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“”simon anholt 1 Kompetitive Identität Österreichs SCHLUSSBERICHT MAI 2013

Kompetitive Identität Österreichs Anholt-GfK Roper Nation Brands IndexSM zeigt, dass Österreich zwar ein positives aber dennoch schwaches Image hat, insbesondere außerhalb seiner

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Kompetitive Identität Österreichs

SCHLUSSBERICHT

MAI 2013

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ZUSAMMENFASSUNG

Einführung in die Competitive Identity

Seit ich den Begriff Nation Brand 1998 prägte, lege ich meinem Ansatz, wie das Image eines

Landes verbessert werden kann, ein internationales Engagement, politische Maßnahmen,

Strategien und organisatorische Änderungen anstelle einer Marketingkommunikation

zugrunde. Diesen Ansatz nenne ich Competitive Identity.

Dank der Globalisierung muss Österreich wie jedes andere Land auch um seinen Anteil an

Konsumenten, Besuchern, Investoren, Studierenden sowie internationalen Events werben,

ebenso um den Respekt der Medien, anderer Regierungen, Institutionen und natürlich um die

Menschen aus anderen Ländern.

Da die Menschen so wenig über andere Länder wissen, ist es entscheidend, was sie glauben.

Daher müssen verantwortungsbewusste Behörden das Image ihres Landes überwachen und

verstehen sowie eine Strategie zu seiner Lenkung entwickeln. Es ist eine ganz wesentliche

Aufgabe für die öffentliche Hand, einen Ruf für ihr Land aufzubauen, der fair, attraktiv und

wirklich nützlich für die Zwecke des Landes ist und der die Bestrebungen, Bedürfnisse und den

Willen seiner Menschen widerspiegelt.

Analyse

Der Anholt-GfK Roper Nation Brands IndexSM zeigt, dass Österreich zwar ein positives aber

dennoch schwaches Image hat, insbesondere außerhalb seiner direkten Nachbarstaaten.

Zudem ist es überholt und wird hauptsächlich mit den „weichen“ Faktoren Kultur und

Landschaft assoziiert.

Dennoch gibt es kaum Nachweis dafür, dass die Wahrnehmung vieler Österreicher, dass ihr

Land für seine klassische Musik weltberühmt ist und dass diese Tatsache von Erfolgen jüngerer

Zeit ablenkt, wahr ist: es wäre schön, wenn wir bloß dieses Problem hätten, und in diesem

Bereich liegt noch sehr viel Arbeit vor uns.

Momentan steht Österreich gut da, aber angesichts der Tatsache, dass die europäische

Wirtschaft anscheinend auf allen Seiten zerbröselt und das wirtschaftliche Machtzentrum sich

in Länder verlagert, in denen Österreich mehr oder weniger unbekannt ist, muss Österreich

sich jetzt bemühen, einen stärkeren Ruf aufzubauen. Ansonsten läuft das Land Gefahr, auf den

Status einer nebensächlichen B2B-Destination für gut informierte Berufseliten verwiesen zu

werden. „Das andere kleine deutschsprachige Land, aber nicht die Schweiz“ macht Österreich

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sicher nicht zu einer wünschenswerten Destination für Handel, Investitionen, Bildung oder gar

Tourismus.

Als eine der stabileren, gleichberechtigteren, friedlicheren, blühenderen Gesellschaften dieses

Planeten sollte Österreich, anstatt sich zu fragen, wie es jener kleinen Zahl von Ländern folgen

könnte, die in den diversen Wohlstandindices über ihm stehen, darüber nachdenken, wies es

einigen jener Vielzahl von Ländern, die unter ihm stehen den Weg weisen könnte. Damit

würde Österreich unzweifelhaft mehr für sein internationales Image tun, als wenn es sich

seiner Erfolge rühmt.

Vision

Das österreichische Modell (eine einzigartige Kombination von fördernden, umsichtigen,

nachhaltigen und kommunitaristischen Werten, die zur Stabilität und zum Wohlstand von

Österreich und dem Wohl seiner Einwohner bedeutend beitragen) wird generell als sehr

konservativ angesehen. Ich argumentiere, dass sein wirkliches Potential und seine globale

Bedeutung noch verstanden bzw. erzielt werden müssen und dass das österreichische Modell

letztendlich eine dringend erforderliche Alternative zu dem vorherrschenden Modell des

aggressiven anglosächsischen Kapitalismus anregen könnte. Dies ist letztendlich das Geschenk

Österreichs an die Welt und der Grund dafür, warum die Menschen in anderen Ländern eines

Tages dankbar sein könnten, dass es existiert.

Strategie

Die gewählte Strategie wird in der Phrase „Brückenbauer für die Welt“ zusammengefasst.

Österreichs Rolle als Brückenfunktion zwischen etablierten und sich entwickelnden Märkten ist

gleichzeitig auch seine künftige Mission. In Südosteuropa, Zentralasien, Nordafrika und

darüber hinaus fungiert Österreich als „Brückenbauer“ und bringt einen einzigartigen

Erfahrungsschatz an Erfahrungen und Ideen – sowie ein einzigartiges soziales, kulturelles und

politisches Modell – ein, um den Ländern, die in der zweiten Reihe stehen, zu helfen,

nachhaltigen Fortschritt, Stabilität und Wohlstand zu erzielen.

Das Brückenbaukonzept hat natürlich auch eine kulturelle Dimension in Bereichen, wo es an

Toleranz, gegenseitigem Verständnis und wirksamer Kommunikation mangelt.

Symbolische Aktionen

Aus der Liste von knapp 100 potentiellen symbolischen Aktionen wurden die folgenden vier

aus der engeren Auswahl genommen, um sie kurzfristig umzusetzen:

1. Die AustriaCard

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2. AidSurance

3. Gebäudepartnerschaften

4. Treuhandfonds für die Rechtsstaatlichkeit

Es wurde ferner vereinbart, dass fünf weitere symbolische Aktionen aus der engeren Auswahl

in einer zweiten Phase umgesetzt werden würden. Die vollständigen Beschreibungen der

symbolischen Aktionen der zweiten Phase sind im Text des Berichts enthalten.

Die vier für die erste Phase ausgewählten symbolischen Aktionen werden folgendermaßen

zusammengefasst:

1. AustriaCard

Dabei handelt es sich um ein großformatiges Kundenbindungssystem für Österreich, das sich

an alle “BenutzerInnen und KonsumentInnen” im Land richtet – Studierende, Touristen,

Investoren, ausländische Wohnsitznehmer und Konsumenten von österreichischen Produkten

und Dienstleistungen weltweit. Es ähnelt der klassischen Kundenkarte für Fluglinien oder

Hotels, außer dass Österreich das erste Land sein könnte, welches ein solches System für den

gesamten Staat einrichtet.

Der Hauptvorteil der Karte besteht darin, dass Österreich das erste Land wäre, das vom

kostenintensiven konventionellen Massenmarketing zum Beziehungsmarketing übergeht,

wobei langfristige, interaktive Beziehungen mit den am meisten geschätzten Besuchern,

Investoren, Konsumenten, Austauschstudenten und Arbeitern aufgebaut werden, die auf

Vertrauen und gegenseitiger Wertschätzung basieren.

2. AidSurance

Anstatt Entwicklungsländern nach Naturkatastrophen „aus der Patsche zu helfen“, verhandelt

Österreich einen Versicherungsvertrag mit jedem Land, dem geholfen werden soll, und

übernimmt für diese jedes Jahr die Versicherungsprämie. So wird sichergestellt, dass der

entsprechenden Region ohne Verzögerung umfassend und richtig geholfen wird. Die

österreichische Regierung kann so jedes Jahr auch eine vorhersehbare Summe für die

Katastrophenhilfe planen.

Mit der Entwicklung eines völlig neuen und sehr rationalen Ansatzes zur Katastrophenhilfe und

durch Übernahme der Vorreiterrolle zeigt Österreich, dass es moralisch und prinzipientreu sein

kann, ohne seine natürlichen Geschenke Intelligenz, Reife, Erfahrung und gesunden

Geschäftssinn aus den Augen zu verlieren.

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3. Gebäudepartnerschaften

Das Verpartnern von Gebäuden verknüpft das kulturelle Erbe Österreichs enger mit

Entwicklungen im Ausland und ist ein gutes Beispiel für den „Brückenbau“. Eine Auswahl der

bedeutendsten historischen Gebäude in Österreich wird mit gleichermaßen bedeutenden

Gebäuden in einem Entwicklungsland verpartnert. Beide Regierungen arbeiten beim Schutz

und bei der Erhaltung des Erbes eng zusammen.

Sobald eine Verpartnerung erfolgt ist, ist eine große Vielfalt an Initiativen möglich, z.B. die

Installation eines Audiovideo-Bodens am Eingang der jeweiligen Gebäude und mit einer

Verbindung durch eine Live-Leitung, sodass die Besucher einander sehen können, auch wenn

sie tausende Kilometer voneinander entfernt sind. Sie können sich dann zuwinken und sogar

ein transkontinentales Gespräch von einem Gebäude zum anderen führen.

4. Treuhandfonds für die Rechtsstaatlichkeit

Österreich gründet einen Treuhandfonds, mit dem andere internationale Akteure bei der

Förderung der Rechtsstaatlichkeit unterstützt werden und damit internationale

Rechtsexperten an die Orte geschickt werden, an denen zu einem bestimmten Zeitpunkt Hilfe

benötigt wird. Diese Experten beraten fachkundig, unvoreingenommenen und kostenlos. Ein in

Österreich eingerichtetes Expertenkomitee würde entscheiden, welche Missionen mit

welchem Fachwissen durchgeführt werden. Es würde ein Treuhandfonds eingerichtet und von

der österreichischen Regierung für eine erste Fünfjahresperiode finanziert werden.

Österreich könnte auch ein eigenes internationales Rechtshilfesystem aufbauen, um damit

Entwicklungsländer zu unterstützen, wenn sie in Zukunft seine juristischen Dienste benötigen:

Gegen eine kleine Jahresgebühr steht eine garantierte Rechtshilfe bei Bedarf sofort zur

Verfügung.

Systeme und Strukturen

Nationale Marketingagentur

Die Nationale Marketingagentur (NMA) soll sicherstellen, dass Österreich in der Zukunft

weiterhin erstklassige symbolische Aktionen produziert, die Maßnahmen und Kommunikation

der nach außen gerichteten Agenturen und Organisationen des Landes koordiniert, die

Strategie einer kompetitiven Identität innehat und überwacht, die Entwicklung neuer

österreichischer Verbraucherexportmarken anregt, die Verantwortung für die Überwachung

und Verwaltung von Beziehungen zu internationalen Medien und zur Überwachung des

Images von Österreich.

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Innerhalb der NMA ist das Magnet verantwortlich für das Ziehen von Talenten und Ideen in

das System, sowohl durch Suche auf dem Markt als auch durch aktives Anwerben, um neue

Substanz und symbolische Aktionen zu erstellen. Der Idea Shop ist ein kreatives Team

bestehend aus kreativen und talentierten Fachleuten aus verschiedenen Branchen unter

Leitung eines Creative Director. Seine Rolle besteht darin, durch das Magnet eingebrachte

Ideen zu beurteilen und selbst neue Ideen zu kreieren. Die Support Unit ist dafür

verantwortlich, die professionellen Dienstleistungen anzubieten bzw. zu beschaffen, die jedes

Projekt benötigt, um national und international erfolgreich zu sein. Das Medienzentrum

bietet eine proaktive Kontaktstelle für ausländische Medien, die über Österreich berichten. Es

umfasst eine mehrsprachige Krisenmanagementabteilung. Es ist ferner für die Überwachung

aller wesentlichen Erwähnungen von Österreich durch die internationalen Medien und für das

Eingreifen bei Bedarf zuständig.

Öffentliche Diplomatie

Da Österreich wenig „Hard Power“ hat, muss es sich in den Elementen der Soft Power wie

öffentliche Diplomatie und kulturelle Beziehungen dringend zu einem effektiven und

selbstbewussten Mitwirkenden entwickeln. Die Aktivitäten im Bereich öffentlicherDiplomatie

von Österreich hängen jedoch eher von persönlichen Qualitäten als formellen Strukturen ab.

Diese Lücke bietet Österreich eine echte Chance, sich international an die vorderste Front

öffentlicher Diplomatie zu bewegen, da wenige andere Länder solche Maßnahmen ergriffen

haben.

Es sollte ein neues Sekretariat für öffentliche Diplomatie mit Beratungs- und

Verwaltungsgremien geschaffen werden, wofür Experten hinzugezogen werden sollten. Ich

habe zehn Prinzipien für effektive öffentliche Diplomatie vorgeschlagen, auf denen die neue

Struktur basieren sollte:

1. Bei Diplomatie dreht es sich um Probleme und Territorien

2. Kreativität ist das mächtigste Werkzeug

3. Die öffentliche Meinung bedeutet Macht, kein Publikum

4. Relevanz bedeutet mehr als Erfolg

5. Macht hat viele Formen

6. Das Mittel ist nicht die Nachricht

7. Handlungen sprechen lauter als Worte

8. Das volle Potential muss genutzt werden

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9. Die effektivste öffentliche Diplomatie ist wechselseitig

10. „Totale Diplomatie”

Österreich hat die Möglichkeit, neue Strukturen und Systeme öffentlicher Diplomatie zu

entwickeln, die kosteneffektiver, flexibler und verantwortungsbewusster sind als

herkömmliche Modelle, da ein bewährtes und geprüftes „Standardmodell“ einfach nicht

verfügbar ist.

Kulturelle Beziehungen

In kulturellen Beziehungen würde der Einfluss von Österreich durch mehr Harmonisierung

zwischen Kultur und anderen Sektoren und eine eindeutige, einheitliche Strategie erhöht: man

sollte nicht fragen „Wie können wir das Profil der österreichischen Kultur erhöhen?“, sondern

„Wie nutzen wir kulturelle Beziehungen, um bestimmte Dinge über Österreich

nachzuweisen?“.

Die kulturellen Beziehungen Österreichs müssen noch mehr auf Kreativität ausgerichtet

werden, sowohl bei Inhalten als auch in der Organisation und Präsentation. Das bietet

Österreich die interessante Möglichkeit, Dinge anders zu machen als seine Mitbewerber.

Ferner wäre ein systematischer Rahmen zum Messen des Einflusses von Aktivitäten im Bereich

kulturelle Beziehungen nützlich.

Österreich sollte seine Ressourcen eher auf eine kleinere Anzahl von hochwirksamen

Interventionen als auf eine große Anzahl kleinerer Aktivitäten konzentrieren. Das Land könnte

durch Beteiligung an kulturellen Beziehungen mehr erreichen, wobei die Betonung weniger

darauf liegt, Menschen die Möglichkeit zu geben, die österreichische Kultur zu bewundern,

und mehr darauf, dass Österreich das Publikum dabei unterstützt, seine eigene Kreativität in

einem österreichischen Kontext zu entdecken.

Schlussfolgerungen

Statt zu versuchen, seinen globalen Ruf auf einmal zu beeinflussen, sollte Österreich mit der

Umsetzung des Projektes zur kompetitiven Identität durch koordinierte, hochkonzentrierte

Pilotprojekte in einigen wenigen Ländern oder gar Städten, die für möglichst viele Sektoren

von strategischem Interesse sind, beginnen. Diese Pilotprojekte berücksichtigen klare

Leistungsindikatoren und sollten auf den Aufbau beidseitig vorteilhafter, langfristiger

bilateraler Beziehungen ausgerichtet sein, anstatt ein bestimmtes Bild von Österreich zu

projizieren.

Letztendlich muss Österreich sich der Bedeutung von Kreativität bei sämtlichen Aktivitäten,

insbesondere im öffentlichen Sektor bewusst sein. Es müssen bewusste Schritte unternommen

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werden, sowohl in Schulen als auch an Arbeitsplätzen, um eine neue Respektkultur für mutiges

und originelles Denken zu fördern, und um die weit verbreitete Gewohnheit, nach Problemen

anstatt nach Lösungen zu suchen, zu bekämpfen. Das ist keine unlösbare Aufgabe, solange sie

in behördlichen Richtlinien ausreichend reflektiert wird.

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TEIL EINS: EINFÜHRUNG

Überblick über den Prozess der Competitive Identity

Seit ich die Begriffe Nation Brand und Place Brand gegen Ende der 1990er Jahre prägte, lege

ich meinem Ansatz, wie das Image und der Ruf eines Landes gemessen, verstanden und

gelenkt werden können, ein internationales Engagement, politische Maßnahmen, Strategien

sowie organisatorische Änderungen anstelle einer Marketingkommunikation zugrunde. Diesen

Ansatz nenne ich Competitive Identity – ein Begriff, der auch den Titel eines meiner Bücher

über dieses Thema bildet.

Obwohl ich diesen Ansatz schon in mehr als 50 Ländern umgesetzt habe, weichen dennoch die

Inhalte jedes einzelnen Projektes komplett voneinander ab: Wenn man mit Ländern und

Nationen zu tun hat, ist der Einsatz einer standardisierten Methodologie nicht möglich. Auch

wenn sich meine Erfahrung im Umgang mit anderen Ländern natürlich auf meine Tätigkeit in

Österreich auswirken wird und aus den Erfolgen und Fehlschlägen in anderen Ländern

durchaus wichtige Erkenntnisse zu gewinnen sind, geht es dennoch nicht darum, einfach nur

eine Schablone aus einem anderen Land zu modifizieren – jedes Land muss seine eigenen

Zielvorstellungen und Bestrebungen sowie den Weg dorthin selbst definieren, und zwar auf

der Grundlage seiner eigenen Aktiva, Ressourcen, Werte, Gesellschaft, Politik, Kultur,

Geschichte und – vor allem – seiner eigenen Menschen.

Der Ansatzpunkt bei der Competitive Identity liegt in der Beobachtung, dass die Welt heute

einen einzigen Markt bildet. Dank rasch fortschreitender Globalisierung muss Österreich wie

jedes andere Land auch um seinen Anteil an Konsumenten, Geschäfts- und Freizeitbesuchern,

Investoren, Studierenden und Unternehmern werben, ebenso um internationale Sport-,

Wirtschafts- und Kultur-Events, um die Aufmerksamkeit und den Respekt der Medien, anderer

Regierungen sowie multilateraler Institutionen und natürlich um die Menschen aus anderen

Ländern. In einem derartigen Umfeld geht es allein um die Wahrnehmung: Da die Menschen

so wenig über andere Länder wissen, ist es entscheidend, was sie glauben.

Daher müssen auch alle verantwortungsbewussten Behörden im Namen der von ihnen

vertretenen Menschen, Institutionen und Unternehmen erforschen, wie ihr Land von der Welt

wirklich wahrgenommen wird, und eine Strategie entwickeln, wie diese Wahrnehmung

gesteuert werden kann. Es ist eine ganz wesentliche Aufgabe für die öffentliche Hand, einen

Ruf für ihr Land aufzubauen, der fair, wahr, machtvoll, attraktiv und wirklich nützlich für die

wirtschaftlichen, politischen und sozialen Zwecke des Landes ist und der den Geist, die

schöpferische Fähigkeit und den Willen seiner Menschen ehrlich widerspiegelt. Diese enorme

Aufgabe ist zu einer der wichtigsten Fertigkeiten einer Regierung im 21. Jahrhundert

geworden.

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Wie ich in meinem Kommentar zum Österreich-Bericht im 2011 Anholt-GfK Roper Nation

Brands Index™ feststellte, spielt Österreich in einer weit höheren Liga als seiner Größe

entspricht: Es ist nicht auf Platz 13 der größten, wohlhabendsten, bevölkerungsreichsten oder

am schnellsten wachsenden Länder auf diesem Planeten, aber es steht an 13. Stelle unter den

am meisten bewunderten. Doch trotz dieser Bewunderung ist Österreich bei einer Mehrheit

der Menschen in anderen Teilen der Welte nur selten aktiv im Bewusstsein: Nach meinen

Recherchen ist es kein Land, über welches die Menschen außerhalb glauben, intensiv oder

häufig nachdenken zu müssen, denn sein Status, seine Schönheit und sein Wohlstand werden

als sicher, dauerhaft und vermutlich als nicht sehr relevant für ihre tagtäglichen Sorgen und

Bedürfnisse eingestuft.

Wie wir in der ersten Freitagsgruppe besprachen, ist es wichtig, zwischen den Ansichten der

Menschen in den Nachbarstaaten Österreichs und jenen, die weiter weg wohnen, zu

unterscheiden. In Südosteuropa wird Österreich durchaus anders gesehen: Hier spielt das Land

eine sehr viel prominentere und aktivere Rolle in den Wahrnehmungen und dem täglichen

Leben der Menschen als anderswo. Natürlich sind alle Länder in ihrer unmittelbaren

Umgebung besser bekannt als weiter weg, aber dennoch können wir viel über das letztliche

globale Potenzial Österreichs erfahren, indem wir die Rolle betrachten, die das Land für sich

selbst seit dem Fall der Sowjetunion (und natürlich auch lange davor) in seiner Nachbarschaft

übernommen hat. Heute gilt: “Geografie ist Geschichte”, und vielleicht könnte die einzigartige

Erfahrung des Landes als Brücke zwischen mehr oder minder entwickelten Blöcken auf seine

geografisch entfernteren, aber wirtschaftlich und politisch nahen Nachbarn in anderen

Regionen übertragen und genutzt werden.

Außerhalb seiner unmittelbaren Nachbarschaft scheint Österreich gut im Unterbewusstsein

der Menschen verankert zu sein – auf Anfrage sind die Reaktionen gut, doch unaufgefordert

passiert nichts. Eine der Kernfragen, die wir angegangen sind, ist, wie wir Österreich in das

Bewusstsein der Menschen bekommen – zumindest bei den demografischen

Schlüsselschichten und im Zusammenhang mit den Schlüsselfragen –, damit wir das ziemlich

festgefahrene Image ändern können. Ein so stabiles Image, wie es Österreich hat, ist ein

Warnsignal, dass das Land für selbstverständlich gehalten wird, und ein solches Image

widersetzt sich beharrlich jeglichen externen Einflüssen: Nur Länder, die im Bewusstsein

präsent sind, können neu bewertet werden.

In der Anfangsphase des Projekts diskutierten wir die „dunkle Seite“ des Rufes, den Österreich

hat: das gelegentliche Auftreten von extremistischen politischen und sozialen Strömungen und

sogar den Fritzl-Fall – aber diese Dinge wurden von den Teilnehmern als nicht besonders

signifikant erachtet. Ich stimme dem voll zu: Meiner Erfahrung nach haben derartige Episoden

selten einen messbaren oder dauerhaften Einfluss auf das Ansehen eines Landes und sind bald

wieder vergessen, soferne sie nicht ein Muster über einen viel längeren Zeitraum bilden.

Würde jedes Land, in dem ein schockierendes Verbrechen verübt wurde, Schaden an seinem

Ruf erleiden, dann würde kein Land mehr mit einer intakten Reputation übrigbleiben.

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Hier, wie auch anderswo, liegt die wahre Antwort darin, was Österreich tut, und nicht, was es

sagt. Es handelt sich nicht primär um Fragen der Kommunikation oder der

Öffentlichkeitsarbeit: Die öffentliche Meinung gibt nicht den Ländern die Schuld für böse

Vorkommnisse, sondern interessiert sich brennend dafür, wie sie damit fertig werden – und

das ist eine Chance, wie weit das Land Widerstandsfähigkeit, Fantasie und Wertvorstellungen

beweisen kann.

Einer der Gründe, warum Österreich nicht gerade im Vordergrund steht, liegt darin, dass es

nicht als Produzent von Markennamen bei Konsumgütern bekannt ist: Der

„Ursprungslandeffekt“ ist nur schwach, wenn auch potenziell sehr positiv. Markenartikel

gehören heute zu den machtvollsten informellen Werbeträgern für ein nationales Image, doch

selbst eine Megamarke wie Red Bull trägt kaum zur Profilierung von Österreich bei, weil so

wenige Menschen wissen, wo sie herkommt (oder es ihnen egal ist).

Die Quantität zählt bei Exportmarken wirklich. Österreich muss in den nächsten Jahrzehnten

die Schaffung und den Export vieler weiterer Marken fördern und beschleunigen. Eine

„leichte“ Industriepolitik dieser Art beginnt jetzt nach einer jahrzehntelangen Diskreditierung

wieder aufzutauchen, als notwendige und logische Reaktion auf den intensiven Wettbewerb,

der sich durch die Globalisierung der Märkte gebildet hat.

Wie im NBI™ Report bereits erwähnt, müssen wir mehr über die Zukunft als über die

Vergangenheit oder Gegenwart nachdenken. Wie alle westlichen Demokratien in meiner

Untersuchung ist auch die Reputation Österreichs im Absteigen begriffen und das Land wird

mehr von älteren als jüngeren Gesprächspartnern bewundert. Das bedeutet, dass Österreich

ein Problem bekommt, in dem Maße, als sich das Interesse der Menschen den

Entwicklungsländern – den historischen Opfern der imperialen Macht – zu- und von den Tätern

abwendet.

In dem Maße, als der wirtschaftliche und politische Einfluss auf die BRIC-Staaten und sonstige

Schwellenländer übergeht, wird sich das mangelnde Wissen über Österreich, seine Geschichte,

Kultur und Leute, in der Bevölkerung dieser Staaten zu einem echten Nachteil auswachsen,

wenn es darum geht, soziale, wirtschaftliche, kommerzielle, diplomatische und kulturelle

Beziehungen mit ihnen aufzubauen. Die Aufgabe, Kontakte mit einem jüngeren „Publikum“

weltweit aufzubauen und den Menschen in den Schwellenländern Informationen über

Österreich auf eine Art und Weise zu vermitteln, dass das Land, seine Menschen, seine

Produkte und seine Kultur für deren Bedürfnisse und Interessen auch wirklich relevant sind,

zählt zu den Prioritäten unseres Projektes.

Die internationale öffentliche Meinung ist die letzte verbleibende Supermacht, und bei diesem

Projekt geht es hauptsächlich darum, es Österreich zu ermöglichen, wirksame diplomatische

Beziehungen zu dieser Supermacht aufzubauen.

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Struktur des Competitive Identity-Prozesses

Der Prozess zum Aufbau einer Competitive Identity soll drei Schlüsselfragen beantworten:

Identität (Wer sind wir?), Strategie (Wohin gehen wir?) und Taktik (Wie kommen wir dorthin?).

Während des ersten Besuches starteten wir diesen Prozess mit der Suche nach einer einfachen

aber wahren Charakterisierung des Landes und seiner Menschen. Dabei ging es nicht um eine

übermäßig drastische oder akademische Formel, sondern eine, die schlagkräftig klingt. Zwar

gab es in dieser Phase viel Input, jedoch war ein kurzer, einfacher Output erforderlich. Die

Frage, die beantwortet werden musste, ist: „Worin liegt der Genius der ÖsterreicherInnen?“

Wenn wir wissen, wer wir sind, dann wissen wir auch, wozu wir imstande sind. Wenn wir das

wissen, dann wissen wir, welchen Ruf wir verdienen, und wir können daran gehen, ihn uns zu

erwerben.

Die Beantwortung der zweiten Frage stellt eine Übung in einer „Grand Strategy“ dar, um einen

ausgezeichneten, wenn auch altmodischen Ausdruck zu gebrauchen. Es geht um die Vision

dessen, welche Art von Land Österreich in fünf, zehn, fünfzig oder hundert Jahren sein könnte,

welche Art von Ruf es dann benötigen und verdienen würde, sowie um den Umfang und Zweck

seines internationalen Engagements.

Die Beantwortung der dritten Frage umfasste die Umsetzung des Prozesses: Hier schufen wir

die Mechanismen, die erforderlich waren, um die Realität und die Reputation, wie wir sie uns

in der zweiten Phase vorstellten, auch tatsächlich zu realisieren. Wie ich im Detail erkläre, sind

diese Mechanismen bürokratischer, technischer, finanzieller, politischer, verfahrensmäßiger

sowie struktureller Art; dazu gehören die Schaffung neuer genauso wie die Änderung

bestehender Stellen oder Abteilungen. Die von uns entworfenen Strukturen sollen vorrangig

dafür sorgen, dass das Land fähig und imstande ist, derartige Projekte – von immer größerer

Qualität und Durchschlagskraft – auch über viele weitere Jahre hinweg zu entwickeln und

umzusetzen. Kurz gesagt: Das Ziel ist es, Österreich permanent in die Lage zu versetzen, seine

eigene Reputation zu steuern.

