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Störungen der primären Hämostase Wenn Gerinnung entscheidend ist. 1 J. Koscielny Leiter der Gerinnungsambulanz mit Hämophiliezentrum im Ambulanten Gesundheitszentrum (AGZ) der Charité (CCM) Interdisziplinärer 24 - h - Gerinnungsrufdienst (Labor - , Transfusionsmedizin, Innere Medizin) Vorstandsmitglied im BDDH ( B erufsverband D er D eutschen H ämostaseologen )

Störungen der primären Hämostase · 2019. 12. 19. · Störungen der primären Hämostase Wenn Gerinnung entscheidend ist. 1 J. Koscielny Leiter der Gerinnungsambulanz mit Hämophiliezentrum

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  • Störungen der primären HämostaseWenn Gerinnung entscheidend ist.

    1

    J. Koscielny

    Leiter der Gerinnungsambulanz mit Hämophiliezentrum im Ambulanten Gesundheitszentrum (AGZ) der Charité (CCM)

    Interdisziplinärer 24-h-Gerinnungsrufdienst (Labor-, Transfusionsmedizin, Innere Medizin)

    Vorstandsmitglied im BDDH (Berufsverband Der Deutschen Hämostaseologen)

  • AGENDA

    Funktion der primären Hämostase

    Diagnostik

    Störungen der primären Hämostase

    Therapieprinzipien bei der von-Willebrand-Erkrankung

    Die Rolle von Desmopressin

    Desmopressin und Tranexamsäure

    Optimiertes Gerinnungsmanagement in der Kardiochirurgie

    Management von Eingriffen

  • Funktion der primären Hämostase

  • Primäre Hämostase

    1. Thrombozyten-Adhäsion – 2. Aktivierung – 3. Aggregation

    4

  • Der von-Willebrand-Faktor (vWF)

    In der primären Hämostase • Vermittlung der Thrombozytenadhäsion

    an das verletzte Gefäßendothel über Kollagen und Glykoprotein Ib (GPIb)

    • Aktivierung der Thrombozyten und –unter Scherkräften – Unterstützung der Thrombozytenaggregation über die Aggregationsrezeptoren GPIIb/IIIa

    In der sekundären Hämostase • Durch Bindung des Gerinnungsfaktors-VIII

    wird dieser vor vorzeitigem Abbau durch aktiviertes Protein C geschützt

    vWF: von-Willebrand-Faktor

    • Großes multimeres Glykoprotein 500 kDabis > 20.000 kDa

    • Synthese in Endothelzellen und Megakaryozyten (Vorläuferzellen der Thrombozyten)

    • Konstitutive Abgabe ins Plasma oder Speicherung in Weibel-Palade-Bodies der Endothelzellen und alpha-Granula der Megakaryozyten

    • In der hochmolekularen Form koagulatorischaktiv

    5

  • Diagnostik

  • Diagnostik

    Zur Basisdiagnostik zählen

    • TPZ (Thromboplastinzeit)• aPTT (aktivierte partielle Thromboplastinzeit)

    • Thrombozytenzahl

    • Thrombozytenfunktion

    • Und: Anamnese

    7

  • Der hämostaseologisch auffällige PatientBlutungsanamnese

    Mögliche Fragen an Patienten zur Risikoabwägung

    Ist bei Ihnen jemals eine Blutgerinnungsstörung oder eine Thrombose festgestellt worden?Sind in Ihrer Familie Fälle von Blutungs-neigungen aufgetreten?

    Beobachten Sie folgende Blutungsarten, auch ohne erkennbaren Grund?

    Nasenbluten (ohne andere Ursachen wie Infekte, trockene Luft, starkes Naseputzen etc.) Blaue Flecken oder punktförmige Blutungen ohne sich zu stoßen (auch am Körperrumpf)Gelenk- oder Muskel-/ WeichteilblutungenZahnfleischbluten oder Blutungen der Mundschleimhaut

    Heilen Ihre Wunden schlecht ab?

    Beobachten Sie längeres Nachbluten bei Schnitt-wunden und /oder Schürfwunden?Kam es in Ihrer Vorgeschichte zu längeren/verstärkten Nachblutungen beim Zahnziehen?Kam es in Ihrer Vorgeschichte zu verstärkten Blutungen während oder nach Operationen?

