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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution 4.0 International License. Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz. Kohlenstoffe als Katalysatoren für die Oxydation von schwef liger Säure Carbons as Catalysts for the Oxidation of Sulfurous Acid Michaela Zuckmantel, R. Kurth und H. P. Boehm Institut für anorganische Chemie der Universität München Herrn Professor Dr. Georg-Maria Schwab zum 80. Geburtstag gewidmet Z. Naturforsch. 84b, 188-196 (1979); eingegangen am 11. Juli 1978 Carbon Catalysts, Catalytic Oxidation, Sulfur Dioxide, Sulfurous Acid, Surface Oxides of Carbon Conductometric measurements of the catalytic oxydation of dilute aqueous sulfurous acid were used in the comparison of various carbon catalysts, e.g. active charcoals and carbon blacks. The oxidation rate is proportional to (Po2) 1/2 and to the amount of adsorbed HSO3- ions. Basic surface oxides are responsible for the HSO3 - adsorption. The catalytic activity of a carbon is influenced also by other factors than the concentration of basic surface oxides. It is changed by heat treatment of the carbon as well as by chemical treatment of its surface. Treatment with ammonia at 600 °C increases its activity dramatically, absolutely inactive carbon blacks were rendered highly active. 1. Einleitung Elementarer Kohlenstoff in Form von Aktivkohle wird als Katalysator für mehrere Prozesse verwen- det. Typische Reaktionen, die von Kohlenstoff katalysiert werden, sind die Synthese von Sulfuryl- chlorid aus Schwefeldioxid und Chlor, von Phosgen aus Kohlenmonoxid und Chlor, die Synthese von Bromwasserstoff aus seinen Elementen, die Oxyda- tion von Schwefeldioxid mit Sauerstoff oder die Oxydation organischer Stoffe, z.B. Phenol mit Luft- sauerstoff. Die beiden letztgenannten Reaktionen finden Anwendung zur Reinigung von Abgasen oder Abwässern. Der Kohlenstoff katalysiert in allen Fällen typische Oxydationsreaktionen. Von der sauerstoffübertragenden Wirkung des Kohlenstoffs wird auch in Anoden von Brennstoffzellen Gebrauch gemacht. Beim Studium der Literatur und, vor allem, im Gespräch mit Personen, die diese Reaktionen unter- suchen, stellt man fest, daß nicht alle Kohlenstoff- sorten gleich gut als Katalysatoren geeignet sind. Das ist nicht.nur eine Frage der spezifischen Ober- fläche, sondern auch der Natur des Kohlenstoffs. Die Aktivkohle Norit BRX wird allgemein als be- sonders aktiv beschrieben, während Ruße weniger aktiv und Acetylenruß völlig inaktiv seien. Im Zusammenhang mit der Frage nach den Ur- sachen der unterschiedlichen Aktivität der Kohlen- Sonderdruckanforderungen an Prof. Dr. H. P. Boehm, Institut für anorganische Chemie der Universität München, Meiserstraße 1, D-8000 München 2. 0340-5087/79/0200-0188/$ 01.00/0 stoffe untersuchten wir das Verhalten einiger Ruße und Aktivkohlen nach verschiedener Vorbehand- lung. Es liegt nahe anzunehmen, daß die Katalyse der Halogen- oder Sauerstoff Übertragung auf einer Abgabe von Elektronen aus dem Leitfähigkeitsband des Kohlenstoffs an Halogen oder Sauerstoff unter Bildung von Radikalionen beruht. Es ist bekannt, daß Graphit mit Brom eine Einlagerungsverbindung bildet [1], in der wahrscheinlich Br2 _ -Ionen vorlie- gen [2]. Auch wenn parakristalline Kohlenstoffe, wie z.B. Ruße, mit Brom keine Einlagerungsreaktion zeigen, kann an der Oberfläche ein Elektronenübergang aus den Kohlenstoff-Sechseckschichten zu absorbierten Brommolekeln (oder Sauerstoffmolekeln) erfolgen. Diese Elektronen besetzen antibindende Orbitale und erhöhen so die Reaktionsfähigkeit der zwei- atomigen Moleküle. So ist z.B. O2 - viel reaktiver als 02. Änderungen der Bandstruktur des Kohlen- stoffs, z.B. durch thermische Behandlung [3], könn- ten also seine katalytische Aktivität beeinflussen. Wir suchten nach einer Methode zur schnellen und möglichst arbeitsparenden Bestimmung der katalytischen Aktivität und fanden die Oxydation von verdünnter schwefliger Säure zu Schwefelsäure als geeignet. Die vorliegende Veröffentlichung be- handelt das Meßverfahren und erste damit erhaltene Ergebnisse. 2. Experimenteller Teil 2.1. Meßverfahren Als leicht zu messende und zu registrierende Reaktion wurde auf Grund früherer Versuche [4] die

Kohlenstoffe als Katalysatoren für die ... - zfn.mpdl.mpg.dezfn.mpdl.mpg.de/data/Reihe_B/34/ZNB-1979-34b-0188.pdf · für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society

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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution4.0 International License.

Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschungin Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung derWissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz.

Kohlenstoffe als Katalysatoren für die Oxydation von schwef liger Säure

Carbons as Catalysts for the Oxidation of Sulfurous Acid

Michaela Zuckmantel, R. Kurth und H. P. Boehm

Institut für anorganische Chemie der Universität München Herrn Professor Dr. Georg-Maria Schwab zum 80. Geburtstag gewidmet

Z. Naturforsch. 84b, 188-196 (1979); eingegangen am 11. Juli 1978 Carbon Catalysts, Catalytic Oxidation, Sulfur Dioxide, Sulfurous Acid, Surface Oxides of Carbon

Conductometric measurements of the catalytic oxydation of dilute aqueous sulfurous acid were used in the comparison of various carbon catalysts, e.g. active charcoals and carbon blacks. The oxidation rate is proportional to (Po2)1/2 and to the amount of adsorbed HSO3- ions. Basic surface oxides are responsible for the HSO3- adsorption. The catalytic activity of a carbon is influenced also by other factors than the concentration of basic surface oxides. It is changed by heat treatment of the carbon as well as by chemical treatment of its surface. Treatment with ammonia at 600 °C increases its activity dramatically, absolutely inactive carbon blacks were rendered highly active.

