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Glaube 9 Tiroler Sonntag 4. April 2013 H at Gott die Welt geschaffen – oder ist sie nur ein Produkt des Zu- falls? Was sagt der Glaube und wie verhält er sich zur Evolutionstheorie? Die Heilige Schrift beschreibt nicht, wie Gott die Welt erschaffen hat, sondern warum und wozu. Die Schöpfung ist nicht dem blinden Zufall oder Schicksal unterworfen, sondern von Gott gewollt. Gott schafft aus Liebe und setzt einen guten Anfang. Er schenkt Freiheit. Er ist seinen Geschöpfen nahe, auch dann, wenn sie andere Wege gehen als seine Wege. Ziel des Ganzen ist die volle Gemeinschaft aller Geschöpfe mit Gott, der „Siebente Tag“. Die Schöpfungstexte der Bibel werden heute nicht mehr buchstäblich verstanden: „Es ist darum kein Gegenstand unseres Glaubens, dass Gott die Welt, wie es die Bibel bildhaft darstellt, in sechs Tagen geschaffen hat und dass er alles am Anfang so geschaffen hat, wie wir es heute vornden.“ (Katholischer Erwachsenen-Katechismus) Sprache des Glaubens. Die Sprache des Glaubens unterscheidet sich von jener der Naturwissenschaft. Empirisch betrachtet, ist der Satz „Mir ist ein Stein vom Herzen gefal- len“ völliger Unsinn. Trotzdem kann dieser Satz eine tiefe innere Wahrheit ausdrücken, wie es zutreffender nicht ginge. In vergleichbarer Weise geht es auch in den biblischen Schöpfungserzählungen um eine innerste Wahrheit: „Das Universum gründet in einem Schöpfer, der es gut mit dir meint, und der dich auch über den Tod hinaus nicht vergisst.“ Die Bibel spricht vom Sinn, vom Warum und Wozu der Schöpfung. Die Evolu- tionstheorie hingegen vom Was und Wie. Keine Konkurrenz. Schöpfungsglaube steht daher nicht in Konkurrenz zu naturwissen- schaftlichen Welterklärungen, sondern bildet einen Horizont, einen Rahmen für die Evolu- tionstheorie: Die wissenschaftlich beschreib- bare Welt hat von Gott her Sinn und Ziel. Ohne Gott versinkt alles ins Nichts. Das Schaffen Gottes beschränkt sich nicht auf den Anfang, sondern es ist ein permanenter Prozess, der auf die Vollendung von allem, auf die Neue Schöpfung zielt. Gott ist der tra- gende Grund der sich entfaltenden und ent- wickelnden Wirklichkeit. Würde Gott auch nur einen Augenblick lang aufhören, schaf- fend in seiner Schöpfung gegenwärtig zu sein – alles würde ins Nichts versinken. „Denn das Geschöpf sinkt ohne den Schöpfer ins Nichts.“ (II. Vatikanum, Gaudium et spes 36) Ich habe dich beim Namen gerufen. Wir lesen die ersten Kapitel der Bibel richtig, wenn wir uns dabei immer wieder sagen lassen: Du selbst bist dieser Mensch. Du ver- dankst dein Dasein der schöpferischen Güte Gottes. Der, der Himmel und Erde erschaffen hat und alles trägt, der birgt auch dich in sei- nen Händen. „Ich habe dich beim Namen ge- rufen, du gehörst mir.“ (Jes 43, 1) Selbst wenn du dich abwendest und in Sünde verstrickst, bleibt er dein treuer Begleiter. Zum Autor: Mag. Erhard Lesacher, geboren 1962 in Spittal a. d. Drau, Studium der Theologie in Wien, Assistent am Institut für Dogmatik, seit 2001 Leiter der „Theologischen Kurse“ (Wiener Theologische Kurse und Institut Fernkurs für theologische Bildung). IMPULS „Seh ich den Himmel, das Werk deiner Finger, Mond und Sterne, die du befestigt: Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?“ Psalm 8, 4–5 Gebet nach Psalm 8 Großer Gott, voller Wunder ist unsere Welt. Die ganze Schöpfung singt dein Lob. Sonne, Mond und Sterne, die Erde und das Meer, Panzen und Tiere, sie alle preisen dich. Sie preisen dich ohne Worte, einfach indem sie da sind. Wie klein sind wir Menschen im unendlichen Weltall, und doch hast du uns gewürdigt, in deinem Auftrag zu wirken. Mache uns bereit, zu bewahren, was du uns anvertraut hast, damit die Schöpfung deine Güte widerspiegelt. Dir sei Ehre in Ewigkeit. (VORLAGE VON REINHARD HAUBER) Bibel und Naturwissenschaften Ein guter Anfang Bausteine des Glaubens Serie: Teil 1 von 8 MAG. ERHARD LESACHER LEITER DER „THEOLOGISCHEN KURSE“ Die Welt – Schöpfung Gottes mit Sinn und Ziel oder bloßer Zufall? KIZ/H.B.

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Glaube 9 Tiroler Sonntag 4. April 2013

Hat Gott die Welt geschaffen – oder ist sie nur ein Produkt des Zu-falls? Was sagt der Glaube und

wie verhält er sich zur Evolutionstheorie?Die Heilige Schrift beschreibt nicht, wie Gott die Welt erschaffen hat, sondern warum und wozu. Die Schöpfung ist nicht dem blinden Zufall oder Schicksal unterworfen, sondern von Gott gewollt. Gott schafft aus Liebe und setzt einen guten Anfang. Er schenkt Freiheit. Er ist seinen Geschöpfen nahe, auch dann, wenn sie andere Wege gehen als seine Wege. Ziel des Ganzen ist die volle Gemeinschaft aller Geschöpfe mit Gott, der „Siebente Tag“. Die Schöpfungstexte der Bibel werden heute nicht mehr buchstäblich verstanden: „Es ist darum kein Gegenstand unseres Glaubens, dass Gott die Welt, wie es die Bibel bildhaft darstellt, in sechs Tagen geschaffen hat und dass er alles am Anfang so geschaffen hat, wie wir es heute vor!nden.“ (Katholischer Erwachsenen-Katechismus)

Sprache des Glaubens. Die Sprache des Glaubens unterscheidet sich von jener der Naturwissenschaft. Empirisch betrachtet, ist der Satz „Mir ist ein Stein vom Herzen gefal-len“ völliger Unsinn. Trotzdem kann dieser Satz eine tiefe innere Wahrheit ausdrücken, wie es zutreffender nicht ginge. In vergleichbarer Weise geht es auch in den biblischen Schöpfungserzählungen um eine innerste Wahrheit: „Das Universum gründet in einem Schöpfer, der es gut mit dir meint, und der dich auch über den Tod hinaus nicht vergisst.“ Die Bibel spricht vom Sinn, vom Warum und Wozu der Schöpfung. Die Evolu- tionstheorie hingegen vom Was und Wie.

