach einem geeigneten Mittel Ausschau gehalten, die Reserveposition aller Lander zu st/irken. Und als geeignetes Mittel bezeichnet er die Goldnoten ftir den internationalen Verkehr, die von einer eigens dafiir zu schaffenden Stelle auszugeben sind.

Diese Goldnoten sollen in einem Betrage von 5 Milliarden Golddollars bereitgestellt werden, d. h. in einem Betrag, der etwa zwei Ftinftel der gesamten zentralen Goldbest~inde ausmacht. Sie sollen nach Mal~gabe der Goldbest/inde yon 1928 auf die verschiedenen Lander vertei l t werden, jedoch soll kein Land mehr als 450Millionen Golddollars erhalten; dieser Ver- teilungsschliissel bewirkt, dab goldarme Lander einen Betrag von Goldnoten erhalten, der 1000/o und mehr der in ihren Zentralbanken ~etzt vorhandenen

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Goldbestiinde ausmacht. Die Regierungen erhalten die auf sie entfallenden Goldnoten gegen Hergabe eines gleichen Betrages ~ auf Gold abgestellter Obligationen, die niedrig, ni~mlich nur so hoch verzinslieh sein sollen, dalt die Goldnotenausgabestelle instand gesetzt wird, ihre Unkosten zu decken und eine Reserve zu bilden. Die Goldnoten sollen dem internationalen Zahlungsverkehr dienen, die beteiligten Regierungen sollen die gesetz- geberisehen Mafnahmen treffen, daf sie im internationalen Verkehr wie Gold genommen werden.

Wir kSnnen den Grundgedanken dieser Goldnoten vielleicht abweichend von K e y n e s folgendermafen umschreiben: Im i n t e r n e n Zahlungsverkehr eines Landes wird neben Gold oder an Stelle von Gold Papier w Staats- papiergeld oder Banknoten - - genommen dank der Tatsache, daft ~eder Empfi~nger dos Vertrauen hat, das Papier wieder zu Zahlungszwecken ver- werten zu k(innen; dies Vertrauen finder eine besondere Stiitze im Staats- befehl, in der Erkliirung zum gesetzliehen Zahlungsmittel. Aueh im l a t e r- n a t i o n a l e n Verkehr kSnnte Papier neben Gold oder an Stelle von Gold treten, wenn die Zentralnotenbanken dos festgegrtindete Vertrauen hiitten, das Papier zum Ausgleich der Devisenbilanz wie Gold welter verwerten zu kSnnen. Ein solches Vertrauen kSnnte in der Weise begriindet werden, daf alle Zentralnotenbanken durch Gesetz ihres Landes gebunden werden, die Goldnoten wie Gold anzunehmen; zum E r l a f eines solchen Gesetzes miif ten sieh die beteiligten Staaten durch viilkerrechtlichen Vert rag verpfliehten. K e y n e s weist der Weltwirtsehaftskonferenz die Aufgabe zu, die ent- sprechende Willensbildung bei den Regierungen herbeizufiihren. Gemein- sames ¥orgehen ist die schlechthin unerl~ifliche Voraussetzung fiir das Funktionieren des ganzen Planes; schl ief t sich auch nur eines der wirt- schaftlieh ~iihrenden Lander bUS, so ist, soweit wir es bisher tibersehen kSnnen, das Funktionieren in F rage gestellt.