1. Einleitung

Elementarer Kohlenstoff in Form von Aktivkohle wird als Katalysator für mehrere Prozesse verwen-det. Typische Reaktionen, die von Kohlenstoff katalysiert werden, sind die Synthese von Sulfuryl-chlorid aus Schwefeldioxid und Chlor, von Phosgen aus Kohlenmonoxid und Chlor, die Synthese von Bromwasserstoff aus seinen Elementen, die Oxyda-tion von Schwefeldioxid mit Sauerstoff oder die Oxydation organischer Stoffe, z.B. Phenol mit Luft-sauerstoff. Die beiden letztgenannten Reaktionen finden Anwendung zur Reinigung von Abgasen oder Abwässern. Der Kohlenstoff katalysiert in allen Fällen typische Oxydationsreaktionen. Von der sauerstoffübertragenden Wirkung des Kohlenstoffs wird auch in Anoden von Brennstoffzellen Gebrauch gemacht.

Beim Studium der Literatur und, vor allem, im Gespräch mit Personen, die diese Reaktionen unter-suchen, stellt man fest, daß nicht alle Kohlenstoff-sorten gleich gut als Katalysatoren geeignet sind. Das ist nicht.nur eine Frage der spezifischen Ober-fläche, sondern auch der Natur des Kohlenstoffs. Die Aktivkohle Norit BRX wird allgemein als be-sonders aktiv beschrieben, während Ruße weniger aktiv und Acetylenruß völlig inaktiv seien.

Im Zusammenhang mit der Frage nach den Ur-sachen der unterschiedlichen Aktivität der Kohlen-

Sonderdruckanforderungen an Prof. Dr. H. P. Boehm, Institut für anorganische Chemie der Universität München, Meiserstraße 1, D-8000 München 2. 0340-5087/79/0200-0188/$ 01.00/0

stoffe untersuchten wir das Verhalten einiger Ruße und Aktivkohlen nach verschiedener Vorbehand-lung. Es liegt nahe anzunehmen, daß die Katalyse der Halogen- oder Sauerstoff Übertragung auf einer Abgabe von Elektronen aus dem Leitfähigkeitsband des Kohlenstoffs an Halogen oder Sauerstoff unter Bildung von Radikalionen beruht. Es ist bekannt, daß Graphit mit Brom eine Einlagerungsverbindung bildet [1], in der wahrscheinlich Br2_-Ionen vorlie-gen [2].

Auch wenn parakristalline Kohlenstoffe, wie z.B. Ruße, mit Brom keine Einlagerungsreaktion zeigen, kann an der Oberfläche ein Elektronenübergang aus den Kohlenstoff-Sechseckschichten zu absorbierten Brommolekeln (oder Sauerstoffmolekeln) erfolgen. Diese Elektronen besetzen antibindende Orbitale und erhöhen so die Reaktionsfähigkeit der zwei-atomigen Moleküle. So ist z.B. O2- viel reaktiver als 02. Änderungen der Bandstruktur des Kohlen-stoffs, z.B. durch thermische Behandlung [3], könn-ten also seine katalytische Aktivität beeinflussen.

Wir suchten nach einer Methode zur schnellen und möglichst arbeitsparenden Bestimmung der katalytischen Aktivität und fanden die Oxydation von verdünnter schwefliger Säure zu Schwefelsäure als geeignet. Die vorliegende Veröffentlichung be-handelt das Meßverfahren und erste damit erhaltene Ergebnisse.

2. Experimenteller Teil

2.1. Meßverfahren Als leicht zu messende und zu registrierende

Reaktion wurde auf Grund früherer Versuche [4] die

M. Zuckmantel et al. • Kohlenstoffe als Katalysatoren für die Oxydation von schwefliger Säure 189

Oxydation von verdünnter wäßriger schwefliger Säure zu Schwefelsäure gewählt. Bei einer Ausgangs-konzentration von ca. 10~2 mol 1_1 liegt SO2 prak-tisch vollständig hydratisiert und weitgehend dis-soziiert als HS03~ und H+ vor (Dissoziationskon-stanten bei 25 °C: pKi = 1,8, pK2 = 6,9). Nach Oxydation zu H2SO4 ist bei gleicher Konzentration auch das zweite Proton weitgehend dissoziiert (pK2= 1,9). Die Abweichungen von der vollständi-gen Dissoziation des ersten Protons der H2SO3 und des zweiten Protons der H2SO4 laufen nahezu parallel: von Beginn bis Ende der Reaktion fällt der Dissoziationsgrad ai der schwefligen Säure von 0,91 auf 0,84, der Dissoziationsgrad a2 der Schwefelsäure von 0,88 auf 0,79. Es wird also pro oxydiertes HS03~-Ion ein H+-Ion freigesetzt.

Die Zunahme der Protonenaktivität in der Lösung läßt sich hier leicht konduktometrisch verfolgen, da bekanntlich H30+-Ionen eine anomal hohe Äqui-valentleitfähigkeit bewirken. Außerdem transpor-tieren die S042~-Ionen bei ungefähr gleicher Äqui-valentleitfähigkeit doppelt soviel Ladung wie die HS03~-Ionen. Die Leitfähigkeitszunahme ist mit hinreichender Genauigkeit dem Umsatz von H2SO3 zu H2SO4 proportional. Unkatalysiert verläuft die Oxydation der schwefligen Säure sehr langsam.