Keine Konkurrenz. Schöpfungsglaube steht daher nicht in Konkurrenz zu naturwissen-schaftlichen Welterklärungen, sondern bildet einen Horizont, einen Rahmen für die Evolu-tionstheorie: Die wissenschaftlich beschreib-bare Welt hat von Gott her Sinn und Ziel.

Ohne Gott versinkt alles ins Nichts. Das Schaffen Gottes beschränkt sich nicht auf den Anfang, sondern es ist ein permanenter

Prozess, der auf die Vollendung von allem, auf die Neue Schöpfung zielt. Gott ist der tra-gende Grund der sich entfaltenden und ent-wickelnden Wirklichkeit. Würde Gott auch nur einen Augenblick lang aufhören, schaf-fend in seiner Schöpfung gegenwärtig zu sein – alles würde ins Nichts versinken. „Denn das Geschöpf sinkt ohne den Schöpfer ins Nichts.“ (II. Vatikanum, Gaudium et spes 36)

Ich habe dich beim Namen gerufen. Wir lesen die ersten Kapitel der Bibel richtig, wenn wir uns dabei immer wieder sagen lassen: Du selbst bist dieser Mensch. Du ver-dankst dein Dasein der schöpferischen Güte Gottes. Der, der Himmel und Erde erschaffen hat und alles trägt, der birgt auch dich in sei-nen Händen. „Ich habe dich beim Namen ge-rufen, du gehörst mir.“ (Jes 43, 1) Selbst wenn du dich abwendest und in Sünde verstrickst, bleibt er dein treuer Begleiter.

Zum Autor: Mag. Erhard Lesacher, geboren 1962 in Spittal a. d. Drau, Studium der Theologie in Wien, Assistent am Institut für Dogmatik, seit 2001 Leiter der „Theologischen Kurse“ (Wiener Theologische Kurse und Institut Fernkurs für theologische Bildung).

IMPULS

„Seh ich den Himmel, das Werk deiner Finger, Mond und Sterne, die du befestigt: Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?“ Psalm 8, 4–5

Gebet nach Psalm 8

Großer Gott, voller Wunder ist unsere Welt.Die ganze Schöpfung singt dein Lob.Sonne, Mond und Sterne, die Erde und das Meer,P"anzen und Tiere, sie alle preisen dich.Sie preisen dich ohne Worte, einfach indem sie da sind.Wie klein sind wir Menschen im unendlichen Weltall,und doch hast du uns gewürdigt, in deinem Auftrag zu wirken. Mache uns bereit, zu bewahren, was du uns anvertraut hast, damit die Schöpfung deine Güte widerspiegelt. Dir sei Ehre in Ewigkeit.(VORLAGE VON REINHARD HAUBER)

Bibel und Naturwissenschaften

Ein guter Anfang

Bausteine des GlaubensSerie: Teil 1 von 8

MAG. ERHARD LESACHERLEITER DER „THEOLOGISCHEN KURSE“

Die Welt – Schöpfung Gottes mit Sinn und Ziel oder bloßer Zufall?

KIZ/H.B.

Glaube 7 Tiroler Sonntag 11. April 2013

„Gott hat uns aus Ägypten herausgeführt“ – das ist das Zentrum des Glaubens Israels und die Mitte des Alten Testamentes. Welche Konsequenzen hat das Befreiungs- handeln Gottes für die Beziehung der Menschen untereinander und zu Gott?

Am Anfang war die Befreiung. Es ist die zen- trale Überzeugung Israels, dass Gott sein Volk aus Ägypten, dem Sklavenhaus, befreit hat. Die Erinnerung an den Exodus, den Auszug aus Ägypten, durchzieht das ganze Alte Testa-ment und prägt das Judentum bis heute. Die Israeliten waren fremd in Ägypten, Migran-ten, die Zwangsarbeit leisten mussten. Da hat Mose an einem brennenden Dornbusch eine geheimnisvolle Gottesbegegnung. Er erhält den Auftrag, Israel aus Ägypten herauszufüh-ren – im Namen JHWHs – des „Ich bin, der ich sein werde“. (Ex 3,14)

„Du wirst …“. Der Gott Israels ist keine abs-trakte Größe, er teilt nicht bloß seinen Willen und seine Gebote mit, sondern er offenbart sich in der Geschichte: In seinem befreien-den Handeln erweist er sich als der befreiende Gott. Und seine Gebote sind eng verknüpft mit seiner Befreiungstat. Sie sind Konsequenz der Befreiung und dienen der Bewahrung der Freiheit. Die Zehn Gebote beginnen mit der Befreiungstat Gottes: „Ich bin Gott, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.“ Daran schließt an, was daraus folgt: „Du wirst neben mir keine an-deren Götter haben ... Du wirst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verp!ichten, ihnen zu dienen.“ (Ex 20,2–5) Die übliche Übersetzung „Du sollst“ lässt den Zusammenhang von Heilstat Gottes und Gebot kaum erkennen.

„Selbst Fremde gewesen“. Die Konse-quenzen aus dem Exodus überschreiten sogar die Grenzen des eigenen Volkes: „Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott.“ (Lev 19,34) Die „Urerfahrung“ der Be-freiung aus Unrecht und Unterdrückung ist bleibend gebunden an den Einsatz für Recht und Gerechtigkeit.

