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Klinische Implikationen moderner Lerntheorien Noortje Vriends, Tanja Michael & Jürgen Margraf Die Grundlagen der Verhaltenstherapie wurden größtenteils durch die Erkennt- nisse der Lerntheorien begründet. Vor cirka hundert Jahren schuf Pawlov mit seinen Konditionierungsexperimenten einen fruchtbaren Boden für die Verhal- tenstherapie, auf dem auch jetzt noch viele klinische Psychologen ihre Theorien und Therapien aufbauen. Zwei wichtige Prinzipien der klassischen Konditionie- rung spielen eine zentrale Rolle in der Verhaltenstherapie: 1) die Akquisition der konditionierten Reaktion («conditioned response», CR) durch Paarungen von einem konditionierten Stimulus («conditioned stimulus», CS) mit einem unkonditionierten Stimulus ( <<Unconditioned Stimulus », US) erklärt die Ent- stehung psychischer Störungen und 2) die Löschung der konditionierten Res- ponse durch alleinige Präsentation des konditionierten Stimulus (zum Beispiel Rosehan & Seligman, 1984) kann als Interventionsmethode bei psychischen Störungen eingesetzt werden. Bei mehrmaliger Präsentation des CS tritt Habitu- ation auf. Die ursprüngliche Erklärung der Konditioniernngstheorie basierte auf der Tradition der Reflexphysiologie und besagte, dass der ursprünglich neutrale Reiz durch die räumliche und zeitliche Nähe mit dem unkonditionierten Reiz reaktionsauslösende Qualität erwirbt. Die Kontrolle über die Reaktion geht nach dieser Interpretation sozusagen von dem US auf den CS über. Und obwohl das Prinzip der klassischen Konditionierung zur Erklärung und Therapie psychi- scher Störungen breit und mit viel Erfolg eingesetzt wurde, wurde dieses Prinzip der Reflexphysiologie auch kritisiert. So kann es u. a. nicht erklären, warum bestimmte Leute eine Störung nach einem aversiven Erlebnis entwickeln und andere, die das gleiche Erlebnis hatten, gesund bleiben (z.B . Lautch, 1971; Aitken et al„ 1981). Die Verhaltenstherapie begab sich deswegen in den Siebzi- ger- und Achtzigerjahren auf die Suche nach anderen Erklärungsansätzen für klinische Fragenstellungen. Fruchtbare Ergänzungen zu den Lerntheorien kamen unter anderem aus den kognitiven Theorien (z.B. Clark, 1999). Die kognitiven Theorien erklären zum Beispiel wie Störungen aufrechterhalten werden. In den- selb en Jahrzehnten wurden aber in der experimentellen Psychologie auch neue Befunde zur Konditionierung gemacht. Leider sind diese neuen Ergebnisse, von denen die klinische Psychologie profitieren könnte, im klinischen Feld noch nicht ausreichend zur Geltung gekommen. Damit bleiben wertvolle Möglich- keiten ungenutzt. Die kognitiv-verhaltenstherapeutischen Interventionen beru- hen vielfach noch auf den ursprünglichen Auffassungen der klassischen Kondi- tionierung. Die modernen Lerntheorien, die sich auf neue Ergebnisse der experimentel- len Forschung stützen, vervollkommnen das ursprüngliche Modell der klassi- schen Konditionierung enorm. Die Entwicklungen, von denen die modernen Lerntheorien geprägt sind, erklären die internen Prozesse beim Konditionieren. In diesem Kapitel möchten wir die Fortschritte der experimentellen Arbeit zu den Lerntheorien in klinisch relevante Implikationen übersetzen. Wir werden dazu zuerst die Befunde in der Lerntheorie zusammenfassen. Die Geschichte der modernen Lerntheorien wird dargestellt. Auch werden einige klinische Beispiele die neuen Erkenntnisse aufzeigen. Schließlich wird das Kapitel mit der Relevanz der modernsten Lerntheorien für die klinische Praxis abgeschlossen. 1. Die Geschichte der klassischen Konditionierung Die Theorien, die die Konditionierung mit der räumlichen und zeitlichen Nähe des US und CS erklären, richten sich in der radikalen Form nur auf die direkt messbaren Phänomene und unterlassen die möglichen hypothetischen Kon- strukte (Brauch, 1987). Eine Veränderung im beobachtbaren Verhalten zeigt, dass etwas gelernt wurde. Es erklärt aber noch nicht wie das Verhalten gelernt wird. Ebenso bleiben wichtige klinische Fragen unbeantwortet. So kritisieren zum Beispiel die Kliniker erstens, dass viele Patienten sich nicht an ein aversi- ves Ereignis oder Trauma zu Beginn der Symptome erinnern können (Rachman, 1977; Marks, 1969; Emrnelkamp, 1982). Zweitens wird kritisiert, dass nicht alle Leute mit einem schmerzhaften oder traumatischen Erlebnis eine Störung ent- wickeln. Es gibt viele Leute, die keine Zahnarztphobie entwickeln, obwohl sie schmerzhafte Behandlungen beim Zahnarzt erfuhren (Lautch, 1971). Drittens haben die Patienten noch immer Angst vor einer bestimmten Situation, obwohl sie auch neue Erfahrungen mit der gefürchteten Situation gemacht haben, in der sie kein neues aversives Erlebnis hatten (Eysenck, 1979). Die klassische Kondi- tionierungstheorie plädiert dafür, dass die Angst bei wiederholten Erfahrungen ohne aversiven Reiz abnehmen soll. Dies ist aber bei vielen Patienten nicht der Fall. Eine Frau entwickelte nach einem traumatischen Erlebnis (UCS) in der Straßenbahn (CS) eine Straßenbahnphobie (CR), so daß sie nur noch mit extre- mer Angst Straßenbahn fahren konnte. Obwohl sie nach der aversiven Erfah- rung noch einige Male ohne Wiederholung des Traumas mit der Straßenbahn fuhr, nahm die Angst nicht ab. Viertens erklärt das ur sprüngliche Modell der klassischen Konditionierungstheorie nicht, warum die Konditionierung bei be- stimmten Stimuli besser klappt als bei anderen. Ängste, zum Beispiel, entstehen einfacher vor Wasser, Höhen, Tieren, etc. als vor Messern, Hammern etc. (Se-

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Klinische Implikationen moderner Lerntheorien

Noortje Vriends, Tanja Michael & Jürgen Margraf

Die Grundlagen der Verhaltenstherapie wurden größtenteils durch die Erkennt­nisse der Lerntheorien begründet. Vor cirka hundert Jahren schuf Pawlov mit seinen Konditionierungsexperimenten einen fruchtbaren Boden für die Verhal­tenstherapie, auf dem auch jetzt noch viele klinische Psychologen ihre Theorien und Therapien aufbauen. Zwei wichtige Prinzipien der klassischen Konditionie­rung spielen eine zentrale Rolle in der Verhaltenstherapie: 1) die Akquisition der konditionierten Reaktion ( «conditioned response», CR) durch Paarungen von einem konditionierten Stimulus ( «conditioned stimulus», CS) mit einem unkonditionierten Stimulus ( <<Unconditioned Stimulus», US) erklärt die Ent­stehung psychischer Störungen und 2) die Löschung der konditionierten Res­ponse durch alleinige Präsentation des konditionierten Stimulus (zum Beispiel Rosehan & Seligman, 1984) kann als Interventionsmethode bei psychischen Störungen eingesetzt werden. Bei mehrmaliger Präsentation des CS tritt Habitu­ation auf.

Die ursprüngliche Erklärung der Konditioniernngstheorie basierte auf der Tradition der Reflexphysiologie und besagte, dass der ursprünglich neutrale Reiz durch die räumliche und zeitliche Nähe mit dem unkonditionierten Reiz reaktionsauslösende Qualität erwirbt. Die Kontrolle über die Reaktion geht nach dieser Interpretation sozusagen von dem US auf den CS über. Und obwohl das Prinzip der klassischen Konditionierung zur Erklärung und Therapie psychi­scher Störungen breit und mit viel Erfolg eingesetzt wurde, wurde dieses Prinzip der Reflexphysiologie auch kritisiert. So kann es u. a. nicht erklären, warum bestimmte Leute eine Störung nach einem aversiven Erlebnis entwickeln und andere, die das gleiche Erlebnis hatten, gesund bleiben (z.B. Lautch, 1971; Aitken et al„ 1981). Die Verhaltenstherapie begab sich deswegen in den Siebzi­ger- und Achtzigerjahren auf die Suche nach anderen Erklärungsansätzen für klinische Fragenstellungen. Fruchtbare Ergänzungen zu den Lerntheorien kamen unter anderem aus den kognitiven Theorien (z.B. Clark, 1999). Die kognitiven Theorien erklären zum Beispiel wie Störungen aufrechterhalten werden. In den­selben Jahrzehnten wurden aber in der experimentellen Psychologie auch neue Befunde zur Konditionierung gemacht. Leider sind diese neuen Ergebnisse, von denen die klinische Psychologie profitieren könnte, im klinischen Feld noch nicht ausreichend zur Geltung gekommen. Damit bleiben wertvolle Möglich-

keiten ungenutzt. Die kognitiv-verhaltenstherapeutischen Interventionen beru­hen vielfach noch auf den ursprünglichen Auffassungen der klassischen Kondi­tionierung.