    Nehmen Sie Medikamente ein, die die Blutgerinnung beeinflussen können?

    Schmerz- oder Rheumamittel (auch frei verkäufliche wie ASS)Medikamente zur Blutverdünnung

    Zusatzfrage für Patientinnen:

    Sind Ihre Monatsblutungen verlängert (über 7 Tage) oder verstärkt (häufiger Binden-/Tamponwechsel)?

    8Nach Pfanner G et al. Anaesthesist 2007, 56: 604-611

  • Primäre und kombinierte Hämostasestörungen betreffen 3 – 5 % aller Patienten

    Medikamentös induzierte

    Thrombopathien65%

    Urämisch bedingte Thrombopathien

    2%

    Angeborene Thrombopathien

    7%

    Leberzirrhose5%

    von-Willebrand-Erkrankung

    21%

    Koscielny J et al. Clin Appl Thromb Hemost 2004;10(2):155-66Koscielny J et al. Hämostaseologie 2007, 27(3):177-84

    vWE (vWS): von-Willebrand-Erkrankung (von-Willebrand-Syndrom)

    Routine-Diagnostik erfasst vWE (vWS) und Thrombozytendysfunktion nicht verlässlich9

  • Störungen der primären Hämostase

  • Störungen der primären Gerinnung

    11vWE (vWS): von-Willebrand-Erkrankung (von-Willebrand-Syndrom)vWF: von-Willebrand-FaktorCPB: kardio-pulmonaler BypassECLS: Extrakorporale Life-Support Systeme

    VAD: Ventricle Assist Device, Kunstherzen

    • Glanzmann-ThrombastenieDysfunktion oder Fehlen des thrombozyt. Rezeptors GPIIb/IIIa)

    • Bernard-Soulier-SyndromDysfunktion oder Fehlen des thrombozyt. Rezeptors GPIb/IX/V)

    • Storage-Pool-DiseasesStörungen durch Mangel oder gestörte Sekretion der α- und/oder β-Granula

    • Von-Willebrand-ErkrankungStörung der Adhäsion durch Fehlen des vWF

    • Kardiovaskuläre Erkrankungen(z.B. kongenitale Herzerkrankungen, Aorten(klappen)stenosen, Endokarditis)

    • Sonstiges (z.B. Urämie, Leberzirrhose, lympho- und myeloproliferat. Erkrankungen)

    • NSAID/COX-1/2-Hemmer (z. B. ASS, Ibuprofen, Diclofenac, Indometacin)

    • DP-Rezeptorantagonisten (z. B. Clopidogrel, Prasugrel, Ticagrelor)

    • GPIIb/IIIa-Antagonisten(z. B. Abciximab, Eptifibatid, Tirofiban)

    medikamentös induzierte

    Thrombozyten-dysfunktion

    Angeborene Thrombozyten-

    dysfunktion

    Erworbene von-Willebrand-Erkrankung

    Angeborene von-Willebrand-Erkrankung

    Von-Willebrand-Erkrankung• Typ 1

    Quantitatives Defizit, Konzentrationsverminderung

    • Typ 3Fast vollständiges Fehlen des vWF

    Verlust der hochmolekularen Multimere des vWF:

    • Typ 2Qualitatives (und quantitatives Defizit)

    • Künstliche kardiovaskuläre Systeme (z.B. CPB, ECLS, VAD)

  • Medikamente sind der häufigste Grund für erworbenen Thrombozytenfunktionsstörungen

    • Thrombozytenaggregationshemmer (ASS, P2Y12-Hemmer, GPIIb/IIIa-Hemmer)

    • NSAID• SSRI (Selektive Serotoninwiederaufnahme-

    Hemmer, Antidepressiva)• Kinasehemmer (Zytostatika)• Caplacizumab (monoklonaler Antikörper,

    hemmt Interaktion zwischen vWF und Thrombozyten)

    Brennan Y et al. Thrombosis Research, https://doi.org/10.1016/j.thromres.2019.06.009 (article in press) vWF: von-Willebrand-Faktor 12

    Aber auch Einige Nahrungsmittel wie z.B. Zwiebeln, Tomaten, Beeren, Trauben, Kakao, Ingwer, GinkgoEinige Nahrungsergänzungsmittel wie Omega 3-Fettsäuren, Vitamin E und B3Alkohol