Auf der Seite der Ohnmächtigen. Der Exo-dus erzählt vom Sieg der Kleinen, Ohnmäch-tigen, Benachteiligten gegen eine mächtige, hochgerüstete Übermacht: Mirjam „nahm die Pauke in die Hand und alle Frauen zo-gen mit Paukenschlag und Tanz hinter ihr her. Mirjam sang ihnen vor: Singt dem Herrn ein Lied, denn er ist hoch und erhaben! Ros-se und Wagen warf er ins Meer.“ (Ex 15,20f) Dieses Befreiungslied – einer der ältesten schriftlich überlieferten Texte der Bibel – for-muliert die Gotteserfahrung Israels: Rettung gegen alle Wahrscheinlichkeit, Befreiung aus scheinbar fest zementierten Machtverhältnis-sen, neues Leben für die, die für sich keine Chance mehr gesehen haben. Dass Gott auf der Seite der Schwachen ist, diese Überzeu-gung "ndet sich überall in der Bibel: Von Da-vids Kampf gegen Goliat über Maria, die Gott preist, denn „er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen“ (Lk 1,52) bis zu Jesus, der sich vorrangig den Armen und Ausgegrenzten zuwendet.

Der sich „herabbeugt“. Israels Gott ist kein Gott, der hoch über den Welten thront. „JHWH“, der „Ich-bin-da“, ist einer, der sich „herabbeugt“. Er hört das Schreien der Be-drängten, er sieht ihr Elend (Dtn 26,7) – und ergreift Partei gegen die Unterdrücker. Von Gott zu reden, heißt im Alten Testament im-mer, von beidem zu sprechen: von seiner Größe und von seiner – Freiheit und Gerech-tigkeit schaffenden – Nähe. Gottes Hoheit kann nicht losgelöst werden von seiner Hin-wendung zu den Armen, Verachteten und Versklavten. Das gilt auch für das Neue Tes-tament. Gottes rettende Nähe wird in Jesus unüberbietbar konkret. Jesus ist der „Imma-nuel“, der „Gott-mit-uns“ in Person – auf-richtend, befreiend, heilend, zu Liebe und Gerechtigkeit herausfordernd.

ZITAT

Mein Vater war ein heimatloser Aramäer. Er zog nach Ägypten, lebte dort als Fremder mit wenigen Leuten und wurde dort zu einem großen, mächtigen und zahlreichen Volk.Die Ägypter behandelten uns schlecht, machten uns rechtlos und legten uns harte Fronarbeit auf. Wir schrien zum Herrn, dem Gott unserer Väter, und der Herr hörte unser Schreien und sah unsere Rechtlosigkeit, unsere Arbeitslast und unsere Bedrängnis. Der Herr führte uns mit starker Hand und hoch erhobenem Arm, unter großem Schrecken, unter Zeichen und Wundern aus Ägypten, er brach-te uns an diese Stätte und gab uns dieses Land, ein Land, in dem Milch und Honig !ießen. BUCH DEUTERONOMIUM 26,5–9

Gott hört den Schrei seines Volkes

Gott, der Befreier

Bausteine des GlaubensSerie: Teil 2 von 8

MAG. ERHARD LESACHERLEITER DER „THEOLOGISCHEN KURSE“

Häftlinge beten mit Studierenden der Nürnber-ger Hochschulgemeinde vor einem Fastentuch, das Mirjam sowie den gekreuzigten und sich im Abendmahl (mit-)teilenden Christus zeigt. KNA

Glaube 9 Tiroler Sonntag 18. April 2013

Warum musste Jesus qualvoll am Kreuz sterben? Konnte Gott nur auf diese Weise erlösen? Wodurch sind wir erlöst?

Durch den Kreuzestod Jesu sind wir erlöst. – Mit diesem Satz tun sich viele Glaubende schwer: Ist der Sinn und das Ziel des Lebens Jesu wirklich sein Leiden „für uns“, sein Ster-ben am Kreuz?

Gottes Wille? Ist der Sohn Gottes nur des-halb Mensch geworden, um durch sein Blut die Menschheit von der Sünde Adams zu er-lösen? Zugespitzt gefragt: War es wirklich der Wille Gottes, dass Jesus qualvoll am Kreuz starb? Und: War der blutige Kreuzestod Jesu die Bedingung, dass Gott sich der Mensch-heit wieder gnädig zuwendet? Wer so denkt, muss sich die Gegenfrage gefallen lassen: Steht diese Auffassung nicht im Widerspruch zur zentralen Botschaft des Lebens Jesu, dass Gott sich bedingungslos zuwendet, dass Gott ohne Vorbedingungen verzeiht?

Gottes erlösendes Handeln. Heutige Theo-logie betont, dass Erlösung nicht erst durch den Kreuzestod geschieht, sondern dass be-reits das Leben Jesu ganz und gar erlösend war. Denn er lebt und ist das bedingungslose JA Gottes zu den Menschen: In seiner verge-benden, aufrichtenden, befreienden Zuwen-dung zu allen, besonders zu den Sündern, Schwachen, Ausgegrenzten, ereignete und offenbarte sich die grenzenlose Liebe Gottes zu allen. Wer sich auf dieses Entgegenkom-men Gottes in Jesus Christus einließ und einlässt, erfährt das Geschenk des Unbedingt-von-Gott-angenommen-Seins. Entscheidend ist also, dass Jesus nicht nur Weisungen für ein gutes Leben vor Gott und mit den Men-schen gebracht hat wie andere Propheten auch, sondern dass er Gott selbst ist: Er ist in Person das erlösende JA Gottes zu uns.

Aus dem Nein wird Ja. Wenn Gott die un-bedingte Liebe ist, warum dann der Kreuzes-tod? Die erlösende Gottesbotschaft Jesu pro-vozierte – letztlich tödlichen – Widerstand. Für die Treue zu seiner Sendung bezahlte er mit seinem Leben. Dabei hielt Jesus auch in der Finsternis und Einsamkeit des Todes fest an seinem Vater: „Mein Gott, mein Gott, wa-rum hast du mich verlassen?“ (Ps 22,2; Mk 15,34) Zugleich hielt er fest an jenen, die

ihn ablehnten: „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lk 23,34) Er reagierte auf Gewalt und Vernichtung mit umso größerer Feindesliebe. Am Kreuz, in der Feindesliebe Jesu, ereignet und offenbart sich die Feindesliebe Gottes. Im Bild gesprochen: Gott hält den Sündern in seinem Sohn die andere Wange hin und macht das Nein gegen Jesus zum JA zu allen Menschen: Diese theo-logische Tiefendimension des Kreuzestodes Jesu war auf Golgota noch nicht „sichtbar“.