Eine Anmerkung zur Umsetzung

Ein zentraler Grundsatz der Competitive Identity ist das Modell „Strategie – Substanz –

symbolische Aktionen”.

Symbolische Aktionen sind eine besondere Art von Substanz mit immanenter

Kommunikationskraft: es kann sich dabei um Innovationen, Strukturen, Gesetze, Reformen,

Investitionen, Institutionen oder politische Maßnahmen handeln, die besonders

bemerkenswert, denkwürdig, malerisch, berichtenswert, aktuell, poetisch, berührend oder

dramatisch sind. Vor allem aber sind sie symbolisch für die Strategie – sie sind sowohl

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Bestandteil des nationalen Erzählstranges als auch das Mittel seiner Vermittlung. Ein ständiger

Strom solcher Aktionen ist neben der bereits beschriebenen strategischen und strukturellen

Arbeit der wahre Schlüssel zur wirksamen Umsetzung derartiger Projekte.

Einige gute Beispiele symbolischer Aktionen aus anderen Ländern sind die Finanzhilfe der

slowenischen Regierung für benachbarte Balkanländer, um so zu beweisen, dass Slowenien

nicht zum Balkan gehört; Spaniens Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen, um zu

demonstrieren, dass seine Werte sich im diametralen Gegensatz zur Franco-Ära modernisiert

haben; die Entscheidung der irischen Regierung, Künstler, Schriftsteller und Dichter von der

Einkommensteuer zu befreien, um die Wertschätzung des Staates für kreative Begabung zu

beweisen; Estlands Erklärung, dass der Internetzugang ein Menschenrecht darstellt; Bhutans

„Geldstrafen” für ausländische Touristen, um sein hohes Selbstwertgefühl und seinen

kostbaren Status in Bezug auf Kultur und Umwelt zu etablieren; oder dass Den Haag als

Gastgeber für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte fungiert, um (unter

anderem) den Ruf der Niederlande als globale Bastion des Rechtsstaatsprinzips zu festigen.

Eine symbolische Aktion wird von folgenden Kriterien bestimmt:

1. Sie sollte inhärent medienfreundlich sein (d.h. die Medien möchten darüber

berichten, ohne dafür bezahlt oder dazu überredet zu werden).

2. Sie muss eine echte politische Maßnahme, Investition, Innovation sein (d.h. keine

Kommunikation, kein reiner Werbegag).

3. Sie beweist eindeutig (d. h. nicht bloß als vagen Aus- oder Eindruck) etwas über das

Land/die Stadt/die Region.

4. Sie ist stets „an der Marke dran” (d.h. ein Schritt in die richtige Richtung im Hinblick

auf die Identitätsstrategie des Ortes).

5. Sie arbeitet an bestehenden Wahrnehmungen mit dem richtigen Tempo (d.h. sie

bestätigt nicht bloß, was die Menschen bereits über den Ort wissen, sondern

widerspricht oder bezweifelt auch nicht bestehende Wahrnehmungen so dramatisch,

dass dies als abnorm oder unglaubhaft zurückgewiesen oder ignoriert wird).

Es gibt keinen Grund, warum symbolische Aktionen nicht auch gewinnbringende

Geschäftsunternehmungen sein sollten. Mehrere während des Projekts entwickelte

symbolische Aktionen sollten für die privatwirtschaftlichen Partner dieses Projekts von echtem

kommerziellen Interesse sein, da dies logische Begründungen, Anreize und einen Zeitplan für

ihren Einsatz liefert.

Das Programm für die Competitive Identity wird klarerweise am wirksamsten sein, wenn

Österreich offensichtlich „aus allen Rohren schießt”: mit anderen Worten, wenn symbolische

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Aktionen konstant und über das gesamte Spektrum öffentlicher oder privatwirtschaftlicher

Sektoren gesetzt werden. Es ist von größter Bedeutung, dass – egal wie Menschen in anderen

Ländern in den nächsten Jahren mit Österreich in Kontakt kommen werden – dies in

zahlreichen Sektoren und Zusammenhängen auf Grund außergewöhnlicher Initiativen,

Menschen, Veranstaltungen, Programme, Entwicklungen, Projekte, Geschäftsideen und

Maßnahmen der Fall sein wird, die alle dieselbe grundsätzliche Geschichte über das Land

erzählen.

Deshalb schien es unerlässlich, dass die von uns im Zuge des Competitive Identity-Programms

entwickelten symbolischen Aktionen gleichmäßig auf alle Ministerien und staatlichen

Behörden verteilt werden, genauso wie auf den privatwirtschaftlichen Bereich – manche

davon beziehen sich auf Kultur, manche auf Öffentlichkeitsarbeit, andere auf Bildung, auf

Innen- und Außenpolitik, manche auf Großveranstaltungen und auf Religion, Sozialwesen,

Sport, Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Schwerindustrie und Kreativwirtschaft, Medien,

Landwirtschaft, Verkehr, Wissenschaft und Technologie, Umwelt und so weiter.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil dieses Projekts war die Frage der österreichischen

Strukturen für internationales Engagement, denn sie sind es, die in Zukunft ein weiteres

Funktionieren des Modells ermöglichen werden.

Was Strukturen anbelangt, so gibt es viel an nicht so sehr strategischer als vielmehr –

gleichermaßen wichtiger – organisatorischer Arbeit zu tun. Wie die meisten Länder hat auch

Österreich eine Vielzahl an Ministerien, Behörden und Körperschaften, die für die Förderung

seiner wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Beziehungen mit anderen Ländern

zuständig sind und zum überwiegenden Teil hervorragende Arbeit leisten, aber ihre Aufgaben

doch eher getrennt voneinander durchführen. Sie arbeiten nicht im Rahmen einer

gemeinsamen nationalen Strategie, sodass sie häufig zwiespältige und sogar widersprüchliche

Eindrücke von dem Land aussenden. Als Folge ergibt sich kein einheitliches nationales Bild, und

die Gesamtreputation Österreichs steht still oder bewegt sich sogar rückwärts. Wir

diskutierten, wie die Arbeit all dieser Beteiligten so koordiniert werden könnte, dass sie eine

einheitliche Spitzenqualität aufweist und zu einer nationalen „Grand Strategy” führen kann,

die klare Ziele für die Wirtschaft und Gesellschaft Österreichs und seine politischen und

kulturellen Beziehungen mit anderen Ländern, Städten und Regionen weltweit setzt – damit

wird die Aufgabe innerhalb der Staatengemeinschaft definiert.

Einige der in Österreich bestehenden Systeme und Strukturen sind möglicherweise nicht

optimal für das Zeitalter der neuen Medien und globalen Märkte, des wirtschaftlichen

Umbruchs und intensiven globalen Wettbewerbs geeignet; und das bietet uns sicherlich

spannende Chancen für bahnbrechende Innovationen. Den politischen Willen vorausgesetzt,

hat Österreich die Möglichkeit, ganz neue Systeme und Strukturen für Öffentlichkeitsarbeit,

kulturelle Beziehungen, Export- und Investitionsförderung zu schaffen, die für das 21.

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Jahrhundert mit seinen einzigartigen Herausforderungen und Chancen konzipiert und

konstruiert sind: Österreichs Chance ist es, als erstes Land die überlieferten Strukturen des 19.

und 20. Jahrhunderts hinter sich zu lassen.

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TEIL ZWEI: STRATEGIE

Hintergrund der Strategie

Schnell wurde ein Konsens bezüglich des Wesens des Imageproblems erzielt. Dieses kann

entlang von vier Achsen zusammengefasst werden:

1. Momentane Schwächen

2. Künftige Risiken

3. Künftige Chancen

4. Laufende Bedrohungen

1. Momentane Schwächen

Die Teilnehmer waren sich einig, dass Österreich zwar ein allgemein positives aber dennoch

schwaches Image hat, insbesondere außerhalb seiner direkten Nachbarstaaten. Dazu kommt,

dass Österreich, ähnlich wie viele andere Länder, die in der internationalen Gemeinschaft

keinen sehr herausragenden Platz einnehmen, ein überholtes Image aufweist und

international, wenn überhaupt, mit den „weichen“ Faktoren klassische Musik und Landschaft

assoziiert wird.

Folglich ist es für viele Menschen schwierig, Österreich mit Technik oder anderen Faktoren der

Moderne zu assoziieren, und sie stellen sich das Land als einen malerischen „Kulturerbepark“

vor. Das nützt zwar durchaus einigen Formen des Fremdenverkehrs (besonders wenn es sich

um ältere Gäste handelt) und den kulturellen Beziehungen, geht aber sehr stark auf Kosten der

Auslandsinvestitionen, Exporte, Wissenschaften, Technik und nichtkultureller Bildung sowie

der Fähigkeit, Talente anzuziehen. Der Konflikt zwischen dem Handelsimage und dem

Tourismusimage ist natürlich weitverbreitet – die meisten Länder haben Probleme damit, ein

im Grunde zukunftsorientiertes Investitionsimage mit einem grundsätzlich rückwärts

ausgerichteten Tourismusimage zu vereinbaren, aber für Österreich besteht das Problem

darin, dass das gesamte Image des Landes in Richtung Tourismus und malerisch geht.

Selbst unter fachmännischen Beobachtern Österreichs, wie es beispielsweise professionelle

Investoren sind, scheint die Ansicht zu herrschen, dass die wirtschaftlichen Stärken des Landes

eher in der Industrie als in der Technik liegen: ein weiteres Symptom eines Rufes, der nicht oft

genug aufgefrischt oder aktualisiert wird (oder der möglicherweise ein Symptom der Realität

ist). Österreich wird als ein Land wahrgenommen, dass, wie es Karl Kraus ausdrückte, „eine

große Zukunft hinter sich hat“.

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Eine vergleichende Analyse der Alterskohorten im Anholt-GfK Roper Nation Brands IndexSM

suggeriert auch tatsächlich, dass Österreich in den meisten Ländern eine viel stärkere

Anziehungskraft auf ältere Befragte ausübt – das wird ganz offensichtlich eine

Herausforderung für die künftige Relevanz und das Profil des Landes.

Das Image Österreichs auf einen neuen Stand zu bringen, es zu modernisieren und dem

Mainstream der internationalen Wahrnehmung zu nähern, ohne jedoch die Anklänge des

kulturellen Erbes zu kompromittieren, gehörte eindeutig zu unseren Aufgaben. Dies erfordert

letztendlich auch eine Planung auf der sektoralen Ebene: Der Fremdenverkehr würde von

mehr Produkten und mehr Aufmerksamkeit in der Kategorie Jugend/Abenteuer/Extremsport

profitieren (so wie Neuseeland in den letzten Jahrzehnten), genauso wie den Bereichen Kultur

und Exporte eine ähnliche Verjüngung nützen würde. Die passende Formel wäre ein bisschen

mehr Red Bull und weniger Mozart-Kugeln.

Es besteht kein Zweifel, dass die einzige echt globale Assoziation, die Österreich – zumindest

unter der höher gebildeten Elite – aufweist, sein klassisches Musikerbe ist, und, egal ob Zufall

oder Absicht, dies war auch eine moderat erfolgreiche Übung im schmalbandigen „Nation

Branding“ für das Land. Dennoch fand ich kaum einen Nachweis dafür, dass die Wirkung so

kräftig ist, wie es viele ÖsterreicherInnen gerne glauben. Im Anholt-GfK Roper Nation Brands

IndexSM weist die Kultur die bei weiten schwächste Dimension im Gesamtranking auf. Selbst

unter seinen unmittelbaren Nachbarn, also jenen, die Österreich eigentlich am besten kennen

sollten, sind die Assoziationen mit seinem kulturellen Erbe nicht sonderlich stark. In einem

weltweiten Ranking zum Kulturerbe steht Österreich lediglich an 15. Stelle, mit ungefähr der

gleichen Punktezahl wie Peru und weit unter der Türkei und Schottland.

Es wäre dumm, Mozarts fortgesetzte Bedeutung für das Image Österreichs zu unterschätzen:

Er gehört eindeutig zu den prominentesten Marken auf diesem Planeten und er ist der einzige

klassische Komponist des Westens, den viele Menschen spontan benennen können. Etliche

Teilnehmer in den Gruppen beklagten sich, dass das Image Österreichs eine ungesunde

Schlagseite zugunsten des Mozart-/Strauß-Erbes aufweist, aber ich bin der Meinung, dass

Österreich in Wahrheit sogar noch sehr weit davon entfernt ist, den vollen Nutzen seines

kulturellen Erbes zu ernten. Es wäre schön, wenn wir bloß dieses Problem hätten, aber das

entspricht ganz und gar nicht der Realität.

Allgemein gesehen stimmt es jedoch, dass das österreichische Image eher „dekorativ denn

nützlich“ ist, um es mit den Worten des Anholt-GfK Roper Nation Brands IndexSM auszudrücken

– und das konterkariert die wirtschaftlichen Interessen des Landes in sehr vielen Bereichen. Es

wäre ein Fehler, das kulturelle Erbe in den internationalen Beziehungen Österreichs zu sehr zu

betonen, doch liegt das Problem allgemein eher in einem schwachen als in einem

unausgeglichenen Profil, und jeder Weg, der zu mehr Prominenz und Relevanz führt, muss

begrüßt werden.

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2. Künftige Risiken

Wie ich bereits ausgeführt habe, wird Österreich häufig als ein angenehmes, westlich

orientiertes Provinznest beschrieben, aber wir müssen darüber nachdenken, wie lange diese

angenehme Situation noch weiter bestehen kann.

Momentan steht Österreich noch erstaunlich gut da, aber angesichts der Tatsache, dass die

europäische Wirtschaft (von der Österreichs Wohlstand in hohem Maße abhängt) anscheinend

auf allen Seiten zerbröselt und das wirtschaftliche Machtzentrum sich in Länder verlagert, in

denen Österreich mehr oder weniger unbekannt ist, scheint es klar, dass Österreich sich jetzt

bemühen sollte, einen stärkeren und positiveren Ruf aufzubauen – als Bollwerk gegen die

Erschütterungen, die demnächst unweigerlich auf das Land zukommen werden.

Wie die Mitglieder der diplomatischen Gruppe bestätigten, kommt Österreich nicht in den

Lehrplänen jener Kinder vor, die gerade in China, Indien, Brasilien und den meisten anderen

Schwellenländern aufwachsen. Selbst da, wo europäische Geschichte unterrichtet wird, gibt es

kaum eine Nennung Österreichs. Das führt zu dem Risiko, dass künftige Generationen von

wirtschaftlich, kulturell und politisch wichtigen Wertträgern – die alle irgendwann zu

internationalen Konsumenten, Touristen, Investoren und Studenten werden – keine Ahnung

von Österreichs Existenz, seinem Platz in der Welt, seiner Geschichte und seiner kulturellen

Bedeutung haben. Damit wird Österreich praktisch auf den Status einer nebensächlichen B2B-

Destination für gut informierte Berufseliten verwiesen, und das Land hört auf, globales

kulturelles Allgemeingut zu sein. „Das andere kleine deutschsprachige Land, aber nicht die

Schweiz“ macht Österreich wohl kaum zu einer wünschenswerten Destination für Handel,

Investitionen, Bildung oder gar den Tourismus der Zukunft.

Es ist sicher wünschenswert, die Menschen über die glorreiche Vergangenheit eines Landes zu

informieren – die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in London zeigte, wie ein Land genau

dasselbe Problem anging, das Österreich jetzt hat –, aber es ist schwierig, in breiten

Bevölkerungsschichten eine echte Begeisterung für historische Themen zu wecken, und es ist

schwierig, diese Lehrstunden im Bewusstsein zu verankern.

Es macht sehr viel mehr Sinn, einen neuen Ruf aufzubauen, indem man sich direkt mit den

Bedürfnissen, Wünschen, Sehnsüchten und Problemen jetziger Bevölkerungen befasst. Wenn

ein Land es schafft, sich dafür, was es heute tut, für die Menschen relevant zu machen, dann

ist es viel einfacher, diese Menschen dazu zu bringen, eine engere Beziehung mit seiner

Vergangenheit einzugehen.

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3. Künftige Chancen

Ich habe die Teilnehmer an dem Prozess aufgefordert, die strategische Frage von einem

anderen Blickwinkel aus anzugehen: Anstatt darüber nachzudenken, welche Möglichkeiten

Österreich hat, noch wettbewerbsfähiger und folglich noch wohlhabender zu werden, könnte

man genauso gut eine Strategie entwickeln, die auf die internationalen Verpflichtungen

Österreichs aufbaut.

Österreich gehört zu den stabileren, gleichberechtigteren, friedlicheren, blühenderen und

erfolgreicheren Gesellschaften dieses Planeten und rangiert zweifelsohne unter den obersten

5-10 % bei den meisten Kennziffern. Man könnte nun durchaus argumentieren, dass

angesichts dieser Position die internationalen Verpflichtungen des Landes seine Chancen auf

mehr Erfolg aufwiegen: Es gibt schließlich weit mehr als hundert Länder, die viel darum geben

würden, so erfolgreich zu sein wie Österreich. Anstatt sich also zu fragen, wie Österreich jener

kleinen Zahl von Ländern folgen könnte, die in den diversen Wohlstandindices über ihm

stehen, könnte es für das Land interessanter sein, darüber nachzudenken, wie es einigen jener

Vielzahl von Ländern, die unter ihm stehen, den Weg weisen könnte.

Damit würde Österreich unzweifelhaft mehr für sein internationales Image tun, als wenn es

noch erfolgreicher würde. Die Menschen bewundern für gewöhnlich Länder nicht einfach, weil

sie reich und erfolgreich sind, und Österreich ist ein gutes Beispiel für dieses Prinzip: Sie

bewundern Länder, die sie als aktiv nützlich in der Welt ansehen.

Eine Metaanalyse des Anholt-GfK Roper Nation Brands IndexSM weist deutlich darauf hin, dass

die moralische Wahrnehmung die stärkste Antriebskraft des nationalen Rufes insgesamt ist. Es

macht daher viel Sinn, Strategien auszuwählen, die sich auf ein Führungsverhalten im

internationalen Bereich konzentrieren, auf die Mithilfe bei der Lösung von globalen Problemen

und ganz allgemein als nützlicher und charakterfester Mitwirkender in der Gemeinschaft der

Nationen.

4. Laufende Bedrohungen

Alle Gruppen waren sich einig, dass der richtige Ansatz bezüglich der gelegentlich negativen

Wahrnehmung von Österreich ständige Wachsamkeit sei. Diese Aufgabe muss auch dem

Medienzentrum übergeben werden, das später in diesem Bericht beschrieben wird. Beim

Tätigen von Maßnahmen und Kommunikation, die speziell darauf ausgerichtet sind, einer

Wahrnehmung von Extremismus entgegenzutreten, besteht das Risiko, unerwünschte

Aufmerksamkeit auf Faktoren zu ziehen, die derzeit für Menschen in anderen Ländern keine

wesentliche Rolle spielen. Zudem bestand die Ansicht, dass es in der letztendlich gewählten

Strategie viel gab, was die Macht hatte, diese negativen Wahrnehmungen indirekt und damit

subtiler zu bekämpfen.

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Vision: Neubewertung des „österreichischen Modells“

Mein erster Vorschlag für die strategische Ausrichtung Österreichs wurde mit allen vier

Gruppen detailliert diskutiert und mit fast durchgehender Zustimmung aufgenommen. Wenig

überraschend gab es einige Zweifel darüber, wie und ob er in der Praxis durchgeführt werden

könnte, doch gab das keinen Anlass zu einer unmittelbaren Sorge, weil es meiner Erfahrung

nach schwieriger und wichtiger ist, die richtige strategische Ausrichtung zu finden als

Methoden zu spezifizieren, wie sie umgesetzt werden kann.

Der strategische Erzählfaden verläuft wie folgt:

Wenn man die österreichische Gesellschaft von einem externen Blickwinkel aus betrachtet,

kann man sie relativ einfach als gesellschaftliches „Modell“ charakterisieren, das es nur in

Österreich gibt: Die meisten der Komponenten dieses Modells finden sich auch in anderen

Gesellschaften, aber ihre Kombination ist unmissverständlich österreichisch. Ich postuliere,

dass die wesentlichen Komponenten dieses Modells die folgenden sind:

Verhältnis Arbeit/Freizeit:

Starke Bindung zu Familie und Nachbarschaft; gesellschaftlicher Zusammenhalt auf vielen

Ebenen.

Fleiß, aber nicht auf Kosten der Familie. Früh in der Arbeit, früh zuhause; Feiertage und

Essenszeiten sind heilig.

Keine Hektik, keine Eile (Hast ist ungemütlich); wichtige Entscheidungen werden langsam und

sorgsam getroffen.

Verhältnis Menschheit/Planet:

Nur die Österreicher sind „kulturell“ umweltbewusst: Etliche andere europäische Völker

haben gelernt, die zahlreichen Umweltschutzvorschriften einzuhalten, aber ich sage, dass die

Österreicher zur Nachhaltigkeit kulturell vorbelastet sind: Österreich ist ihr unberührter

Garten, und ihr Wunsch, ihn rein und unverdorben zu belassen, braucht wenig amtliches

Zutun.

Das Essen besteht aus lokal gewachsenen, natürlichen, biologischen Zutaten, die frisch

zubereitet werden (obwohl ich nicht davon überzeugt bin, dass die österreichische Küche zu

einem wirklich globalen Phänomen werden kann wie die indische, französische, italienische,

chinesische, mexikanische, japanische oder sogar koreanische Küche, weil sie im Gegensatz zu

den letzteren kein umfassendes, unverkennbar eigenständiges kulinarisches Œuvre darstellt,

sondern eine mittelgroße Ansammlung von ausgezeichneten Gerichten ist, die für eine

breitere Region und nicht so sehr für ein spezielles Land charakteristisch sind).

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Verhältnis Individuum/Gesellschaft:

Die Sozialpartnerschaft ist ein einzigartiges Modell, das zwar höchstwahrscheinlich eine

Erneuerung benötigt, aber im Grunde genommen sehr solide dasteht und außerordentlich

ausgeprägt ist.

Sparsamkeit und Vorsicht (das praktisch überall vorhandene Sparbuch ist sicherlich gut für

Familien, wenn auch schlecht für das Wirtschaftswachstum).

Ein ziemlich starres Regelwerk auf der bürokratischen Ebene kombiniert mit großer Flexibilität

und Anpassungsfähigkeit bei der Anwendung auf der Ebene des Staatsbürgers.

Konsens wird als wichtig angesehen, selbst wenn diese Eigenschaft manchmal mehr mit

Konfliktvermeidung zu tun hat und zu unbefriedigenden Kompromissen führt anstatt zu einer

echten und praktikablen Übereinstimmung.

Ein Verständnis für die angemessene Rolle der Kultur in der Gesellschaft: Die Kultur, und

insbesondere die Musik, wird als Teil eines reichhaltigen Lebens gesehen, die genauso viel zum

persönlichen und gesellschaftlichen Wohlbefinden und Wohlstand beiträgt wie Geld und

Erfolg.

Vom Blickwinkel des Außenstehenden und auf den ersten Blick scheint ein Großteil dieses

Modells die Ansicht zu bestätigen, dass Österreich eine konservative und vielleicht sogar leicht

fundamentalistische Gesellschaft ist. Viele Menschen sehen solche Werte als sehr altmodisch

an, die wie so viele andere Aspekte des gegenwärtigen Image Österreichs eine angenehme

Touristendestination suggerieren, eine kurzzeitige Flucht aus dem Chaos und den Krisen der

„echten“ Welt, aber nicht ein Modell, das man kopieren möchte; ein Modell, das

Führungskraft oder eine besondere Relevanz bezüglich der Probleme der modernen Welt

suggeriert.

Und dennoch behaupte ich, dass ein etwas anderer Blickwinkel auf eben dieses Modell es in

einem vollkommen anderen Licht zeigt.

Wir leben in einer Zeit, in der jenes Modell, welches bisher die wirtschaftlichen, sozialen,

kulturellen und politischen Aktivitäten in einem Großteil der Welt geformt hat, intensiv

hinterfragt und stark kritisiert wird. Heutzutage kann jeder selbsternannte Experte und

Kolumnenschreiber aufzählen, was am Washingtoner Konsens falsch läuft: Unsere Politiker

haben die Ökonomie als eine monotheistische Religion behandelt, während das Glück der

Gesellschaft in Wahrheit von einer ganzen Reihe von Göttern abhängt. Die Menschen, die

Kultur, die Freude und die Ressourcen des Planeten wurden aus der Gleichung weggelassen;

das System begründete sich auf dem, was Edward Abbey als „Wachstum um des Wachstums

willen ... die Logik der Krebszelle“ bezeichnete.

Wir sind alle Experten darin, die alte Ordnung zu kritisieren, aber bis jetzt gibt es keinen

funktionierenden Beweis für eine praktikable Alternative. Der Rückzug in eine archaische

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Fantasie eines von Slow Food, Nichtglobalität und sogar Antikapitalismus geprägten Lokalismus

ist für viele verlockend, aber im Grunde genommen unrealistisch.

Das von mir oben beschriebene „österreichische Modell“ bietet ein Arbeitsmodell einer

lebensfähigen Alternative an: Punkt für Punkt reagiert es auf die Unzulänglichkeiten des

aggressiven angloamerikanischen Kapitalismusmodells:

ÖSTERREICHISCHES MODELL WASHINGTONER KONSENS

Gleichgewicht von Arbeit und Leben Arbeit, Arbeit, Arbeit

Familien- und Nachbarschaftswerte Egoismus, Individualismus

„Kulturell“ umweltbewusst Ignorieren der begrenzten Ressourcen des Planeten

Vermeiden von Hektik; langsame

Entscheidungsfindung

Sofortige Entscheidungen, besonders auf den

Finanzmärkten

Früh zur Arbeit, früh wieder daheim „Rasten kann man, wenn man tot ist“

Sparsamkeit, Vorsicht Schuldengetriebenes Wachstum

Langweilig (= zuverlässig) Aufregend (= unberechenbar)

Essen: frisch, lokale Zutaten Schnelles Essen für schnelles Leben, teure Exotica

Sozialpartnerschaft Regierung gegen Wirtschaft gegen Arbeitnehmer

Kultur als integrierender Bestandteil

eines reichhaltigen Lebens

Kultur als Unterhaltungsprodukt

The Sound of Music Wall Street

Harmonie Macht

Konsens/Kompromiss Gewinnen

Es wäre enorm übertrieben, zu behaupten, dass das österreichische Modell alles bietet, was

dem amerikanischen Modell fehlt, genauso wie es übertrieben wäre, zu behaupten, dass das

angloamerikanische Modell ganz und gar wertlos ist. Beide sind weit davon entfernt, perfekt

zu sein, und genauso weit davon entfernt, vollständig zu sein. Das österreichische Modell in

seiner jetzigen Fassung enthält einige jener Elemente von Trägheit und Starre, fehlendem

Unternehmergeist und fehlender Anpassungsfähigkeit, die dem verknöcherten und immer

verrufeneren „europäischen Modell“ zu eigen sind. In einem solchen Modell ist kein Platz für

Fremdenhass, Antiglobalismus oder Korruption. Vieles muss verbessert oder sogar erneuert

werden.

Aber das Modell funktioniert, und der Erfolg und das Prestige Österreichs gibt ihm die

Glaubwürdigkeit, um ein ernsthafter Bewerber für „Kapitalismus 2.0“ oder vielleicht „Europa

2.0“ zu werden.

Ich glaube, dass das österreichische Modell näher daran ist, eine funktionierende Alternative

anzubieten als die meisten anderen momentan vorhandenen Modelle, und das eröffnet für

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Österreich die wichtigste Chance, eine echte Führungsrolle in der internationalen Sphäre zu

übernehmen, wenn es das will.

Endauswahl der Strategieoptionen

Im Laufe dieses Programms präsentierte ich der Freitags- und Samstagsgruppe drei alternative

strategische Vorschläge, deren erster während des zweiten Besuches entwickelt und der im

vorangehenden Abschnitt erläutert wurde. Diese drei Strategien können wie folgt

zusammengefasst werden:

Strategie Nr. 1: „Das österreichische Modell“

Überblick: Die charakteristischen Eigenschaften des sozialen, kulturellen und (in einem

gewissen Maße) wirtschaftlichen Modells Österreich sind – im Gegensatz zu der

vorherrschenden Meinung – ganz und gar nicht altmodisch und irrelevant: sie könnten sehr

wohl als ein perfektes, punktgenaues und unverwechselbar europäisches Gegenmittel zum

kaputten Modell des aggressiven anglosächsischen Kapitalismus positioniert werden und

damit die Zukunft anstelle der Vergangenheit repräsentieren.