  • Angeborene Thrombozytenfunktionsstörungen

    Orsini S et al. Haematologica 2017. Volume 102(7):1192-1203* Ausgewertet wurden 238 Patienten mit angeborenen Thrombopathien und 185 Patienten mit angeborenen Thrombopenien (n = 432) 13

    Inherited platelet function disorders Number of patients (% of total*)Glanzmann thrombasthenia 89 (37.4 %)

    Primary secretion defect 46 (19.3 %)

    Bernard-Soulier syndrome (biallelic) 17 (7.1 %)

    Delta granule deficiency 17 (7.1 %)

    Hermansky–Pudlak syndrome 11 (4.6 %)

    Gray platelet syndrome 10 (4.2 %)

    Autosomal dominant GT-variant 10 (4.2 %)

    Familial platelet disorder and predisposition to acute myelogenous leukemia 8 (3.4 %)

    Defects in 2-adrenergic receptor 6 (2.5 %)

    Defects in collagen receptors 5 (2.1 %)

    P2Y12 deficiency 5 (2.1 %)

    Platelet-type von Willebrand disease 4 (1.7 %)

    Defect of thromboxane A2 receptor 3 (1.3 %)

    Scott syndrome 3 (1.3 %)

    CalDAG-related platelet disorder 2 (0.8 %)

    Combined alpha-delta granule deficiency 2 (0.8 %)

    TOTAL patients with inherited platelet function disorders 238 (56.3 % of 423)*

  • Die von-Willebrand-Erkrankung

    14vWE (vWS): von-Willebrand-Erkrankung (von-Willebrand-Syndrom)vWF: von-Willebrand-Faktor

    Quantitatives Defizit durch Verlust der großen Multimere mit verstärkter Thrombozytenbindung durch erhöhte Affinität zum GPIb leichte bis schwere Thrombozytopenie (schnellere Thrombozytenelimination durch die vWF-Bindung)

    Typ 2B

    Qualitative, funktionelle angeborene oder erworbene Veränderungen leichte bis mittelschwere BlutungenTyp 2

    Quantitative, angeborene Veränderung (Konzentrationsverminderung des vWF) leichte BlutungenTyp 1

    Qualitatives (und quantitatives) Defizit durch Verlust der großen Multimere mit einer Vielzahl von Defiziten (u.a. verminderte Resistenz gegen ADAMTS13). Primäre Hämostase beeinträchtigt

    Typ 2A

    Verminderte Affinität an Thrombozyten, Verlust kleiner MultimereTyp 2M

    Fehlende Bindung an FVIII, alle anderen Parameter (Konzentration, Aktivität) sind normal, aber FVIII:C sowie die FVIII-Bindungskapazität vermindert. Sekundäre Hämostase beeinträchtigt (Pseudohämophilie A)

    Typ 2N

    Fast vollständiges, angeborenes Fehlen des vWF schwere BlutungenTyp 3

  • Besonderheiten bei Blutgruppe 0

    • Der Spiegel des vWF ist u. a. auch abhängig von der Blutgruppe• Personen mit Blutgruppe 0 haben im Schnitt 25 % niedrigere Werte als Personen

    anderer Blutgruppen

    • Weniger Herzinfarkte dank Blutgruppe 0, da Personen mit der Blutgruppe 0 weniger häufig Blutgerinnsel entwickeln

    15ABO Blood Group and Risk of Coronary Heart Disease in Two Prospective Cohort Studies.He M. et al. Arteriosclerosis, Thrombosis and Vascular Biology 2012 32:1-7vWF: von-Willebrand-Faktor

  • Hämostasestörungen

    16vWE (vWS): von-Willebrand-Erkrankung (von-Willebrand-Syndrom)vWF: von-Willebrand-Faktor

    Erkrankung Häufigkeit in der Bevölkerung

    Typische klinische Symptome

    ScreeningtestsPr

    imär

    e H

    ämos

    tase

    Thrombozytenfunktionsstörungen(medikamenteninduziert, organassoziiert oder angeboren)

    3–4 %Ähnlich wie vWE (vWS), Petechien

    Thrombozytenfunktionstest (verlängert, pathologisch), Blutungszeit (normal bis verlängert)

    von-Willebrand-Erkrankung (vWE) 1–2 % Schleimhautblutungen, Menome-trorrhagie

    Thrombozytenfunktionstest(verlängert), vWF:Rcof(Ristocetincofaktor-Aktivität), vWF:Ag (Antigen), Faktor VIII:c, Blutungszeit (normal bis verlängert)