Ostern öffnet die Augen. Erst im Licht von Ostern kann das Leben und Sterben Jesu als „Gottesereignis“, als erlösende Offen- barung Gottes verstanden werden. Die Auf-erweckung ist die „göttliche Unterschrift“, die bestätigt, dass Gottes annehmendes und heilendes JA ausnahmslos jedem Menschen gilt, gerade auch den Sündern, den „Fein-den“, jenen, die gegen Gott leben. Und: Die-ses JA ist stärker als der Tod. Erlösend ist also nicht das Kreuzesleiden als solches, sondern die bedingungslose Liebe Gottes, die in Jesu Leben, Sterben und Auf-erstehen ein für allemal und unwiderru!ich offenbar geworden ist. In Jesus, seinem Sohn, schenkt Gott sich selbst. In ihm hat Gott sein Herzblut vergossen. Durch die Liebe Gottes, die Jesus „gebracht“ hat, sind alle Verhältnis-se auf eine neue Basis gestellt. Und dieses JA gilt zu allen Zeiten und an allen Orten.

IMPULSE

Ja, Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat. 2 KOR 5,19

Denn ich bin gewiss: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Gewal-ten der Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur kön-nen uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn. RÖM 8,38f

Da nämlich Christus für alle gestorben ist und da es in Wahr-heit nur eine letzte Berufung des Menschen gibt, die göttliche, müssen wir festhalten, dass der Heilige Geist allen die Möglich-keit anbietet, diesem österlichen Geheimnis in einer Gott bekannten Weise verbunden zu sein. ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL, GAUDIUM ET SPES 22

Gib, dass die Erlösung, die wir gläubig feiern, in täglichen Werken an uns sichtbar wird. TAGESGEBET VOM MITTWOCH DER 2. OSTERWOCHE

Wie Erlösung geschieht

Gottes JA zu allen

Bausteine des GlaubensSerie: Teil 3 von 8

MAG. ERHARD LESACHERLEITER DER „THEOLOGISCHEN KURSE“

Erlösung – das ist das bedingungslose JA Gottes zu allen Menschen. Was das bedeutet, können wir vielleicht im JA von Eltern erahnen, die ein Kind erwarten, das voraussichtlich behindert sein wird. KIZ/AL

Glaube 9 Tiroler Sonntag 25. April 2013

Viele halten ihn für einen großen Menschen. Aber was meinen Christen, wenn sie Jesus als Sohn Gottes bekennen? Eine Annäherung an ein tiefes Geheimnis.

Jesus erregte Aufsehen. Durch sein Handeln und Reden faszinierte er die Menschen, aber er provozierte auch Ablehnung. Er hielt Mahl mit Sündern und stellte damit die religiösen Konventionen auf den Kopf. Er vergab Sün-den und tat damit etwas, was allein Gott vor-behalten war. Er legte das Gesetz mit uner-hörter Autorität aus. Ohne sich auf andere Ausleger zu berufen, lehrte er: „Ich aber sage euch ...“. Die Kraft und Legitimation für die-ses Handeln und Sprechen wurzelten in sei-ner tiefen Gottverbundenheit. Die Beziehung zu seinem Vater bestimmte Jesus zuinnerst. Sie war Quelle all seines Tuns, seines Voll-machtanspruchs und seines Seins.

Wer ist dieser? Verbunden mit dem Auf-sehen, das Jesus erregt, war von Anfang an die Frage: „Wer ist dieser?“ Denn dieser Jesus war nicht so einfach auf den Begriff zu brin-gen: Ein „Messias“, der am Kreuz „scheitert“. Ein „Herr“, ein König, der sich entäußert und sich hingibt, „gehorsam bis zum Tod“ (Phil 2,7f). Einer, der nicht nur Worte über Gott sagt, sondern das Wort Gottes ist. In Jesus hat Gott nicht nur etwas (seinen Willen) mitgeteilt, sondern sein innerstes Wesen, sich selbst: In Jesus hat Gott sozusagen sein Herz geöffnet. Das ist gemeint, wenn die Bibel Jesus als das „Wort“ (= griech. der logos) Got-tes bezeichnet. Jesus – das !eischgewordene Liebeswort Gottes erschließt uns die Gewiss-heit: „Gott ist Liebe – „Gott ist Licht und kei-ne Finsternis ist in ihm.“ (1 Joh 1,5) Der, der in innigster Nähe zum Vater lebt („der Sohn“, „am Herzen des Vaters“, „wahrer Gott von wahrem Gott“), hat diese Kunde gebracht.

Das Liebeswort Gottes. Die menschgewor-dene Liebeserklärung Gottes betrifft nicht nur die an Christus Glaubenden, sondern die ganze Schöpfung: „Alles ist durch das Wort geworden und ohne das Wort wurde nichts.“ (Joh 1,3) Und dieses Wort ist in der Ewig-keit Gottes verankert, so dass es selbst „Gott“ genannt werden kann: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“ (Joh 1,1) – auch wenn dies menschliches Sprechen übersteigt.

Wahrer Gott. In Titeln wie „Herr“, „Wort“, „Sohn“ wollten die frühen Christen zum Aus-druck bringen, dass ihnen in Jesus niemand anderer als Gott selbst begegnet ist. Dabei geht es in keiner Weise darum, dass Jesus ver-göttlicht werden soll (wie z. B. ein Kaiser). Jesus wird „wahrer Gott“ genannt, weil Gott in Ihm wirklich unüberbietbar nahe gekom-men und wirklich offenbar geworden ist. An Jesus ist sichtbar geworden, wie und wer Gott ist. Denn aus seiner tiefen Gottverbunden-heit hat er Gott gleichsam gelebt. Sein ganzes Leben spricht von Gott. „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“ (Joh 14,9). Die Wahrheit Gottes "nden wir also nicht „über den Wolken“, sondern in der konkreten Lebens- und Leidensgeschichte Jesu.

