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1 Korea 2009 Die Gächinger Kantorei auf Konzertreise Sonntag, 25.10.09 Die deutsche Bahn brachte mich mit immerhin bloß 19 Minuten Verspätung auf dreieinhalb Stunden von Rosenheim nach Stuttgart. Schnell im Hotel den Koffer ab- gestellt, walkte ich 20 Minuten zum Gemeindesaal der Erlöserkirche. Händels „Dixit Dominus“ sollte uns von 1300 bis 1530 beschäftigen, ein Stück, das den allermeisten völlig neu war. Nur mit Klavierunterstützung repetierten wir die Koloraturen und inein- ander verwobenen Chorstellen ein ums andere mal, bis die 8 Sänger pro Stimme einigermaßen sicher waren. Die ande- ren Programmstücke von Bach ließen wir mutig aus. Um 1600 kamen die Musiker vom Bachcollegium Stuttgart dazu. Geleitet von Stefan, einem ehemaligen Schüler von Helmut Rilling, legten wir gemein- sam die Basis zum Konzertprogramm für die anstehende Koreatournee. Un- ser 75-jähriger Helmuth war nämlich noch nicht abkömmlich, weil er in Mai- land noch kurz ein Konzert dirigieren musste. Für Menschen mit erfülltem Berufsleben gibt es keine Altersgren- zen. Helmuth ante portas, das konnte sich keiner vorstellen. Am allerwenigs- ten wohl Martina Rilling, unsere Sop- rankollegin und Ehefrau des Dirigenten. Siebeneinviertel Stunden arbeiteten wir mit Eifer und zwei kleinen Pausen mit den berühmten „Schnittchen“, damit uns die Kraft nicht ausging. Montag, 26.10.09 Im Hotel Royal, der üblichen Unterkunft in Stuttgart bestellte ich als ausgewiesene Nichtfrühstückerin ein Rührei mit Champignons und Schinken zu mehreren Capucci- ni, bevor ich eine kleine Runde in der Stadt drehte, um zu sehen, dass noch alles beim Alten geblieben war. Mein letztes Projekt mit der Gächinger Kantorei war eine Israeltournee im März gewesen. Der IC Nummer irgendwas brachte uns nach Mannheim und ein anderer von da zum Fernbahnhof Frankfurt, wo wir nach Seoul eincheckten. Pünktlich um 1830 stellte die Boing 777 die Flügel auf. Ich hatte Glück und erwischte einen Fensterplatz in der al- lerletzten Reihe, die nur zwei Plätze hatte. Nach einigem Hinundhergetausche der Sitze bekam ich unseren Fagottisten zum Nachbarn. Für die Instrumentalisten war beim Fliegen die wichtigste Nummer, ihre Geigen, Oboen und Fagotte in den Ge- päckfächern sicher unter zu bringen. Wir Sänger hatten ja unser Instrument immer bei uns, wie praktisch.

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Korea 2009 Die Gächinger Kantorei auf Konzertreise

Sonntag, 25.10.09 Die deutsche Bahn brachte mich mit immerhin bloß 19 Minuten Verspätung auf dreieinhalb Stunden von Rosenheim nach Stuttgart. Schnell im Hotel den Koffer ab-gestellt, walkte ich 20 Minuten zum Gemeindesaal der Erlöserkirche. Händels „Dixit Dominus“ sollte uns von 1300 bis 1530 beschäftigen, ein Stück, das den allermeisten völlig neu war. Nur mit Klavierunterstützung repetierten wir die Koloraturen und inein-ander verwobenen Chorstellen ein ums andere mal, bis die 8 Sänger pro Stimme

einigermaßen sicher waren. Die ande-ren Programmstücke von Bach ließen wir mutig aus. Um 1600 kamen die Musiker vom Bachcollegium Stuttgart dazu. Geleitet von Stefan, einem ehemaligen Schüler von Helmut Rilling, legten wir gemein-sam die Basis zum Konzertprogramm für die anstehende Koreatournee. Un-ser 75-jähriger Helmuth war nämlich noch nicht abkömmlich, weil er in Mai-land noch kurz ein Konzert dirigieren musste. Für Menschen mit erfülltem Berufsleben gibt es keine Altersgren-zen. Helmuth ante portas, das konnte sich keiner vorstellen. Am allerwenigs-ten wohl Martina Rilling, unsere Sop-rankollegin und Ehefrau des Dirigenten. Siebeneinviertel Stunden arbeiteten wir mit Eifer und zwei kleinen Pausen mit den berühmten „Schnittchen“, damit uns die Kraft nicht ausging.