Als Reaktionsgefäß diente ein 1 1-Dreihalskolben, der in einem Wasserbad thermostatisiert wurde. Ein Hals diente zur Aufnahme des Elektroden-paares (Platin), einer zum Einleiten der Gase, der dritte als Ausgang. In 500 ml reines, entsalztes Wasser wurde unter Magnetriihrung solange S02 eingeleitet, bis die gewünschte Ausgangsleitfähig-keit erreicht war, im Normalfall 0,057 S m - 1

(0,57 • 10-3 S cm-') bei 20 °C, entsprechend 1,65 • 10~3 mol 1_1 SO2. Die Reaktionstemperatur war meistens 20,0 °C, für die Bestimmung der Akti-vierungsenergien auch 30,0 °C und in einigen Fällen 40,0 °C.

Der S02-Gehalt der Lösungen als Funktion ihrer Leitfähigkeit wurde durch iodometrische Titration bestimmt. Die Endleitfähigkeit nach vollständiger Oxydation der schwefligen Säure wurde nach Zu-satz von elektrolytfreiem H2O2 gemessen (0,123 S m - 1

für eine 1,65 • 10~3 molare Lösung). Nach Einstellung des S02-Gehaltes wurde in die

Lösung Sauerstoff oder ein 02/N2-Gemisch bekannter Zusammensetzung bei Atmosphärendruck (~ 1 bar) eingeleitet (3 1/h). Bei diesen niedrigen S02-Konzen-trationen trat innerhalb von zwei Stunden keine meßbare Leitfähigkeitsabnahme durch Austreiben von SO2 auf. Zum Zeitpunkt null wurde der einge-wogene Kohlenstoff in die Lösung gekippt und die Leitfähigkeit mit einem Konduktometer (Radio-meter CDM 3) verfolgt und mit einem Schreiber registriert. Die Kohlenstoff-Einwaage wurde meist so bemessen, daß 100 m2 Oberfläche eingesetzt wurden (bei einigen Aktivkohlen ist diese Größe allerdings fiktiv, siehe unten). Bei nicht zu großer Variation war die Oxidationsgeschwindigkeit der Einwaage proportional.

2.2. Untersuchte Kohlenstoffe Als Katalysatoren wurden einige feinpulvrige

Aktivkohlen und einige Ruße verwendet. Sie wurden durch ihre spezifische Oberfläche, ihren Stickstoff-gehalt und, bei den Aktivkohlen, durch ihren Ver-aschungsrückstand charakterisiert.

Die spezifischen Oberflächen wurden aus der Stickstoff-Adsorption bei 77 K nach B E T bestimmt, wobei der Platz bedarf der N2-Molekeln mit 0,162 nm2

eingesetzt wurde. Meistens wurde nach dem Ein-Punkt-Verfahren [5] mit dem Areameter der Fa. Ströhlein (Düsseldorf) gemessen. Die spezifischen Oberflächen der verwendeten Kohlenstoffe sind in den Tabn. II und III aufgeführt. Die Angabe einer spezifischen Oberfläche von 1780m 2 g _ 1 für die feinporige Aktivkohle Norit BRX ist an und für sich sinnlos, da die Füllung der Mikroporen von weniger als 1 nm Radius bereits bei niedrigen relativen Drücken des Stickstoffs erfolgt und die BET-Gleichung nicht mehr angewendet werden darf. Die adsorbierte Gasmenge entspricht einem Volumen der Mikroporen von 0,63 cm3 g - 1 .

Bei den beiden Aktivkohlen Norit BRX (Her-steller: Alg. Norit MIJ, Amsterdam) und Anthralur Sta (Hersteller: Lurgi, Frankfurt a. M.) handelt es sich um Torfaktivate mit einem Stickstoffgehalt von 0,17 bzw. 0,9 Gew.%. Der Veraschungsrück-stand von Anthralur Sta betrug 5,2%; die Asche bestand aus etwa 75% Si02, 6,4% A1203, 2,7% CaO, 2,3% MgO, 1,4% ZnO. Übergangsmetalloxide wie Fe203, CuO, Mn203, Cr203 spielten mit 0,5 bis0,05% nur eine untergeordnete Rolle*. Norit BRX hinter-ließ 8,2% Asche.

Anthralur Sta wurde mit siedendem Xylol und anschließend mit Ether erschöpfend extrahiert, wo-bei sich das Extraktionsmittel gelb verfärbte. Asche- und Stickstoffgehalt wurden dadurch kaum beeinflußt. Eine Extraktion mit siedender, halbkon-zentrierter Salzsäure reduzierte den Aschegehalt auf 2,0%, der Stickstoffgehalt blieb bei 0,9%. Nach der HCl-Behandlung war der Gehalt der Asche an Si02, MgO, Na20 und Fe203 relativ etwas angestiegen. Die rohe und die extrahierten Aktivkohlen wurden bei den in den Tabellen und Abbildungen genannten Temperaturen mehrere Stunden im Hochvakuum (IO"3 Pa) entgast, die Behandlung bei 1000 °C er-folgte unter Stickstoff.

Weitere untersuchte Kohlenstoffe waren Eponit, eine Aktivkohle der Degussa, eine selbst hergestellte Zuckerkohle, die bei 1100 °C nachbehandelt wurde, und ein aus SIC durch Behandlung mit Chlor bei 800 °C gewonnener Kohlenstoff [6], der extrem enge Poren von 0,4 bis 0,8 nm lichter Weite besitzt [7].

Bei den verwendeten Rußen handelt es sich um einen deutschen Gasruß, CK 3, einen Furnace Black, Corax 3, und einen Acetylenruß, Anacarbon, alle Produkte der Degussa, Frankfurt a. M. Ihre Stick-stoffgehalte betrugen 0,25, 0,24 bzw. 0%. * Für die spektralanalytischen Analysen sind wir der

SIGRI-Elektrographit GmbH, D-8901 Meitingen, zu Dank verpflichtet.

