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Klöster und Inschriften Glaubenszeugnisse gestickt, gemalt, gehauen, graviert Beiträge zur Tagung am 30. Oktober 2009 im Kloster Lüne herausgegeben von Christine Wulf, Sabine Wehking, Nikolaus Henkel REICHERT VERLAG WIESBADEN 2010

Klöster und Inschriften - mgh-bibliothek.de · also dieAussagen der zisterziensischen Ordensstaruren+ sind mittlerweile inden Blick genommen worden; einzelne Klöster wurden ebenso

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Klöster und Inschriften

Glaubenszeugnisse gestickt, gemalt, gehauen, graviert

Beiträge zur Tagung am 30. Oktober 2009im Kloster Lüne

herausgegeben von

Christine Wulf, Sabine Wehking, Nikolaus Henkel

REICHERT VERLAG WIESBADEN 2010

Klösterliche Begräbnisformen im Mittelalterund in der frühen Neuzeit

Eine Problemskizze

Von

CHRISTINE MAGIN

Die ewige Ruhe im Kreise einer klösterlichen Gemeinschaft galt während des gesam-ten Mittelalters als erstrebenswertes Ziel, weil eine Bestattung im Kloster demVergessenwerden eines Toten durch Gott und die Nachwelt entgegenwirken konnte.'Grundlegende Bedeutung im Hinblick auf sich entwickelnde und verfestigende For-men des Totengedenkens und der Gebetsverbrüderungen kommt bekanntlich derBenediktinerabtei Cluny und den cluniazensischen Klöstern zu.2 Gebets- undFürbittleistungen (commemoratio) der institutionalisierten und als ewig gedachten geistli-chen Gemeinschaften schienen am ehesten geeignet, das Andenken bzw. die Memoriafür einzelne Personen und ganze Familien dauerhaft zu sichern. Besonders hoheWirksamkeit wurde dabei den Gebeten von Nonnen zugemessen. Auch von den sichim 13. Jahrhundert formierenden Franziskaner- und Dominikanerkonventen ging einehohe Anziehungskraft aus, die oft zu Konkurrenz und Konflikten mit dem örtlichenPfarrklerus führte.

Das Phänomen "Bestattungen im Kloster" berührt nahezu alle Disziplinen und For-schungsgebiete der mittelalterlichen Geschichte und darüber hinaus, neben derMemoria-Forschung allgemein die Ordens-, Kunst-, Architektur- und Liturgie-geschichte sowie die Archäologie. Auch die in den letztenjahren verstärkt im Rahmenvon Ausstellungen, Publikationen und Forschungsprojekten untersuchte Kultur der(mittelalterlichen) Frauenklöster bietet viele Anknüpfungspunkte an das hier

Die bibliografischen Nachweise in den Fußnoten dieser Problemskizze bleiben auf das Notwendigstebzw. Exemplarische beschränkt. Eva Schlotheuber, Münster/Göttingen, danke ich herzlich fur zahl-reiche Anregungen.

2 Vgl. grundsätzlich DITo GERHARDOE.XLE, Memoria als Kultur, in: Memoria als Kultur, hg. vonDEMS.,Göttingen 1995 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instiruts für Geschichte 121), S. 9-78.Zur Bedeutung Clunys für das mittelalterliche Totengedenken vg!. jOACHIMWOl.LASCH,Die mittel-alterliche Lebensform der Verbrüderung, in: Memoria. Der geschichtliche Zeugniswert des liturgi-schen Gedenkens im Mittelalter, hg. von KARL SCHl\UD,JOACHIMWOLLASCH,München 1984(Münstersche Mittelalter-Schriften 48), S. 215-232, hier S. 221-223; zuletzt jÜRGEN BARSCH,Aller-seelen. Studien zu Liturgie und Brauchtum eines Totengedenktages in der abendländischen Kirche,Münster 2004 (Lirurgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen 90), bes. S. 79-95.

130 Christine Magin

interessierende Thema. Ein Überblick über die aktuelle Forschungslage zu Be-gräbnisformen in Klöstern ergibt das folgende Bild:

Bestattung in Zisterzienserklö'stem

Mit den Grabmälern an sich sowie mit der Bestattungs- und Memorialkultur hat mansich vor allem im Hinblick auf die Zisterzienserklöster beschäftigt.' Nicht nur die Be-stattungspraxis, sondern auch die normativen Grundlagen der Bestattung im Kloster,also die Aussagen der zisterziensischen Ordensstaruren+ sind mittlerweile in den Blickgenommen worden; einzelne Klöster wurden ebenso untersucht wie einzelne Fürsten-grablegen oder -grabmäler. Klöster und Konvente anderer Orden sind hingegen sehrviel weniger erforscht.>