Die modernen Lerntheorien, die sich auf neue Ergebnisse der experimentel­len Forschung stützen, vervollkommnen das ursprüngliche Modell der klassi­schen Konditionierung enorm. Die Entwicklungen, von denen die modernen Lerntheorien geprägt sind, erklären die internen Prozesse beim Konditionieren.

In diesem Kapitel möchten wir die Fortschritte der experimentellen Arbeit zu den Lerntheorien in klinisch relevante Implikationen übersetzen. Wir werden dazu zuerst die Befunde in der Lerntheorie zusammenfassen. Die Geschichte der modernen Lerntheorien wird dargestellt. Auch werden einige klinische Beispiele die neuen Erkenntnisse aufzeigen. Schließlich wird das Kapitel mit der Relevanz der modernsten Lerntheorien für die klinische Praxis abgeschlossen.

1. Die Geschichte der klassischen Konditionierung

Die Theorien, die die Konditionierung mit der räumlichen und zeitlichen Nähe des US und CS erklären, richten sich in der radikalen Form nur auf die direkt messbaren Phänomene und unterlassen die möglichen hypothetischen Kon­strukte (Brauch, 1987). Eine Veränderung im beobachtbaren Verhalten zeigt, dass etwas gelernt wurde. Es erklärt aber noch nicht wie das Verhalten gelernt wird. Ebenso bleiben wichtige klinische Fragen unbeantwortet. So kritisieren zum Beispiel die Kliniker erstens, dass viele Patienten sich nicht an ein aversi­ves Ereignis oder Trauma zu Beginn der Symptome erinnern können (Rachman, 1977; Marks, 1969; Emrnelkamp, 1982). Zweitens wird kritisiert, dass nicht alle Leute mit einem schmerzhaften oder traumatischen Erlebnis eine Störung ent­wickeln. Es gibt viele Leute, die keine Zahnarztphobie entwickeln, obwohl sie schmerzhafte Behandlungen beim Zahnarzt erfuhren (Lautch, 1971). Drittens haben die Patienten noch immer Angst vor einer bestimmten Situation, obwohl sie auch neue Erfahrungen mit der gefürchteten Situation gemacht haben, in der sie kein neues aversives Erlebnis hatten (Eysenck, 1979). Die klassische Kondi­tionierungstheorie plädiert dafür, dass die Angst bei wiederholten Erfahrungen ohne aversiven Reiz abnehmen soll. Dies ist aber bei vielen Patienten nicht der Fall. Eine Frau entwickelte nach einem traumatischen Erlebnis (UCS) in der Straßenbahn (CS) eine Straßenbahnphobie (CR), so daß sie nur noch mit extre­mer Angst Straßenbahn fahren konnte. Obwohl sie nach der aversiven Erfah­rung noch einige Male ohne Wiederholung des Traumas mit der Straßenbahn fuhr, nahm die Angst nicht ab. Viertens erklärt das ursprüngliche Modell der klassischen Konditionierungstheorie nicht, warum die Konditionierung bei be­stimmten Stimuli besser klappt als bei anderen. Ängste, zum Beispiel, entstehen einfacher vor Wasser, Höhen, Tieren, etc. als vor Messern, Hammern etc. (Se-

ligman, 1971; Kirkpatrick, 1984). Fünftens stellte sich in einigen Experimenten heraus, dass auch durch Beobachtung gelernt werden kann (Öst & Hugdahl, 1981; Menzies & Clarke, 1993). Schließlich gibt es noch immer sehr wenige Erklärungen dafür, dass auch nach erfolgreicher Löschung, die Beschwerden wieder zurückkommen können. Manchmal zeigen Patienten wieder Angstsymp­tome nachdem die Angst durch in vivo vorgenommene Expositionsübungen abgenommen hatte (siehe Rachman, 1989 für einen Überblick).

Diese offenen Fragen können mit Theorien über die internen Prozesse der Kon­ditionierung beantwortet werden (Rapee, 1991). Diese internen Prozesse wurden mittlerweile auf mehreren Ebenen erforscht. Zum einen wurde deutlich, dass biologisch relevante Stimuli besser konditionierbar sind (Seligman, 1971; Öh­man, 1986). Jedoch sind für die Kliniker die zwei Wichtigsten dieser Ebenen die emotionalen und kognitiven Prozesse, die während der Konditionierung stattfin­den. Im Folgenden möchten wir diese beiden internen Prozesse erläutern.

2. Kognitive Prozesse während der Konditionierung

Tolman legte mit seiner Forschung zu den internen Prozessen der Konditionie­rung bereits 1920 den Grundstein für die Annahme, dass Stimuli intern verar­beitet werden:

«Tue stimuli which are allowed in are not connected by just simple one-to-one switches to the outgoing responses. Rather the incoming impulses are usually ~orked over and elaborated in the central control room into a tentative cognitive­hke map of the environment. And it is this tentatvie map, indicating routes and pathes and environmental relationships, which finally determines what reponses, if any, the animal will finally make» (Tolman, 1948, p. 192).

Tolmans Lerntheorie (1922) beleuchtet die Beziehung zwischen den Stimuli statt die Bindung zwischen dem Stimulus und der Reaktion. Er benutzte als Erster den Begriff Signallernen, in dem ein neuer Stimulus (das Signal) assozi­iert wird mit einem schon signifikanten Stimulus (der Signifikante) durch eine Serie von Paarungen. Diese Umschaltung von Stimulus-Reaktion zu Stimulus­Stimulus-Erklärungen (S-S-Assoziation) machten die Konditionierungstheorien viel kognitiver (Davey, 1987; Eelen, 1982; Hillner, 1979; Martin & Levey, 1985). Es geht bei den S-S-Assoziation nicht mehr um die direkte erlernte Ver­bindung zwischen dem CS und der CR, aber um die Assoziation zwischen dem CS und US. Die Theorie von Tolman ließ aber die Frage, was genau intern zwi­schen den beiden Stimuli passiert, noch unbeantwortet. Rescorla und Wagner machen den darauf nächstfolgenden Schritt, indem sie beschreiben, wie der konditionierte Stimulus die Erwartung des Auftretens des unkonditionierten Stimulus auslöst. Rescorla und Wagner (1972) formulieren die klassische Kon-

ditionierung als das Erlernen von Erwartungen, dass nach einem Komplex von Stimuli bestimmte Ereignisse folgen werden. Die Erwartung des nachfolgenden Ereignisses wird durch den Komplex der Stimuli initiiert. Die S-S-As~oziation beschreibt, dass einem Stimulus ein anderer Stimulus bald folgen wird. Das Individuum lernt aus dem Auftreten von Reizbedingungen die Beziehungen zwischen Ereignissen in seiner Umwelt. Es baut Erwartungen von dem Zusam­menauftreten bestimmter Reize auf. Diese Erwartungen sind veränderbar, in dem die Reize nicht mehr zusammen auftreten.

Diese Beschreibung der CS-US-Assoziation beeinflusste die Theorien der modernen klassischen Konditionierung sehr. Heutzutage spricht man deswegen von Signallernen oder Erwartungslernen; der konditionierte Stimulus (CS) wird im Lernprozess ein valider Prädiktor (Signal) für das Auftreten d~~ unkonditio­nierten Stimulus (US) (Davey, 1987; Dawson & Shell, 1986; Ohman 1986; Hermans et al, 2003). Bei Konfrontation mit dem CS erwartet der Organismus, dass der US und so natürlich auch die unkonditionierte Response (UR) im «Hier-und-Jetzt» auftreten wird. Ein Patient, der unter einer Agoraphobie mit Panikstörung leidet, erwartet bei der Konfrontation mit einem Kaufhaus (CS), dass er zum Beispiel Herzrasen (US) erleben wird. Diese Erwartung löst die Angst (CR) aus. Würde dieser Patient, der Ansicht Rescorlas und Wagners nach, im Zuge einer Expositionstherapie mehrmals in ein Kaufhaus gehen, ohne mit dem Herzrasen konfrontiert zu werden, würde sich die Assoziation zwischen CS und US abschwächen und damit kein UR mehr auslösen.

