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KOMPAKT-WISSEN
CHEMIE
Abitur
STARK
Gerald Kiefer
Organische Stoffklassen
Natur-, Kunst- und Farbstoffe
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� 21
Sauerstoff und Stickstoff in organischen Molekülen
1 Alkanole: organische Verwandte des Wassers
1.1 Homologe Reihe und Nomenklatur: die Hydroxylgruppe
Alkanole („Alkohole“) sind Hydroxyderivate der Alkane. Ihre Namen werden aus dem Namen des entsprechenden Kohlenwasserstoffs durch Anhängen der Silbe „-ol“ gebildet.
Funktionelle Gruppe der Alkanole ist die Hydroxylgruppe (OH-Gruppe). Diese polare Atomgruppierung bestimmt Eigenschaften und Reaktions- verhalten der Alkanole entscheidend.
Alkanole bilden eine homologe Reihe. Die ersten Glieder dieser Reihe mit der allgemeinen Summenformel CnH2n + 1OH heißen:
Alkanol Trivialname Halbstrukturformel Siedetempe-ratur in °C
Methanol Methylalkohol CH3 – OH + 65 °C
Ethanol Ethylalkohol CH3 – CH2 – OH + 78 °C
Propan-1-ol Propylalkohol CH3 – CH2 – CH2 – OH + 97 °C
Butan-1-ol Butylalkohol CH3 – CH2 – CH2 – CH2 – OH +118 °C
1.2 Isomerie und Klassifizierung: Stellung und Wertigkeit
Ab dem Alkanol Propanol kann die Hydroxylgruppe endständig oder mittelständig sein. Es tritt das Phänomen der Isomerie auf. Nach der Stellung ihrer funktionellen Gruppe unterscheidet man primäre, se-kundäre und tertiäre Alkanole:
R1 C OH
H
H primärer Alkanol
R1 C OH
R2
H sekundärer Alkanol
R1 C OH
R2
R3 tertiärer Alkanol
22 � Sauerstoff und Stickstoff in organischen Molekülen
Bei primären Alkanolen ist die OH-Gruppe endständig. Das Kohlenstoff- atom, das die Hydroxylgruppe trägt, ist an ein weiteres Kohlenstoffatom gebunden. Kennzeichnende Atomgruppe ist die CH2 – OH-Gruppe. Bei sekundären Alkanolen ist das die Hydroxylgruppe tragende Kohlen- stoffatom an zwei weitere Kohlenstoffatome gebunden; sie besitzen daher eine CH – OH-Gruppe. Bei tertiären Alkanolen ist das die Hydroxylgruppe tragende Kohlen- stoffatom mit drei weiteren Kohlenstoffatomen verknüpft. Vertreter dieser Klasse besitzen eine C – OH-Gruppe im Molekül.
Neben der Klassifizierung der Alkanole nach der Stellung ihrer charakte-ristischen Gruppe ist eine Einteilung nach der Anzahl der Hydroxyl-gruppen im Molekül üblich:
H3C CH2 CH2 OH einwertiger Alkanol: Propan-1-ol
H3C CH CH2 OH
OH
zweiwertiger Alkanol: Propan-1,2-diol
CH CH2 OH
OH
HO CH2
dreiwertiger Alkanol: Propan-1,2,3-triol
1.3 Molekülbau der Alkanole: Dipolcharakter
Alkanole können als Hydroxyderivate der Alkane oder als Alkyl-derivate des Wassers aufgefasst werden. Da die freien Elektronen-paare des Sauerstoffatoms mehr Platz benötigen als seine bindenden, ist der Tetraederwinkel auf 107° gestaucht. Der Unterschied der Elekt-ronegativitäten von Kohlenstoff (EN: 2,5) und Sauerstoff (EN: 3,5) erklärt die Polarität der Bindung und die Tatsache, dass Wasser- und Alkanolmoleküle permanente Dipole sind:
H
O
H
δ–
δ+
δ+
δ–
δ+H
CC
OH
H
H
H
H
gewinkelter Bau und Dipolnatur des Wasser- und Ethanolmoleküls