Montag, 26.10.09 Im Hotel Royal, der üblichen Unterkunft in Stuttgart bestellte ich als ausgewiesene Nichtfrühstückerin ein Rührei mit Champignons und Schinken zu mehreren Capucci-ni, bevor ich eine kleine Runde in der Stadt drehte, um zu sehen, dass noch alles beim Alten geblieben war. Mein letztes Projekt mit der Gächinger Kantorei war eine Israeltournee im März gewesen. Der IC Nummer irgendwas brachte uns nach Mannheim und ein anderer von da zum Fernbahnhof Frankfurt, wo wir nach Seoul eincheckten. Pünktlich um 1830 stellte die Boing 777 die Flügel auf. Ich hatte Glück und erwischte einen Fensterplatz in der al-lerletzten Reihe, die nur zwei Plätze hatte. Nach einigem Hinundhergetausche der Sitze bekam ich unseren Fagottisten zum Nachbarn. Für die Instrumentalisten war beim Fliegen die wichtigste Nummer, ihre Geigen, Oboen und Fagotte in den Ge-päckfächern sicher unter zu bringen. Wir Sänger hatten ja unser Instrument immer bei uns, wie praktisch.

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Kaum waren wir in der Luft, wurden hei-ße Tücher gereicht und eine Stunde spä-ter stand ein meal corean style vor uns. Das western beefsteak hatten mein Nachbar und ich ausgeschlagen. Fagot-tist Günther klärte mich auf: es gab Kim bi bap mit kim-chi. Kim-chi war milch-sauer vergorener Weißkohl mit Knob-lauchchilimarinade und für das Kim bi bap musste der Pappreis mit dem Ge-müseteller und Chilipaste aus einer gro-ßen Tube vermischt werden. Diese Schärfe war genau nach meinem Ge-

schmack; der Trigeminus bitzelte so schön dabei. Nach dem Essen standen Chor und Orchester im Flugzeug herum, dessen hinteres Drittel für uns reserviert war und trank die drei Weinflaschen leer, die die immer lä-chelnden Stewardessen in den Kühlschrän-ken fanden. Nur als Florian und ich Silchers „o Täler weit, oh Höhen“ anstimmten und nach drei Tönen in Sopran- und Basslage gefunden hatten, traf uns ein böser Blick aus koreanischen Augen und eine eindeuti-ge Geste gebot uns, die Schnauze zu hal-ten. An dem Platz vor den Toiletten ste-hend, kicherten eine Geigerin, der Kontra-bass, wir zwei Sänger und wechselnde Klo-gänger noch ein Stündchen vor uns hin. Halb elf: Schlafen, Dösen, Augen zu. Dienstag, 27.10.09 Ans Fenster gelehnt mit zwei aufgeblasenen Weinschläuchen als Polster (bewährte Kissen aus dem Wanderrucksack), einem Nackenhörnchen um dem Hals und aus-gezogenen Schuhen hatte ich dreieinhalb Stunden geschnorchelt, als das Kabinen-licht grellte und Frühstück corean style serviert wurde. Ich hätte ja ein langweiliges western breakfest nehmen können, aber wo ich doch schon einmal auf dem Weg

nach Korea warF.. Die Stewardess mahnte lächelnd: „but it’s spicy!“ Grade recht! Um zwei Uhr nachts für unsere Begriffe musste ein Teller mit Reis und scharf gebratenen Rindfleischscheiben an Lauchge-müse hot sein. Wir überflogen gerade Bejing und sollten in zwei Stunden um die Mittagszeit in Seoul landen. Manche schauten im Monitor ihres Vordersitzes „Ice Age“ mit koreanischen Untertiteln, manche lasen, aber die meisten waren nach dem Nachtmahl wieder einge-knackt. Unter uns zogen sich Bergketten da-hin. Günther faselte was von Himalaja. Das konnte nun nicht sein, aber egal. Dann über-flogen wir Wasser. 2er Wind kräuselte das