Mit der Verschiebung von S-R-Assoziation zur S-S-Assoziation wurden die Fra­gen, wie man diese Assoziation abschwächen oder verstärken kann, interessant. Es gibt mittlerweile viele Experimente, die zeigen, dass einige Faktoren einen Einfluss auf die S-S-Assoziation haben können. Davey (1997) fasst die Faktoren in seinem kognitiven Konditionierungsmodell zusammen. Er legt dar, wie nicht nur das wiederholte Zusammenauftreten der CS und US einen Einfluss auf die UR hat, sondern auch viele kognitive Elemente (wie zum Beispiel bestehende Einstellungen zum CS und Informationen zum US) Einfluss auf die UR haben können. Auch erfasst das Modell die Einwirkungen auf die Bewertung der US, die eine sehr wichtige Rolle beim Erwartungslernen spielen. Davey's kognitives Konditionierungsmodell widerlegt viele Kritiken der alten Konditionierungs­theorie mit der Vervollständigung mittels zwei bedeutender Elemente. Er fügte sowohl Einflussfaktoren auf der CS-US-Assoziation als auch kognitive Elemen­te zur US-Bewertung ein. In unserem obengenannten Beispiel würde also das Maß, mit dem der agoraphobische Patient mit Panikstörung erwartet, dass es ihm im Kaufhaus schwindlig wird (Herzklopfen), nach diesem Modell von mehreren kognitiven Faktoren abhängen. Wie der Patient den Schwindel bewer­tet hat ebenfalls Einfluss auf das Erlernen und Verlernen der Angst.

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2.1 Einflussfaktoren auf die CS-US-Kontingenz

Ob jemand bei Konfrontation mit dem CS erwartet, dass der US auftreten wird, wird häufig mit CS-US-Assoziation oder -Kontingenz bezeichnet. Diese Begrif­fe beschreiben die Stärke der Assoziation, der zwischen dem konditionierten und unkonditionierten Reiz besteht.

Die Stärke der Kontingenz wird durch die folgenden kognitiven Faktoren beein­flusst:

• Erfahrung bezüglich der Kontingenz

• Verbal und kulturell übertragene Information über die Kontingenz

• Beobachtungslernen

• Bestehende Einstellung zur Kontingenz

• Vorhersehbarkeit des US

Erfahrung bezüglich der Kontingenz

Je höher die Anzahl der Erfahrungen mit dem gemeinsamen Auftreten vom CS und US ist, desto stärker ist die Assoziation zwischen dem CS und US. Aber auch die Anzahl Erfahrungen von dem nicht gemeinsamen Auftreten vom CS und dem US wirken auf die Stärke der Assoziation ein. Wenn eine Person schon viele Erfahrungen mit einer Situation gesammelt hat, ohne mit einem aversiven Reiz konfrontiert worden zu sein, wird die Chance, dass diese Person die Asso­ziation zwischen dem US und dem CS entwickelt, kleiner. Dies bedeutet, dass sowohl die Anzahl von Zusammenauftreten des CS und des US als auch die Anzahl von nicht Zusammenauftreten des CS und US die Stärke der Assoziation bestimmt. Ein gut erforschtes Phänomen ist die «latent inhibition». Je mehr Er­fahrungen ohne aversives Erlebnis eine Person in der Situation hat, desto schwieriger wird es, eine Assoziation zwischen der Situation und dem aversiven Erlebnis herzustellen (Siddle & Remington, 1987). Ein Fensterputzer, der schon Jahre Fenster von Hochhäusern putzt, wird weniger schnell Angst entwickeln, wenn ihm einmal «weich in den Beinen» wird, als jemand, der zum ersten Mal auf dieser Höhe arbeiten muss und ihm «weich in den Beinen» wird.

2.2 Verbal und kulturell übertragene Information über die Kontingenz

Auch die verbal oder kulturell übermittelten Informationen über die CS-US­Kontingenz spielen eine große Rolle in der klassischen Konditionierung. Nor-

malerweise wird jeder mit Informationen über die Erwartung des Auftretens vom US in einer Situation konfrontiert. Sei es die Kultur, in der man lebt, die vermittelt, dass in bestimmten Situationen ein Trauma auftreten kann oder seien es die Erfahrungen aus Geschichten oder Beobachtungen von anderen. In Kultu­ren mit einer Yin-Yang-Tradition zum Beispiel gibt es Personen mit einer extremen Furcht vor Kälte (Pa-Leng). Die Ärzte sagen nämlich, dass Yin (Kälte) und Yang (Wärme) in jeder Person ausbalanciert sein sollten. Patienten mit Pa­Leng befürchten bei ersten Symptomen von Kälte im Körper, wie zum Beispiel bei einem trockenen Mund, noch mehr Verlust von Körperwärme, was eine Lebensbedrohung sein könnte. Die Leute, die an Pa-Leng leiden, tragen auch bei sehr warmem Wetter mehrere Lagen Kleider übereinander (Tan, 1980).

2.3 Beobachtungslernen

Die Kontingenz zwischen einem CS und US kann auch durch Beobachtungen von anderen in derselben Situation erworben werden. Indem eine Person mehr­mals sieht, wie eine andere Person in einer Situation ängstlich reagiert, lernt diese Person, dass diese Situation offenbar gefährlich ist. Beim Beobachtungs­lernen (Davey, 1997) erwartet jemand, der beobachtete, wie eine andere Person in einer bestimmten Situation ein aversives Erlebnis erfuhr, das gleiche aversive Erlebnis in dieser Situation. Diese Form von Beobachtungslernen kann man sich gut verdeutlichen am Beispiel von Eltern und Kindern. Nachdem ein Kind er­lebt, wie ein Elternteil von einem Hund gebissen wird, entwickelt auch das Kind eine extreme Angst vor Hunden. Das Beobachtungslernen bewirkt den gleichen Mechanismus wie bei direkter Konditionierung. Nur ist beim Beobachtungsler­nen, die ängstliche Reaktion der Modellperson der US, der eine unkonditionierte Reaktion auslöst (UR). Die Situation, in der die Modellperson sich befindet, ist der CS. Diese Situation wird nach einigen Paarungen mit der ängstlichen Mo­dellperson auch eine konditionierte Reaktion auslösen (Mineka & Cook, 1993).

2.4 Bestehende Einstellungen über den CS und seiner Kontingenz

Eine andere wichtige Gruppe von Kognitionen, die die US-Erwartung beeinflus­sen, sind die bestehenden Überzeugungen über den CS und seine Kontingenz mit dem US. Personen, die a priori eine Überzeugung haben, dass bei Stimuli auch häufiger negative Ereignisse stattfinden, sind gefährdeter, die Assoziation zwischen dem Stimulus und dem negativen Ereignis zu lernen. In einem Expe­riment von De Jong (1993a) wurden die Teilnehmer gebeten, sich vorzustellen, an einem Experiment teilzunehmen, in dem Angst relevante Stimuli (wie Bilder von Spinnen und Pistolen) und Angst irrelevante Stimuli (wie Blumen) mit ei-

nem aversiven elektrischen Prickeln, einer Sirene oder mit nichts dargestellt werden sollten. Die Teilnehmer erwarteten, dass der elektrisch Stimulus häufi­ger bei Angst relevanten Stimuli auftreten würde als bei den Angst irrelevanten Stimuli. In einem anderen Experiment von De Jong und Merckelbach (1993b) wurden Angst relevante und irrelevante Stimuli tatsächlich mit einem elektri­schen Prickeln, einer Sirene oder mit nichts gepaart. Nach dem Experiment wurde die Kontingenz des aversiven Stimulus mit den Angst relevanten Stimuli überschätzt. Je höher die Überschätzung der Kontingenz, desto weniger konnte auch gelöscht werden. Was dieses Experiment zeigt, ist, dass eine Einstellung oder eine a priori Erwartung über die Auswirkung eines Ereignisses das Lernen der CS-US-Assoziation beschleunigen kann bzw. die Löschung dieser Verbin­dung erschwert.