    Typ I (quantitativ) Davon 70 %

    Typ II Davon 20–30 %

    Typ III 1,4–1,5/1.000.000

    Seku

    ndär

    e H

    ämos

    tase Hämophilie A

    1:5000 männliche Geburten

    Gelenk-blutung

    Verlängerte aPTT bei normaler PT

    Hämophilie B 1:30.000 männliche GeburtenGelenk-blutung

    Verlängerte aPTT bei normaler PT

  • Strukturelle Veränderungen:erworbene von-Willebrand-Erkrankung

    • Scherkräfte entfalten den sonst kugelförmig vorliegenden vWF• Der vWF ist in der entfalteten Form hochaktiv, Spaltungsstellen

    des Enzyms ADAMTS-13 liegen offen vWF wird enzymatisch in kürzere, weniger aktive

    Einheiten abgebaut (physiologisch)

    • Bei unphysiologisch hohen Scherkräften überwiegt der enzymatische Abbau und/oder der vWF wird sogar mechanisch zerstört

    Verlust der hochmolekularen Anteile des vWF = erworbene vWE (vWS) Typ 2A

    17Siedlecki CA et al. Blood 1996;88(8):2939-2950 vWE (vWS): von-Willebrand-Erkrankung (von-Willebrand-Syndrom)vWF: von Willebrand-Faktor

    vWF

    Häufige Komplikation bei Patienten, die mit extra-korporalen kardiovaskulären Systemen oder ventrikulären Herzunterstützungssystemen versorgt werden.

    Typ 2A

  • Die erworbene von-Willebrand-Erkrankung

    • Ca. 1/5 aller vWE (vWS)-Fälle sind erworben und durch eine fehlerhafte Struktur des vWF (Typ 2A) bedingt

    • Ca. 1/5 dieser erworbenen Fälle gehen zurück auf künstliche kardio-vaskuläre Systeme und kardiovaskuläre Erkrankungen mit hohen Scherkräften:

    • Extra-korporale kardiovaskuläre Systeme:- Herz-Lungen-Maschine (kardiopulmonaler Bypass)- Extrakorporale Life-Support Systeme (ECLS) und extrakorporaleMembran Oxygenierung (ECMO)

    • Ventrikuläre Herzunterstützungssysteme (Ventricle Assist Device, VAD) = „Kunstherzen“• Kardiovaskuläre Erkrankungen

    - kongenitale Herzerkrankungen

    - Aorten- oder Aortenklappenstenosen

    vWE (vWS): von-Willebrand-Erkrankung (von-Willebrand-Syndrom)vWF: von-Willebrand-Faktor 18

  • Durch Aortenklappenstenosen erworbenes vWE (vWS)

    • Verminderung der großen Multimere bei 80-90 % der Patienten mit hämodynamisch relevanter Aortenklappenstenose

    19Sucker C. Vascular Care 2012Vincentelli A. et al., N Engl J Med 2003vWE (vWS): von-Willebrand-Erkrankung (von-Willebrand-Syndrom)vWF: von-Willebrand-Faktor

    • Erhöhte Scherkräfte führen bei der Passage des vWF durch die stenosierte Aortenklappe zu einer Konformationsänderung des vWF von einer globulären in eine gestreckte Konformation.

    • vWF wird anfällig für proteolytische Spaltung Verminderung oder Verlust der für die Hämos-tase entscheidenden hochmolekularen Multime-re des vWF

    = erworbene von-Willebrand-Erkrankung Typ 2A

    • Nachweis häufig nur durch Multimeranalyse, aber nicht durch die Bestimmung der konventionellen von Willebrand Parameter (Konzentration, Aktivität)

    • Verlängerung der Verschlusszeiten• Erhöhtes Vorkommen von Hautblutungen und

    gastrointestinalen Blutungen

    • Bei Auftreten einer perioperativen Blutungsneigung ist Desmopressin indiziert

  • Die erworbene von-Willebrand-Erkrankung

    Budde U et al. Expert Rev Hematol 2015;8(6):799-818Federici AB et al. Haemophilia 2002;8:607-621