Abet es gehiirt noeh eine weitere Voraussetzung dazu, die K e y n e s d i e B i n d u n g d e r W a h r u n g e n an d a s G o l d nennt. Denn die Bereit- sehaft oder die Verpflichtung, Gold und Goldnoten zu einem bestimmten Satz anzunehmen, ver l ier t ~ede praktisehe Bedeutung, wenn die Wiihrungen sieh gegeniiber der durch diesen Satz bestimmten Parit~t entwerten. Nun schreckt K e y n e s zwar vor einer dauernden Fest legung der Parit~it zuriick, aber er will zumindest ]eweils S~ttze festgelegt haben, zu denen die Zentral- bank Gold und Goldnoten hereinnimmt, und zu denen sie Gold und Gold- noten abgibt, die nicht mehr als 50/0 auseinander liegen sollen. Die Spanne yon 5% ist welter als die bei festen Wahrungen bisher gemeinhin vor- gesehene Spanne, aber sie erseheint angebracht, um die wilden Bewegungen der fluktuierenden Kapitalien von einem Finanzzentrum zum andern ein- zud~mmen, and um den Notenbanken zu ermSglichen, bei ihrer Diskont- und sonstigen Kreditpolitik mehr auf die Bediirfnisse des eigenen Landes und weniger auf die gleichzeitige Poli t ik der auslandischen Notenbanken Riieksicht zu nehmen.

~ber die yon der Goldnotenausgabestelle empfangenen Noten sollen die Regierungen naeh eigener Wahl verfiigen. Dem K e y n e s s c h e n Gesamt- vorschlag entsprieht es wohl am besten, wenn die Regierungen die Gold- noten der Zentralnotenbank ihres Landes iibergeben und sich den Bet rag gutschreiben lassen, und wenn sie fiber das so gewonnene Guthaben zur' Bezahlung zusi~tzlicher 8ffentlicher Ausgaben oder zur Steuersenkung ver- fiigen. So 15st das Goldnotenpro~ekt nieht nur die Schwierigkeiten, die durch die bisherige schwache Reserveposition der meisten Notenbanken ent-

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650 R. S tucken : Keynes V o r s e h l a g e z u r W i r t s c h a f t s b e l e b u n g

s t a n d e n sind, es b i e t e t u n m i t t e l b a r auch in b e t r a c h t l i c h e m U m f a n g die F i n a n z i e r u n g f i i r die A n k u r b e l u n g s m a f n a h m e n , die in den e inze lnen Lan- de rn e r g r i f f e n werden sol len. Und desha lb d i i r fen w i t wohl sagen, daft die V o r s c h l a g e yon K e y n e s n i c h t n u r z u r r e ch t en Zei t , s onde rn a u c h i n e i n e r g 1 ti c k 1 i c h e n K o m b i n a t i o n de r Of fen t l i chke i t u n t e r b r e i t e t werden.