2.5 Vorhersehbarkeit des US

Die Vorhersehbark;eit des US beeinflusst auch die US-Erwartung. Wenn eine Person sehr gut vorhersehen kann, in welcher Situation der aversive Reiz auf­tritt, und in welcher Situation nicht, wird sie besser im Vorhersagen des US­Auftretens. Damit wird die US-Erwartung sehr genau und differenziert. Wenn Personen Sicherheitssignale für das Nichtauftreten des Stimulus wahrnehmen , werden sie gut differenzieren können. Diese Sicherheitssignale geben also an, dass die Situation ungefährlich ist. Nimmt eine Person die Sicherheitssignale nicht wahr, dann wird sie die US-Erwartung sehr wahrscheinlich auch auf Situ­ationen generalisieren, in denen der US nicht auftreten wird. In einer Studie zu Konditionierungsunterschieden zwischen Sozial-Phobikern und gesunden Kon­trollprobanden wurde erforscht, ob Sozial-Phobiker und gesunde Kontrollpro­banden gleich gut differenzieren konnten zwischen einem CS, der mit einem Schock angeboten wurde, und einem CS, der ohne einen Schock angeboten wurde. In beiden Gruppen wurden zwei CS gleich häufig mit und ohne Schock angeboten. Es wurde deutlich, dass die Sozial-Phobiker nicht richtig vorhersa­gen konnten, wann der US auftreten würde. Sie nahmen also die Sicherheits­sign~e (das Nichtauftreten des US) nicht wahr. Dadurch generalisierten sich ihre Angste. Sie entwickelten Angst vor dem CS mit dem Schock als auch vor dem CS ohne Schock. Gesunde Kontrollprobanden differenzierten zwischen dem CS, der mit dem Schock gepaart war und dem CS ohne Schock und ent­wickelten dadurch nur Angst vor dem CS mit Schock (Hermann et al., 2002). Das Vermögen, richtig vorherzusehen und differenzieren zu können, macht also die US-Erwartung realistischer. Die Frage, warum zum Beispiel Personen mit einer Sozialphobie die Sicherheitssignale nicht wahrnehmen und die US-Erwar­tung nicht richtig einschätzen, ist aber noch nicht beantwortet.

Wenn man bei einem Patienten die Geschichte der a priori gemachten Erwar­tungen und Kognitionen über die CS-US-Kontingenz nicht miterfassen würde, verlöre man wichtige Informationen über das Zustandekommen der Assoziation. Wenn diese kognitiven Elemente der Erwartung aufgeklärt sind, wird es auch möglich, diese zu ändern. Durch die Abschwächung der S-S-Assoziation verrin­gert sich beispielsweise auch das Maß der CR. Hiermit wird klar, :Vie wic?tig die S-S-Assoziation für die CR ist. Wenn beim Auftreten des CS die US mcht erwartet werden, wird die CR auch nicht auftreten. Eine Veränderung der US­Erwartung könnte in dem Fall schon eine große therapeutische Wirkung haben. Barlow zeigte zum Beispiel, dass Männer mit einer Erektionsstörung in einem Experiment, wo die Erwartung über das Schwellen des Penis durch externe Informationen («diese Pille wirkt fördernd auf ihre Erektion») auch die tatsäch­liche Erregung erhöhte (Barlow, 2002). Dies könnte auch die Wirkung vieler

Placebos erklären.

3. Einflüsse auf die US-Bewertung

Die Konditionierte Reaktion wird neben der Stärke der US-Erwartung auch durch die Bewertung des US beeinflusst. Je unangenehmer oder gefährlicher der US wahrgenommen wird, desto stärker ist die (un)konditionierte Reaktion. Ein-

flussfaktoren auf die US-Bewertung sind:

• Erfahrungen mit dem US nach der Konditionierungsphase

• Verbal oder kulturell übermittelte Informationen über den US

• Grübeln über den US

• Interpretationen von internen Reizen

• Copingstrategien, die den US neutralisieren

• Kontrollierbarkeit des US

3.1 Erfahrungen mit dem US nach der Konditionierungsphase

Die Bewertung des US kann durch Erfahrungen mit dem US modifiziert wer­den. Wie die US-Bewertung die CR beeinflusst, wurde in folgendem Experi­ment erforscht. In diesem Experiment wurde die Aversion des US variiert. In einer Gruppe wurde der US sukzessiv intensiver angeboten. Die andere Gruppe empfing den US sukzessiv weniger intensiv. Die CR nahm in der Gruppe mit Zunahme der US-Intensität zu und in der Gruppe mit der US-Abnahme ab (Hosoba et al„ 2001). Diese Ergebnisse demonstrieren, dass die automatisch

konditionierte Reaktion durch das Maß der Aversion des US beeinflusst werden kann.

Die Erfahrungen mit dem US allein können dessen Repräsentation und somit auch die Stärke der CR ändern. Meistens tritt bei wiederholter Darstellung des isolierten US Habituation auf den US auf. Aber ein Individuum kann auch Er­fahrungen mit dem US haben, in denen der US unangenehmer wird. Dies würde die CR bei einer nächsten Begegnung mit dem CS verstärken.

Ein Beispiel dazu ist: jemand, der beim Zahnarzt unter Betäubung eine Be­handlung erhielt, die ihm nicht so starke Schmerzen machte, wird nur eine schwache Kontingenz zwischen Schmerz und Zahnarzt aufbauen. Wenn er aber nach der Behandlung zu Hause ist und die Schmerzmittel nicht mehr wirken könnte die Kontingenz zwischen Zahnarzt und Schmerz stärker werden, obwohi er nicht mehr beim Zahnarzt ist.

3.2 Verbal und kulturell übertragene Information über den US

Die US-Bewertung wird nicht nur durch eigene Erfahrungen mit dem US be­wirkt. Informationen über den US können die Bewertung natürlich auch verän­dern. Ein Fallbeispiel von Davey und Kollegen (1993) zeigt hervorragend, wie die Bewertung des US die CR bestimmt. Der 29-jährige Bankangestellte M.F. wurde während eines Banküberfalles mit einer Pistole bedroht. Trotzdem konnte er an den folgenden Tagen angstfrei zur Arbeit gehen. Nach zehn Tagen wurde der Bankangestellte von der Polizei interviewt. Während dieses Interviews wurde ihm mitgeteilt, dass er Glück gehabt habe, da der Bankräuber ein gefähr­licher Mann sei, der schon mehrere Leute getötet habe. Von diesem Moment an, kehrte M.F. nicht mehr zu seiner Arbeit zurück und entwickelte eine posttrau­matische Belastungsstörung.

Dieses letzte Beispiel zeigt, wie einfach neue negative Informationen über den US die CR verstärken kann. In der Therapie können Therapeuten versu­chen, dem Patienten eine positivere Einstellung zum US zu vermitteln. Eine 40-jährige Patientin mit einer posttraumatischen Belastungsstörung berichtete von schweren unerwarteten Angstattacken, die für sie extrem bedrohlich und nicht erklärbar waren. Sie entwickelte schließlich starke Angst vor diesen Sympto­men, d. h. bei ihr ist die ursprüngliche UR (Angst, die durch trauma-assoziierte Stimuli bedingt war) zum US geworden. Nachdem sie in der Therapie Informa­tionsblätter zu den Symptomen der PTB bekommen und gelesen hat, nahm die Bedrohlichkeit der Angstsymptome stark ab. Damit stieg das Wohlbefinden der Patientin enorm an. Sie hatte zwar noch Symptome, aber geriet nicht mehr in einen Teufelskreis der Angst. Somit hatte also die Normalisierung ihrer Symp­tome bereits eine große therapeutische Wirkung.

3.3 Interpretation von internen Reizen

Die Gefahreinschätzung des US kann man auch durch Informationen über die automatische Reaktion (UR) ändern. So kann ein Teufelskreis entstehen. Wenn man einer Person erzählt, dass die UR sehr intensiv ist, wird der US aversiver bewertet. In einem Experiment von Davey und Matchett (1996) erhielt eine Gruppe der Teilnehmer das falsche Feedback, dass sie eine sehr starke Körper­reaktion zeigten und einer anderen Gruppe wurde kein falsches Feedback gegeben. Die erste Gruppe mit den falschen Angaben zur UR bewertete den US viel negativer. Wahrscheinlich schrieben diese Teilnehmer die starke Reaktion dem US zu. Je stärker die Reaktion, desto stärker müsste also die Gefahr des US gewesen sein. Mit dieser Überzeugung wird die CR auch wieder stärker, da der US als aversiver erlebt wird. Dann ist der Teufelskreis geschlossen. Beck be­schrieb dies in der kognitiven Theorie zu psychischen Störungen mit der kogni­tiven Verzerrung «emotionale Beweisführung» («ich fühle es, also muss es wahr sein»).