    Mital A. Adv Clin Exp Med 2016;25(6):1337-1344 vWE (vWS): von-Willebrand-Erkrankung (von-Willebrand-Syndrom)vWF: von-Willebrand-Faktor

    Anteil Ursache Auto-antikörper

    Adsorption des vWF von

    malignen Zellen

    Veränderte Synthese des

    vWF

    Erhöhter proteolytischer Abbau des vWF

    48 % lymphoproliferativeErkrankungen X X

    15 % myeloproliferativeErkrankungen X X

    5 % solide Tumoren X X

    2 % immunologische Erkrankungen X

    9 %

    andere Grunderkrankungen

    • Hypothyreose X

    • Leberzirrhose X

    • Urämie X

    20

  • Therapieprinzipien bei der von-Willebrand-Erkrankung

  • Klinisches Spektrum der vWE (vWS) und Management

    22Rodeghiero F et al. Hematology Am Soc Hematol Educ Program. 2009;2009:113-123.Ragni MV et al. Haemophilia. 2016;22:397-402.vWE (vWS): von-Willebrand-Erkrankung (von-Willebrand-Syndrom)vWF: von-Willebrand-Faktor

    Diagnostische Kriterien

    Blutungsneigung vWF:Rco < 40 IU/dl Bewertung der klinischen SchwereSchwer Intermediär Mild

    Blutungs-manifestation

    • Spontane Blutungen, hauptsächlich mukokutan

    • Hohes Blutungsrisiko nach kleinen Herausforderungen

    • Deutlich erhöhter Blutungsscore, aber weniger oft spontane Blutungen

    • Selten spontane Blutungen• Häufig ereignisarme

    Eingriffe ohne Prophylaxe

    vWF:Rco-Werte < 10 IU/dl(alle Typen)10-30 IU/dl

    (Typ 1 und 2)30-40 IU/dl

    (primär Typ 1)

    Desmopressin-Versuch Empfohlen Nicht erforderlich

    Behandlung

    Desmopressin (sofern wirksam)

    FVIII/vWF-Konzentrate, wenn Desmopressin nicht anspricht/kontraindiziert ist oder ein Risikoeingriff bevorsteht

    Desmopressin/ Antifibrinolytika

    Hypermenorrhoe: hormonelle & antifibrinolytische Therapie

  • Therapie der erworbenen von-Willebrand-Erkrankung

    • Behandlung der Grunderkrankung,z.B. Klappenersatz

    23vWE (vWS): von-Willebrand-Erkrankung (von-Willebrand-Syndrom)vWF: von-Willebrand-Faktor

    Therapie akute Blutung

    Kein Ansprechen

    Vorliegen von Inhibitoren?• Autoimmunprozesse• IgG monoklonale

    Gammopathie

    Kein Ansprechen

    • Desmopressin• vWF/FVIII-

    Konzentrate

    • Hochdosierte Immunglobuline (1g/kg/d)

    • ggf. vWF/FVIII-Konzentrate

    • Zusätzlich rekombinanter Faktor VIIa (100μg/kg)

    • Ggf. Immun-absorption

  • Therapie der von-Willebrand-Erkrankung

    von-Willebrand-Erkrankung Therapie Ergänzung

    Typ 1 (70–90 %) quantitativ, angeboren

    DesmopressinFVIII/vWF Tranexamsäure

    Typ 2 (10–30 %) qualitativ, angeboren oder erworben

    Typ 2A FVIII-/vWF-KonzentrateDesmopressin (Tranexamsäure)

    Typ 2B FVIII-/vWF-Konzentrate (Tranexamsäure)

    Typ 2M FVIII-/vWF-KonzentrateDesmopressin (Tranexamsäure)

    Typ 2N Desmopressin FVIII-/vWF-Konzentrate (Tranexamsäure)

    Typ 3 (< 0,1 %) quantitativ, angeboren FVIII-/vWF-Konzentrate

    Thrombozytenkonzentrate(Tranexamsäure)

    24vWE (vWS): von-Willebrand-Erkrankung (von-Willebrand-Syndrom)vWF: von-Willebrand-Faktor

  • Die Rolle von Desmopressin

  • 26

    1. Thrombozyten-Adhäsion – 2. Aktivierung – 3. Aggregation

    Desmopressin bindet an den V2-Rezeptor der Endothelzellen Sezernierung des in den Weibel-Palade-Bodies gespeicherten vWF Anstieg des vWF-Plasmaspiegels (3 - 4-fach)