Die Zisterzienser haben möglicherweise wegen der architekturgeschichtlichen Bedeu-tung ihrer Klöster besonders viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Quellenmaterialaus den anderen Orden wäre dann zwar ebenfalls vorhanden, aber noch nicht er-schlossen bzw. ausgewertet. Sollte jedoch die "Zisterzienser-Iastige" Forschungslageauf die Quellensituation zurückzuführen sein, stellt sich die Frage, ob in anderen Or-denskirchen und Klöstern außerhalb des Zisterzienserordens generell weniger (dauer-hafte) Grabmäler (mit oder ohne Inschriften) angefertigt wurden. Waren möglicher-weise nur schlichte Grabmäler aus vergänglichem Material, z. B. Holz, üblich, und dieMemoria wurde durch andere Quellen gesichert als durch Inschriften auf Grabmälern,etwa durch auch inschriftlich ausgeführte Anniversarien, durch handschriftliche Nek-rologe oder andere besondere Medien wie Totenrollen? Sollte diese letzte Annahmezutreffen, würden sich Bestattungen im Kloster vor allem durch archäologischeUntersuchungen und schriftliche Quellen belegen lassen, weniger durch Inschriftenauf Grabmälern. Ein allgemeines Phänomen ist schließlich der im Laufe der Zeit ein-getretene Quellenverlust sowohl in allgemein-schriftlicher als auch inschriftlicher Hin-sicht, bedingt etwa durch Umbauten, durch die Auflösung und Säkularisation derKlöster, durch Plünderungen der Archive usw. Dieser Prozess erfasste letztlich alleOrden.

Vg!. zuletzt Sepulturae Cistercienses. Sepulrure, Memoire et Patronage dans les monas teres cisterciensau Moyen Age - Burial, Memorial and Patronage in Medieval Cistercian Monasteries - Grablegen,Memoria und Patronatswesen in mittelalterlichen Zisterzienserklöstem, hg. von JACKIE HALL,CHRJSTINEKRATZKE,Forges-Chimay 2005 (Citeaux. Commentarii Cistercienses 56).Dazu zwei Beiträge in dem in Anm. 3 genannten Sammelband, nämlich JACKIEHAu.,The LegislativeBackground to the Burial of Laity and other Patrons in Cistercian Abbeys, S. 363-372; DIES.,SHELAGHSNEDDON,NADINE SOHR,Table of Legislation (Latin, French, English, German), S. 373-418.Es bleibt abzuwarten, ob die bereits erschienenen bzw. in Bearbeitung befindlichen regionalenKlosterbücher hier Abhilfe schaffen können. Die Durchsicht des Brandenburgischen Klosterbuchsetwa hat gezeigt, dass im Hinblick auf das hier behandelte Thema nur Zufallsfunde möglich sind, weilzu Bestattungen im Kloster jeweils unterschiedliche Kapitel unterschiedlich detaillierte Aussagen ent-halten, die naturgemäß auf viele verschiedene Quellen und Publikationen zurückgreifen. Vg!. Bran-denburgisches Klosterbuch. Handbuch der Klöster, Stifte und Kommenden bis zur Mitte des 16.Jahrhunderts, hg. von HEINZ-DIETER HEIMANN,KLAus NEITMANN,WINFRIEDSCHICHu. a.,2 Bde.,Berlin 2007 (Brandenburgische Historische Studien 14).

Klösterliche Begräbnisformen 131

Bestattung in den übrigen OrdenDem beschriebenen Befund, dass das Bestattungswesen im Zisterzienserorden we-sentlich genauer untersucht worden ist als das in den übrigen Orden, lassen sich zweiweitere Beobachtungen an die Seite stellen: Zum einen gibt es zu den frühneuzeitli-chen bzw. nachreformatorischen Bestattungen in Klöstern kaum Literatur.s Hier voneinem Forschungsstand zu sprechen, ist daher eigentlich nicht möglich. Zum anderenliegen zu den Klöstern im Süd(west)en des Reiches deutlich mehr Publikationen vorals zu den übrigen Regionen. Im Folgenden sollen auch die übrigen Orden in denBlick genommen7 und verschiedene Aspekte wenigstens kurz angerissen werden, diefür das hier interessierende Phänomen eine Rolle spielen. Der zeitliche Schwerpunktwird auf dem späten Mittelalter liegen, der regionale Fokus auf Inschriften ausKlöstern des heutigen Bundeslandes Mecklenburg- Vorpommern.

Rechtliche und theologischeGnmdlagenMögliche Parameter, die sich teilweise überschneiden, für die Beschreibung des Phä-nomens "Bestattungen im Kloster" sind zunächst auf einer Art Metaebene die rechtli-chen und theologischen Grundlagen, also der Glaube an die Wirkung von Messen undGebeten für die Verstorbenen, später die Vorstellung, dass möglichst alle Kirchenbe-sucher durch ihre Gebete für Tote deren Zeit im Fegefeuer verkürzen können.f Diezisterziensischen Generalkapitel setzen sich seit dem späten 12. Jahrhundert damitauseinander, wo in einem Kloster regierende Fürsten und deren Angehörige sowiePrälaten und Gönner bestattet werden sollten: in der Kirche, im Kapitelsaal, imKreuzgang oder auf dem Friedhof. Für diesen Orden sind die Generalstatuten alsneue Form normativer Schriftlichkeit daher besonders ergiebige Quellen.