3.4 Grübeln über den US

Davey und Matchett (1994) bestätigten auch die Hypothese, dass das Grübeln über den US in einer ängstlichen Stimmung die Reaktion (CR) auf den CS ver­stärken kann. In zwei Experimenten wurde klar, dass das Grübeln über den US nur bei Personen mit stärkerer Angst (sowohl als Eigenschaft als auch als indu­zierter Zustand) die konditionierte Reaktion ausprägte. Das Grübeln macht die Bewertung des US negativer. Bei einer nächsten Begegnung mit dem CS wird dann der negativer gewordene US repräsentiert, der dann eine stärkere CR aus­lösen wird. Es muss aber noch erforscht werden, ob nicht nur eine ängstliche Stimmung bereits die Reaktion verstärken kann.

3.5 Strategien, um den US zu neutralisieren, und Kontrollierbarkeit des US

Es gibt eine Reihe von Strategien, um unangenehme Erlebnisse weniger aversiv sein zu lassen. So kann zum Beispiel eine Person ihr Erlebnis im Vergleich mit anderen, die noch viel schlimmere Sachen erlebt haben, weniger unangenehm einschätzen (Wills, 1981). Auch Ablenkung (z.B. nicht auf den Schmerz ach­ten) und soziale Unterstützung von anderen können beispielsweise den aversi­ven Reiz neutralisieren (Davey, 1997). Dass es Strategien gibt, die helfen ein aversives Erlebnis weniger traumatisch einzustufen, erklärt, warum nicht alle Leute nach einem aversiven Ereignis eine Störung entwickeln. Vielleicht erklärt dies aber auch, warum unkontrollierbare und unvorhersehbare US mehr Angst

auslösen (Foa & Rothbaum, 1992). Bei kontrollierbaren und vorhersehbaren US kann eine Person sich darauf vorbereiten und entsprechende Copingstrategien aktivieren. Sie kann sich zum Beispiel von dem aversiven Reiz ablenken lassen.

Die kognitiven Einflüsse auf die Konditionierung sind also umfangreich und implizieren eine sehr ausführliche Analyse, damit die Therapeuten sich nicht nur auf das Zusammenauftreten des CS und US berufen müssen. Eine andere wich­tige Implikation aus diesem «Verkognitivten» Konditionierungsmodell kommt aus den kognitiven Repräsentationen des US und des CS. Es wurde nämlich gezeigt, dass auch imaginativ vorgestellte Stimuli konditioniert werden können (z.B. Griffiths et al., 1989; Holzman & Levis, 1991). In entsprechenden Expe­rimenten wurde der CS nur kognitiv vorgestellt und nicht extern angeboten. Die Teilnehmer lösten arithmetische Probleme (zum Beispiel (4 x 2) und (7 + 1)) und jedes Mal, wenn die Antwort «8» war, wurde den Teilnehmern ein aversiver Stimulus angeboten. Bei anderen Lösungen wurde kein US angeboten. Nach 16 Durchgängen, in denen die Antwort «8» mit einem aversiven Stimulus gepaart wurde, löste die Nummer «8», das Wort «acht», achteckige Figuren und 8 Pünktchen eine konditionierte Response aus. Auch der US kann nur in gedank­licher Form auftreten und muss nicht unbedingt extern angeboten werden (Griffith & Davies, 1990). Reiss (1989) zeigte in einem Experiment einen Er­werb stabiler konditionierter kardiovaskulärer Reaktionen über die Kopplung vormals neutraler Reize mit imaginierten aversiven Reizen. Diese Konditionie­rung, in der der CS oder der US gedanklich vorgestellt werden, bringt wiederum die Konditionierungs- und Kognitiven Theorien sehr viel näher aneinander. Die Konditionierung spielt eine Rolle bei Kognitionen, und Kognitionen spielen eine Rolle bei der Konditionierung. Die Distinktion zwischen kognitiver Therapie und Verhaltenstherapie ist unter anderem auch deswegen veraltet (für eine Dis­kussion siehe Rapee, 1991). Bis jetzt wurde noch nicht erforscht, wie diese Repräsentationen genau im Gehirn gespeichert werden.

4. Affektive Prozesse während der Konditionierung

In der letzten Zeit wurde deutlich, dass das kognitive Konzept der Konditionie­rung zusätzlich mit Erkenntnissen aus dem emotionalen Konditionieren kom­plettiert werden müsste. Zuerst werden wir die Erkenntnisse dieser emotionalen Konditionierung zusammenfassen. Danach erklären wir, warum diese Befunde auch für Kliniker interessant sein können.

4.1 Definition evaluativer Konditionierung

In 1975 beschrieben Levey und Martin eine Form des klassischen Lernens, die seitdem als «evaluative Konditionierung» bezeichnet wird. Evaluative Konditio-

nierung («evaluative conditioning», EC) beschreibt eine Übertragung der Valenz von einem Stimulus auf einen anderen (siehe Übersichtsartikel Baeyens, 1998 und Bayens & De Houwer, 1995). Alle Stimuli werden immer auf einem auto­matischen Niveau als angenehm/unangenehm, gut/schlecht, gefährlich/sicher, etc. bewertet. Organismen brauchen diesen Prozess, um entscheiden zu können, ob ein Stimulus nützlich oder schädlich ist (u. a. Martin & Levey, 1978). Es wird angenommen, dass die EC verantwortlich für Veränderungen in den Be­wertungen und Evaluationen eines Stimulus ist. Durch eine wiederholte Paarung von einem neutralen Stimulus (CS) mit einem negativ/positiv bewerteten Sti­mulus (US) verändert sich die Bewertung des neutralen Stimulus in der Rich­tung der Valenz des gepaarten Stimulus. Obwohl EC auch eine Form von klassischer Konditionierung ist, gibt es einige wichtige Unterschiede zum Sig­

nallernen (SL). Bei evaluativer Konditionierung rufen die positiv oder negativ bewerteten

(US) Stimuli keine starken physiologischen Reaktionen aus, was beim Signal­lernen ausdrücklich der Fall ist. Die abhängige Variable ist beim EC deswegen auch keine autonome konditionierte Reaktion (CR), aber eine evaluative CR: die neutralen Stimuli, die mehrfach mit einem negativ evaluierten Stimulus gepaart werden, werden schlussendlich auch negativer beurteilt. Und neutrale Stimuli, die wiederholt gepaart werden mit einem positiv bewerteten Stimulus werden in der Folge positiver bewertet (siehe zum Beispiel Baeyens et al„ 1988b; Fazio & Hilden, 2001; Olson & Fazio, 2002). In der evaluativen Konditionierung spricht man insofern von einem «hedonic shift>>: der CS erhält selber die affektive Qua­lität des US und wird intrinsisch negativ oder positiv (Merckelbach et al., 1994).

Ein zweiter Unterschied zwischen evaluativer Konditionierung und Signal­lernen betrifft die kognitiven Prozesse. So wie erwähnt, erscheint die CR auf einen neutralen Stimulus (CS) nur dann, wenn die Person den CS als Prädiktor einer US wahrnimmt. Bei dem Beispiel des Panikpatienten wird das Kaufhaus ein Prädiktor für Herzrasen: er erwartet, dass das Herzrasen im nächsten Mo­ment eintritt. Der Körper bereitet sich bei Konfrontation mit dem CS schon auf den US vor. Im Gegensatz dazu gibt es bei evaluativer Konditionierung keine unmittelbare US Erwartung. EC ist ein Beispiel von «referential Leaming>> (Baeyens et al., 1992), dass aus der bewussten oder unbewussten Registrierung des gemeinsamen Auftretens von neutralen und bewerteten Ereignissen entsteht. Die kognitive Repräsentation basiert auch hier auf der CS-US-Assoziation, in dem die Aktivierung des CS die Repräsentation des US auslöst, ohne dass die Erwartung, dass der US eintreten wird, ausgelöst wird. Diese Art von Lernen beeinflusst das Verhalten derart, dass sich positiv bewerteten Stimuli angenähert wird und negativ bewerteten Stimuli vermieden werden (Baeyens & De Houwer, 1995). Unser Beispiels-Panikpatient vermeidet somit Kaufhäuser auch deshalb, weil Kaufhäuser selber als negativ oder unangenehm wahrgenommen

werd~~· ~ Abbildung 1 werden die Hauptunterschiede zwischen evaluativer Kond1tJ.omerung und Signallernen deutlich.