    Die Rolle von Desmopressin/DDAVP

  • Nach Prof. Steuernagel, Essen

    Pharmakologische Verstärkung und Hemmungder Thrombozytenfunktion

    Desmopressin

    Desmopressin

    Desmopressin

    DesmopressinTranexamsäure

    27

  • Anstieg von-Willebrand-Faktordurch Sezernierung aus den Weibel-Palade-Bodies

    Anstieg Faktor-VIIIdurch Schutz vor proteolytischem Abbau

    Thrombozyten-Adhäsion-Aktivierung -Aggregation

    3-fach-Wirkung von Desmopressin

    28Growe G et al. Can Med Assoc J 1995;153(2):147-157Knöfler R et al. Hämostaseologie 2012;32(4):271-275Koscielny J. Hämostaseologie. DDAVP aus Kapitel 50: Hämostyptika. 2010, B. Pötzsch and K. Madlener, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg.

    3 - 4-fach

    2 - 4-fach

  • Anwendung Desmopressin als Antihämorrhagikum

    Dosierung: 0,3 µg/kg Körpergewicht subkutan oder gelöst in 50 - 100 ml physiologischer Kochsalzlösung über 15 - 30 min infundieren (entspricht 0,75 Ampulle pro 10 kg KG)

    Max. Plasmaspiegel ca. 1 h nach Applikation Plasma-HWZ 3,2 - 3,6 Stunden

    1 – 2 Folgedosen alle 12 - 24 Stunden

    Halbwertszeit Faktor VIII: ca. 8 - 12 Stunden

    29Fachinformation Desmopressin parenteral 4 Mikrogramm/ml Injektionslösung

  • Nebenwirkungen und Empfehlungen

    Überdosierung äußert sich durch eine Zunahme des Körpergewichtes (Wasserretention), Kopfschmerzen, Übelkeit, leichte Hypertonie, Tachykardie, Flushund in schweren Fallen eine Wasserintoxikation mit Krampfen. In Einzelfallen wurde über ein Hirnödem berichtet.1

    Die Behandlung mit Desmopressin kann ohne gleichzeitige Einschränkung der Flüssigkeitszufuhr zu einer Wasserretention und Hyponatriämie führen.1

    Patient sollte nach Desmopressin-Infusion erst wieder trinken, wenn er Wasser gelassen hat.2

    Reduktion der Infusionsgeschwindigkeit zur Verringerung von Nebenwirkungen wie Flush3

    301 Fachinformation Desmopressin parenteral 4 Mikrogramm/ml Injektionslösung2 Koscielny J. Kap. 50 Hämostyptika. In: Hämostase. Pötsch und Madlener Eds. 2010; 690-7023 Greinacher et al. In Lemmer, Brune Eds. Pharmakotherapie: Klinische Pharmakologie. Springer Medizin Verlag Heidelberg, 14. Aufl. 2010;S. 117

  • Einsatz von Desmopressin als Antihämorrhagikum

    bei leichter bis mittelschwerer Hämophilie A

    bei von-Willebrand-Jürgens-Syndrom (angeboren oder erworben)

    bei angeborener oder medikamentös induzierter Thrombozytendysfunktion

    Urämie

    Leberzirrhose

    bei Patienten mit verlängerter Blutungszeit unbekannter Ätiologie

    31Fachinformation Desmopressin parenteral 4 Mikrogramm/ml Injektionslösung vWE (vWS): von-Willebrand-Erkrankung (von-Willebrand-Syndrom)

  • Desmopressin – empfohlen in zahlreichen Leitlinien

    32

    • Perioperativer Bereich• Kardiochirurgie• Stentimplantation• Urämie• Polytrauma• Peripartale Blutungen• Intrazerebrale Blutungen

  • 0%

    20%

    40%

    60%

    80%

    100%

    89%

    9% 12%

    Unbehandelte primäreoder kombinierte

    Hämostasestörung mit positiver Blutungsanamnese

    Keine Hämostasestörung, mit negativer

    Blutungsanamnese

    Relative Reduktion von Bluttransfusionen

    um 90 %

    Patie

    nten

    mit

    Blut

    trans

    fusi

    onen

    (%)

    Desmopressin-behandelte primäre oder kombinierte

    Hämostasestörung mit positiver Blutungsanamnese

    Bei Patienten mit primärer oder kombinierter Hämostasestörung:Mit Desmopressin erfolgt eine Reduktion des %-ualen Bedarfs an Bluttransfusionen unter das Niveau von Patienten ohne Hämostasestörung

    Weniger Bluttransfusionen mit Desmopressin

    33Koscielny J et al. Clin Appl Thromb Hemost. 2004; 10(2): 155-66.

