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Kommunizierende Versuchstechnik T 2007 Fraunhofer IRB Verlag Bauforschung

Kommunizierende Versuchstechnik T 2007 · / 4/ SIEBEL, E., SCHWAIGERER, S.: Einfluß der Prüfbe-dingungen auf die Ausbildung der Streckgrenze Archiv des Eisenhüttenwesens 13. Jahrgang

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Kommunizierende Versuchstechnik T 2007

Fraunhofer IRB Verlag

Bauforschung

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T 2007

Dieser Forschungsbericht wurde mit modernsten Hoch-

leistungskopierern auf Einzelanfrage hergestellt.

Die in dieser Forschungsarbeit enthaltenen Darstellungen

und Empfehlungen geben die fachlichen Auffassungen

der Verfasser wieder. Diese werden hier unverändert wie-

dergegeben, sie geben nicht unbedingt die Meinung des

Zuwendungsgebers oder des Herausgebers wieder.

Die Originalmanuskripte wurden reprotechnisch, jedochnicht inhaltlich überarbeitet. Die Druck qualität hängt vonder reprotechnischen Eignung des Originalmanuskriptesab, das uns vom Autor bzw. von der Forschungsstelle zurVerfügung ge stellt wurde.

© by Fraunhofer IRB Verlag

Vervielfältigung, auch auszugsweise,nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Verlages.

Fraunhofer IRB Verlag

Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau

Postfach 80 04 69

70504 Stuttgart

Nobelstraße 12

70569 Stuttgart

Telefon (07 11) 9 70 - 25 00Telefax (07 11) 9 70 - 25 08

E-Mail [email protected]

www.baufachinformation.de

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TECHNISCHE UNIVERSITÄTBRAUNSCHWEIG

INSTITUT FÜR STAHLBAUAbteilung Stahlbau: Prof. Dr.-Ing. J. Scheer

Bericht Nr. 6085/1

Kommunizierende

Versuchstechnik

Juli 1985

INSTITUT FÜR STAHLBAU DER TECHNISCHEN UNIVERSITÄT BRAUNSCHWEIGBeethovenstraße 51 • 3300 Braunschweig

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VORBEMERKUNG

Diese Arbeit entstand im Rahmen des von der

Stiftung Volkswagenwerk geförderten Forschungs-

vorhabens

Entwicklung einer neuartigen Prüfmaschinen-

technologie mit rechnergestützter Simulierung

beliebiger Randbedingungen.

Die kommunizierende Versuchstechnik setzt eine

Prüfmaschine voraus, bei der die Randbedingun-

gen des Versuchskörpers frei gewählt und wäh-

rend des Versuches beliebig verändert werden

können. Am Institut für Stahlbau wird der Pro-

totyp einer solchen Maschine nach einer Idee

(Patente sind angemeldet) von W. Maier er-

stellt.

Der Leiter derAbteilung Stahlbau:

Prof. Dr.-Ing. J. Scheer

Der Projektleiter:

Dr.-Ing. W. Maier

Der Sachbearbeiter:

Dipl.-Ing. G. Bahr

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INHALTSVERZEICHNIS

LITERATUR I-4

1 EINLEITUNG 1-1

1.1 Problematik 1-1

1.2 Das statische Problem 1-3

1.3 Konzept zur Lösung des statischen Problems 1-5

1.4 Das technologische Problem 1-6

1.5 Konzept zur Lösung des technologischen Problems 1-8

1.5.1 Idee einer Prüfmaschine 1-8

1.5.2 Konstruktionsprinzip der Prüfmaschine 1-8

1.5.3 Kinematik der Prüfmaschine 1-11

1.5.4 Zustandsgrößenregelung 1-11

1.6 Das Rechentechnische Problem 1-13

1.7 Rechentechnisches Lösungskonzept 1-13

1.8 Zielsetzung der vorliegenden Arbeit 1-14

1.9 Bausteine der kommunizierenden Versuchstechnik 1-14

1.9.1 Rechnergestütze Prüfanlage 1-14

1.9.2 Simulation der Prüfmaschine 1-15

1.9.3 FEM-Programmsystem für Minicomputer 1-15

1.9.4 Kommunizierende Versuchstechnik 1-15

2 RECHNERGESTUTZTE PRÜFANLAGE 2-1

2.1 Meßtechnik 2-1

2.2 Einsatz von Mikrocomputern in der Meßtechnik 2-2

2.3 Pilotanlage 2-3

2.4 Datenbank 2-5

2.5 Versuchsaufbau - Versuchsvorbereitung 2-6

2.6 Meßdatenerfassung 2-8

2.7 Versuchssteuerung - Versuchsregelung 2-9

2.8 Darstellung der Meßergebnisse 2-13

2.9 Dokumentation und Archivierung der Meßergebnisse 2-14

2.10 Bewertung der entwickelten Prüfanlage 2-14

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I-2

DER RECHNERGESTÜTZTEN PRÜFANLAGE 3 -13 PRAKTISCHE ANWENDUNG

3.1 Problematik der statischen Streckgrenze 3-1

3.2 Definitionen und Begriffe 3-3

3.3 Exemplarische, graphische Darstellung eines 3-5

Versuchsergebnisses für einen einaxialen Druck-

Zugversuch

3.4 Erste Erkenntnisse zum Problem statische Streck-

grenze

3-9

4 ZUSTANDSGRöSSENREGELUNG 4-1

4.1 Regelkreise 4-2

4.2 Experimentelle Steifigkeitsmatrix 4-4

4.2.1 Erste experimentelle Steifigkeitsmatrix 4-7

4.2.2 Momentane experimentelle Steifigkeitsmatrix 4-8

4.3 Kraftgrößenregelung 4-9

4.3.1 Traglast des Prüfkörpers 4-12

4.3.2 Grenzen der Kraftgrößenregelung 4-13

4.4 Simulation der Prüfmaschine beim Bauteilversuch 4-14

5 FEM-PROGRAMMSYSTEM FüR MINICOMPUTER 5-1

5.1 Methode der Finiten Elemente 5-1

5.2 Rechnerspezifische Voraussetzungen 5-3

5.3 Anforderungen an das FEM-Programm 5-4

5.4 Konzept des Programmsystems 5-4

5.5 Programmstruktur 5-5

5.5.1 Elementgenerierung 5-6

5.5.2 Aufbau und Lösung des Gleichungssystems 5-7

5.5.3 Nachlaufrechnung 5-7

5.6 Bewertung des Programmsystems 5-8

6 ANWENDUNG DES FEM-PROGRAMMSYSTEMS 6-1

6.1 Traglastuntersuchungen an geschweißten, unver-

steiften Trägern unter Beanspruchung durch eine

6-1

Einzellast

6.1.1 Problematik 6-1

6.1.2 Traglastversuch 6-2

6.1.3 Rechenmodell 6-3

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I-3

6.1.4 Diskretisierung 6-9

6.1.5 Programmanwendung 6-10

6.1.6 Ausgewählte Ergebnisse 6-12

6.1.7 Anmerkungen zur Rechentechnik 6-14

6.2 Stütze in Verbundbauweise 6-15

6.2.1 Problematik 6-15

6.2.2 Rechenmodell 6-16

6.2.3 Versuche zur Ermittlung der Element- 6-17

arbeitslinien

6.2.4 Elemententlastung und Elementausfall 6-23

6.2.5 Exemplarische numerische Untersuchung des 6-23

Tragverhaltens einer Stütze unter

6.2.6 Anmerkung zur Rechentechnik 6-23

7 KOMMUNIZIERENDE VERSUCHSTECHNIK 7-1

8 SIMULATION EINES KOMMUNIZIERENDEN VERSUCHES 8-1

8.1 Rechenmodell für die analytische Substruktur 8-1

8.1.1 Annahmen 8-2

8.1.2 Weggrößenverfahren 8-3

8.1.3 Steifigkeitsmatrizen für Theorie I. und 8-3

II. Ordnung

8.1.4 Zustandsgrößen 8-6

8.2 Diskretisierung 8-7

8.2.1 Diskretisierung der analytischen Sub- 8-7

struktur

8.2.2 Diskretisierung der experimentellen Sub- 8-8

struktur

8.2.3 Randbedingungen und Einwirkungen 8-8

8.3 Ablauf des kommunizierenden Versuches 8-8

8.4 überwachung von Rechnung und Experiment 8-13

8.5 Anmerkung zum regelnden Iterationprozeß 8-13

9 ZUSAMMENFASSUNG 9-1

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I-4

LITERATURVERZEICHNIS

/ 1/ FISCHER, W. E.: Einführung in die technische Datenbank.

CAD-Berichte, KfK-CAD 128 (1979)

/ 2/ BLUME, P., FISCHER, W. E.: Datenbank für CAD-Anwendungen

CAD - Berichte, KfK - CAD 111 (1978)

/ 3/ MAIER, W., BAHR, G.: Basisversuche zur statischen Fließ-

grenze. Experimentelle Untersuchungen zum Einfluß der

Prüfkörpergeometrie und Prüfmodalitäten auf die

statische Streckgrenze. Bericht Nr. 6081 Institut für

Stahlbau TU Braunschweig 1982

/ 4/ SIEBEL, E., SCHWAIGERER, S.: Einfluß der Prüfbe-

dingungen auf die Ausbildung der Streckgrenze

Archiv des Eisenhüttenwesens 13. Jahrgang Heft 1 Juli

1939, Seite 37 - 52

/ 5/ v. BACH, C.: Zum Begriff "Streckgrenze" Z. d. VDI 48

(1904), Seite 1040 - 1043

/ 6/ v. BACH, C.: Zur Erkenntnis der Streckgrenze. Heft 29

der Mittteilungen über Forschungsarbeiten,

Springer Berlin 1905

/ 7/ MOSER, M.: Grundsätzliches zur Streckgrenze. Festgabe

Carl v. Bach zum 80. Geburtstag.

VDI-Verlag Berlin 1927

/ 8/ KORBER, F., POMP, A.: Einfluß der Form des Probestabes,

der Art der Einspannung, der Versuchsgeschwindigkeit

und der Prüfmaschine auf die Lage der oberen und

unteren Streckgrenze von Stahl. Mitt. Kaiser-Wilh.-

- Institut Eisenforschung 16 (1934), Seite 179 - 188

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I-5

/ 9/ RINAGL, F.: Über die Fließgrenzen bei Zug- und Biege-

beanspruchung. Bauingenieur 17 (1936), Seite 431 - 441

/10/ ENSSLIN, M.: Die Grundlagen der theoretischen Festig

keitslehre. Z. d. VDI 45 (1928), Seite 1625 - 1634

/11/ LEONHARD,W.: Einführung in die Regelungstechnik, Vie-

weg-Taschenbuch (1969), Linear 2.Auflg. (1972)

/12/ LOPETEGUI, J.: Verfahren der orthogonalisierten Last-

Verformungszustände zur Lösung nichtlinearer Probleme

der Stabstatik, Diss. Aachen (1983)

/13/ HARBORD, R.: Berechnung dünner Schalentragwerke mit

Finiten Elementen. Vergleichende Untersuchung unter-

schiedlicher Diskretisierungsvarianten, Ber.Nr.77-21

Inst. f. Statik, TU Braunschweig (1977)

/14/ BATHE, K.-J.: Finite Element Prodcedures in Engineer-

ing Analysis. 1.Auflg., Prentice-Hall, Inc., Engle-

wood Cliffs, New Jersey (1982)

/15/ ZURMÜHL, R.: Matrizen und ihre technischen Anwendun-

gen. 4.Auflg., Springer-Verlag, Berlin, Göttingen,

Heidelberg (1964)

/16/ KRÖPLIN, B.: Beulen ausgesteifter Blechfelder mit

geometrischer und stofflicher Nichtlinearität,

Ber.Nr. 77-2 Inst. f. Statik, TU Braunschweig (1977)

/17/ SCHEER, J., PEIL, U., FALKE, J.: Dehnungsmessungen an

Versuchsträgern zum Vergleich für theoretische,

nichtlineare Berechnungen, Ber.Nr. 6092 Inst. f. Stahl-

bau, TU Braunschweig (1983)

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I-6

/18/ SCHEER, J., PEIL, U., FALKE, J.: Traglastversuche an

30 unversteiften I-formigen geschweißten Biegeträgern

mit örtlicher Lasteinleitung am Druckgurt,

Ber.Nr. 6091/2 Inst. f. Stahlbau, TU Braunschweig (1983)

/19/ HARBORD, R.: Berechnung von Schalen mit endlichen

Verschiebungen-gemischte Finite Elemente, Ber.Nr. 72-2

Inst. f. Statik, TU Braunschweig (1972)

/20/ HARBORD, R., KRÖPLIN, B.: Finite-Element-Methode zur

nichtlinearen Beulberechnung von Schalentragwerken,

Der Stahlbau 10 (1977), Seite 314ff.

/21/ EGGERS, H., KRÖPLIN, B.: Yielding of Plates with

Hardening and Large Deformations, Int. J. Num. Meth.

Engn., 12 (1978), Seite 739ff.

/22/ Deutscher Ausschuß für Stahlbau: DASt-Richtlinie 012

Beulsicherheitsnachweis für Platten (1978)

/23/ VAYAS, I.: Tragverhalten für Konstruktionen aus plat-

tenartigen Bauteilen, Diss. Braunschweig (1981)

/24/ DINKLER, D.: Grenzlasten axial gestauchter ausge-

steifter Platten - Berechnung mit einer Versagenshy-

pothese für örtliches Beulen - , Ber.Nr. 82-38

Inst. f. Statik, TU Braunschweig (1982)

/25/ MEIER, F.: Plastische Grenzlastberechnung imperfekter

ausgesteifter Platten, Ber.Nr. 80-35 Inst. f. Statik,

TU Braunschweig (1980)

/26/ RECKLING, K.-A.: Die Plastizitätstheorie und ihre

Anwendung auf Festigkeitsprobleme. 1.Auflg., Spinger-

Verlag, Berlin, Heidelberg, New York (1967)

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I-7

/27/ BACKHAUS, G.: Zur Fließgrenze bei allgemeiner Verfes-

tigung, ZAMM 48 (1968), Heft 2, Seite 99ff.

/28/ KINDMANN, R.: Traglastermittlung ebener Stabwerke mit

räumlicher Beanspruchung, Diss. Bochum (1981)

/29/ HEIL, W.: Traglastermittlung von räumlich belasteten

Durchlaufträgern mit offenem, dünnwandigem Querschnitt

bei beliebigem Werkstoffgesetz, Schriftreihe Heft 3,

Karlsruhe (1979)

/30/ ROIK, K., BERGMANN, R.: Zur Traglastberechnung von

Verbundstützen, Der Stahlbau, Heft 1/1982 Seite 8 ff.

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1 EINLEITUNG

1.1 PROBLEMATIK

Seit der Einführung von elektronischen Rechenanlagen im

Bereich des konstruktiven Ingenieurbaus werden zunehmend

EDV-orientierte Rechenmodelle zur Beschreibung des Tragver-

halten von Konstruktionen oder von Konstruktionselementen

erstellt. Speziell Rechenmodelle nach der Methode der Finiten

Elemente, zeigen sich als eine gelungene Verknüpfung

von Kontinuumsmechanik, numerischer Mathematik und Computer-

technologie.

Obwohl ständig neue, leistungsfähigere Rechenmodelle und

Rechenanlagen entwickelt werden, erübrigen sich experimentelle

Untersuchungen nicht. Sie dienen zum einen der notwendigen

Absicherung von theoretischen Untersuchungen, zum anderen

treten in Konstruktionen bisweilen Bauteile auf, die mit

Rechenmodellen kaum oder nur mit großem Aufwand zu erfassen

sind. Der letztgenannte Fall ist immer dann gegeben, wenn die

Eingangsparameter für das entsprechende Rechenmodell, wie

Werkstoffverhalten und Geometrie nicht zuverlässig für das

betrachtete Bauteil zu bestimmen sind oder wenn z.B. im

Bereich eines Bauteiles eine komplizierte Verbindung vorliegt.

Es liegt nahe, für solche Bauteile das Tragverhalten auf

experimentellem Wege zu bestimmen, und dieses in Form von

Aktions-Reaktions-Beziehungen dem Rechenmodell zu zuführen.

Beispiel:

Für das in Bild 1.1 dargestellte Tragwerk, eine rahmenartige

Betonkonstruktion, deren auskragenden Riegel auf einer Rüst-

stütze ruht, sei unter proportionaler Steigerung X der Ein-wirkungen P1.5die Traglast zu ermitteln.

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Betonkon-struktion

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Rüststütze

1-2

Bild 1.1. Beispiel für ein Tragwerk

Für die Betonkonstruktion seien die Geometrie und das Werk-

stoffverhalten hinreichend bekannt, so daß das Tragverhalten

dieses Strukturabschnittes z.B. mit einem Rechenmodell nach

der FE-Methode ermittelt werden kann (angedeutet durch die

Elementeinteilung).

Die Rüststütze sei das theoretisch nur schwierig zu erfassende

Bauteil. Sie sei aus einzelnen Segmenten so zusammengesteckt,

daß die Stiele lediglich Druckkräfte übertragen können. Das

Tragverhalten der Rüststütze soll experimentell ermittelt

werden unter dem Gesichtspunkt, daß die Rüststütze im Rechen-

modell durch eine Steifigkeitsmatrix zu beschreiben ist. Es

sind also die Koeffizienten der Steifigkeitsmatrix durch ent-

sprechende Versuche zu bestimmen.

Da für die Traglast der Struktur im allgemeinen auch der

Nachtraglastbereich des Bauteiles von Bedeutung ist, sind die

Bauteilversuche bis in diesen Bereich auszuweiten. Die Experi-

mente können demnach nur weggesteuert durchgeführt werden.

Zunächst sind die folgenden Probleme zu klären:

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1-3

1.2 DAS STATISCHE PROBLEM

In statisch unbestimmten Tragwerken beeinflußt die Steifigkeit

der Bauteile die Verteilung der Zustandsgrößen. Während für

den linear-elastischen Bereich des Tragverhaltens die Verhält-

nisse der Bauteilsteifigkeiten zueinander konstant sind, ver-

ändern sich diese mit der Einwirkungsintensität X , wenn dasTragverhalten der Struktur nichtlinear ist.

Der berechnende Ingenieur benötigt für seine Untersuchung die

von den Schnitt- und Verschiebungsgrößen abhängigen, momen-

tanen Steifigkeitsmatrizen. Er muß festlegen, für welche Weg-

größenkombinationen diese zu ermitteln sind.

Dieses Problem erweist sich als unlösbar, wenn Bauteile inner-

halb des Tragwerkes nichtlineares Tragverhalten zeigen, oder

nichtlineares Verhalten für das experimentell zu untersuchende

Bauteil zu erwarten ist. Um eine zu untersuchende Weggrößen-

kombination angeben zu können, müssen die in der Lastge-

schichte vorangegangenen Schnitt- und Verschiebungsgrößen be-

kannt sein.

Eine rechnerische Untersuchung des Tragwerkes, bei der für das

experimentell zu untersuchende Bauteil geschätzte Steifig-

keiten angenommen und entsprechend variiert werden, gibt

lediglich Aufschluß über den Bereich, in dem die Wegrößen

einzuprägen sind.

Beispiel:

Die zweistielige Rüststütze im oben angeführten Beispiel ist

aus Segmenten zusammengesteckt. Aus Gründen der Übersichtlich-

keit werden bei den folgenden Betrachtungen Zustandsgrößen

senkrecht zur Stützenachse ausgeklammert.

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INTERAKTION

1-4

EXPERIMENT

Arbeitslinie eines Stieles

a N a Na u av

am ama u av K mmomentane Steifigkeitsmatrix

Bild 1.2. Zusammenhang zwischen Aktion, Reaktionund momentaner Steifigkeitsmatrix

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1-5

Annahmen:

Das Tragverhalten der Rüststütze wird ausschließ-

lich durch das Tragverhalten der Stiele bestimmt.

Beide Stiele weisen das gleiche, durch die

Arbeitslinie in Bild 1.2 beschriebene Tragver-

halten auf.

Im Experiment werden in der Stützenachse als Aktionsgrößen die

Verschiebungsgrößen u und v'eingeprägt und die Reaktionen

gemessen. Für unterschiedliche u,v'-Verhältnisse (Einwirkungs-

pfade) würde im Experiment der in Bild 1.2 aufgezeigte funk-

tionmäßige Zusammenhang zwischen der Normalkraft (Reaktion)

und den Verschiebungsgrößen u und v' (Aktion) ermittelt werden.

Der funktionsmäßige Zusammenhang zwischen Aktion und Reaktion

läßt sich mit den getroffenen Annahmen und dem Stielabstand

unmittelbar angeben.

Nur um die Normalkraftfläche, in Bild 1.2 durch drei Schnitte

dargestellt, zuverlässig beschreiben zu können, sind viele

Versuche notwendig. Die hinreichende Kenntnis dieser Fläche

für den möglichen Wertebereich der Verschiebungsgrößen ist

unabdingbar, da die gesuchte momentane Steifigkeitsmatrix Km

die Tangentialebene an die Fläche im momentanen Punkt P m ist.

Bedingt durch die statische Unbestimmtheit der Struktur ergibt

sich der Pfad zum Punkt P m in Abhängigkeit von der Einwir-

kungssteigerung und den in der Lastgeschichte vorangegangenen

Schnitt- und Verschiebungsgrößen erst im Verlauf der

Berechnung.

Die Anzahl der durchzuführenden Traglastversuche wächst über-

proportional mit den zu betrachtenden Zustandsgrößen (im

allgemeinen sechs Aktionsgrößen).

1.3 KONZEPT ZUR LöSUNG DES STATISCHEN PROBLEMS

Die aufwendige Ermittlung der Aktions-Reaktions-Flächen kann

entfallen, wenn rechnerische Untersuchung und Experiment zeit-

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1-6

lich parallel verlaufen. Die Einwirkungen auf die Struktur

werden inkrementell eingeprägt. Die aktuell, unter Zugrunde-

legung einer momentanen Steifigkeitsmatrix ermittelten Zu-

standsgrößen an der oder den Schnittstellen zwischen dem

experimentell zu untersuchenden Bauteil und der umgebenden

Struktur können als Steuerparameter dem Experiment übermittelt

werden. Aus den resultierenden Zustandsgrößen des Experimentes

bestimmt sich die momentane Steifigkeitsmatrix für den näch-

sten Rechenschritt.

Der Pfad der experimentell einzuprägenden Einwirkungen ergibt

sich dadurch zwangsläufig. Die Realisierung dieses wechsel-

seitigen Gespräches zwischen Simulation und Experiment um-

schreibt der Begriff KOMMUNIZIERENDE VERSUCHSTECHNIK.

1.4 DAS TECHNOLOGISCHE PROBLEM

Um die kommunizierende Versuchstechnik praktisch verwirklichen

zu können, bedarf es zuvor einer Prüfmaschine, mit der einem

Prüfkörper (Bauteil) beliebige und beliebig veränderbare Rand-

bedingungen (Verschiebungsgrößen) eingeprägt werden können.

Mit heutigen Prüfmaschinen lassen sich nur homogene Randbe-

dingungen unmittelbar einstellen, d.h. Kraft- oder Weggrößen

nehmen am Prüfkörperrand einen Wert an, der in Abhängigkeit

von der Qualität der Lager und Einspannvorrichtungen, mehr

oder weniger gegen den anzustrebenden Wert Null geht. Die

Einschränkung, ausschließlich nur homogene Randbedingungen

versuchstechnisch einfach realisieren zu können, liegt im

Konstruktionsprinzip der Prüfmaschinen begründet. Konventio-

nelle Prüfmaschinen bestehen im wesentlichen aus zwei Ruf-

spannplatten, die parallel zueinander gegeneinander ver-

schiebbar sind. Die Wirkungsweise und die Grenzen von konven-

tionellen Prüfmaschinen ist in Bild 1.3 am Beispiel eines

stabartigen Prüfkörpers aufgezeigt. Steuerparameter sind die

Prüfkörperstauchung u und der Stabenddrehwinkel v.