190 M. Zuckmantel et al. • Kohlenstoffe als Katalysatoren für die Oxydation von schwefliger Säure 190

3. Ergebnisse

3.1. Verlauf der Leitfähigkeitskurve Bei den meisten Kohlenstoffen beobachtet man

zunächst eine rasche Leitfähigkeitsabnahme, die bald durch die Leitfähigkeitszunahme überholt wird, so daß nach wenigen Minuten ein Leitfähig-keitsminimum auftritt (vgl. Abb. 1). Danach steigt

Abb. 1. Typischer Verlauf einer Leitfähigkeitskurve während der katalytischen Oxydation der schwefligen Säure. ( c = 1,65 • 10-3mol/l; T = 20,0°C; po2 = 0,8 bar; Katalysator = Anthralur Sta, mit Xylol extrahiert, bei 800 °C nachbehandelt.) I = Erste Messung, II = Zweite Messung mit dem-selben Katalysator.

die Leitfähigkeitskurve an, um allmählich mit der Zeit abzuflachen. Die Endleitfähigkeit war meistens etwas niedriger als die bei Oxydation mit H2O2 beobachtete maximale Leitfähigkeit (Abb. 1). Ge-legentlich, vor allem bei engporigen Aktivkohlen, fiel die Leitfähigkeit sogar am Ende nach Durch-laufen eines Maximums etwas ab, bevor sie einen konstanten Endwert erreichte.

Die Ursache für das Phänomen des anfänglichen Leitfähigkeitsminimums liegt in der Anwesenheit basischer Oberflächenoxide auf der Kohlenstoff-Oberfläche. Bekanntlich kann an der Kohlenstoff-oberfläche chemisorbierter Sauerstoff sowohl saure als auch basische Eigenschaften bewirken [8]. Die basischen Eigenschaften wurden auf pyronartige Strukturen zurückgeführt [9]. Basische Oberflächen-oxide entstehen immer dann, wenn ein Kohlenstoff durch Ausheizen bei hohen Temperaturen im Vakuum oder unter Inertgas von allen Oberflächen-verbindungen befreit und anschließend bei Raum-temperatur mit Sauerstoff und mit prototropen Stoffen, z.B. Wasser, in Berührung kommt [10]. Bei Oxydation oberhalb 300 °C entstehen hingegen

saure Oberflächenoxide, deren Acidität vor allem auf Carboxylgruppen beruht [11]. Saure Ober-flächenoxide entstehen auch bei der Oxydation bei Raumtemperatur mit starken, gelösten Oxydations-mitteln. Die Anwesenheit basischer Oberflächen-oxide läßt sich kaum vermeiden, wenn auch ihre Menge auf einem gegebenen Kohlenstoff mit zu-nehmender Belegung mit sauren Oberflächenoxiden abnimmt.

Basische Oberflächenoxide des Kohlenstoffs be-wirken ein Anionenaustauschvermögen. In wäßriger Lösung werden Protonen chemisorbiert und zum Ladungsausgleich Anionen in einer diffusen Ionen-wolke nahe der Kohlenstoffoberfläche gebunden. Daß die anfängliche Leitfähigkeitsabnahme auf der Adsorption von schwefliger Säure beruht, ließ sich leicht beweisen. Wurde der Kohlenstoff nach be-endigter Reaktion abfiltriert, gründlich mit Wasser gewaschen und nochmals eingesetzt, so fiel bei der zweiten Messung das Minimum sehr viel kleiner aus oder trat überhaupt nicht mehr auf, weil die basi-schen Zentren bereits mit Sulfationen belegt waren. Außerdem wurde eine höhere Endleitfähigkeit er-reicht, die nahe an der theoretischen lag (Abb. 1). Bei der zweiten Messung war die katalytische Akti-vität des Kohlenstoffs stets etwas kleiner als bei der ersten Messung, wofür weiter unten eine Erklärung gegeben wird. Wurde der Kohlenstoff hingegen nach der ersten Messung erst mit verdünnter NaOH und dann mit Wasser gewaschen, so waren die austausch-fähigen Anionen durch OH - ersetzt, ein Leitfähig-keitsminimum trat wieder auf.

Wird die S02-Lösung mit reinem Stickstoff ge-spült, so bewirkt die Kohlenstoffzugabe nur eine Leitfähigkeitserniedrigung, die nach etwa 5-20 min ihren Endwert erreicht (Abb. 2). Bei einer H2SO3-Konzentration von 1,65 • 10~3 mol l - 1 sind dann etwa 85% der basischen Zentren neutralisiert. Die gemessene Kurve entsteht also durch Überlagerung von Adsorption und kataly tischer Oxydation. Durch Subtraktion der Leitfähigkeitsänderung in-folge der Adsorption erhält man die Kurve für die Oxydation (Abb. 2). Diese Kurve zeigt nach einer zwei- bis zehnminütigen Anlaufperiode, die sicher-lich auf Diffusionseffekten beruht, zunächst an-nähernd linearen Verlauf. Die Steigung der Geraden ist ein Maß für die katalytische Aktivität des Kohlenstoffs. In den meisten Fällen genügt es, die maximale Steigung nach Durchlaufen des Mini-mums zu bestimmen.

M. Zuckmantel et al. • Kohlenstoffe als Katalysatoren für die Oxydation von schwefliger Säure

Abb. 2. Überlagerung von Leitfähigkeitsabnahme durch Adsorption und Leitfähigkeitszunahme durch Oxydation (Messung mit Anthralur Sta, mit Xylol extra-hiert, bei 700 °C nachbehandelt; c = 1,65 • 10~3 mol/1; T = 20,0 °C; p o 2 = 1 bar).

Die zuweilen auftretende, geringfügige Leitfähig-keitsabnahme am Ende der Reaktion läßt sich darauf zurückführen, daß bei engporigen Aktiv-kohlen hoher katalytischer Aktivität noch nicht alle basischen Zentren im Inneren des Porensystems mit Hydrogensulfationen abgesättigt sind. Der Ionen-austausch ist äquimolar, d.h. pro basisches Zentrum werden ein S042~- und ein H+-Ion gebunden. Die Diffusion in das Teilcheninnere dauert länger als die katalytische Reaktion.