OrdensiflgehängkeitSelbstverständlich spielt die Ordenszugehörigkeit eine entscheidende Rolle: Haben wires mit einem Benediktiner- oder einem Zisterzienserkloster, einem Prämonstratenser-stift, mit einem Bettelordenskonvent (Franziskaner, Dominikaner, Augustinereremi-ten) oder mit Regularkanonikern (Augustinerchorherren) bzw. Hospital- oder Ritter-orden zu tun? Sprechen wir des Weiteren über ein Männer- oder ein Frauenkloster?Beispielsweise werden in Kartäuserklöstern bis heute nur anonyme Holzkreuze fürBestattungen im Kreuzgang-Innenhof errichtet, Grabinschriften sind hier also nichtzu erwarten (Abb. 61). Bekannt ist, dass die Klosteranlagen und Kirchen der städti-schen Bettelordenskonvente, obwohl sie sich anfangs dagegen sträubten, schnell be-liebte Bestattungsorte wurden. Die Kirchen mussten architektonisch erweitert undfunktional ausdifferenziert werden, um diese Nachfrage befriedigen zu können, zumalsolche Grabstätten - neben Stiftungen von Geld, Land und Ausstattungsstücken -

6 Eine Ausnahme ist HELFRIED VALENTINITSCH, Das Franziskanerkloster in Graz als Begräbnisstättevom 15. bis zum 19. Jahrhundert, in:Historisches Jahrbuch der Stadt Graz 3,1970, S. 43-74.Nicht berücksichtigt werden in dieser Problemskizze die Kanoniker- und Kanonissenstifte.

8 Vg!. SEBASTIANScHOLZ, Das Grab in der Kirche. Zu seinen theologischen und rechtlichenHintergründen in Spätantike und Frühmittelalter, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsge-schichte, Kanonistische Abteilung 115, 1998, S. 270-306.

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wichtige Einnahmequellen für die Brüder und Schwestern darstellten.? SowohlFürstenfamilien als auch führende Familien in Stadt und Umland'? sowie verschiedeneBruderschaften!' sind im Umkreis der Konvente greifbar. Zu fragen ist, ob solcheVerbindungen auch zu Bestattungen von einzelnen oder mehreren Familienangehöri-gen bzw. von Bruderschaftsmitgliedern geführt haben und inwiefern die für diesePersonen und Korporationen angefertigten Inschriften überliefert sind.

Bestattungsorte

Auf die verschiedenen Bestattungsorte im Kloster ist bereits kurz hingewiesen wor-den. In der Klosterkirche war der Chor bzw. die Vierung der prominenteste Ort unddaher oft den Stiftern bzw. Stifterfamilien vorbehalten. Daneben wurde auch in Sei-ten- und Grabkapellen sowie in Grüften bestattet. Weitere infrage kommendeKlostergebäude und -bereiche sind der Kapitelsaal, die Kreuzgangflügel, der Kreuz-gang-Innenhof und der Friedhof, der sich oft nord- oder südöstlich der Klosterkir-chen befand und auch die Konventsmitglieder aufnahm. Die grundsätzlich zu klä-rende Frage ist zunächst immer, ob der heutige Standort eines Grabmals auch derursprüngliche ist.

Bestattete Personenkreise

Unter den im Kloster bestatteten Personenkreisen lassen sich verschiedene Gruppenunterscheiden. Unter den Klosterangehörigen und -insassen sind einfache Möncheund Nonnen ausnehmend selten nachweisbar. Für beide Geschlechter gibt es aller-dings von diesem Befund abweichende Sonderfalle.l- Die Regensburger Franziskanererwarben das Recht zu bestatten vielleicht erst anlässlich des Todes ihres prominentenBruders Berthold von Regensburg, der später wie ein Heiliger verehrt wurde. Die In-schrift auf Bertholds erhaltener Grabplatte'> ist schlicht:

Dazu ROLANDPIEPER, Die Kirchen der Bettelorden in Westfalen. Baukunst im Spannungsfeld zwi-schen Landespolitik, Stadt und Orden im 13. und frühen 14. jahrhundert, Wed 1993 (Franziska-nische Forschungen 39), S. 226-230.

10 Zusammenfassende Beobachtungen zu Bestattungen in Franziskanerkonventen mit Schwerpunkt aufder nord- und nordostdeutschen Ordensprovinz Saxonia bei CHRlSTIANLoEFKE, Das Totenbuch(Uber mortllorum) der Franziskaner in Mühlhausen, in: Franziskaner in Thüringen. Für Gott und dieWelt. Text- und Katalogband zur Ausstellung in den Mühlhäuser Museen vom 29. März bis 31. Ok-tober 2008, hg. von THOMASF. MüllER, BERNDSCJ-L\IIES,CHRlSTIANLoEFKE unter Mitarbeit vonjÜRGEN WERlNHARD EINHORN, Paderbom/München/Wien/Zürich 2008 (Mühlhäuser Museen,Forschungen und Studien 1), S. 77-83; S. 289 Nr. 19; auch jÜRGEN WERlNHARDEINHORN, DieKunst der Franziskaner in Thüringen, in: ebd., S. 173-189, speziell S. 183-185 zu Bestattungen undGrabmälern. Zu den Verhältnissen in einzelnen Städten, auch mit besonderem Bezug zum VerhältnisPfarrkirchen vs. Bettelordensklöster als Empfänger von Stiftungen bzw. Bestattungsorte, liegen zahl-reiche Einzeluntersuchungen vor.