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u#0 u#0b) v'$0 c) v'40

1-7

Bild 1.3. Konstruktionsprinzip und Wirkungsweise

konventioneller Prüfmaschinen

Die homogene Randbedingung v'=0 ist technisch einfach durch

Einspannen des Prüfkörpers in die Aufspannebene zu realisieren

(Bild 1.3 a).

Die inhomogene Randbedingung v'#0 läßt sich durch exentrische

Lasteinleitung in den Prüfkörper verwirklichen, wobei v'einen

Wert in Abhängigkeit von der Stabstauchung u, der Exzentrität

e, der Stabsteifigkeit und der Lagerreibung (Bild 1.3 b)

annimmt.

Um gezielt einen Winkel v' unabhängig von der Stabstauchung u,

einstellen zu können, bedarf es zusätzlicher Belastungs-

einrichtungen, in Bild 1.3 c durch einen Zylinder angedeutet,

die zum einen konstruktiv aufwendig und in der Regel nur für

einen Versuchstyp verwendbar sind.

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1-8

1.5 KONZEPT ZUR LöSUNG DES TECHNOLOGISCHEN PROBLEMS

Das Lösungskonzept beschränkt sich auf stabartige Prüfkörper,

allgm. Bauteile, die so aus der Konstruktion herauszuschneiden

sind, daß für die Schnittflächen die Bernoulli-Hypothese vom

Ebenbleiben der Querschnitte als erfüllt angesehen werden

darf.

1.5.1 Idee einer Prüfmaschine

In Anbetracht der statischen und geometrischen Analogie können

die kinematischen Randbedingungen eines Bauteiles durch

Einprägen der äquivalenten Kraftgrößen, entsprechend die

statischen Randbedingungen durch Einprägen der äquivalenten

Weggrößen realisiert werden.

Damit ist durch eine gezielte Translation und Rotation der

Schnittebenen im Raum jede Randbedingung realisierbar. Die

Ebenenbewegungen lassen sich mechanisch im begrenzten Rahmen

dadurch verwirklichen, daß die jeweilige Schnittebene des

Prüfkörpers starr auf eine "unendlich" biege- und dehnsteife

Platte aufgespannt wird, deren Lage im Raum durch hydraulische

Zug-Druck-Zylinder verändert wird.

Da die Zug-Druck-Zylinder bei einer Lageveränderung der Platte

sich gegenseitig beeinflussen, stellt sich die Bewegung der

Platte als komplexer arithmetischer Ausdruck dar. Die Bewegung

der Platte, also die Steuerung und Regelung der Zylinder, und

die Überwachung bezüglich unzulässiger Grenzzustände ist nur

durch den Einsatz eines Rechners zu gewährleisten.

1.5.2 Konstruktionsprinzip der Prüfmaschine

Bild 1.4 zeigt das Konstruktionsprinzip der neuartigen

Prüfmaschine. Die Darstellung und die folgenden Ausführungen

beschränken sich auf den ebenen Fall.

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KONSTRUKTIONSELEMENTE

A AufspannplatteT Tragkonstruktion

IPendelstab

iZug - Druck- Zylinder

MESS - SYSTEME

m; KolbenauszugslängeI; RelativverschiebungS i Kraftgröflen

1-9

Die Prüfmaschine besteht aus zwei Platten mit den Aufspann-

ebenen für den Prüfkörper. Die jeweilige Aufspannebene ist mit

der Tragkonstruktion statisch bestimmt durch drei Pendel ver-

bunden. Entsprechend den drei Freiheitsgraden in der Ebene

Bild 1.4. Konstruktionsprinzip der Prüfmaschine

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1-10

sind drei Pendelstäbe durch Zug-Druck-Zylinder (Pendelstäbe

mit veränderbarer Länge) ersetzt.

Die Steuerung und Regelung der Zylinder bedarf des ständigen

Vergleichs von Soll- und Istwerten, d.h. die Kolbenauszugs-

längen m i der Kolben werden kontinuierlich gemessen (Istwerte)

und den errechneten Sollwerten gegenübergestellt und vorhan-

dene Differenzen ausgeregelt.

Um störende Einflüsse, wie z.B. Reibung und Schlupf in den

Anschlüssen der Pendel an die Platte, aus der Ermittlung der

Zustandsgrößen für den Prüfkörper zu eliminieren, werden die

Zustandsgrößen nicht aus denen der Zug-Druck-Zylinder bestimmt

sondern mit gesonderten Meßsystemen erfaßt.

Zur Bestimmung der Verschiebungsgrößen sind zwischen den Auf-

spannebenen teleskopartige Meßpendel angeordnet, mit denen die

gegenseitige Lageveränderung der Aufspannebenen bestimmt wird.

Die relativen Weggrößen (kinematischen Randbedingungen des

Prüfkörpers) ergeben sich so in Abhängigkeit von der Längenän-

derung (l i ) der Meßpendel.

Die Kraftgrößen (statischen Randbedingungen des Prüfkörpers)

werden mit einem speziell entwickelten Meßsystem in der

unteren Aufspannebene erfaßt und für die obere Ebene aus

Gleichgewichtsbedingungen berechnet.

Durch die Anordnung der Meßsysteme ist die "Maschinensteifig-

keit" bedeutungslos. Die Tragkonstruktion der Aufspannebenen

kann im Vergleich zu konventionellen Prüfmaschinen weich sein.

Da mit dem neuen Prüfmaschinentyp das Tragverhalten von Bau-

teilen im Nachtraglastbereich untersucht werden soll, sind die

Führungsgrößen im Regelprozeß Weggrößen. Die statischen Rand-

bedingungen sind durch die entsprechenden Weggrößen zu sub-

stituieren. Übertragungsfunktion ist die momentane Prüfkörper-

steifigkeit.

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1.5.3 Kinematik der Prüfmaschine

Den Bewegungsablauf der Prüfmaschine für zwei unterschiedliche

kinematische Randbedingungen verdeutlichen die Bilderfolgen

1.5 und 1.6. Entsprechend den gewünschten kinematischen Rand-

bedingungen sind die Kolbenauszugslängen einzustellen.

Bei einer Verkürzung des beidseitig eingespannten Prüfkörpers,

inhomogene Randbedingungen u#0, v=0 und v'=0, sind die Auf-

spannebenen lotrecht gegeneinander zu verfahren (Bild 1.5).

Dabei ist zu beachten, daß die Bewegung kinematischen Zwängen

unterliegt. Die Anlenkpunkte der Festpendel können sich nur

auf Kreisbahnen, im räumlichen Fall auf Kugelbahnen bewegen.

Bild 1.6 zeigt den Bewegungsablauf für die kinematischen Rand-

bedingungen u#0, v=0, 40. Die Verdrehung kann z.B. so einge-stellt werden, daß die Biegemomente an den Prüfkörperenden

gleich Null sind. Dieser Fall entspräche den statischen Rand-

bedingungen eines beidseitig gelenkig gelagerten Prüfkörpers.

Der einzustellende Sollwert v'für das jeweilig folgende Ein-

wirkungsinkrement bestimmt sich dabei über die momentane, aus

gemessenen Zustandsgrößen ermittelte Steifigkeitsmatrix.

1.5.4 Zustandsgrößenregelung

Da letztlich alle Randbedingungen durch äquivalente Kolbenaus-

zugslängen oder präziser durch den Ölfluß in den jeweiligen

Zug-Druck-Zylinder zu beschreiben sind, ist zum Betrieb der

Prüfmaschine eine umfangreiche Regelung zu entwickeln. Diese

Regelung wird im folgenden Zustandsgrößenregelung benannt.

Die Zustandgrößenregelung gleicht einer dreistufigen Kaskaden-

regelung. Im innersten Regelkreis werden die einzustellenden

Kolbenauszugslängen analog geregelt. Im mittleren Regelkreis

werden die kinematischen Randbedingungen in äquivalente einzu-

stellende Kolbenauszugslängen umgerechnet, ein iterativer

Prozeß, da die Transformationsbeziehungen zwischen der je-

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Bild 1.5. Kinematik fur die Randbedingungen u$O, v=0 und v1=O

Bild 1.6. Kinematik fur die Randbedingungen u#D, v~U und 1/40

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1-13

weiligen Kolbenauszugslänge und den kinematischen Randbeding-

ungen nichtlinear sind. Im äußeren Regelkreis werden iterativ

über die momentane Prüfkörpersteifigkeit die statischen

Randbedingungen in die entsprechenden kinematischen umgesetzt.

Diese Regelung ist nur in Verbindung mit einem Rechner und bei

vollständig automatisiertem Versuchsablauf zu realisieren.

1.6 DAS RECHENTECHNISCHE PROBLEM

Um das Tragverhalten der den Prüfkörper umgebenden Struktur

wirklichkeitsnah zu simulieren (vg1.1.3), ist es notwendig

strukturmechanische Rechenmodelle in Programme für die zur

Verfügung stehende Rechenanlage (Minicomputer) umzusetzen. Die

Programme müssen die Kommunikation, d.h. den Datenaustausch

zwischen Strukturberechnung und dem zeitlich parallel ver-

laufenden Experiment, ermöglichen.

1.7 RECHENTECHNISCHES LÖSUNGSKONZEPT

Mit Rechenmodellen nach der Methode der Finiten Elemente kann

das lineare und nichtlineare Tragverhalten vielfältiger Struk-

turen wirklichkeitsnah beschrieben werden. In ein einmalig zu

erstellendes Grundprogramm werden problemgerechte Elementtypen

auf der Diskretisierungsgrundlage des Weggrößenverfahrens und

des gemischten Verfahrens implementiert. Die Einwirkungen sind

der Struktur inkrementell einzuprägen.

Zwei miteinander verknüpfte Rechner steuern den Ablauf eines

kommunizierenden Versuches. Ein Rechner (Experimentrechner)

steuert und überwacht die Prüfmaschine und bestimmt u.a. aus

Meßdaten die Zustandsgrößen für die Aufspannebenen des Prüf-

körpers, die den Schnittebenen zwischen experimentell unter-

suchtem Bauteil und der umgebenden Struktur entsprechen. Die

Verschiebungsgrößen sind für das Experiment Istwerte der Rand-

bedingungen und für die Struktur Istwerte der übergangsbe-

dingungen.

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Der zweite Rechner (Strukturrechner) greift diese Zustands-

größen auf und ermittelt aus ihnen die momentane Steifig-

keitsmatrix für das experimentell untersuchte Bauteil. Unter

Einbeziehung der momentanen Steifigkeitsmatrix simuliert ein

FEM-Programm im Strukturrechner das Tragverhalten der Struktur

unter der aktuellen Einwirkung. Die berechneten Zustandsgrößen

sind die Sollwerte für die Schnittebenen.

Für die das Experiment steuernden Verschiebungsgrößen werden

die Differenzen zwischen Soll- und Istwerten bestimmt und dem

Experimentrechner übermittelt. Korrekturzyklen regeln im

Rahmen der gewünschten bzw. der im Experiment einstellbaren

Genauigkeit die Differenz zwischen Soll- und Istwerten aus.

Danach wird der Struktur das folgende Einwirkungsinkrement

eingeprägt.

1.8 ZIELSETZUNG DER VORLIEGENDEN ARBEIT

Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Entwicklung von

Bausteinen zur Verwirklichung der "kommunizierenden Versuchs-

technik", dem Dialog zwischen theoretischer, im Rechenmodell

simulierter immaterieller Gesamtstruktur, und dem im zeitlich

parallelen Versuch überprüften materiellen Abschnitt aus der

Gesamtstruktur.

1.9 BAUSTEINE DER KOMMUNIZIERENDEN VERSUCHSTECHNIK

1.9.1 Rechnergestützte Prüfanlage

Da der Versuchsablauf vollständig zu automatisieren ist, sind

rechnergestütze Prüfanlagen und die dazugehörigen Betriebs-,

Meß- und Steuerprogramme zu entwickeln. Kapitel 2 behandelt

eine Pilotanlage und die rechnergestütze Versuchsabwicklung.

Am Beispiel des Forschungsvorhabens "Statische Streckgrenze"

wird in Kapitel 3 die Anwendung gezeigt.

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1-15

1.9.2 Simulation der Prüfmaschine

Um die Funktion der Zustandsgrößenregelung zuverlässig über-

prüfen zu können, wird in Kapitel 4 die Wirkungsweise der

Prüfmaschine und das Tragverhalten des Prüfkörpers im Experi-

mentrechner durch ein in ein entsprechendes Programm umge-

setztes Rechenmodell simuliert, da nur so das Prüfkörperver-

halten zu reproduzieren ist.

1.9.3 FEM- Programmsystem für Minicomputer

Das lineare und nichtlineare Tragverhalten der Struktur wird

durch ein FEM-Programm simuliert. Im experimentellen Bereich

des Inst. f. Stahlbau stehen Rechner in der Größenordnung

eines Personalcomputers zur Verfügung. Für diese Rechner wird

in Kapitel 5 ein Grundprogrammsystem entwickelt. Anhand von

zwei Beispielen wird die Anwendung des Programmsystems in

Kapitel 6 aufgezeigt.

1.9.4 Kommunizierende Versuchstechnik

Die Strategie der kommunizierenden Versuchstechnik wird in

Kapitel 7 entwickelt. Für die Funktionsprüfung des Verfahrens

ist es irrelevant, ob die Eingangsgrößen gemessen oder er-

rechnet werden. Deshalb wird im Rahmen der Anwendung der

Bauteilversuch im Experimentrechner simuliert.

Die Anwendung der kommunizierenden Versuchstechnik wird in

Kapitel 8 am Beispiel eines Durchlaufträgers aufgezeigt, für

den ein Abschnitt experimentell zu untersuchen ist. Das

Rechenmodell, das die immaterielle Struktur beschreibt, be-

rücksichtigt Nichtlinearitäten des Werkstoffverhaltens und der

Geometrie.

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2-1

2 RECHNERGESTÜTZE PRÜFANLAGE

Im Rahmen der kommunizierenden Versuchstechnik ist der Ver-

suchsablauf vollständig zu automatisieren. Mit der Absicht

Erfahrung auf dem Sektor rechnergestütze Versuchabwicklung zu

gewinnen und die zum Betrieb der neuartigen Prüfmaschine not-

wendige Soft- und Hardware umfassend austesten zu können,

wurde am Institut für Stahlbau zunächst eine freiprogrammier-

bare Prüfanlage als Pilotanlage entwickelt.

Für den Betrieb, d.h. die Regelung einer rechnergestützen

Prüfanlage ist die kontinuierliche Meßdatenerfassung und deren

simultane Auswertung (Meßwertanalyse) unabdingbar.

2.1 MESSTECHNIK

Die Elementaraufgabe der Meßtechnik besteht im Erfassen von

physikalischen Größen und deren Betrages in Form von Meß-

werten. Bei der Meßwerterfassung kommt im experimentellen

Bereich des konstruktiven Ingenieurbaues der Elektrotechnik

eine wesentliche Aufgabe zu, da die mechanischen Größen über-

wiegend elektrisch gemessen werden. Die Veränderungen elek-

trischer Größen wie Strom, Spannung und elektromagnetisches

Feld werden als Meßwerte interpretiert. Dazu ist es notwendig,

die nichtelektrischen physikalischen Größen wie Druck, Kraft,

Weg, Temperatur etc. elektrisch abzubilden. Diese Abbildung

beschreibt der Begriff Sensortechnik, die sich dazu einer

Vielzahl physikalisch-elektrischer Effekte bedient.

Für wenige Meßstellen ist es denkbar, die elektrischen Meß-

werte kontinuierlich mittels x-y-Schreiber aufzuzeichnen,

wobei die x-Achse der Zeit und die y-Achse dem Meßwert ent-

spricht. Die Meßwertauswertung bedarf der Digitalisierung des

x-y-Schriebes, ein aufwendiges Unterfangen. Demzufolge liegt

es nahe, die analogen Signale der Sensoren unmittelbar digital

darzustellen. Diese Aufgabe übernehmen Analog-Digital-Um-

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setzer, die jedem der in dichter Folge herausgegriffenen Ana-

logwerte einen im allgemeinen binären Zahlenwert zuweisen. Um

viele Meßstellen innerhalb einer Prüfanordnung mit vertretba-

rem Meßgeräteaufwand zu erfassen, stehen manuelle und automa-

tische Meßstellenumschalter (Multiplexer) zur Verfügung. Al-

phanumerische Anzeigen stellen die digitalen, elektrischen

Meßwerte dar, Magnetbänder, etc. dienen zu deren Speicherung.

Der Vorteil dieser Meßdatenerfassung liegt in der weitaus

schnelleren und zuverlässigeren Meßwertregistrierung in digi-

taler Darstellung des elektrischen Meßwertes. Die Registrie-

rungsdichte der Einzelmeßwerte erweist sich jedoch als zufäl-

lig, da die Meßwertaufzeichnung allgemein manuell ausgelöst

wird. Die digitalen elektrischen Meßwerte sind unter Einbe-

ziehung der Eichfaktoren für die verschiedenen Komponenten der

Meßkette und der Nullmessung in pysikalischen Meßwerte umzu-

rechnen. Umständliche Plausibilitätskontrollen, fehlende

exakte Zuordnung Zeit-Messung und die zeitlich versetzte Aus-

wertung der Meßwerte bleiben als schwerwiegendes Manko be-

stehen.

2.2 EINSATZ VON MIKROCOMPUTERN IN DER MESSTECHNIK

Für den Betrieb, d.h. Regelung der Bauteilprüfmaschine ist

eine kontinuierliche Meßwerterfassung und simultane Auswertung

(Meßwertanalyse) unabdingbar. Obige Meßverfahren sind damit

ausgeschlossen.

Die technische Entwicklung der Mikroelektronik ermöglicht den

Einsatz von Mikrocomputern in der Meßtechnik in Form von

rechnergestützter Versuchsdurchführung oder CAT (Computer

Aided Testing). Dieser Begriff beschreibt den Einsatz des

Mikrocomputers in allen Phasen des Versuches:

- Versuchsaufbau - Meßdatenerfassung

- Versuchssteuerung - Darstellung der Ergebnisse

- Erstellung des Berichtes - Archivieren der Meßdaten

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Querhaupt

Kraft mefldose

Führung

Druckplatte

Führung

—Querhaupt

Zug/ Druckzylinder

Wegaufnehmer W 100

Wegaufnehmer W 10

2-3

Zur Erzielung einer größtmöglichen Fehler- und Bedienungssi-

cherheit ist es zweckmäßig, einerseits den Mikrocomputer als

feste Komponente in die Prüfanlage zu integrieren, anderer-

seits die Abläufe an der Prüfanlage weitgehenst zu automati-

sieren. Die dennoch erforderlichen Angaben und Einstellwerte

müssen vom Anwender im Dialog erfragt und auf Fehler überprüft

werden. Bedingt durch den Ausschluß subjektiver und willkürli-

cher Einflüsse bei der Versuchsabwicklung ist eine weitaus

höhere Meßgenauigkeit und Reproduzierbarkeit des Versuches zu

gewährleisten. Um diesen Anforderungen von CAT gerecht zu

werden, bedarf es umfangreicher Software-Entwicklungen.

2.3 PILOTANLAGE

Die wesentlichen mechanischen Merkmale der Pilotanlage sind

dem Bild 2.1 zu entnehmen; eine Übersicht der Prüfanlage zeigt

Bild 2.2.

Bild 2.1. Mechanische Merkmale der Pilotanlage

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2-4

Line -Printer

Magnet-Speicher

Bild 2.2. Rechnergestützte Prüfanlage

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2-5

2.4 DATENBANK

Die bisherigen experimentellen Untersuchungen sind quasi als

"Insellösungen" anzusehen. Für jeden Experimenttyp wurden z.B.

versuchstechnischerseits die Eichfaktoren innerhalb einer

Meßkette individuell bestimmt und zur Auswertung der Meßdaten

spezielle Programme entwickelt. Um den Einsatz des Mikrocompu-

ters über möglichst viele Phasen des Versuchsablaufs zu er-

möglichen, ist bei neuen programmtechnischen Entwicklungen die

Vereinigung der bestehenden und neuen zu Programmketten zu

beachten. Die wesentliche Voraussetzung dafür ist die Entwick-

lung von einheitlichen und anwendungsunabhängigen Datenstruk-

turen (Datenbank). Im Gegensatz zur Datenhaltung in getrennten

Dateien sind in der Datenbank die Daten für alle Anwendungen

nur einmal gespeichert /1,2/.

iDatei bearbei tungsprogramm

- Eingabe - Löschen

- Andern - Ausgabe

CGrafik-Programm)

Aufnehuer-Dateien..

- Kraftmessung TextdateiCEichprogramm - Wegmessung

- Dehnungsmessung ( Statist ik-Programm

\)

Prüfprogramm Prüfdatei Steuerdatei CSortier-Programm )

- Versuchssteuerung- Me Es tell en besch re bung

CTextsystem- Meßwerterfassung

- Metwer tausga be

Me Ewer tdatei l

Bild 2.3 Schematische Darstellung der Datenbank

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2-6

Ein Datenbanksystem verwaltet den gemeinsamen Datenbestand

mittels einer speziell entwickelten "Datenfunktionssprache".

Den Zugang aller Anwenderprogramme zur Datenbank ermöglichen

standardisierte Unterprogramme.

2.5 VERSUCHSAUFBAU-VERSUCHSVORBEREITUNG

Abgesehen von dem mechanischen Einbau des Prüfkörpers in die

Prüfanlage besteht der Versuchsaufbau darin, die Meßaufnehmer

(Sensoren) am Prüfkörper und der Prüfanlage zu installieren

und mittels nachgeschalteter Signalverstärker, Analog-Digital-

Umsetzer (ADU) 1) , etc. dem Mikrocomputer zu übermitteln. Der

funktionale Zusammenhang zwischen dem elektrischen Meßwert des

Sensors und dem physikalischen Meßwert wird durch den Gesamt-

eichfaktor der Meßkette, als Produkt der einzelnen Eichfakto-

ren E i ihrer Komponenten beschrieben.

E gesamt - E Sensor • E Verstärker .E Analog/Digital-Umsetzer

Für den Sensor wird in der Regel der Zusammenhang zwischen

physikalischem und elektrischem Meßwert im jeweiligen Einsatz-

bereich durch lineare Regression hinreichend genau beschrie-

ben. Allgemein sind drei Einsatz- und damit drei Eichbereiche

vorgesehen. Entsprechend ergeben sich für die Meßverstärker in

Abhängigkeit vom gewählten Arbeitsbereich Eichfaktoren inner-

halb von Bereichsgrenzen.

Die für den experimentellen Einsatz relevanten Kenngrößen sind

für die Gesamtheit der zur Verfügung stehenden Sensoren, Ver-

stärker und Analog-Digital-Umsetzer in der Datenbank erfaßt.

Die Aktualisierung der gegebenenfalls zeitlich veränderlichen

Eichfaktoren erfolgt systematisch oder bei Bedarf mittels

Eichprogramm.

1) Die Analog-Digital- bzw. Digital-Analog- Umsetzer arbeiten auf der Basisvon 12 BIT Horten und 10 Volt, d.h. 10 Volt werden in 4096 Digitalwerteumgesetzt.

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2-7

Dem Anwender steht damit ein Katalog der vorhandenen Meßein-

richtung zur Verfügung, aus dem er die jeweiligen Meßketten

für sein Problem zusammenstellt. Die Zusammenführung der ein-

zelnen Komponenten und deren charakteristischen Informationen

zu Meßketten erfolgt durch ein Dialogprogramm. Aus den

einzelnen Eichfaktoren und deren Gültigkeitsgrenzen bestimmt

sich der Gesamteichfaktor und dessen Gültigkeitsbereich. Es

besteht die Möglichkeit, die jeweilige Meßkette individuell zu

modifizieren und zu benennen.