CS-US-Paarung Einflüsse der Konditionierung auf den CS

US

{Ulnn)

Signallernen

• Angst vor drohendem Llrm

• Dr• ng die Ratte und da.nur den Lmn zu venne1den

Evaluative Konditionierung

• Rattr hat eme negative Valenz und wrrd als gefährltch emgestuft

• Bedurfrus ~n Kontakt nur der Ratte zu venne1den

Abbildung 1: Die CS-U?-Paarung. kann den CS auf zwei Arten beeinflussen: D.er CS w1_rd zum Signal für den US und/oder der CS bekommt eine negative Valenz.

~a~s evaluati:e Konditionierung auch unbewusst stattfinden kann, wurde in e1~1gen Exp~nrnenten (e.g. Olson & Fazio, 2002; Michael & Vriends, in prepa­ra~1on) deutlich. Olson und Fazio teilten in ihrem Experiment den Teilnehmern ffilt, dass es sich um einen Reaktionstest handelt. Den Teilnehmern wurden dann Durchgän~e mit Bildern auf dem Bildschirm gezeigt. Sie sollten dabei so sc~nell wie. mög!ich reagieren, wenn sie bestimmte Zeichentrickfiguren sahen. Wahrend die Teilnehmer die Bilder am Bildschirm aufmerksam wahrnahmen u~ so schnell wie möglich reagieren zu können, wurden bestimmte ander~ Bilder von. Zeichen~~kf~guren (CS) mit negativen und positiven Stimuli (US) gepa~. Dte. unkond1uoruerten Stimuli waren Bilder (zum Beispiel ein weinen­d~~ ~egskind oder e~ne Mutter mit einem Baby) und Wörter (zum Beispiel «~odhch» oder «beruhigend»). Obwohl die Teilnehmer sich der Akquisition mcht bewusst waren, unterschied sich der CS, der mit dem negativen Stimuli gepaart wurden, hinsichtlich der Valenz von dem, der mit positiven Stimuli ~epaart w~~de: Michael und Vriends (in Vorbereitung) haben bei diesem Expe­nment zusatzhch untersucht, ob auch Angst vor den Bildern mit negativen US e.rworben wurde. Dabei wur~e deutlich, dass die Bilder sich nach der Akquisi­tion auch auf dem Angst-Niveau unterschieden. Das Bild, das mit negativen

Stimuli gepaart wurde, empfanden die Teilnehmer beängstigender, als das Bild,

das mit positiven Stimuli gepaart wurde.

In einem zweiten Experiment von Michael und Vriends (in Vorbereitung) wurde untersucht, ob sich auch abstrakte Stimuli affektiv konditionieren ließen. Diese abstrakten konditionierten Stimuli bestanden aus Tintenklecks-Bildern. Die US waren die selben wie in dem oben beschriebenen Experiment. Nach der Akqui­sition hat sich auch hier die Valenz der CS in die entsprechende Richtung (Richtung der US-Valenz) bewegt. Dies bedeutet, dass auch abstrakte Stimuli auf impliziter Ebene affektive Gefühle aneignen und aktivieren können. Das könnte wiederum erklären, warum Leute in bestimmten Situation ein unbe­stimmtes unangenehmes Gefühl haben und diese Situation lieber verlassen oder sogar vermeiden, obwohl sie meistens nicht genau wissen, woher das unange­nehme Gefühl kam. Da selbst abstrakte Stimuli (wie Licht oder Farben) unbe­wusst konditioniert werden können, können solche also auch verantwortlich sein für anscheinend spontan auftretende unangenehme Gefühle.

Auch mit Bezug auf die Löschung unterscheidet sich das evaluative Lernen vom Signallernen. Beim Signallernen wird die CR schnell verschwinden, wenn die Person mehrmals erlebt, dass dem CS kein US mehr folgt. Evaluative Kon­ditionierung dahingegen ist löschungsresistent. Wenn ein Stimulus negativ konditioniert wurde, dann bleibt diese negative Bewertung vorhanden, obwohl der CS mehrmals in Abwesendheit der US dargeboten wird (siehe zum Beispiel, Baeyens et al, 1988b). Man kann sich also vorstellen, dass der Panikpatient mit Agoraphobie das Beispiel Kaufhaus weiterhin unangenehm findet, auch wenn Kaufhäuser keine Signale mehr für Panikattacken darstellen.

5. Klinische Relevanz der evaluativen Konditionierung

Das evaluative Konditionieren ist aus mehreren Gründen klinisch außerordent­lich relevant. Eine erworbene negative Valenz des CS kann das Erwartungsler­nen vereinfachen. Negative Emotionen, die durch den CS ausgelöst werden, erhöhen die Erwartung, dass diesem CS ein US folgt (Diamond et al., 1995; Davey & Dixon, 1996). Die negativen Emotionen zum CS haben eine positive Auswirkung auf die US-Erwartung und vereinfachen somit das Erlernen der CS­US-Assoziation. Falls Eltern zum Beispiel ihre Kinder immer mit negativen Geschichten (US) über den Zahnarzt (CS) « evaluativ konditionieren», werden diese Kinder vereinfacht Angst beim Zahnarzt entwickeln, da die Kinder höchst­wahrscheinlich schon vor dem Zahnarztbesuch negative Gefühle gegenüber dem Zahnarzt haben. Durch diese Angst beim Zahnarzt könnte dann eine Zahnarzt-

phobie entstehen.

Ebenfalls kann EC parallel zum Signallernen stattfinden. In einer eleganten Studie von Herrnans und Kollegen (2002a) wurden Gesichter (CS) mit einem Elektroschock (US) gepaart. Die Gesichter erwarben während der Akquisition sowohl einen vorhersagenden Charakter (US-Erwartung) als auch eine negative Valenz. Wenn man das auf die klinische Erwerbung von zum Beispiel Angststö­rungen überträgt, würde das bedeuten, dass bei einem aversiven Erlebnis (direkt oder indirekt) in einer Situation sowohl eine konditionierte automatische Reak­tion als auch eine negative Valenz gelernt werden kann. Die Person könnte bei der nächsten Begegnung der Situation Angst und ein unangenehmes Gefühl erleben.

Auch erklärt EC warum nach einer erfolgreichen Therapie im Sinne einer Expositionsübung zur Löschung der konditionierten Reaktion noch immer eine Neigung zur Vermeidung besteht. So geben Patienten mit einer posttrauma­tischen Belastungsstörung (PTB) häufig an, dass sie die Orte, die mit dem Trauma assoziiert werden, nicht mögen und versuchen, sie zu vermeiden, ob­wohl sie nicht denken, dass dort noch einmal etwas Schlimmes passieren würde, oder dass sie dort Intrusionen haben würden (Michael et al., submitted). Zum Beispiel gab eine Person an, dass sie in ihrem Garten überfallen wurde. Sie möchte jetzt keine Zeit mehr in ihrem Garten verbringen. Man könnte anneh­men, dass in diesen Fällen EC einen Beitrag zum Vermeiden und dem nicht mehr Mögen geliefert hat. Das Vermeidungsverhalten erklärt teilweise, warum die meisten PTB-Patienten berichten, dass es für sie unmöglich ist, das Leben wie vorher zu leben. Hermans und Kollegen (2002b) belegte die Löschungsre­sistenz des EC im Vergleich zu SL. Durch eine klassischen Konditionierungs­prozedur (SL-Prozedere) wurde der CS zum Prädiktor des US und erhielt gleichzeitig auch eine negative Valenz. Nach der Löschung verlor der CS seinen Signalcharakter (US-Erwartung), aber die erworbene negative Valenz blieb bestehen. Für Therapie würde das bedeuten, dass eine Konfrontationsübung die erlernte US-Erwartung löschen kann, aber die erworbene negative Valenz nicht zu ändern vermag. Die negative Valenz der Situation kann wiederum ein Auslö­ser für eine neue aversive Konditionierung sein. Die Stärke der erworbenen negativen Valenz bestimmte in einem Experiment von Hermans auch die Stärke der Angstreaktion nach Extinktion bzw. Gegenkonditionierung (Hermans, 2001). Auch Michael bestätigte in einem Experiment, dass die erworbene nega­tive Valenz einen Einfluss auf den Wiedererwerb von Angst hat. Die Teilneh­mer dieses Experimentes wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine Gruppe durchlief nach einer Angst-Akquisitionsphase eine klassische Löschungsproze­dur. Die andere Gruppe erhielt zusätzlich zur Löschung noch eine kognitive Umstrukturierungsaufgabe, mit der auch die negative Valenz des CS modifiziert werden konnte. In einer Re-Akquisitionsphase unterschieden die Gruppen sich darin, dass die Gruppe, in der die Valenz auch modifiziert wurde, weniger Angst und unangenehme Gefühle neu erlernte (Michael et al., submitted).