Strategie Nr. 2: „Brückenbauer für die Welt“

Überblick: Österreichs Rolle als Brückenfunktion zwischen etablierten und sich entwickelnden

Märkten, die das Land zwischen dem Fall des Kommunismus 1989 und der EU-Erweiterung

2004 übernahm, ist auch gleichzeitig seine künftige Mission. Beginnend mit den Nachzüglern in

Südosteuropa und dann in Zentralasien, Nordafrika und darüber hinaus fungiert Österreich als

„Brückenbauer“ und bringt einen einzigartigen Erfahrungsschatz für den immer schneller

werdenden Fortschritt und Wohlstand für die Länder, die in der zweiten Reihe stehen. „Hilfe

für die Entwicklungsländer, damit sie sich nachhaltig entwickeln können“ ist eine großartige

und wesentliche Mission für Österreich in der vorhersehbaren Zukunft.

Strategie Nr. 3: „Modernisierung als Programm“

Überblick: Bei der dritten Strategie ging es mehr um den klassischen Ansatz des „Nation

Branding“, basierend auf der Annahme, (a) dass Österreich als moderner und relevanter

wahrgenommen werden muss, um den Handel anzukurbeln, und (b) dass es sich das Land

verdient hat, so wahrgenommen zu werden. Diese Strategie wäre daher ein umfassendes

mittelfristiges Programm von Initiativen, die dazu dienen sollten, Österreich als ein modernes,

relevantes, weltoffenes und technisch fortgeschrittenes Land zu positionieren.

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Reaktionen auf die Strategievorschläge

Strategie Nr. 1: Die Gruppen waren sich einig, dass dieses Konzept mehr Vision denn Strategie

darstellt. Es wurde beschlossen, es als ultimative Vision für den Daseinszweck Österreichs in

der Welt in Reserve zu halten: mehr „Reiserichtung“ denn spezielles Ziel.

Strategie Nr. 2: Die Idee von Österreich als „Brückenbauer“ wurde sowohl in der Freitags- als

auch in der Samstagsgruppe einstimmig unterstützt. Sie wurde als glaubwürdig, vertretbar und

motivierend empfunden – und auch als ausreichend breit gefasst, dass sie keine wichtigen

Bereiche der Industrie, Wirtschaft oder Gesellschaft marginalisiert oder ausschließt.

Ein Mitglied der Freitagsgruppe wies darauf hin, dass Österreich nicht das einzige Land ist, dass

eine derartige Positionierung beanspruchen kann, doch meiner Meinung nach ist diese ewige

Frage einer „unique selling proposition“, eines Alleinstellungsmerkmales, nur im

kommerziellen Bereich relevant, wo die Gefahr besteht, dass ein Produkt mit einem anderen,

in seiner Funktion ähnlichen Produkt verwechselt werden kann. In der Praxis ist es unmöglich,

dass sehr viele Leute ein Land tatsächlich mit einem anderen verwechseln, weil die Länder nun

einmal offensichtlich unterschiedlich sind. Was bei Ländern zählt, ist die Richtung, in die sie

sich bewegen wollen und wie wirksam und sichtbar sie sich dorthin bewegen.

Ein anderer Teilnehmer merkte seine Erleichterung darüber an, dass die Strategie „beruhigend

vertraut“ sei und für die österreichische Kultur sowie gegenwärtige Situation und Aktivitäten

nicht zu ehrgeizig oder fremdartig sei. Das ist voll beabsichtigt. Tatsache ist, dass die Idee von

Österreich als „Brückenbauer“ schon in der Vergangenheit in verschiedenen Bereichen

diskutiert wurde, was mich ganz außerordentlich beruhigt hat. Bei der Kunst einer nationalen

Strategie geht es vielmehr darum, „zu erkennen, wer wir sind“ als „festzulegen, wer wir sind“.

Auch hier ist es im kommerziellen Bereich möglich und wünschenswert, eine überraschende,

innovative und originelle Strategie zu entwickeln, um einem Unternehmen eine einzigartige

und ausgeprägte Positionierung auf dem Markt zu verleihen: Unternehmen schaffen das

gelegentlich, weil sie relativ klein und relativ undemokratisch sind. Länder können das nicht,

weil sie weder ihre Richtung noch ihre Natur ändern können, außer über viele Generationen

hinweg, wobei das fast nie die Folge einer vorsätzlichen Politik oder Entscheidung ist.

Es wurde diskutiert, auf welche geografischen Gebiete ein derartiger Brückenbau konzentriert

werden könnte, und man war sich einig, dass der logische erste Brennpunkt die unmittelbar

benachbarten Länder in Südosteuropa sei, wo Österreich Erfahrung, Glaubwürdigkeit,

Bekanntheit und eine lange Erfolgsgeschichte aufweist.

Diese Region bietet nach wie vor ein enormes Potenzial und es ist noch viel herauszuholen,

besonders in jenen Ländern, die längerfristig eine Mitgliedschaft bei der EU anstreben (wie z.B.

Serbien), aber auch in jenen, die bereits beigetreten sind, aber noch einen langen

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Entwicklungsweg vor sich haben (wie z.B. Rumänien). Man war der Meinung, dass diese

Strategie dem österreichischen Staat eine Chance bietet, in der Region SO-Europa gegenüber

der österreichischen Privatwirtschaft „aufzuholen“, da ein Großteil dessen, was Österreich

bisher hier geleistet hat, auf die Privatwirtschaft zurückzuführen ist: Der aus dem Projekt

Competitive Identity entstehende neue strategische Fokus sollte es Österreich ermöglichen, in

der Region auf einer besser koordinierten, sektorenübergreifenden und öffentlich-privaten

Basis zu agieren und damit bessere, deutlichere und dauerhaftere Resultate zu erzielen. Dieser

Ansatz enthält natürlich ein wesentliches Element des Eigeninteresses: Wenn Österreich sich

ausreichend anstrengt, dann könnte es die riesigen Investitionschancen in diesen Märkten

vorrangig bedienen.

Das Brückenbaukonzept hat natürlich auch eine kulturelle Dimension – und hier gibt es

großartige Chancen, beispielsweise in der muslimischen Welt, in der Aussöhnung zwischen

Orthodoxie und Katholizismus und in zahlreichen weiteren Bereichen, wo es an Toleranz,

gegenseitigem Verständnis und wirksamer Kommunikation mangelt.

Es ist wichtig, diese Strategie nicht eng zu interpretieren als „Hilfe für Schwellenländer, damit

sie der EU beitreten“, weil das Potenzial einer derartigen Aufgabe sich langsam immer mehr

verringern würde, weil Umwälzungen innerhalb der EU es leicht zu Fall bringen könnten (eine

Möglichkeit, die angesichts des momentanen unsicheren Umfeldes nicht ausgeschlossen

werden kann) und weil es österreichische Organisationen und Menschen, deren Interessen in

anderen Teilen der Welt liegen, ausschließen würde. Der „Brückenbauer“ sollte als eine

praktisch unbegrenzte, globale Mission für Österreich angelegt werden.

Der Faktor Nachhaltigkeit ist offensichtlich von kritischer Bedeutung: wenn Österreich nur den

Schwellenländern dabei hilft, das Konsum- und Umweltverschmutzungsniveau der momentan

entwickelten Welt zu erreichen, dann tut es damit weder der Menschheit noch dem Planeten

einen Gefallen. Aus diesem Grund muss die Strategie ein sehr betontes Element eines

Führungsanspruches in Sachen Nachhaltigkeit enthalten und imstande sein, einen eigenen

charakteristischen wirtschaftlichen Ansatz zur Entwicklung voranzutreiben, sowohl in Bezug

auf Nachhaltigkeit als auch bei der Auslandshilfe.

Ich habe einige Vergleiche und Bewertungen verschiedener Trends und Best-Practice-Beispiele

in der Theorie der nachhaltigen Ökonomie durchgeführt und bin zu dem Schluss gekommen,

dass das Konzept des globalen Fußabdrucks ideal geeignet ist, dass Österreich es unterstützen,

übernehmen und fördern kann, sowohl in seiner eigenen Wirtschaftsplanung als auch als Teil

des Entwicklungs-„Paketes“, das es den Entwicklungsländern im Rahmen des „Brückenbau“-

Ansatzes anbieten kann. Diese Idee wurde als eine der symbolischen Aktionen, die später in

diesem Bericht erläutert werden, weiter entwickelt.

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Strategie Nr. 3: Diese Strategie wurde von der Samstagsgruppe mit der Begründung

verworfen, dass sie als nicht ausreichend visionär oder interessant gesehen wurde, sie keine

klare „Orientierungshilfe“ für das Land böte, weder vom Staat noch von der Gesellschaft

unterstützt und gefördert würde und damit diese seltene Chance einer kompletten

Repositionierung des Landes vertan würde.

Dennoch war man der Meinung, dass einige der im Abriss zu dieser Strategie beschriebenen

Umsetzungsmethoden „zu gut sind, um verschwendet zu werden“ und in der Endphase des

Projektes der Competitive Identity als mögliche Instrumente zur Umsetzung der gewählten

Strategie wieder aufgegriffen werden sollten. Dazu gehören folgende:

1. Verstärkte und harmonisierte Kommunikation im Geschäfts- und Freizeittourismus,

Export- und Handelsförderung, öffentliche Diplomatie, Großereignisse usw., basierend

auf einer Reihe von sektorspezifischen Themen.

2. Gut sichtbare Partnerschaften mit anderen Ländern und Städten, die bereits die

gewünschten Attribute aufweisen.

3. Gezielte Forschung und Entwicklung in ausgewählten Bereichen.

4. Neugestaltung der gesamten externen Kommunikation angepasst an die Strategie und

auf allen öffentlichen Plattformen.

5. Exemplarische Präsentation von führenden Persönlichkeiten in den jeweiligen

Bereichen, Unterstützung von Siegertypen, Ermutigung von Leitfiguren im In- und

Ausland.

6. Förderung von bedeutenden Auszeichnungen für wegbereitende F&E in geeigneten

Bereichen.

7. Abhaltung von entsprechenden internationalen Veranstaltungen.

8. Festlegung einer echten globalen Herausforderung und Bereitstellung von

ausreichenden Ressourcen, damit sie allgemein als ausdrücklich „österreichisch“

angesehen wird.

9. Bildungsförderung in Schulen in wichtigen Wachstumsmärkten, wobei die

Brückenbauaktivität des Landes und seiner Industrien und Hochschulen betont wird.

10. Großflächige Investitionen in eine Diplomatie der Wissenschaften.

11. Strategie der Großereignisse, mit Fokus auf geeigneten Industrien und Bereiche.

12. Schaffung oder Bereitstellung einer Stelle, die imstande ist, unmittelbare

Zukunftschancen zu erkennen, bevor sie in den Mainstream übergehen oder von allen

ergriffen werden. Propagierung als Finanzierer und Förderer in diesen Bereichen.

Ergreifen von moralisch einwandfreien Chancen in diesen Bereichen und Schaffung

von globalen Drehscheibeninfrastrukturen und -Institutionen in Österreich.

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Strategie, Substanz und symbolische Aktionen

Wir erinnern uns, dass die Methodik der kompetitiven Identität das Konzept von Strategie,

Substanz und symbolischen Aktionen verfolgt, um auf dramatische Weise darauf hinzuweisen,

dass das Land ein besseres Profil verdient, als es gegenwärtig aufweist.

Anstatt den Medien eine Reihe von Botschaften oder Argumenten zu vermitteln, dass

Österreich ein besserer und relevanterer Ort ist, als die Menschen glauben – ein Ansatz, der

meiner Meinung nach mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit ignoriert oder zurückgewiesen würde

–, geht es uns darum, einen kontinuierlichen Strom von inhärent bemerkenswerten Projekten,

politischen Maßnahmen, Produkten und Menschen, die allesamt Neuigkeitswert aufweisen, zu

entwickeln und vorzustellen, die zusammen die Relevanz Österreichs beweisen und auf die

Menschen in Europa und weltweit Eindruck machen.

Symbolische Aktionen entstehen auf zweierlei Art und Weise: Man kann sie von Grund auf

schaffen oder sie aus bestehenden Projekten herleiten. Sie von Grund auf zu schaffen ist

zumindest vom Prinzip her ein geradliniger schöpferischer Prozess, der von kompetenten und

erfahrenen professionellen Kreativen ausgeführt werden muss. Dabei werden Ideen auf der

Basis der Kernstrategie entwickelt, die dann den entsprechenden Regierungsbehörden,

Ministerien, Unternehmen, Gesellschaften, Wohlfahrtsorganisationen oder sonstigen Stellen

zur Ausarbeitung und Durchführung zugewiesen werden.

Der Umwandlungsprozess umfasst dagegen die Identifizierung von geeigneten Projekten, die

bereits im staatlichen oder privaten Sektor geplant sind und ihre Umwandlung in symbolische

Aktionen (was ich als „ihnen einen Dreh verpassen“ bezeichne).

Das BMWFJ-Sekretariat arbeitete mit allen Beteiligten daran, Projekte, politische Maßnahmen,

Produkte und Menschen mit tatsächlicher oder potenzieller symbolischer Macht aus so vielen

Bereichen wie möglich zu identifizieren. Dies wurde auf eine bemerkenswert effiziente und

produktive Art und Weise durchgeführt, und das Sekretariat lieferte innerhalb kürzester Zeit

volle 77 geeignete Projekte – meiner Erfahrung nach eindeutig ein Rekord.

Anschließend führte ich zwei Kreativsitzungen in Wien unter Teilnahme von Kreativen aus

österreichischen Werbe- und Kommunikationsagenturen, etliche Workshops mit

Mitwirkenden der Freitagsgruppe und schließlich noch einige kreative Sitzungen in

Großbritannien durch, mit dem Ziel, eine Auswahl dieser Projekte in symbolische Aktionen

umzuwandeln.

Die von mir für die Umwandlung gewählten Projekte waren jene, die sich am besten für eine

verstärkte Kreativität eigneten und das Potenzial hatten, den deutlichsten Nachweis zu liefern,

dass Österreich es verdient, weltweit ein besseres Profil zu genießen. Das bedeutet natürlich

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nicht, dass die nicht aufgenommenen Projekte etwa weniger gut, weniger interessant oder

sogar weniger passend für die Brückenbaustrategie waren – fast alle von ihnen können, sofern

sie gut umgesetzt würden, dazu beitragen, die internationale Profilierung Österreichs zu

verstärken.

Welche Behandlung die gewählten Projekte benötigten, war jeweils unterschiedlich. In

manchen Fällen war der symbolische Aspekt des Projektes bereits vorhanden und erforderte

lediglich eine fantasie- und wirkungsvolle Förderung oder Kommunikation; in anderen Fällen

wies das Projekt keine dramatischen oder kommunikativen Komponenten auf, war aber

dennoch Weltklasse, was Bedeutung und Qualität anbelangen. In diesen Fällen ersann ich

einfach eine symbolische „Frontseite“, mit deren Hilfe es die Fantasie der Medien und der

öffentlichen Meinung anregen kann. In wieder anderen Fällen wurden die wirkungsvollsten

symbolischen Effekte durch die Verknüpfung, gegenseitige Befruchtung und sogar Zerlegung

und Wiederzusammensetzung von verschiedenen Projekten aus unterschiedlichen Bereichen

erzielt.

Es ist wohl selbstverständlich, dass der Prozess, ein neues Image für Österreich zu erzielen,

nicht endet, wenn meine beratende Tätigkeit beendet ist: Tatsächlich beginnt er erst, wenn

unser Prozess endet, wenn wir in der Lage sind, die Systeme und Strukturen für die Umsetzung

dieser symbolischen Aktionen aufzubauen und einen regelmäßigen Nachschub für künftige zu

sichern. Das Design für diese Systeme und Strukturen werden im letzten Abschnitt dieses

Berichts besprochen.

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TEIL DREI: SYMBOLISCHE AKTIONEN

Die symbolischen Aktionen

Es werden vier deutlich voneinander unterscheidbare Gruppen von symbolischen Aktionen

betrachtet, die jeweils ihre spezifische Funktion aufweisen. Die größte Kategorie ist natürlich

Reine Brückenbauer-Aktionen, die alle tief im multilateralistischen, kosmopolitischen Geist

der Brückenbauerstrategie verwurzelt sind. Sieben weitere Ideen sind als

Kommunikationsträger vorgesehen, die Österreich mehr Brückenbauaktivitäten und -

meldungen auf der ganzen Welt ermöglichen; zwei sind strategische

Unterstützungstechniken, die der österreichischen Regierung helfen sollen, die Strategie

effektiver umzusetzen. Die drei letzten symbolischen Aktionen sollen die Unterstrategie für

klassische Musik unterstützen.

Indem ich symbolische Aktionen einbeziehe, welche die Idee der klassischen Musik verstärken,

beziehe ich mich auf eine meiner zentralen Empfehlungen des strategischen Prozesses. Um

meine vorhergehende Bemerkung zu zitieren:

„Etliche Teilnehmer in den Gruppen beklagten sich, dass das Image Österreichs eine

ungesunde Schlagseite zugunsten des Mozart-/Strauß-Erbes aufweist, aber ich bin der

Meinung, dass Österreich in Wahrheit sogar noch sehr weit davon entfernt ist, den vollen

Nutzen seines kulturellen Erbes zu ernten. Es wäre schön, wenn wir bloß dieses Problem

hätten, aber das entspricht ganz und gar nicht der Realität.“

In Wahrheit hat Österreich die Idee der klassischen Musik durchaus nicht zur Gänze

„gepachtet“ und muss daran arbeiten, diesen Ruf zu erwerben und zu behalten. Ich empfehle

daher, einen kleinen Teil (vielleicht ein Zehntel, wie es diese Liste illustriert) der symbolischen

Aktionen darauf abzustellen, Österreich speziell als globale Hauptstadt der klassischen Musik

bewerben, anstatt sich auf die „Brückenbauer“-Strategie zu konzentrieren (oder vorzugsweise

beides zusammen).

Reine Brückenbauer-Aktionen

1. Amadeus Music Academy (ABA-Invest in Austria; Hexagonpunkt: Investment &

Immigration)

Diese Musikakademie ist ein gutes Beispiel dafür, wie ein kommerzielles Projekt zu einer

symbolischen Aktion weiterentwickelt werden kann. Bei dem ursprünglichen Projekt handelt

es sich um eine privatwirtschaftliche Initiative eines ausländischen Investors in Österreich, die

aber mit ein paar kleinen „Drehs“ eine nützliche Rolle bei der Verbreitung und Stärkung der

kompetitiven Identität Österreichs übernehmen und dabei gleichzeitig den Investor

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unterstützen kann, indem sie das Projekt „medienfreundlicher“ macht und sich selbst

vermarktet und damit ein viel stärkeres Profil erzielt, als für das ursprüngliche Projekt zu

erwarten gewesen wäre. Dieses Beispiel zeigt auch bestens, wie eine Agentur wie die Austria

Business Agency einen echten Mehrwert für ihre Klienten erzielen kann, indem sie einfach mit

Kreativität punktet.

Die grundlegende Idee bei dieser symbolischen Aktion besteht darin, der Amadeus Music

Academy einen augenfälligeren, medienfreundlicheren und dramatischeren Nutzen zu

verschaffen, der über die simple Tatsache, dass sich die Schule in Wien befindet, hinaus geht.

Schließlich erlangen junge MusikerInnen in Ostasien häufig ein Niveau an technischer

Exzellenz, das sich absolut mit dem in Europa erreichbaren messen kann, also müssen

zusätzliche Anreize und Argumente angeboten werden. Was können talentierte junge

MusikerInnen aus Asien in Wien lernen, das sie nicht auch daheim lernen können?

Die naheliegende Antwort ist, dass man die europäische Musik ohne ein tiefes Verständnis der

europäischen Kultur und Geschichte nicht richtig interpretieren kann: Aus dem kulturellen

Zusammenhang gerissen wird die klassische Musik einfach nur zur technischem Fertigkeit.

Ohne die Qualitäten der Interpretation, Tiefe, Intelligenz, des Geschmackes, der Kultiviertheit

und ohne einen festen kulturellen Bezugsrahmen können auch die talentiertesten

MusikerInnen in der professionellen Musikwelt nicht sehr weit kommen. Was die Amadeus-

Akademie daher anbieten muss, ist ein Unterricht in europäischer Musik in einem

europäischen Kontext. Und welcher Ort wäre dazu besser geeignet als Wien?

Der Lehrplan muss also auf Ausgewogenheit zwischen musikalischer Arbeit und kulturellem

Hintergrund abzielen. Das könnte diverseste ungewöhnliche und medienfreundliche

Innovationen umfassen, darunter auch folgende Vorschläge:

- Die StudentInnen lernen, die Emotionen zu fühlen, die zu einem großen Musikerlebnis

führen. Wöchentliche Seminare über romantische Liebe, religiöse Ehrfurcht,

Existenzzweifel, Armut und Einsamkeit, politische Unterdrückung – all das könnte in

einem experimentierfreudigen, nichtakademischen Stil vermittelt werden.

- Die StudentInnen lernen, wie es sich im 18. oder 19. Jahrhundert lebte: Ein „totales

Eintauchen“, bei dem sie einen Tag lang in der Kleidung der Zeit und ohne die

Annehmlichkeiten der Moderne leben müssen, wäre beispielsweise eine

unvergessliche Erfahrung.

- Ein Brückenschlag zwischen Tradition und Moderne, wo die Studierenden auf die harte

Tour erfahren müssen, was es heißt, öffentlich zu spielen. Man könnte eine

Partnerschaft mit dem Frequency Festival einrichten, wo die Amadeus-StudentInnen

20 Minuten lang spielen müssen (eine derartige Erfahrung würde zweifelsohne sowohl

dem Frequency-Publikum als auch den StudentInnen gut tun).

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- Es wäre ebenso originell wie nützlich, beispielsweise einen prominenten

amerikanischen Rapper als Gastprofessor zu engagieren – er hätte asiatischen

Studierenden der klassischen Musik viel zu sagen und das Erlebnis wäre für beide

Seiten bereichernd.

- Die Studierenden können auch einen Tag pro Monat als Straßenmusiker am Flughafen

arbeiten, als Teil der „Flash Mops“, wie sie weiter unten in der symbolischen Aktion

Vienna Airport Refresh beschrieben werden.

2. „Kongress der Megastädte“ basierend auf nachhaltigen und aufstrebenden Städten in

Lateinamerika und der Karibik (Finanzministerium / Inter-American Development Bank;

Hexagonpunkt: Investment & Immigration)

Diese einfache Idee bietet Österreich und Wien die Möglichkeit, eine international führende

Rolle bei einem kritischen Thema zu übernehmen, dem es momentan an einem zentralen

Fokus wie auch einer klaren Quelle globaler Führerschaft mangelt: die Zukunft der

Megastädte.

Es ist allgemein bekannt, dass mehr als die Hälfte der Menschheit heute in Städten wohnt und

dass Megastädte eine wichtige Dimension für die Zukunft der Menschheit darstellen. Aber sie

sind auch äußerst problematisch – aus den verschiedensten Gründen – und Wien könnte eine

führende Rolle bei der Lenkung eines konstruktiven Denkens in diesem Bereich übernehmen.

Österreich könnte dieses riesige Problem auf einzigartige Weise angehen, indem es im Kleinen

beginnt und die ältesten und kleinsten Dörfer aufsucht, um Lösungen für die größten und

neuesten Herausforderungen zu finden. Einen globalen Kongress der Megastädte in Seoul oder

Tokio oder New York stattfinden zu lassen, wäre naheliegend; ihn in einer mittelgroßen Stadt

wie Wien abzuhalten, könnte dagegen irrelevant oder ungeeignet scheinen, ihn aber als Folge

von hochkarätigen Seminaren in mehreren winzigen Alpendörfern im ländlichen Österreich

durchzuführen, wäre viel überraschender und auch reizvoller.

Der Reiz der „winzigen Weisheit“ und die Suche nach kleinen Lösungen für große Probleme

scheinen außerordentlich geeignet für die Brückenbaufunktion Österreichs.

3. Adomi-Brücke (Ministerium für europäische und internationale Angelegenheiten;

Hexagonpunkt: Regierungswesen)

Entwicklungshilfe ist tot – wie es der Bestsellerautor Dambisa Moyo aus Zambia formuliert. In

den letzten zehn Jahren wurde – von mir wie auch von anderen – viel über das Versagen der

traditionellen Entwicklungshilfe geschrieben: Sie schwächt die Regierungsgewalt, würgt den

lokalen Unternehmergeist ab, stimuliert Korruption und schafft eine Kultur der Abhängigkeit,

ohne auch nur einen Schritt in Richtung einer Verringerung der Kluft zwischen Reich und Arm

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zu setzen. Wie ich selbst in meinen eigenen Schriften häufig angeführt habe, schädigt die

Entwicklungshilfe auch die wirtschaftlichen Aussichten der Empfängerländer auf Generationen

hinaus auf das Gröblichste, indem sie sie als hoffnungslose Fälle darstellt. China und die

anderen kommenden Giganten beginnen auf der Suche nach Rohstoffen die traditionellen

Geber zu verdrängen, indem sie riesige, aber häufig moralisch untragbare Investitionen in

armen Ländern tätigen.

Es ist Zeit, dass sich etwas ändert, aber niemand scheint bereit, das alte System aufzugeben,

obwohl es ganz eindeutig nicht zweckdienlich ist. Österreich sollte das erste Land sein, welches

auf das konventionelle Spendenwesen verzichtet (außer bei Katastrophen, wo die Hilfe

natürlich zweckgebunden sein muss). Es sollte seine Auslandshilfeprogramme zur Gänze durch

ein neues, als „Chain Aid“ bezeichnetes Modell ersetzen.

Inspiriert vom Projekt der Adomi-Brücke, das Österreich in Ghana durchführt, nimmt sich diese

symbolische Aktion ein konventionelles Hilfsprojekt vor und entwickelt daraus ein komplett

neues Modell einer Übersee-Entwicklungshilfe. Dies öffnet die Tür zu einer neuen führenden

Position für Österreich und endlose Möglichkeiten für einen Brückenbau – sowohl wörtlich wie

auch bildlich – in der ganzen Welt.

Die Idee der „Kettenhilfe“ basiert auf einer neuen Form der Konditionalität. Österreich hilft

Ländern wie Ghana bei ihren Entwicklungsprojekten, jedoch nur unter der Bedingung, dass alle

Fertigkeiten, Techniken und Erfahrungen, die Ghana während des Projektes erwirbt, später an

andere weitergegeben werden müssen, und zwar in der Form einer weiteren Übersee-

Entwicklungshilfe. Auf diese Weise erwerben unsere ghanesischen Partner durch das Projekt

der Adomi-Brücke zunächst einmal viel Wissen und Erfahrung mit Management, Finanzierung

und Durchführung von großen Bauprojekten, und wir verlangen dann von ihnen, auf diesen

Erfahrungen aufzubauen und letztendlich selbst zu Spendern zu werden und den Nutzen dieser

Erfahrungen anderen Ländern, in denen ähnliche Projekte notwendig sind, zugutekommen zu

lassen.

Natürlich erwarten wir nicht, dass die Ghanesen nach nur einem solchen Projekt derartige

Hilfsprojekte selbst übernehmen können, sondern wir rechnen damit, dass sie dann ihre

österreichischen Kollegen sowie eine externe Finanzierung mitbringen. Aber im Laufe der Zeit

werden sie ausreichend Selbstvertrauen und Fachwissen ansammeln, um selbst zu Spendern

zu werden. Vielleicht wollen dann die Österreicher sogar in das ghanesische Team investieren

und eine langfristige Beteiligung an deren Erfolg übernehmen.

Es gibt keinen Grund, warum die „Kette der Hilfe“ auf die Entwicklungswelt beschränkt bleiben

sollte: Irgendwann einmal möchte ich erleben, dass die ghanesische Regierung ihre

Fertigkeiten und Kenntnisse im Brückenbau einer kanadischen Provinz oder einer japanischen

Präfektur anbietet – und natürlich kann dieser Export von Fertigkeiten eines Tages zu einer

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wertvollen Einnahmequelle für Ghana werden und vielleicht sogar eine Rendite für die

ursprüngliche österreichische Investition bringen.