Bild 2.4 zeigt exemplarisch am Beispiel einer Wegaufnehmermeß-

kette die gespeicherte Information, wie sie sich dem Benutzer

am Dialoggerät darstellt und für das Prüfprogramm innerhalb

der Prüfdatei bereitsteht.

1. NR. DER MESS-STELLE 62. KRAFT = 1, WEG= 2, DEHNUNG =3,ZEIT=4 23. KANAL-NR 104. MIN E-BER.GRENZE *** El *** -5.000 E 0 MM5. MAX EBER. GRENZE *** El *** 5. 000 E 0 MM6. EICHFAKTOR *** E1 *** 25.300 E-3 MM7. MIN E-BER.GRENZE *** E2 *** -50.000 E 0 MM8. MAX E-BER.GRENZE *** E2 *** 50.000 E 0 MM9. EICHFAKTOR *** E2 *** 253.000 E-3 MM10. MIN E-BER. GRENZE *** E3 *** -50.000 E 0 MM11. MAX E-BER.GRENZE *** E3 * AA 50.000 E 0 MM12. EICHFAKTOR *** E3 *** 253.000 E-3 MM13. SCHWELLWERT ** DISK ** 10.000 E-3 MM14. SCHNELLWERT ** DISP ** 500.000 E-3 MM15. SCHHELLHERT *A PRIN ** 1.000 E 0 MM16. SCHHELLHERT ** TEKT ** 0.000 E 0 MM17. SCHNELLWERT ** XYPL ** 500.000 E 0 MM18. MIN ERWARTETER WERT -25.000 E 0 MM19. MAX ERWARTETER WERT 45.000 E 0 MM

Bild 2.4. Beschreibung einer Wegaufnehmermeßkette

Im Beispiel ist die Meßkette 6 physikalisch mit dem Kanal 10

der Meßanlage verknüpft. Für die anstehende Meßaufgabe sind

zwei unterschiedliche Eichbereiche El und E2=E3 mit den

Grenzen + 5 mm bzw. +50 mm vorgesehen. Der sogenannte Eich-

faktor Egesamt multipliziert mit dem digitalen Meßwert ergibt

den physikalischen Meßwert. Die Schwellwerte werden im Zusam-

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2-8

menhang mit der Meßwerterfassung erläutert. Der minimale und

maximale erwartete Wert beschreiben den Bildrand bei einer

graphischen Meßwertaufzeichnung.

2.6 MESSDATENERFASSUNG

Die Verknüpfung der Meßketten mit dem Mikrocomputer ermöglicht

die kontrollierte und gleichzeitige Erfassung und Darstellung

von physikalischen Meßwerten auf unterschiedlichen Medien,

siehe Bild 2.2.

Der Meßdatenerfassung liegt folgende Strategie zugrunde: Die

Summe der Meßwerte, ergänzt um die vom Mikrocomputer generier-

te relative Uhrzeit, wird als Meßwertkollektiv aufgefaßt. Das

Meßprogramm nimmt kontinuierlich, also mit der programmbeding-

ten Zykluszeit, dieses Kollektiv auf. Für jedes periphere

Medium besteht für den Anwender die Möglichkeit, das Meßwert-

kollektiv gesondert zu behandeln. Durch Zuordnung von Kennzif-

fern wird der Rang der jeweiligen Meßkette für das jeweilige

Medium festgelegt, es bedeutet die Kennziffer:

0 eine Aufzeichnung des Meßwertes entfällt,

1 der Meßwert wird aufgezeichnet und

2 die Meßkette hat den Rang einer Leitmeßkette.

Leitmeßketten, verbunden mit einem frei wählbaren Schwellwert,

steuern die Aufzeichnungsdichte der Meßwerte auf dem betref-

fenden Medium (Meßwertanalyse). Überschreitet die absolute

Differenz zwischen dem bereits dargestellten und dem aktuellen

Meßwert einer Leitmeßkette den zugehörigen Schwellwert, löst

diese eine weitere Aufzeichnung des Meßwertkollektives aus,

wobei nur Meßwerte von Meßketten mit dem Rang größer Null

durch die angesprochene Peripherie behandelt werden. Die Defi-

nition der in der Prüfanlage eingesetzten Peripherie und der

ihr zugeordneten Meßketten, so wie deren Rang, erfolgt durch

ein Dialogprogramm.

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Die beschriebene Vorgehensweise gewährleistet eine der je-

weiligen Meßaufgabe angepaßte Informationsdichte. Durch die

Darstellung der Meßwerte als physikalische Werte sind,

speziell im Fall der graphischen Ausgabe, unmittelbar Plausi-

bilitätskontrollen durchführbar.

Das Meßprogramm (vgl. Bild 2.5) enthält die Programmsegmente:

- Nullmessung,

- Kontinuierliche Messung,

- Eichbereichsumschaltung und

- Meßkettenanullierung.

Die Nullmessung bestimmt den Ausgangszustand des Prüfkörpers

und ist die Bezugsmessung für die Meßwertveränderungen. Die

kontinuierliche Messung ist der Regelfall der Meßwerterfas-

sung. Eine Unterbrechung erfolgt nur bei manuell auszuführen-

den Umschaltvorgängen oder Benutzereingriff. Die Eichbereichs-

umschaltung ist abhängig vom Signalverstärker programmtech-

nisch oder mit zusätzlichem manuellen Eingriff ausführbar.

Anschließend wird die Meßwerterfassung fortgesetzt. Die Meß-

kettenanullierung dient der Elimination von ausgefallenen und

damit ständig Eichbereichüberschreitung signalisierender Meß-

ketten.

Anzumerken bleibt die von der Versuchssteuerung unabhängige

Anwendbarkeit des Meßprogrammes und die Sammlung der physika-

lischen Meßwerte in der Datenbank. Für ständig wiederkehrende

Experimente z.B. Materialproben werden Standarddateien vorge-

halten.

2.7 VERSUCHSSTEUERUNG-VERSUCHSREGELUNG

Abgesehen von der Tatsache, daß jede Meßgröße als steuernder

Parameter verwendbar ist, gelangen im experimentellen Bereich

des konstruktiven Ingenieurbaus im wesentlichen nur die Kraft-

und Weggrößensteuerung zum Einsatz. Dabei gewinnt die Weg-

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Meßstellenbeschreibung einlesen

Steuer- Regelparameter aus Prüf-

datei einlesen

Peripherie initialisieren

maßgebende Regelgröße schalten

2-10

Meßbereichsüberschreitung ?

Eichbereichsüberschreitung ?

Schwellwert der jeweiligen

Peripherie überschritten ?

neues Snllwertintervall ?

Bild 2.5. Flußdiagramm des Meß- und Steuerprogrammes

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s (mm]F (kW£ (µm)

--- Abgleichen(Sollwert _ Ist wert) 600 t(secl

t lec]

Bild 2.6. Werte und Graph des STEUERPARAMETER-ZEIT-DIAGRAMMES

2-11

1. ARBEITSLINIEN-TYP NR 72. ANZAHL DER INTERVALLE 63. REGELOROESSE 1 KRAFT=1, WEOa2, DEHN. =3: - 24. ZEITSPANNE 100 SEC5. INTERVALLWEITE 15 MM6. ANZAHL DER REGELSCHRITTE 507. . MESSWERTAENDERUNOEN ABWARTEN J o t N=0.: 0B. REOELOROESSE 2 KRAFT-I, WEG=2, DEHN.=3: 39. ZEITSPANNE 75 SEC

10. INTERVALLWEITE -500 MD11. ANZAHL DER REGELSCHRITTE 10012. MESSWERTAENDERUNCEN ABWARTEN J=1 N=0.: 013. REOELGROESSE 3 KRAFT-1, WE0 =2, DEHN. =3: 314. ZEITSPANNE • 600 SEC15. INTERVALLWEITE 0 MD16. ANZAHL DER REGELSCHRITTE 30017. MESSWERTAENDERUNCEN ABWARTEN J=1 N=0.: 118. REOELGROESSE 4 KRAFT=1,WEC=2,DEHN.=3: 119. ZEITSPANNE • 50 SEC20. INTERVALLWEITE 2 KN21. ANZAHL DER REGELSCHRITTE 2522. MESSWERTAENDERUNCEN ABWARTEN J=1 N=0.: 0

-500

t lsecl

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2-12

größensteuerung im Hinblick auf Untersuchungen im Nachtrag-

lastbereich zunehmend an Bedeutung.

Die Versuchssteuerung besteht in der Festlegung des zeitlichen

Verlaufes des Sollwertes für den steuernden Parameter, be-

schrieben durch ein Steuerparameter-Zeit-Diagramm. Bild 2.6

zeigt exemplarisch für ein Diagramm die in der Steuerdatei

niedergelegte Information.

Das globale Steuerparameter-Zeit-Diagramm entsteht durch An-

einanderhängen von bis zu zehn Steuerintervallen. Bei einem

Steuerparameterwechsel wird automatisch "abgeglichen", d.h.

beim Wechsel stimmen Soll- und Istwert des Steuerparameters

überein, die Regeldifferenz ist gleich Null. Innerhalb eines

Steuerintervalles bleibt der Steuerparameter gleich. Das In-

tervall selbst gliedert sich in Regelschritte. Durch die Digi-

talisierung des Steuerparameter-Zeit-Diagrammes bedingt,

approximiert innerhalb eines Regelschrittes eine Treppenfunk-

tion den vorgegebenen Verlauf. Nach jedem Regelschritt wird

das Meßprogramm durchlaufen.

Im Zusammenhang mit träge verlaufenden Meßwertveränderungen,

deren zeitliche Entwicklung nicht vorhersehbar ist, z.B. bei

der Messung von Kriechvorgängen, besteht seitens der Versuchs-

steuerung die Möglichkeit, die im Steuerparameter-Zeit-Dia-

gramm vorgegebenen Haltezeiten von der Meßwertveränderung

abhängig zu gestalten. Solange innerhalb eines vorgegebenen

Zeitintervalles keine signifikante Meßwertveränderungen zu

verzeichnen sind, wird die Haltezeit ausgedehnt. Die Steuer-

diagramme sind in der Datenbank niedergelegt und können mit

einem Dialogprogramm bearbeitet werden.

Die Versuchsregelung beschreibt den folgenden Ablauf, siehe

Bild 2.2. Der Mikrocomputer generiert zum jeweiligen Zeitpunkt

gemäß dem vorgegebenen Steuerdiagramm oder in Abhängigkeit von

der Änderung der Meßwerte einen digitalen Sollwert. Nach der

digital-analogen Umsetzung und dem ständigen Vergleich des

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2-13

gemessenen analogen Ist- und Sollwertes wird die vorhandene

Abweichung als Regeldifferenz einem PID-Regler 1} zugewiesen,

der entsprechende Aktoren, hier Servoventil und hydraulischer

Zug-Druck-Zylinder (Regelstrecke), so ansteuert, daß die Re-

geldifferenz zu Null wird. Dabei kommt der Reaktion des Prüf-

körpers die regeltechnische Bedeutung einer Störgröße zu.

Versuchstechnisch erweist es sich als sinnvoll, die Messung

der Zustandsgrößen erst nach Abschluß der Regelaktivitäten

vorzunehmen, demzufolge ist eine kontinuierliche Veränderung

des Sollwertes durch eine Treppenfunktion zu ersetzen.

Die Kombination von Meß- und Steuerprogramm ergibt das Prüf-

programm, das den automatischen Versuchablauf gewährleistet.

2.8 DARSTELLUNG DER MESSERGEBNISSE

Dialogfähige Programme ermöglichen eine problemlose tabellari-

sche und graphische Darstellung der physikalischen Meßwerte,

wobei beliebige Meßpunkte aus beliebigen Versuchen zusammenge-

faßt werden können. Eine weitgehend variable Beschriftung der

Tabellen und Von-Bis-Messung-Ausgaben in Schritten von n Mes-

sungen führen zu versuchsberichtgerechter, alphanumerischer

Wiedergabe der Meßwerte.

Entsprechendes gilt für die graphische Darstellung in standar-

disierten Bildern, wobei Achsenbezeichnung und Bildunter-

schriften weitgehend frei gestaltbar sind. Durch Multiplika-

tion mit einem Verzerrungsfaktor und Addition einer Konstanten

können Meßwerte unterschiedlicher Dimension in einem Bild

zusammengestellt werden. Weiterhin besteht die Möglichkeit,

Bildausschnitte vergrößert abzubilden (Lupenfunktion).

" Der eingesetzte Universal-Regler hat einen individuell einstellbarenP(proportional)-, I(integral)- und D(differenzier)-Anteil. Die Ein-stellung der Arbeitspunkte der P,I,D-Anteile erfolgt durch Beschaltenmit RC-Netzwerken.

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2-14

Sowohl die alphanumerische als auch die graphische Ergebnis-

darstellung kann alternativ auf dem Bildschirm oder Drucker

erfolgen. Durch die weitgehend anwenderunabhängige Daten-

struktur zeigen sich weiterführende Meßwertanalysen, z.B.

statistische Untersuchungen der Meßergebnisse einer Versuchs-

serie, als problemlos.

2.9 DOKUMENTATION UND ARCHIVIERUNG DER MESSERGEBNISSE

Ein Textsystem, hier WORDSTAR, erlaubt die zügige Erstellung

des Versuchsberichtes, zumal sich häufig der Arbeitsaufwand

durch Übernahme von ganzen Abschnitten aus bereits vorhandenen

Versuchsberichten bei geringfügigen Änderungen beträchtlich

reduziert.

Magnetbänder und Disketten dienen alternativ der Speicherung

der Meßdaten, womit u.a. die Möglichkeit besteht, statistische

Untersuchungen für gleichartige Versuchstypen, z.B. Material-

prüfungen über längere Zeiträume (Jahre), durchzuführen, da

die Meßdaten unmittelbar bereitstehen.

2.10 BEWERTUNG DER ENTWICKELTEN PRÜFANLAGE

Mit dem aufgezeigten CAT-System ist ein für den Betrieb der

Prüfmaschine der kommunizierenden Versuchstechnik notwendiger

Baustein entwickelt. Er gewährleistet die

- automatische Meßdatenerfassung,

- simultane Auswertung,

- automatische Überwachung der Meßbereiche und

- automatische Versuchssteuerung.

In Rahmen des Forschungsvorhaben "Statische Streckgrenze"

wurde das vollständige CAT-System überprüft und Erfahrungen

gesammelt. Die experimentellen Untersuchungen selbst werden

durch das System rationeller, zuverlässiger und vor allem

reproduzierbar abgewickelt.

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3-1

3 PRAKTISCHE ANWENDUNG DER RECHNERGESTÜTZTEN PRÜFANLAGE

Im Rahmen des durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)

geförderten Forschungsvorhabens "Statische Streckgrenze" wurde

die Prüfanlage erstmalig eingesetzt. Ziel des Forschungsvor-

habens ist die Untersuchung des Einflußes von Prüfmodalitäten

auf den Spannungswert für die statische Streckgrenze. Es ist

gekennzeichnet durch eine Vielzahl von einaxialen Zug- bzw.

Zug-Druckversuchen. Eine rationelle und zuverlässige Abwick-

lung der experimentellen Untersuchungen erforderte die Auto-

matisation der Versuchsdurchführung und -auswertung.

Im folgenden wird das Problem "Statische Streckgrenze" aufge-

zeigt. In Abschnitt 3.2 ist der Begriff definiert. Bereits

vorhandene Ergebnisse sind in dem Versuchsbericht /3/ dokumen-

tiert.

3.1 PROBLEMATIK DER STATISCHEN STRECKGRENZE

Die Entwicklung der Bemessungsverfahren für Ingenieurbauwerke

ist allgemein gekennzeichnet durch das Bemühen, die Konstruk-

tionselemente im Sinne der Wirtschaftlichkeit besser auszu-

nutzen. Es wird versucht, für den Versagensnachweis die Trag-

last der Tragwerke zunehmend wirklichkeitsnäher zu erfassen.

Zur rechnerischen Beurteilung des Tragverhaltens ist es not-

wendig, die Schnittgröbeniagerungen innerhalb der Tragwerke

und insbesondere der Querschnitte zu verfolgen. Dieses Ansin-

nen führt zwangsläufig zu rechnerischen Untersuchungen im

Nachtraglastbereich für einzelne Tragwerkselemente.

Für die Zuverlässigkeit von Traglastberechnungen hat die Wei-

terentwicklung von Traglastmodellen nur dann einen Sinn, wenn

die notwendigen Daten zur Beschreibung des eingesetzten Werk-

stoffes und damit einhergehend das Stoffgesetz ebenfalls

gleich hohen Ansprüchen wie das Modell selbst genügen. Insbe-

sondere bei stabilitätsgefährdeten Tragwerkselementen ist die

Spannung während des lokalen Plastizierens von maßgeblichem

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3-2

Einfluß auf die Traglast.

Bekanntlich sind die Spannungswerte nach Überwindung der obe-

ren Streckgrenze, also im plastischen Dehnungsbereich, abhän-

gig von der Dehngeschwindigkeit (Bild 3.1).

Oftmals wird die Meinung geäußert, daß der statischen Streck-

grenze im Zusammenhang mit dem Stabilitätsversagen eines Trag-

werkselementes keinerlei Bedeutung zukommt, da das Versagen

stets mit einer Verformung und demzufolge mit einer endlichen

Dehngeschwindigkeit verbunden ist. Für die Beschreibung des

Vorganges "Stabilitätsversagen" trifft der Sachverhalt zu.

Bauingenieurseits wird hingegen bei der statischen Berechnung

des Tragwerkselementes ein stationärer Zustand unterstellt.

Die zeitliche Veränderung der Zustandsgrößen wird nicht ver-

folgt, sondern der sich letztlich einstellende statische End-

zustand wird untersucht. Ein statischer Gleichgewichtszustand

für ein System ist nur dann gegeben, wenn die Dehngeschwindig-

keit gleich Null ist.

Statische Gleichgewichtszustände sind daher nur in Verbindung

mit der statischen Streckgrenze möglich. Diese Tatsache war

schon zu Beginn dieses Jahrhunderts bekannt /4 bis 10/, geriet

aber durch die Dominanz der Elastizitätstheorie in Vergessen-

heit. Für die Absicherung gegen erstmaliges Erreichen der

Fließgrenze ist die obere Streckgrenze maßgebend, und so er-

klärt es sich, daß schließlich diese Streckgrenze zur Beur-

teilung von Baustahl nach DIN 17100 herangezogen wird. Zudem

läßt sich die obere Streckgrenze im Zugversuch wesentlich

schneller und mit einfacheren Prüfmaschinen bestimmen als die

statische Streckgrenze.

Beim Nachrechnen von Versuchen oder im Zusammenhang mit Trag-

lastmodellen wird üblicherweise das im einachsigen Versuch

bestimmte Werkstoffverhalten von Konstruktionsstählen durch

ein bilineares Spannungs-Dehnungs-Diagramm erfaßt. Dabei ist

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Dehnungsbereiche:

a) elastisch

b) einschwingen

c) plastisch

d) verfestigend

Re

Re

Re

3-3

für das plastische Plateau der Spannungswert der statischen

Streckgrenze einzusetzen.

Quantitative Ergebnisse über die Größe der Spannungswerte für

die statische Streckgrenze und den Zusammenhang mit der oberen

Streckgrenze liegen bislang nur sehr vereinzelt vor. Zudem

variieren die Angaben für das Verhältnis der Spannungen der

statischen zur oberen Streckgrenze von 0,6 bis 0,85. Eine

systematische Studie der wesentlichen Einflußfaktoren auf die

statische Streckgrenze von Materialproben und ein darauf

basierender Vorschlag für eine Standardisierung der Prüfmoda-

litäten liegt derzeit nicht vor. Im Rahmen des Versuchspro-

grammes werden zur Zeit wesentliche Einflußfaktoren untersucht

und ein Prüfmodus zur experimentellen Bestimmung der stati-

schen Streckgrenze entwickelt.

3.2 DEFINITIONEN UND BEGRIFFE

Die schematischen Arbeitslinien in Form von Spannungs-Deh-

nungs-Diagrammen ergeben sich für unterschiedliche Dehnungsge-

schwindigkeiten nach dem Überschreiten der oberen Streck-

grenze. Auf der Abszisse ist der Wertebereich der Dehnung in

vier Abschnitte eingeteilt.

Bild 3.1. Schematische Arbeitslinien

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Reir,EtO

Res , E =0

t

a= a+b•e -ts

tA = t,+180

tE = t 1 + 600

3-4

Die nach Überwindung der oberen Streckgrenze rasch ablaufenden

Vorgänge im Prüfkörper können nicht ohne weiteres zuverlässig

aufgezeichnet werden. Oftmals weist die Arbeitslinie im Ein-

schwingbereich Spannungswerte auf, die beträchtlich unterhalb

des Spannungswertes der statischen Streckgrenze liegen. Sollte

dieses Phänomen wider Erwarten seine Ursache im Werkstoff

finden, so ist es aus statischer Sicht unbedenklich, da der

Einschwingbereich sehr schmal ist.

im plastischen Dehnungsbereich, und nur dieser Bereich ist im

Zusammenhang mit der statischen Streckgrenze von Interesse,

stellen sich für endliche Dehngeschwindigkeiten bestimmte

Spannungswerte für die untere Streckgrenze ein. Aus diesem

Sachverhalt läßt sich unmittelbar die Definition für die sta-

tische Streckgrenze ableiten.

Definition der statischen Streckgrenze:

im plastischen Dehnungsbereich wird die Dehngeschwindigkeit

C ) =0 über einen Zeitraum t =oo konstant gehalten. Die Span-

nungswerte streben einem Grenzwert Re s zu, dem Spannungswert

für die statische Streckgrenze.

a4

Bild 3.2. Spannungswertermittlung für die statische Streckgrenze

t ' Üblicherweise werden bei Materialproben Längenänderungen AL einer Meß-basis L gemessen und der Quotient A L/L als Dehnung E interpretiert. Dieüber die Meßlänge gemessene Formänderung ist damit Mittelwert ausvielen Gleitungen einzelner Gleitschichten

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3-5

Bestimmung des Spannungswertes der statischen Streckgrenze:

Versuchstechnisch wird der Spannungswert für die statische

Streckgrenze dadurch bestimmt, daß die Spannungs- und zuge-

hörigen Zeitwerte im plastischen Dehnungsbereich E pl, d.h. die

Dehnung sollte bezogen auf die elastische Dehnung einen Wert

zwischen 3E el ` C pl Eel aufweisen, über einen Zeitraum

von mehr als zehn Minuten registriert werden.

Die Spannungen der ersten drei Minuten werden einem Übergangs-

bereich zugeordnet und nicht berücksichtigt. Die folgenden

diskreten Punkte im Spannungs-Zeit-Diagramm werden durch die

Funktion Cr. a+b•e ts approximiert, die Koeffizienten a und b

nach der Fehlerquadratmethode bestimmt. Der Spannungswert für

die statische Streckgrenze Re s wird dem Funktionswert für ts=

gleichgesetzt.

Die Dehnungen werden versuchstechnisch aus der Abstandsän-

derung zweier auf der Materialprobe fixierter Schneiden

bestimmt (Feinwegmessung).