Die Ergebnisse aus diesen zwei Experimenten implizieren, dass die erworbene negative Valenz mit Gegenkonditionierung und kognitiver Umstrukturierung modifiziert werden kann. Auch ist es sehr wahrscheinlich, dass EC bei vielen anderen psychischen Störungen als Angststörungen eine große Rolle spielt. Es wird angenommen, dass Essvorlieben sich durch EC entwickeln (Davidson & Benoit, 1996). Neues Essen kann zum Beispiel für Kinder attraktiver gemacht werden, indem es mit Freunden oder einer angenehmen Situation assoziiert wird. Auch Selbstwertgefühle, definiert als implizite Einstellung zu sich selbst, können durch EC beeinflusst werden. Dijksterhuis (in press) paarte in einem Experiment das Wort «ich» mit positiven Wörter, wie «lieb» und «Warm». Nach der Akquisition hatten die mit impliziten Messmethoden gemessenen Selbstwertgefühle zugenommen. So können negative Selbstwertgefühle bei depressiven Patienten vielleicht in Zukunft auch zum Teil durch EC gegen­konditioniert werden.

Bei Schlafproblemen bekommt das Bett von langen unangenehmen Wach­perioden eine negative Valenz. Therapeuten müssten diese durch entsprechende Gegenmaßnahmen verändern.

Zusammengefasst gibt es bei den Lernprozessen auf zwei Ebenen wichtige in­terne Prozesse, die wir in der Therapie nicht ignorieren sollten. Als Therapeuten ist es wichtig, die Kognitionen über die US-Erwartung und US-Bewertung und die affektiven Werte des US und CS zu kennen.

6. Wie kann man diese Theorien auf die klinische Praxis übertragen?

Im nächsten Teil gehen wir auf die klinischen Implikationen der modernen Lern­theorien ein.

Die entscheidende Aufgabe für Therapeuten ist es, die Schwierigkeiten des Patienten in einer solchen Form darzustellen, dass er handlungsfähig wird, d. h. dass Indikationsentscheidungen möglich werden (Schulte, 1996). Wenn es ei­nem Therapeuten gelingt, die Bedingungen für die Probleme des Patienten herauszufinden, werden die Lösungen für die Probleme sichtbar. Die Aufgabe für die Therapie wird damit definiert.

Auch therapeutische Standardverfahren (wie z.B. Exposition) erfordern eine spezifische Anpassungen der Vorgaben an den Patienten (Schulte, 1992). Im oben Beschriebenen wurde deutlich, dass die einer Störung zugrundeliegende Lerngeschichte von vielen Bedingungen abhängig ist. Dabei spielen neben der Kontingenz zwischen CS und US viele kognitive und affektive Elemente eine wichtige Rolle.

Um eine Therapie mit auf den einzelnen Patienten zugeschnittenen Aufgaben planen zu können, müssen Therapeuten also einen möglichst umfassenden Ein­blick in die spezifische Lerngeschichte des Patienten haben, in der wahrschein­liche kognitive und affektive Elemente eine wichtige Rolle spielen.

In Tabelle 1 werden die wichtigsten Fragen, die ein Therapeut über die Lern­geschichte des Patienten stellen könnte, zusammengefasst. Mittels diesen Fragen erhält der Therapeut genaue Information, die er schließlich für die Planung von Konfrontationsübungen, kognitiver Umstrukturierung und/oder Gegenkonditio­nierung benutzen kann.

Tabelle 1: Fragen zu Bedingungen der Lernerfahrung

Efngangsfrage E:xplorat1onsh age Welche Lern- 1.1 prozesse unterliegen

Was sind die konditionierten Stimuli (CS) und die unkonditionierten Stimuli US?

1.1a

der Störung?

2 Hat der CS Signal­charakter? Was wird in der Situation erwartet?

1.1 b

1 .2 Wie werden die CS und 1 .2a US repräsentiert? War der ursprüngliche CS oder US imaginativ oder extern?

1.3 Welches wird in der 1.3a Situation (CS) erwartet?

1.4 Was gehört zur 1.4a konditionierten Reaktion?

2.1 Wie wurde die CS-US 2.1 a Kontingenz beeinflusst?

2.1b

2.1c

2.1d

2.1e

Detaillierte Frage Welcher CS gehört zum SL? Welcher US gehört dazu?

Welcher CS gehört zum EC? Welcher US gehört dazu? Sind die CS und/oder US visuell , auditiv etc. gespeichert oder sind sie eher als Kognitionen gespeichert? Ist der US eine dysfunktionale Kognition? Wie groß ist die Uberzeugung, dass der US in der Situation (CS) auftreten wird? Welche Kognitionen, physiologische Reaktionen, Emotionen und Verhaltensweisen werden vom CS ausgelöst? Wie häufig erfuhr der Patient den CS mit dem US gepaart und wie häufig kam der CS alleine vor? Hat der Patient auch Erfahrungen mit dem CS ohne aversives Erlebnis gemacht? Könnte an der CS-US-Kontingenz auch Beobachtungslernen beteiligt sein? Welche Informationen wurden über CS-US-Kontingenz vermittelt (verbal oder kulturell)? Welche Uberzeugungen über die US-Erwartung waren vorher schon aktiv? Wie genau kann der Patient den US vorhersehen? Wie realistisch wird die CS-US-Kontingenz eingeschätzt?

3

2.11 Hat die US-Erwartung sich auf mehrere Stimuli eneralisiert?

2.2 Wie wird der US 2.2a Gibt es vorherige oder nachherige Erfahrungen mit dem

bewertet? allein auftretenden US? Wie hat der Patient diese bewertet?

2.2b Welche Informationen wurden über den US vermittelt (verbal oder kulturell ?

2.2c Wie aversiv wird die CR bewertet und hat diese Bewertung eine Rückwirkung auf die US - Bewer-

tung? „ ?

2.2d Wurde über den US gegrubelt. was ging dem Patient dabei durch den Ko f?

2.2e Welche Copingstrategien wurden zur Neutralisierung des US eingesetzt? Welche . Copingstrategien hat der Patient versucht? Mit welchem Erfol ?

2.2f Wie gut ist der US kontrollierbar?

Welche 3.1 Welche Valenz hatte der

Gefühle es bevor das affektive

werden vom Lernen stattfand?

es ausgelöst?

3.2 Hat die Valenz des CS sich verändert? Wann wurde implizit oder explizit affektiv gelernt?

3.3 Beim expliziten Lernen: Was war der US? Welche Gefühle löst(e) der US aus?

3.4 Fand EC parallel zum SL statt?

3.5 Wurde der Erwartungs-charakter des CS schon gelöst? Veränderte sich damit auch die Valenz oder blieb diese stabil?

Erstens soll man als Therapeut explorieren, inwieweit Lernen für die fStöm;g . D' findet man heraus indem man versucht, den An ang er

bedeutsam ist. ies ' hr Störung präzise zu erfassen: Wann haben Sie die ersten S_Ympto~en ~a ge-

ommen? Wo waren Sie genau? Treten die Symptome unmer m emer be­~timmte~ Situation oder unter bestimmten Bedingungen auf? Solche ~rag~ werden deutlich machen, ob eine relevante Lernerfah~ng vorgelegen at. d' Fall kann der Therapeut zusammen mit dem Patienten den es und US ~e~:: umschreiben. Es ist extrem wichtig, die ~erkm~le des ~S, US und der ~R im Detail zu erfassen. Allerdings ist dies leider mch~ so ~~n~ach. Der es könnte zum Beispiel ein Komplex von Stimuli sein. Es ist moghch, dass der

(z.B. samstags). Diese Bedingungen gehören dann alle zum CS und es hat we­nig Sinn, an einem Tag, an dem das Kaufhaus relativ leer ist, eine Konfronta­tionsübung zu planen. Auch ist es wichtig, die verschiedenen US zu erörtern. Das ist manchmal schwierig, da auch durch Beobachtungslernen gelernt werden kann oder der Patient sich nicht mehr an den US erinnert. In dem Fall sind die Repräsentationen des US und des CS relevant. Eine Patientin hat nach einem Überfall irruner Angst erlebt, wenn sie mit Männern mit schwarzen Haaren kon­frontiert wurd~. Die Haarfarbe Schwarz war für die Patientin schon die Reprä­sentation des Uberfalles.