11 Dazu KIRSTEN SCHMIES,Bruderschaften an Franziskanerklöstern und -kirchen in Thüringen, in:Franziskaner in Thüringen (wie Anm. 10), S. 84-91, bes. S. 85.

12 Zu den Grabplatten für Äbtissinnen und Nonnen des Zisterzienserinnenklosters SI. Johannis inLübeck s. u., S. 133. Vgl. auch den Beitrag von WOLFGANGERICWAGNER zu den Grabplatten furNonnen des Zisterzienserinnenklosters Heilig Kreuz (Rostock) in diesem Band.

13 DI 40 (Stadt Regensburg I), Nr. 1 mit Abb. 1.

Klösterliche Begräbnisformen 133

+ ANNO· / D(OMI)NI . M . CC . LXXII . XVIIlI· K(A)L(E)N(DAS) .IAN(UARII)· OB(II1) / [BERTHOLDUS / PRAE]DICATOR·ORDINIS· FR(ATRU)M ·1fiNOR/UM·

Dt.: Im Jahr des Herrn 1272 am 19. Tag vor den Kalenden des Januar (14. Dezember)starb Berthold, Prediger vom Orden der Minderbrüder.

Der wohl 1415 verstorbene Dominikanerpater Heinrich, dessen Grabplatte vor weni-gen Jahren in Stralsund gefunden wurde, könnte ebenfalls zur Prominenz seines Kon-vents gehört haben, auch wenn die nur unvollständig erhaltene Inschrift in gotischerMinuskel dies nicht (oder nicht mehr) erkennen lässt (Abb. 62).14

hie iac(et) reuere(n)d(us) / p(ate)r frat(er) hinricus lucü dis]- - -] / [- - -] /[- - - m] cccc xv vixit a(u)t(em) a(n)n[os ..]

Dt.: Hier liegt der ehrwürdige Pater Bruder Heinrich Lucü(?) C.•. ) 1415. Er lebte C.. )Jahre.

Ein Überblick über die Ordensangehörigen, die im Mainzer Dominikanerkloster einGrabmal erhielten, bestätigt die Vermutung, dass prominente Würdenträger wieWeihbischöfe, Inquisitoren, Gelehrte usw. bevorzugt behandelt wurden.P In einzel-nen Klöstern und Konventen wurden offenbar auch Angehörige anderer Gemein-schaften bestattet, so etwa Beginen aus Sobernheim im ZisterzienserklosterDisibodenberg und zahlreiche Klarissen bei den Regensburger Franziskanern." Wiehäufig dies allerdings vorkam und welche Beziehungen jeweils zwischen beiden Ge-meinschaften bestanden, ist jeweils zu untersuchen. Dass auch Mönche in Nonnen-klöstern begraben werden konnten, zeigt das Beispiel der Beichtväter des mecklenbur-gischen Benediktinerinnenklosters Dobbertin (s. u.).

Wendet man sich dem monastischen "Führungspersonal" zu, also Äbten, Äbtissinnen,Prioren etc., ist zu fragen, welche Regeln für diese Kreise galten. Die Guardiane imFranziskanerkonvent Regensburg beispielsweise erhielten Grabmäler mit Inschriften.Speziell aus Zisterzienserklöstern sind zwar zahlreiche Reihen von Abtsgrabplattenbekannt;11 bei den zu Beginn des 19. Jahrhunderts verkauften Grabplatten fürÄbtissinnen des Zisterzienserinnenklosters St. Johannis in Lübeck sowie für fünfNonnen, die inschriftlich als nonna bezeichnet werden, scheint es sich dagegen um

14 Die Inschrift ist nicht publiziert, die Stralsunder Inschriften werden gegenwärtig für eine Publikationin der Reihe "Die Deutschen Inschriften" bearbeitet von Christine Magin.

15 Vg!. DJ 2 (Mainz), zusammenfassend S. [48].16 Zum Kloster Disibodenberg vg!. DJ 34 (Bad Kreuznach), S. XVII, dazu die Nr. 33,40,49. Vg!. auch

den Beitrag von EBERHARD J. NIKITSCHin diesem Band. Zu Regensburg vg!. DJ 40 (Stadt Regens-burg I), S. XIV; möglicherweise auch die Grabplatte Nr. 97, wenngleich die Diskrepanz zwischendem kopial überlieferten, inschriftlich genannten Sterbejahr 1299 und der Identifizierung mit einer1455 oder später verstorbenen Äbtissin der Klarissen nicht aufgelöst wird.

17 Vg!. etwa ANNEUESE SEEUGER-ZEISS, Alpirsbacher Abtsgrabmäler und ihr Stellenwert für dieGeschichte des mittelalterlichen Grabmals, in: Schwäbische Heimat 49, 1998, S. 423-432.

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Sonderfälle zu handeln." Waren Äbtissinnen adeliger oder fürstlicher Herkunft, wurdeihnen nicht selten ein dauerhaftes Grabmal gesetzt, so etwa der 1473 verstorbenenpommerschen Herzogstochter Elisabeth in Bergen (Rügen):19

Anno d(omi)ni / m cccc . lxxiii . fe(r)ia . q(ua)rta . post : iudica . obiit /Jllust(ri)s . p(ri)nceps / et . do(min)a . d(OIru)na . Elisabet . abbatissa i(n)berg(en) ora p(ro) ea

Dt.: Im Jahr des Herrn 1473 am Mittwoch nach Judica (7. April) starb die erlauchteFürstin und Herrin Frau Elisabeth, Äbtissin in Bergen. Bete fUr sie.