3.3 EXEMPLARISCHE, GRAPHISCHE DARSTELLUNG EINES VERSUCHS-

ERGEBNISSES FÜR EINEN EINAXIALEN DRUCK-ZUGVERSUCH

Jeder durchgeführte Versuch an Materialproben ist durch die

drei Diagramme

- Spannungs-Dehnungs-Diagramm (Bild 3.3 a)

- Spannungs-Zeit-Diagramm (Bild 3.3 b)

- Dehnungs-Zeit-Diagramm (Bild 3.3 c)

vollständig dokumentiert. Diese Diagramme werden parallel zur

Versuchsdurchführung erzeugt und auf dem graphischen Bild-

schirm ausgegeben. Unmittelbar nach dem Versuch können sie

mittels Dialogprogramm, z.B. mit Berichts- und Anlagennummern

und erläuterndem Text versehen, auf einem Nadeldrucker ausge-

geben und als Anlage für den Versuchsbericht verwandt werden.

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50

u

-150

- 7oilI

- 5i i

4 d 10

DEHNUNG C MMlM

0— u -_

3-6

/r^'. '^ (i

E/!

! l^t

+

I

I

^

1

I

?)i

I

^l!

I

irf

;^r'

!r

i! /

ji

i

wl

fi .4„,___41.,....,-------,+'

/1

e--4.----f

Bild 3.3.a. Spannungs-D,ehnungs-Diagramm

Dem SPANNUNGS-DEHNUNGS-DIAGRAMM sind die primär interessieren-

den Werkstoffkennwerte zu entnehmen. Es zeigt die signifikan-

ten Spannungsdifferenzen zwischen oberer R eH , unterer Reff und

statischer ReS Fließgrenze. Weiterhin ist eine deutliche Aus-

rundung der Arbeitslinie bei wechselnder Beanspruchungsrich-

tung zu erkennen (Bauschingereffekt).

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5)00 5500

1011

SO

II

-SO

-loin

-15f1

-200

--^n I0 500 1000 1`a) 2300 2500 4000 4500 5000

ZEIT C SEC 3

3-7

Bild 3.3.b. Spannungs-Zeit-Diagramm

Das SPANNUNGS-ZEIT-DIAGRAMM verdeutlicht den mehr oder minder

ausgeprägten Übergangsbereich beim Halten = 0) und den

anschließend exponentiellen Abfall der Spannungen.

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t I I

1

10

8

hi

4

3-8

-10 ; I

0 53 ! IDIDO 150 11 2)00 '-'500 3000 JJOi I 4000

4500 50II0

ZEIT £ 3E

Bild 3.3.c. Dehnungs-Zeit-Diagramm

Das DEHNUNGS-ZEIT-DIAGRAMM dokumentiert die Versuchssteuerung

bei dehnungsgeregelten Versuchen und gibt Aufschluß über die

Qualität der Regelung der Prüfmaschine. Eine verstimmte Rege-

lung würde sich durch Unstetigkeiten in den linearen Funk-

tionen des Diagrammes offenbaren.

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3-9

3.4 ERSTE ERKENNTNISSE ZUM PROBLEM STATISCHE STRECKGRENZE

Die bisher durchgeführten Versuche an spannungsarmgeglühten

Materialproben aus St 37 zeigen den beträchtlichen Spannungs-

abfall zwischen oberer und statischer Streckgrenze. Der Span-

nungswert für die statische Streckgrenze zeigt sich innerhalb

des plastischen Dehnungsbereiches als konstant und unterliegt

im Verhältnis zum Spannungswert der oberen Streckgrenze einer

geringeren Streuung.

Aus versuchstechnischer Sicht kann festgestellt werden, daß

der Spannungswert für die statische Streckgrenze kaum durch

Prüfmodalitäten wie veränderte

- Prüfkörpergeometrie,

- Meßlänge,

- Dehngeschwindigkeit vor dem Halt im plastischen Bereich, etc,

beeinflußt wird und damit eine sicher zu bestimmende Kenngröße

für den Werkstoff darstellt.

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FR - Übertragungsfunktiondes Reglers

F S - Übertragungsfunktionder Strecke

Bild 4.1 Regelkreis

4-1

4 ZUSTANDSGRÖSSENREGELUNG

Die Prüfmaschine der in Kapitel 2 beschriebenen Pilotanlage

wird mit einem Zug-Druck-Zylinder (ein Freiheitsgrad) betrie-

ben. Die Kolbenbewegung regelt ein Regelkreis, der vom Mikro-

computer gesteuert wird. Entsprechend den sechs Freiheitsgra-

den im Raum sind für die Prüfmaschine der kommunizierenden

Versuchstechnik sechs Kolbenauszugslängen durch sechs Regel-

kreise zu regeln und durch den Mikrocomputer zu steuern und zu

überwachen.

Um für einen Prüfkörper (Bauteil) im Experiment die gewün-

schten kinematischen und statischen Randbedingungen einstellen

zu können, sind diese durch den Ölfluß in den jeweiligen Zug-

Druck-Zylinder zu beschreiben. Diese Transformation umschreibt

der Begriff Zustandsgrößenregelung. Die Wirkungsweise der

Zustandsgrößenregelung zeigt schematisch Bild 4.2.

4.1 REGELKREISE

In ihrer Funktion ähnelt die Zustandsgrößenregelung einer

Kaskadenregelung /11/. Die Kolbenbewegung des jeweiligen Zug-

-Druck-Zylinders regelt der

innere Regelkreis, dem die

Kolbenauszugslänge m als Soll-

wert m S zugeführt wird.

Bild 4.1 zeigt schematisch die

analoge Regelung für einen

Zug-Druck-Zylinder. Der digi-

talisierte und in ein analoges

Signal umgesetzte physika-

lische Sollwert ist der Ein-

gangsparameter m S für den

Regelkreis. Im Summationspunkt

wird die Regeldifferenz Am als Differenz zwischen Sollwert mS

und momentanem lstwert m I gebildet. Das Produkt aus Regel-

differenz AM und Übertragungsfunktion F R des PID-Reglers

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Experimentrechn. Prüfmaschine

Kinematische RB

w=lu,v,v']

0- Sollwerte w-Sollwerte

WI= f m lli )

QI= folS?)Istwerte

Strukturrechner

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4-3

bestimmt die Stellgröße m* . In Bild 4.2 ist die Über-*

tragungsfunktion F R vereinfacht als m-m -Diagramm dargestellt.

Die Differenz zwischen der Stellgröße m* und der Störgröße z

(Prüfkörpersteifigkeit, Schwankungen des Öldrucks) wird der

Regelstrecke Fs (Servoventil und Zug-Druck-Zylinder) einge-

prägt, der resultierende Istwert m 1 gemessen und zum Summa-

tionspunkt zurückgeführt.

Die Positionierung der Aufspannebene im Raum kontrolliert ein

übergeordneter Regelkreis. Diese globale Weggrößenregelung für

die Aufspannebenen verknüpft die kinematischen Beziehungen mit

der lokalen Regelung der Kolbenbewegungen. Die Bewegungs-

gleichungen der jeweiligen Aufspannebene erweisen sich als

nichtlinear und werden als Folge linearer Gleichungssysteme

iterativ gelöst. Die Übertragungsfunktion ist in Bild 4.2 als

w-m-Diagramm symbolisch dargestellt.

Die Kraftgrößenregelung ist der äußere Regelkreis der Kaska-

denregelung. Das Prüfkörperverhalten, symbolisch durch das Q-

w-Diagramm beschrieben, bestimmt die Beziehung zwischen Weg-

und Kraftgrößen. Die momentane Prüfkörpersteifigkeit ist die

Tangentialebene an die Q-w-Funktion, im Diagramm als Tangente

dargestellt. Sie ist der wesentliche, experimentell zu bestim-

mende Parameter.

In strukturmechanischer Betrachtungsweise wird die momentane

Prüfkörpersteifigkeit durch die momentane Steifigkeitsmatrix

beschrieben. Durch die Linearisierung der Q-w-Beziehung stellt

sich die Kraftgrößenregelung 1) als iterativer Prozeß dar,

für den zunächst die Steifigkeitsmatrix aus den experimentell

ermittelten Zustandsgrößen der Aufspannebenen zu bestimmen ist.

si Alternativ zur beschriebenen Kraftgrößenregelung ist der globalen Reg-regelung entsprechend eine globale Kraftgrößenregelung möglich, wennparallel zur Kolbenwegregelung eine Kolbenkraftregelung angeordnet ist.Um den unterschiedlichen Charakteristiken der Reg- und KraftregelungRechnung zu tragen, sind jeweils zwei parallele Regelkreise unabding-bar. Bei einem Rechsel der Regelungsart sind die Stellgrößen y derRegelkreise abzugleichen.

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4-4

4.2 EXPERIMENTELLE STEIFIGKEITSMATRIX

Für die Aufspannebenen des Prüfkörpers werden die Zustands-

größen experimentell ermittelt; es gilt die zugehörige globale

Steifigkeitsmatrix zu bestimmen.

Die Lageveränderung der Aufspannebenen (Prüfkörpers) sind in

einem globalen, ortsfesten Koordinatensystem durch Ebenenglei-

chungen bestimmt. Bild 4.3 zeigt einen Ausgangszustand (A) und

einen benachbarten Zustand (N) in ebener Darstellung. Eine

Einwirkung auf den Prüfkörper resultiert ausschließlich aus

der relativen Lage der Aufspannebenen, beschrieben in dem

lokalen, mit der unteren Aufspannebene (u) verknüpften Koordi-

natensystem. Störende Einflüsse wie Schlupf und Reibung in den

Pendelanschlüssen der Aufspannplatten sowie der Einfluß der

"Maschinensteifigkeit" sind durch die Anordnung der Meßsysteme

für Weg- und Kraftgrößen bereits eliminiert.

yn yA Y N

0

X DX

Bild 4.3. Starrkörper- und Relativverschiebung des Prüfkörpers

Die Transformationsbeziehungen zwischen den lokalen (x,y) und

globalen (x o ,y o ) Koordinaten der unteren Aufspannebene be-

schreiben die Starrkörperverschiebung des Prüfkörpers. Für die

weiteren Betrachtungen werden die Starrkörperverschiebungen

eliminiert, die Weggrößen auf die untere Aufspannebene redu-

ziert.

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4-5

In der verallgemeinerten"

Kraft-Weg-Beziehung (Bild 4.4)

beschreibt der Punkt A den

Ausgangszustand und Punkt N

einen benachbarten Zustand.

Aus der Differenz der Zu-

standsgrößen bestimmt sich die

Sekantensteifigkeit k des

k _ aQ Prüfkörpers.

Aw

Bild 4.4. Tangentensteifigkeit

Erweist sich der reale Steifigkeitsverlauf zwischen den be-

nachbarten Zuständen als parabolisch, entspricht die Sekanten-

steifigkeit der Tangentensteifigkeit im Punkte M. Bei aus-

reichend kleiner inkrementeller Zustandsgrößenänderung ist der

Unterschied zwischen Sekanten- und Tangentensteifigkeit ver-

nachlässigbar.

Eine eindeutige Bestimmung der Koeffizienten der Steifig-

keitsmatrix aus den Zustandgrößen zweier benachbarter Zustände

ist nur möglich, wenn der Prüfkörper unabhängig von seiner

realen Gestalt durch ein Ersatzmodell substituiert wird.

Denkbar wäre, einen stabartigen Prüfkörper mit dem

Ersatzmodell schubsteifer Balken zu beschreiben. Aus der

Zustandsgrößendifferenz zweier benachbarter Zustände kann

unmittelbar die zugehörige Steifigkeitsmatrix bestimmt werden.

" Die verallgemeinerte Kraft-Heg-Beziehung ist eine abstrakte, ebeneDarstellung der Kraft-Reggrößenbeziehung im zwölfdimensionalen Raum mitden orthogonalen Richtungen der sechs Kraft- und Weggrößen.

AG

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4-6

Jedes Ersatzmodell ist jedoch mit dem Manko einer charakter-

istischen Tragwirkung behaftet und daher für die Ermittlung

der experimentellen Steifigkeitsmatrix des allgemeinen Falles

ungeeignet. Beim schubsteifen Balken sind z.B. bei Anwendung

der Theorie I. Ordnung die Dehn-, Biege- und Torsionszustands-

größen entkoppelt; die entsprechenden Koeffizienten in der

Steifigkeitsmatrix sind gleich Null. Mit dem Auftreten von

plastischen Bereichen ist diese Entkopplung nicht gegeben. Das

durch das Ersatzmodell beschriebene Tragverhalten weicht zu-

nehmend vom realen ab.

Erweist sich das Tragverhalten des Prüfkörpers als elastisch,

können die Koeffizienten der Steifigkeitsmatrix aus linear

unabhängigen Zuständen bestimmt werden. Sukzessives Einprägen

von sechs linear unabhängigen Weggrößen w j und der experi-

mentellen Bestimmung der resultierenden Kraftgrößenänderung

Q j gegenüber dem Ausgangszustand führt auf ein lineares

Gleichungssystem für die Koeffizienten k ji der Steifigkeits-

matrix.

ki^•AWi^ = AQiJ

In den Matrizen w ij und sind die Zustandsgrößenänderun-

gen für die Zustände spaltenweise angeschrieben. Die Symme-

trieeigenschaft der experimentell bestimmten Steifigkeitsma-

trix gibt Aufschluß über die Qualität der Messung.

Ist das Tragverhalten des Prüfkörpers inelastisch, führt die

Reihenfolge, in der die linear unabhängigen Weggrößen w ij dem

Prüfkörper eingeprägt werden, zu unterschiedlichen, unsymme-

trischen Steifigkeitsmatrizen.

In Hinblick auf die Kraftgrößenregelung ist die Steifigkeits-

matrix im regeltechnischen Sinne eine übertragungsfunktion,

die beschreibt, in welcher Weise die Differenz zwischen Soll-

und Istwerten der Kraftgrößen durch Einprägen von Weggrößen

auszugleichen ist. Eine "exakte" Steifigkeitsmatrix zu ermit-

(4.1)

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4-7

teln erübrigt sich, zumal diese lediglich die Kraft-Weg-Be-

ziehung zwischen dem vorangegangenen und dem erreichten Zu-

stand genau erfaßt, die Extrapolation jedoch führt nur für den

Sonderfall des linearen Prüfkörperverhalten unmittelbar zum

gesuchten Kraftgrößenzustand. Deshalb wird die experimentelle

Steifigkeitsmatrix aus den jeweils sechs letzten linear unab-

hängigen Weggrößen und den zugehörigen Kraftgrößen ermittelt.

4.2.1 Erste experimentelle Steifigkeitsmatrix (Versuchsbeginn)

Nach dem Einspannen des Prüfkörpers werden diesem sechs linear

unabhängige Weggrößenzustände durch entsprechende relative

Lageveränderungen der Aufspannebenen eingeprägt. Mit den zuge-

hörigen Kraftgrößen bestimmen sich die Koeffizienten der

Systemmatrix für den Prüfkörper nach (4.1); die Systemmatrix

k ij s wird symmetrisiert.

koo = k^ = 0,5(4 ¢ kj; ) (4.2)

Aus der Systemmatrix ergibt sich die Steifigkeitsmatrix des

Prüfkörpers. Die Systemmatrix ist identisch mit der Unterma-

trix k oo der Prüfkörpersteifigkeitsmatrix, wenn ein beliebi-

ger, relativer Verschiebungszustand w o im lokalen Koordinaten-

system der unteren Aufspannebene beschrieben wird. Die kinema-

tischen Randbedingungen für die untere Aufspannebene sind

gleich Null. Der Matrizenausdruck (4.3) kennzeichnet den

Gleichgewichtszustand.

kuu kuo

0 0u

(4.3)T

kuo koo Wo Qo

Über Gleichgewichtsbedingungen, beschrieben durch die Matrix C

(4.4), ergibt sich die Steifigkeitsmatrix k (4.5) aus der

Systemmatrix koo.

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_t

C

4-8

(4.4)

(4.5)k=cT•koa•c

4.2.2 Momentane experimentelle Steifigkeitsmatrix

Die linear unabhängigen Zustände w ij und g ij , aus denen sich

die Steifigkeitsmatrix des betrachteten Ausgangszustandes

bestimmt, bleiben programmintern erhalten. Während des Ver-

suchsablaufes werden die Zustandsgrößenänderungen w j und gj,

bezogen auf den jeweiligen Ausgangszustand ermittelt.

Ist der aktuelle Vektor der Weggrößenänderung w j ein Viel-

faches einer Spalte j der Matrix w ij , wird diese durch den

Vektor ersetzt; entsprechend ersetzt der Vektor der Kraft-

größenänderung Q j die Spalte j in der Matrix Q i ansonsten

jeweils die älteste Spalte. Aus den ständig aktualisierten

Matrizen bestimmt sich die experimentelle Steifigkeitsmatrix

nach Gleichung (4.1).

Eine vorherige Orthogonalisierung der Zustandsgrößen nach dem

Verfahren von Lopetegui /12/ erweist sich als günstig. Zwei

Zustände sind orthogonal, wenn gilt:

Q;•wA = QA • w^ = 0

Ausgehend vom aktuellen Zustand werden die übrigen fünf Zu-

stände von den Komponenten des aktuellen Zustandes (A) be-

reinigt; der betrachtete Zustand j ist die Vektorsumme.

(4.6)

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4-9

IIOA1w^ IiwA l0AQ^=a) +Q1 ; wi wi +w i

Q. = XA ' QA + Qj wA ; w) = yA WA + ‘Iv-1

Aus der Orthogonalitätsbedingung folgt:

Qn w" • wA = 0 ; w ^ °" • QA =0 0

Q . wj •QAXA = . YA =

QA • .VA =A • ^A

Für lineares Tragverhalten gilt nach dem Satz von Betti

xA = YA

für nichtlineares Tragverhalten ist

xA # YA .

(4.7a)

(4.7b)

(4.8a)

(4.8b)

4.9a)

(4.9b)

Nachdem die vorangegangenen Zustände von den Komponenten des

aktuellen Zustandes bereinigt sind, wird der zweitälteste

Zustand zum a-ktuellen Zustand erhoben, und die verbleibenden

vier Zustände werden entsprechend bereinigt.

Das aufgezeigte Verfahren wird auf die Änderungen der Zu-

standsgrößen gegenüber dem betrachteten Ausgangszustand ange-

wandt und die momentane Steifigkeitsmatrix nach 4.1 bestimmt.

Durch die experimentell bestimmte momentane Steifigkeitsmatrix

ist die Voraussetzung für die im folgenden erläuterte Kraft-

größenregelung gegeben.

4.3 KRAFTGRÖSSENREGELUNG

Die Kraftgrößenregelung erweist sich als indirekte Regelung,

da die Stellgrößen der nachgestellten Regelkreise Weggrößen

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WA WG

4-10

sind. Die als Kraftgrößen formulierten Sollwerte sind in äqui-

valente Weggrößen zu transformieren.

Für einen Ausgangszustand A ist die Steifigkeit k A des Prüf-

körpers bekannt (Bild 4.5). Mit den inkrementellen Sollwerten

der Kraftgrößen AQi=SG -gA wird die relative inkrementelleLageveränderung für die Prüfkörperschnittebenen A w i unter

Zugrundelegung der Steifigkeitsmatrix k A abgeschätzt (vgl.

Bild 4.5). Der Index i kennzeichnet den Iterationsschritt.

Die so bestimmten Weggrößen A w 1 sind die Sollwertinkremente

des untergeordneten Regelkreises der globalen Wegregelung, die

die Aufspannebenen im Raum positioniert.

Bild 4.5. Iterationschema der

Kraftgrößenregelung

Nach Abschluß der Wegregelung

berechnen sich aus Meßwerten

die erreichten Kraftgrößen als

Istwerte des Kraftregel-

kreises. Die Kraftgrößendiffe-

renz zwischen Soll- und Ist-

werten A(3i+1 führt nach Multi-plikation mit der Steifig-

keitsmatrix k A des Ausgangszu-

standes zu neuen Weggrößen-

inkrementen A Wi+1'

Die Regelaktivitäten und damit die Korrekturzyklen sind abge-

schlossen, wenn die Regeldifferenz eine vorgegebene Schranke

unterschreitet. Bei entsprechend kleinen Sollwertinkrementen

erübrigen sich die Korrekturzyklen (direkte inkrementelle

Regelung).

Während der Korrekturzyklen werden die um die Uhrzeit ergänz-

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kA

4-11

ten Zustandsgrößen als Meßwertkollektiv in einer Meßwertedatei

registriert, wenn eine signifikante Änderung zwischen den

Zuständen vorhanden ist.

Erweist sich die verallgemeinerte Kraft-Weg-Beziehung des

Prüfkörpers als überlineare Funktion (Bild 4.6), wird mit dem

oben beschriebenen Verfahren

der Zustand G nicht monoton

angenähert. Korrekturzyklen

bewirken ein Eingabeln dieses

Zustandes, und sie sind mit

Entlastungen verbunden. Ob

Entlastungen innerhalb des

Sollwertinkrementes der Kraft-

größen hingenommen werden

können, ist im Einzelfall zu

entscheiden. Die Konvergenz

ist beim Eingabeln des Zustan-WA w^ W

des G nicht gegeben.

Bild 4.6. Eingabeln

Eine Möglichkeit, den gesuchten Zustand monoton anzunähern,

ist die Iterationsdämpfung.

Die für den Ausgangszustand A

bekannte Steifigkeitsmatrix

wird mit einem Faktor f 1.0

multipliziert (Bild 4.7). In

Abhängigkeit vom Dämpfungs-

faktor f ergeben sich ver-

ringerte Weggrößeninkremente.

Ein Vorzeichenwechsel der in-

krementellen Zustandsgrößen

während der Iteration identi-

fiziert einen zu kleinen Dämp-

fungsfaktor. Der Zustand G istWAWG W dabei überfahren worden; die

Bild 4.7. Iterationsdämpfung Iteration wird abgebrochen.

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4-12

Eine besondere Bedeutung erlangt die Dämpfung bei Prüfkörper-

entlastung (Bild 4.8), speziell aus einem Zustand für den die

Prüfkörpersteifigkeit gegen Null geht. Bei ungedämpfter

Steifigkeitsmatrix führen selbst kleine Inkremente für Kraft-

elastisch größensollwerte zu großen Weg-

Qt.k A

größen; der Entlastungsvorgang

Q wird dadurch unzulänglich

erfaßt.

Denkbar ist auch eine Abschät-

zung der Weggrößen bei Ent-

lastungsvorgängen mittels

einer im Zusammenhang mit der

Prüfkörperbelastung bestimmten

Steifigkeitsmatrix für elast-

isches Verhalten.

WG WA W

Bild 4.8. Iteration bei Entlastung

Da ein Dialogprogramm die Prüfmaschine steuert und über paral-

lel geschaltete alphanumerische und graphische Ausgabegeräte

der Versuch ständig überwacht wird, besteht für den Benutzer

die Möglichkeit jederzeit in den Iterationsprozeß einzugrei-

fen. Das Iterationsverfahren mit konstanter Steifigkeitsmatrix

im Einwirkungsinkrement und korrigierenden Kraftgrößen konver-

giert zuverlässig; jedoch wächst die Zahl der Korrekturzyklen

mit der Differenz zwischen aktueller und für das Einwirkungs-

inkrement zugrundegelegter Steifigkeit. Die Modifikation der

Dämpfungsfaktors f 1.0 während der Iteration verbessert die

Konvergenz. Ein Dämpfungsfaktor f = 1.0 verdichtet die Auf-

zeichnung der Meßwertkollektive.

4.3.1 Traglast des Prüfkörpers

In der verallgemeinerten Kraft -Weg-Beziehung für den Prüfkör-

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4-13

per zeigt ein Vorzeichenwechsel der Tangentenneigung die Über-

schreitung eines Extremwertes an. Rechentechnisch führt dieser

Sachverhalt zu einem Wechsel in der Definitheit der Steifig-

keitsmatrix bzw. zu einer singulären Steifigkeitsmatrix. Da im

Einwirkungsinkrement das Verhältnis der Koeffizienten der

Steifigkeitsmatrix nicht verändert wird, divergiert oder stag-

niert der Iterationsprozeß und wird deshalb abgebrochen.