    Operierte Patienten mit Bedarf an Bluttransfusionen in %

  • Desmopressin und Tranexamsäure

  • Management erworbener Thrombozytenfunktionsstörungen

    • Mit Desmopressin behandelte Patienten• benötigen weniger Erythrozytenkonzentrate• haben insgesamt einen geringeren Blutverlust• hatten ein geringeres Risiko einer Re-OP

    • Die Zahl der Patienten, die Transfusionen benötigten, verringert sich nicht

    • Das Risiko von Thromboembolien konnte aufgrund der zu geringen Fallzahl nicht beurteilt werden

    • Studien mit Patienten mit angeborenen Thrombozytenfunktionsstörungen bestätigen das Ergebnis

    • Die zusätzliche Gabe von Tranexamsäure ergänzt die Wirkung von Desmopressin

    Brennan Y et al. Thrombosis Research, https://doi.org/10.1016/j.thromres.2019.06.009 (article in press)Orsini et al. Haematologica 2017, Volume 102(7):1192-1203

    Desborough MJR et al. J Thromb Haemost 2017; 15: 263–72 Spyridakis E et al. Intensive Care Medicine Experimental 2018, 6 (Suppl 2):40

    Özal E et al. J Thorac Cardiovasc Surg 2002;123:539-4335

    https://doi.org/10.1016/j.thromres.2019.06.009

  • Die zusätzliche Gabe von Tranexamsäure ergänzt die Wirkung von Desmopressin

    • Die Clot-Bildung wird verbessert• Der enzymatische Abbau wird verhindert

    Spyridakis E et al. Intensive Care Medicine Experimental 2018, 6 (Suppl 2):40

    3,08

    0,69

    0

    0,5

    1

    1,5

    2

    2,5

    3

    3,5

    Produktion von D-Dimeren

    D-D

    imer

    e in

    mg/

    l

    0,69±0,49*

    3,08±2,05*1491

    855

    0

    200

    400

    600

    800

    1000

    1200

    1400

    1600

    BlutverlustBl

    utve

    rlust

    in m

    l

    855±330*

    1491±495*

    DDAVP allein

    DDAVP + TXA

    *P-Wert: < 0,05

    Produktion von D-Dimeren Blutverlust

    Der Blutverlust wird gesenkt

  • Die kombinierte Gabe von Desmopressin und Tranexamsäure senkt den postoperativen Blutverlust sowie den Transfusionsbedarf

    Von Desmopressin profitieren insbesondere Patienten mit vorangegangener ASS-Einnahme > 7 Tage und Patienten mit einer CPB-Zeit von > 140 Minuten.

    Özal E et al. J Thorac Cardiovasc Surg 2002;123:539-43Wademan BH et al. Interact Cardiovasc Thorac Surg. 2014 Mar;18(3):360-70. Epub 2013 Nov 21.

    CPB: cardiopulmonary bypass

    1,84

    0,76

    00,20,40,60,8

    11,21,41,61,8

    2

    Einh

    eite

    n/Pa

    tient

    1,84±0,17*

    0,76±0,14*

    2,1

    0,9

    0

    0,5

    1

    1,5

    2

    2,5

    Einh

    eite

    n/Pa

    tient

    2,1±0,5*

    0,9±0,3*

    74%

    24%

    0%

    10%

    20%

    30%

    40%

    50%

    60%

    70%

    80%

    Patie

    nten

    mit

    Tran

    sfus

    ions

    beda

    rf 74%*

    24%*

    1010

    623

    0

    200

    400

    600

    800

    1000

    1200Bl

    utve

    rlust

    in m

    l

    623±41,3*

    1010±49,9*

    DDAVP allein

    DDAVP + TXA

    *P-Wert: 0,0001

    Alle Werte: mean ± SD

    Bedarf an ErythrozytenBedarf an FFPTransfusionsbedarfBlutverlust

  • Thrombozytenkonzentrate + Desmopressin

    • Desmopressin-Gabe verkürzt zusätzlich die Collagen-Adenosin-Diphosphat Verschlusszeit (CADP-CT, bestimmt mit Thrombozytenfunk-tionstest) mit Erhöhung der Thrombozytenzahl in vitro