Für die 1586 verstorbene mecklenburgische Prinzessin Ursula, letzte Äbtissin desKlarissenklosters Ribnitz, wurde ein aufwändiges Wandgrab mit einem fiirstlichenStammbaum und hochdeutschen Inschriften errichtet, das sicher nicht mehr mit demfranziskanischen Armutsideal, wohl aber mit fürstlicher Selbstdarstellung in Einklangzu bringen ist (Abb. 63).20 Konnten also Standesdenken und Repräsentationsbedürfnisder Herkunftsfamilie Ordensregeln gegebenenfalls außer Kraft setzen? Natürlich hat-ten auch die Klöster ein Interesse daran, spezielle Beziehungen zu Fürstenhäuserndurch Grabmäler für deren Angehörige augenfällig zu dokumentieren, seien sie nunKlostermitglieder oder "assozüerte" Außenstehende (vgl. unten).

Im weiteren Umkreis der Klöster lassen sich laikale Verwandte von Mönchen undNonnen sowie geistliche und weltliche Funktionsträger belegen, im Benediktinerin-nenkloster Dobbertin etwa zwei Beichtväter (Abb. 64),21 im ZisterzienserklosterDargun südwestlich von Greifswald ein 1390 ermordeter VOgt.22

An(n)o . d(omi)ni . MO/ ccc . 1xxxvii f(er)ia . (secund)a . p(ost) .q(uas)im(od)oge(n)iti / o(büt) . dQ(minus) . b(er)nard(us) / holle :co(n)fessor' d(omi)nar(um) i(n) dob[(er)]tyn or(ate) p(ro) eo

18 Dr. Manfred Schneider, Hansestadt Lübeck, Fachbereich Kultur, Archäologie und Denkmalpflege,Abteilung Archäologie, ist für Auskünfte zu den Grabplatten des St. Johannisklosters zu danken. DieInschriften des ausgehenden 13. bis späten 16. Jahrhundetts werden wiedergegeben bei FRIEDRICH'rECHEN, Die Grabsteine der Lübeckischen Kirchen, in: Zeitschrift des Vereins für LübeckischeGeschichte und Altetthumskunde 8 (H. 2), 1900, S. 116-121. Die 1928 aktuellen Standorte von zweiÄbtissinnengrabplatten werden genannt in: Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und HansestadtLübeck 4: Die Klöster. Die kleineren Gotteshäuser der Stadt (...), bearb, von JOHANNESBALTlER,FRIEDRICHBRUNS,HuGO RATHGENS,Lübeck 1928, S. 30.

19 DJ 55 (Rügen), Nr. 38 mit Abb. 25.20 Vg!. FRIEDRICHSCHUE, Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Grossherzogthums Mecklen-

burg-Schwerin,5 Bde., Schwerin 1896-1902, hier Bd. 1, Abb. vor S. 353, Sterbeinschrift S. 353f.21 Vg!. dazu CHRISTINEMAGlN, JÜRGEN HEROlD, MARION GRETHER, Die Inschriften auf den

Grabplatten im Kloster Dobbertin (un Druck, erscheint in einem Sarrunelband der Reihe Baukunstund Denkmalpflege in Mecklenburg-Votpommern, hg. vom Landesamt fUr Kultur und Denkmal-pflege, Schwerin), Nr. 2, auch Nr. 5.

22 Die Inschriften des Klosters Dargun waren Thema der Staatsexamensarbeit von Manja Olschowski,Mittelalterliche Memoria am Beispiel des Zisterzienserklosters Dargun, angefertigt 2008 am Histo-rischen Institut der Emst-Moritz-Amdt-Universität Greifswald bei Pro£ Dr. Karl-Heinz Spieß. DieArbeit ist einzusehen in der Greifswalder Inschriften-Arbeitsstelle, die Veröffentlichung als Aufsatzist geplant.

Klösterliche Begräbnisformen 135

Dt.: Im Jahr des Herrn 1387 am Montag nach (dem Sonntag) Quasimodogeniti (15.April) starb Herr Bernhard Holle, Beichtvater der Frauen in Dobbertin. Betet für ihn.

A(nn)o . do(min)i MO . ccc? / xc? . i(n) die . p(ro)thy . (et) iaci(n)cti .occis(us) . fuit frat(er) / hartwic(us) ad/vo(ca)t(us) . in d.arghu(n) .labo(r)ios(us) . fidel(is) benig(nus) . ad Q(mn)~s / / or(ate) p(ro) eo

Dt.: Im Jahr des Herrn 1390 am Tag (der Heiligen) Protus und Jacinctus (11. Septem-ber) wurde Bruder Hartwig, beflissener und treuer Vogt in Oargun, getötet, der zuallen gütig war. Betet fiir ihn.