Wenn alle Merkmale der Stimuli und Response deutlich geworden sind, ist es zudem wichtig, das Signallernen vom emotionalen Lernen zu trennen, so dass man auch die Therapie auf beiden Konstrukte aufbauen kann.

Wenn der CS zum Signal für den US geworden ist, liegt Signallernen vor. Wie aus der Theorie deutlich geworden ist, hängt die CS-US-Assoziation von vielen Bedingungen ab. Es hilft sowohl dem Therapeuten als auch dem Patien­ten diese Einflussfaktoren mitzuerfassen. Die Fragen dazu befinden sich auch in Tabelle 1.

Bei vielen Störungen kann affektive Konditionierung stattgefunden haben· bei Objekten oder Stimuli, die bei den Patienten positive oder negative Emotio~ nen auslösen, lohnt es sich zu schauen, ob dieser Wert durch affektive Konditio­nierung erworben wurde. Wurden dieses Objekt oder diese Stimuli immer in einem affektiv beladenen Kontext gezeigt oder immer mit bestimmten Personen die schon einen affektiven Wert hatten, gepaart? Affektive Konditionierun~ ~ann (muss aber nicht) parallel zu Signallernen stattfinden. So ist es auch mög­lich, dass der CS ein Signal für einen US war, aber diesen Signalcharakter durch Löschung verloren hat. Der Wert des CS kann aber auch nach einer Konfronta­tionsübung noch immer negativ sein. Dies ist wichtig mitzuerfassen.

Die in Tabelle 1 aufgelisteten Fragen dienen zur Anregung, um sich mit den ~edingungen der Lernerfahrungen auseinander zu setzen. Diese Fragen sind msbesondere von Bedeutung, um eine Analyse der Kognitionen, physiologi­schen und emotionalen Reaktionen bei Lernprozessen zu gestatten. Selbstver­ständlich können diese Fragen mit weiteren Fragen ergänzt werden.

Tabelle 1 ist in drei Spalten aufgeteilt. In der linken Spalte stehen die Ein­stiegsfragen. Diese Fragen dienen der Erfassung der unterschiedlichen Lern­prozesse. Die zweite Spalte, vertieft die Fragen der linken Spalte. Eine sehr detaillierte Erfassung der Lernprozesse erreichen Sie mit den Fragen in der rechten Spalte. Sie arbeiten also von links nach rechts und erfassen somit immer die relevanten Lernprozesse und ihre Bedingungen.

Therapieplanung durchgeführt werden kann. Dazu folgen zwei Beispiele. Wenn zum Beispiel nach der Konfrontationsübung der CS noch immer eine

negative Valenz hat, sollte man als Therapeut versuchen, diese auch zu modifi­zieren. Nach mehreren Konfrontationsübungen mit dem agoraphobischen Patienten aus dem Beispiel bekam er kein Herzrasen mehr und erwartete keine Panikattacken mehr. Er konnte wieder in ein Kaufhaus gehen. Allerdings betrat er Kaufhäuser nur, wenn es unbedingt notwendig war, da es noch immer nega­tive Gefühle auslöste. Wie in den oben beschriebenen Theorien aufgezeigt wurde, hat das Kaufhaus wahrscheinlich durch EC eine negative Valenz erwor­ben und eine Gegenkonditionierung könnte hilfreich sein. Als Therapeut könnte man mit dem Patienten noch einige weitere angenehme Sachen im Kaufhaus machen. Zum Beispiel könnte man mit dem Patienten im Kaufbaus Kaffee trin­ken, bummeln gehen oder seinen Lieblingssnack kaufen. Für den Patienten ist es wichtig, das Kaufhaus mit Dingen zu verknüpfen, die einen starken positiven Affekt auslösen.

In einem anderen Fall könnte bei der genauen Exploration der internen Pro­zesse, die während der Konditionierung eine Rolle spiel(t)en, deutlich werden, dass der Patient viel über den US grübelte (siehe Frage 2.2d). Beim Grübeln über den US braucht es über die normalen Expositionsübungen hinaus Inter­ventionen, die das Grübeln stoppen. Der Therapeut sollte dann zum Beispiel mit dem Patienten besprechen, wie das Grübeln gestoppt werden kann und an des­sen Stelle ein positiver innerer Dialog bezüglich des US stehen sollte («der Schwindel ist zwar unangenehm, aber ich werde damit fertig. Ich werde nicht daran sterben.» statt «der Schwindel wird nie mehr aufhören, ich könnte umfal­len etc.»).

Therapeuten sollten in der Therapie die internen Prozesse der Konditionie­rung (wie Kognitionen und Affekt) beleuchten. Damit würde die Therapie deut­lich mehr auf die spezifischen Lernprozesse der Störung ausgerichtet und die Chancen auf einen Therapieerfolg wären wahrscheinlich erhöht.

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Individuelle versus Standardisierte Therapie Erkenntnisse und Neue Fragestellungen

Georg H. Eifert

1. Einführung

Es war ein zunächst unhinterfragtes Mantra in den Gründerjahren der Verhal­tenstherapie, dass Therapieplanung im Einzelfall auf einer individualisierten Problemanalyse und einem daraus abgeleiteten Bedingungsmodell beruhen sollte (Kanfer & Saslow, 1969; Schulte, 1973; Wolpe, 1977). Die Ergebnisse lapgjähriger und sehr gründlicher Forschung der Bochumer Arbeitsgruppe unter der Leitung von Dietrnar Schulte haben deutlich gemacht, dass die ursprünglich von der Verhaltenstherapie fast beschworene Notwendigkeit einer individuellen Verhaltensanalyse und davon abgeleiteten individualisierten Therapieplanung nicht aufrechtzuerhalten ist. In vielen Fällen reicht eine Diagnosestellung zur Planung und Durchführung von Therapie aus. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Diagnose relativ eng definiert ist und empirisch gut abgesicherte Modelle für die Störung vorhanden sind. Ein gutes Beispiel dafür sind Angststö­rungen.

Die Bochumer Forschungsergebnisse haben weiterhin gezeigt, dass die Frage individualisierte versus standardisierte Therapieplanung falsch gestellt ist und eher lauten sollte: Wann ist es vorteilhafter, einem standardisierten empirisch validierten Manual zu folgen und unter welchen Bedingungen sollte ein Thera­peut vom Manual abweichen und auf bestimmte individuelle Gegebenheiten des Patienten eingehen? Eine Serie von ernüchternden und gleichzeitig faszinieren­den Ergebnissen aus Bochum zeigen, dass Therapeuteneinschätzungen weitaus häufiger fehlerhaft sind, als es viele Therapeuten zugeben möchten. Die Folge ist, dass Entscheidungen von Therapeuten, vom Manual abzuweichen und The­rapiemethoden zu verändern, zu schlechteren Ergebnissen führen, als wenn keine Abweichungen oder Anpassungen vorgenommen werden (Schulte, 1991; Schulte & Eifert, 2002; Schulte & Meyer, 2002).

Diese Ergebnisse sollten jedoch nicht dahingehend fehl gedeutet werden, dass es immer richtig ist, wenn Therapeuten sich beständig ans Manual halten. Schulte und Mitarbeiter haben sehr klar die patienten-spezifischen Bedingungen herausgearbeitet, die eine Abweichung vom Manual notwendig machen und die

Joachim Kosfe lder • Johannes Micha lak Silja Vocks • Ulrike Wi llutzki (H rsg.)

Fortschritte der Psychotherapie­forschung

Dr. Joachim Kosfelder, geb. 1964. 1986-1993 Studium der Psychologie in Bochum. 1999 Pro­motion. Seit 1994 Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitseinheit Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Ruhr-Universität Bochum. 2001 -2002 Vertretungsprofessur für Psy­chologie an der Universität Essen.

Dr. Johannes Micha/ak, geb. 1967. 1988-1994 Studium der Psychologie in Bochum. 1999 Pro­motion. Seit 1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter bzw. Assistent an der Arbeitseinheit für Kli­nische Psychologie und Psychotherapie an der Ruhr-Universität Bochum.

Dr. Silja Vocks, geb. 1972. 1992-1997 Studium der Psychologie in Trier. 2000 Promotion. Seit 2001 Wissenschaftliche Mitarbeiterin bzw. Assistentin am Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Ruhr-Universität Bochum.

PD Dr. Ulrike Willutzki, geb. 1957. 1978-1 985 Studium der Psychologie in Bochum und Berlin. 1989 Promotion. 2000 Habilitation. Seit 1986 Wissenschaftliche Mitarbeiterin bzw. (Ober-) Assistentin am Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Ruhr-Universität Bochum.

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