Eine Begleiterscheinung der Kettenhilfe ist, dass sie verspricht, das fragmentarische und

unlogische Wesen traditioneller Entwicklungshilfeprojekte abzustellen, indem sie Ketten

ausbildet, die sich über die ganze Welt erstrecken.

Das gebetsmühlenartige Mantra der Entwicklungshilfe lautet: „Gib einem Menschen einen

Fisch und du gibst ihm Essen für einen Tag. Lehre ihn zu fischen und du gibst ihm Essen für sein

ganzes Leben.“ Die Kettenhilfe fügt dieser abgegriffenen Formel ein neues Element hinzu:

„Lehre ihn andere zu lehren und du kannst vielleicht die Armut abschaffen.“

4. FMA-Universitätslehrgang für Finanzmarktaufsicht / FMA-Aufsichtskonferenz

(Österreichische Finanzmarktaufsicht (FMA) und Oesterreichische Nationalbank (OeNB);

Hexagonpunkt: Investment & Immigration)

Die hervorragende und zeitgerechte Arbeit der FMA und OeNB würde sehr von einem

stärkeren Profil profitieren, da sie sich direkt mit einem der größten Probleme der heutigen

Gesellschaft befasst: unkontrollierbare Marktkräfte. Die Schwierigkeit bei dieser Art von

Aktivität liegt natürlich darin, dass sie komplex und fachspezifisch ist und im Allgemeinen kein

Massenpublikum anspricht. Es geht also darum, diese Fragen den normalen Menschen

nahezubringen und ihnen zu zeigen, dass Österreich eine wichtige Rolle dabei übernimmt, in

der Welt nach dem Rechten zu schauen.

Ein auffallendes und unerwartetes Projekt wäre es, dieses Thema den österreichischen

Schulkindern schon sehr früh nahezubringen. Tatsache ist, dass das momentane Versagen des

Washingtoner Konsenses teilweise kulturelle Ursachen hat, weshalb die Wurzeln dieses Übels

am besten damit angegangen werden, dass man die Grundwerte und Grundprinzipien der

Gesellschaft schon in der Volksschule vermittelt. Einen Lehrgang über finanzielle Vorsicht, der

für 5- bis 6-Jährige geeignet ist, zu beauftragen, wäre ein faszinierendes Projekt für die

FMA/OeNB und würde ihnen für ihr Grundgeschäft ein gutes Profil verleihen.

Noch mehr Aufsehen würde es erregen, wenn die FMA die flagrantesten Beispiele eines

weltweit grassierenden Kapitalismus aufgreifen und verurteilen würde: Man könnte einen

jährlichen „Gordon-Gecko-Preis“ (benannt nach dem kaltschnäuzigen Finanzmann, der von

Michael Douglas so einprägsam in dem Film „Wall Street“ gespielt wurde) dem gierigsten

Kapitalisten des Jahres verleihen und dem Gewinner und den Nachgereihten kostenlose Kurse

für Finanzmarktaufsicht anbieten.

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5. Bewahrung und Erhaltung des einzigartigen historischen architektonischen

Nationalerbes im Staatsbesitz (Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend;

Hexagonpunkt: Kultur)

Das Ministerium könnte eine neue Methode einer „Gebäudepartnerschaft“ einführen, mit der

seine Bemühungen um das österreichische Kulturerbe enger an die Entwicklungshilfe und

damit letztlich an den „Brückenbau“ gekoppelt werden.

Bei dieser Idee wird jedes wichtige Gebäude mit einem Gebäude in einem Entwicklungsland

verpartnert, und die beiden arbeiten eng zusammen, um ihr Erbe nachhaltig zu bewahren. Die

Partnergebäude könnten nach den Kriterien einer gemeinsamen Geschichte, einer ähnlichen

öffentlichen Funktion, eines ähnlichen Architekturstils, nach speziellen

Konservierungsproblemen aufgrund der Ähnlichkeit in ihrer Konstruktion, ihren Materialien

oder ihrem Standort ausgewählt werden – oder einfach, weil sie im selben Jahr errichtet

wurden. So könnte beispielsweise Schönbrunn mit Raniji ki Baori, einem bedeutenden

Stufenbrunnen in Rajasthan, verpartnert werden, weil beide im Jahre 1699 erbaut wurden. Der

Stephansdom und die Majursi-Halle im Tempel von Foguang in der Provinz Xhanxi wurden

beide im Jahre 1137 fertiggestellt. Man könnte sich sogar den Spaß machen, Gebäude nach

ihrem Anfangsbuchstaben auszusuchen: Das Technische Museum und das Taj Mahal würden

ein angenehm zufälliges Paar abgeben, das ansonsten keinerlei Gemeinsamkeiten hat, sich

aber gegenseitig auf innovative und unvorhersehbare Weise unterstützen könnte.

Die letztliche Wahl aus einer Liste von Partnerkandidaten könnte durch die Besucher erfolgen

(das kann einfach organisiert werden, indem jeder Besucher eine Wahlmarke erhält, die er

dann in einen entsprechenden Schlitz wirft).

Sobald eine Verpartnerung erfolgt ist, kann ein Audiovideo-Boden am Eingang der jeweiligen

Gebäude installiert und mit einer Live-Leitung verbunden werden, sodass die Besucher

einander sehen können, auch wenn sie tausende Kilometer voneinander entfernt sind. Sie

können sich dann zuwinken und sogar ein transkontinentales Gespräch von einem Gebäude

zum anderen führen.

Immer wenn Restaurierungsarbeiten bei einem verpartnerten Projekt durchgeführt werden,

wird ein Bauzaun aufgeführt, welcher die Fassade wie üblich schützt (ein Netz zur Umhüllung

mit einem Bild des Gebäudes im Maßstab 1:1), wobei aber nicht bloß ein gedrucktes Bild

einfach nur das echte Gebäude darunter zeigt, sondern die Hülle je zur Hälfte dieses Gebäude

und die Fassade des Partnergebäudes darstellt.

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6. Wiener internationale christlich-islamische Sommeruniversität (Universität Wien;

Hexagonpunkt: Regierungswesen/Menschen/Kultur)

Diese ausgezeichnete Initiative trifft genau den Brennpunkt eines jener Themen, welche den

Menschen weltweit am Herzen liegen und die mit etwas kreativer Förderung schnell zu einem

guten Beispiel für den kulturellen Brückenbau auf österreichische Art werden können.

Wenn auch das Thema und der Ansatz dieser Veranstaltung zu loben sind, so wird sie wohl nur

wenig Nutzen für die Reputation Wiens oder Österreichs bringen, da das Projekt vorwiegend

akademischer Natur ist und breitere Schichten weltweit kaum anspricht. Das ist schade, da sich

dieses Thema auf Milliarden von Menschen auf der ganzen Welt auswirkt, von denen viele

eine Möglichkeit der Teilhabe an ihren Erkenntnissen und Schlussfolgerungen wirklich zu

schätzen wüssten.

Das Problem liegt teilweise darin, dass das Programm nur wenige Anreize zu bieten scheint, zu

konkreten Schlussfolgerungen zu kommen. Soferne die Teilnehmer nicht auf ein konkretes –

und idealerweise nach außen gerichtetes – Resultat hinarbeiten, besteht die große

Wahrscheinlichkeit, dass die Veranstaltung lediglich eine Diskussion produziert und sonst

nichts.

Um diese Dynamik zu ändern, sollten die Gespräche der Gruppe mit einer öffentlichen

Darstellung ihrer Ergebnisse enden. Zwecks Erarbeitung eines Drehbuches für die

Veranstaltung würden zahlreiche Dichter, Redenschreiber, Slam-Poeten, Rapper, Komponisten

und Stückeschreiber gegen Ende der Diskussionen dazustoßen und mit den Teilnehmern

zusammen Bühnenversionen für deren beste Ergebnisse, Provokationen, Ideen und Projekte

herstellen. Diese Outputs würden dann als gemischtes Programm von Wort und Musik

aufgeführt werden (vom österreichischen Brückenbauorchester der Universität Graz – einem

weiteren der ursprünglichen Liste von 77 Projekten).

Zusätzlich zu den anderen, offenkundigeren Nutzen dieses Ansatzes würde das dazu beitragen,

ein wichtiges Konzept im Zentrum der langfristigen österreichischen Strategie einer

kompetitiven Identität zu beweisen – nämlich, dass die Musik im Mittelpunkt des öffentlichen

Lebens steht, und dass sie eine Funktion innehat und nicht bloß unterhält.

Die Gruppe würde sodann mit diesem Auftritt zu Großereignissen in der ganzen Welt fahren.

So könnte beispielsweise eine Kurzversion bei der UN-Vollversammlung in New York

aufgeführt werden. Die Performance würde natürlich auch kostenlos online, auf DVD usw.

erhältlich sein. Man könnte einen entsprechenden Bausatz zur Verfügung stellen, sodass

andere Gruppen das Muster wiederholen und daraus ihre eigenen unterschiedlichen

Ergebnisse produzieren können.

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Sowohl die Gespräche als auch die abschließende öffentliche Vorstellung würden mit anderen

Zentren weltweit zusammengeschaltet werden, wodurch eine vernetzte globale Resonanz für

die Veranstaltung entstünde.

Der Zweck des kombinierten Events besteht natürlich nicht darin, diesen schwierigen

Problemen „Lösungen“ aufzuzwingen, sondern darin, frische und unerwartete Standpunkte,

Inputs, Erkenntnisse und Provokationen in die Debatte einzubringen, sodass andere wirksamer

dazu stimuliert werden können, langfristig echte Lösungen zu entwickeln. Eine Kombination

von Musik und Wort ist das beste Medium, um diese Art von Input zu erzielen, da sie nicht die

intellektuelle Strenge und Finalität einer akademischen Arbeit oder eines

Maßnahmenvorschlages aufweisen muss, aber dennoch die Menschen auf einer tieferen,

geistigen oder emotionalen Ebene betroffen machen muss, die dann so häufig die Inspiration

für neue Lösungen zu alten Problemen liefern kann.

7. Europäisches Forum Alpbach (Europäisches Forum Alpbach; Hexagonpunkt:

Regierungswesen)

Die wichtigste Herausforderung für Europa in diesen Krisenzeiten ist eine vorwiegend interne

Aufgabe: Der Kontinent muss definieren, wofür er in den nächsten 50 Jahren stehen soll, und

den dazu erforderlichen Konsens, die Leidenschaft und den Ehrgeiz entwickeln. Solange dieses

Ziel nicht relevant, glaubhaft und inspirierend auf seine Bewohner in jenen Bereichen, die

ihnen am nächsten liegen, wirkt, solange bleiben Solidarität und Engagement, geschweige

denn demokratische Teilhabe, ein ferner Traum.

Als die Erinnerung an zwei Weltkriege noch allgegenwärtig war, hatte Europa dieses Problem

nicht, da seine Gründungsprinzipien der Sicherstellung eines dauerhaften Friedens und

Wohlstands von größter Relevanz waren. Heute zahlt die EU zum Teil den Preis ihres eigenen

Erfolgs: Sie hat den Frieden (und im Großen und Ganzen auch den Wohlstand) soweit

sichergestellt, dass sie sich vielleicht um ihren eigenen Job – oder zumindest um ihre

Zweckbestimmung – gebracht hat.

Doch meiner Meinung nach ist Europas universale Zweckbestimmung nach wie vor klar zu

sehen – und muss nur benannt, aktualisiert und kristallisiert werden. Europa findet sich

wiederum im Brennpunkt jener Probleme, welche die globale Sicherheit und Stabilität, wenn

nicht sogar die Zukunft der Menschheit gefährden, genauso wie es der 2. Weltkrieg in der

ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts getan hatte.

Wir leben im Zeitalter der „langen Krise“, in dem die Globalisierung eine endlose Reihe von

Schocks und Herausforderungen für das globale System hervorwürgt. Jedes dieser Probleme

ist ein gemeinsames Problem, eines, das keine Grenzen respektiert, das nachweisbar nicht von

einzelnen Personen, Unternehmen, Regierungen oder multilateralen Institutionen alleine

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gelöst werden kann. Tatsache ist, dass alle diese Probleme nur Symptome eines

tieferliegenden Problems sind: nämlich, dass wir noch immer nicht gelernt haben, wie wir als

eine singuläre Spezies auf einem singulären Planeten überleben können.

Europa ist das wohl ehrgeizigste und erfolgreichste Experiment eines umfassenden

Herrschaftswesens, das die Menschheit je unternommen hat – eine Problemmatrix, mit der die

Menschheit heute konfrontiert ist. Es ist daher die Pflicht und das Schicksal Europas, mit dem

Experiment fortzufahren und die Techniken des Multilateralismus zu perfektionieren.

Mein bewusst ehrgeiziger Vorschlag ist es, dass das Forum Alpbach genau dies als seine

Aufgabe übernimmt: alles zu unternehmen, was erforderlich und möglich ist, damit Europa

sich selbst entsprechend dieser Mission neu definieren kann.

Damit hilft Alpbach mit, Österreich als führendes Land in Europa neu zu definieren (eine Rolle,

für die es auf vielleicht einzigartige Weise prädestiniert ist, da es sich in Bezug auf

Glaubwürdigkeit, Wohlstand und Gewandtheit mit den Großmächten messen kann, aber für

die kleineren und ärmeren Mitgliedsstaaten viel akzeptabler ist und sehr viel weniger

politischen Einfluss ausübt).

Es ist dies eine große Aufgabe, und Alpbach muss sich dafür klarerweise mit anderen

österreichischen Institutionen (wie z.B. dem Vienna Economic Forum) zusammenschließen,

vernetzen und kooperieren, um den dazu erforderlichen Einfluss zu gewinnen.

Um sich von der Masse von Denk- und Ideenfabriken, wie sie momentan überall zu finden sind,

abzuheben, genügt es jedoch nicht, eine große Mission zu haben: Man muss viel Denkarbeit

investieren, um ein gänzlich innovatives Format für die Organisation und ihre Arbeit zu

entwickeln. Leider erlaubt der Umfang des Projektes einer kompetitiven Identität nicht ein

solches Maß an detaillierter Produktentwicklung, aber mit den richtigen Teilnehmern in der

Diskussion ist es möglich, notwendig und auf jeden Fall amüsant, eine komplett neue Methode

zu erarbeiten, wie man ein internationales Forum betreiben kann. Alpbach sollte diese

Herausforderung so schnell wie möglich annehmen.

8. Einführung von CoderDojo als staatliche Bildungspolitik (neues Projekt; Hexagonpunkt:

Menschen/Regierungswesen)

CoderDojo1 ist ein viel beachtetes kostenloses Programm, mit dem Kindern ab einem Alter von

7 Jahren Computerprogrammierkenntnisse im Rahmen eines „Klubs“ beigebracht werden und

das in Irland und auch in anderen Ländern achtenswerte Erfolge erzielt hat.

1 Siehe http://www.guardian.co.uk/technology/blog/2012/dec/05/coderdojo-programming-kids

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Ich habe mit Bill Liao, dem Gründer von CoderDojo, gesprochen, den es freuen würde, wenn

Österreich ein nationales Programm entwickelt. Dieses würde dann in das österreichische

„Brückenbaupaket“ für die Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern einfließen. Wenn

Österreich das Programm in einem ausreichend großen Maßstab und mit geeigneten

symbolischen Aktionen im Geiste einer internationalen Führerschaft umsetzt, dann wird es

damit ein beträchtliches internationales Profil erwerben.

9. Österreich führend beim Global Footprint (neues Projekt; Hexagonpunkt:

Regierungswesen)

Das Global Footprint Network2 bemüht sich darum, den ökologischen Fußabdruck als

standardmäßige Maßeinheit für den Umgang mit Ressourcen einzuführen, mit dem Ziel, dass

die Menschheit innerhalb der Grenzen der vorhandenen Ressourcen auf unserem Planeten

lebt. Dieses Instrument vergleicht die Benutzung der Natur durch den Menschen mit ihren

Regenerationsfähigkeiten und zeigt damit beispielsweise den Verbrauch der Menschheit im

Vergleich dazu, wieviel die Biosphäre erneuern kann, oder den Konsum der Bevölkerung eines

Staates im Vergleich zu dem, was die Ökosysteme dieses Landes erzeugen.

Das Footprint-Konzept findet in immer mehr Ländern breite Annahme und wird bereits von

der UNO, der EU und zahlreichen multilateralen Organisationen, NGOs und Regierungen in der

ganzen Welt unterstützt. Es gewinnt immer mehr an Eigendynamik, und ich bin überzeugt,

dass es bald als Standardmaß für die Nachhaltigkeit akzeptiert werden wird.

Etliche Entwicklungsländer setzen bereits den ökologischen Fußabdruck um: So verpflichtete

sich beispielsweise Ecuador in seinem Nationalplan für 2009, seinen ökologischen Fußabdruck

auf jenem Niveau zu halten, an dem seine Ökosysteme ihn erneuern können. Weiters wurde

ein präsidiales Mandat zum Management seiner ökologischen Aktiva verabschiedet, bei dem

physische Anzeigen wie der Fußabdruck für die Beobachtung von Angebot und Nachfrage

eingesetzt werden und auch in die langfristigen Entscheidungsprozesse einfließen.

Ein entwickeltes Land wie Österreich hat jetzt noch die Chance, als erstes den Fußabdruck als

Standardmaß einzuführen und damit zum internationalen Vorreiter für diese Art von

Ressourcengesamtrechnung zu werden. Damit könnte sich Österreich fast unbegrenzte

Möglichkeiten eröffnen, Brücken einer nachhaltigen nationalen Entwicklung mit anderen

Ländern zu bauen und sie dabei zu unterstützen, denselben Maßstab anzulegen und die

gleichen Ziele zu verfolgen.

Im September veranstaltete ich ein zweitägiges Seminar in London zusammen mit Mathis

Wackernagel, dem Präsidenten und Gründer des Global Footprint Network, und seinen

2 Siehe http://www.footprintnetwork.org/en/index.php/GFN/

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Kollegen, bei dem sie ihre Arbeit und ihre Empfehlungen für Österreich präsentieren konnten.

Im Gefolge unserer ausführlichen und umfassenden Diskussionen empfehle ich weitere

Gespräche zwischen der Wackernagel-Organisation und der österreichischen Regierung, da ich

überzeugt bin, dass sich signifikante gegenseitige Vorteile und Chancen für eine besondere

Beziehung zwischen den beiden Seiten entwickeln können.

Wenn Österreich zum globalen Fahnenträger für eine neue Art von Nachhaltigkeitsberechnung

wird, die sich auf den verfügbaren Ressourcen und nicht nur auf Soll und Haben begründet,

dann ist das ein Paradefall eines Brückenbaus und eine wirklich wesentliche Chance für

Österreich, sein weltweites Profil zu verbessern. Es illustriert auf perfekte Weise die Art von

Verhalten, wie ich sie zu Beginn des österreichischen Prozesses für eine kompetitive Identität

beschrieben habe: „Wir wollen, dass die Menschen froh sind, dass es Österreich gibt.“

10. Keine Einkommensteuern für Menschen, die innerhalb ihres globalen Fußabdruckes

leben (neues Projekt; Hexagonpunkt: Regierungswesen)

Dieses Projekt bezieht seine Inspiration von einer meiner liebsten symbolischen Aktionen – der

im Jahr 1969 von der irischen Regierung eingeführten Steuervergünstigung für KünstlerInnen.

Der Erlass der Einkommensteuer für StaatsbürgerInnen, die von weniger als 1,8 globale Hektar

(gha) leben, würde der österreichischen Regierung eine große symbolische Macht im Tausch

für sehr geringe Verluste an Steuereinnahmen bringen: Die meisten Leute, die heute von 1,8

gha leben, sind obdachlos, und es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass reiche Menschen in

kleine Wohnungen umziehen, ihre Autos abstoßen, kein Fleisch mehr essen, keine Flugzeuge

mehr benutzen usw. Dennoch würde diese Maßnahme ein interessantes Signal aussenden, da

im Wesentlichen nur jene Menschen besteuert werden, die auf (ökologische) Kosten anderer

leben.

Wir könnten auch die rechtliche Möglichkeit diskutieren, in Österreich eine Steueroase für

jene Menschen zu schaffen, die innerhalb ihres Fußabdruckes leben wollen – sozusagen eine

„Footprint-Gemeinschaft“ ähnlich wie eine Freihandelszone. Derartige Steueroasen könnten

letztlich auch in anderen Ländern mit österreichischer Unterstützung eingerichtet werden und

dann ein globales Netz ausbilden, das schließlich in allen Ländern zur Norm wird.

11. Luxus in einer Welt der Ressourcenknappheit ist Sicherheit und umgekehrt (neues

Projekt; Hexagonpunkt: Regierungswesen/Menschen)

So wie die meisten Menschen ihr Eigenheim lieber besitzen als mieten, so fühlen sie sich

wohler, wenn ihnen ihre Energie- und Nahrungsmittelversorgung selbst gehört.

Interessanterweise gehört in diesem Zusammenhang das Bürger Solarkraftwerk3, eine

3Siehe www.buergersolarkraftwerk.at

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Solaranlage, an der Einzelpersonen einen Anteil erwerben können, zu den innovativeren

Projekten im heutigen Österreich.

Österreich sollte das erste Land werden, das Menschen, die sich um die Zukunft sorgen, eine

Möglichkeit anbietet, ihr Leben mit ihrem fairen Anteil zu führen und diesen Anteil lebenslang

zu besitzen – lokal erzeugte und kostenlose Lebensmittel und Energie für immer.

12. Eine grüne Revolution durch Gesten (neues Projekt; Hexagonpunkt: Menschen)

Eine winzige Idee mit einem enormen Verbreitungspotenzial: Als Basisbewegung gegen

protzige Autos mit einem übermäßigen CO2-Ausstoß könnten wir eine einfache Geste erfinden

und verbreiten, die jeder Mann und jede Frau problemlos als einen friedlichen Protest

einsetzen kann: Angeregt von einer Sozialmedienkampagne sollten sich alle in Österreich

einfach die Nase zuhalten, wenn ein Geländewagen oder PS-protzendes Sportcabrio

vorbeifährt.

Derartige Gesten können sich bei sorgfältiger Handhabung und mit etwas Glück nicht nur im

ganzen Land, sondern auf der ganzen Welt wie ein Lauffeuer verbreiten.

13. Hotelportiere „Made in Austria“ (neues Projekt; Hexagonpunkt: Exporte)

Die Union Internationale des Concierges d’Hotels mit ihrer charakteristischen Insignie der

gekreuzten Schlüsseln, die fast jeder Concierge weltweit trägt, ist praktisch ein globales

Monopol, das schon seit Jahrzehnten hinterfragt werden sollte. Ein Überdenken wäre

durchaus sinnvoll, weil Reisende Tag für Tag dieses Symbol bei zahllosen Gelegenheiten sehen

und jede Änderung in einem so statischen Umfeld mit ziemlicher Sicherheit bemerkt und

kommentiert wird.

Österreich, das sich auf seine besondere Willkommensethik und auf seine Stärke in der Hotel-

und Gastgewerbeindustrie beruft, ist geradezu dazu berufen, eine konkurrierende oder

ergänzende Organisation auf die Füße zu stellen – vielleicht für Servierpersonal, Hilfskräfte,

Zimmerservice oder Housekeeping-Personal.

14. BILAT-USA (FFG – Forschungsförderungsgesellschaft, Abteilung für europäische und

internationale Programme; Hexagonpunkt: Investment & Immigration)

Dieses ausgezeichnete Projekt wird wahrscheinlich nur für die akademische und

wissenschaftliche Welt von direktem Interesse sein, kann aber durchaus einem breiteren

Publikum vermittelt werden – durch die Verwendung von passenden Bildern und einer

freundlicheren Sprache, die dazu dient, die Fantasie der Normalbürger anzusprechen.

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Die grundlegende Idee dahinter ist, dass als Folge dieser Zusammenarbeit Europa und

Nordamerika zwei Lappen des „earthbrain“ werden: ein planetumspannendes Supergehirn,

das imstande ist, riesige Lösungen für riesige Probleme zu berechnen. Wie das bekannte NASA-

Bild der Erde bei Nacht, das die Lichtanhäufungen der Weltstädte und anderer Brennpunkte

der menschlichen Aktivitäten zeigt, kann „earthbrain“ durch die Leuchtteilchen dargestellt

werden, die sich Tag und Nacht ununterbrochen über die atlantische Hirnrinde bewegen.

15. Alpine Gesundheit und Wellness Neu (neues Projekt; Hexagonpunkt: Tourismus /

Investment & Immigration)

Diese symbolische Aktion begründet sich auf ein wachsendes Verständnis dafür, dass die

jeweils neueste Medizintechnik nur die halbe Miete ist: soziale, menschliche und familiäre

Kontakte, das richtige Umfeld, Nahrung, Kultur, Lebensart und zahlreiche andere „weiche“

Faktoren spielen eine bedeutende Rolle dabei, die Genesung voranzutreiben und sogar die

Wirksamkeit von pharmazeutischen und technischen Interventionen zu erhöhen.

Anders gesagt: Gesundheit ist nicht bloß das Produkt der Wissenschaft. Was ebenso zählt, sind

zwischenmenschliche Bindungen. Österreich hat die Chance, eine in früheren Zeiten als

weltweit führend angesehene Wellness-Erfahrung neu zu erfinden und mit einem neuen

Image zu versehen: die traditionelle alpine Kur mit Bergluft und Heilwasser. Heute werden

solche „weichen Faktoren“ und ihr Wellness-Beitrag nicht mehr sehr stark mit den

europäischen Alpen assoziiert – die Mode ist zu den ostasiatischen Kulturen wie Thailand oder

Indonesien abgedriftet. Doch jetzt besteht die Chance, einem Angebot neues Leben

einzuhauchen, das weniger fremdartig und für westliche PatientInnen beruhigender ist und auf

Menschen aus dem Osten exotischer und stimulierender wirkt.

Österreich kann ein aufregendes und relevantes Gleichgewicht zwischen seinen

wegbereitenden medizinwissenschaftlichen Leistungen von Weltklasseniveau und seinen

Traditionen von Familie, Wärme, Küche, Musik, Nachhaltigkeit, Gastfreundschaft, Heilquellen,

Kuranstalten und Thermalbäder finden. Auch in diesem Bereich sollte Österreich „Brücken

bauen“, damit weitere Optionen auch den benachbarten Ländern zur Verfügung gestellt

werden kann.

Ein solches Angebot könnte in der Form einer verstärkten Plattform für Medizintourismus

gestaltet werden, einschließlich Aufenthalten bei Familien in kleinen Alpen- und

Landgemeinden. Gesundes österreichisches Essen, modernisierte traditionelle Kurprogramme,

gesellschaftliche Aktivitäten, durch welche die PatientInnen sich einer größeren Gruppe

anschließen können, Bewegung und ein komplettes Programm für Familien- und Sozialleben

würden diesen Bereich abrunden.

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16. Treuhandfonds für die Rechtsstaatlichkeit (Ministerium für europäische und

internationale Angelegenheiten; Hexagonpunkt: Regierungswesen)

Österreich ist zwar keine Supermacht mehr, aber eine Stärkung der Herrschaft des Rechts

gehört zu den vorrangigen Belangen seiner Außenpolitik: Es ist ein Bereich, in dem das Land

eine weltweite Reputation und Glaubwürdigkeit genießt. Seit Jahrzehnten wird die

österreichische Außenpolitik von dem Ziel geleitet, ein internationales System der

Rechtsstaatlichkeit zu fördern. Das war auch einer der Hauptgründe dafür, warum es 2008 in

den UN-Sicherheitsrat und 2011 in den UN-Menschenrechtsrat gewählt wurde. Österreich

wirkte an der Einrichtung der Rule of Law Unit bei den Vereinten Nationen, die alle

rechtsstaatlichen Aktivitäten des UN-Systems koordiniert, vorrangig mit. Im Sicherheitsrat half

Österreich, die Rechtsstaatlichkeit durch Sanktionen zu stärken und eine effiziente Nachfolge

für die Tribunale zum früheren Jugoslawien und Ruanda sicherzustellen. Im internationalen

Strafrecht gehört Österreich zu den wichtigsten Unterstützern des Internationalen

Strafgerichtshofes und diverser gemischter Tribunale. Österreichs rechtliches Fachwissen ist

häufig gefragt: in Südsudan bezüglich Fragen der Staatsnachfolge und Staatsbürgerschaft; in

der Karibik bei Fragen des internationalen Vertragsrechtes, Immunitätsrechtes und der

internationalen Menschenrechtsgesetze sowie in zahlreichen anderen Situationen und Fragen.