Bis zum Erreichen des ersten Maximums in der verallgemeinerten

Kraft-Weg-Beziehung für den Prüfkörper ist eine reine Kraftre-

gelung möglich, d. h. homogene und inhomogene in Kraftgrößen

formulierte Randbedingungen werden als Sollwerte vorgegeben.

Nach Überschreiten des Maximums ist eine eindeutige Zuordnung

der Kraft- zu den Weggrößen nicht mehr gegeben. Homogene

Kraftgrößenrandbedingungen lassen sich realisieren.

Die Fortsetzung des Experimentes im Sinne einer Nachtraglast-

untersuchung, ist nur weggeregelt bei Vorgabe entsprechender

Weggrößenbedingungen als Sollwerte möglich. Die dabei ermit-

telte experimentelle Steifigkeitsmatrix ist negativ definit.

Die Zustandsgrößenregelung mit homogenen Kraft- und inhomo-

genen Weggrößenrandbedingungen deckt das Spektrum der experi-

mentellen Untersuchungen weitgehend ab.

4.3.2 Grenzen der Kraftgrößenregelung

P

P.0

I I

I I I

Bild 4.9 Gleiten einer

GV-Verbindung

Voraussetzung für die Kaft-

größenregelung ist die Eindeu-

tigkeit in der Zuordnung der

Kraftgrößen zu den Weggrößen.

Das in Bild 4.9 dargestellte

Kraft-Weg-Diagramm für einen

mit einer GV-Verbindung ge-

stoßenen Zugstab verdeutlicht

diesen Sachverhalt. Bei kon-

stant gehaltenem Weg und nach

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4-14

Überwindung der Haftreibung im Stoß, entspannt sich der

Gesamtstab. Zwischenzustände werden zwar meßtechnisch erfaßt,

können jedoch nicht geregelt werden.

4.4 SIMULATION DER PRÜFMASCHINE BEIM BAUTEILVERSUCH

Um die Funktion der Zustandsgrößenregelung zuverlässig und

umfassend auszutesten, wird die Prüfmaschine zusammen mit dem

eingespannten Prüfkörper in einem Rechner simuliert (Bild

4.10). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird hier die Kraft-

größenregelung betrachtet. Die Regelung der Druck-Zug-Zylinder

wurde in Kapitel 3 überprüft. Der nichtlineare Zusammenhang

zwischen der jeweiligen Kolbenauszugslänge und den kinema-

tischen Randbedingungen wird hier nicht betrachtet. Deshalb

wird die Übertragungsfunktion, w-w *-Diagramm in Bild 4.10,

unmittelbar linear angenommen.

Ob die Zustandsgrößen der Aufspannebenen aus Meßwerten er-

rechnet werden oder ob sie das Resultat einer Simulation

mittels Rechenmodell sind, wird vom regelnden und steuernden

Rechner nicht erkannt. Für die Überprüfung der Zustandsgrößen-

regelung ist jedoch die Kontrolle und Reproduzierbarkeit der

Istwerte als Funktion der Sollwerte unabdingbar und nur mit

einem Rechenmodell möglich. Das Rechenmodell wird in ein ent-

sprechendes Programm umgesetzt.

Mit dem Ziel ein weites Spektrum für unterschiedlichstes Prüf-

körperverhalten einfach zu simulieren, wird ein räumliches

Fachwerk als "experimentell" zu untersuchendes Bauteil ge-

wählt. Das Fachwerk ist starr mit den dehn- und biegestarren

Aufspannplatten verbunden. Jedem Stab ist eine polygonale

Arbeitslinie zugeordnet. Stabentlastungen werden berücksich-

tigt (Bild 4.12). Durch Variation der jeweiligen Stabarbeits-

linie kann das Tragverhalten einfach modifiziert werden. Im

Gegensatz zu anderen Tragwerken sind die numerischen Ergeb-

nisse leicht prüfbar.

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4-15

Der Programmablauf der Simulation eines Bauteilversuches ist

in Form eines Flußdiagrammes in Bild 4.11 aufgezeigt. Das

Programm ist auf dem Experimentrechner (8-Bit-Mikrocomputer)

implementiert.

Nach dem Einlesen der Knotenkoordinaten und Arbeitslinien für

die Stäbe ("Einbau des Prüfkörpers"), verharrt das Simula-

tionsprogramm solange in einem Wartezustand, bis die durch ein

Startzeichen angekündigten Werte für die relative Lageänderung

der Aufspannebenen als Sollwerte w empfangen werden.

Die Sollwerte der statischen und kinematischen Randbedingungen

werden wie beim realen Bauteilversuch (stand-alone-Betrieb der

Prüfmaschine) am Strukturrechner (16-Bit-Minicomputer) im

Dialog eingegeben.

Um bei Versuchsbeginn statische Randbedingungen einstellen zu

können, ist zunächst im Strukturrechner eine erste "experimen-

telle" Steifigkeitsmatrix aus sechs orthogonalen Zuständen zu

ermittel (vg1.4.2.1). Dazu werden dem Fachwerk sechs inkremen-

telle orthogonale Verschiebungszustände eingeprägt, die als

Sollwerte w vom Strukturrechner gesendet werden.

Im Experimentrechner ergibt sich für einen Ausgangszustand die

Stabsteifigkeit als Funktion der Stablängenänderung. Transfor-

mation der lokalen Knotenverschiebung des jeweiligen Stabes am

Stabanfang und Stabende in das globale, räumliche Koordinaten-

system und der Zusammenbau der entsprechend transformierten

Steifigkeitsmatrizen führt auf die Gesamtsteifigkeitsmatrix.

Da nur die relative Lageveränderung der Aufspannebenen zu

betrachten ist, ergibt sich mit den kinematischen Randbe-

dingungen für die mit der unteren Aufspannebene verbundenen

Knoten ein lineares, homogenes Gleichungssystem.

Hinsichtlich der unbekannten Knotenverschiebung u bietet sich

eine Unterscheidung zwischen Innenknoten (I) und den mit den

Aufspannebenen verknüpften Randknoten (R) an. Damit lautet das

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Statische RB= (N,Q Y , M

1

^

O^1

Q- So l lwerte

f ^

Kinematische RBw=(u,v,v'l

w- Sollwerte

^ I

Prüfmaschine mit Prüfkörper

^ QI

I } Istwerte

Randknoten (UR)'

Innenknoten (UI)

Randknoten (UR)

Strukturrechner Experimentrechner

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z = Zustandsgrö8eny=0,x=0

WartezustandStartzeichen

•PSchreiben der Sollwerte

Lesen der Sollwerte

Aufbau der Elementmatrizen

£z = Ez + dz • x

WeggröBensollwerte WeggröBensollwerte ja <y = 1,0>

a c w*- kexp,AGiQ *=(wS-wA)+keÄp QÄ)A'(QA

C m Aufbau und Lösen des' 'C

1-4•Gleichungssystems

wInkrementelle Zustandsgrö8en dz

^ 0c+fD 0 Linearitätsgrenze des Elementes

zGREingabe der SollwerteCD xmin = (z

GR - £z) / Az

NCOCI, 'VC S .

c+ 0 nein

kinematische R0: wS

statische RB QS

Linearitätsgrenze der Struktur

x = Minimum [xmin]

rD t0Z

.— c,< aCD a'S NN CrCC) 0,

< Q<QSchranke% ja-k

,AeXp

—nein- <Entlastung ?>

heap -(0I-QA)

x=0

Aktualisieren der

experimentellen Steifigkeitsmatrix Y = Y + xI

CfD '-h

Ungleichgewichtslasten QS -Q 1 .,NQ (w -wg) I

N (D McBwertaufzeichnung A = Ausgangszustand< 1,0> ja

N

0_(

x = 1 - (Y' x)0lA

Lesen der Istlerte wI QI

Schreiben der lstwerte

Strukturrechner Experimentrechner

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0

0

Au I

Au R

-k

—RR(4.10)

4-18

Gleichungssystem in inkrementeller Formulierung

Die Teilelimination des Gleichungssystems (Kondensation der

lnnenknotenweggrößen u i ) führt zu

A U i=—kI • k'^uI IR R ,

( kRR - kRI k'i kIR, ' Au = 0

(4.11)

(4.12)

Die Verschiebungen der Randknoten u R werden durch die globalen

Weggrößen w der Translation und Rotation ersetzt. Die

Matrizensumme (Klammerausdruck in Gl. 4.12) entspricht der

globalen momentanen Steifigkeitsmatrix des Prüfkörpers, die

mit dem Vektor w der Sollwertinkremente multipliziert auf

die globalen Schnittkräfte für die Aufspannebenen führt. Die

Verschiebungen der Innenknoten bestimmen sich aus Gleichung

4.11.

Die Zustandsgrößen der Aufspannebenen werden dem Struktur-

rechner als Istwerte übermittelt. Aus den gegenüber dem Aus-

gangszustand veränderten Zustandsgrößen bestimmt sich im

Strukturrechner die momentane "experimentelle" Steifigkeits-

matrix. Differenzen zwischen den Soll- und Istwerten der

Kraftgrößen (statische Randbedingungen) werden mit der momen-

tanen Steifigkeitsmatrix des Ausgangszustandes in äquivalente

Weggrößensollwerte umgerechnet und dem Experimentrechner über-

mittelt (vg1.4.3). Korrekturzyklen approximieren die stati-

schen Randbedingungen mit der gewünschten Genauigkeit.

Der Wechsel zwischen inkrementeller Stabdehnung und Stab-

stauchung identifiziert eine Stabentlastung. Im plastischen

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4-19

Bereich des Stabtragverhaltens wird die jeweilige Arbeitslinie

in Abhängigkeit der gewählten Modellvorstellung für eine Stab-

entlastung entsprechend modifiziert und der Rechenschritt mit

veränderter Stab- und Gesamtsteifigkeitsmatrix wiederholt.

Bild 4.12. Exemplarische Stabarbeitslinie

Aus dem polygonalen Verlauf der Arbeitslinien für die Stäbe

folgt, daß die Beziehungen zwischen Kraft- und Weggrößen des

Fachwerkes abschnittsweise linear sind. Die Grenze des jewei-

ligen linearen Abschnittes wird bestimmt und die dazugehörige

Stablängenänderung und Stabkraft gespeichert. Mit veränderter

Gesamtsteifigkeit wird die Rechnung solange wiederholt, bis

der Sollwert w für die relative Lageveränderung der Aufspann-

ebenen erreicht ist (y=1.0 vgl. Bild 4.11). Die "Regelaktivi-

tät" ist abgeschlossen, die Istwerte der Zustandsgrößen werden

zum Strukturrechner gesendet.

Mit der Zustandgrößenregelung in Verbindung mit der Prüf-

maschine der kommunizierenden Versuchstechnik sind nunmehr die

Voraussetzungen geschaffen, bei experimentellen Untersuchungen

inhomogene Kraft-, Weg- und gemischte Randbedingungen zu be-

rücksichtigen. Einwirkungen, die aus der Integration des Prüf-

körpers in der Struktur resultieren, können experimentell

durch die Formulierung der entsprechenden Randbedingungen dem

Prüfkörper eingeprägt werden. Dazu ist es notwendig, das Trag-

verhalten der umgebenden Struktur zu erfassen.

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5-1

FEM- PROGRAMMSYSTEM FUR MINICOMPUTER

Im Rahmen der kommunizierenden Versuchstechnik ist das Trag-

verhalten der Struktur, die das experimentell zu untersuchende

Bauteil enthält, durch ein Rechnenmodell zu beschreiben. Es

soll das geometrisch und werkstofflich nichtlineare Tragver-

halten vielfältiger Strukturen erfaßt werden.

5.1 METHODE DER FINITEN ELEMENTE

Das im Zusammenhang mit Computern gebräuchlichste Rechenmodell

basiert auf der Methode der Finiten Elemente (FEM). Das Kon-

zept und die mathematischen Zusammenhänge sind in einer Viel-

zahl von Publikationen und Lehrbüchern aufbereitet. Es besteht

im wesentlichen darin, die zu beschreibende Struktur in Ele-

mente einzuteilen, die Elementeigenschaften und -zustands-

größen durch geeignete Funktionen zu approximieren und die

Funktionswerte in den Verknüpfungspunkten (Freiwerte) als

Unbekannte mit sinnvoller Bedeutung zu behandeln. Das Ein-

setzen der Funktionen in die Grundgleichungen der Kontinuums-

mechanik,

- Gleichgewicht,

- Kinematik,

- statische Randbedingungen,

- kinematische Randbedingungen unter Einbeziehung des

- Werkstoffverhaltens,

in der Formulierung als Arbeitsprinzip, führt auf ein algebra-

isches Gleichungssystem für die Unbekannten.

Die Formulierung der Gleichgewichts- und Verträglichkeitsbe-

dingung als Prinzip der virtuellen Verrückungen oder als Prin-

zip der virtuellen Kräfte liefert zwei gleichwertige Varia-

tionsfunktionale, die jeweils die Grundgleichungen in Form von

Eulerschen Gleichungen beinhalten. Harbord /13/ leitet aus

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5-2

diesen Varitionsfunktionalen hybride Elementmodelle ab, die

die konventionellen Weg- und Kraftgrößenverfahren und die

gemischte Darstellung als Sonderfälle der Anwendung beinhal-

ten. In Bild 5.1 sind die wesentlichen Merkmale der hier

interessierenden konventionellen Verfahren zusammengestellt.

Auf eine Herleitung wird verzichtet, da die Anwendung von FEM

als Stand der Wissenschaft anzusehen ist.

METHODE UNBEKANNTE BESTIMMUNGS-

GLEICHUNGEN

ENTHALTEN

ZU ERFÜLLEN-

DE BEDENKE-

DINGUNGEN

ARBEITSPRINZIP GLEICHUNGS-

SYSTEM

DEFINIT

SEKUNDÄRE

ZUSTANDS-

GRÖSSEN AUS

NACHLAUF-

RECHNUNGEN

WEG-

GROSSEN

Weggrößen Gleichgewicht,

Kraftrandbe-

dingungen

Kinematik

Kinematische

Randbedingung

Minimum der

potentiellen

Energie

positiv Kraft-

größen

KRAFT-

GRÖSSEN

Kraftgrößen Kinematik,

Wegrandbe-

dinyungen

Gleichgewicht,

statische

Randbedingung

Maximum der

konjungierten

potentiellen

Energie

negativ Weggrößen

GEMISCHTE

GRÖSSEN

Weggrößen,

Kraftgrößen

Gleichgewicht,

Kinematik, Weg-

randbedingungen,

Kraftrandbedin-

gungen

Extremale

der Energie

semi Reduzierte

Größen

Bild 5.1. FEM-Verfahrensmerkmale

Für den Bereich der linearen statischen Berechnung stehen

ausreichend Programmsysteme an zentralen Großrechnern zur

Verfügung, für Kleinrechner gilt dies, abgesehen von Stab-

werksprogrammen, nur bedingt.

Die wirklichkeitsnahe Beschreibung des Tragverhaltens einer

Konstruktion erfordert häufig die Berücksichtigung von nicht-

linearen Beziehungen zwischen den Aktions- und Reaktions-

größen, sowie zwischen Zustandsgrößen.

Im Rahmen der FEM erfolgt die Beschreibung dieser Beziehung

durch "nichtlineare Theorien", wie z. B.

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5-3

- geometrische Nichtlinearität im Zusammenhang mit Stabili-

tätsuntersuchungen,

- nichtlineares Werkstoffverhalten und

- struktureIle Nichtlinearitäten, die sich z.B. aus dem

Schließen vorhandener Klaffungen zwischen einzelnen Elemen-

ten ergeben.

In den allgemein zugänglichen Programmsystemen ist lediglich

geometrisch nichtlineares Tragverhalten weitgehend realisiert;

hinsichtlich der übrigen Nichtlinearitäten existieren Pro-

grammodule für einige Sonderfälle.

Abgesehen von der Tatsache, daß die vollständige Implemen-

tation der vorhandenen, im allg. für Großrechenanlagen konzi-

pierten FEM-Programmsysteme am Minicomputer an deren Umfang

scheitert, bedarf es speziell im wissenschaftlichen und expe-

rimentellen Bereich des konstruktiven Ingenieurbaus zur Ent-

wicklung von Rechenmodellen auf FEM-Basis einer höheren Flexi-

blität hinsichtlich des Verfahrens und der Elementtypen.

5.2 RECHNERSPEZIFISCHE VORAUSSETZUNGEN

Charakteristisch für Rechenmodelle nach FEM sind umfangreiche

Programme und der extrem hohe, zur Strukturbeschreibung not-

wendige Datenaufwand; demgegenüber steht der kleine adressier-

bare Kernspeicher (64 K BYTE) der hier zur Verfügung stehenden

16-BIT-Minicomputer (DATA GENERAL NOVA 3D und ECLIPSE),in Ver-

bindung mit Festplatten (2 5 M-BYTE bzw. 100 M-BYTE), in dem

das FEM-Programm und die zur Berechnung notwendigen Daten

anzusiedeln sind. Einschränkend kommt hinzu, daß Großrechner

über größere Wortlängen zur Zahlendarstellung verfügen, so daß

zur Erzielung qualitativ gleichwertiger numerischer Ergebnis-

se, speziell im Hinblick auf die Lösung großer Gleichungssys-

teme, die Daten doppelt genau darzustellen sind.

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5-4

5.3 ANFORDERUNGEN AN DAS FEM-PROGRAMM

Die Basis der Rechenmodelle ist die FEM, beschränkt auf stati-

sche Probleme unter Verwendung von Weggrößenmodellen und ge-

mischten Verfahren. Die Elemente selbst unterliegenen keinen

weiteren Einschränkungen.

Es besteht die Notwendigkeit, sowohl lineare als auch nicht-

lineare Rechenmodelle mit dem zu entwickelnden Programm zu

bearbeiten. Hinsichtlich der Rechentechnik sind unterschied-

liche Iterationsmethoden zu ermöglichen. Angesichts der

rechenzeitintensiven Bearbeitung sollte das Programm RESTART-

Eigenschaften besitzen.

Selbstverständlich sind bei der Entwicklung eines entsprechen-

den Programmes die allgemein gültigen Regeln, wie modularer

Aufbau, kurze Übergangsinformationen zwischen den Modulen,

deren Zusammenfassung zu Unterprogrammen und ausführliche

Programmdokumentation zu beachten.

5.4 KONZEPT DES PROGRAMMSYSTEMS

Das Programmsystem ist in der Programmiersprache FORTRAN ge-

schrieben und gliedert sich aus der Sicht des Anwenders in

zwei Teile:

- Programmteile, die ingenieurmäßigen Bewertungen unterliegen,

wie die Auswahl des FEM-Verfahrens oder der Elemente zur

Idealisierung der Struktur, sind vom Anwender selbst zu

erstellen bzw. einer Bibliothek zu entnehmen und stellen so

den Anwenderteil des Programmes dar.

- Programmteile, die nur logischen Regeln unterliegen, wie

Organisation des Datenflusses zwischen Kern- und Festspei-

chern oder parallel arbeitenden Rechnern (Rechnerverbund)

zum einen, oder Aufbau und Lösung von Gleichungssystemen zum

anderen, werden als "black box" benutzt.

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5-5

Dieses Konzept ermöglicht die geforderte Vielfalt möglicher

Rechenmodelle und führt zu einer sich ständig erweiternden

Bibliothek mit Unterprogrammen und einsatzbereiten, problem-

orientierten FEM-Programmen. Vor- und Nachlaufprogramme sind

Anwenderprogramme und werden ebenfalls der Programmbibliothek

zugeführt. In diesem Zusammenhang erweist sich der Einsatz von

Interpretersprachen, z. B. BASIC, als effektiv.

5.5 PROGRAMMSTRUKTUR

Das jeweilige problemorientierte FEM-Programm gliedert sich in

voneinander unabhängige und sequentiell arbeitende Programm-

teile (siehe Bild 5.2). Eingedenk des kleinen adressierbaren

Kernspeichers wird eine Einteilung in die vier folgenden Seg-

mente vorgenommen.

- Elementgenerierung (Bild 5.3)

- Systemaufbau (Bild 5.4)

- Lösen des Gleichungssystems (Bild 5.5)

- Nachlaufrechnung (Bild 5.6)

Nur das aktuell benötigte Programmsegment befindet sich im

adressierbaren Kernspeicher (OVERLAY-Technik), die übrigen

stehen auf Festspeichern oder im nichtadressierten Bereich des

Kernspeichers (Virtuelles Overlay) zum Austausch gegen das

aktuell arbeitende Segment bereit, wodurch mehr Kernspeicher-

plätze für Daten zur Verfügung stehen.

Ein geringer Anteil des für die Datenhaltung zur Verfügung

stehenden Kernspeichers ist während des Programmablaufes durch

Steuergrößen, globale Randbedingungen und globale Lastgrößen

belegt. Der überwiegende Rest, ca. 40 000 BYTE, wird durch

einen Vektor K vom Typ INTEGER beschrieben, der dem Benutzer

zur freien Verfügung steht.

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5-6

5.5.1 Elementgenerierung OVERLAY 1

Der K-Vektor wird vom Benutzer individuell strukturiert, d.h.

die für die Elementbeschreibung notwendigen Matrizen werden

elementweise sequentiell, im Vektor angeordnet. Die Position

des ersten Elementes der jeweiligen Matrix im K-Vektor defi-

niert die Übergabeadresse im Unterprogrammaufruf. Im Unterpro-

gramm selbst zeigen sich die Matrizen in typengerechter Dar-

stellung.

Die für den Systemaufbau und die inkrementelle Rechnung unab-

dingbar zu speichernde Elementinformation, wie

- Steuervektor des Elementes,

- globale Numerierung der Unbekannten,

- Geometriedaten,

- Werkstoffkennwerte,

- Zustandsgrößen (summiert, inkrementell),

- Elementlasten,

- lineare und nichtlineare Elementmatrix,

- Ausgangszustände,

- etc.

sind in unmittelbarer Folge im K-Vektor angeordnet. Je Element

wird dieser Abschnitt des K-Vektors auf die Platte als ein

Satz in einer randomly, besser contiguously, organisierten

Datei l) mit einem speziellen, auf Plattenstruktur abgestimm-

ten, Unterprogramm in binärer Darstellung ausgelagert. Einle-

sen dieses K-Vektorbereiches, also eines Satzes, aktualisiert

demzufolge die entsprechenden Matrizeninhalte.

" Die Random-Datei erlaubt den direkten Zugriff. Die Datensätze haben diegleiche Länge und können in beliebiger Reihenfolge gelesen und ge-schrieben werden. Die Reihenfolge der Sätze ist ihre Satznummer,Die Contiguous-Datei ist ein Sonderfall der Random-Datei, da die lo-gischen Sätze physikalisch sequentiell auf der Platte angeordnet sind.Die Zeit für mechanische Positionierung des Schreib- und Lesekopfesgeht gegen Null, die Datentransfergeschwindigkeit ist eine Funktion derRotationsgeschwindigkeit der Platte.

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5-7

5.5.2 Aufbau und Lösung des Gleichungssystems OVERLAY 2/3

Der Aufbau und die Lösung des symmetrischen Gleichungssystems

ist nur in Sonderfällen (kleine Strukturen, geringe Band-

breite) geschlossen im Kernspeicher möglich. Demzufolge wird

das Gleichungssystem abschnittweise (geblockt) aufgebaut und

eliminiert. Die Lösung selbst erfolgt nach dem verketteten

Gaußschen Algorithmus /14,15/ als Matrizenoperation. Die Koor-

dination zwischen den Blöcken des Gleichungssystems und den

auf der Platte gespeicherten Elementsätzen regelt eine im

Kernspeicher residierende Steuermatrix. Wie bereits erwähnt,

werden die Programmsegmente Strukturaufbau und Lösung des

Gleichungssystems als "black box" benutzt. Ob das Gleichungs-

system in allen Phasen der nichtlinearen Rechnung vollständig

aufgebaut und gelöst, oder ob lediglich die rechte Seite

behandelt wird, richtet sich nach dem jeweilig gewählten

Iterationsverfahren 1) .