Sauerstoff und Stickstoff in organischen Molekülen � 23
1.4 Einwertige Alkanole: Prototyp Ethanol
Methanol Das erste Glied der homologen Reihe der einwertigen Alkanole ist Methanol. Die Aufnahme von Methanol verursacht Gehirnschäden und führt zur Erblindung. Die tödliche Dosis für einen Erwachsenen wird mit 30 bis 50 mL angegeben. Experimentell lassen sich Methanol und Ethanol durch die Boraxprobe unterscheiden. Wenige Milliliter des zu testenden Alkohols werden mit einer Spatelspitze Borax (Dinatriumtetraborat, Na2B4O7) in einem Por-zellanschälchen entzündet. Bei Methanol zeigt sich eine typische grüne Flammenfärbung, bedingt durch den leichtflüchtigen, brennbaren Bor-säuretrimethylester, der unter diesen Bedingungen entsteht. Methanol wird großtechnisch aus „Synthesegas“ hergestellt, einem Gas-gemisch aus Kohlenstoffmonooxid und Wasserstoff:
CO (g) + 2 H2 (g)400 °C/200 bar
KatalysatorH3C OH (g)
Ethanol Der bedeutendste Alkanol ist Ethanol. Alkoholische Getränke enthal-ten Ethanol in unterschiedlicher Konzentration. Ethanol ist ein starkes Gift, verursacht Rauschzustände und führt als Droge in die Abhängig-keit (Alkoholismus). Ethanol kann biotechnisch von Hefepilzen durch alkoholische Gärung aus traubenzuckerhaltigen Lösungen wie Fruchtsäften unter Sauerstoff-ausschluss (anaerob) hergestellt werden:
C6H12O6 (aq) 2 CH3CH2OH (aq) + 2 CO2 (g)Enzyme der Hefepilze
Für industrielle Zwecke wird Ethanol durch Addition von Wasser an Ethen großtechnisch synthetisiert. Die Reaktion wird durch Schwefel-säure katalysiert:
H2C CH2 H3C CH2+ H2OSchwefelsäure
OH
Propanole Nach der Stellung der Hydroxylgruppe im Molekül lassen sich zwei iso-mere Propanole unterscheiden: Propan-1-ol (Propylalkohol) ist ein pri-märer Alkanol mit einer Siedetemperatur von 97 °C. Propan-2-ol (Iso-propylalkohol) mit einer Siedetemperatur von 82 °C ist der einfachste sekundäre Alkanol.
24 � Sauerstoff und Stickstoff in organischen Molekülen
H C C C OH
H
H H
H H
H
H C C C H
H
H OH
H H
H
Propan-1-ol Propan-2-ol
Die homologe Reihe der einwertigen Alkanole lässt sich mit Butan-1-ol (Butylalkohol, CH3 – CH2 – CH2 – CH2 – OH, Siedetemperatur 117 °C) und Pentan-1-ol (Amylalkohol, CH3 – CH2 – CH2 – CH2 – CH2 – OH, Siede-temperatur 138 °C) fortsetzen. Feste Alkohole mit 12 bis 18 Kohlenstoffatomen, wie Dodecanol (Laurylalkohol, CH3 – (CH2)10 – CH2 – OH, Schmelztemperatur 24 °C) und
Octadecanol (Stearylalkohol, CH3 – (CH2)16 – CH2 – OH, Schmelztem-peratur 59 °C) sind wichtige Ausgangsstoffe für die Synthese künstlicher Tenside (waschaktiver Substanzen).
Butanole Unter den vier isomeren Butanolen (C4H9OH) finden sich zwei pri-märe Alkanole:
H C C C C
H
H H
H H
H
OH
H
H
Butan-1-ol
H C C C OH
H
H CH3
H H
H 2-Methyl-propan-1-ol
1.5 Sekundäre und tertiäre Alkanole
Unter den isomeren Butanolen gibt es einen Vertreter der sekundären Alkanole und den einfachsten Repräsentanten der tertiären Alkanole:
H C C C C
H
H H
H H
OH
H
H
H
Butan-2-ol (2° Alkanol)
H3C C CH3
CH3
OH 2-Methyl-propan-2-ol
(3° Alkanol)