Österreich wird richtigerweise als „ehrlicher Vermittler“ gesehen, der seine Priorität der

Rechtsstaatlichkeit nicht mit Eigeninteressen oder Hintergedanken verknüpft. Österreich ist

weder ein „global player“ noch eine frühere Kolonialmacht, weder eine Bedrohung noch ein

ressourcenhungriger Wohltäter – einfach nur ein neutrales Land im Herzen Europas mit einer

langen Rechtstradition, das hilft, das Leben für alle besser zu machen.

Österreich könnte einen Treuhandfonds einrichten, mit dem andere internationale Akteure in

diesem Bereich unterstützt und internationale Rechtsexperten ausgesandt werden, wann

immer und wo immer Hilfe benötigt wird. Diese Experten geben ihren fachlichen,

unvoreingenommenen Rat ohne Eigeninteresse, und das wohlgemerkt kostenlos. Ein in

Österreich eingerichtetes Expertenkomitee würde entscheiden, welche Missionen mit

welchem Fachwissen durchgeführt werden. Es würde ein Treuhandfonds eingerichtet und von

der österreichischen Regierung mit einem großzügigen Grundkapital für eine erste

Fünfjahresperiode finanziert werden. Anfragen würden entsprechend ihren Gründen

behandelt werden – mit Betonung auf dem Tempo (wer rasch hilft, hilft doppelt). Damit wird

Österreich seinen internationalen juristischen Ruf und sein Fachwissen noch weiter ausbauen.

Österreich könnte auch ein eigenes internationales Rechtshilfesystem aufbauen, um damit

zahlreiche ausgewählte Entwicklungsländer zu unterstützen, wenn sie in Zukunft seine

juristischen Dienste benötigen: Gegen eine kleine Jahresgebühr steht eine garantierte

Rechtshilfe bei Bedarf sofort zur Verfügung. Die Einnahmen aus diesen Gebühren tragen dazu

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bei, dass der Dienst weltweit angeboten werden kann und dass die Mittel bei einem

signifikanten Anstieg der Nachfrage nicht ausgehen.

Kommunikationsträger

1. The Sound of Music Die Zweite (neues Projekt; Hexagonpunkt: Kultur)

Es wird häufig erwähnt, wenn auch bloß als amüsante Kuriosität am Rande, dass

AmerikanerInnen und viele andere englischsprachige Menschen in der ganzen Welt bei

Österreich hauptsächlich an den Film „The Sound of Music“ aus dem Jahr 1965 nach dem

Musical von Rodgers & Hammerstein denken. Der Film ist in Österreich praktisch unbekannt,

auch wenn er „Vom Winde verweht“ als meistgesehenen Film der Filmgeschichte abgelöst hat,

und findet beim amerikanischen Publikum nach wie vor einen starken Widerhall: The Sound of

Music zum Mitsingen in der Hollywood Bowl ist seit 2005 jedes Jahr ausverkauft.

Es scheint mir, dass dieser 50 Jahre alte Film weit mehr ist als eine Kuriosität: Er ist ein

wahrhaftiges internationales Medienphänomen, der es in sich hat, Österreich genauso ein

neues Image zu verpassen, wie es „Crocodile Dundee“ mit Australien geschafft hat.

Ich schlage vor, einen landesweiten Wettbewerb in Österreich für eine Neufassung des Films

abzuhalten und alle erforderlichen Gelder, Verbindungen und Unterstützungen, die der

österreichische Staat nur aufbringen kann, zur Verfügung zu stellen, damit das Remake auch

produziert wird.

Natürlich sollte man aus den Versuchen anderer Länder lernen, die sich mittels Unterstützung

eines großen Filmprojektes ein neues Image geben wollten (der Film „Australia“ gehört zu den

jüngsten Flops dieser Art, ganz im Gegensatz zu der „Lord of the Rings“-Konzession für

Neuseeland), und das Projekt erfordert eine sorgfältige Planung, um seine Erfolgschancen zu

maximieren.

2. Die Doppler-Show (neues Projekt; Hexagonpunkt: Kultur)

Diese Idee für ein internationales TV-Show-Format wurde vom Workshop für Bildung,

Forschung und Entwicklung erarbeitet. Die nach Christian Doppler benannte Sendung könnte

regelmäßige Beiträge über praktische Wissenschaft bringen und die Zukunft der

Wissenschaften erforschen.

Es wäre auch beabsichtigt, Kinder zu ermutigen, eine Karriere in der Wissenschaft zu

überlegen. Um ihr Interesse zu stimulieren, würden attraktive und realistische Portraits und

Dramatisierungen vom „echten Leben im Labor“ ausgestrahlt. Letztere Idee entstammt der

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Beobachtung, dass kaum jemals das wahre Alltagsleben von Wissenschaftlern im Fernsehen

gezeigt wird, mit Ausnahme der total überdramatisierten Gerichtsmedizin und medizinischen

Wissenschaft.

3. Die AustriaCard4 (neues Projekt; Hexagonpunkt:

Exporte/Regierungswesen/Kultur/Investment & Immigration)

Dabei handelt es sich um ein großformatiges Kundenbindungssystem für Österreich, das sich

an alle “BenutzerInnen und KonsumentInnen” im Land richtet – Studierende, Touristen,

Investoren, ausländische Wohnsitznehmer und Konsumenten von österreichischen Produkten

und Dienstleistungen weltweit. Vom Konzept her entspricht es der klassischen Kundenkarte für

Fluglinien oder Hotels, außer dass Österreich das erste Land wäre, welches ein solches System

für den gesamten Staat einrichtet.

Einige grundlegende Komponenten des Programmes:

StudentInnen: Gaststudierende würden Punkte für alle in Österreich abgeschlossenen

Studienmodule erhalten, ebenso für den Kauf von zugelassenen Waren und Dienstleistungen

im Land wie z.B. Binnenflüge bei teilnehmenden Fluglinien, Bahnfahrten, Unterkünfte,

Mahlzeiten usw. Als Belohnung gäbe es Rabatte für Bücher, Reisen und „Mozartpunkte“, die

für kostenlose oder ermäßigte Eintrittskarten für ausgewählte Kulturereignisse oder

Museumsführungen zu Sonderöffnungszeiten außerhalb des normalen Publikumsverkehrs

verwendet werden können. Wichtige Bonuspunkte könnten durch Empfehlungen erworben

werden, beispielsweise mittels eines Freundewerbesystems, um weitere Studierende nach

Österreich zu locken.

TouristInnen und Geschäftsreisende: Dieses Programm würde genauso funktionieren wie das

für Studierende, außer dass die Belohnungen und Incentives sich an ein Freizeit- und

Geschäftspublikum richten. Es müsste unbedingt mit den diversen Hotel-, Fluglinien- und

Autovermietungs-Programmen kompatibel sein. Als Belohnung gäbe es Mozartpunkte, dazu

die üblichen Rabatte auf Reisen und Unterkunft, medizinische und andere Versicherungen,

Freundewerbesysteme und besondere Incentives für weitere Besuche in Österreich.

Ausländische Investoren könnten auf einer höheren Ebene in das Programm einsteigen, und

Großinvestitionen würden zu Firmenmitgliedschaften mit Bonuspunkten, Ersparnissen und

4 Ein Unternehmen dieses Namens besteht bereits in Österreich, sodass es notwendig wäre, in

Verhandlungen mit ihm einzutreten oder einen anderen Namen zu suchen, bevor dieses Projekt

umgesetzt werden kann. Die ÖsterreichCard der ÖBB könnte ebenfalls ein Partnerprojekt für dieses

Projekt sein.

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Belohnungen für alle in Österreich tätigen oder mit Österreich aus dem Ausland beschäftigten

MitarbeiterInnen führen.

KonsumentInnen im Ausland: Dabei geht es darum, das Programm auf Benutzer und

Konsumenten von österreichischen Produkten und Dienstleistungen in anderen Ländern

auszudehnen, und zwar über teilnehmende Exporteure, um damit „das Netz auszuweiten“ und

potenzielle Studierende sowie Geschäfts- und Freizeitbesucher in das Programm

einzubeziehen. Eine moderne – und funktionierende – Version des Labels „Made in Austria“ ist

dringend erforderlich. Die alte Idee des „Landes der Ursprungskennzeichnung“ muss unbedingt

überarbeitet werden. Eine der vielen nützlichen Funktionen der AustriaCard wäre das einfache

Hinzufügen eines Anhängers an exportierte österreichische Produkte, mit dem Käufer darüber

informiert werden, dass sie z.B. 10 % hätten sparen können, wenn sie das Produkt mit ihrer

AustriaCard erworben hätten, und an die Kasse verwiesen werden, wo sie sich direkt

anmelden können.

Die Registrierung für die AustriaCard müsste schnell und einfach erfolgen. So wie bei den

meisten Fluglinienprogrammen sollte sie auf der untersten Ebene sofort und kostenlos

durchgeführt werden können, damit die Mitglieder schon bei der Buchung ihres Urlaubs (dafür

müssten Reisebüros als Werber gewonnen werden) oder beim Flug nach Österreich Punkte

sammeln können. Die Karte wird bei der Ankunft des Gastes gelesen und erhält bei jeder

neuen Ankunft automatisch weitere Punkte gutgeschrieben. Ein Umstieg auf höhere Stufen

könnte dann je nach Benutzung und Punktezahl erfolgen. Auf der Eliteebene könnten

Sonderprivilegien gewährt werden wie z.B. die exklusive Nutzung einer privilegierten

Abfertigung bei der Ankunft am Flughafen, ein Galaempfang für Karteninhaber, ein

privilegierter Zugang zu wichtigen nationalen Veranstaltungen usw.

Letztendlich und als wichtigster Vorteil wird die AustriaCard zu einer riesigen Datenbank von

früheren, jetzigen und potenziellen „KonsumentInnen“ für Österreich und seine Wirtschaft

führen. Diese Datenbank müsste nach den striktesten internationalen Standards der Integrität

und Wirksamkeit geführt werden, damit sie zu einer stetig wachsenden Ressource für das

Verständnis, den Ausbau und die Aufrechterhaltung der internationalen Kundenbasis und des

Rufes Österreichs werden kann. Zusätzlich wäre sie ein wertvolles Mittel für die Abfrage von

Änderungen in der Einstellung zu Österreich bei früheren, jetzigen und künftigen Nutzern.

4. Brieftaschenkarten für „Bürgerbotschafter“ (neues Projekt; Hexagonpunkt:

Menschen)

Eine weitere Miniidee umfasst die Produktion von zahlreichen langlebigen und attraktiven

Plastikkarten für die Brieftasche, die jeweils mit ca. 20 wichtigen Fakten über Österreich

bedruckt werden. Sie könnten an Journalisten, Diplomaten oder prominente Kommentatoren

verteilt werden und an den Flughäfen an alle abfliegenden ÖsterreicherInnen ausgegeben

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werden. Diese Karten liefern ihnen genau die richtigen Informationen, die sie brauchen, um

Menschen mit realen und überraschenden Fakten zur Realität im modernen Österreich zu

entzücken und in Erstaunen versetzen zu können.

5. Austria Centres (neues Projekt; Hexagonpunkt:

Exporte/Regierungswesen/Kultur/Investment & Immigration)

Bestimmte Botschaften, insbesondere jene in Ländern, wo das ganze Spektrum der

Botschaftsleistungen schwer zu rechtfertigen ist, könnten längerfristig durch Austria Centres

ersetzt werden. Das sind Geschäftsgebäude im Zentrum von Haupt- und Großstädten, die für

eine Konsumnutzung geplant sind: Es werden Räumlichkeiten im Erdgeschoß an

österreichische Firmen vermietet, die Produkte zum Verkauf anbieten, Restaurants betreiben

oder sonstigen Einzelhandelstätigkeiten nachgehen. Im ersten Stock gibt es ein Kulturzentrum

und Ausstellungsflächen, im zweiten Stock ein Tourismus- und Reisebüro, und die oberen

Stockwerke sind für Besprechungen, Konferenzen, wirtschaftliche, konsularische und politische

Büros eingerichtet. Die Miete für die Räumlichkeiten käme von den Geschäften im

Erdgeschoss, und alle Abteilungen würden gemeinsam die technischen Bereiche, IT,

Buchhaltung und sonstigen Dienste nutzen.

6. Welt-Mozarttag (neues Projekt; Hexagonpunkt: Kultur)

Mozart gehört sicher zu den bekanntesten Menschen, die jemals gelebt haben, doch wird er

weltweit weniger stark mit Österreich assoziiert, als viele Österreicher annehmen, und das

auch noch immer weniger häufig. Er ist auf jedem Fall eines der kostbarsten Kultur- und

Wahrnehmungsgüter des Landes, und Österreich muss sich sehr bemühen, diesen wertvollen

Zusammenhang wieder zu verstärken, bevor er verloren geht.

Für die Brückenbaustrategie bedeutet das einfach, dass wir mit Mozart – einer wahrhaft

globalen Gestalt – und seiner Musik – einer wirklich globalen Sprache – Brücken über Zeiten,

Klassen, Nationalitäten, Sprachen, Kulturen und Religionen schlagen können.

Zu den bekanntesten Teilen der Mozart-Story gehört, dass er ein Wunderkind war. Der Welt-

Mozarttag könnte eine weltweite Suche nach besonders talentierten Kindern in anderen

Ländern umfassen, die, weil sie aus armen Familien bzw. armen Ländern stammen, ansonsten

keine Chance hätten, dass ihr Talent gefördert würde.

Der Welt-Mozarttag muss einen moralischen und nachhaltigen Zweck aufweisen, damit

sichergestellt wird, dass er der Brückenbauer-Ethik entspricht und nicht als lediglich

eigennützig oder als Werbegag verstanden wird. Der natürlichste Zweck eines Welt-

Mozarttages besteht wohl darin, Musik für den Bau von Brücken in Konfliktsituationen

einzusetzen – der Gedanke eines „musikalischen Waffenstillstandes“ ist es wert, weiterverfolgt

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zu werden. Damit könnte das Akronym „WMD“ von Weapons of Mass Destruction

(Massenvernichtungswaffen) auf Wolfgang for Mass Détente (Wolfgang für

Massenentspannung) abgeändert werden.

7. „Slam Jam“ (neues Projekt; Hexagonpunkt: Kultur/Tourismus)

Inspiriert von Shane Koyczans enorm erfolgreicher „Slam Poetry“ – und insbesondere seinem

„We are More“, einen poetischen Lobgesang auf die Identität Kanadas –, die ein prominentes

und bewundertes Merkmal der Olympiade von Vancouver war5, schlage ich vor, Shane zu

beauftragen, ein Slam Poem über Österreich zu verfassen – in englischer Sprache, vom

Gesichtspunkt eines Nordamerikaners aus betrachtet (was viel glaubwürdiger wirkt als ein

Österreicher, der noch ein Lobgedicht über Österreich schreibt). Das könnten wir dann als

einen hochoriginellen TV-Werbespot – für eine kulturelle anstatt einer Tourismuswerbung –

und auch eine Menge anderer Zwecke verwenden.

Danach können wir eine ganze Serie von Gedichten bei verschiedenen Dichtern in

verschiedenen Ländern, alle in englischer Sprache, in Auftrag geben, die davon handeln, was

die AutorInnen als Essenz und Attraktion Österreichs betrachten. Damit haben wir eine

ziemlich originelle Tourismus- und Kulturwerbekampagne, etwas, was noch kein Land zuvor

unternommen hat.

Zu diesem Zweck müssen wir Shane für zwei Wochen nach Österreich einladen, dafür sorgen,

dass er umherfährt und das Land sieht, zahlreiche Dichter, Historiker, Akademiker, Künstler,

Schauspieler, Regisseure und sogar Wissenschaftler kennenlernt und mit ihnen diskutiert und

dadurch ein Gefühl für das Land und seine Leute, Kultur, Küche, Geschichte und Landschaft

bekommt. Dann würden wir uns an einem Nachmittag mit ihm zusammensetzen und

besprechen, wie das alles in ein paar einfache Essenzen und Themen kristallisiert und

zusammengefasst werden kann. Danach kann er sich in eine Hütte irgendwo in den

österreichischen Bergen zurückziehen und das Gedicht schreiben. Das würden wir dann mit

einen Videohintergrund von Willy Sousa (natürlich speziell beauftragt) produzieren und in der

ganzen Welt ausstrahlen.

Danach würden wir mit dem nächsten Poeten aus dem nächsten Land fortfahren usw.

Strategische Unterstützungstechniken

1. Auszeichnung des Bundespräsidenten für Bürgerdiplomatie (neues Projekt;

Hexagonpunkt: Regierungswesen/Menschen)

5 Siehe: http://www.myspace.com/video/maren/shane-koyczan-quot-we-are-more-quot/102978019

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Als zusätzlicher Anreiz für die aktive Bürgerbeteiligung am österreichischen Projekt einer

kompetitiven Identität könnte der Bundespräsident einen Geldpreis an Personen oder

Organisationen, die dazu beitragen, dass das Ansehen und die Reputation Österreichs

international verbessert werden, ausschreiben.

2. „Revolutionsbeauftragte“ (neues Projekt; Hexagonpunkt: Regierungswesen/Menschen)

Im systematischen Bemühen um ein fantasievolleres Denken könnte die Stelle eines

„Revolutionsbeauftragten“ in den Ministerien und Regierungsstellen geschaffen werden. Es

wäre die Aufgabe dieser Person, an allen Sitzungen teilzunehmen und die Beteiligten zu rügen,

wenn ihr Denken droht, in konventionelle, vorhersehbare, ängstliche oder repetitive Kanäle

abzugleiten.

Diese Art von symbolischer Aktion ist ihr Geld wohl wert: Erstens kann sie richtig ausgeführt

für die relativ geringfügige Investition eines Gehaltes oder genaugenommen sogar für den

Bruchteil eines einzelnen Gehaltes die Arbeit von Regierungsstellen wesentlich verbessern.

Zweites ist sie so ungewöhnlich und pittoresk (und geht so sehr gegen das, was man in Bezug

auf Österreich annimmt), dass sie Interesse erweckt.

Ich würde vorschlagen, in ein oder zwei Ministerien ein Pilotprogramm zu starten. Ist dieses

erfolgreich, so kann es zu dem „Hilfspaket“ geschlagen werden, das Österreich anderen

Ländern anbietet.

Unterstrategie der symbolischen Aktionen für klassische Musik

1. Vienna Airport Refresh (Flughafen Wien; Hexagonpunkt: Tourismus/Kultur)

Diese symbolische Aktion steht zwar nicht in einem direkten Zusammenhang mit der

Brückenbaustrategie, ist aber darauf ausgerichtet, Wien als Weltmetropole der klassischen

Musik einzusetzen – eine eigenständige Aufgabe, die meiner Meinung genauso wichtig ist und

zusammen mit der Hauptstrategie des Projektes einer kompetitiven Identität angegangen

werden muss. Die klassische Musik gehört zu den wichtigsten „Soft Tools“, mit denen

Österreich auf internationaler Ebene Einfluss ausüben kann, und seine Referenzen auf diesem

Gebiet müssen wesentlich ausgedehnt werden, damit die Hauptstrategie Wirkung zeigen kann.

Wenn heute Reisende am Flughafen Wien ankommen, dann finden sie nur wenige Hinweise

darauf, dass sie sich in der Welthauptstadt der klassischen Musik befinden: Ein paar große

Plakate, auf denen Originalpartituren abgebildet sind, in der Ankunftshalle sind so ziemlich das

Einzige, was am Flughafen an das musikalische Thema erinnert.

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Meine Empfehlung lautet: Bei der nächsten Gelegenheit, wenn eine Umdekorierung,

Renovierung oder Umplanung des Flughafens ansteht, sollte eine umfassende

„Gesamterfahrung“ angestrebt werden, damit jeder Passagier unbedingt mitbekommt, dass er

in der Welthauptstadt der klassischen Musik angekommen ist (bzw. nicht vergisst, dass er dort

war).

Dabei wäre klarerweise das endlose Abspielen von Mozart- oder Strauß-Stücken weder

originell noch für Passagiere oder FlughafenmitarbeiterInnen auszuhalten: Die Message muss

viel subtiler und origineller weitergegeben werden. Einige der in den kreativen Sitzungen

besprochenen Ideen dazu:

- „Flash-mop“-Auftritte: MusikstudentInnen übernehmen Halbtagsjobs als

Reinigungskräfte und tragen dabei ihre Musikinstrumente versteckt mit sich. In

regelmäßigen Intervallen tauschen sie ihre Wischlappen gegen die Instrumente und

improvisieren klassische Stücke zur Unterhaltung der Passagiere. Wenn es sich ergibt,

finden sich mehrere von ihnen zu einer Gruppe zusammen und spielen als Ensemble.

- Musikalische Treppen: Bestimmte Treppen am Flughafen sind mit

berührungsempfindlichen Schaltern auf der Trittfläche versehen, sodass das Hinauf-

oder Hinuntergehen Töne produziert. Hastende Menschenmassen werden einen

sensationellen Missklang erzeugen.

- Kunst-/Musikstempel bei der Passkontrolle: Die Passstempel werden von vielen

Passagieren sorgfältig betrachtet, dienen aber selten bis nie irgendwelchen

Kommunikationszwecken: Ein Stempel vom Flughafen Wien sollte ein gutes Design mit

einem musikalischen Thema aufweisen und eine Willkommensbotschaft für den

Passeigentümer bereithalten.

- Willkommenszoll: Wenn ein Beamter der Grenzkontrolle die Nationalität des Gastes in

seinen Computer eintippt, wird automatisch eine Willkommensnachricht in seiner

Sprache ausgedruckt, die dann in den Pass eingelegt werden kann. Der Computer

könnte dem Beamten sogar vorgeben, wie der Gast in dessen Sprache zu begrüßen ist.

- YouTube-Sensation: Eine fünfte Idee wurde vorgebracht, die in einem öffentlichen

Dokument besser nicht beschrieben wird, aber bei sorgfältiger Ausführung sehr gute

Chancen hat, im Internet „voll einzuschlagen“. Ich werde dies bei meinem nächsten

Besuch erklären.

2. Austrian Service (Austrian Airlines; Hexagonpunkt: Tourismus/Kultur/Exporte)

Ein einzelner Gag oder ein einzelnes Designelement reicht nicht aus für einen wesentlichen

oder dauerhaften Einfluss auf das Image der Austrian Airlines oder Österreichs, aber ein

starkes, klares, konzentriertes Thema, dass sich durch alle Aktivitäten und

Öffentlichkeitsarbeiten des Unternehmens zieht, kann beides erzielen.

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Wie bei der obigen symbolischen Aktion (Vienna Airport Refresh) ausgeführt, ist die Aufgabe,

Österreich nachhaltig als globale Hauptstadt der klassischen Musik zu positionieren, eine

wichtige Subsidiärtätigkeit im Prozess einer kompetitiven Identität, und ich empfehle daher,

dass diese Unterstrategie vom Tourismus- und Kultursektor als Priorität behandelt wird.

Das Bordservice der Austrian Airlines bietet zusammen mit dem Vienna Airport Refresh-

Konzept eine ausgezeichnete Chance, dieses Unterthema speziell zu betonen. Zu den Ideen,

wie das musikalische Thema an Bord umgesetzt werden kann, gehören eventuell folgende:

- Musik als Design-Thema: Notenlinien und Notenschriften könnten in der Gestaltung

der Flugzeuge eine wichtige Rolle spielen – von der mit Notenlinien verzierten

Tabletteinlage bis zu Gangteppichen, in denen über die gesamte Länge der Kabine eine

Melodie eingewoben ist. Solche Features sind einfach und amüsant zu gestalten und

jede kompetente Werbeagentur kann sie aus dem Ärmel schütteln.

- Namensschilder: Die Namensschilder der Kabinenbesatzung könnten neben den

üblichen Nationalflaggen, die anzeigen, welche Sprachen sie sprechen, auch einen

Violin- oder Bassschlüssel je nach Singstimme der TrägerInnen aufweisen.

- Musikalische Angebote: Auf ausgewählten Flügen könnten mittels einer

Sitzplatzlotterie Opernkarten an Passagiere nach zufällig ausgewählten Sitznummern

verteilt werden. Ein Video am Sitzplatz bewirbt den Preis vor der Ziehung und diese

kurze Werbung für das Opernhaus oder die musikalische Spielstätte reicht als Anreiz

für das Theater, die Kosten für die Lotterie und die Freikarte zu übernehmen.

- Classy Classics: „Wegwerfbare“ MP3-Player mit Werken von Strauß, Mozart und

anderen österreichischen Komponisten können an die Passagiere in der Business Class

ausgegeben werden. Diese Geräte sind bereits so billig, dass sich ein so einprägsames

Geschenk durchaus rechnet.

- Einzigartige Traditionen: Die Austrian Airlines könnte eine neue Tradition begründen:

Sobald das Flugzeug auf dem Weg nach oder von Wien die Donau überfliegt, spielt der

Pilot ein Jingle in der Form von ein paar Takten des Donauwalzers ab, wobei er kurz

ankündigt, dass der Flug „die Donau überquert“, und die Passagiere in der „Stadt der

Musik“ willkommen heißt bzw. hofft, sie bald wieder hier begrüßen zu dürfen.

- Konservenmusik: Obwohl eine Musikberieselung über Lautsprecher sehr schnell lästig

wird und nur kurz vor dem Start und nach der Landung eingesetzt werden kann, dürfte

es keinen Grund geben, warum Mozart und Strauß nicht während des gesamten Fluges

leise in den Toiletten gespielt werden sollten. Das wäre sicherlich eine ungewöhnliche

und angenehme Erfahrung, wenn nicht sogar ein Hauch von Luxus für alle Passagiere.

3. Musikpausen im Parlament (neues Projekt; Hexagonpunkt: Kultur/Regierungswesen)

Als Beweis, dass die Musik eine besondere und nicht bloß dekorative Stellung in der

österreichischen Gesellschaft einnimmt, könnte das österreichische Parlament während seiner

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Beratungen regelmäßige superkurze „Musikpausen“ einlegen, in denen klassische und

moderne Musik von einer Auswahl aus den vielen guten Musikern, die in Wien leben und

arbeiten, aufgeführt wird.

Das ist nicht so exzentrisch, wie es sich zunächst anhören mag: In der neurowissenschaftlichen

wie auch sozial- und politikwissenschaftlichen Literatur wird häufig darauf hingewiesen, dass

eine bewusste Unterbrechung von Konfrontationen, wobei die Beteiligten zu gemeinsamen

Aktivitäten der rechten Gehirnhälfte wie z.B. Musik- oder Poesiehören ermuntert werden, eine

dramatische Auswirkung auf die Qualität der nachfolgenden Diskussionen und auf ihre

Fähigkeit, zu befriedigenden Kompromissen zu kommen, hat.

Dieser Effekt wurde in denkwürdiger Weise von dem britischen Diplomaten Carne Ross

festgestellt, der „musikalische Unterbrechungen“ sehr wirkungsvoll während der Debatten im

UNO-Sicherheitsrat über das Erdöl-für-Nahrungsmittel-Programm im Irak einsetzte6.

Welcher Ort wäre besser geeignet als Wien, zur ständigen Heimstätte für dieses

bemerkenswerte Experiment zu werden?

PS: Das Brookenbower-Konzept

Auch wenn ich normalerweise Länder davor warne, offensichtliche öffentliche Hinweise auf

ihre Versuche, ihr internationales Profil zu verbessern, zu geben, glaube ich doch, dass in

diesem Fall eine Ausnahme gemacht werden sollte: Ich bin der Meinung, dass Österreich seine

Brückenbau-Mission bewusst „vermarkten“ sollte.

Das muss natürlich subtil und langsam erfolgen, aber ich habe das Gefühl, dass die

internationale öffentliche Meinung ein wenig Hilfe brauchen wird, um zwei und zwei

zusammen zu zählen und die wahre Rolle Österreichs in der Welt zu verstehen.