5.5.3 Nachlaufrechnung OVERLAY 4

Der vom Anwender strukturierte Teil des K-Vektors wird ele-

mentweise in den Kernspeicher transferiert, und der Lösungs-

vektor den Elementen zugeordnet. Im Zusammenhang mit Weggrös-

senverfahren notwendige Nachlaufrechnungen, z.B. Dehnungs- und

Spannungsberechnung aus Knotenverschiebungen werden hier prob-

lems p ezifisch formuliert. Weiterhin wird bei nichtlinearen

Rechnungen die Konvergenz der Lösung überprüft.

" Der nichtlineare Zusammenhang zwischen Aktions- und Reaktionsgrößenwird üblicherweise inkrementell formuliert und innerhalb des Inkremen-tes linearisiert (Taylorentwicklung mit Abbruch nach den linearen Glie-dern). Zwangsläufig führt dieses Verfahren durch Summation und mitwachsenden Inkrementen zu wachsenden Differenzen zwischen Funktionsver-lauf und der Approximation.Innerhalb eines Inkrementes eingeschaltete iterative Korrekturzyklenermöglichen jedoch eine beliebig genaue Annäherung des wirklichen Zu-standes. Hinsichtlich der Rechentechnik ist zwischen zwei Verfahren zu

entscheiden:- Iterative Verbesserung der Systemmatrix führt zu einem veränderten

Gleichungssystem.- Iterative Verbesserung durch Ersatzlasten verändert lediglich die

rechte Seite des Gleichungssystems.

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5-8

5.6 BEWERTUNG DES PROGRAMMSYSTEMS

Die Technik, dem Anwender einen individuell gestaltbaren Kern-

speicherbereich zur Verfügung zu stellen, den Datentransfer

selbst allgemeingültig zu regeln, führt zu einer hohen Flexi-

bilität des Programmsystems. Die aufgezeigte Datenverwaltung

kann als Datenoverlay betrachtet werden. Ein- und Ausblenden

der zu bearbeitenden Elemente in den Kernspeicher kommt einer

Erweiterung des Datenspeichers um das Fassungsvermögen der

Platte gleich, wobei allerdings Datentransferzeiten in Kauf zu

nehmen sind.

Abgesehen von der hohen Bearbeitungszeit,behandelt das für

Minicomputer entwickelte Programmsystem im Vergleich zur zen-

tralen Rechenanlage auf der Basis von FEM formulierte Probleme

gleichwertig. Der längeren Bearbeitungszeit steht jedoch die

unbegrenzte Verfügbarkeit des Minicomputers gegenüber, eine

unabdingbare Voraussetzung für die Anwendung im Zusammenhang

mit der kommunizierenden Versuchstechnik.

Einlesen von Programmsteuer-und globalen Strukturdaten

Adressierung des Kernspeichers

Initialisierung von I/O-Medien

Elementgenerierung OV 1 C^

Aufbau des Gleichungssystems OV 2

Lösen des Gleichungssystems OV 3

Nachlaufrechnung OV 4

<Konvergenzbedingung erfüllt ?> — nein

<Neues Einwirkungsinkrement ?>— ja

Programmende

Bild 5.2. Schematische Darstellung des Programmsystems

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^ i =1,nel

Lesen von (::Element i

Element-

generierung

SchreibenvonElement i

Ausgabe /ausge-wählter I\Elemente \

5-9

Kurzbeschreibung:

Aufbau der Elementmatrizen, Elementlas-ten und Korrekturlasten (Iteration). Beierfüllten Konvergenzbedingungen Summa-tion der inkrementellen Zustandsgrößenvon ausgewählten Elemnten.

Form des Aufrufes:

CALL GEXX (K(K1),LKE,K(K1),LIN,K(K2)$ ,LGE,NGE,...)

Kopf des Unterprogrammes GEXX.FR

SUBROUTINE GEXX (KRW,LKE,INZI,LIN,GEOM$ ,LGE,NGE,...)

DIMENSION KRW(LKE), INZI(LIN),$ GEOM(NGE,LGE)

aktive Datei

S sequentielle Datei

C contigously Datei

Bild 5.3. Elementgenerierung

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Lesen vonElement j

SchreibenvonBlock i

5-10

Kurzbeschreibung:

Geblocktes Gleichungssystem in den Kern-speicher transferieren. Einbau derElementgleichung n, wenn n zum Block igehört. Gleichungsnummern nga und ngesind die jeweiligen Blockgrenzen.

Form des Aufrufes:

CALL SYXX (K(N1),NQB,MBL,NGA,NGE,KBL$ ,K(K1),LKE K(K1),LIN$ ..)

Kopf des Unterprogrammes SYXX.FR

SUBROUTINE SYXX (SYMA,NQB,MBL,NGA,NGE$ KBL,KRW,LKE$ ,INZI,LN...)

DIMENSION KRW(LKE), INZI(LIN)

DOUBLE PRECISION SYMA(NQB,MBL)

Bild 5.4. Systemaufbau

aktive Datei

S sequentielle Datei

C contigously Datei

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i=T,kb1

Lesen vonBlock A

j=1,1b1

Lesen vonBlock B

Dreiecks-zerlegung

SchreibenvonBlock B

SchreibenvonBlock A

5-11

aktive Datei

S sequentielle Datei

C contieously Datei

Kurzbeschreibung:

Einlesen von Block A in den Kernspei-cher. Sequentielles Einlesen und Teil-elimination der mit Block A über dieBandbreite gekoppelten kbl Folgeblöckedes Gleichungssystems. Schreiben derBlöcke.

Form des Aufrufes:

CALL EQXX (K(N1),LAV,K(N2),LST,K(N3)$ ,NQB,KBL,...)

i=kb1,1

Kopf des Unterprogrammes EQXX.FR

SUBROUTINE EQXX (A,LAV,IST,LST,B,NQB$ ,KBL,...)

Lesen vonBlock A

Rückwarts-einsetzen

1 ,SchreibendesLösungs-vektors

DIMENSION IST(LST)

DOUBLE PRECISION A(LAV), B(LAV)

Bild 5.5. Lösung des Gleichungssystems

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(1=1ne1 1

(:lesen dessungsktors

Zuordnen derLösung zurUnbekannten

5-12

Kurzbeschreibung:

Elementweise den geblockten Lösungsvek-tor zuordnen. Bestimmung sekundärer Zu-standsgrößen durch Nachlaufrechnung.Maximale Veränderung QMA der Zustands-größen zwischen aktuellem und vorange-gangenem Iterationszyklus feststellen.

Form des Aufrufes:

CALL LOXX (K(K1),LKE,K(K1),LIN,K(K2)$ ,LGE,NGE K (N1),NQB$ ,NGA,NGE,KBL ..... QMA)

Kopf des Unterprogrammes LOXX.FR

SUBROUTINE LOXX (KRW,LKE,INZI,LIN,GEOM$ ,LGE,NGE, ,RESE$ ,NNQMBB,NGA,NGE,KBL, $

DIMENSION KRW(LKE), INZI(LIN),$ GEOM(NGE,LGE)

DOUBLE PRECISION RESE(NQB)

pm aktive Datei

S sequentielle Datei

C contigously Datei

Bild 5.6. Nachlaufrechnung

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6-1

6 ANWENDUNG DES FEM- PROGRAMMSYSTEMS

Die nachfolgenden Beispiele demonstrieren die Anwendung von

problemorientierten FEM-Programmen. Hierbei handelt es sich um

exemplarische und keineswegs um parametrische Untersuchungen.

Vielmehr soll verdeutlicht werden, daß mit den zur Verfügung

stehenden Minicomputern anspruchsvolle FEM-Programme bearbei-

tet werden können.

Im ersten Beispiel wird mit "analytischen" Elementen das Trag-

verhalten eines biegebeanspruchten Einfeldträgers unter

Berücksichtigung von geometrisch und werkstofflich nicht-

linearem Verhalten simuliert. Das eingesetzte Rechenmodell,

das dem erstellten Programm zugrundeliegt, ist von Kröplin

/16/ entwickelt worden. Die mit dem Programm erzielten numer-

ischen Ergebnisse werden einem am Institut für Stahlbau der TU

Braunschweig durchgeführten Versuch /17,18/ gegenübergestellt.

Im zweiten Beispiel wird mit "experimentellen" Elementen das

Tragverhalten einer Verbundstütze simuliert. Die experimentel-

len Steifigkeitsmatrizen dieser Elemente wurden im Rahmen

eigener Versuche ermittelt. Experiment und Rechnung wurden

zeitlich versetzt durchgeführt.

Für beide Beispiele werden die Problematik, der Versuch und

das Rechenmodell soweit erforderlich beschrieben und ausge-

wählte numerische Ergebnisse dargestellt .

6.1 TRAGLASTUNTERSUCHUNGEN AN GESCHWEISSTEN, UNVERSTEIFTEN

TRÄGERN UNTER BEANSPRUCHUNG DURCH EINE EINZELLAST

6.1.1 Problematik

Um zu konstruktiv einfachen und wirtschaftlich günstigen Kon-

struktionen zu gelangen, besteht der Wunsch, weitgehend auf

querschnittsaussteifende Elemente zu verzichten; hier z.B.

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6-2

Verzicht auf Steifen zur Lasteinleitung bei konzentriert an-

greifenden Kräften.

Ein durch eine Einzellast mit endlicher Aufstandsbreite bean-

spruchter Träger versagt durch

- Ausbildung einer plastischen Zone (Fließgelenk),

- lokales Beulen des Steges unmittelbar unterhalb der Last

(Stegkrüppeln) oder

- globales Beulen des Stegbleches, insbesondere bei schlanken

Stegen.

Speziell im Hinblick auf die zuletzt angeführte Versagensart,

deren Betrachtung bislang auf der Grundlage der linearen Beul-

theorie und unter Annahme einer vereinfachten Interaktionsbe-

ziehung /22/ behandelt wird, wurden am Institut für Stahlbau

der Technischen Universität Braunschweig experimentelle Unter-

suchungen durchgeführt. Der im folgenden skizzierte Versuch

und die Ergebnisse sind ausführlich in den Versuchsberichten

/17/ und /18/ dokumentiert.

6.1.2 Traglastversuch

Der Versuchskörper ist der auswechselbare, mittlere Bereich

eines Einfeldträgers (Bild 6.1). Eine kontinuierliche Stützung

des Obergurtes verhindert das Kippen des Trägers.

Ein parallel zur Stegfläche vertikal und horizontal frei be-

weglicher Potentiometeraufnehmer registriert die Verformungen

senkrecht zur Stegfläche. Die Positionierung erfolgt durch

elektromotorischen Antrieb. Eine Meßanlage erfaßt die Meßwerte

und vermittelt diese dem Minicomputer. Im unbelasteten Zustand

werden so die herstellungsbedingten, geometrischen Imperfek-

tionen aufgenommen. Die Belastung wird in Laststufen aufge-

bracht; Kräfte und Verformungen gemessen.

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PP1 I

_ Lasteinleitungstravers

ra7

L11x 1 p00 = 11000

II

^ Kraft mctirirg-

AnschlufNrQggr

Auf Lagerung

12

lbg'gmgst i

Versuchsträger

2000-kN -Pressen A flagerbank

6-3

Versuchsträgerlänge

Bild 6.1. Versuchsaufbau

6.1.3 Rechenmodell

Gemischte Elemente approximieren unabhängig voneinander die

Gleichgewichts- und Kompatibilitätsbedingungen (Variations-

prinzip nach Heillinger/Reissner). Unbekannte Knotengrößen

sind Weg- und Kraftgrößen.

Das hier vorgestellte gemischte Scheiben-Platten-Element ist

der Sonderfall eines von Harbord für geometrisch, nichtlineare

Berechnung von Schalen entwickelten Viereckelementes

/19/,/20/. Nichtlineares Werkstoffverhalten beschreibt eine

von Ilyushin für den ideal plastischen Werkstoff formulierte,

integrale Fließbedingung, die nach Eggers und Kröplin /21/ in

Form einer Nebenbedingung im Funktional berücksichtigt wird.

Die Berücksichtigung von geometrischer und werkstofflicher

Nichtlinearität in einem Rechenmodell für ausgesteifte Blech-

felder zeigt Kröplin /16/. Weiterentwicklungen sind bei Vayas

/23/ und Dinkler /24/ zu finden. Die erstgenannte Arbeit

liegt den weiteren Betrachtungen zugrunde.

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-"(0Jti+ti <10,

n27^► //R^ 22

^m11^—►

nsage-n 11n 1 2 m 12

11'S UB

6-4

Die Arbeitsgleichung wird inkrementell formuliert.

baA = /bazT AazdV - f boz T OpdF = 0V F -

Die Koeffizienten der Matrix A sind bezüglich der betrachteten

Ausgangslage bekannte Größen. Damit führt die Diskretisierung

der Arbeitsgleichung auf ein lineares, algebraisches Glei-

chungssystem für die inkrementellen Zustandsgrößen (Definition

vgl. Bild 6.2).

aZ = a{U i ,nap ,m ap ,%} (6.2) Zustandsgrößeninkremente

U^ _ { u 1 , u 2 , u 3 } (6.2a) Knotenverschiebung

nap = { n it n22 n 33 }(6.2b) Normalkräfte

map = { m11

m22

(6.1)

, m33 } (6.2c) Biegemomente

A

ap = a{p',0,0}

p = {1512P3}

(6.2d) Plastizitätsfaktor

(6.3) konservative Lastinkremente

(6.3a)

Bild 6.2. Definitionen

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6-5

Die Untermatrizen von A beschreiben das linear-elastische,

geometrisch nichtlineare und physikalisch nichtlineare

Verhalten.

AT =

B+SA 0 DT+VA 0

0 0 0 0

D +VA 0 —F —PAT

0 0 —PA 0 (6.4)

Die lineare Theorie ist durch die folgenden Untermatrizen

beschrieben:

C 11 C 12 C13

C 21 C 22 C23

C 31 C 32 C33(6.5)

Die Bettungsmatrix B ist bei entkoppelten Federn nur auf der

Hauptdiagonalen besetzt.

a1 o 0

o a 2 0a 2 a 1 0o o 1aa1o 0 2aa2

0 0+2aa, (6.6)

Die Matrix D ist die Operationsmatrix der Membran- und Biege-

theorie für ebene Flächentragwerke

F11 F12

F 21 F22(6.7)

Die Nachgiebigkeitsmatrix F beschreibt für einen isotropen

Werkstoff die elastischen Eigenschaften des Tragwerkes, mit

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1 88 11881

1881

2 aa 22882

2 aa 21 88 2

+882"1

1002+2801

1 88 2+2 88 1

S A = G 'N q , ( 6.10)

(6.11)UT. G= UA'G •

(6.12)

G

6-6

der Dehnnachgiebigkeit Dijkl

0 1111 D 1122 D 1111 =1/E•t

02222 D 1122 = - µ•D1111

01212 F11 D 1212 =2 (1 +p.) ° D1111

(6.8)

und der Biegenachgiebigkeit Bijkl.

B1111 B1122

B 1111 =12/E•t3

822228 1122 = - µ'B1111

B1212 F22 B1212 =

2 (1 + ft ) • B 1 1 1 1(6.9)

Die Berücksichtigung von orthotropem Materialverhalten oder

großer Verformungen (geometrische Nichtlinearität) im Rechen-

modell bewirkt eine Kopplung der Membran- und Biegewirkung in

der Nachgiebigkeitsmatrix F, d. h. Elemente der Untermatrizen

F 12 =F 21 T sind ungleich Null. Das geometrisch nichtlineare Ver-

halten beschreiben die Ausgangsspannungsmatrix S A und die Aus-

gangsverschiebungsmatrix V A , ausgedrückt als Matrizenprodukt:

Die Operatorenmatrix G erfaßt nur nichtlineare Dehnungsterme,

da bei dünnwandigen Flächentragwerken und großen Verformungen

die Biegemomente für die Beschreibung des Tragverhaltens von

sekundärer Bedeutung sind. Die Last wird über Membrankräfte

abgetragen. Diese Vereinfachung reduziert den numerischen

Aufwand.

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mit

Y = Y(s aß ,$) = N + 0,5M + 0,5V4MN + M - 5 2 = 0 (6.15)

(6.15a)

(6.15b)

(6.15c)

N = nap. I•nPxaPpX ,

N = 4.n a P. I mP^

t aPpX

M = 1 6,m a P.I .mpX

t2 appX

6-7

u1

U2

U3

U1

Die Matrix DA beschreibt den Ver-

schiebungszustand der Ausgangslage.

uA(6.13)

u 2

U3

U1

U2

U3

n 11

n1t

n1tn22

In der Matrix N A sind die Normalkräf-

te des Ausgangszustandes erfaßt.

(6.14)NA

n22

n22

n12

n12

n 12

Die physikalische Nichtlinearität (Plastizität) wird in Form

einer Nebenbedingung berücksichtigt. Für ein linear elasti-

sches, ideal plastisches Werkstoffverhalten lautet die inte-

grale Fließbedingung

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taPPa =

Spannungsveränderungen von plastischen Punkten einer Struktur

verlaufen auf der Oberfläche des Fließkörpers, d.h. sie müssen

die Konsistenzbedingung erfüllen, die sich aus der Bildung des

Differentials der Den Verlauftotalen Fließbedingung ergibt.

der plastischen Dehnungen beschreibt die Fließregel

dY - as«P

dsap as 'ds = 0

mit d Y= Päp •d aps - d s= 0,

(6.16)

(6.16a)

A _ 1

(6.16b)

dsaP = d map /

PaP - 2 Q F t { fu, Nap )^

ap

(6.16c)

a Y - 2 1 npa + 8 _ M N _ japP^.mPa(6.16d)vap

a naP aPPX t V 4( M N )z + ( M

8Y _ 8 M N 1 nm«p

pap = ^Na a t ^4(MN) Z + (M)1 a PP

(6.16f)

(6.15d) und S = ci t . (6.15e)

6-8

Die Fließbedingung beschreibt einen konvexen Körper im Span-

nungsraum. Spannungszustände innerhalb des Fließkörpers sind

elastisch (Y < 0), plastische Spannungszustände liegen auf

seiner Oberfläche (Y=0), Spannungszustände (Y=.-0) sind unzu-

lässig. Die Berücksichtigung von teilplastischen Zuständen in

der integralen Formulierung ist /21/ zu entnehmen.

t6( M ) Pa .+ 1 + 4(N)

2 + (z IapPam

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0g En<k Q

6-9

Die elastische Arbeitsgleichung wird nach der Methode der

Langrangeschen Multiplikatoren durch die Konsistenzbedingung

eingeschränkt, d.h. für plastische Punkte wird die Plastizi-

tätsmatrix P A aufgebaut.

2A A

PA =A

V11 V 1A2 NA µ22 µ12 (6.17)

Der Langrangesche Multiplikator X ist eine Unbekannte im

Zustandsvektors.

6.1.4 Diskretisierung

Die Bezugsfläche des Prüfkörpers wird in Elemente, hier Recht-

eckelemente, unterteilt und jedes Element in einem ebenen,

rechtwinkligen und auf die Seitenlängen normierten Koordina-

tensystem beschrieben. Lineare Ansatzfunktionen (Bild 6.3)

nähern den Verlauf der Zustandsgrößen an. Die Integrationsko-

effizienten können so vorab ermittelt, z.B. mittels Gauß-

Quadratur, im Rechenprogramm als konstante Faktoren eingeführt

werden.

Bild 6.3. Ansatzfunktionen

A Z

^ ZK

op = (I)KR'11) ° OK

A

4K

K = A,B,C,D

{ A ZK,^pK.AK}

Knoten

diskrete Knotenwerte (6.18)

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CMN — ^ / M K CDN d F AK = CNMK Fmit (6.19a)

oq M =[/^M^KdF1opKF (6.19b)

6-10

Einsetzen der Ansatzfunktion in die Arbeitsgleichung führt zu

6o AE _ EE6ozT [CMN OZ - og M 1 = 0M N

(6.19)

Die als inkrementelle Nebenbedingung eingeführte Plastizität

wird knotenweise erfüllt. Eine Ansatzfunktion für den Knoten-

freiwert X entfällt.

6.1.5 Programmanwendung

Das entwickelte Programm wurde anhand der bei Kröplin /16/ und

Harbord /19/ angegebenen Testbeispiele überprüft. Die Nach-

rechnung des Versuches A27 in /17/ und /18/ zeigt die Anwen-

dung des Programmes.

Die Stegfläche des Prüfkörpers wird in Rechtecke unterteilt,

wobei im Bereich des gedrückten Obergurtes und unterhalb der

lokalen Lasteinleitung eine feinere Teilung gewählt wird.

Das globale Tragverhalten des Prüfkörpers wird wesentlich

durch die Dehnsteifigkeit der Gurte bestimmt. Der Gurtbiege-

steifigkeit kommt nur lokal im Bereich der am Obergurt an-

greifenden Einzellast Bedeutung hinsichtlich der Lastvertei-

lung zu. Dehnfedern beschreiben die Tragwirkung des Unter-

gurtes und Balkenelemente (Sonderfall des Scheiben-Platten-

Elementes) die des Obergurtes. Bild 6.4 zeigt den diskreti-

sierten Prüfkörper, die angenommenen Randbedingungen und die

Belastung.

Um die geometrische Verzweigung zu diskretisieren, ist das

aufgezeigte Rechenmodell zu erweitern (vgl. /23/ und /24/)

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E = 2,1105 N /mm2

3

P

ßs,Gurt = 343 N /mm 2

ßs,steg = 351 N/mm2

m12=n12 =u2 = 01 0- 10 10 _ 10

////

//// 10 20

10

299

PGurt

t•4,14 I^i / Xt

0 Scheiben- Plattenelement a

Balkenelement

ffil Federelement

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A

— Experiment

Rechnung

6-12

6.1.6 Ausgewählte Ergebnisse

Bild 6.5a zeigt die Beulfläche des Steges in isometrischer

Darstellung für die Laststufe P=198 kN, die zugehörigen Span-

nungen n 11 und n 22 sind in den Bildern 6.5d und 6.5e darge-

stellt. Die elastische Bettung des Gurtes auf dem Steg ver-

deutlicht der Verlauf des Biegemomentes längs des Obergurtes.

In Bild 6.5b und 6.5c sind für zwei Laststufen die errechneten

und experimentell bestimmten Verformungen u 3 im Schnitt A-A

aufgetragen.

Bild 6.5a. Beulfläche des Steges

-U3

Bild 6.5b. Beulform im Schnitt A-A für Laststufe P=198 kN

Bild 6.5c. Beulform im Schnitt A-A für die Traglast

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6-13

Bild 6.5d Spannungen n11

Bild 6.5e Spannungen n22

Bild 6.5f Biegemoment im Obergurt

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6-14

Im Experiment war der gedrückte Gurt seitlich gestützt; eine

Verdrehung war nur im unmittelbaren Lasteinleitungsbereich

behindert. Bedingt durch die Einspannung des Steges in die

Gurte, deren Verdrehung im Rechenmodell nicht berücksichtigt

ist, wird die rechnerische Traglast um 15% größer als im

Experiment ermittelt. Entsprechend wird die Gegenkrümmung in

Bild 6.5c behindert; die Beulfläche ist zum Zugbereich hin

verschoben.