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asiatische Meer, das im Monitor „Bohai Sea“ genannt wurde. Die Laptopuhr stand auf 0412, aber die Mittagssonne schien über die fünf Schiffe auf See, die ich erkennen konnte. Ja, wir waren der Sonne entgegen geflogen und deshalb 8 Stunden früher dran. Die Schlafenszeit war einfach übersprungen worden. Ich ließ den silbrigen Weinschlauchpolstern die Luft aus. Christian hatte mein Kis-senkonstrukt zuvor noch im Vorbeigehen mit einem „Ei, clever!“ bedacht. Der Incheon-Flughafen ist ein moderner Airport mit ausgiebigen Pass- und Einfuhr-kontrollen. Die Koreaner sind peinlichst darauf bedacht, dass ihnen keine fremden Sporen, Viren, Samen oder Bakterien ins Land geschleppt werden, ob ihnen das auf

Dauer gelingt? Zwei junge Frauen empfingen uns mit Schildern, auf denen „Welco-me to corea“ stand und strahl-ten uns an. Zwei Reisebusse der Marke Hyundai standen bereit, um uns nach DAE-JEON im Landesinneren zu fahren. Wieder sitzen! Die zweitgrößte Stadt Südkoreas liegt ziemlich genau in der Landesmitte, na ja, ein bis-schen westlich von der Mitte – schaut es euch auf dem Bild auf Seite 1 selber an.

Die Augendeckel klappten so häufig herunter, dass ich nach zwanzig Minuten das Lesen und Landschaftschauen aufgab, mein Weinschlauchkissen wieder aufblies und mich dem Schlummer ergab. Im Halbschlaf hörte ich, wie Günther, der Fagottist, der schon wieder neben mir saß, flaxte: „Jetzt sind wir mittendrin im Odenwald.“ Ja, hügelig war sie schon, die Landschaft und grün und gelb mit herbstlichen Bäumen bestanden, aber der Vergleich war schon gewagt. An einer Autobahnraststätte hielten die Busse an. Halbwegs die Knochen geordnet, stiegen wir aus. Takako, unsere Japanerin, stürmte auf das Restaurant zu: „Ich habe Hunger!“ Genau diese drei Worte hatte sie mir in Stuttgart schon auf koreanisch ge-sagt. Es klang wie „peko ba“. Bilder mit den Gerichten hingen über den Theken. Je-weils drei oder vier Speisen wurden an einer der aufgereihten Theken zubereitet. Die Suppenschüsseln dampften und am liebsten hätte ich mir gleich so einen Topf ge-kauft, aber erstens hatte ich noch keine Won eingetauscht und zweitens hatten wir nur 10 Minuten Pinkelpause. Ein ganzer Tisch voll grau gekleideter und glatt rasierter Mönche (waren die alle klein!) tat sich an heißer Suppe gütlich. Nach einer weiteren Stunde durch hügeliges und bewaldetes Land kamen wir in DAEJEON an. Schon in Seoul waren mir die einförmigen Hochhäuser mit dem Trep-penhaustrakt in der Mitte aufgefallen. Hier bot sich uns das gleiche Bild. Zwölf bis vierzehn Stockwerke hoch waren diese Wohnsilos, an deren fensterloser Stirnseite jeweils die Hausnummer in großen arabischen Zahlen zu lesen war. Ein Haus sah aus, wie das nächste, nur die Hausnummern hatten verschiedene Bilder daneben. Zwanzig oder dreißig davon säumten die Auto-bahn am Stadtanfang von DAEJEON. Mittlerweile war es 1700 und die Sonne stand nur noch eine Handbreit über dem Hügelho-rizont. Auch komisch, dass wir überall auf dieser Welt immer den

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gleichen Planeten sehen. Und jeder meint, der Lebensspender gehöre ihm. Die Flagge Koreas hat ja auch die Sonne drin. Falsch, ich habs gegoogelt, es ist Yin und

Yang (hätte man auch so sehen können): Das ist die Nationalfahne von Korea, genannt Taegeukgi. Jedes Symbol auf der Flagge hat

seine eigene, bestimmte Bedeutung. Der weisse Hintergrund steht fuer das Licht und die

Friedfertigkeit der Koreaner, das Yin-und-Yang-Symbol für die gegensätzlichen, aber sich

ergänzenden kosmischen Kräfte.