Aus diesem Grund empfinde ich es als eine gute Idee, den englisch-deutschen Neologismus

brookenbower zu schaffen, um damit dieses ziemlich einzigartige Konzept vorzustellen und die

zahlreichen Fäden des internationalen Engagements zu verknüpfen. Egal, ob es sich um ein

Buch, eine TV-Dokumentation, ein Magazin, ein theoretisches Modell oder eine Kombination

von allem handelt, mit dem der Begriff „brookenbower“ im internationalen Diskurs verankert

wird – wichtig ist, dass die Menschen bei zahlreichen Gelegenheiten diesem Wort begegnen,

seine Bedeutung kennenlernen und den Brückenbauer mit der Mission Österreichs für diesen

Planeten assoziieren lernen.

6 Siehe http://www.opendemocracy.net/globalization-institutions_government/security_ross_4382.jsp

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Auswahl symbolischer Aktionen zur sofortigen Umsetzung

Beim fünften Besuch wählte die Samstagsgruppe einstimmig folgende vier symbolische

Aktionen zur Umsetzung:

- Die AustriaCard

- AidSurance

- Gebäudepartnerschaften

- Treuhandfonds für die Rechtsstaatlichkeit

Zudem wurde vereinbart, dass die verbleibenden symbolischen Aktionen in der engeren

Auswahl, die der Samstagsgruppe vorgestellt wurden, in einer zweiten Phase umgesetzt

werden könnten. Dazu gehörten folgende:

- Nanchang

- Europäisches Forum Alpbach

- Adomi-Brücke / ChainAid

- Fußabdruck

- VICISU

Die verbleibende symbolische Aktion aus der engeren Auswahl, Sound of Music Die Zweite

wurde von der Samstagsgruppe abgelehnt und deshalb aus der Liste der letzten Neun

eliminiert.

Umsetzung der symbolischen Aktionen der ersten Phase

1. Die AustriaCard

Die erste Entwicklungsstufe für die AustriaCard sollte eine Machbarkeitsstudie sein, die die

Frage nach der Durchführbarkeit mit einem klaren Ja/Nein beantwortet und im Falle eines

positiven Ergebnisses Vorschläge zur Umsetzung bietet. Dies sollte innerhalb einer relativ

kurzen Zeit erfolgen, z.B. sechs Monate. Zur Realisierung empfehle ich die Einsetzung einer

kleinen Arbeitsgruppe, die aus 10-15 Einzelpersonen mit einer guten Mischung folgender

Hintergründe besteht:

- Einzelpersonen mit direkter Erfahrung in der Betreuung eines

Kundentreueprogramms, wie ein Hotel-, Fluglinien- oder Geschäftskartenprogramm.

Die Mehrheit dieser Einzelpersonen sollte mit internationalen Treueprogrammen zu

tun gehabt haben und dadurch mit Verkaufs-, Marketing-,Vertriebs- und

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Verwaltungsaufgaben eines länderübergreifenden Programms vertraut sein.

- Einzelpersonen mit technischen Kenntnissen in der Erstellung und Verwaltung großer

Kundendatenbanken und/oder im Datenbankmarketing.

- Einzelpersonen mit detaillierten Kenntnissen nationaler und internationaler Theorie

und Praxis zur Datenbankverwaltung, Datenschutz, Direktmarketing und

Informationssteuerung.

- Einzelpersonen mit Kenntnissen in den wichtigsten Sektoren, die in dem Programm

vertreten sind, d.h. Reise und Tourismus, Exporte, Kultur und Bildung (besonders in

Bezug auf ausländische Studenten in Österreich).

- Einzelpersonen, die die wichtigsten regionalen Treueprogramme in Österreich

managen bzw. gemanagt haben.

- Ein oder zwei Vertreter der größten Reiseanbieter und/oder Ziele und/oder

Tourismusanbieter in Österreich.

- Vertreter der entsprechenden Ministerien.

- Bankwesen, Versicherungs- und Finanzsektor.

Zudem sollte eine kleine Forschungsgruppe Schreibtischforschung betreiben, um die

bestehenden Modelle in anderen Ländern und Regionen zu bestimmen, und eine vollständige

Liste aller derzeitigen und jüngsten Treueprogramme in Österreich zu erstellen, mit

Einzelheiten zu ihrem Betreiber, der Geschichte, dem Umfang, dem Erfolg und

Hauptmerkmalen.

Diese bestehenden österreichischen Initiativen sollten vom Team kontaktiert und eingeladen

werden, ihre Erfahrungen in dem Bereich weiterzugeben. Es sollte besprochen werden,

inwieweit beide Seiten durch eine Fusion, Angliederung oder einfache Partnerschaft mit diesen

Programmen profitieren (oder drohender Wettbewerb). Idealerweise sind so viele wie möglich

bereit, ihre Angebote für eine bestimmte Anzahl von Jahren in das AustriaCard-Programm zu

fusionieren. Falls jedoch wenig Interesse an solch einer Lösung besteht, sollte die Möglichkeit

einer Angliederung in Betracht gezogen werden, d. h. andere Karten und Programme, die

offensichtlich mit der AustriaCard kompatibel sind, mit einem gemeinsamen Sammeln und

Einlösen von Punkten, ähnlich einiger Treueprogramme von Fluglinien, die mit anderen in der

gleichen Gruppe von Fluglinien kompatibel sind.

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Es sollten mehrere Workshops einberufen werden, um so viele kreative Ideen wie möglich für

folgende Inhalte zu finden:

1. Geschäftsmodell (wie das Programm Umsätze erzielt, woher die Erstfinanzierung

kommt, die optimale Form von Eigentümerschaft und Management – öffentlich, privat

oder gemischt).

2. Kundenprämien (ob diese aus dem Bereich Kultur, Bildung, Einzelhandel, Reise oder

Finanzen kommen; wer sie gibt und zu welchen Bedingungen).

3. Methoden zum Sammeln (wie Punkte verdient werden, ob in Österreich oder im

Ausland, durch Reisen, Einkäufe im Einzelhandel, Bildung und Schulung, den Besuch

von Konferenzen oder anderen Events, durch das Ausgeben von Geld bei

Partnerorganisationen, den Erwerb von anerkannten österreichischen Produkten

u. ä.).

4. Merkmale und Umfang des AustriaCard-Systems (wie viele verschiedene Arten von

Mitgliedschaften sind möglich, die relativen Vorteile jeder Stufe und zukünftige

Möglichkeiten für die Karte, einschließlich MwSt.-Erstattungen u. ä.).

5. Verwendung der Mitgliederdatenbank (wie Kundendaten zwischen den Partnern

weitergegeben werden, die rechtlichen Einschränkungen, wie sie am besten eingesetzt

werden kann, damit sowohl die Kunden als auch Österreich als Ganzes davon

profitieren können).

6. Vertrieb, Marketing, Werbung und Kundenservice (wie das Programm so viele

Mitglieder wie möglich und so schnell wie möglich anwerben kann und wie es das

erforderliche Maß an Wert, Service und Zufriedenheit gewährleisten kann, um dieses

schnelle Wachstum zu erzielen. Diese Gruppe erarbeitet auch die Informationen zur

Corporate Identity der AustriaCard).

Falls die Machbarkeitsstudie positiv ausfällt, sollte ein Angebot für das Einreichen kreativer

Vorschläge für das Logo und die Visual Identity des AustriaCard-Programms erarbeitet werden.

Diese Arbeit sollte auch eine umfassende Markenstrategie beinhalten, die die Marktposition

und Markenpersönlichkeit des Programms bestimmt, und nicht nur den visuellen Aspekt.

Es sollte ein Grundgerüst erarbeitet werden, das alle bestehenden Treueprogramme

Österreichs sowie ihre Eignung und Bereitschaft an einer Teilnahme im Programm darstellt,

angefangen bei keine Angliederung bis zur kompletten Fusion innerhalb der neuen Marke.

Ein internationaler Marketingplan sollte erarbeitet werden, mit Aufstellung der wichtigsten

Zielmärkte und Kundenschichten, zusammen mit den Medien und kreativen Vorschlägen zur

Ansprache dieser Segmente. Die Rollen der Hauptvertriebspartner (Fluglinien, die wichtigsten

österreichischen Exporteure, Partner im Einzelhandel usw.) sollten Teil dieses Plans sein.

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Geeignete Partner für die Datenbankverwaltung, die Herstellung der Karten und

Mitgliederpakete, Kundendienstunterstützung und andere Hauptfunktionen des Projekts

sollten benannt werden. Diese Leistungen könnten abhängig von den verfügbaren Ressourcen

an externe Fachanbieter vergeben, mit Treueprogrammen bestehender Partner geteilt oder

intern geschaffen werden.

2. AidSurance

Da das AidSurance-Programm genau wie die AustriaCard ein innovatives Projekt ist, wäre eine

Machbarkeitsstudie auch ein empfohlener erster Schritt.

Andererseits gibt es in der Versicherungsbranche Erfahrungswerte in der Bereitstellung von

Katastrophenversicherungen für Landesregierungen. Daher ist die innovative Komponente

dieser symbolischen Aktion nicht die Police an sich, sondern das Konzept, dass ein Geberland

die Prämien im Namen des versicherten Landes bezahlt. Aus diesem Grund hängt die

Durchführbarkeit des Projekts ausschließlich von der Bestimmung eines Landes, das für die

Versicherung geeignet ist, von der Art der Risiken und der Erschwinglichkeit der Prämien ab.

Sollte sich herausstellen, dass die Prämien deutlich höher als das Budget Österreichs für diese

Art von Auslandshilfe sind, könnte eine gemeinschaftliche Initiative die Lösung sein. In diesem

Fall müsste Österreich ein oder mehrere Länder bestimmen, die bereit sind sich zu beteiligen,

z.B. über einen Zeitraum von 2-3 Jahren. Die ultimative Kooperation wäre eine Situation, in der

nach Durchführung erfolgreicher Pilotprojekte EU-Mitgliedsstaaten vereinbaren, ihre

einzelnen Unternehmungen im Bereich Katastrophenhilfe in ein gemeinsames europäisches

Modell migrieren.

Einer der Vorteile dieses Projekts ist, dass es nach Fällung der Entscheidung zur Durchführung

eine relativ einfache kommerzielle Transaktion ist. Der Hauptteil der Umsetzung des Projektes

liegt dann in der Verantwortung des Versicherungsunternehmens bzw. der

Versicherungsunternehmen, das bzw. die mit der Bereitstellung der Police beauftragt wird

bzw. werden.

Im Hinblick auf die Machbarkeitsstudie zu Beginn würde das Expertengremium aus folgenden

Einzelpersonen bestehen:

1. Versicherungs- und Rückversicherungsexperten mit Erfahrung in der Entwicklung und

Bereitstellung großer internationaler Policen, insbesondere im öffentlichen Sektor.

2. Schadensregulierer und Aktuare mit Erfahrung in großen internationalen Projekten,

insbesondere im öffentlichen Sektor.

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3. Ausländische Hilfe- und Katastrophenhilfeexperten mit einem Hintergrund in

multilateralen Institutionen, Regierungen und nichtstaatlichen Organisationen.

4. Vertreter ausgewählter Empfängerländer, insbesondere jene mit einer Vorgeschichte

großer Naturkatastrophen.

Zunächst würde ich ein Treffen mit Stefan Lippe, der von 2009 bis 2012 als CEO von Swiss Re

tätig war, empfehlen (ich stelle die Kontaktdaten bei Bedarf bereit), da er direkte Erfahrung in

der Erarbeitung großer Versicherungspolicen bezüglich Naturkatastrophen für souveräne

Staaten hat. Ich habe bei der Entwicklung dieser symbolischen Aktion Herr Lippe zurate

gezogen. Er wäre gern dazu bereit, die österreichische Regierung bezüglich der Realisierung

des Projekts zu beraten. Zudem könnte er geeignete Experten für die Machbarkeitsstudie und

spätere Realisierung empfehlen.

Wenn wir davon ausgehen, dass die Machbarkeitsstudie ergibt, dass das Modell grundlegend

realisierbar ist (d. h. ein erschwinglicher und effektiver Ersatz für die herkömmliche

„reagierende“ Katastrophenhilfe), müssten in der nächsten Stufe ein oder mehrere geeignete

Empfängerländer bestimmt werden. Natürlich wäre es optimal, wenn es sich dabei um Länder

handeln würde, mit denen Österreich bereits eine Geberbeziehung hat. Mit Hilfe von etwas

Schreibtischforschung und dem Rat der Experten vom Außenministerium und nichtstaatlichen

Organisationen sollte ein Grundgerüst geeigneter Empfänger erarbeitet werden, basierend auf

ihrer Anfälligkeit für versicherungsfähige Naturkatastrophen und dem generellen Bedarf. Dann

sollten ein oder zwei Pilotländer bzw. -regionen aus diesem Grundgerüst ausgewählt werden.

Zu diesem Zeitpunkt können verschiedene geeignete Versicherungsgesellschaften (oder ein

Zusammenschluss von Versicherungsgesellschaften, je nach Größe des Risikos) um Angebote

gebeten werden. Diese Angebote würden dann von unabhängigen Experten, der

österreichischen Regierung und der Regierung des Empfängerlandes beurteilt werden.

Anschließend würde eine letzte Besprechung angesetzt werden.

Die Vorteile dieser äußerst innovativen Idee für den Ruf Österreichs sind beträchtlich, jedoch

nur, wenn Österreich es schafft, den „Vorteil der Vorreiterrolle“ zu bewahren. Daher sind

Geschwindigkeit und Diskretion in der Machbarkeitsstufe von höchster Bedeutung. Ich würde

empfehlen, dass alle an dem Prozess Beteiligten eine Geheimhaltungsvereinbarung

unterzeichnen müssen.

Andererseits ist einer der Vorteile des Projekts, dass Österreich die Möglichkeit hat und

berechtigt ist, dass Projekt anzukündigen, sobald halbwegs sicher ist, dass es realisiert wird. So

kann Österreich die Lorbeeren für das fortschrittliche Denken und die innovative Auslandshilfe

ernten und das Recht in Anspruch nehmen, die Debatte, dass Katastrophenhilfe von Gebern

aus der ganzen Welt geleistet wird, anzuführen.

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3. Gebäudepartnerschaften

Diese symbolische Aktion besteht aus zwei Komponenten: der diplomatischen und der

technologischen. Ich würde daher vorschlagen, dass zuerst zwei Arbeitsgruppen eingerichtet,

um den Start ohne unnötige Verzögerungen über die Bühne zu bringen.

Arbeitsgruppe A ist die diplomatische und Partnerschaftsgruppe. Ihre erste Aufgabe besteht

darin, Vorauswahl geeigneter Gebäude in Österreich und eine Vorauswahl geeigneter

Partnergebäude in anderen Ländern zu treffen.

Wie im Abriss aufgeführt, können die möglichen Gebäude in anderen Ländern anhand

verschiedener Kriterien ausgewählt werden. Diese Kriterien werden ausgewählt, weil sie

ungewöhnlich, einprägsam, leicht verständlich sind und zum Nachdenken anregen. Natürlich

sind diese Kriterien nicht exklusiv, und eine Verpartnerung sollte auf mehr als einem Kriterium

gleichzeitig basieren. Je mehr Merkmale sie gemeinsam haben, umso mehr spricht dafür, sie zu

verpartnern:

1. Beide Gebäude wurden im selben Jahr erbaut.

2. Beide Gebäude haben beträchtliche Mengen an Material, Funktionen und im Design

gemeinsam.

3. Bei beiden Gebäuden gibt es vergleichbare Probleme bei der Erhaltung.

4. Die Namen beider Gebäude oder die Namen ihrer Architekten beginnen mit dem

gleichen Buchstaben (das funktioniert im Prinzip nur, wenn die Namen beider

Gebäude aus mindestens zwei Wörtern bestehen und beide mit dem gleichen

Buchstaben beginnen).

5. Ihre Besitzer oder Architekten teilen wesentliche Eigenschaften.

6. Beide Gebäude haben die gleiche Farbe (falls die Farbe markant ist).

Sicherlich können weitere Kriterien zu dieser Liste hinzugefügt werden. Jedoch sollten die

Gebäude nicht anhand unauffälliger Kriterien ausgewählt werden, wie z.B. allgemeine

Funktionen (z.B. beide sind Museen), gleiche Bauzeit (z.B. beide wurden im neunzehnten

Jahrhundert erbaut: ein genaues Jahr ist eine interessante Geschichte. Wenn jedoch zwei

Gebäude aus dem gleichen Jahrhundert oder dem gleichen Jahrzehnt stammen, ist das

weniger interessant) oder gemeinsame Grundmerkmale (z.B. beide sind große öffentliche

Gebäude).

Falls gewünscht, kann die Vorauswahl der in Frage kommenden Gebäude basierend auf einer

engeren Auswahl von in Frage kommenden Ländern getroffen werden: dies könnte auf

bestehenden Beziehungen mit diesen Ländern oder einem Wunsch nach engeren Bindungen

mit den Ländern basieren.

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Nach Beratung mit einer größeren Gruppe von Diplomaten, Experten für die Entwicklung im

Ausland, Experten aus den Bereichen Architektur und Erhaltung, Historikern, Kuratoren und

Medienexperten kann die Vorauswahl der in Frage kommenden Gebäude zu einer engeren

Wahl zusammengefasst werden. Dann können die für die Gebäude in der engeren Auswahl

zuständigen, ausländischen Behörden kontaktiert werden, um das Potential einer

Zusammenarbeit zu erkunden: im ersten Fall ein grundlegendes Interesse am Potential einer

Verpartnerung mit einem österreichischen Gebäude, und im zweiten Fall ein geteiltes

Interesse an einem oder mehreren der folgenden Kriterien:

- Erhaltung oder andere technische Schwierigkeiten

- Finanzierungsprobleme, u. a. Marketing, Mittelbeschaffung, Sponsoring und

Eintrittsgelder

- Veränderungen in der Nutzung (z.B. von einer religiösen zu einer weltlichen Nutzung

oder andersherum)

- Entwicklung, Umbau, Modernisierung oder Vergrößerung, um einer Veränderung der

Nutzung oder Bedarfsänderung gewachsen zu sein

- Probleme im Bildungsbereich (z.B. Information der Besucher über den historischen

oder sozialen Kontext des Gebäudes oder seines ursprünglichen Zwecks)

Nachdem diese gemeinsamen Interessen geklärt wurden und eine grundlegende Vereinbarung

bezüglich der Verpartnerung getroffen wurde, können Treffen der für beide Gebäude

zuständigen Behörden stattfinden, in denen die Bedingungen der Partnerschaft erörtert

werden.

Arbeitsgruppe B ist die Technologie- und kreative Gruppe. Ihre Hauptfunktion besteht in der

Konzipierung, Beurteilung und Planung der erkennbaren Symbole der Verpartnerung. Zu den

Mitgliedern dieser Gruppe sollten Personen mit Fachkenntnissen gehören, also Architekten,

Designer, Techniker, Eventmanager, Künstler, IT-Spezialisten usw. Abhängig von den

entwickelten Initiativen kann es wünschenswert sein, zu einem späteren Zeitpunkt weiter

spezialisierte Experten hinzuzuziehen.

Die von mir empfohlenen Symbole, der Audiovideo-Boden und die illustrative Gebäudehülle,

sind zwei Beispiele der Art von Maßnahmen, die ich empfehlen würde: sie sind technisch

machbar und relativ kostengünstig und trotzdem außergewöhnlich und auffällig genug, um die

Medien zu Berichten zu veranlassen, ohne dass hohe zusätzliche Ausgaben für PR und andere

Werbemaßnahmen erforderlich sind. Dies sind Beispiele für die Art von Initiative, über die

Leute anschließend in ihren Netzwerken berichten würden, und die infolgedessen

selbstständig Effekte von viralem Marketing erzielen könnten.

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Die erste Aufgabe der Arbeitsgruppe B sollte eine Reihe von kreativen Brainstormings sein, um

zahlreiche einzigartige technische Initiativen dieser Art zu entwickeln. Anhand dieser kann

dann eine engere Auswahl getroffen werden, die anschließend zur Beurteilung der Kosten und

der generellen Durchführbarkeit an die zuständigen internen oder externen Anbieter

weitergegeben wird.

4. Treuhandfonds für die Rechtsstaatlichkeit

Das BMeiA-Team, von dem dieser Vorschlag stammt, hat bereits einen vorläufigen

Ausführungsplan für diese symbolische Aktion ausgearbeitet. Die weitere Entwicklungsarbeit

sollte am besten unter fortlaufender Beaufsichtigung ausgeführt werden.

Natürlich müssen weitere Fachleute zu diesem Projekt hinzugezogen werden, u. a. Rechts- und

diplomatische Experten, Personen mit Erfahrungen bezüglich internationaler Gesetze und

Personen, die für multilaterale Institutionen tätig sind oder waren. Es sollte sicher über eine

Zusammenarbeit mit existierenden internationalen Rechtsorganisationen und -institutionen

wie dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, den zuständigen Gremien der

Vereinten Nationen, dem Internationalen Strafgerichtshof und anderen nachgedacht werden.

Die Ernennung einer international bekannten Persönlichkeit aus der Rechtswelt als Sprecher

und Verfechter der Initiative wäre sicher hilfreich, um der Initiative zu einem guten Profil zu

verhelfen. Der gewöhnliche Umfang an White Papers, regelmäßigen Veröffentlichungen,

Konferenzen und Auszeichnungen, interaktiven Hilfsmitteln, Indizes und Forschung verhilft

dem Projekt zu zusätzlicher Aufmerksamkeit.

Jedoch werden letztendlich nicht die herkömmlichen Marketingmaßnahmen, sondern eher

beeindruckende Fallstudien den Erfolg und Ruf dieser symbolischen Aktion bestimmen. Ein

bestimmter Anteil an jedes Jahr übernommenen Fällen sollten genau unter Berücksichtigung

dieses Ziels angenommen werden.

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TEIL VIER: SYSTEME UND STRUKTUREN

Anmerkung zum Einsatz von Kreativteams

Das Projekt Competitive Identity hat zweifelsfrei bestätigt, dass das Kreativteam-Format, das

politische Maßnahmen, Produkte, Menschen und Projekte (oder „Dinge“, wie ich sie nenne) in

symbolische Aktionen umwandelt und diese Initiativen dann an die Verantwortlichen zur

Ausführung zurück leitet, ein effektives und robustes System ist.

Dabei stellen sich drei Herausforderungen für die erfolgreiche Durchführung dieses Prozesses:

(1) Die Qualität des Kreativteams und folglich dessen Ergebnisse sind ein wichtiger Faktor,

genau wie für jedes in der Kreativwirtschaft tätige Unternehmen.

(2) „Normalisierung“, Missverständnisse, Fehlkommunikation oder unzureichende

Durchführung der kreativen Ideen müssen verhindert werden, nachdem sie vom Kreativteam

an die Verantwortlichen der jeweiligen Initiativen abgegeben wurden.

(3) Die Kapazität des Systems muss erweitert werden, damit Österreich die nötige Anzahl

symbolischer Aktionen durchführen kann, um sich ein auffälligeres und positiveres Profil auf

internationaler Ebene zu erarbeiten.

Diese drei Herausforderungen sind wesentlich und erfordern sorgfältig konzipierte Strukturen

und Einstellungsverfahren, um sie zu meistern. Darüber hinaus ist auch ein kultureller Wandel

innerhalb der staatlichen Strukturen notwendig, da Kreativität und Einfallsreichtum momentan

nicht ausreichend gewürdigt werden (was bei Behörden selten der Fall ist). Die Bedeutung von

Kreativität muss richtig anerkannt und gefördert werden. Außerdem müssen entsprechende

Anreize geschaffen werden. Diese Veränderungen werden allerdings nicht über Nacht

herbeigeführt werden können.

Ursprünglich hatte ich zwei mögliche Modelle vorgeschlagen, um diese Herausforderungen zu

meistern: eine zentralisierte und eine dezentralisierte Struktur.

Die zentralisierte Struktur wird unten als Diagramm dargestellt und sieht Folgendes vor: die

zentralisierte Sammlung geeigneter Projekte, politischer Maßnahmen und Menschen in allen

Sektoren; die kreative Umsetzung dieser Projekte in echte symbolische Aktionen; und die

zentralisierte Unterstützung seitens der Regierung für die Implementierung und internationale

Einführung. Darüber hinaus birgt sie das Potential für die zentralisierte Entwicklung und

Erstellung völlig neuer symbolischer Aktionen.

Als Teil dieser Einheit sollte eine Kreativabteilung (das Ideenlabor) eingerichtet werden, die mit

innovativen Freiberuflern unter interner Management- und Kreativleitung arbeitet. Die

erarbeiteten Resultate sollten auf diese Weise stets neuartig bleiben und die Einheit kann je

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nach Anforderungen erweitert oder verkleinert werden. Meine Erfahrung bei der Einstellung

kreativer Fachleute in Behörden anderer Länder hat gezeigt, dass langfristige Verträge selten

die gewünschten Ergebnisse erzielen. Die fundamental andere Arbeitskultur resultiert relativ

schnell in Inspirationsverlust oder der Abwanderung des kreativen Personals. Dagegen hat sich

der Einsatz von kreativen Köpfen, die nicht fest oder nur kurzzeitig engagiert werden, bewährt.

Diesem zentralisierten Modell zufolge würden die meisten oder sogar alle neuen politischen

Maßnahmen idealerweise kurz nach ihrer Entwicklung durch die Kreativabteilung laufen und

dort darauf geprüft werden, ob sie in echte symbolische Aktionen umgewandelt werden

können. Es gibt keinen Grund, warum dasselbe Team nicht auch auf eigene Initiative neue

Maßnahmenvorschläge entwickeln sollte, ähnlich wie „Skunkworks“7 in einigen

Großunternehmen neue Produktideen durch Brainstorming entwickeln.

Die Besprechung abgeschlossener symbolischer Aktionen mit den Projektverantwortlichen und

Initiatoren kann periodisch in Form eines Ideenmarktes, wie ich es nenne, geschehen. Im

Gegensatz zu Einzelgesprächen präsentieren die Mitglieder des Kreativteams ihre Ideen einer

größeren Gruppe, bestehend aus Zuhörern aus Ministerien, Agenturen und Organisationen des

privaten Sektors. Dieses Vorgehen fördert Querdenken und einen wechselseitig befruchtenden

Gedankenaustausch, was oft zu überaus produktiven, neuen Kooperationen führt.

Ich habe außerdem eine dezentralisierte Struktur vorgeschlagen, welche die Anstellung eines

Creative Directors vorsieht, der für den Aufbau und Betrieb eines internen Kreativteams in

jedem der Ministerien und Agenturen verantwortlich wäre. Diese Kreativteams wären für die

Entwicklung von Ideen und die Beaufsichtigung ihrer Implementierung zuständig, die spezifisch

für die Projekte des jeweiligen Ministeriums erarbeitet wurden. Der Creative Director könnte

je nach Bedarf freie Mitarbeiter für die Entwicklung neuer Ideen einsetzen. Wie bereits

erwähnt empfehle ich ein kurzzeitiges Engagement freiberuflicher Experten anstatt ein

Kreativteam im Haus fest anzustellen.

Der Vorteil des dezentralisierten Ansatzes liegt darin, dass er den Ministerien und Agenturen

keinen bestimmten Prozess vorschreibt, sondern es ihnen ermöglicht, in ihrem eigenen Tempo

die für sie geeignetste, neue kreative Arbeitsweise zu entwickeln. Der Nachteil ist, dass dieses

Vorgehen höchstwahrscheinlich kostenintensiver, schwerer zu kontrollieren sowie langsamer

umzusetzen ist und in den Sektoren und Ministerien eher zu mehr Problemen mit

7

Ein „Skunkworks“ ist eine Gruppe von Menschen, die außerhalb der gewohnten Regeln an einem Projekt arbeiten,

um ungewöhnliche Resultate zu erzielen. Oftmals handelt es sich hierbei um ein kleines Team, das die Verantwortung für die Entwicklung einer Sache innerhalb eines kurzen Zeitraums und mit minimalen Verwaltungszwängen übernimmt oder übertragen bekommt. Ein „Skunkworks“ hat typischerweise nur wenige Mitglieder, um den Kommunikationsaufwand gering zu halten. Es wird manchmal bei der Erarbeitung eines Produktdesigns eingesetzt, das später dem üblichen Prozess gemäß entwickelt wird. Der Begriff geht auf den Comicstrip „Li'l Abner“ von Al Capp zurück, wo in der Fabrik Skunk Works Stinktiere zu einem unbekannten Produkt weiterverarbeitet werden.