Wahrer Mensch. Jesus ist jedoch „nicht nur“ das Ereignis der Nähe Gottes (wahrer Gott). Er ist auch wahrer Mensch: In ihm wird die Wahrheit des Menschen offenbar: Der „das Bild des unsichtbaren Gottes“ (Kol 1,15) ist, er ist zugleich der vollkommene Mensch. Er lebte ganz für Gott und für die Menschen, ganz in Gemeinschaft mit Gott und den anderen. Und damit lädt er auch uns ein zu einem Leben voll Liebe – zu Gott, zum Nächs-ten und zu uns selbst: Dein Leben gelingt nicht, wenn du bloß um dich selbst kreist. Wahrhaft Mensch wirst du nur, wenn du über dich hinauskommst, wenn du von dir weg-kommst, z. B. jemandem wirklich zuhörst, in seiner seelischen oder materiellen Not auf-richtig beistehst usw. Wer sein Leben in Gott verwurzelt und – im Geiste Jesu – verliert, der wird es gewinnen.Ohne Jesus Christus wissen wir weder, was unser Leben, noch was unser Tod ist, noch was Gott ist, noch was wir selber sind. (Blaise Pascal, gestorben 1662)

IMPULSE

Einer kam und zeigte wie ein Blitzlicht einen Bruchteil der Geschichte was ein Mensch sein könnte MARTIN GUTL

Tatsächlich klärt sich nur im Ge-heimnis des !eischgewordenen Wortes das Geheimnis des Men-schen wahrhaft auf … Christus, der neue Adam, macht eben in der Offenbarung des Geheimnis-ses des Vaters und seiner Liebe dem Menschen den Menschen selbst voll kund und erschließt ihm seine höchste Berufung. II. VATIKANISCHES KONZIL, GAUDIUM ET SPES 22

Jesus Christus – wahrer Gott und wahrer Mensch

Gott schenkt sich selbst

Bausteine des GlaubensSerie: Teil 4 von 8

MAG. ERHARD LESACHERLEITER DER „THEOLOGISCHEN KURSE“

Der Liebe ein Gesicht geben – das will Felix Mitterer mit seinem neuen Text für die Passions-spiele Erl, die heuer ihr 400-Jahr-Jubiläum begehen. Für die beiden Christusdarsteller Erwin Kronthaler und Florian Harlander ist das eine besondere Herausforderung. PASSION/ERL

Glaube 9 Tiroler Sonntag 2. Mai 2013

Was meinen wir, wenn wir von einem „geistreichen” oder von einem „geistlichen” Menschen sprechen? Was ist der Unter-schied zwischen einem „Geistesblitz“ und einer „Geistesgabe“?

Das deutsche Wort „Geist“ ist mehrdeutig. „Geist“ kann sein: das persönliche Bewusst-sein des Menschen; der gute (Team-)Geist; die Lebensgeister, die nach Krankheit/Mü-digkeit wieder erwachen; der Geist, den et-was „aufgibt“, wenn es nicht mehr funktio-niert; ein Gespenst oder das (geistige) Wesen Gottes – im Unterschied zur Materie. Die bi-blischen Wörter für Geist Ruach (hebr.) und Pneuma (griech.) führen weg vom mensch-lichen „Geist-Bewusstsein“ hin zum bewe-genden und unfasslichen göttlichen Geist. Das kommt auch in der spezi!sch christ- lichen Wortbildung Heiliger Geist (lat. spiritus sanctus) deutlich zum Ausdruck: Geist Gottes – eine unverfügbare, übermenschliche, be- lebende (göttliche) Wirk-Kraft.

Wes Geistes Kinder sind wir? Wir kom-men der Erfahrung des Geistes Gottes in un-serem Leben auf die Spur, wenn wir fragen: Wes Geistes Kinder sind wir? Oder: Was be-wegt, prägt mich im Innersten, in der Mitte, im Herzen? Was sind meine innersten, meine eigentlichen Antriebe, Gedanken und Moti-vationen? – Ist es der Geist meines „Ego“, der Geist des Gelten-Wollens, des Haben-Wol-lens, des Herrschen-Wollens – oder der le-bensfördernde und gemeinschaftsstiftende Geist Gottes, der Geist der Liebe?

Gott – Heiliger Geist. Was hat der Hl. Geist mit Jesus und mit Gott zu tun? In Jesus Chris-tus hat Gott sich selbst als Liebe mitgeteilt – geschichtlich konkret in dem einen Jesus von Nazaret an einem bestimmten Punkt in Ort und Zeit. War diese Nähe Gottes also auf die Person Jesu und seine Lebenszeit beschränkt? Sind wir die Zuspätgekommenen? Nein! Dieselbe Liebe Gottes, die in Jesus Christus ein für alle Mal offenbar wurde, ist durch den Heiligen Geist zu allen Zeiten und allen Menschen nahe. Gott schenkt sich selbst universal – ins Innerste eines jeden Menschen: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ (Röm 5,5) Gott selbst setzt sich mit jedem Menschen in Verbin-

dung: Der Heilige Geist bietet „allen die Mög-lichkeit an, dem österlichen Geheimnis in einer Gott bekannten Weise verbunden zu sein.“ (Vatikanum II, GS 22). Nicht wir halten die Verbindung zu Gott aufrecht, sondern Gott selbst: „Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater.“ (Gal 4,6) Unsere Gottesbeziehung und unser Beten ist getragen von Gott: „Du bist mein Atem, wenn ich zu dir bete.“ (Huub Oosterhuis)

Macht, die nicht zwingt. Jeder Mensch ist von der Gegenwart Gottes berührt, für die es in den verschiedenen Religionen unzählige Namen gibt. Treffend beschreibt der französi-sche Theologe Yves Congar (+1995) die perso-nale Nähe Gottes im Menschen: „Gott ist in unserem Leben aktiv und präsent durch eine Macht, die nicht zwingt; wir (Christen) nen-nen sie ‚Heiliger Geist‘.“

Gott in uns Raum geben. Gott handelt dort, wo Menschen ihn einlassen: Wo wir dem werbenden Geist Gottes in uns Raum geben, da kann Gott durch uns wirken: Dort, wo wir uns vorbehaltlos Gott anver-trauen und beten, wo wir Gemeinschaft stif-ten, Gerechtigkeit schaffen, echte Liebe und Hingabe leben, wo wir uns mit Feinden ver-söhnen, einen Neuanfang wagen usw. Der Heilige Geist ist die eigentliche Quelle wah-ren Menschseins.Die christliche Tradition spricht in Hinblick auf die Charismen (Gaben des Geistes) von der „Unterscheidung der Geister“. Zwei Kri-terien helfen bei der Beurteilung, ob ein En-gagement vom Heiligen Geist angestoßen ist: „Spricht“ es von der Lebenshaltung und Praxis Jesu? Und: Dient es der Auferbauung und Einheit der Gemeinde?