Die vier aus schwarzen Balken geformten Symbole in den Ecken der Flagge stehen für (von links oben im

Uhrzeigersinn) Himmel, Wasser, Erde und Feuer und gehen auf das I Ging, das chinesische Buch der

Wandlungen, zurück. Das Hotel Yousung mit der offiziellen Adresse Yousung Hotel, 480 Bongmyoung-dong, Yousung-gu, Daejeon 305-301

lag an einer belebten Kreuzung. Unsere Zimmerschlüssel waren mit Namen verse-hen nach Nummern geordnet auf einem Tisch hindrapiert, so dass wir superschnell aus der Eingangshalle verschwunden waren. Das ist in Deutschland oder Italien nicht immer so. Nein, Umstandskramer sind die Koreaner nicht. An der Lifttür hing ein

Spender mit Desinfektionsmittel. Mein Zimmer lag im siebten Stock mit Aus-sicht auf die besagte Kreuzung. Gegen-über des Doppelbettes prangte ein überdimen-sionaler Flachbildschirm an der Wand und vor dem großen Spiegel daneben ein 15-Zoll-Computermonitor. Der Wahnsinn, dach-te ich und schaltete gleich nachdem ich die Schuhe ausgezogen hatte (ächz!), den PC ein. Mit einem „keyboard error“ stoppte der Bootvorgang, aber mir war das egal, hatte ich doch meinen eigenen Laptop dabei. Aber zunächst mussten die Klamotten vom Leib gerissen und das Fenster aufgerissen

werden. Mein Ausblick riss mich wiederum nicht vom Stuhl, er zeigte sich wie in jeder neonreklameverschandelten Stadt halt. Ich steckte das Netzwerkkabel in meinen Schlappi und holte meine mails ab. Schön, das funktionierte super. Als ich mir dann zum wiederholten Male verboten hatte, mich sofort hin zu legen, schaute ich um 1830 in die Halle, ob dort jemand gerade auf mich gewartet hatte. Elisabeth, mei-ne Namensvetterin aus dem Büro der Bachakademie stand mit einer Geigerin da und wartete auf Dieter, unserem Reiseorganisator und ebenfalls guter Geist der IBA (Inter-nationale Bachakademie). Wir schlenderten dann zu neunt in den mittlerweile dunklen koreanischen Abend hinaus und mussten oder durften keine 200 Meter laufen, be-vor wir ein kleines „uriges“ Lokal fanden.

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Die Fleischerhaken waren aufgereiht an Wasserroh-ren über einem Tisch mit einem riesigen, dicken Schneidebrett. Dort schnitt der Patron mit einem schaaarfen Messer Rinderfleisch in dünne Scheiben. Zwei Tische waren schon besetzt mit Kollegen von Chor und Orchester. Die einen hockten ohne Schuhe im Schneidersitz an einem niedrigen Tisch und schmatzten schon aus unzähligen Schälchen, die anderen saßen westernlike auf Stühlen. In die Tisch-platten waren runde Metalltöpfe eingelassen, die zum Rösten der Fleischscheiben mit glühender Kohle ge-füllt wurden. Über Lochplatten briet der Patron dann

für uns die Fleischstücke. Manchen Besuchern traute er das auch selber zu, uns erst nach gründlicher Einweisung. Zuvor hatte die Wirtsfrau in Windeseile und im Laufschritt Myriaden von Schälchen auf-getragen. Rettich, Kim-chi (vergorener Weißkohl scharf, wiederhole ich mich?), So-jasprossen, rotes scharfes Zeug, marinierte Pilze, Weißkrautsalat und Knoblauch in Scheiben. Dazu zwei große Teller mit gan-zen Salatblättern verschiedenster Art: Chi-nakohl, Eichblatt, Endivien und Blätter, die aussahen wie überdimensionale Zitronen-melisse. Wir beobachteten ein einheimisches Paar an einem niedrigen Tisch (im Lokal gab es vier normale (?) und vier niedrige für den Schneidersitz) und lernten. Man nehme ein Salatblatt, tue mehrere Knoblauchschei-ben drauf, garniere mit scharfer, roter Sauce und Petersilie, rolle das Blatt zu einem Krautwickerl zusammen und schiebe alles auf einmal in den Mund. Die Koreanerin fütterte mit diesen kleinen Kunstwerken ihren Mann. Soweit wollten wir dann doch nicht gehen. Es gab gutes Bier, der Fernseher lief lautstark, am Nachbartisch probierte Stefan