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uneinheitlichem und von der Strategie abweichendem Verhalten führt als dieses zu

reduzieren.

Nach Abwägung der Vorzüge beider Herangehensweisen wurde beschlossen, dass die

zentralisierte Struktur in Österreichs Fall vorzuziehen ist.

Strukturen: Nationale Marketingagentur

Das folgende Diagramm zeigt die typische Struktur einer nationalen Marketingagentur und

wurde im Rahmen des fünften Besuchs zur Diskussion gestellt.

Der Magnet

Diese Einheit ist dafür verantwortlich, Talent anzuziehen, was auf zwei verschiedene Arten

geschehen kann: durch die Suche auf dem Markt und aktive Anwerbepolitik.

Den Markt abzusuchen, beinhaltet die Medienbeobachtung auf sehr lokaler Ebene (bis hin zu

Schul-Newslettern und Kirchenblättern). Im Grunde genommen ist diese Aktivität reine

Talentsuche.

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Eine aktive Anwerbepolitik umfasst die Schaltung von Werbung, die Durchführung von

Aktionen, Medienauftritten, Konferenzen, Wettbewerben und anderer Anreize, die auf lokaler

und nationaler Ebene die Mitwirkung an einem Projekt anregen. Es empfiehlt sich, im

gesamten Land auf sehr lokaler Ebene „Agenten“ einzusetzen, um diese Aufgaben des

Magneten zu erfüllen.

Die Erstellung einer „Brookenbower-Projekt“-Webseite wäre ein wichtiger Bestandteil der

aktiven Anwerbepolitik des Magneten innerhalb Österreichs. Sie dient dazu, Menschen zu

animieren, ihre Brückenbau-Ideen und -Projekte bei der Nationalen Marketingagentur

einzureichen.

Das Ideenlabor

Diese Einheit ist der Kreativabteilung einer Werbeagentur ähnlich, sollte aber mit kreativen

Fachleuten aus verschiedenen Industrien und Sektoren besetzt werden, u. a. aus

Marketingkommunikation (PR, Werbung, Direktmarketing, Marken, Design, usw.), Kunst, Film,

Produktdesign, Architektur und anderen kreativen Industrien. Die Leitung sollte einem

Creative Director unterstehen. Seine zwei Hauptaufgaben sind: (1) den kreativen Inhalt der

vom Magneten angezogenen Vorschläge zu bewerten und (2) eigene Ideen zu entwickeln.

Wie alle Kreativabteilungen muss auch das Ideenlabor sorgfältig konzipiert werden und

erfordert die richtigen Menschen, das richtige Ambiente, die richtigen Anweisungen und die

richtigen Anreize. Mit der Entwicklung, dem Aufbau und Management einer solchen

Einrichtung sollte nur jemand beauftragt werden, der eine erwiesene Erfolgsgeschichte in der

Errichtung und Führung einer Weltklasse-Kreativabteilung vorweisen kann.

Das Ideenlabor sollte in regelmäßigen Abständen die besten und hellsten Köpfen aus dem

öffentlichen und privaten Sektor sowie der Zivilgesellschaft zusammenbringen und deren

Ideenaustausch fördern. Viele erfolgreiche Ideen sind nicht unbedingt neu, sondern wurden

lediglich von einem Sektor oder Industriezweig auf einen anderen übertragen, wo sie in

unerwarteter Weise gediehen. Diese „Entdeckungs-Veranstaltungen“ können hochgradig

produktiv sein und unseren Unternehmern dabei helfen, sich gegenseitig zu beraten, zu

unterstützen und Erfahrungen auszutauschen.

Das Ideenlabor sollte darüber hinaus auch eigene Ideen entwickeln. Mitunter können dies

reine Förderkonzepte sein, die finanzielle Unterstützung seitens der Regierung oder

Privatwirtschaft erfordern. In den meisten Fällen wird es sich aber um wirtschaftlich

tragfähige, soziale, kulturelle, industrielle, akademische oder politische Maßnahmen-Projekte

handeln. Das Ideenlabor sollte regelmäßige „Idea Dumps“ veranstalten, bei denen alle Ideen

auf den Tisch kommen und Unternehmern, etablierten Firmen, Risikokapitalgebern,

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Universitäten, Hochschulfakultäten und anderen Interessenten zur Durchführung angeboten

werden. Selbstverständlich mit der gewohnten Unterstützung durch das Ideenlabor und die

Support-Einheit.

Hin und wieder kann das Ideenlabor auch selbst Verantwortung für einige dieser Ideen

übernehmen und sie implementieren, wenn sie für wichtig genug erachtet werden. In solchen

Fällen kann es sinnvoll sein, die Implementierungs-Einheit einzurichten und ins Spiel zu

bringen.

Österreichs Ruf wird sowohl von „gewöhnlichen“ kreativen Ideen als auch von gelegentlichen,

einflussreicheren symbolischen Aktionen geprägt werden. Das Ideenlabor sollte vierteljährlich

„Symbolische Aktionstage“ abhalten, an denen diese ehrgeizigeren Projekte entwickelt

werden. Die hierfür benötigte Kreativität erfordert ein ganz besonderes Umfeld. Es sollte

unmissverständlich klar gemacht werden, dass Österreichs Zukunft in diesen Sitzungen

geschmiedet wird. Gastbeiträge aus unterschiedlichsten Bereichen sind ein entscheidender

Bestandteil dieses Prozesses.

Die Weiterleitung von Ideen vom Magneten zur Support-Einheit ist eine weitere wichtige

Funktion des Ideenlabors. Hierbei geht es darum zu analysieren, was ein Projekt benötigt, um

„Exportqualität“ zu erreichen, und es anschließend mit einer Reihe von Empfehlungen an die

Support-Einheit abzugeben.

Diese Entscheidungen können mithilfe eines einfachen operativen Fragebogens getroffen

werden, der einen Leitfaden für die Evaluierung neuer Ideen darstellt.

a. Der Missionsfilter (Steht sie im Einklang mit der Brückenbauer-Strategie und

passt zu Österreichs zukünftigem Engagement)

b. Der Identitätsfilter (Passt sie zu den langfristiger Werten des „österreichischen

Modells“ wie oben beschrieben)

c. Handelt es sich um eine gute Idee? (Diese scheinbar einfache Frage kann nur

von sehr erfahrenen Kreativen und Geschäftsleuten zuverlässig beantwortet

werden)

d. Wird der menschliche Faktor berücksichtigt? (Haben die Frontpersonen des

Projektes genügend „Starqualität“, um wahre „Gesichter Österreichs“ im

Ausland zu sein oder können sie, falls nicht, gemeinsam mit Personen, die

Starqualität aufweisen, eingesetzt werden?)

e. Ist sie für Konsumenten anderer Länder relevant? (Handelt es sich lediglich um

„Nation Branding“, wobei Österreich lokale Initiativen fördert, die nicht klar

mit den Bedürfnissen anderer Länder korrespondieren? Dann sollte die Idee

verworfen werden.)

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f. Ist sie Weltklasse? („Gut für Österreich“ oder „Macht uns stolz“ ist nicht gut

genug. Die Idee muss mit der Weltspitzenklasse verglichen werden können.)

g. Hat sie eine verändernde Wirkung auf das Meinungsbild? (Mit anderen

Worten, werden bestehende Vorurteile bestätigt oder in Frage gestellt? Im

ersten Fall sollte die Idee umgehend verworfen werden.)

h. Untrennbarer Ursprungsland-Effekt (mit anderen Worten, wie kann

sichergestellt werden, dass die Assoziation „Made in Austria“ dauerhaft

erzeugt wird?)

i. Was wird von uns benötigt? (Finanzen, Organisation, Menschen, Marketing,

Networking, gegenseitige Ideenbereicherung, usw.)

Die Support-Einheit

Die Support-Einheit dient dazu, entweder aus eigenen Ressourcen oder unter Einsatz eines

externen Netzwerks, jedwede Unterstützung zu leisten, die das Ideenlabor (oder die Support-

Einheit selbst) für die erfolgreiche Durchführung eines Projekts im In- und Ausland für nötig

befindet. Das kann Buchhaltung, Finanzen, Management, Personalwesen, Marketing, Design,

juristische Dienste, Immobilien, usw. beinhalten.

Idealerweise kann die Nationale Marketingagentur vielversprechende Ideen aus ihrem eigenen

Entwicklungsfond durch die Support-Einheit selbst finanzieren oder zumindest das Startkapital

für die Umsetzung der besten Ideen aufbringen. Falls in den Anfängen beides noch nicht

möglich sein sollte, sind ausgezeichnete Beziehungen zu nationalen und internationalen

Finanziers und Risikokapitalfonds unerlässlich. Die Nationale Marketingagentur sollte sich bei

externen Geldgebern mit der Unterstützung von Gewinnern einen zuverlässigen Namen

machen und so Glaubwürdigkeit und ihr Vertrauen gewinnen. Über eigene Mittel zu verfügen,

wird der Nationalen Marketingagentur enorm dabei helfen, ihre Vertrauenswürdigkeit unter

Beweis zu stellen und sich als Anlaufstelle für Menschen mit geeigneten Projekten oder Ideen

zu etablieren. Letztendlich wird sich die Nationale Marketingagentur aber bei Unternehmern,

externen Finanziers, Abnehmern, Exporteuren, usw. nur durch Erfolge einen guten Ruf

erarbeiten können.

Die Support-Einheit sollte in der Lage sein, vielversprechende Initiativen, subventioniert oder

kostenlos, auf hohem Niveau, professionell zu beraten. Dies sollte u. a. Fragen zum geistigen

Eigentumsrecht und andere Formen der Rechtsberatung, Marketing, Buchhaltung, Export

sowie Personalwesen mit einschließen.

Gleichermaßen wichtig sind gute Verbindungen zu Importeuren und Agenten im Ausland sowie

Angebote von Exportförderungsagenturen und Handelskammern. Über formelle,

professionelle Beratungen hinaus, sollten jungen und erfahrenen Unternehmern aus allen

Bereichen Gelegenheiten zum Networking geboten werden. Dies sollte die Möglichkeit der

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Beratung durch „Ehemalige“ der Nationalen Marketingagentur, Partnerschaften zwischen

neuen und bestehenden sowie „Adoptionen“ neuer Unternehmen mit einschließen.

Patenschaften, in deren Rahmen erfahrene Manager als Mentoren und Ratgeber an Projekte

„ausgeliehen“ werden, können ein weiteres nützliches Angebot der Support-Einheit darstellen.

Die Nationale Marketingagentur muss daher ein gutes Arbeitsverhältnis mit Spitzenmanagern

in Österreich aufbauen, so dass diese bereit sind, ein paar Tage im Jahr vielversprechenden

Start-Up-Unternehmen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und möglicherweise sogar

langfristig Vorstandsposten in diesen Organisationen zu übernehmen.

Die meisten Projekte werden strategische Beratung und Unterstützung für die

Selbstvermarktung in Österreich und dem Ausland benötigen. Die Support-Einheit kann hierbei

unter Einsatz des Medienzentrums direkt helfen.

Über die Suche nach neuem und bestehendem Talent hinaus, ist die gesamte Nationale

Marketingagentur dafür verantwortlich, einen beständigen Nachschub an neuem Talent und

guten Ideen in allen Sektoren sicherzustellen und dafür zu sorgen, dass vielversprechende

Ideen die bestmöglichen Chancen haben, anhaltenden Erfolg zu erzielen.

Österreich wird eine Competitive Identity nur aufbauen und aufrecht erhalten können, wenn

Innovation in der Gesellschaft wertgeschätzt und gepflegt wird. Dies kann durch die Förderung

des Innovationsbegriffs und dessen Anwendung in der Wissenschaft, auf Veranstaltungen,

durch Wettbewerbe, Medien und viele andere Wege geschehen. Am wichtigsten ist es

allerdings, die Ausübung von Kreativität und Innovation sowie deren Wertschätzung bereits

auf Volksschulebene im Bildungssystem zu verankern.

Das Medienzentrum

Der Schwerpunkt dieses Projekts liegt stärker auf der Entwicklung von Substanz als auf

Kommunikation. Dennoch habe ich viele Anmerkungen von Teilnehmern erhalten, die darauf

hinwiesen, dass Österreich sich im Umgang mit internationalen Medien schwer tut. Einige

Sektoren sind hierbei zwar recht erfahren, vieles scheint aber eher reaktiv als proaktiv zu

verlaufen und der von privatem und öffentlichem Sektor sowie den verschiedenen Branchen

gepflegte Umgang mit den Medien ist sehr uneinheitlich.

Der Aufbau eines nationalen, zentralisierten Medienzentrums, das allen Partnern in der

Competitive Identity-Struktur zur Verfügung steht, sollte unbedingt in Betracht gezogen

werden. Sie würde als alleinige Anlaufstelle für alle ausländischen Medien fungieren, die sich

in irgendeiner Form mit Österreich befassen und auf diese Weise dabei helfen, die

Botschaften, die vom Land an ausländische Medien ausgehen, zu harmonisieren. Für den Fall

negativer Schlagzeilen sollte das Medienzentrum über kultiviertes und mehrsprachiges

Krisenmanagement verfügen. Dies könnte innerhalb eines angemessenen Zeitraums die

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Berichterstattung präzise widerlegen, einheitliche und verantwortungsvolle Stellungnahmen

der Schlüsselpersonen herausgeben und dafür sorgen, dass die Medien mit Österreich so

einheitlich und respektvoll wie möglich umgehen.

Das Medienzentrum ist auch für die Beobachtung internationaler Medien in Bezug auf alle

wesentlichen Nennungen Österreichs verantwortlich, um Probleme frühzeitig identifizieren zu

können und die Beteiligten bei der Entwicklung einer einheitlichen und effektiven Strategie im

Umgang mit der jeweiligen Angelegenheit zu unterstützen.

Es ist sinnvoll, das Medienzentrum auch für die Leistungskontrolle des Competitive Identity-

Projekts einzusetzen, da sie über Werkzeuge zur Medienbeobachtung und andere Formen der

Meinungsumfrage sowie Ressourcen und Fachwissen in der Forschung verfügen wird. Das

bedeutet unter anderen, dass sie die Verwaltung des Anholt-GfK Roper Nation Brands

IndexSMund anderer Umfrageinstrumente übernehmen würde, die sich mit der Erfassung und

Bewertung von Österreichs internationalem Image befassen.

Das Medienzentrum sollte sich auch mit der Möglichkeit befassen, den Datenaustausch

zwischen den Hauptkommunikatoren des Landes zu koordinieren (Fremdenverkehrsamt,

Investitionsförderungsagentur, Hauptexporteure, Außenministerium, usw.) und eventuell

sogar Qualitätskontrollen vorzunehmen, die Zustimmung aller Beteiligten vorausgesetzt. Durch

den gebündelten Einkauf von Medien, den Aufbau einer gemeinsamen nationalen

Bilddatenbank für qualitativ hochwertige Fotos von Österreich und ähnliche Ansätze kann von

Skaleneffekten profitiert werden. Dies sollte zu Kosteneffizienz der Einheit und folglich

Kostenersparnissen für ihre Partner führen.

Die Nationale Marketingagentur als „Markenfabrik“

Eine der wichtigsten Aufgaben der Nationalen Marketingagentur ist die Förderung neuer

Exportmarken „Made in Austria“.

Da Markenartikel und Dienstleistungen, insbesondere Konsumgüter, entscheidende Vektoren

des nationalen Image sind, ist es sinnvoll, bei der Entwicklung einer Industriepolitik dafür zu

sorgen, dass die Schaffung dieser Marken aktiv gefördert und erleichtert wird. Wenn das

Herkunftsland in den Köpfen der Konsumenten explizit und stark mit bestimmten Marken

verknüpft ist, sind diese mit Sicherheit die effektivste Form „informeller Botschafter“, die die

globalisierte Welt zu bieten hat.

Aus diesem Grund ist es eine wichtige Tätigkeit der Nationalen Marketingagentur, die

Unterbreitung von Vorschlägen bezüglich neuer, verbrauchernaher Exportmarken zu fördern,

und die Entwicklung, den Export und das Marketing dieser Marken in den kommenden Jahren

zu unterstützen. Ziel ist dafür zu sorgen, dass Österreich in den nächsten Jahren bei

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Konsumenten weltweit von mehr als nur Red Bull und Swarovski repräsentiert wird. Österreich

könnte letztendlich von mehreren Marken in jedem Produkt- und Dienstleistungssektor

vertreten werden.

Überblick: Funktion der Nationalen Marketingagentur

Die Funktion der Nationalen Marketingagentur ist also: Österreich in die Lage zu versetzen, die

innovativen Projekte und Menschen zu identifizieren, zu fördern, zu unterstützen und zu

befähigen, die am besten die Qualitäten des Landes herausstellen, die wir der Welt zeigen

wollen.

Kommunikation ist selbstverständlich ein entscheidendes Werkzeug für den Erfolg der Projekte

im Ausland. Dies ist aber nicht die Hauptfunktion der Nationalen Marketingagentur. Sie ist eine

Talentagentur, Brutstätte und Projektkoordinatorin, keine Werbeagentur. Es ist davon

auszugehen, dass die meisten Projekte ihre eigenen Marketingstrategien, Kampagnen und

Geschäftspläne haben werden. Diese werden für gewöhnlich nicht von der Nationalen

Marketingagentur, sondern von geeigneten Fachleuten durchgeführt werden.

Darüber hinaus sollte die Nationale Marketingagentur das Land hinsichtlich wichtiger und

charakteristischer Fakten genau beobachten. Unter Verwendung derselben Auswahlkriterien,

wie für geeignete Projekte vorgestellt, kann sie Fakten über Land, Leute und Institutionen

identifizieren, die im Ausland Interesse wecken sowie Bewusstsein und Wissen aufbauen

werden. Das Medienzentrum würde hierbei als Kommunikationsagentur fungieren (ähnlich

einer PR-Agentur und weniger wie eine Werbeagentur) und sich darum bemühen, dass diese

Themen in internationalen Medien behandelt würden. Solche Fakten sind ein nützliches

Mittel, um „Lücken“ zwischen Projekten zu füllen und den „kontinuierlichen Strom

bemerkenswerter Zeugnisse“ wie oben beschrieben, aufrecht zu erhalten.

Ich habe auch auf die Möglichkeit hingewiesen, nach ein oder zwei Jahren erfolgreicher

Projektentwicklung eine oder mehrere internationale oder multinationale PR-Kampagnen in

Auftrag zu geben. Diese sollen der Öffentlichkeit in anderen Märkten dabei helfen, die

Verbindung zwischen den Projekten zu ziehen, mit denen sie in Berührung gekommen sind,

und das Gesamtbild zu erkennen, das diese Projekte von Österreich zeichnen.

Dabei sollte der Schwerpunkt immer auf Kommunikationskanäle gelegt werden, die als

vertrauenswürdig und legitim gelten, wie z.B. Dokumentationen statt Werbespots, Kunst und

Kultur statt Kommerz und Bildung statt Werbung. Diese Art der Darstellung sollte allerdings

nur eine Zusatzfunktion sein und darf die wahre Aufgabe der Nationalen Marketingagentur,

nämlich Fakten zu belegen, niemals ersetzen oder als einfacherer Weg zum selben Ziel

missverstanden werden.

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Der Aufbau eines guten Rufs erfolgt durch Beweise und nicht durch bloßes Beschreiben. Dieses

Grundprinzip muss in der Arbeit und Kommunikation der Nationalen Marketingagentur

permanent untermauert werden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass wir dazu übergehen,

nur noch rein deskriptive Tätigkeiten durchzuführen und so genanntes „Nation Branding“ zu

betreiben, was nicht im Einklang mit den für dieses Projekt definierten Zielen steht.

Interne Kampagne

Ein Teil des Projektes, auf den diese Prinzipien nicht direkt zutreffen, ist die Interne Kampagne.

Hierbei wird die einheimische Öffentlichkeit direkt angesprochen, um sie über die Arbeit der

Nationalen Marketingagentur zu informieren und hierfür zu begeistern. Sobald die Nationale

Marketingagentur geschaffen wurde und betriebsbereit ist, sollte diese Kampagne eingeführt

werden.

Die Hauptfunktionen der Internen Kampagne sind:

1. Österreicher über das Bestehen und den Zweck der Nationalen Marketingagentur zu

informieren

2. Ihnen zu zeigen, dass sie das Mittel zum Aufbau der kompetitiven Identität Österreichs

sind

3. Mehr Motivation und Stolz zu erzeugen, indem Beispiele von Österreichern genannt

werden, die bereits dabei helfen, Österreichs internationalen Ruf zu verbessern

4. Österreicher zu ermutigen, der Nationalen Marketingagentur ihre Ideen vorzustellen

Dabei ist es selbstverständlich notwendig, einige beschreibende Techniken zu verwenden, vor

denen ich in anderen Zusammenhängen gewarnt habe, wie z.B. die Vorstellung von Menschen

und Projekten, die bereits großartige Dinge für Österreich tun. Der Unterschied ist hier

natürlich, dass wir nicht versuchen, die Ansichten einer gleichgültigen ausländischen

Öffentlichkeit zu ändern, sondern Interesse und Begeisterung unter Österreichern zu wecken.

In diesem Kontext ist eine solche Arbeit nicht nur angemessen, sondern auch notwendig.

Besondere Projekte

Zusätzlich zur Einrichtung der Nationalen Marketingagentur halte ich es für Österreichs

langfristige Competitive Identity-Strategie für empfehlenswert, zwei beträchtliche,

sektorspezifische Projekte innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre in Angriff zu nehmen. Die

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folgenden zwei besonderen Projekte erachte ich für den Aufbau eines soliden, dauerhaften

und positiven internationalen Images Österreichs für sinnvoll und notwendig:

1. Sicherzustellen, dass Österreich über ein vernetztes Amt für kulturelle Beziehungen

mit Weltklasse-Strategie verfügt, damit es sich als eine der weltweit zehn besten

Standorte des Kulturerbes etablieren kann. Hierfür wäre die Verknüpfung staatlicher

und privater Institutionen wichtig.

2. Innerhalb des Außenministeriums ein Amt für weltweite öffentliche Diplomatie der

Spitzenklasse zu entwerfen und aufzubauen, das den Besten der Welt das Wasser

reichen kann.

Natürlich können die Konzeption und Entwicklung eines neuen Amts für öffentliche Diplomatie

und überarbeitete Rahmenrichtlinien für kulturelle Beziehungen des österreichischen

Außenministeriums nicht Teil dieses Projekts sein. Beide Punkte erfordern weitreichende

organisatorische Veränderungen. Dennoch habe ich für das aktuelle Projekt einige

Grundprinzipien für die Durchführung dieses Prozesses und weitere operative Hinweise

zusammengetragen.

Öffentliche Diplomatie

Auch wenn Österreichs diplomatischer Dienst berechtigterweise hoch angesehen wird, sind die Tätigkeiten im Bereich öffentlicher Diplomatie weltweit eher uneinheitlich. Sie hängen von den Fähigkeiten individueller Diplomaten und ausländischer Vertretungen ab anstatt hinsichtlich Schulung, Planung, Implementierung und Bewertung öffentlicher Diplomatie einer formalen Struktur zu folgen. Dies stellt für Österreich eine Chance dar, in Bezug auf die Ausübung öffentlicher Diplomatie international in den Vordergrund zu treten, da bis jetzt nur wenige Länder entsprechende Maßnahmen umgesetzt haben. Meiner Ansicht nach ist dies in der heutigen Welt aber unerlässlich, möglicherweise besonders für kleinere Akteure wie Österreich. Da Österreich über wenig so genannte „Hard Power“ verfügt, um international Einfluss zu gewinnen, muss sich das Land dringend zu einem Akteur entwickeln, der „Soft Power“ wie öffentliche Diplomatie und kulturelle Beziehungen effektiv und selbstbewusst einsetzt. Öffentliche Diplomatie beruht auf der Erkenntnis, dass die öffentliche Meinung im Ausland für die Interessen des Landes genauso wichtig ist wie die Meinung der Elite. Diplomatie muss sich also um positive und produktive Beziehungen bemühen, die auf Vertrauen, Respekt, gegenseitigem Verständnis und Kenntnis bilateraler Beziehungen aufgebaut sind. Dies muss sowohl zwischen den Bevölkerungen als auch zwischen den offiziellen Vertretern dieser Länder geschehen. Öffentliche Diplomatie könnte und sollte eins der primären Instrumente beim Aufbau eines neuen Profils für Österreich im Ausland sein: engagierter, moderner, prinzipientreuer, aktiver

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und relevanter für die Menschen anderer Länder. Sie ist einer der primären Mechanismen anhand dessen sich die Competitive Identity-Strategie implementieren lässt. Damit Österreichs Tätigkeiten im Bereich öffentlicher Diplomatie zu einem koordinierteren und systematischeren Teil der diplomatischen Struktur des Landes gemacht werden können, ist auf organisatorischer Ebene innerhalb des Außenministeriums vermutlich nur die Einführung eines kleinen Sekretariats für öffentliche Diplomatie mit einem erfahrenen Vorstand notwendig. Alle Mitarbeiter im diplomatischen Dienst sollten in irgendeiner Form regelmäßige und erstklassige Schulungen im Bereich öffentlicher Diplomatie absolvieren, falls dies noch nicht der Fall sein sollte. Genau wie in Bezug auf kulturelle Beziehungen können die kreativen und strategischen Elemente einfach durch effektive Koordination mit der Nationalen Marketingagentur erzielt werden. Österreichs öffentliche Diplomatie sollte die folgenden zehn Grundsätze unterstützen: 1. Diplomatie befasst sich mit Streitfragen und Staatsgebieten In einer vernetzten und sich stetig verändernden Welt ist es oft sinnvoller Teams, Netzwerke und Fachwissen um gemeinsame Anliegen zu bilden als um Hauptstädte und Regionen (z.B. Klimawandel, Wirtschaftskrise, Einwanderung, Bildung, Arbeitsmarkt, usw.). Einige spezifische Aktionen oder Entwicklungen, die erwägenswert wären, um auf dieses Prinzip einzugehen, sind:

- Ernennung eines Sektor-Botschafters und/oder problemspezifischen Botschafters mit weitreichendem geographischen Mandat, verantwortlich für die Leitung und Koordination des globalen Netzwerks bezüglich des entsprechenden Sektors/Themas

- Aufbau einer flexiblen Struktur, die zügig und vorläufig an Probleme oder Ereignisse angepasst werden kann

- Regelmäßiges Engagement externer Experten, um von ihrem Wissen zu lernen - Letztlich sollte sogar neu darüber nachgedacht werden, wo Österreich wirklich eine

permanente Vertretung benötigt. 2. Kreativität ist unser stärkstes Werkzeug Wir beschäftigen uns mit einer Vielzahl von Menschen und miteinander im Wettbewerb stehenden Informationsquellen und Interessen. Kein Budget der Welt kann genug Medien kaufen, um die Aufmerksamkeit all dieser Menschen für unsere Botschaft zu erwecken. Die Fähigkeit, ihre Vorstellungskraft anzuregen, ist das einzige Mittel, das wirklich zählt. Einige spezifische Aktionen oder Entwicklungen, die erwägenswert wären, um auf dieses Prinzip einzugehen, sind:

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- Eine vom Außenministerium unabhängige, kreative Einheit mit eigenständiger Arbeitskultur und kreativ-denkenden Fachleuten könnte ähnlich wie das „PD Lab“ (Labor für öffentliche Diplomatie) entwickelt werden, einer Struktur, die ich 2008 für das Außen- und Commonwealth-Ministerium Großbritanniens entworfen habe

- Eine Kultur, die Einfallsreichtum lobt und Risiko honoriert - Der bewusste Einsatz von Personal aus unterschiedlichen Ländern fördert kreatives

Denken, besseres Verständnis des internationalen Umfelds und die Vermeidung von Gruppendenken

- Die betonte Trennung des kreativen Denkprozesses von rationalen Überlegungen, Problemlösung und insbesondere von der Hinterfragung der Durchführbarkeit

3. Die öffentliche Meinung ist ein Machtinstrument, kein Publikum Es wäre ein Fehler die öffentliche Meinung als passiven Empfänger für unsere Botschaften und politischen Maßnahmen misszuverstehen. Sogar in weit entfernten Ländern übt die Öffentlichkeit eine gewisse Macht über uns aus und formt so Österreichs Zukunft mit. Wir müssen daher bei der Entwicklung unseres „Produkts“ die Anforderungen und Aspirationen unserer „Konsumenten“ bedenken. Einige spezifische Aktionen oder Entwicklungen, die erwägenswert wären, um auf dieses Prinzip einzugehen, sind:

- Erster Schritt jeder Initiative sollte es sein, internationale Einstellungen, Meinungen und Sorgen zu recherchieren

- Gesinnungswandel und Werteveränderungen zu verstehen und sogar vorhersagen zu können, sollte zu einem Motor für politische Maßnahmen werden und nicht nur eine Technik für effektivere Kommunikation sein

- Aufbau eines teilweise unabhängigen Instituts oder einer Expertenkommission um diese Signale kontinuierlich identifizieren und interpretieren zu können, möglicherweise in Zusammenarbeit mit einem anderen Land

4. Relevanz bedeutet mehr als Erfolg „Endnutzer“ bewundern und vertrauen Ländern eher deshalb, weil sie ihnen relevant erscheinen und nicht, mit wenigen Ausnahmen, weil diese reich, erfolgreich oder sogar mächtig sind. Um Einfluss auszuüben ist es wichtiger, diese Bindung gegenseitiger Relevanz zu etablieren als lediglich unsere Attraktionen, Ressourcen und Erfolge darzustellen. Einige spezifische Aktionen oder Entwicklungen, die erwägenswert wären, um auf dieses Prinzip einzugehen, sind:

- Jede Initiative muss auf der Basis eines glaubwürdigen und gemeinsamen Anliegens oder Interesses konzipiert werden. Wo decken sich unsere Interessen mit denen unserer Gesprächspartner?