6.1.7 Anmerkung zur Rechentechnik

Für einen Ausgangszustand werden die linearen, die geometrisch

nichtlinearen und ggf. die physikalisch nichtlinearen Element-

steifigkeitsmatrizen zur Systemmatrix zusammengefügt und die

inkrementellen Einwirkungen als rechte Seite formuliert. Die

inkrementellen Zustandsgrößen ergeben sich als Lösung des

resultierenden Gleichungssystems.

Die Linearisierung der Arbeitsgleichung führt zu Verletzungen

des Gleichgewichts, der Verträglichkeit und der Konsistenzbe-

dingung innerhalb des betrachteten Einwirkungsinkrementes.

Diese Verletzungen werden zu Ungleichgewichtslasten zusammen-

gefaßt und iterativ in Korrekturzyklen bis zum Unterschreiten

einer vorgegebenen Schranke für die Zustandsgrößenänderungen

bei konstanter Systemmatrix als äußere Einwirkungen behandelt.

Die Berücksichtigung von Ungleichgewichtslasten vorangegan-

gener Korrekturzyklen im betrachteten Einwirkungsinkrement

dämpft die Iteration vgl. /16/. Ob die Schnittgrößen die

Fließbedingung erfüllen wird während der Iterationszyklen

nicht geprüft. Der erreichte Zustand ist Ausgangszustand für

das folgende Einwirkungsinkrement.

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6-15

6.2 STüTZE IN VERBUNDBAUWEISE

6.2.1 Problematik

Die Stütze (Bild 6.6) hat einen achteckigen Querschnitt und

wird bauseits aus vier Abkantprofilen mittels Steckver-

bindung zusammengesetzt und ausbetoniert. Die Stöße der Stüt-

zenprofile sind so um 305 mm

versetzt, daß die beiden gegen-

überliegenden Seiten auf gleicher

Höhe gestoßen sind. Der Stützen-125

stoß wird ohne Bearbeitung der

Stoßflächen und ohne Verbind-NopibolSen-dübei

ungsmittel ausgeführt. Je Abkant-

profil stellen zwei Kopfbolzen-

'^ dübel den Verbund zwischen Stahl-

mant el und Betonkern her. DieBetonkern

Betonfüllung wird jeweils für

zwei errichtete Schüsse nachgezo-

segrnente gen, wobei ein Verbund zwischen

den Betonierabschnitten nicht

gewährleistet ist.

Bild 6.6. Verbundstütze

Bedingt durch das Konstruktions-

prinzip und die Herstellungs-

toleranzen der Stahlmantelsegmen-

te ist mit Klaffungen im hori-

zontalen Stoß zwischen den ein-

zelnen Stahlsegmenten und mit

bedingt tragfähigen Schichten im

Bereich des Betonkernstoßes zu

rechnen.

Die Stütze wird ausschließlich durch in den Stahlmantel einge-

leitete Kräfte auf Druck beansprucht. Konstruktive Maßnahmen

verhindern ein lokales und globales Stabilitätsversagen.

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6-16

Als statisches System betrachtet, stellt die Stütze einen in

Längsrichtung und senkrecht zur Stabachse kontinuierlich ge-

stützten Stab dar. Damit erfüllt das statische System zwar die

Voraussetzung für die Anwendung einer Berechnungsmethode nach

Theorie I. Ordnung, rechtfertigt jedoch nicht eine Spannungs-

analyse an Stabquerschnitten im herkömmlichen Sinne, da die

Bernoulli-Hypothese vom Ebenbleiben der Querschnitte nicht er-

füllt wird.

6.2.2 Rechenmodell

Zur rechnerischen Untersuchung wird die Stütze wie folgt ide-

alisiert: Der Stab setzt sich aus zwei parallelen Einzelstäben

zusammen. Ein Stab ist das Ersatzsystem für den Stahlmantel,

der andere für den Betonkern. Jeder Einzelstab gliedert sich

in Stababschnitte (Elemente), die das Verhalten des Stahlman-

tels und Betonkernes zum einen und deren Stoßbereiche zum

anderen beschreiben. Entsprechend wird die Kopplung der beidenErsatzsysteme durch Dübelelemente realisiert. Die Elementlän-

gen sind so gewählt, daß längs eines Elementes die Geometrie

und die Werkstoffkennwerte konstant sind. Die Lasteinleitung

erfolgt in den Elementknoten.

Es ergeben sich die folgenden Elementtypen:

- Stahlmantelelemente

- Betonkernelemente

- Kopfbolzendübelelemente

- Stahlmantelelemente mit integriertem Kontaktstoß

— Betonkernelemente mit integriertem Betonstoß

Die mechanischen Eigenschaften der Elemente beschreiben Ar-

beitslinien. Da Arbeitslinien Zufallsfunktionen sind und es

hinsichtlich des Tragverhaltens nicht abschätzbar ist, ob eine

qualitativ "bessere" Arbeitslinie zur Traglasterhöhung führt,

gilt es zunächst, ihren Einfluß zu ermitteln. Zu diesem Zweck

werden für die Elemente jeweils eine untere und obere Grenzar-

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6-17

beitslinie festgelegt und die ungünstigste Arbeitslinienkombi-

nationen ermittelt. Die Stützenhöhe ist ein weiterer, zu un-

tersuchender Parameter. Die Arbeitslinien werden auf experi-

mentellem Wege bestimmt.

Bild 6.7 zeigt exemplarisch die Idealisierung des realen Bau-

teiles über das Experiment zum Rechenmodell. Da im Rechenmo-

dell lediglich eindimensionale Federelemente eingesetzt wer-

den, ist die experimentelle Ermittlung der Arbeitslinie in

Hinblick auf die Belastungsgeschichte problemlos, da zwischen

einer Kraft- und einer Weggröße der Pfad der beiden Zustands-

größen eindeutig ist.

Bild 6.7. Übergang vom Bauteil zum Rechenmodell

6.2.3 Versuche zur Ermittlung der Elementarbeitslinien

Die Arbeitslinien für die Stahl- und Betonkernelemente werden

durch genormte Materialprüfung ermittelt und symmetrisch dazu

wird eine obere und untere Grenzarbeitslinie festgelegt.

Zur Bestimmung der Arbeitslinie für die Kopfbolzendübel werden

an Stützenabschnitten Traglastversuche (Bild 6.8) durchge-

führt, wobei die Belastung zentrisch in den Stahlmantel am

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6-18

Schnitt A- AStauchung des Stahlmantels

4443 41 4,

Einzelheit A

1

j9 t^ ^^47,5 t 1 1,57,5i

17,5 17.5 •

Einzelheit BRelativverschiebung des Stahl-mantels gegenüber dem Beton -kern

15, 30

a Meflbasis Stahlmantelstauchungb Melibasis Relativverschiebung

Stahlmantel - Betonkern

Bild 6.8. Versuchsaufbau zur Ermittlung der Arbeitslinie

für die Kopfbolzenelemente

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6-19

Kopf eingeleitet und vom Betonkern am Fuß des Stützenab-

schnittes abgenommen wird. Die Relativverschiebungen des

Stahlmantels gegenüber dem Betonkern werden in drei Meßquer-

schnitten in der Ebene der Dübel bestimmt. Da plastische

Verformungen in den Meßquerschnitten weitgehend auszuschließen

sind, ergeben sich aus den gemessenen Normaldehnungen des

Stahlmantels unmittelbar die zugehörigen Normalkräfte. Die

obere und untere Grenzarbeitslinie des Bereiches möglicher

Arbeitslinien ergeben sich durch Zeichnen der Einhüllenden,

die trilinear angenähert werden.

Nach dem zufälligen Zusammenbau der Abkantprofile wird die

Klaffung der Stahlprofile festgestellt, deren Form gemäß Bild

6.9 idealisiert wird; das Stoßelement besteht aus einer Fuge

und symmetrisch dazu angrenzenden Materialabschnitten. Im

unbelasteten Zustand ist die Klaffung maximal, und mit zuneh-

IIIe II UC Belastung treten an den lokalen Kontaktstellen Plasti-'^er

zierungen auf. Bei vollständiger Plastizierung der angrenzen-

den Materialabschnitte ist die Fuge geschlossen.

Im Rechenmodell wird das Stoßelement als homogen betrachtet

und durch die Einführung eines Ersatzwerkstoffes sein mecha-

nisches Verhalten in Abhängigkeit von der Größe der Klaffung

und dem angrenzenden Material beschrieben (siehe Tabelle 6.1).

Die fertigungstechnisch auftretenden Betonstöße werden ent-

sprechend idealisiert. In Bild 6.10 sind in Form von Kraft-

Weg-Diagrammen für die Elemente die hier im Rechenmodell ein-

gesetzten Arbeitslinien zusammengestellt. Entlastungen und

Elementausfälle werden berücksichtigt.

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a = Werkstoff

b = Ersatzwerkstoff

Ps = Streckgrenze

p R = Rechenwert derBetonfestigkeit

Eel = elast. Grenzdehnung

w f = max. Klaffung derFuge

Ef = wf /1

Eg = Ef + Eel

E = ß/Eg

6-20

Bild 6.9. Idealisierung der Stöße

Tabelle 6.1. Obere und untere Arbeitslinie der Ersatzwerk-

stoffe für Stahlmantelelemente mit integriertem

Kontaktstoß und Betonkernelemente mit inte-

griertem Betonstoß

Eel °NfEf

E9ßu Eu

Element ßo Eo(%o1 mm (%01 (%o] (kN/cm21 [kN/cm21

24,0 480Stahlfuge 1,1429 0,5 50 - 50 33,2 664

1,05 21,0Betonierfuge 1,35 0,5 50 - 50 1.75 35,0

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/

-1 ,0 1,0 üN = N/952,8I = 350ü =u/0,4

N

/

^

/ N=Nlö38,8

1

/ I =350ü =u/0,7

% I = 260/ A ü =u/0,52

ü

N

üN = N/638,8I = 260ü = u /0 ,5

-1,0

-1,0

Stahlmantelsto(i SS

Betonkernstoll BS

Kopfbolzendübel KB

Kopfbolzendübel KB(isotropes Modell)

(kinematisches Modell)

Stah l m a nte l SM Betonkern BK

6-21

Kräfte in kN Längen in mm

Bild 6.10. Kraft -Weg-Diagramme der Elemente

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6-22

6.2.4 Elemententlastung und Elementausfall

Experimentell ist das Werkstoffverhalten bei Entlastung nicht

untersucht worden. Daher werden hier die folgenden Näherungs-

annahmen getroffen:

Für die Stahlmantel- und Betonkernelemente verlaufen Ent-

lastungen längs der elastischen Geraden.

Für die entsprechenden Stoßelemente ist zu berücksichten, daß

mit dem Schließen der Klaffungen im Stoßbereich plastische

Verformungen verbunden sind, eine Entlastung jedoch ent-

sprechend den Stahlmantel- oder Betonkernelementen verläuft.

Nach Abbau der Druckspannungen in den Stoßelementen vergrößert

sich die Klaffung, das jeweilige Element ist spannungsfrei.

Für die Kopfbolzendübei werden hinsichtlich der Entlastung

zwei Modellvorstellungen betrachtet: das kinematische und das

isotrope als Grenzbetrachtungen für das reale Werkstoffver-

halten.

Bei isotropem Werkstoffverhalten führt eine Materialverfesti-

gung zu einem vergrößerten elastischen Bereich, dies ent-

spricht bei mehrachsiger Beanspruchung einer affinen Auf-

weitung des Fließkörpers.

Bei kinematischem Werkstoffverhalten verschiebt sich der

Fließkörper in Abhängigkeit von den plastischen Verformungen,

seine Gestalt bleibt jedoch unverändert /26/, /27/. Beim

Durchlaufen des verfestigenden Bereiches der Arbeitslinie wird

das Verfestigungsvermögen des Werkstoffes "aufgezehrt".

Programmtechnisch wird bei einer Entlastung die Arbeitslinie

des betreffenden Elementes gemäß Bild 6.10 modifiziert. Ein

Element wird nach überschreitung der vorgegebenen Grenzdehnung

als ausgefallen betrachtet.

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6-23

6.2.5 Exemplarische numerische Untersuchung des Tragverhaltens

einer Stütze unter zyklischer, quasi statischer Belastung

Die betrachtete Stütze besteht aus 14 Schüssen; die Schußlänge

entspricht der Länge eines Stahlmantelsegmentes von 0,61m.

Eine am Stützenkopf in den Stahlmantel eingeleitete Kraft

wirkt auf die Stütze ein. Die Belastung erfolgt in zyklischen

Lastwechseln (Ent- und Belastung), wobei die Krafteinprägung

als statisch anzusehen ist. Das Tragverhalten für den Schuß

11, das sich bei Zugrundelegung eines isotropen Werkstoffver-

haltens für die Kopfbolzendübel einstellt, ist in Bild 6.11,

das für kinematisches Werkstoffverhalten des Kopfbolzendübels

in Bild 6.12 in normierter Form (vgl. Bild 6.10) dargestellt.

Während sich für die Modellvorstellung isotropes Werkstoff-

verhalten, abgesehen vom Öffnen und Schließen der Fugen, ein

quasi elastisches Tragverhalten einstellt, durchlaufen die

Kopfbolzendübel bei Annahme von kinematischem Werkstoffver-

halten plastische Hysteresen. Wenn die aufsummierten pla-

stischen Dehnungen den Grenzwert nach Bild 6.10 überschreiten,

fällt der entsprechende Kopfbolzendübel aus; die auf ihn ent-

fallende Schnittkraft lagert sich um.

6.2.6 Anmerkung zur Rechentechnik

Die Arbeitslinien der einzelnen Elemente sind durch Polygon-

züge dargestellt, so daß auch das Gesamtsystem abschnittsweise

linear ist. Die nichtlineare Berechnung der Stütze setzt sich

demnach aus einer Folge linearer Berechnungen zusammen.

Es wird jeweils der Faktor für das aufgebrachte Lastinkrement

gesucht, für den sich das Gesamtsystem inkrementell linear

verhält. Die mit dem Faktor multiplizierten Zustandsgrößen

dieses Lastinkrementes werden aufsummiert, wenn innerhalb des

Lastinkrementes keine Elemententlastungen stattgefunden haben.

Die Rechnung wird mit unveränderter Gesamtsteifigkeitsmatrix

solange wiederholt, bis das Lastinkrement vollständig aufge-

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x = 7,32

x =6,71m

KB

PEMil^1111

BK •^1

6-24

P/2 I P/2

x=7,32—

x =6.71 —

^^

^^

Verbundstütze

MOM

- SM^

Bild 6.11. Belastungsgeschichte der Stütze und Zustandsgrößen

in Schuß 11 bei isotropem Werkstoffverhaltens des

Kopfbolzendübels

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mosimimmo

P/2

x =7,32 —

x =6.71 —

1 1I 1

P/2

E

^m

I^1111

Verbundstütze

N

BS

6-25

x =6,71m

x 7,32

-1IA

PMIMP'jr SS

,

_1 N

.n.rFA‚11

^nEfBK 11ii_ 1

Bild 6.12. Belastungsgeschichte der Stütze und Zustandsgrößen

in Schuß 11 bei kinematischem Werkstoffverhalten

des Kopfbolzendübels

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6-26

nommen ist. Bei Elemententlastungen aus nichtelastischen

Bereichen der Arbeitslinie wird für das betreffende Element

die Arbeitslinie nach Abschnitt 6.2.4 modifiziert; der Rechen-

schritt ist mit der veränderten Steifigkeitsmatrix des Gesamt-

systems zu wiederholen.

Bei einem Elementausfall werden aus der umzulagernden Schnitt-

kraft des betroffenen Elementes äquivalente Ersatzlasten ge-

bildet, die als äußere Lasten auf das Gesamtsystem einwirken.

Innerhalb des Lastinkrementes werden zunächst die Ersatzlasten

wie oben beschrieben behandelt, bevor das nächste aus der

Systembelastung resultierende Inkrement bestimmt wird.

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7-1

7 KOMMUNIZIERENDE VERSUCHSTECHNIK

Mit der Zustandsgrößenregelung (Kapitel 2,4) und dem FEM-

Programmsystem (Kapitel 5) sind in Verbindung mit der in

Kapitel 1 aufgezeigten Prüfmaschine wesentliche Bausteine der

kommunizierenden Versuchstechnik entwickelt.

Die Struktur einschließlich dem experimentell zu untersuchen-

den Bauteil wird gemäß dem gewählten FEM-Verfahren durch Ele-

mente diskretisiert und so immateriell mittels Rechenprogramm

im Strukturrechner simuliert. Diskretisierungsgrundlage ist im

Rahmen der kommunizierenden Versuchstechnik das Weggrößenver-

fahren.

Das Tragverhalten des experimentell zu untersuchenden Bau-

teiles wird durch die aus Zustandsgrößen bestimmte momentane

experimentelle Steifigkeitsmatrix des betrachteten Ausgangszu-

standes beschrieben.

Das Tragverhalten der das experimentell zu untersuchende Bau-

teil umgebenden Struktur beschreiben Steifigkeitsmatrizen, die

sich als Funktion

- des Werkstoffes,

- der Geometrie und

- der Zustandsgrößen des Ausgangszustandes ergeben.

Ausschließlich durch das Rechenmodell behandelte Elemente

werden im folgenden analytische (A) Elemente genannt. Entspre-

chend wird das Element, dessen Tragverhalten auf experimentel-

lem Wege ermittelt wird, experimentelles (E) Element genannt.

Betrachtet man die Summe der analytischen Elemente und das

experimentelle Element jeweils als Substruktur, so gliedert

sich jede Struktur in zwei Substrukturen.

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analytischeSubstruktur A

X•P4

Bernoulli -Ebene

Erd-scheibe

experimentelle C —Substruktur G

7-2

Bild 7.1 zeigt diesen Sachverhalt für das in Kapitel 1 ange-

führte Beispiel. Die Betonkonstruktion ist die analytische und

die Rüststütze die experimentelle Substruktur. Für die

Schnittebene, oder allgm. die Schnittebenen, zwischen analy-

tischer und experimenteller Substruktur wird die Bernoulli-

-Hypothese vom Ebenbleiben der Querschnitte vorausgesetzt. Das

experimentell zu untersuchende Bauteil ist entsprechend aus

der Struktur herauszuschneiden.

9r'^"^ ^"^'Cir'^C"oo^a►^^^..Ir./^i .,i ?C^►•^a.^.. ►i^ 0

lo^^

RI leGa Id

A•Pi A PZ

^ P3

Bild 7.1. Experimentelle und analytische Substruktur

Zur Beschreibung des Tragverhaltens der Substrukturen wird die

für den allg. Fall nichtlineare Einwirkungs-Verschiebungs-Be-

ziehung, mathematisch betrachtet eine Hyperfläche, für Einwir-

kungsinkremente formuliert und linearisiert. Dies führt auf

ein lineares Gleichungssystem (7.1) für die inkrementellen

Weggrößen, das die Gleichgewichtslage der diskretisierten

Struktur kennzeichnet.

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—AEk AA

—EEkEA ^ WE

16WA A^A

(7.1)

7-3

In strukturmechanischer Betrachtungsweise sind

k AA Steifigkeitsmatrix der analytischen Substruktur,

kEE Steifigkeitsmatrix der experimentellen Substruktur,

k AE Kopplungen der Substrukturen mit k EA I( AE

A W Vektoren der diskreten inkrementellen Weggrößen und

ACT Lastvektoren.

Die Auflösung des Gleichungssystems nach ow E lautet:

W E - k -1EE( A ^E - k EA (kAAkAE-Og A

)

Der inkrementelle Weggrößenvektor ow E beschreibt die inkremen-

telle Translation und Rotation der Schnittebene oder -ebenen

zwischen analytischer und experimenteller Substruktur. Die

Kompatibilitätsbedingung ist erfüllt.

Im Bild 7.2 ist schematisch der Regelprozeß der kommunizier-

enden Versuchstechnik dargestellt. Die Schnittgrößen der Ele-

mente der analytischen und experimentellen Substruktur be-

stimmen sich aus der Multiplikation der jeweiligen Element-

steifigkeitsmatrix mit den inkrementellen Weggrößen unter

Berücksichtigung der Stabendgrößen und des Ausgangszustandes.

Die Steifigkeitsmatrix des experimentell untersuchten Bau-

teiles ist dabei die momentane experimentelle Steifigkeits-

matrix des Ausgangszustandes.

(7.2)

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- ''Strukturrechn2r

BAUTE I LVERSUCH

—1Eingabe der EinwirkungenEingabe der Einmirkungs-intensitAtsfaktoren E

analytische El ment-Steifig-keitsdatrizen Is Funktiondes AU59.9,ZU''.5

Sollwerte d r kinemmtischenPrüfkorperyndbedingungenzum Experimentrechner senden

- Gleichgewic t bedingung- Konsistenzb d ngung

Ongleichgewmchtslastenaus Biffe enz errechnete zuexperimen el/ ermittelten .Schnittg, Ben

Anm.: Die Transformation

kinematische RandbedingungKolbenauszugslänge istnicht dargestellt.

Aufbau und lbs mg desGleichungssystds fUvdie inkrementelen Meg-gröZen

[VM-Mremente/le Pustands-grdeen

am- nein <Konvergenzbedingung erfdllt ?).

Summation der inkrementZustandsgrimKen

FEM—STRUKTURANALYSE

Aanalytische

E

experimentelle

Substruktur

Istwerte der ZustandsgröBenf" d' P p fpebenenemmfangen

Aktualisieren der experi-mentellen Steif igkeitsmatrixAufzeichn n der limOmmerte

Experimentrechner

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7-5

Für die experimentelle Substruktur werden im Einwirkungsinkre-

ment die Differenzen zwischen experimentellen und errechneten

Schnittgrößen bestimmt und zu Ungleichgewichtslasten zusammen-

gefaßt.

Für die analytische Substruktur werden bei nichtlinearem Trag-

verhalten die aus der Linearisierung der Arbeitsgleichung

resultierenden Verletzungen der Gleichgewichts- und der Kon-

sistenzbedingung zu Ungleichgewichtslasten zusammengefaßt.

Die Ungleichgewichtslasten werden der Struktur als Einwirkun-

gen eingeprägt. Korrekturzyklen approximieren iterativ unter

Berücksichtigung der Ungleichgewichtslasten den gesuchten

Zustand, der wiederum Ausgangszustand für das folgende Einwir-

kungsinkrement ist. Die Iteration wird abgebrochen, 'wenn keine

signifikanten Weggrößenänderungen im Einwirkungsinkrement zu

verzeichnen sind.

Der Belastungspfad (Lastgeschichte) für die Struktur ist ein

Nebenprodukt dieser Versuchs-Berechnungs-Methode.

Im Gegensatz zu Kapitel 4 (stand-alone-Betrieb der Prüfma-

schine) regeln bei einem kommunizierenden Versuch das Tragver-

halten der Struktur einschließlich dem experimentell zu unter-

suchenden Bauteil und die Einwirkungen auf die Struktur den

Versuchablauf (Bild 7.2).

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2(129000

8-1

8 SIMULATION EINES KOMMUNIZIERENDEN VERSUCHES

Anhand eines zweifeldrigen Durchlaufträgers wird die Wirkungs-

weise der kommunizierenden Versuchstechnik aufgezeigt. Es wird

angenommen, daß für den in Bild 8.1 dargestellten Durchlauf-

träger das Tragverhalten für das linke Feld nur experimentell

zuverlässig zu ermitteln ist, da z.B in Feldmitte eine kom-

plexe Schraubverbindung angeordnet ist. Für das rechte Feld

seien die Geometrie- und Werkstoffdaten hinreichend bekannt,

so daß das Tragverhalten dieses Feldes mit einem Rechenmodell

zu erfassen ist.