IMPULSE

„Gott ist uns ‚nahe‘, wir aber sind ihm fern; Gott ist drinnen, wir aber sind draußen; Gott ist (in uns) daheim, wir aber sind in der Fremde.“ MEISTER ECKHART, +1328

„Wäre ich so bereit und fände Gott soweit Raum in mir, wie in unserem Herrn Jesus Christus, er würde mich ebenso völlig mit seiner Flut erfüllen. Denn der Heilige Geist kann sich nicht enthalten, in all das zu "ießen, wo er Raum !ndet.“ MEISTER ECKHART

„Sei du mein täglich Brot, so wahr du lebst. Du bist mein Atem, wenn ich zu dir bete.“HUUB OOSTERHUIS, GOTTESLOB 621

„Löscht den Geist nicht aus! Prüft alles, und behaltet das Gute!“ PAULUS, 1 THESS 5,19.21

Mir näher, als ich selbst mir nahe bin

Hl. Geist – Gott in uns

Bausteine des GlaubensSerie: Teil 5 von 8

MAG. ERHARD LESACHERLEITER DER „THEOLOGISCHEN KURSE“

Heiliger Geist – wie die unbändige Kraft des Frühlings kalte Kirchenfassaden zum Leuchten bringt, macht er müden Christen Beine. KIZ/H.B.

Glaube 11 Tiroler Sonntag 9. Mai 2013

Der „dreieinige“ Gott – eine leere Formel oder ein unverzichtbarer und lebendig-machender Teil unseres Glaubens?

Die Dreieinigkeit Gottes ist uns einerseits ver-traut: Wie selbstverständlich sagen wir beim Kreuzzeichen „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ und be-kennen damit die Trinität. Andererseits fällt es uns schwer, dieses Glaubensgeheimnis in Worte zu fassen. Für manche wird die Trinität deshalb zu einer leeren Formel, die mit ihrem Glauben und Leben nichts zu tun hat.

Unverzichtbar – warum? (Nicht nur) für den evangelischen Theologen Eberhard Jün-gel geht es beim Glauben an die Dreieinig-keit Gottes um etwas absolut Zentrales: „Die Trinitätslehre ist der unerlässlich schwierige Ausdruck der einfachen Wahrheit, dass Gott lebt, … weil Gott als Liebe lebt. Dass Gott als Liebe lebendig ist, ist das Geheimnis seines Seins, das sich in Leben, Tod und Auferste-hung Jesu Christi offenbart hat.“Trinität ist keine Frage von eins oder drei. Gott ist ganz und gar jenseits der Zahl. „Ein Gott“ meint seine Einzigkeit und Einzigartigkeit – „drei“ die Lebendigkeit, Beziehungsmächtig-keit Gottes. Die – durchaus missverständli-che – Formel „Ein Gott in drei Personen“ hält zunächst nur fest, dass Liebe, Gemeinschaft und Kommunikation das innerste Sein Got-tes ausmachen.

Lebendigkeit – Kommunikation. Treffend hat dies Ruth Pfau, Ordensfrau und Lepra-ärztin in Pakistan, im Dialog mit einem Su!-Muslim formuliert: „Wenn … Gott nicht nur Liebe hat, sondern Liebe ist, und wenn Liebe notwendig nicht selbstbezogen, sondern dia-logisch ist, dann muss es in Gott selber Dia-log geben. Das ist es, was wir stammelnd als Trinitätslehre auszudrücken versuchen.“

Kein Schreibtischglaube. Der Glaube an die Dreifaltigkeit ist nicht am Schreibtisch kluger Theologen entstanden, ist also nicht einfach Ergebnis theologischer Spekulation. Es waren vielmehr die tiefe Erfahrung der Nähe Gottes in Jesus, die die frühen Christen zu diesem Bekenntnis „nötigte“: Gott hat sich in Jesus selbst geschenkt, so dass von Gott nicht mehr ohne seinen Sohn gespro-chen werden kann. Dazu kam die überwälti-

gende Erfahrung der bleibenden Nähe Gottes im Heiligen Geist, die die junge Kirche „nö-tigte“, von Gott auch nicht mehr ohne den Geist zu sprechen. Durch den Sohn im Heili-gen Geist haben wir Zugang zum Vater. (vgl. Eph 2,18)

Die „beiden Hände Gottes“. Der Kirchen-vater Irenäus von Lyon (+ 202) spricht vom Sohn und dem Heiligen Geist als den „beiden Händen Gottes“, durch die Gott an der Welt handelt und sich offenbart. Hilfreich ist auch das Bild der – für uns ganz und gar unzugäng-lichen – Sonne, die uns aber durch ihr Licht und die Kraft ihrer Wärme nahe kommt. Durch Licht und Wärme erfahren wir die Sonne selbst. Im Sohn und im Heiligen Geist hat sich Gott selbst als Liebe gezeigt. Deshalb dürfen wir glauben, dass Gott die Liebe ist.

Wahres Person-Sein. Alle Bilder, die das ewi-ge Sein des dreieinen Gottes aussagen wollen, wie „Vater“, „Sohn“, „Geist“, „Person“ usw. sind treffend, gleichzeitig aber auch völlig unbrauchbar. Der herkömmliche Personbe-griff (der einzelne, selbständige, unabhängige Mensch) ist irreführend und führt zu einer Drei-Gott-Lehre. Person-Sein muss von Jesus (Wer sein Leben verliert, wird es gewinnen) und vom Heiligen Geist her verstanden wer-den: Für den Heiligen Geist ist es – wie für die Liebe – charakteristisch, dass er nicht bei sich bleibt, sondern aus sich herausgeht, sich ver-strömt, im anderen ist. Wahres Personsein ist Selbst-Sein im Sich-Überschreiten. Das göttli-che Personsein ist ganz und gar als „In-Bezie-hung-Sein“ zu verstehen. Gott ereignet sich in Beziehung. Gott ist ewiges Ereignis der Lie-be, das sich für uns geöffnet hat und in das wir eingeladen sind.