Geistliche und weltliche Gründer und Stifter sollen versuchsweise unter dem Begriff"assoziierte Außenstehende" zusammengefasst werden. Zu diesen Personenkreisenund ihren Grabmälern in einzelnen Klöstem-' liegen zahlreiche Studien auch ausepigrafischer Perspektive vor. Wenn Fürstenfamilien und Herrscherdynastien inKlöstern nachweisbar sind, kann es sich um ein Einzelgrab oder eine ganze Familien-reihe handeln. Im Falle eines Hausklosters kann das monastische "Führungspersonal"aus Mitgliedern der Fürstenfamilien bestehen, doch scheint dies nur für Frauenklösterzu gelten.>

Auch nichtfürstliche und nichtadelige \Vohltäter wurden im Kloster bestattet, etwader nach 1371 verstorbene Mühlenbauer Hinrik Glove, der den Dobbertiner Bene-diktinerinnen ein Grundstück übertragen hatte und dafür eine Grabplatte mit einerniederdeutschen Versinschrift erhielt, die allerdings seine Schenkung nicht erwähnt(Abb.65).

hir . licht . broder / hinric . gloue .va(n) . dobertyn : en : meysjer . mole(n) / to buwe(n) .got : vn(de) . / vze . leue . vruwe .late· zine . zele . raste(n) . vn(de) . rouwe(n)

Auf einer Grabtafel des Jahres 1326 im Regensburger Minoritenkloster wird jemandspeziell als amicus fratno» bezeichnet.P Kommt es im Hinblick auf im Kloster bestat-tete Wohltäter im Laufe des 14. und 15.Jahrhunderts zu einer Erweiterung des Perso-nenkreises?

23 Dazu CHRISTINESAUER, Fundatio et Memoria. Stifter und Klostergründer im Bild 1100 bis 1350,Göttingen 1993 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts fiir Geschichte 109), S. 89-213: Kap. 4"Gräber von Stiftern und Grabmäler für Stifter: Bedeutungen und Funktionen". - Speziell ausepigrafischer Perspektive liegen zahlreiche Einzelstudien von Renate Neumüllers-Klauser, ehemalsForschungsstelle Inschriften der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, zu Stiftergrabmälernund -rnernoria in Klöstern aus dem Südwesten des Reiches vor. Diese Publikationen sind mithilfe derAutorenregister in den folgenden Literaturberichten zu ermitteln: WALTERKOCH u. a., Literarurbe-richt zur mittelalterlichen und neuzeitlichen Epigraphik, bisher 4 Bde. (1976-1984, 1985-1991, 1992-1997, 1998-2002), München 1987-2005 (Monumenta Germaniae Historica, Hilfsmittel 11, 14, 19,22).

24 Nachgeborene Fürstensöhne übernahmen offensichtlich so gut wie nie Führungspositionen in Klö-stern und Konventen, sondern wurden weltgeistliehe Würdenträger, also Bischöfe, Domherren etc.

25 DI40 (Stadt Regensburg 1), Nr. 39.

136 Christine Magin

1)pologie der Grabmäler und Grabinschriften

Wendet man sich den überlieferten Grabmälern und Grabinschriften zu, sind ver-schiedene Arten und Formen zu unterscheiden: zunächst individuelle oder anonymeGrabmäler, solche mit oder ohne Inschrift(en). Welche Bedeutung hat in diesemZusammenhang der monastische Demutsgedanke? Galt besonders für die Möncheund Nonnen, dass die Memoria durch das organisierte Gebetsgedenken ohnehin gesi-chert war, ein dauerhaftes Grabmal also "weniger dringlich"? An Formen lassen sichdie wohl adeligen Klostergründern vorbehaltenen Tumben nennen, ferner Wandni-schengtäber, Grabplatten, Epitaphien, Sarkophage u. a. m. Zu achten ist auch aufPersonendarstellungen, Attribute und Ornamente, etwa Insignien (Abts- bzw.Äbrissinnenstab, ein Buch als Attribut von Ordensleuten, Geistlichen und Gelehrtenetc.), ein Kirchenmodell bei Stiftern, Wappen, Stammbäume, stilisierte Nonnenkro-nen, Gebetsketten usw.

Die Inschriften können in lateinischer und deutscher Sprache, in Vers oder Prosaverfasst sein. Seit wann, in welcher Region bzw. in welchem Orden und für welchePersonen gibt es deutschsprachige Grabinschriften? Natürlich interessiert auch, ob beiNicht-Klosterangehörigen die Beziehung zum Kloster thematisiert wird.

Entstehungszusammenhänge: äußere Einflüsse, geistige und politische Entwicklungen