Auf d re ie r l e i mt issen w i r n u n a l l e r d i n g s a u f m e r k s a m machen. E r s t e n s : Die yon K e y n e s vo r ges ch l agene b e s c h r a n k t e B i n d u n g de r W a h r u n g e n an das Gold mag f i i r das G o l d n o t e n p r o j e k t geni igen, die B e s c h r a n k u n g der B i n d u n g bedeu te t jedoch V e r z i c h t au f ba ld ige endg i i l t ige S t a b i l i s i e r u n g der W~thrungen, was uns aus ande r en Gr t lnden mi t Se rge erf t t l l t . Zwe i t ens : F i i r L a n d e r wie DeutSchland, die yon Gold fas t e n t b l S f t sind, bes teh t die Gefahr , d a f sie bei z u k i i n f t i g c n Bem i i hungen um W i e d e r a u f f i i l l u n g i h r e r W a h r u n g s r e f o r m i m m e r n u r in den Bes i tz von Go ldno ten und nie in den Bes i tz yon Gold kommen; es w e r d e n S o n d e r b e s t i m m u n g e n ni~tig sein, um diese S c h w i e r i g k e i t zu beheben. Und d r i t t e n s : I s t das Goldno tenpro jek t , das ein hohes Maf yon E ins i ch t und yon B e r e i t s c h a f t zu r i n t e r n a t i o n a l e n Zu- s a m m e n a r b e i t vo rausse t z t , po l i t i sch i i b e r h a u p t r ea l i s i e rba r , oder f eh l t n ich t v i e l m e h r ganz und g a r die A t m o s p h a r e g e g e n s e i t i g e n V e r t r a u e n s , in der ein so lcher V o r s c h l a g n u r auf A n n a h m e r echnen k a n n ? W i r f i i rchten, das Goldnotenpro~ekt i s t h e u t e eine Utopie , wie e ins tma l s das V e r l a n g e n von K e y n e s , die i n t e r a l l i i e r t e n M~ichte so l l t en auf R e p a r a t i o n e n verz ich ten l eine Utop ie w a r und e r s t nach unend l i chen Niiten a l l e r L a n d e r zu e ine r d i sku t ab l en A n g e l e g e n h e i t wurde. Bei e ine r A u s s c h e i d u n g des Goldnoten . p r o j e k t e s i s t der V o r s c h l a g der K o n j u n k t u r a n k u r b e l u n g d u r c h 5f fent l iche Arbe i t en , die g le i chze i t ig in a l l en L a n d e r n in A n g r i f f g e n o m m e n werden sollen, z w a r n ich t u n b r a u c h b a r geworden , aber es f eh l t dann doch wohl in den e inze lnen L a n d e r n das ni i t ige V e r t r a u e n , um diese Maflnahme wi rk l i ch in g r o f e r F o r m anzuse tzen , und der A r b e i t s l o s i g k e i t bald H e r r zu werden. U n s e r U r t e i l mitchten w i r f o l g e n d e r m a f e n zusammenfas sen : K e y n e s ha t se ine V o r s c h l a g e in der v o r l i e g e n d e n Sch r i f t z w a r n i ch t aus re i chend begr i indet , aber s i e s i n d b e g r i i n d b a r ; es l i eg t b i e r e twas .~hnl iches vor wie be i dem P r o j e k t d e r deu t schen R e n t e n m a r k oder bei dem P r o j e k t der deu t schen S teue rgu t sche ine , die auch u n z u l a n g l i c h beg r i i nde t waren , aber au f der G r u n d l a g e e ine r a u s r e i c h e n d e n Geld- und K o n j u n k t u r l e h r e h a t t e n beg r i inde t werden kSnnenl ) . Es l ag uns w e n i g e r da ran , die Mangel des K e y n e s s c h e n P l a n e s h e r v o r z u h e b e n , a ls v i e lmehr s e i n e B r a u c h b a r k e i t z u be - k u n d e n . E i n w e n d u n g e n , die w i r v o r t r a g e n m u f t e n , s p r e c h e n n ich t gegen se inen P l a n sehlechth in , s ie sp rechen n u r gegen seine schemat i sche An- w e n d u n g ; und h ie rbe i sche in t es uns besonders wicht ig , d a r a u f h inzuweisen , daft die F i n a n z i e r u n g de r zu e r g r e i f e n d e n Maf lnahmen s ich infolge der ab- we ichenden k o n j u n k t u r e l l e n S i tua t ion a n d e r e r Lander , besonders Deutsch- lands, ande r s vo l l z i ehen muff, als es in E n g l a n d z w e c k m a f i g ist.

1) Bezilglich der Steuergutscheine m6chten wir Folgendes ausfilhren: In unserm bereits genannten Buche ,,Die Kon|unkturen im Wirtschaftsleben", das im Juni 1932 erschien, und in dem wir u.a. die Bedeutung einiger weiterer konjunkturpolitischer MaB- nahmcn behandeit haben, haben wir die damalige Situation Deutschlands im Gegensatz zu der anderer Lfinder dahingehend charakterisiert, dab zwar vielfach noch Investitions- bereitschaft vorhanden w~ire, dal3 aber die Kreditnehmer den Kreditinstituten keine aus- reichenden Sicherheiten, keine ausreichenden Kreditunterlagen zu geben verm6chten, und daft deshalb vielfach Kreditgew~ihrung und Investition unterblieben. Durch die Steuer- gutscheine ist dann den Unternehmern, Hausbesitzern usw. eine erstklassige Kredit- unterlage in die Hand gegeben worden, was zweifellos zusammen mlt der Steigerung der Wertpapierkurse, die auch zu einer St~irkung tier Kreditunterlagen filhrte, eine kon- junkturverbessernde Wirkung ausgeiibt hat. Vgl, yore Verfasser: a. a. O., S. 170 ff.