auch zweierlei Sake aus, wir lernten, was Prost heißt (nicht „kampai“, wie in Japan, sondern leicht anders: „kompé“), aßen zu Abend, aber für uns eigent-lich zu Mittag und verzogen uns anschließend auf die Zimmer. Zeche: jeder umgerechnet fast 20 €. In Won bezahlten wir 157000. Na ja, 1700 Won (KRW) waren ein €. Um 1400 deutscher Zeit lag ich hundemüde im Bett, was ja gut war, denn hier in DEAJEON war es schon 2200 und am nächsten Tag sollte hart ge-probt werden.

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Mittwoch, 28.10.09 Frühstück koreanisch: Reis, Kim-chi, Salat, Spinat, Rührei mit Algendeko, sauscharfe Suppe. Gott sei Dank bekam ich auch Kaffee. Gamsa ham ni da. Das heißt „danke“ und ist ganz leicht zu merken. Wie? Auf bayrisch. Gams hamma nie da, spricht der Wirt, der nie Gams auf der Karte hat. Dann streifte ich auf der Suche nach einer Bank durch die Straßen, fand aber keine. Ich fragte in einem Ge-schäft. Der dritte lächelnd und schulter-zuckend heran gewunkene Mitarbeiter zeigte mir den Weg zum großen Haus mit der „flower“ drauf. Es stand genau an der Ecke unseres Hotels, wo ich meinen Weg begonnen hatte. Dort also war die Nationalbank mit dem weitaus günstigeren Wechselkurs als im Hotel. Da bin ich ja ein Pfennigfuchser. Der freundliche Herr am Eingang mit einer gelben Schärpe quer über der Brust zog eine Nummer für mich und komplimentierte mich auf einen Wartesessel. Kaum hingesetzt, wurde meine Nummer an der Wand angezeigt. Der Schalter-

mensch bot mir wieder als erstes den Stuhl an, bevor er meine 150 Euronen zur Kenntnis nahm, die ich ihm hinstreckte. An seinem Ar-beitsplatz stand wieder eine Sagrotanflasche (was ähnliches) mit Sprühkopf bereit, alles zu desinfizieren. 1 € entsprach 1730 koreani-

schen Won, ich hatte flugs viele grüne 10000er Scheine in der Tasche und wurde wieder mit leichten Verbeugungen hinaus komplementiert.

Ich schlenderte an einer langen, in jede Richtung vierspurigen Straße entlang zum Fluss Gapcheon. Oje, ein verbautes, trübes Bächlein schlängelte sich in einem weiten sandigen Bett. Der Traum mit

den Segelschifflein, wie auf der Übersichtstafel dargestellt, musste wohl bis auf weiteres ein Traum bleiben. Es hatte wohl seit Ewig-keiten nicht mehr geregnet. Neben dem Rinnsal wurde heftig ge-baut. Fünf oder sechs dieser Hochhäuser mit dem Aufzugturm in der Mitte und den Hausnummern auf der fensterlosen Stirnseite schossen vierzehnstöckig aus dem Nichts in den diesigen Himmel. Die allesamt großen Autos, die an mir auf der vierspurigen Straße vorbeiflitzten, war-

en ausnahmslos asiatischer Herkunft: Hyun-dai, Kia, SsangYong. Nicht ein Mercedes, BMW oder gar VW war zu erspähen. Die Koreaner kaufen halt die eigenen Produkte. Dafür eine Marke, von der ich nie gehört hat-te: „Opirus“. Edle Wägen, die vorne fast wie ein älteres Modell von Mercedes aussahen. Ein kleiner Park lag zwischen den Fahrbah-nen einer Parallelstraße. Bunte Blumenge-wächse und viel Grün luden mich ein,