Über die verschiedenen materiellen und dinglichen Aspekte einzelner Grabmälerhinaus sind ihre Entstehungskontexte ungemein vielfältig und können grob differen-ziert werden nach äußeren Einflüssen und geistigen und politischen Entwicklungen.Haben Umbauten in Kirche und Kloster zu Umsetzungen oder Erneuerungen ge-führt? Haben Nachfahren darauf hingewirkt, dass ihre Familienmitglieder an einemhöherwertigen Platz bestattet werden? Weiter wäre etwa zu fragen nach der zuneh-menden Bedeutung des Gebetes für das Heil der Seelen Verstorbener, nach der seitdem späten 14. Jahrhundert wiederbelebten monastischen Stiftermemoria, nach Aus-wirkungen der Ordensreformen des 15. Jahrhunderts und - natürlich - nach Einflüs-sen reformatorischer Vorstellungen auch in katholischen Gebieten. War der Anlass fürdie Neuanfertigung oder das Setzen eines Grabmals eventuell ein Streit um Herr-schaftsrechte, Besitzungen und Einkünfte? Dann wäre das Anbringen und Aufstellenvon Grabmälern als das Besetzen eines virtuellen Raums zwischen Recht undMemoria zu verstehen. So wurde etwa in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts fürein pommersches Herzogspaar des 12. Jahrhunderts von den Angehörigen desPrämonstratenserstifts Grobe (Insel Usedom) eine Grab- oder Gedächtnisplatte ange-fertigt, die das erneute Interesse der Ordensleute an ihren Stiftern und an der rechtli-chen und materiellen Sicherung ihrer Stiftung belegt.26

26 Vg!. OUVER AUGE, Zwischen Innovation und Tradition - Epigraphische Zeugnisse fiirstlicherSelbstdarstellung in Mecklenburg und Pommern im 16. Jahrhundert nebst einem Exkurs zu Alter undEntstehungshintergrund des sogenannten Ratiborsteins in der Usedomer Marienkirche, in: Traditio-nen, Zäsuren, Umbrüche. Inschriften des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit im historischenKontext. Vorträge der 11. Internationalen Fachtagung für Epigraphik, Greifswald 9. bis 12. Mai 2007,

Klösterliche Begräbnisformen 137

[Centum cum mille et quinquaginta quoque] / [quinque]Ratibor[u]s [dux egregius fuit hie tum]ulatus :C[um] co(n)sorte sua / [simili] votis pribislaua :Qui dux / slauo(rum) : fue(r)atq(ue) levticio(rum)Hic: fidei [pr]i(m)us [fautor non actibus imus]

Dt.: Man zählte das Jahr 1155 (hundert mit tausend fünfzig und fünf), als der hervor-ragende Herzog Ratibor hier mit seiner Ehefrau Pribislava begraben wurde, gleich imBekenntnis. Er war Herzog der Slawen und der Leutizen gewesen, der erste Fördererdes Glaubens, an Taten nicht der Letzte.

In einigen ähnlich gelagerten Fällen wurden historisierende Formen in Schrift undBild gewählt, die zu einer Aura der Anciennität und Ehrwürdigkeit eines Grabmalsbeitragen sollten.27

Weiten' Quellen ~m klösterlichen Begräbniswesen

Weitere Medien und Quellen zu Begrabensein im Kloster können schriftlicher Artsein, Nekrologe.s" Totenrollen-? und andere Memorialbücher.v ferner liturgische

hg. von CHRISTINEMAGIN, ULRICHSCHINDEL,CHRISTINEWULF, Wiesbaden 2008, S. 55-75, hier. S.69-72.

27 Vg!. speziell zum Aspekt der Archaisierung von Schriftformen RENATE NEUMÜllERS-KLAUSER,Stifter - Schirmer - Mönche. Mittelalterliche Inschriften im Kloster Herrenalb, in: 850 Jahre KlosterHerrenalb. Auf Spurensuche nach den Zisterziensern, hg. von PETER RÜCKERT, HANSMARTINSCHWARZJ.WER,Stuttgart 2001 (Oberrheinische Studien 19), S. 61-74, bes. S. 70f.; auch WALTERKOCH, Memoriengräber. Darstellung - Text - Schrift, in: Epigraphie et Iconographie. Acres duColloque tenu a Poitiers les 5-8 octobre 1995, hg. von ROBERTFAVREAU,Poitiers 1996 (CivilisationMedievale 2), S. 125-142, mit süddeutschen und österreichischen Beispielen. Allgemein zum ThemaKLAusGRAF, Retrospektive Tendenzen in der bildenden Kunst vom 14. bis zum beginnenden 16.Jahrhundert. Kritische Überlegungen aus der Perspektive des Historikers, in: Mundus in imagine. Bil-dersprache und Lebenswelten im Mittelalter. Festgabe für Klaus Schreiner, hg. von ANDREALöTHER,ULRICHMEIER, NORBERTSCHNITZLERu. a., München, Paderborn 1996, S. 389-420. Mit Anlässenund Hintergründen für historisierende Grabmal- und Schriftformen befassten sich auch einige Bei-träge der 12. Internationalen Fachtagung für mittelalterliche und neuzeitliche Epigraphik, "Inschrif-ten zwischen Realität und Fiktion. Vom Umgang mit vergangenen Formen und Ideen", Mainz, 5.-8.Mai 2010. Der Tagungsband wird herausgegeben von RÜDIGERFUCHS.

28 LoEFKE, Totenbuch (wie Anm. 11), hier S. 78, geht davon aus, dass für das Gebiet der franziskani-sehen Provinz Saxonia nur etwa 6 % aller mittelalterlichen Totenbücher erhalten sind.