IMPULSE

Gott ist Communio (Gemein-schaft) und deshalb müssen auch wir Communio werden! EIN INDIO AUS PERU

Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm. 1. JOHANNESBRIEF 4,16

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes des Vaters und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch. LITURGISCHER GRUSS

Gott ist die Liebe: die alles umfasst – der Vater; die uns selbst begegnet – der Sohn; die in und durch uns wirken will – Heiliger Geist. NACH HANS KESSLER

Die Dreifaltigkeit

Wenn Gott Liebe ist

Bausteine des GlaubensSerie: Teil 6 von 8

MAG. ERHARD LESACHERLEITER DER „THEOLOGISCHEN KURSE“

Vater, Sohn und Geist – drei „Personen“, eingehüllt in einem göttlichen Mantel oder wachsend aus einer gemeinsamen Wurzel. KNA/A

Glaube 11 Tiroler Sonntag 16. Mai 2013

Warum lässt der gute Gott uns leiden? Eine Frage, die den Glauben immer wieder tief erschüttern kann.

„Wenn Gott allmächtig ist, warum gibt es so viel Leid in der Welt?“ Auf diese Frage – sei sie aus existenzieller Not heraus gestellt oder als Argument gegen den Glauben formuliert – gibt es keine einfache Antwort. Für viele sind Leid, Elend und Katastrophen Anstoß, an Gott zu zweifeln und dem Glauben den Rü-cken zu kehren: Das Leid als „Fels des Atheis-mus“. (Georg Büchner, + 1837)

Untaugliche Erklärungen. Zwei gängige Er-klärungsversuche für das Leid sind widerlegt: Krankheit und Leid als Erziehungsmittel Got-tes. – Einwand: Welches Erziehungsziel wür-de Gott bei einem verhungernden Baby ver-folgen? Das Leid als Strafe für die Sünde des Menschen. – Einwand: Warum leiden oft Un-schuldige, während Täter offenkundig ein gu-tes Leben führen?

Durchkreuzte Antworten. Die Bibel be-zeugt ein intensives Ringen um diese Frage. Zweifellos ist die „Straftheorie“ in vielen Textstellen zu !nden. Aber das Buch Ijob durchkreuzt alle Versuche, das Leid mit Gott „zusammenzureimen“: Ijob wird gegen seine Freunde – allesamt eloquente Vertreter der „Straftheorie“ – Recht gegeben: Leid ist nicht ursächlich die Folge früherer Sünden. Auch Jesus lehnt Spekulationen über das Woher des Leids ab. Auf die Frage „Rabbi, wer hat ge-sündigt …, sodass er blind geboren wurde?“ antwortet er „weder er noch seine Eltern“ (Joh 9,2f). Jesus bringt die göttliche Kraft zur Veränderung und Überwindung des Leides ins Spiel. Es geht ihm nicht um das Woher, sondern um das Wohin des Leids: um Hei-lung, aber auch um das Vor-Gott-Ausharren: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt 27,46)

Die Geduld Gottes. Die Frage bleibt: Wenn Gott Liebe ist, warum sieht die Welt so aus, wie sie aussieht? Warum greift Gott nicht ein? Benedikt XVI. hat das Problem tref-fend auf den Punkt gebracht: „Nicht die Ge-walt erlöst, sondern die Liebe.“ Sie ist das Zei-chen Gottes, der selbst die Liebe ist. Wie oft wünschten wir, dass Gott sich stärker zeigen würde. Dass er dreinschlagen würde. Wir lei-den unter der Geduld Gottes. Und doch brau-

chen wir sie alle. Der Gott, der Lamm wurde, sagt es uns: Die Welt wird durch die Geduld Gottes erlöst.

Die Allmacht der Liebe. Es ist also notwen-dig, die Allmacht Gottes mit seinem Liebe-Sein zu verknüpfen: Liebe ist gewaltlos. Got-tes Allmacht ist die Allmacht seiner Liebe: Der allmächtige Gott vermag alles, was Liebe vermag. Und: Liebe ist nur scheinbar ohn-mächtig: „Entscheide Dich stets für die Liebe! Wenn Du Dich ein für allemal dazu entschlos-sen hast, wirst Du die ganze Welt bezwingen. Die dienende Liebe ist eine ungeheure Kraft. Sie ist die allergrößte Kraft, und ihresgleichen gibt es nicht.“ (F. Dostojewski)

Der mitleidende Gott. Der Gott, der Liebe ist, steht gegen das Leid, und er nimmt An-teil am Wohl und Wehe seiner Geschöpfe. In Jesus hat er das Leiden und die Leidenden zu seiner Herzenssache gemacht. Sein Mit-Lei-den ist nicht Zeichen von Schwäche. Gott geht im Leiden der Welt nicht unter. Seine Gegenwart in den Leidenden zielt auf Stär-kung und letztlich auf die Überwindung des Leidens. Gottes Liebe ist stärker als Sünde und Tod und verheißt universale Rettung, Gerechtigkeit und Heilung allen Leids.

Billige Vertröstung? Der mitleidende Gott sucht Mitleidende und Mit-Liebende, die sich Gottes Geist öffnen und in der Nachfol-ge Jesu das Leid, soweit wie möglich lindern oder es mittragen und begleiten.Die Liebe Gottes bewahrt mich nicht vor al-lem Leid, aber sie bewahrt und trägt mich in allem Leid. Entscheidend ist, dass ich im Leid nicht von Gott lasse. Auch das Klagegebet ist eine Weise, mit Gott in Beziehung zu bleiben. Wie Ijob, der Gott seinen Schmerz hinschreit. „Was immer dir widerfährt, mach es zu ei-nem Gebet.“ (Tomas Kaupeny)

IMPULSE

Gott ist Licht, und keine Fins-ternis ist in ihm. 1. JOHANNESBRIEF 1,5

Nur der leidende Gott kann helfen. DIETRICH BONHOEFFER

GelassenheitsgebetGott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.REINHOLD NIEBUHR ZUGESCHRIEBEN

Muss ich auch wandern in !nsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht. PSALM 23,4

Das große „Warum“ kann den Glauben erschüttern

Gott und das Leid

Bausteine des GlaubensSerie: Teil 7 von 8

MAG. ERHARD LESACHERLEITER DER „THEOLOGISCHEN KURSE“

Das Leid? Auch der große Theologe Romano Guardini hat auf das Leid keine „Antwort“ gefunden und möchte daher beim Letzten Gericht Gott selber fragen: „Warum braucht es zum Heil diese fürchterlichen Umwege, das Leid der Unschuldigen, die Schuld …?“ WODICKA

Glaube 9 Tiroler Sonntag 23. Mai 2013

Wenn Gott die Liebe ist, kann es dann überhaupt ein Jüngstes Gericht oder gar eine Hölle geben? Wie gehen Liebe und Gerechtigkeit zusammen?