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schen Steinpagoden, einem Wasserrad mit drei erstarrten Plastikreihern und einem le-bensgroßen Ochsengespann samt Pflüger lustzuwandeln. Um ein Wasserbecken geschart, saßen Leute und kneippten. Sie ließen ihre Füße ins Wasser baumeln und lasen dabei Zeitung oder unterhielten sich. Kurz vor unserm Hotel kaufte ich in einem kleinen Markt ein Fläschlein Reiswein, den ich nur deswegen als solchen identifizieren konnte, weil ich mir das Aussehen des Eti-ketts vom Essen am Vorabend gemerkt hat-te. Ein Becher mit Instantnudeln und Ge-würzen zum Aufgießen mit heißem Wasser hatte ich auch noch mit genommen.

Um 1320 wurden wir von unserem Hyundai-Bus zum Proben abgeholt. Durch die vielen Einbahnstraßen lotste eine nette Frauenstimme aus dem Navigationsgerät des Busfahrers und schon nach 15 Minuten waren wir am Culture & Arts Center angelangt. Pagodenartig wölbt sich das Dach nach oben, großzügig angelegte Flanierwege und neu gepflanzte Gartenanlagen bilden das Ambiente für hohe Kultur. Wow! In der Empfangshalle des Künstlereingangs stand ein Ledersessel mit elektronischem Bedienteil. Stefan probierte als erster und verdrehte die Augen, als die Lehne lautlos nach hinten fuhr, die Beinpolster sich um die-selben pressten und sein Rücken von Boxhandschuhen traktiert wurde. Er wollte schnell wieder heraus und ich hinein. Der Apparat spannte mich förmlich ein und knetete mich durch, dass es eine Wohltat war. Der ganze Körper wurde durch geschüttelt. Ich muss ver-

zückt ausgeschaut haben, wie ich fünf Minuten so da lag. Leider begann dann um 1400 die Probe. Ich hätte das stundenlang ausgehalten. Bis halb sechs übten wir an unser Konzertprogramm hin und als die Stücke den Reiz des Unbekannten verloren hatten, fand von 1800 bis 2000 die Generalprobe statt, bei der alles mehr oder weniger ohne Unterbrechung durchlief. Zwischendurch kochte ich mir mein koreanisches Süpp-chen. Ich hatte meinen Reisewasserko-cher mitgebracht, suchte mir eine leere Garderobe und machte Wasser heiß. So, nur noch über die Nudeln in den Papp-suppentopf gegossen, drei Minuten ge-wartet und konnte ich die Nudeln stäbeln. Mit dem Rest marschierte ich in den Pro-bensaal, weil die Pause so kurz war und ich zur Generalprobe nicht zu spät kom-men wollte. Meine Altkolleginnen schüt-telten den Kopf und fragten fassungslos, wo ich denn die Suppe her hätte. Tja! Die Diktierfunktion meines neuen MP3-Players sollte zeigen, was sie drauf hatte. ich nahm die Probe digital auf. Meine Nachbarin Angela und ich hatten beschlossen, nicht mehr essen zu gehen, sondern eine Zimmerparty zu zweit zu veranstalten. Im 7 eleven gegenüber holten

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wir Cräcker und Wurst am Stiel. Nein, das sah ulkig aus. Eine ganze Wurstparade stand hier zur Auswahl alle mit Steckerl zum Halten. Wir machten es uns mit einer mit gebrachten Flasche Württemberger Rotwein, der Wurscht am Stiel, die gebraten besser geschmeckt hätte und den (leider süßen) Cräckern auf meinem Zimmer gemütlich und ratschten. Es war halt blöd, dass man die kringelige Schrift auf den Lebensmitteln nicht entziffern konnte. Auf man-chen Sachen stand kein Wort in lateinischen Buchstaben drauf und es war ein Glücksfall, das