3.2. Kinetische Daten Unsere Überlegungen gingen davon aus, daß

durch Elektronenübergang Hyperoxidionen, O2-, entstehen, die mit adsorbiertem SO2 oder HS03-

reagieren. Es ist aber auch denkbar, daß ein dis-soziativer Schritt eine Rolle spielt, z.B.

0 2 - + e- -> 2 0".

Bekanntlich vermag mit kurzwelligem Licht be-strahltes Titandioxid oder Zinkoxid ebenfalls Sauer-stoff zu Oxydationsreaktionen anzuregen. Im Falle des ZnO wurden durch Elektronenspinresonanz so-wohl O2"" als auch O - nachgewiesen [12]; bei Tem-peraturen unter 175 °C überwiegt 02", oberhalb 225 °C ist aber 0~ die vorherrschende Spezies [13]. Über Aktivkohle wird Ethanol ebenso wie an UV-belichtetem Titandioxid in Gegenwart von Sauer-stoff zu Glyoxal (neben Acetaldehyd) oxydiert [14]. Es liegt also nahe anzunehmen, daß eines dieser Radikalionen auch bei der katalytischen Oxydation an Kohlenstoffoberflächen eine Rolle spielt.

Zunächst wurde geklärt, in welcher Weise die Oxydationsgeschwindigkeit vom Sauerstoff-Partial-

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druck abhängt. Die Reaktion wurde mit reinem O2 und mit 02/N2-Mischungen mit 80 bis 5Vol.-% O2-Anteil durchgeführt. Für diese Messungen wurde die Aktivkohle Anthralur Sta ausgewählt, weil sie eine relativ große katalytische Aktivität besitzt, die auch bei kleinen 02-Partialdrücken eine gut meß-bare Oxydationsgeschwindigkeit bewirkt. An und für sich wären nichtporöse Ruße hierfür besser ge-eignet, weil Diffusionseffekte mit Sicherheit ausge-schlossen werden können. Leider waren die Ruße, die in größeren Mengen zur Verfügung standen, nicht hinreichend aktiv. Anthralur Sta ist aber weitporig, so daß bei der relativ langsamen Reaktion Hoffnung besteht, daß die ganze Oberfläche zur vollen Wirkung kommt.

2-

1-

Abb. 3. Katalytische Aktivität der Aktivkohle Anthra-lur Sta (mit Xylol extrahiert und bei verschiedenen Temperaturen nachbehandelt) als Funktion des Säuer-st off-Partialdrucks.

Abb. 3 zeigt, daß die Reaktion einem ^p-Gesetz folgt. Dieses Ergebnis wurde auch bei anderen Prä-paraten und bei anderen S02-Konzentrationen be-stätigt.

In Abb. 4 ist die Abhängigkeit der Reaktions-geschwindigkeit von der S02-Konzentration darge-stellt. Die Kurven ähneln Adsorptionsisothermen vom Langmuir-Typ. Bei niedrigem Sauerstoff-Partialdruck wird die Oxydationsgeschwindigkeit bei S02-Konzentrationen oberhalb 2 • 10~3 mol l - 1

konzentrationsunabhängig, während bei Sauerstoff von Atmosphärendruck die Sättigung noch nicht erreicht ist. Diese Ergebnisse deuten daraufhin, daß SO2 (oder HSO3-) nur im adsorbierten Zustand reagiert. Die Adsorption von Salzsäure und anderen Mineralsäuren an Rußoberflächen läßt sich durch Langmuir-Isothermen befriedigend beschreiben [15]. Die Beobachtung, daß bei hohem Sauerstoff-

192 M. Zuckmantel et al. • Kohlenstoffe als Katalysatoren für die Oxydation von schwefliger Säure 192

katal. Aktivität

[nmol / m 2 s ]

P 0 = 0,6 bar

P 0 2 =0,2 bar

[mmol/1]

Abb. 4. Katalytische Aktivität der Aktivkohle Anthra-lur Sta (mit Xylol extrahiert und bei 700 °C nachbe-handelt) als Funktion der S02-Konzentration, bei ver-schiedenen Sauerstoff-Partialdrücken.

Partialdruck bei den gleichen S02-Konzentrationen noch keine Sättigung erreicht wird, bei denen bei niedrigem Sauerstoff-Partialdruck bereits das Pla-teau auftritt, könnte auf eine konkurrierende Ad-sorption beider Reaktionspartner an den gleichen Zentren hindeuten. Sie könnte aber auch darauf beruhen, daß die adsorbierten HS03~-Ionen bei hohen 02-Drücken so schnell wegoxydiert werden, daß ihre Nachlieferung durch Diffusion mit eine Rolle spielt. Zur Klärung dieser Fragen müßten noch mehr Meßdaten vorliegen. Messungen bei noch höheren S02-Konzentrationen erwiesen sich als nicht praktikabel, weil dann bereits SO2 vom Gas-strom merklich ausgetrieben wird.

Die Krümmung in den Leitfähigkeitskurven (Abb. 1) entspricht der Abnahme der S02-Konzen-tration wärend der Reaktion. Mit fortschreitender Reaktion macht sich aber auch die konkurrierende Adsorption der gebildeten Sulfationen hemmend bemerkbar (vgl. Abschnitt 3.3.).

3.3. Vergiftungsreaktionen In Tab. I ist die Wirkung verschiedener Zusätze

auf die katalytische Aktivität einer Aktivkohle ge-zeigt. Zusätze von 0.2 mol (d.h. von 0,1 mol pro Ansatz) der hydroxylhaltigen Verbindungen be-wirkten eine geringfügige Leitfähigkeitsabnahme der S02-Lösung vor Beginn der Reaktion, hatten aber praktisch keinen Einfluß auf das durch Ad-sorption hervorgerufene Leitfähigkeitsminimum zu Anfang der Reaktion. Alle Zusätze wirkten ver-

Tab. I. Vergiftung der Oxydationsreaktion durch ver-schiedene Zusätze (S02-Konzentration: 1,65 - 10-3mol/l; T = 20 °C).