    • Alleinige Erhöhung der Thrombozytenzahl normalisiert nicht die CADP-CT durch

    • Kombination von Thrombozyten aus frischen Apherese TKs plus Desmopressin verbessert die Wiederherstellung der normalen Thrombozytenfunktion.

    38DDAVP: DesmopressinTK: ThrombozytenkonzentrateCADP = Collagen-AdenosindiphosphatCT = closure time (Verschlusszeit)

    Reiter R. et al. Transfusion 2005; 45:420-426

    Vers

    chlu

    ssze

    it

    Data are means ± SEM. *p < 0.05, **p < 0.01 vs. placebo; #p < 0.05, ##p < 0.01 vs. no PLTs added.

    Thro

    mbo

    zyte

    nfun

    ktio

    n

    CAD

    P-C

    T (s

    )

    Thrombozytenzahl der Blutprobennach Zusatz von Apharese-TK

  • Thrombozytenkonzentrate + Desmopressin

    39DDAVP: DesmopressinReiter R. et al. Transfusion 2005; 45:420-426

    • Cross-over Studie in 10 gesunden freiwilligen Probanden ASS (250 mg i. v. Bolus) plus GPIIb/IIIaRezeptor-Antagonist (Eptifibatid) (Standarddosis, Infusion über 2 h)

    • DDAVP (0,4 µg/kg KG Infusion über 30 Minuten) oder Placebo (NaCl), Blutentnahme

    • In vitro: antikoagulierte Blutproben der Probanden (DDAVP oder Placebo) plus Thrombozyten (30x109, 60x109, 120x109 per L) aus Apharese-TK

    • Bestimmung der Thrombozytenfunktion in den Blut + Thrombozyten-Proben als CADP-Verschluss-zeit

    Thrombozyten-funktionstest

    Störungen der primären Hämostase ��AGENDA ��Funktion der �primären HämostasePrimäre Hämostase�Der von-Willebrand-Faktor (vWF) ��DiagnostikDiagnostikDer hämostaseologisch auffällige Patient�BlutungsanamnesePrimäre und kombinierte Hämostasestörungen �betreffen 3 – 5 % aller Patienten ��Störungen der �primären HämostaseStörungen der primären Gerinnung�Medikamente sind der häufigste Grund �für erworbenen ThrombozytenfunktionsstörungenAngeborene Thrombozytenfunktionsstörungen�Die von-Willebrand-Erkrankung�Besonderheiten bei Blutgruppe 0HämostasestörungenStrukturelle Veränderungen:�erworbene von-Willebrand-ErkrankungDie erworbene von-Willebrand-ErkrankungDurch Aortenklappenstenosen erworbenes vWE (vWS)�Die erworbene von-Willebrand-Erkrankung ��Therapieprinzipien bei der �von-Willebrand-ErkrankungKlinisches Spektrum der vWE (vWS) und ManagementTherapie der erworbenen von-Willebrand-ErkrankungTherapie der von-Willebrand-Erkrankung� ��Die Rolle von DesmopressinDie Rolle von Desmopressin/DDAVPPharmakologische Verstärkung und Hemmung�der Thrombozytenfunktion3-fach-Wirkung von DesmopressinAnwendung Desmopressin als AntihämorrhagikumNebenwirkungen und EmpfehlungenEinsatz von Desmopressin als AntihämorrhagikumDesmopressin – empfohlen in zahlreichen Leitlinien�Weniger Bluttransfusionen mit Desmopressin ��Desmopressin �und TranexamsäureManagement erworbener Thrombozytenfunktionsstörungen Die zusätzliche Gabe von Tranexamsäure ergänzt die Wirkung von DesmopressinDie kombinierte Gabe von Desmopressin und Tranexamsäure senkt den postoperativen Blutverlust sowie den TransfusionsbedarfThrombozytenkonzentrate + DesmopressinThrombozytenkonzentrate + Desmopressin