Gewünschte zu erwischen. Die Aufnahme mit meinem Player war total übersteuert und mit schönem Playback des Orchesters und des restlichen Chores hörten wir mich ganz deutlich und nicht immer ganz per-fekt in den Koloraturen ;(( Donnerstag, 29.10.09 Nach dem kargen Abendmahl hatte ich mor-gens richtig Hunger, ein komisches Gefühl für einen Nichtfrühstücker, wie ich es bin. Berge-weise vertilgte ich Salat, Tomaten, Kimchi, Rührei mit Algen und Backkartoffeln; dazu eine Menge Räucherlachs in dicken Schei-ben. Boh, war ich satt, eigentlich ein unange-nehmes Gefühl. Um 1000 brachte uns ein Bus, dieses Mal war ein KIA, in den nahe gelegenen Nationalpark Gyeryongsan. Ein treuer Rillingfan aus Oregon war extra in ihr Heimatland gereist, um unsere Tournee mit ihren Landeskenntnissen zu unterstützen. Sie spendierte uns den Eintritt in den Park. Den Weg vom Parkplatz zum Eingang säumten Essstände

aller Art. Es gab Spieße mit Kutteln auf dem Feuer, gebratene Palmherzen, die aussahen wie große Heißklebepatronen, geröstete Ma-ronen und Eierspeisen. Das Interessanteste aber waren die Pfannen mit Engerlingen, die vor sich hin köchelten. Ja, Engerlinge! Jam-merschade, dass ich nach dem opulenten Frühstück gar nichts mehr probieren konnte. Im Naturpark spazierten wir auf einem breiten

asphaltieren Weg vorbei an beschrifteten Bäumen und Sträuchern. Die Täfelchen war-en mit Klettband um die Stämme befestigt, um ja die Rinde nicht zu beschädigen. Das Laub fiel wie Regen vom Himmel und alles war übersät von gelben Blättern. Zusammen

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mit der Rotfärbung einiger Zierbäume ergab sich ein zauberhaftes Bild. Die Zeit reichte leider nicht aus, dem Weg weiter zu folgen, als er interessant wurde und steinig bergan führte. Vorbei an drei Tempeln und einem Kloster trappelten wir gemächlich zum Bus zurück. Eines der Toilet-tenhäuschen wollte ich besu-chen. Ob es auch so versifft wie in China sein würde? Dort ist es eine heroische Überwin-dung, überhaupt aufs Klo zu gehen: Luft anhalten, rein und sofort wieder raus, bevor ei-

nen der Ekel übermannt und die Räucherstäbchen auch nichts helfen?. Diese Erfah-rung hatten wir vor sieben Jahren auf einer Chinareise machen müssen. Im sauberen Korea eigentlich nicht vorstell-bar. Und in der Tat war der Vorraum geputzt, es roch angenehm und die Toiletten waren sauber. An den Schildern konnte ich die Schriftzeichen für Mann, Frau und Klo lernen. Das Ei, das mit zwei Stoßdämpfern an eine Wand rennt, sollte also „Frau“ heißen. Ich lief weiter zum Bus, obwohl eigentlich gerade laufen angesagt gewesen wäre. Ich tröste-

te mich mit Kochlöffeln und Schaber aus verschiedenen Hölzern. Solche Sachen gab es an einem Souvenierstand und wie waren sehr leicht, ideal fürs Gepäck. Vier Pfannen-schaber mussten mit und zwei kleine Löffel-chen dazu. Ein kleines Geld in Form von ko-reanischen Won reichte, die tollen Küchen-helfer zu erstehen. Manche Besucher des Parks gingen eigen-tümlichen Beschäftigungen nach. Einige eil-ten zu einem Lehrgang für Schweißer. Sie hatten die Maske schon auf der Stirn vorbe-reitet, klar zum Herunterziehen, wenn die

blaue Flamme die Augen gefährden sollte. Andere wiederum strebten im Stechschritt dem Operationssaal zu, den Mundschutz be-reits angelegt. Natürlich erzähle ich Schmarrn: die Schweißermaske waren die hierzulande üblichen überdimensionalen Sonnenschilde, die vornehmlich Damen trugen auch wenn gar keine schien und der Mundschutz des Chirurgen diente in Wirklichkeit dazu, andere mit seiner Krankheit nicht anzustecken oder sich nicht anstecken zu lassen, so genau bin ich nicht da-hinter gekommen. Zum Abschluss dieses kleinen Ausflugs dankten wir unserer