Reaktions- Zugesetzter Stoff Kata-bedingungen Konzen- lytische Kohlen- p a- Art tration Aktivität stoff* [bar] [mol/1] [nmol/m2 s]

A.e (700) 0,8 _ _ 2,27 Glukose 0,2 1,19 iso-Butanol 0,2 0,17

A.e (600) 0,8 - _ 1,77 Phenol 0,01 0,28 Phenol 0,02 0,21 Phenol 0,2 0

A.e (700) 1 - _ 2,38 Benzol 2,8 • lO-3 0.88 (0,5 ml)

A.e (700) 1 Hydrochinon 2,7 • 10~3 0,42 A.e (700) 1 - - 2,38

KNOg 1 • lO-3 1,63 KNO3 2 • lO-3 1,46 KNO3 4 • lO"3 1,48

* A.e (700) = Aktivkohle Anthralur Sta, mit Xylol extrahiert, bei 700 °C im Hochvakuum entgast; A.e (600) = dto., bei 600 °C entgast.

giftend, Phenol viel stärker als tso-Butanol oder Glukose; ebenfalls als stark inaktivierend erwiesen sich kleine Konzentrationen von Hydrochinon.

Auch Benzol hat einen deutlich hemmenden Ein-fluß. Wegen der Nichtmischbarkeit mit Wasser macht sich hier aber störend bemerkbar, daß der Kohlenstoff in der organischen Phase angereichert wird. Bei Zugabe von nur 0,5 ml Benzol wird aber die anfängliche Leitfähigkeitsabnahme viel weniger stark beeinflußt als die folgende Leitfähigkeitszu-nahme infolge der Oxydation. Bei der Geschwindig-keitsabnahme spielt sicherlich die teilweise Ent-fernung des Katalysators aus der wäßrigen Phase eine Rolle, doch ist der Effekt bei dem kleinen Benzolzusatz noch nicht überwiegend.

Interessant ist auch die Wirkung eines Elektrolyt-zusatzes. Die konduktometrische Messung läßt hier natürlich nur einen kleinen Spielraum hinsichtlich der zugesetzten Menge zu. Die durch den KNO3-Zusatz bewirkten Leitfähigkeitszunahmen entspra-chen den an Hand der tabellierten Daten berechne-ten Veränderungen. Nach Zusatz des Kohlenstoffs wurde das anfängliche Leitfähigkeitsminimum mit steigendem KN03-Zusatz größer, was darauf be-ruht, daß noch nicht alle basischen Zentren auf der Kohlenstoff-Oberfläche neutralisiert waren und des-halb noch zusätzlich Nitrationen gebunden wurden.

S 0 2 - Konzentration

M. Zuckmantel et al. • Kohlenstoffe als Katalysatoren für die Oxydation von schwefliger Säure 193

Da die N03~-Konzentrationen vergleichbar waren mit der HS03_-Konzentration, wurden sicherlich auch HS03-Ionen durch Ionenaustausch teilweise von der Oberfläche verdrängt. Der Abfall der katalytischen Aktivität auf ungefähr die Hälfte steht damit in Einklang. Auch bei Zugabe von Natriumsulfat wurden ähnliche Beobachtungen ge-macht, doch war die Reproduzierbarkeit der Mes-sungen schlechter.

Man kann hieraus folgern, daß auch die bei der Reaktion gebildeten Sulfationen reaktionshemmend wirken. Bei der zweiten Messung mit dem mit Wasser ausgewaschenen Kohlenstoff (Abb. 1) be-obachtet man eine etwas geringere katalytische Aktivität, weil seine basischen Zentren bereits mit Hydrogensulfationen belegt sind, die während der Messung in Adsorptionskonkurrenz mit den Hydro-gensulfitionen stehen.

3.4. Messungen mit verschiedenen Kohlenstoffen Die katalytischen Eigenschaften verschiedener

Kohlenstoffe unter gleichen Reaktionsbedingungen werden in Tab. II verglichen. Die Ergebnisse sind

auf eine Katalysatoroberfläche von 1 m2 bezogen. Da aber bei den porösen Kohlenstoffen, insbeson-dere bei Norit BRX oder bei dem aus SiC erhaltenen Präparat die wahre Größe der spezifischen Ober-fläche und vor allem der wirksamen Oberfläche un-bekannt ist, wurden die Ergebnisse auch auf die Masseneinheit bezogen. Bei diesen engporigen Kohlenstoffen ist damit zu rechnen, daß infolge langsamer Diffusion in den Poren nur ein kleiner Teil der Oberfläche wirksam ist, daß sie also in ihrer Aktivität alle anderen Präparate übertreffen. Andere Aktivkohlen, wie Eponit oder die Zuckerkohle, waren nicht oder nur wenig aktiv.

Die katalytische Aktivität verändert sich stark bei der thermischen Nachbehandlung. Bei Anthralur Sta wurde ein Aktivitätsmaximum nach Erhitzen auf 700-800 °C beobachtet (Abb. 5). Bei dem Ruß Corax 3, dessen Aktivität eine Zehnerpotenz niedri-ger war, lag das Maximum bei 1100 °C Vorbehand-lungstemperatur (Abb. 6).

Nach Eihitzen auf 1300 °C fällt die katalytische Aktivität des Rußes stark ab und ändert sich bei höheren Nachbehandlungstemperaturen nur noch

Tab. II. Katalytische Aktivität verschiedener Kohlenstoffe als Funktion der Vorbehandlung (Einwaage ent-sprechend 100 m2 ; T = 20 °C, po2 = 1 bar).