- Image-Bildung sollte ebenfalls auf der Basis eines gemeinsamen Anliegens betrieben werden: der Brückenbauer-Strategie.

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- Aktivitäten, die dazu dienen, Österreichs Vorzüge oder Erfolge herauszustellen, sollten auf der Basis gemeinsamer Ziele umgearbeitet werden.

5. Macht hat viele Facetten Akteure, die nicht zum Staatsapparat zählen, sind zahlreicher, komplexer und insgesamt mächtiger als die Regierungen anderer Länder. Unsere Diplomatie muss über die nötige Erfahrung, Fähigkeiten, Ressourcen, Ausstattung und Glaubwürdigkeit verfügen, um sich mit einer Gesellschaft in all ihren Ausprägungen und Gruppierungen auseinandersetzen zu können. Wir dürfen diese Zielgruppen nicht länger als zweitrangig gegenüber ausländischen Amtsträgern betrachten. Einige spezifische Aktionen oder Entwicklungen, die erwägenswert wären, um auf dieses Prinzip einzugehen, sind:

- Beamte, Führungskräfte und Einheiten mit spezifischer Erfahrung, Ausbildung, Glaubwürdigkeit und Mandat, kommunizieren kontinuierlich mit Nichtregierungsorganisationen; Industrie und Gewerbe; Zivilgesellschaft; Prominenten; Religionsgemeinschaften und deren Vertreter; Persönlichkeiten aus Unterhaltung, Sport und Medien; informellen Meinungsführern wie Blogger und deren Netzwerke; Gewerkschaften; akademischen Kreisen; Schulen; multilateralen Einrichtungen

6. Das Medium ist nicht die Botschaft Es wird fälschlicherweise oft angenommen, dass durch den Einsatz neuster Kommunikationstechnologien Glaubwürdigkeit und sogar Erfolg zu erzielen sei. Das Grundprinzip aber bleibt: egal wie einflussreich der Kommunikationskanal ist, entscheidend ist allein der Inhalt. Nur weil ein Kanal neu ist, heißt das noch lange nicht, dass er der richtige für uns ist. Einige spezifische Aktionen oder Entwicklungen, die erwägenswert wären, um auf dieses Prinzip einzugehen, sind:

- Engagement eines professionellen Medienplaners oder Experten für Kommunikationskanäle für die Zusammenarbeit mit allen Teams an allen Projekten

- Auswahl des geeignetsten Kommunikationskanals für die demographischen Profile und Medienkonsumgewohnheiten der jeweiligen Zielgruppe

- Vermeidung pauschaler Maßnahmen wie „alle Botschafter müssen Twitter-Accounts betreiben“

- Konzentration auf „verdiente Medien“ statt „gekaufte Medien“ 7. Taten sind wirksamer als Worte Wenn öffentliche Diplomatie zu einem Kommunikations-Zusatz für politische Maßnahmen wird, wird sie zur Propaganda und das kann in einer globalisierten Welt nicht funktionieren. Österreich sollte sich weniger darüber Gedanken machen, wie Taten kommuniziert werden

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können als darüber, was diese Taten aussagen. Öffentliche Diplomatie und Außenpolitik müssen als nahtlos ineinander übergehendes Ganzes wahrgenommen werden, ansonsten werden beide scheitern. Einige spezifische Aktionen oder Entwicklungen, die erwägenswert wären, um auf dieses Prinzip einzugehen, sind:

- Pläne und Diskussionen sollten sowohl politische Maßnahmen als auch Kommunikation beinhalten. Diese sollten nicht als separate Einheiten angesehen, geplant und besprochen werden.

- Symbolische Aktionen sollten im Vordergrund stehen, nicht Botschaften. - Beiträge, Projekte und Diskussionen, die ausschließlich auf Presse, öffentliche

Angelegenheiten, PR oder Kommunikation zugeschnitten sind, sollten abgeschafft werden und in die Entwicklung politischer Maßnahmen integriert werden.

8. Volle Kraft voraus Der proaktivere, langfristigere Aufbau von Beziehungen mit anderen Ländern sollte immer möglichst viele österreichische öffentliche und private Sektoren und Partner mit einbeziehen. Auf sich allein gestellt hat das Außenministerium wenig Chance die öffentliche Meinung im Ausland zu beeinflussen. Einige spezifische Aktionen oder Entwicklungen, die erwägenswert wären, um auf dieses Prinzip einzugehen, sind:

- Einrichtung regelmäßiger Foren, gemeinsamer Strategien und regelmäßiger Kommunikationskanäle zwischen Außenministerium und anderen Ministerien, privatem Sektor, Zivilgesellschaft, akademischen Kreisen, usw.

- Identifikation von Ländern gemeinsamen Interesses mit anderen Partnern und Schwerpunktlegung auf diese während eines festgelegten Zeitraums.

- Gezielte gegenseitige Bereicherung von Plänen, Ideen, Erfahrungen, Erfolgen und Misserfolgen über alle Sektoren; zentrale Bündelung der besten und schlechtesten Praktiken in einem einzigen System

- Entwicklung zu einer lernenden Organisation. 9. Öffentliche Diplomatie ist am effektivsten, wenn sie auf Gegenseitigkeit beruht Einseitige öffentliche Diplomatie wird nie so effektiv sein wie bilaterale: wo immer möglich sollten wir versuchen, unsere Verfahren in Absprache mit unseren Amtskollegen in anderen Ländern als gleichwertige Partner durchzuführen. Wir müssen den Zugang zur öffentlichen Meinung im eigenen Land erleichtern, um ihn auch im Ausland zu gewinnen. Einige spezifische Aktionen oder Entwicklungen, die erwägenswert wären, um auf dieses Prinzip einzugehen, sind:

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- Auswahl einiger Länder, mit denen man klare gemeinsame Interessen verbindet und Beginn eines Dialogs mit Regierung und Außenministerium in Bezug auf den gegenseitigen Zugang zu Institutionen, Medien, Öffentlichkeit und Behörden.

- Auswahl dieser Länder danach, inwieweit Österreich für sie nützlich sein könnte. Dies sollte eine produktive Diskussion sicherstellen.

- Andere Länder mit schwächeren diplomatischen Ressourcen zu unterstützen, ist ebenfalls eine Form der öffentlichen Diplomatie.

10. „Totale Diplomatie“ Öffentliche Diplomatie ist keine Zusatzfunktion zu privater Diplomatie. Heutzutage erfordern internationale Beziehungen Engagement an vielen Stellen. Es geht dabei mehr um die Ausübung von „Soft Power“ als souveränem Willen. Insofern ist der Vorschlag, ein Amt für öffentliche Diplomatie zu gründen, etwas widersprüchlich. Ziel muss es sein, unser internationales Engagement neu zu entwerfen.

Einige spezifische Aktionen oder Entwicklungen, die erwägenswert wären, um auf dieses Prinzip einzugehen, sind:

- Das Projekt Öffentliche Diplomatie könnte in zwei Phasen implementiert werden: die Gründung des Amts für öffentliche Diplomatie wie bereits beschrieben und anschließend die Ausweitung der erprobten Prinzipien, Praktiken und Strukturen auf das Außenministerium und den diplomatischen Dienst.

- Ab diesem Zeitpunkt wäre öffentliche Diplomatie keine separate Funktion mehr, sondern würde zur Schablone für das gesamte Vorgehen, die einen ganzheitlichen Diplomatieansatz für das Land vorzeichnet.

In Bezug auf moderne öffentliche Diplomatie und kulturelle Beziehungen ist es keine

ausreichende Strategie, Best Practices einzuhalten, da beide Felder ihr wirkliches Potential

noch längst nicht ausgeschöpft haben. Meiner Ansicht nach verfügt momentan kein Land über

ein Modell für öffentliche Diplomatie, das 100-prozentig erfolgreich ist. Das bedeutet aber

nicht, dass sich Österreich nicht aus der Vielzahl teilweise erfolgreicher Modelle die besten

Verfahren herauspicken kann, um diese der Entwicklung einer Struktur beizutragen, die für die

Bedürfnisse und Möglichkeiten Österreichs ideal ist.

Die Chance für Österreich liegt darin, neue Strukturen und Systeme zu entwickeln, die

kosteneffizienter, flexibler und verantwortlicher sind als herkömmliche Modelle. Es gibt

einfach kein bewährtes und erprobtes Standardmodell.

Kulturelle Beziehungen

Ich bin nicht der Ansicht, dass Österreich einen komplett neuen Ansatz für kulturelle Beziehungen verfolgen sollte, aber es gibt immer Verbesserungsmöglichkeiten. Wie in Bezug

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auf die meisten anderen Aspekte des internationalen Engagements Österreichs könnte auch die Wirkung kultureller Beziehungen auf folgende Weise verstärkt werden:

1. Bessere Abstimmung zwischen Kultur und anderen Sektoren (Diplomatie, Wirtschaft,

Tourismus, Export, usw.), sowohl auf strategischer als auch auf Ausführungsebene.

Hier wird bereits viel getan, aber je mehr, desto besser.

2. Verdeutlichung der zugrunde liegenden Strategie: nicht bloß „Wie können wir das

Profil österreichischer Kultur heben?“, sondern „In welcher Form nutzen wir kulturelle

Beziehungen, um bestimmte Dinge über Österreich zu belegen?“

3. Noch stärkere Konzentration auf Kreativität, sowohl in Bezug auf Inhalte als auch auf

organisatorischer und Übermittlungsebene. Alle europäischen Kulturämter verfolgen

kulturelle Beziehungen ungefähr auf die gleiche Art und Weise und verwenden

ähnliche Werkzeuge und Ansätze. Die Unterschiede liegen im Inhalt. Dies birgt die

Chance für Österreich, etwas anders zu machen. Zugegebenermaßen bleibt Österreich

aufgrund der beschränkten Mittel, die für kulturelle Beziehungen zur Verfügung

stehen, kaum etwas anderes übrig, als etwas zu verändern.

4. Eine Sache, die momentan noch zu fehlen scheint, ist ein systematischer Ansatz, die

Wirkung von Aktivitäten im Bereich kultureller Beziehungen zu messen. Ohne eine

solche Methode ist es schwer, einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu

verfolgen. Die Wirkung kultureller Beziehungen zu messen ist zwar sehr schwer, aber

nicht unmöglich.

5. Es ist meistens besser, Planung und Ressourcen auf eine kleine Anzahl hoch wirksamer

Interventionen zu konzentrieren, die der Strategie entsprechen und die Möglichkeit

bieten, „viral“ an ein größeres Publikum verbreitet zu werden, als mit einer größeren

Anzahl kleiner Aktivitäten zu versuchen, ein weiter reichendes Gebiet abzudecken

oder ein größeres Publikum zu erreichen. Es ist ratsam, den Kalender für kulturelle

Beziehungen unter Berücksichtigung dieses Prinzips zu planen. Je mehr Mut und

Einfallsreichtum bei der Entwicklung von Veranstaltungen eingebracht wird, desto

stärker die erzielte Durchschlagskraft bei geringstmöglichem Aufwand.

Die kulturellen Beziehungen Österreichs konzentrieren sich richtigerweise auf Zusammenarbeit und Partnerschaft. Dennoch glaube ich, dass eine tiefere Botschaft im Konzept der Gegenseitigkeit liegt als lediglich mit anderen Ländern und Kulturen zu kollaborieren. Mit Künstlern und Darstellern aus anderen Ländern zusammenzuarbeiten, ist vom Prinzip her in Ordnung, es birgt jedoch das Risiko, die österreichische Botschaft beim Endnutzer zu verwässern. Meiner Ansicht nach sollte sich Zusammenarbeit auf die Zielgruppe und nicht auf andere kulturelle „Anbieter“ beziehen. Kulturelle Beziehungen, die den Zuschauer mit einbeziehen, sind ein Mittel, mit dem kleinere Akteure wie Österreich höhere Wirksamkeit erzielen können. Kulturelle Aktivitäten sollten als verbraucherorientierte, interaktive Erlebnisse entwickelt werden, wobei Konsumenten nicht bloß die Kreativität österreichischer Künstler bewundern, sondern an einer unvergesslichen und persönlich bereichernden kulturellen Aktivität teilnehmen. Es geht also weniger darum,

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Menschen die Möglichkeit zu bieten, Österreichs Kultur zu bewundern, als ihnen dabei zu helfen, ihre eigene Kreativität zu entdecken. Die Zielgruppe wo immer möglich auf innovative und direkte Weise mit einzubeziehen, sollte zu einem der Arbeitsprinzipien österreichischer kultureller Beziehungen werden. Kulturelle Beziehungen haben die Eigenschaft, fast überall als „die wahre Stimme“ eines Landes angesehen zu werden. Solange der Ton und die Absicht nicht offensichtlich propagandistisch sind, gehen Menschen für gewöhnlich davon aus, dass das, was die kulturellen Beziehungen ihnen über das Land sagen, der Wahrheit entspricht. Aus diesem Grund haben kulturelle Beziehungen wesentlich mehr Überzeugungskraft als fast jede andere Aktivität. Kulturelle Beziehungen, und partizipative im Besonderen, können dafür sorgen, dass Freundschaften zwischen Bevölkerungen geschlossen werden und eine dauerhafte, vertrauensvolle und vertraute Bindung entsteht, die auf alle anderen Bereiche des internationalen Engagements des Landes Einfluss hat. Ich halte es nicht für angemessen, an dieser Stelle eine neue organisatorische Struktur für kulturelle Beziehungen zu empfehlen, es sei denn, dass eine Entscheidung getroffen wurde, die finanzielle Unterstützung wesentlich nach oben oder unten anzupassen. Eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Sektor kultureller Beziehungen und der Nationalen Marketingagentur wird den Aktivitäten auf diesem Gebiet stark zugutekommen. Bei gleichen Ressourcen sollte sich mehr Wirksamkeit erzielen lassen durch bessere Abstimmung von Strategie und Durchführung mit anderen Sektoren, die Identifikation neuer Möglichkeiten der Zusammenarbeit und die Bereitstellung neuer, kreativ-denkender Ressourcen (Ideenlabor) für die Aktivitäten des Außenministeriums im Bereich kultureller Beziehungen. Sollte eine radikale Umstrukturierung aller Mechanismen des internationalen Engagements Österreichs gewünscht sein, könnte eine komplette Neugestaltung sinnvoll sein. Hierin läge zweifelsfrei gewaltiges Potential, sollte diese Richtung eingeschlagen werden. Ich gehe aber davon aus, dass eine solch radikale Neuorganisation kultureller Beziehungen momentan nicht geplant wird. Die nächsten Schritte sollten Folgendes beinhalten:

a) Integration der Competitive Identity-Strategie in aktuelle und zukünftige Pläne und Aktivitäten im Bereich kultureller Beziehungen

b) Integration kultureller Beziehungen in den Rahmen und Betrieb der Nationalen Marketingagentur

c) Erwägung aktueller und möglicher Evaluierungsmechanismen für kulturelle Beziehungen

d) Suche nach Möglichkeiten für verstärkt partizipative Aktivitäten innerhalb kultureller Beziehungen

e) Suche nach Möglichkeiten für eine kleinere Anzahl kreativerer, mutigerer und einflussreicherer Aktivitäten mit dem Potential, unter Einsatz von konventionellen Medien und Social Media größere Netzwerke anzusprechen.

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Pilotprojekte: der Vorteil kleiner und koordinierter Anfänge

Wie in vielen anderen Ländern zweifelt in Österreich niemand an der Attraktivität vernetzten staatlichen Handelns. Es ist eine logische Schlussfolgerung anzunehmen, dass sich das Gesamtbild Österreichs einheitlicher und stärker entwickeln würde, wenn viele der nach außen gerichteten Sektoren des Landes in der Lage wären, ihre Aktivitäten und Botschaften zu koordinieren. Dennoch sollte die Frage, in welcher Form eine solche Abstimmung geschehen soll, im Detail bedacht werden. Die Erfahrung zeigt, dass es nicht ausreicht, die verschiedenen Organe, Ministerien und Agenturen zu bitten (oder sogar anzuweisen), zusammenzuarbeiten und Best Practices und Informationen miteinander zu teilen. Jedes dieser Organe konzentriert sich darauf, seine spezifischen Geschäftsziele mit eigenen Mitteln zu erreichen und seine eigenen Botschaften an seine spezifischen Zielgruppen zu kommunizieren. Es ist viel verlangt, sie zu bitten, mit weiteren Organen zusammenzuarbeiten, die unterschiedliche Ziele verfolgen und verschiedenen Nutzern andersartige Produkte und Dienstleistungen über unterschiedliche Kanäle anbieten. Meiner Ansicht nach sollte die Abstimmung zwischen den Sektoren nicht die Harmonisierung von Botschaften, Logos und Geschäftsstrategien mit einschließen. Dies ist immer unerwünscht, überaus schwierig aufrechtzuerhalten und beeinträchtigt höchstwahrscheinlich die Wirksamkeit der unterschiedlichen Marktanstrengungen der Partner. Was tatsächlich für die Einführung eines vernetzten Ansatzes vonnöten ist, ist wesentlich einfacher und weniger umstritten: eine weit gefasste Vereinbarung der verschiedenen Sektoren, etwas Neues zu versuchen; ihre Tätigkeiten mit einer gemeinsamen Vision zu untermauern (Brückenbauer-Strategie); und vor allem zu versuchen, für kurze Zeit einige derselben Märkte zu bearbeiten. Nach Abschluss dieser Phase ist der Erfolg des Unterfangens, der klar anhand zuvor vereinbarter Kennziffern gemessen wird, das einzige Kriterium für die Entscheidung, ob das Projekt fortgeführt wird oder nicht. Anstatt zu versuchen, Österreichs weltweites Image zu manipulieren, was ein ehrgeiziges Vorhaben wäre, würde ich einen eingeschränkten, präziseren und gemeinschaftlicheren Ansatz empfehlen. Österreich sollte sich darauf konzentrieren, starke bilaterale Beziehungen in Handel, kulturellen und diplomatischen Beziehungen, Bürgerengagement, Bildung und zweiseitigem Tourismus und Geschäftsreisen aufzubauen – ein Land oder sogar eine Stadt nach der anderen – und nicht die ganze Welt auf einmal in Angriff nehmen. Diese Partner-Standorte (im Gegensatz zu Zielmärkten) sollten natürlich auf der Basis ihrer wirtschaftlichen Bedeutung oder ihres Potentials für Österreich ausgewählt werden. Gleichermaßen sollte aber auch deren wirtschaftliches Interesse an Österreich mit in Betracht gezogen werden. Der Schwerpunkt sollte also auf bilateralem Engagement anstatt einseitiger Werbung liegen. Auf diese Weise wird es Österreich gelingen, neue Traditionen der Freundschaft und Zusammenarbeit mit geeigneten und attraktiven Standorten aufzubauen und dauerhaft zu erhalten. Dies ist die Basis wahren Ansehens: dass Menschen einen anderen Ort kennen und ihm vertrauen, da auf vielen Ebenen und Gebieten eine Tradition des Engagements mit diesem

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Ort besteht. Im Gegensatz zu Imageübermittlung sind solche Beziehungen direkter Vertrautheit dauerhafter, erfordern weniger Pflege und führen zu vorteilhafteren Ergebnissen für beide Seiten als jede andere Form der Markenentwicklung. Für Pilotprojekte an Standorten, an denen Österreich noch nicht über vollwertige diplomatische Vertretungen verfügt, sollte die Konzeption und Einrichtung von Austria Centres in Betracht gezogen werden. Das wären Geschäftsgebäude im Zentrum von Haupt- und Großstädten, die für eine Konsumnutzung geplant sind: Es werden Räumlichkeiten im Erdgeschoss an österreichische Firmen vermietet, die Produkte zum Verkauf anbieten, Restaurants betreiben oder sonstigen Einzelhandelstätigkeiten nachgehen. Im ersten Stock gibt es ein Kulturzentrum und Ausstellungsflächen, im zweiten Stock ein Tourismus- und Reisebüro, und die oberen Stockwerke sind für Besprechungen, Konferenzen, wirtschaftliche, konsularische und politische Büros eingerichtet. Die Miete für die Räumlichkeiten käme von den Geschäften im Erdgeschoss, und alle Abteilungen würden gemeinsam die technischen Bereiche, IT, Buchhaltung und sonstigen Dienste nutzen.

Schlusswort: Die Bedeutung von Kreativität für Österreich Mir ist im Laufe des letzten Jahres klar geworden, dass Österreich weniger von einem stärkeren, positiveren Ruf im In- und Ausland trennt, als ich zu Beginn dieses Projekt angenommen hatte – in mancher Hinsicht sogar kaum etwas. Das Ansehen des Landes mag schwach sein, die Realität ist aber außergewöhnlich stark, sowohl in Bezug auf Österreich als Nation (seine Vorzüge, Ressourcen, Humankapital, Kultur, Geschichte und Topographie) als auch als Staat (politische Maßnahmen, die von verschiedenen Regierungen implementiert wurden und Stabilität der Institutionen und Systeme auf Bundes- und regionaler Ebene). Das macht mir Hoffnung. Es gibt reichlich Beweise dafür, dass Österreich Respekt, Interesse und Wertschätzung verdient. Diese sind vor der Öffentlichkeit nur hinter einem dünnen Schleier von Gleichgültigkeit, wahrgenommener Irrelevanz und alter Klischees verborgen. Die Stärke dieser Gleichgültigkeit darf natürlich nicht unterschätzt werden, was in mancher Hinsicht bis jetzt getan wurde. Die oben genannten Beweise müssen einfach aktiviert, vervielfacht und zum Leben erweckt werden. Es mag kühn erscheinen, aber ich bin davon überzeugt: die Ausübung von und Fähigkeit zu Kreativität in angemessener Weise zu institutionalisieren ist das Einzige, was Österreich vom Ansehen, das es verdient, trennt. Österreichs Agenturen und Institutionen nennen in ihren Werbematerialien Innovation oft als eine der Stärken des Landes. Ich bin allerdings noch nicht davon überzeugt, dass dies tatsächlich ein natürlicher oder wesentlicher Teil des Verhaltens oder sogar der modernen DNA Österreichs ist. Natürlich kann man in Österreich Innovationen finden und es wäre eigenartig, wenn dem nicht so wäre. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass sie zu einer der speziellen und einzigartigen Stärken des Landes zählt (Österreich rangiert beispielsweise nur auf Platz 22 des letzten WIPO/INSEAD Global Innovation Index). Im Vergleich zu anderen Ländern, die ich untersucht habe, habe ich den Eindruck gewonnen, dass Österreich eher zurückgehalten wird von Risikoaversion, Misstrauen gegenüber originellem Denken und einer ausgeprägten Vorliebe für Ansätze, die in der Vergangenheit gut

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funktioniert haben, gegenüber solchen, die in Zukunft dienlicher sein könnten. Selbstverständlich gibt es ehrenwerte Ausnahmen zu diesem Muster, aber dies sind eher Ausnahmen, die die Regeln bestätigen. Im Verlauf der vielen Besprechungen und Workshops, die ich im Rahmen dieses Projekts abgehalten habe, fiel mir auf, dass die Beteiligten es unbestritten und bedingungslos gewohnt waren, kreative Vorschläge als Aufforderung zu verstehen, auf deren Mängel hinzuweisen. Und dies gilt für die überwältigende Mehrheit der Teilnehmer, ob jung oder alt, aus öffentlichem oder privatem Sektor, Mann oder Frau, aus Wirtschaft, Regierung, akademischen Kreisen oder Kreativwirtschaft, aus Wien oder anderen Teilen des Landes. Viele der Mitwirkenden, vielleicht sogar die Mehrheit, hatten die tief verwurzelte Gewohnheit, ihre Erfahrung und Intelligenz dadurch unter Beweis zu stellen, dass sie schnell und scharf aufzeigten, warum eine Idee oder ein Projekt nicht funktionieren würde. Selbst bei ausdrücklicher Nachfrage war es außergewöhnlich schwierig, Vorschläge zu erhalten, wie für den Erfolg dieser Ideen oder Projekte gesorgt werden könnte. Die wenigen Teilnehmer, die den Mut aufbrachten, neue Vorschläge zu machen, ließen dies schnell wieder bleiben, vermutlich aus Angst davor, vor ihren Kollegen nochmals beschämt zu werden. Einen Schritt vorwärts und zwei Schritte rückwärts zu machen, ist ein Verhalten, dass vielen Menschen gemein ist. In Österreich ist es aber merklich stärker ausgeprägt als in irgendeinem anderen Land, das ich in den letzten 15 Jahren untersucht habe. Durch Tausende Unternehmen, Schulen, Universitäten, Ministerien und andere Institutionen Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr, Jahrzehnt für Jahrzehnt vervielfacht und verschlimmert, sind die Auswirkungen dieses Verhaltens für den Fortschritt eines Landes fatal. Es ist symptomatisch für die Trägheit Europas und gehört zum Kern des scheinbar unaufhörlichen Niedergangs der Region. Glücklicherweise lässt es sich relativ einfach ausmerzen und für Länder wie Österreich, in denen es zu einem festgefahrenen Verhaltensmuster geworden ist, ist es keinesfalls das unausweichliche Schicksal. Die zu Recht gerühmte Methode der Sechs Hüte von Edward de Bono ist nur einer von vielen hochgradig effektiven Wegen, diese Art von destruktivem, anti-kreativem Verhalten schnell aus Besprechungen zu verbannen. Wenn solche Ansätze in großem Maßstab, regelmäßig und lang genug angewandt werden, kann sich eine Gesellschaft solches Verhalten tatsächlich abgewöhnen, besonders wenn entsprechende Methoden auch in Schulen eingesetzt werden. Und das muss Österreich wirklich tun. Wir leben in einer Welt, in der die alten Lösungen offenkundig unzureichend sind und in der Mut und Einfallsreichtum immer wertvoller werden. Österreich braucht nicht nur für die Verbesserung seines internationalen Profils mehr Kreativität in allem, was es tut. Das Land muss sich ganz nüchtern die Frage stellen, ob es die entscheidende und zentrale Bedeutung kreativen Denkens in Gesellschaft, Bildung, Wirtschaft und Regierung wirklich versteht, und sich dabei objektiv mit anderen Nationen vergleichen. Kreativität kann natürlich nicht von Strukturen garantiert oder von Gremien geschaffen werden. Es wäre aber ein entscheidender erster Schritt sicherzustellen, dass ihre Bedeutung

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angemessen und offiziell anerkannt wird. Meiner Ansicht nach ist das die wertvollste Maßnahme, die Österreichs Regierung als Folge dieses Projekts durchführen könnte.