_JIL_ w1 r

1500

Ä 1 w2 A

E experimentelle (materielle) Substruktur

A analytische (immaterielle) Substruktur

8.1 RECHENMODELL FUR DIE ANALYTISCHE SUBSTRUKTUR

Im Rahmen der kommunizierenden Versuchstechnik wird das Trag-

verhalten der analytischen Substruktur mittels Rechenmodell im

Strukturrechner simuliert. Zur Simulation des Tragverhaltens

des rechten Feldes wird hier ein Fasermodell eingesetzt.

Ein Fasermodell setzt voraus, daß der jeweilige Stab aus

Teilstäben zusammengesetzt ist. Für die Teilstäbe wird voraus-

gesetzt, daß die Bernoulli-Hypothese vom Ebenbleiben der Quer-

schnitte gilt. Seinem Querschnitt entsprechend setzt sich der

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8-2

jeweilige Teilstab aus achsparallelen Fasern zusammen. Das

Tragverhalten der jeweiligen Faser ist durch das Spannungs-

Dehnungs-Diagramm des Werkstoffes unter Einbeziehung des

Faserquerschnittes und der Faserlänge beschrieben.

8.1.1 Annahmen

- Die Struktur besteht aus planmäßig geraden Teilstäben, deren

Querschnittsabmessungen klein gegenüber der Stablänge sind.

- Bei Verformung der Stabachse bleibt die Querschnittsform

erhalten.

- Bei Torsionsbeanspruchung werden offene dünnwandige Quer-

schnitte unterstellt, die näherungsweise durch die Profil-

mittellinie beschrieben werden.

- Örtliches Beulen und Lasteinleitung besitzen keinen Einfluß

auf das Tragverhalten des Stabes.

8.1.2 Weggrößenverfahren

Die Herleitung eines Rechenmodelles für das Fasermodell ist

bei Kindmann /28/, Heil /29/ und Bergmann /30/ ausführlich

dargestellt und wird soweit erforderlich wiedergegeben.

Die Diskretisierungsgrundlage ist das Weggrößenverfahren in

inkrementeller Formulierung (Berücksichtigung von nichtline-

arem Werkstoffverhalten). Steifigkeitsmatrizen beschreiben das

Tragverhalten der Elemente (Teilstäbe).

Nach dem Zusammenbau der Elementsteifigkeitsmatrizen und der

Lasten im globalen Koordinatensystem resultiert unter Berück-

sichtigung der geometrischen Randbedingungen das Gleichungs-

system (8.1) zur Bestimmung der inkrementellen Knotenverfor-

mungen.

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Es sind:

W

g

Ik(QA)

II

k(aA+ea)

WA

8-3

I II l II (8.1)k OA1 +ea) J'A W+ k lea) WA = A g

unbekannter inkrementeller Verformungsvektor,

inkrementeller Lastvektor,

Steifigkeitsmatrix nach Theorie I. Ordnung mit den

Querschnittswerten des Ausgangszustandes,

Steifigkeitsmatrix nach Theorie II. Ordnung mit den

gesamten Spannungen,

Steifigkeitsmatrix nach Theorie II. Ordnung mit den

inkrementellen Spannungen und

Verformungsvektor des Ausgangszustandes einschließ-

lich spannungsloser Vorverformungen.

8.1.3 Steifigkeitsmatrizen für Theorie I. und II. Ordnung

Weil bei nichtlinearem Werkstoffverhalten der wirksame Quer-

schnitt, - bei linearelastischem-idealplastischem Spannungs-

Dehnungs-Diagramm der elastische Restquerschnitt -, sich stän-

dig ändert, werden die Steifigkeitsmatrizen nach Theorie I.

und II. Ordnung für eine beliebige Bezugsachse 8 als Stabachse

aufgestellt (vgl. Bild 8.2). Unter Vernachlässigung des Eigen-

trägheitsmomentes der Faser ergeben sich die Querschnittswerte

des Teilstabes bezogen auf die Stabachse B.

Die Herleitung der Steifigkeitsmatrix für Theorie I. Ordnung

k I (Q) (Bild 8.3) und Theorie II. Ordnung k II 01 (Bild 8.4) für

eine beliebige Bezugsachse B ist in /28/ ausführlich darge-

stellt. Über Gleichgewichtsbedingungen ergibt sich mit den

Gleichungen 4.4 und 4.5 aus den in den Bildern 8.3 und 8.4

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A =FA; Ayy = yA;

AZZ =^ZA;nAyZ =FyzA;

Ay =yA;

AZ =^zA;n

8-4

dargestellten

keitsmatrix.

k. w =q

Untermatrizen die jeweilige Elementsteifig-

w = [u,v, v s, w,—w',-3l

q = [Fx,Fy,BZ,FZ, By B

QUERSCHNITTSWERTE:

Bild 8.2. Definitionen

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8-5

A/A . 0 -AY / A 0 Az/ A 0

12A22-12-LA° AA'

-AY+6- ,A2 AA'

12A1.1-12AYAzA2 At'

6AYz. 6AYAz 0A° At'

,4AYY-3^Y: 6pYZi6AYAz 4AYZa3^f ? 00 AA ,A At A At

12A A^ 12 AA^A

06A

6 AAp

symmetrisch

4Azz-3Az 0

A At

Untermatrix koo

0.,. /A G/E

Bild 8.3. Steifigkeitsmatrix für Theorie I. Ordnung

0 0 0 0 0 0

NNa1,2 -0,1 M a 0 0 -MYb /A

2^ NxA 0 0

1/6 MY a

+5/6 Myb

symmetrisch

Untermatrix

N1,2-11 0,1 Na

-Mzb /A

koo

2

^

N A

X

-1/6Mza

5/6 Mzb

MrrA

Bild 8.4. Steifigkeitsmatrix für Theorie II, Ordnung

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v =vB -z.gg -1/2Y`gg

zw = we+ Y.313 - 1/2zSB

u = uB-yvB-zwB-ywBSB+zvB^ (8.2a)

(8.2b)

(8.2c)

Nx = ^ Qxx"Ain=1, Anzahl der Fasern (8.3a)

Qy =,cc(6xy-Qxx•Z,8)Ai

QZ = nlaxZ+QxxW")Ai

Mx = (QxzYi- Qxyzi)Ai + Uxx l Zj+yZ Ai

My = F Qxx-ziAi

Mz = -Qyy YiAi

(8.3b)

(8.3c)

(8.3d)

(8.3e)

(8.3f)

8-6

8.1.4 Zustandsgrößen

Unter Annahme einer starren Querschnittskontur und kleiner

Verformungen für die Stabachse B ist der Verschiebungszustand

einer Querschnittsfaser durch die Translation und Rotation der

Stabachse bestimmt.

Entsprechend werden die Spannungen in dem querschnittsfesten

Koordinatensystem zu Schnittkräften zusammengefaßt.

Die Normaldehnung der Faser i bestimmt sich aus der Ableitung

des Verschiebungszustandes, wobei Terme höherer Ordnung ver-

nachlässigt werden.

E,'« = uB - yv8 + zw8 (8.4)

Die Normalspannung der Faser ist eine Funktion der Normal-

dehnung. Das Spannungs-Dehnungs-Diagramm der jeweiligen Faser

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(8.5a) (8.5b)E_ I J I N X I'EA„

E_ I NX I EA

YY

8-7

beschreibt ein Polygonzug. Mögliche Faserentlastungen verlau-

fen elastisch, wobei hinsichtlich des Werkstoffes isotropes

Verhalten angenommen wird.

8.2 DISKRETISIERUNG

Im Rahmen der kommunizierenden Versuchstechnik werden die zu

untersuchenden Strukturen räumlich betrachtet. In anbetracht

der in Abschnitt 8.1 getroffenen Annahmen wird zur Simulation

der analytischen Substruktur ein Stab mit einem dünnwandigen,

offenen Querschnitt gewählt. Die experimentelle Substruktur

wird durch ein räumliches Fachwerk beschrieben (vgl. Kapitel

4). Diese Struktur wird hier vereinfacht unter ebener Einwir-

kung betrachtet. Die Diskretisierung des Zweifeidträgers und

die Einwirkungen zeigen die Bilder 8.5 und 8.b.

8.2.1 Diskretisierung der analytischen Substruktur

In Zusammenhang mit der Diskretisierung ist zu beachten, daß

die Koeffizienten der Steifigkeitsmatrix nach Theorie II.

Ordnung nicht die exakte Lösung der Differentialgleichung

sind, sondern durch Reihenentwicklung der trigonometrischen

bzw. der hyperbolischen Funktion diese annähern. Für Stab-

kennzahlen £<2,0 ist der Fehler zwischen exakter Lösung und

Näherung geringer als 1%, entsprechend sind bei gegebenen

Querschnittswerten die Teilstablängen der analytischen Elemen-

te zu wählen,

Um den Plastizierungszustand längs des Trägers hinreichend zu

erfassen, sind die Teilstablängen in den Bereichen hoher Quer-

schnittsbeanspruchung reduziert worden.

Der Querschnitt gliedert sich in 41 Fasern, deren Tragverhal-

ten ein linearelastisch-idealplastisches Spannungs-Dehnungs-

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8-8

Diagramm beschreibt. Entlastungen der analytischen Elemente

bleiben im vorliegenden Beispiel unberücksichtigt.

8.2.2 Diskretisierung der experimentellen Substruktur

Das linke Feld des Zweifeldträgers wird durch das experimen-

telle Element beschrieben, dessen momentane experimentelle

Steifigkeitsmatrix im simultan zur Strukturberechnung ablau-

fenden Bauteilversuch ermittelt wird. Das Tragverhalten des

experimentell zu untersuchenden Bauteiles simuliert das räum-

liche Fachwerk (Bild 8.6). Das Tragverhalten des räumlichen

Fachwerkes ist durch das Kraft-Weg-Diagramm des jeweiligen

Fachwerkstabes beschrieben. Stabentlastungen werden berück-

sichtigt.

8.2.3 Randbedingungen und Einwirkungen

Der immaterielle Abschnitt des Trägers ist beiderseits gelen-

kig gelagert; der materielle Abschnitt ist im Knoten 2 biege-

steif angeschlossen. Die Verdrehung im Knoten 1 ist verhin-

dert.

Zwei Einwirkungsgruppen, gekennzeichnet durch die Intensitäts-

faktoren 1 1 und X2, beanspruchen den Träger in der x-z-Ebene.

8.3 ABLAUF DES KOMMUNIZIERENDEN VERSUCHES

An dem Experimentrechner wird das Simulationsprogramm gestar-

tet; es verharrt im Wartezustand. An dem Strukturrechner wird

das dialogfähige FEM-Programm gestartet. Die Intensitätsfak-

toren der Einwirkungen (Inkremente) werden im Dialog mit dem

Benutzer oder bei automatischem Versuch-Rechnungsablauf aus

einer Datei dem FEM-Programm zugeführt (vgl. Bild 7.2).

Die analytischen Steifigkeitsmatrizen bestimmen sich in Abhän-

gigkeit von der eingesetzten Theorie und dem jeweiligen Aus-

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X 2 q 1

.b3x 1000

X2q2

T A11A'2

arc tan =2100 kN/cm2

8-9

10 23

I I I

_^ JIL üii ii)1/41

W1 —11P^2x1500 500 2 x1000

X . ,t

q 1 = 40 kN /m

q 2 = 2000 kN

TEILSTABQUERSCHNITT

Kreuzquerschnitt mit 41 Fasern

Lastangriff in der Stabachse

FASERWERKSTOFF

Spannungs-Dehnungs-Diagramm

des fiktiven Faserwerkstoffes

Entlastungen verlaufen längs

E[i] der bilinearen Funktion

Bild 8.5. Diskretisierung des Zweifeldträgers

(analytische Substruktur, rechtes Feld)

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fiktives Stabkraft-Stabver-

formungs-Diagramm

Stabentlastung nach Bild 4.12

8-10

1500 ^ 500^ 2 x^000^ } 6 x k

00 k

^3kx 1000 1,

/ X w1 2 w, = 15 mm

w 2 = 10 mm

^ _JIL_ ^A2x 'Ä, W, ^I^ A. -^---

X2 q 2

^ 500 500 500 j,

0 0

S[kN]

RÄUMLICHES FACHWERK

44 Stäbe 16 Knoten

quadratischer Grundriß

STABARBEITSLINIEN

Bild 8.6. Diskretisierung des Zweifeldträgers

(experimentelle Substruktur, linkes Feld)

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8-11

gangszustand des Elementes. Im Rahmen des Beispieles werden

die analytischen Elemente (Teilstäbe) unter der Annahme von

- linear elastischem,

- geometrisch nichtlinearem,

- physikalisch nichtlinearem und

- geometrisch und physikalisch nichtlinearem

Tragverhalten betrachtet.

Um die experimentelle Steifigkeitsmatrix zu bestimmen, sendet

der Strukturrechner nacheinander sechs orthogonale Weggrößen

als Sollwerte zum Experimentrechner. Aus der vom Experiment-

rechner gesendeten Prüfkörperantwort (Istwerte der Zustands-

größen der Aufspannebenen) ermittelt der Strukturrechner die

erste momentane experimentelle Steifigkeitsmatrix (vgl.

4.2.1).

Diese erste Einwirkung auf den Prüfkörper ist mit minimal

einstellbaren Weggrößen vorzunehmen, damit sie nicht unnötig

bleibende Verformungen im Prüfkörper bewirkt. Der Prüfkörper

wird in die Ausgangslage zurückversetzt.

Aus den Steifigkeitsmatrizen der analytischen und experimen-

tellen Elemente, den mit dem jeweiligen Intensitätsfaktor

multiplizierten Einwirkungen und den kinematischen Randbe-

dingungen bestimmt sich im Strukturrechner das algebraische

Gleichungssystem für die inkrementellen Knotenweggrößen o w.

Durch Nachlaufrechnung (Multiplikation der inkrementellen

Weggrößen mit der jeweiligen Elementsteifigkeitsmatrix) erge-

ben sich die korrespondierenden inkrementellen Schnittgrößen

oQ für die Elemente (Teilstäbe) und das experimentelle Element.

Die summierten inkrementellen Weggrößen des experimentellen

Elementes rechnet der Strukturrechner in relative, auf den

Elementanfang bezogene Weggrößen um. Sie sind die Sollwerte

für die Wegregelung der Prüfmaschine (kinematischen Randbe-

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8-12

dingungen des Prüfkörpers).

Die Sollwerte übermittelt der Strukturrechner dem Experiment-

rechner und empfängt vom Experimentrechner nach Abschluß der

Regelaktivitäten im Experimentrechner als Prüfkörperantwort

die Istwerte der Zustandsgrößen für die Aufspannebenen.

Für das experimentell untersuchte Bauteil wird die Differenz

zwischen den über die experimentelle Steifigkeitsmatrix be-

stimmten Schnittgrößen und den aus den Istwerten (Meßwerten)

ermittelten Schnittgrößen zu Ungleichgewichtslasten zusammen-

gefaßt. Mit der Zustandsgrößendifferenz zwischen dem Ist- und

dem Ausgangszustand wird die experimentelle Steifigkeitsmatrix

aktualisiert (vgl. 4.2.2) und die Istwerte in einer Meßwert-

datei gespeichert.

Für die analytischen Elemente werden in Abhängigkeit von der

zugrundegelegten Theorie ggf. die Gleichgewichts- und Konsi-

stenzbedingung verletzt und durch Ungleichgewichtslasten in

der Berechnung berücksichtigt.

Mit konstanter Systemmatrix und unter Berücksichtigung der

Ungleichgewichtslasten wird iterativ der Zustand gefunden, der

Gleichgewichts- und Konsistenzbedingung im Rahmen der gefor-

derten Genauigkeit erfüllt. Die Konvergenzbedingung für das

betrachtete Beispiel gilt als erfüllt, wenn die Änderung der

Weggrößeninkremente zwischen dem aktuellen und dem vorangegan-

genen Korrekturzyklus kleiner 1% ist.

Bei erfüllter Konvergenzbedingung werden die inkrementellen

Zustandsgrößen und die des Ausgangszustandes summiert. Die

Summe ist der Ausgangszustand für das folgende Einwirkungs-

inkrement.

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8-13

8.4 ÜBERWACHUNG VON RECHNUNG UND EXPERIMENT

Während des Iterationsprozesses im Einwirkungsinkrement werden

die Sollwerte und die resultierenden Istwerte in alphanumeri-

scher Form ausgegeben und ausgewählte Zustandsgrößen graphisch

dargestellt. Die Konvergenz der Iteration wird programmintern

kontrolliert und auf dem Dialogbildschirm die Abweichung als

prozentuale maximale Veränderung zwischen dem aktuellen und

den vorangegangenen Weggrößeninkrementen ausgegeben. Dem An-

wender ist so die Möglichkeit gegeben, in den Regelprozeß über

die Veränderung des Dämpfungsfaktors (vgl. 4.2.2) regulierend

einzugreifen oder diese ggf. abzubrechen.

Bevor ein neues Einwirkungsinkrement bearbeitet wird, durch-

läuft das Programm einen Ausgabemodul. Für frei wählbare

Elemente wird aus der Ergebnisdatei die Lastgeschichte einge-

lesen und z.B. alphanumerisch dargestellt. Weiterhin lassen

sich im Dialog beliebig ausgewählte Zustandsgrößen graphisch

reproduzieren.

8.5 ANMERKUNGEN ZUM REGELNDEN ITERATIONSPROZESS

Weggrößen sind die Stellgrößen im Iterationsprozeß für die

analytischen Elemente und für die Prüfmaschine. Weggrößenein-

wirkungen sind damit als kinematische Randbedingung der

Gesamtsteifigkeitsmatrix unmittelbar Lösungselemente des alge-

braischen Gleichungssystems bzw. die Sollwerte für die globale

Wegregelung.

Übertragungsfunktionen, allgemein linearisierte Steifigkeits-

matrizen, transformieren die Kraftgrößen in äquivalente Weg-

größen. Kraftgrößeneinwirkungen sind damit nur mittelbar,

iterativ einstellbar.

In den folgenden Bildern ist der funktionsmäßige Zusammenhang

(Einwirkungspfad) zwischen den Ei nwirkungsiritensitätsfaktoren

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.0

1.0

3

N = N•220 kN

u = n•3,2 trrn

1 linearelastisch2 geometrisch nichtlinear3 physikalisch nichtlinear4 geom. u. physk. nichtlinear

8-14

\1 und A2 angegeben. Für den experimentellen Trägerabschnitt

ist in Bild 8.7 die Normalkraft N über der Verschiebung u

aufgetragen. Deutlich treten die Einwirkungsinkremente als

Unstetigkeiten im Funktionsverlauf hervor. Während die Weg-

größe u als Führungsgröße unmittelbar einstellbar ist, verrin-

gert sich die Normalkraft im nichtlinearen Bereich des Prüf-

Bild 8.7. Normalkraft-Verschiebungs-Diagramm für

das experimentelle Element im Knoten 2

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4 3

JO

M =-7.48,2 kN/m..-T.0,0182 C-]

1 linearelastisch2 geometrisch nichtlinear3 physikalisch nichtlinear4 nichtlineargeom. u. physk.

.6

(, 1 0

.6

.4

2

.8.0

1.0

M

az

8-15

körpertragverhaltens im Laufe des Iterationsprozesses für die

Kraftgrößeneinwirkungsinkremente. Die Einwirkungsintensitäts-

steigerung ist proportional (\1 = X2).

Für den Koppelpunkt analytischer-experimenteller Substruktur

(Knoten 2) ist das Stützmoment über der Verdrehung, für die

unterschiedlichen zur Beschreibung der analytischen Elemente

Bild 8.8a. Momenten-Verdehungs-Diagramm für das

experimentelle Element im Knoten 2

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8-16

eingesetzten Theorien aufgetragen. Im Bild 8.8a sind die Meß-

werte für den experimentellen Abschnitt aufgetragen, in Bild

8.8b der ausiterierte Zustand des analytischen Elementes.

Die Einwirkungsinkremente sind proportional gesteigert, jedoch

bewußt für Traglastuntersuchungen zu groß gewählt (ca. 15% der

elastischen Grenzeinwirkung), um die "Meßwerterfassung" zu

verdeutlichen.

1.0

M

.8

.6

.4

2

.6 .8

Bild 8.8b. Momenten-Verdehungs-Diagramm für das

analytische Element im Knoten 2

2

M =-M . 48,2 kN/mqb =-T.0,0182C-]

1 linearelastisch2 geometrisch nichtlinear

-physikalisch nichtlinear34 geom. u. physk. nichtlinear

.2

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00'3AIL..a

2

—2*-

Ad

geom. u. physk. nichtlinear

M= M.52,OkALn

(1) = Ci).0,0037

—.2 .e .2

.6

^

.2

.0

i.e

M

.8

8-17

Mit wachsendem Einwirkungsinkrement entfernt sich die Extrapo-

lation vom wahren funktionsmäßigen Verlauf der Weg-Kraftgrös-

senbeziehung. Abgesehen davon, daß die Zahl der Korrekturzyk-

len zunimmt, besteht speziell für das experimentell unter-

suchte Element die Gefahr, daß zu große Kraftgrößeninkremente

in Zusammenhang mit plastischem Werkstoffverhalten bereits auf

Bild 8.9. Einfluß des Einwirkungspfades

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8-18

Inkrementebene von der angestrebten wirklichen Lastgeschichte

abweichen und damit das Ergebnis unzulässig verändern.

Ein wesentlicher Vorteil der kommunizierenden Versuchtechnik

gegenüber der konventionellen ist in der wirklichkeitsnäheren

Erfassung der gegenseitigen Beeinflussung zwischen Prüfkörper

und umgebender Struktur begründet. In Bild 8.9 ist für drei

unterschiedliche Lastgeschichten das Stützmoment im Knoten 2

über der Verdrehung aufgezeichnet. Der Pfad ist durch die

Intensitätsfaktoren X 1 und 12 beschrieben. Obwohl in allen

Fällen am Ende des kommunizierenden Versuches die Einwirkungs-

intensität gleich ist, werden in Abhängigkeit vom Pfad signi-

fikant verschiedene Zustände erreicht.

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9-1

9 ZUSAMMENFASSUNG

Die kommunizierende Versuchstechnik ist eine Strategie der

theoretischen und experimentellen statischen Untersuchung, bei

der sich die experimentelle (materielle) Untersuchung auf das

theoretisch unzureichend zu beschreibende Bauteil beschränkt

und die Bauteilumgebung immateriell durch ein Rechenmodell

simuliert wird. Dem wechselseitigen Einfluß zwischen

materiellen und immateriellen Bauteilen wird wirklichkeitsnah

Rechnung getragen.

Wesentliche Bausteine zur Realisierung dieser kombinierten

Versuchs-Berechnungs-Methode wie

- die Automatisation des Versuchsablaufes,

- die Entwicklung einer Zustandsgrößenregelung , um beim Bau-

teilversuch beliebige und beliebig veränderbare statische

und kinematische Randbedingungen einstellen zu können, und

- die Beschreibung des Tragverhaltens der Struktur, die das

experimentell zu untersuchende Bauteil enthält, durch FEM-

Rechenmodelle unter dem Gesichtspunkt der Verknüpfung mit

dem Experiment

sind im Rahmen der vorliegenden Arbeit entwickelt worden.

Beispiele zeigen die Anwendung der einzelnen Bausteine.

Die Wirkungsweise der kommunizierenden Versuchstechnik zeigt

exemplarisch ein kommunizierender Bauteilversuch, bei dem die

Mechanik der Prüfmaschine und das Tragverhalten des experimen-

tell zu untersuchenden Bauteiles in einem Rechner durch ein

Rechenmodell simuliert wird. Nur die Simulation des Bauteil-

versuches gewährleistet eine zuverlässige Funktionsprüfung,

da so das Bauteiltragverhalten beliebig reproduzierbar ist.