Wider allen Augenschein hoffen Christinnen und Christen auf die Auferstehung, auf die Vollendung ihres Lebens in Gott. Vor Augen steht, dass mit dem Tod alles aus ist. Die Hoff-nung sagt, dass der Mensch im Tod nicht ins Nichts sinkt, sondern dass wir im Tod Gott endgültig und für immer begegnen.

Auferweckung des Leibes. Auferweckung des Leibes meint, dass ich als ganzer Mensch, mit meinem ganzen gelebten Leben, mit allen meinen Erfahrungen und Beziehungen, mit meiner unverwechselbaren Lebensgeschichte von Gott gerettet werde. Auch wenn uns das „Wie“ des verklärten Leibes entzogen ist, darf ich hoffen, dass Gott all das, was mich als Person ausmacht, vollenden wird: „Gott liebt mehr als die Moleküle, die sich im Au-genblick des Todes im Leib be!nden … Alle Tränen hat er gesammelt, und kein Lächeln ist ihm weggehuscht. Auferweckung des Lei-bes heißt, dass der Mensch bei Gott nicht nur seinen letzten Augenblick wieder!ndet, son-dern seine Geschichte.“ (Wilhelm Breuning)

Das Jenseits – Gott selbst. Jenseits des To-des gibt es weder Zeit noch Raum. Himmel, Hölle und Fegfeuer werden heute nicht mehr als jenseitige „Örtlichkeiten“ verstanden. Vielmehr wird Gott „selbst … nach diesem Leben unser Ort sein“ (Augustinus): Er selbst – die Liebe Gottes als Angenommene – unser Himmel; Gott selbst als endgültig Abgelehn-ter – Hölle; Gott als die prüfende Liebe – mein Gericht, als reinigende Liebe – mein Fegfeuer. „Gericht, Fegfeuer, Hölle und Himmel“ sind also Dimensionen meiner „letzten“ Begegnung mit Gott, in denen es um meine endgültige Identität vor Gott und den anderen geht.

Ich richte mich selbst. „Der Richter braucht nichts zu tun, er braucht nur zu sein.“ (Hans-Urs von Balthasar) Im Angesicht der Liebe,

IMPULSE

Gericht

die augen werden uns aufgehenhimmelsweitbrennen werden die wundenbrennen wird unsere liebeschatten erhellen die erinnerungwir wagen unser wahres gesichtin bergende hände werden wir fallenerdtiefins offene erbarmen.WERNER KALLEN

„Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.“ VATERUNSER

„Doch was soll mir die Rache, was nützt es mir, wenn die Pei- niger in die Hölle kommen, was kann die Hölle wiedergut-machen, wenn die Kinder schon zu Tode gequält sind? Und was ist das für eine Harmonie, wenn es noch eine Hölle gibt? Ich will verzeihen und umarmen, ich will nicht, dass noch gelitten wird.“ F. DOSTOJEWSKIJ

Gottes Liebe und die Letzten Dinge

Himmel – für alle?

Bausteine des GlaubensSerie: Teil 8 von 8

MAG. ERHARD LESACHERLEITER DER „THEOLOGISCHEN KURSE“

Himmel. Wird sich der Bruder des „verlorenen Sohnes“ versöhnen lassen und so das (himmli-sche) Festmahl ermöglichen? REMBRANDT/EREMITAGE

die Gott ist, und kraft der Gnade erkenne ich erstmals die volle Wahrheit meines Lebens. Mir wird schlagartig bewusst, wie weit ich in meinem Leben von dieser Liebe entfernt war, und richte mich selbst. Das Offenbarwerden all meiner (Un-)Taten ist schmerzlich, aber die Wahrheit macht mich frei.

Gott selbst ist mein Fegfeuer. „Gericht“ hat also nichts mit einem von außen aufer-legten Strafurteil zu tun, sondern mit Auf-richten, Zu-sich-selbst-Bringen. Ebenso wenig ist „Fegfeuer“ eine jenseitige Folterkammer, sondern es geht um die Glut der göttlichen Liebe, die reinigt, läutert und Versöhnung er-wirkt. Die göttliche Glut lässt die Schlacken, die Erstarrungen und Krusten meiner Sünde schmelzen, sie löst die Verkrampfungen mei-nes Egoismus. Fegfeuer ist eine Art „Nach- reifung“, in der Gott uns in seiner Liebe ganz und gar durchformen und uns „himmelsfä-hig“ machen will. Es wird nicht „in alle Ewig-keit der, der ich bin, trauernd den grüßen, der ich hätte werden können“ (Karl Rahner).

Bereinigung und Versöhnung. Gericht und Fegfeuer betreffen nicht nur meine Iden-tität vor Gott. Die Vergebung der Schuld im

Gericht zielt auf Vergebung untereinander, auf die Versöhnung zwischen „Opfer“ und „Täter“. Wir dürfen hoffen, dass der Täter im Gericht kraft der vergebenden Liebe Gottes und angesichts seiner Opfer zur vollen Ein-sicht in seine Schuld und zur wahren Reue kommt. Und wir dürfen hoffen, dass das Op-fer so sehr von der Barmherzigkeit und Liebe Gottes erfüllt ist, dass es – aus innerster Frei-heit – dem reuigen (!) Täter die Hand reichen kann. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, wie Gott Ge-rechtigkeit schafft: Rache, Vergeltung, ewige Spaltung in Himmel und Hölle – oder: Ver-söhnung auf der Grundlage von Gericht und Wahrheit. Für den Gott Jesu, der die Liebe ist, passt nur die zweite Variante.

Die Macht der freien Gewinnung. Liebe zwingt nicht. Deshalb ist es eine rea-le Möglichkeit menschlicher Freiheit, Gott endgültig und unwiderru"ich abzulehnen. In diesem Fall würde der Mensch sich selbst zur Hölle verdammen und endgültig iso-lieren. Doch wir dürfen hoffen, dass es der Macht der Liebe Gottes gelingt, alle für sich und seine himmlische Gemeinschaft zu ge-winnen.