29 Vg!. GABRIELASIGNORI,Totenrotel und andere Medien klösterlicher memoria im Austausch mischenspätmittelalterlichen Frauenklöstern und Stiften, in: Nonnen, Kanonissen und Mystikerinnen. Religi-öse Frauengemeinschaften in Süddeutschland. Beiträge zur interdisziplinären Tagung vom 21. bis 23.September 2005 in Frauenchiemsee, hg. von EVASCHLOTHEUBER,HELMUTFLACHENECKER,INGRIDGARDIll, Göttingen 2008 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 235, Studienzur Germania Sacra 31), S. 281-296.

30 Vg!. etwa zwei Beispiele in: Krone und Schleier. Kunst aus mittelalterlichen Frauenklöstern. Katalogder Ausstellung im Ruhrlandmuseum in Essen und in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundes-republik Deutschland in Bonn vom 19.03. bis 03.07.2005, München/Bonn/Essen 2005, Mün-chen/Bonn/Essen 2005, Nr. 422f. S. 483f.

138 Christine Magin

Quellen etwa zu Grabbräuchen." zur Gestaltung von Anniversarfeiern usw.; auchbildliehe Darstellungen, etwa von Prozessionen auf den Grabmälern selbst, und Ge-bäude- oder Friedhofsgrundrisse mit eingezeichneten Begräbnisstellen. Archäologi-sche Befunde können Bestattungen an sich und Reste hölzerner Grababdeckungenbelegen.P Grabkreuze aus Holz werden auch in literarischen Texten genannt.P

Schließlich könnten auch Aspekte des geografischen und virtuellen Raums in mehrfa-cher Hinsicht bedeutsam für das Phänomen "Bestattungen im Kloster" und die dafürvorliegenden Quellen sein: Sind Erhaltungsbedingungen von Grabmälern auch ab-hängig von der geografischen Lage der Klöster? Waren Bauten und Ausstattung vonabgelegenen Landklöstern weniger gefährdet als Stadtklöster der Bettelorden undKartäuser, die eher in (reformatorische) Unruhen und politische Konflikte verwickeltwurden und dadurch Verluste erlitten oder säkularisiert bzw. in andere institutionelleFormen (Damenstifte, Schulen, Waisenhäuser etc.) überführt wurden? Hatten somitZisterzienserklöster einen Standortvorteil im sicheren Abseits? Spielen überregionalenormierende Tendenzen eine Rolle, etwa die ordensinterne Vernetzung der Zister-zienser, die Provinzialstruktur der Bettelorden, unterschiedliche Normen der Kon-ventualen und Observanten im Franziskanerorden oder die Bursfelder, Melker undKastler Reformbewegungen der Benediktiner?

AusblickDer hier anhand verschiedener Beispiele erläuterte Kriterienkatalog soll ein wenigdazu beitragen, das Phänomen "Bestattungen im Kloster" genauer als bisher über-blicken zu können. Mit einiger Sicherheit wird er sich als ergänzungsbedürftig erwei-sen, weil solche allgemeinen Parameter den vielen noch aufzuspürenden und näher zubeschreibenden historischen Einzelfällen nicht gerecht werden können. Trotz diesesVorbehalts sollte deutlich geworden sein, dass die Umstände, unter denen Begräbnissevon Konventualen und Laien im Kloster erfolgten, schlaglichtartig die Beziehungenzwischen Kloster und Welt erhellen: Die Kernfrage, wer aus welchen Gründen wound in welcher Form in einem Kloster bestattet werden sollte bzw. tatsächlich bestat-tet wurde, führt zwangsläufig zu weiteren Fragen nach den normativen Vorgaben und

31 Vg!. den für die Memoria-Forschung bahnbrechenden Sammelband: Memoria. Der geschichtlicheZeugniswert des liturgischen Gedenkens im Mittelalter (wie Arun. 2), der nach wie vor grundlegendeBeiträge zu liturgischen Fragestellungen enthält. beispielsweise AR..'lOIDANGENENDT,Theologie undLiturgie der mittelalterlichen Toten-Memoria, S. 79-199; RENATEKRoos, Grabbräuche - Grabbil-der, S. 285-353, dort auch viele Quellen aus Nord- und Mitteldeutschland. Über das Allerseelen-Gedenken hinaus ergiebig ist BARSCH,Allerseelen (wie Anm. 2). Auch einige neuere kunsthistorischeStudien beziehen erfreulicherweise den "Gebrauchszusammenhang" von Grabmälern ein, so etwaANNEGRETLAABS,Malerei und Plastik im Zisterzienserorden. Zum Bildgebrauch zwischen sakralemZeremoniell und Stiftermemoria 1250-1430, Petersberg 2000.

32 Ich danke Margit Mersch, Göttingen, herzlich für ausführliche Hinweise zur Archäologie mittelalterli-cher Klosterbestattungen.

33 So etwa bei Wolfram von Eschenbach, Parzival, 107,29-31, nach der Ausgabe KARI..LACHMANNsrevidiert und kommentiert von EBERHARDNEIL'dA.'lN, übertragen von DIETER KÜHN, 2 Bde.,Frankfurt a. M. 2006, hier Bd. 1, S. 182f.

Klösterliche Begrabnisformen 139

Veränderungen in den Orden, nach dem Selbstbild und Repräsentationsbedürfnis desweltlichen Umfeldes der Klöster sowie nach aktuellen politischen Konstellationen undInteressen.