Kohlenstoff Vorbehandlung spezif. Oberfl. katalyt. Aktivität m2/g nmol/m2 s //rnol/g s

Norit BRX — (1780) 0,47 0,84 Kohlenstoff aus SiC — (1340) 0,27 0,36 Anthralur Sta — 560 2,08 1,16

mit Xylol extrahiert, entgast bei 300 °C 434 1,77 0,77 mit HCl extrahiert, entgast bei 300 °C 667 1,56 1,04 mit Xylol und HCl extrahiert, entgast bei 300 °C 350 0,91 0,32 mit Xylol extrahiert, entgast bei 700 °C 540 2,37 1,28 dto., anschließend mit H2O2 oxydiert 552 0,97 0,54

Zuckerkohle, ox. bei 1100 °C verkokst, mit 0 2 bei 500 °C oxydiert 160 0,075 0,012 Eponit m. HCl extrahiert, entgast bei 300 °C 740 0,379 0,280 Corax 3 83 0,090 0,0075

24 h NH3 bei 600 °C (1,42% N) 80 1,02 0,081 Corax 3, aktiv. mit 0 2 bei 900 °C aktiv. 200 0,523 0,104 Corax 3, aktiv.

8 h H2 bei 800 °C 190 0,944 0,177 24 h NH3 bei 600 °C (0,45% N) 190 3,80 0,722

CK 3 — 92 0 0 mit N2H4 • H 2 0 beh. (0,87 N) 92 0,260 0,024 mit Cl2 bei 450 °C, dann mit NH3 bei 600 °C (4,62% N) 200 1,042 0,208

Anacarbon — 80 0 0 mit 0 2 bei 400 °C oxydiert, dann 24 h NH3 bei 600 °C (0,0% N) 81 0,173 0,014

Acetogenruß KT — 70 0 0 mit Fe-Phthalocyanin belegt* 33 47,2 1,56

* Vgl. [16].

194 M. Zuckmantel et al. • Kohlenstoffe als Katalysatoren für die Oxydation von schwefliger Säure 194

katal. Aktivität

v

Vorbehandlungstemperatur

0 500° 1000° C

Abb. 5. Katalytische Aktivität der Aktivkohle Anthra-lur Sta als Funktion der Nachbehandlungstemperatur. (Oxydation mit O2 von Atmosphärendruck bei 20 °C. 1 = rohe Aktivkohle, 2 = mit Xylol extrahiert, 3 = mit Salzsäure extrahiert, 4 = erst mit Xylol, dann mit Salzsäure extrahiert.)

katal. Aktivität

Vorbehandlungstemperatur

1000° 2000° 3000 °C

Abb. 6. Katalytische Aktivität des Rußes Corax 3 als Funktion der Nachbehandlungstemperatur (Oxydation mit O2 von Atmosphärendruck bei 20 °C).

wenig. Der durch Oxydation bei kleinem 02-Partial-druck aktivierte Ruß Corax 3, aktiv, hatte eine viel größere Aktivitätssteigerung erfahren, als der Nach-behandlungstemperatur von 900 °C entspricht.

Die katalytische Aktivität von Anthralur Sta be-ruht mit Sicherheit nicht auf dem kleinen Gehalt an Übergangsmetallen oder Übergangsmetalloxiden. Die Asche des mit Xylol extrahierten Anthralur zeigte eine kleine katalytische Aktivität, die Asche des mit Salzsäure extrahierten Präparates war je-

doch katalytisch inaktiv. Dennoch hat die Extrak-tion mit HCl eine Aktivitätssteigerung bei Nach-behandlungstemperaturen von 800-1000 °C zur Folge, während die Extraktion mit Xylol einen aktivitätsmindernden Effekt zeitigte (Abb. 5). Er-staunlich ist nur die Wirkung der kombinierten Extraktion mit Xylol und Salzsäure, die die Aktivi-tät auf etwa die Hälfte reduziert. Die spezifische Oberfläche und damit auch die Porenstruktur von Anthralur Sta blieb bis 800 °C praktisch unver-ändert, erst bei 1000 °C fiel die spezifische Ober-fläche etwas ab.

Die Ruße waren im allgemeinen wenig aktiv bis inaktiv. Durch chemische Nachbehandlung kann aber ihre Aktivität drastisch gesteigert werden. Behandlung mit Wasserstoff bei 800 °C hatte bei Corax 3, aktiv, eine Aktivitätssteigerung zur Folge. Da die gleiche Behandlung bei den Aktivkohlen nur geringe oder sogar aktivitätsmindernde Folgen hatte, führen wir den Effekt auf die Zerstörung des erheblichen Gehaltes an sauren Oberflächenoxiden dieses Rußes zurück. Hochaktive Präparate wurden bei der Behandlung mit stickstoffhaltigen Substan-zen, am einfachsten mit Ammoniak, erhalten.

Die hohe Aktivität von auf der Oberfläche eines völlig inaktiven Acetogenrußes dispergiertem Eisen-phthalocyanin, die Jahncke et al. [16] bei der elektro-chemischen Sauerstoffreduktion beobachtet hatten, ließ sich auch mit unserer Versuchsanordnung be-stätigen. Es wurden Präparate der genannten Autoren verwendet.

Tab. III. Aktivierungsenergien für die katalytische Oxydation von schwefliger Säure.

Kohlenstoff u. Vorbehandlung Spezif. Ober-fläche [m2/g]

Akti-vierungs-energie [kJ/mol]

Norit BRX, unbehandelt (1780) 40 Anthralur Sta, unbehandelt 560 17 Anthralur Sta, m. Xylol extrahiert,

bei 600 °C entgast 540 24 bei 700 °C entgast 540 14 bei 800 °C entgast 550 26

Corax 3 bei 600 °C entgast 86 43 bei 900 °C entgast 84 37 bei 1100 °C entgast 81 33 bei 900 °C m. 0 2 aktiviert 200 34 chloriert (6 h), bei 600 °C mit NH3 behandelt, bei 300 °C entgast 90 33

M. Zuckmantel et al. • Kohlenstoffe als Katalysatoren für die Oxydation von schwefliger Säure 195

In Tab. III werden schließlich die Aktivierungs-energien für einige Kohlenstoffe angegeben. Es fällt auf, daß sie bei Anthralur Sta viel kleiner sind als bei den anderen Kohlenstoffen; bei dem hochaktiven Norit BRX ist die Aktivierungsenergie für die Oxy-dation hingegen mehr als doppelt so groß. Die Häufigkeitsfaktoren zeigen den üblichen entgegen-gesetzten Gang.

4. Diskussion

Die beschriebene Meßanordnung ist gut geeignet, auf einfache Weise und rasch die katalytische Akti-vität von Kohlenstoffen zu vergleichen. Es stellte sich heraus, daß die Oxydation von wäßriger H2SO3 in bezug auf Sauerstoff die Reaktionsordnung 0,5 aufweist, was bedeuten könnte, daß die Dissoziation adsorbierter 02-Molekeln geschwindigkeitsbestim-mend ist. Bezüglich der Abhängigkeit von der SO2-Konzentration ist eine direkte Abhängigkeit von der an der Kohlenstoffoberfläche adsorbierten Menge wahrscheinlich. Bei den angewendeten nied-rigen Konzentrationen liegt S02 praktisch voll-ständig hydratisiert als H2SO3 vor. Offenbar wird das SO2 in Form von HS03~-Ionen an den basischen Oberflächenoxiden des Kohlenstoffs gebunden, wie aus der hemmenden Wirkung des Zusatzes anderer Ionen folgt. Die katalytische Aktivität ist demnach von der Konzentration an basischen Oberflächen-oxiden abhängig. Oxydation mit H2O2 hat die Bildung von sauren Oberflächenoxiden zur Folge mit einer entsprechenden Verringerung der Menge der basischen Oberflächenoxide. Dies macht sich in einer Verringerung der Aktivität bemerkbar.

Die Konzentration der basischen Oberflächen-oxide ist aber sicher nicht allein entscheidend für die katalytische Aktivität eines Kohlenstoffs. Bei den mit Salzsäure extrahierten Präparaten der Abb. 5 war der Gehalt an basischen Oberflächen-oxiden nach thermischer Behandlung im Tempera-turbereich 600 bis 800 °C annähernd konstant, den-noch beobachtet man große Variationen der Aktivi-tät. (Bei den nicht mit Salzsäure extrahierten Präparaten wurden unnatürlich hohe Neutralisa-tionswerte bei der Bestimmung der basischen Gruppen gefunden, was auf eine Reaktion mit den Aschebildnern zurückgeführt wird.)

Die vergiftende Wirkung von Alkoholen, Phenol und Hydrochinon dürfte auf Blockierung der Ober-fläche durch Adsorption zurückzuführen sein. Diese

Verbindungen sind aber auch typische Radikal-fänger, die möglicherweise in den Oxydations-mechanismus eingreifen. Die Oxydation organischer Stoffe scheint viel langsamer zu verlaufen als die von SO2, wie Versuche zur katalytischen Oxyda-tion von Oxalsäure ergaben [17]. Aber auch bei der Oxalsäure-Oxydation ist Anthralur Sta der aktivste Katalysator.

Die aktivitätssteigernde Wirkung einer Nachbe-handlung von Aktivkohlen mit Ammoniak ist schon lange bekannt [18]. Dabei wird Stickstoff an der Kohlenstoffoberfläche gebunden. Es entstehen zwar keine, oder nur sehr wenige, zusätzliche basische Zentren, möglicherweise wird aber Stickstoff am Rande der Kohlenstoff-Sechseckschichten so ge-bunden, daß sein freies Elektronenpaar in deren 7r-System mit einbezogen wird und so die Elektro-nendichte und das Fermi-Niveau anhebt. Durch Photoelektronenspektroskopie lassen sich in der-artig behandelten Kohlenstoffen verschiedenartig gebundene Stickstoffatome nachweisen [19]. Der Stickstoffgehalt allein ist aber anscheinend auch kein Maß für die katalytische Aktivität, denn bei gleichem Stickstoffgehalt ist der Ruß CK 3, im Gegensatz zu dem mit Ammoniak behandelten Ruß Corax 3, aktiv., inaktiv.

Offenbar wird die katalytische Aktivität von Kohlenstoffen bei der S02-0xydation von mehreren Faktoren in komplexer Weise beeinflußt. Andere Oxydationsreaktionen, bei denen die Adsorption des Reaktanden nicht spezifisch an basischen Zentren erfolgt, sollten eher Auskunft über den Ein-fluß der Bandstruktur der Elektronen geben können. Es ist z.B. noch völlig unklar, worauf der starke Einfluß der thermischen Behandlung beruht. Wesentliche Änderungen der Bandstruktur über den Temperaturbereich von 600 bis 800 °C wurden noch nicht beschrieben. Zudem hatten alle Kohlen-stoffe bei ihrer Herstellung höhere Temperaturen erlebt. Strukturell lassen sich bei Behandlung in diesem Temperaturbereich ebenfalls keine Verände-rungen feststellen. Untersuchungen über das kata-lytische Verhalten dieser Kohlenstoffe bei anderen Reaktionen sind im Gange.

Wir danken der Degussa, Frankfurt a. M. und Herrn Dr. Wirth vom Laboratorium für Adsorp-tionstechnik, Frankfurt a. M., für die Überlassung von Kohlenstoff-Präparaten. Dem Fonds der chemi-schen Industrie sind wir für finanzielle Unterstüt-zung zu Dank verpflichtet.

196 M. Zuckmantel et al. • Kohlenstoffe als Katalysatoren für die Oxydation von schwefliger Säure 196

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