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amerikanisch-koreanischen Freundin mit einem Ständchen. „O Täler weit, oh Höhen“ sangen wir ihr vierstimmig. Sie war sehr gerührt und hätte am liebsten alle umarmt. Wieder im Yousung Hotel beschloss ich, ein kleines Schläfchen zu machen, bevor die Haare gewaschen werden mussten und Angela kommen wollte, um Händels „Dixit dominus“ mithilfe meines Raubmit-schnitts der gestrigen Probe zu repetie-ren. Die vielen kleinen schwarzen Noten, die sich uns noch nicht persönlich vorges-tellt hatten, waren noch bekannt zu ma-chen. Um 1700 war Abfahrt zur Stellprobe. Die einzelnen Stücke des Abendprogramms spielten und sangen wir an und vor einem halbvollen Saal gaben wir anschließend unser erstes Konzert. Angela neben mir: „Gell, die Konzertsäle dieser Welt schau-en doch überall gleich aus!“ Ja, war so. Wir machten nur noch vereinzelte Schnitzer die Noten betreffend. Zuerst klatschte unser Publikum verhalten, dann standen einige auf, zuletzt aber schrien sie laut und hoch, als die Solisten zum dritten Mal die Bühne betraten und sich verbogen. Die vorbereitete Zugabe, der Schlusschoral aus der Johannespassion musste zelebriert werden. Zugabe in einem solchen Konzert, wo gibt’s denn sowas? In Korea. Der Veranstalter hatte sich das so gewünscht. Freitag, 30.10.09 Heute wollte ich mir die siebzehn Teller Lachssalat verkneifen und begnügte mich mit sechs Tassen Kaffee und Osaft. Na ja, ein Tellerchen Rührei mit Algen an sieben Salatblättern mit Spinatgarnitur und vier Cocktailtomaten gingen schon. Durch ziem-lich verdreckte Scheiben schauten wir vom Frühstücksraum aus auf die Geschäfte, an deren Schaufenstern auch tags Leuchtreklame am Band lief. Der Himmel war wie immer diesig. Die Stimme im Lift sprach immer von „hier Trinidad“, wenn wir im siebten Stock an-kamen. Oder war es doch „chi tiniwa“? Ich googelte: sieben ist „chil“. Dann war Trini-dad die Etage. Den Vormittag brachten wir im Bus zu, der uns durch die koreanische Hügelland-

schaft nach Seoul fuhr. Es herbstelte stark. Die gefärbten Bäume malten ein reizvolles Bild, in dem man sich verlieren konnte. Wenn sich da nicht alle paar Kilometer diese Bet-tensilos mit den Aufzugtürmen in der Mitte und den Hausnummern aus dem Boden schrauben würden. Jedesmal hielten wir die Hochhäuser für Vororte von Seoul, aber dann folgten wieder Flächen mit Gewächs-häusern und abgeernteten Feldern, auf de-nen die Dinosaurierscheiße lag. Das ist mein Ausdruck für die in Plastikfolie einvakuumier-ten Heuballen, die ja auch bei uns seit eini-ger Zeit in Mode sind.

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An einer Raststätte hielt der Busfahrer zu einer Pinkelpause an. Ein riesiges Restau-rant zur Abfütterung vieler hundert Men-schen hatten sie dort hingestellt mit eini-gen Verkaufsständen davor, wo man Wal-nusscookies frisch aus der Backmaschine, fritiertes Allerlei und scharfe Reisschupf-nudeln essen konnte. Vor den Selbstbe-dienungstresen im Lokal waren drei De-sinfektionsmittelspender angebracht mit nebenstehender Gebrauchsanweisung. Befolgte man die Schritte eins bis sechs, hatte jeder Quardatzentimeter der Hände von dem parfümierten Sagrotan abbe-kommen. Ich folgte und rieb mir die Finger ein. Alles mitmachen! Sämtliche Köche, Verkäufer, Kaffeeautomatenbediener und sogar die Kassierer des Markets trugen

Plastikmundschützer oder wie man die Dinger nennen soll. Wie Lesebrillen, die man auf Halbmast der Augen trägt, hin-gen die durchsichtigen Teile am Kinn der Leute, damit ja nicht auf nur ein Nanotropfen einer feuchten Aussprache auf Teller, Kaffeebecher oder das kassierte Geld gelangte. Anti-bakterielle Phobie und Mas-senhysterie? Oder nachah-menswerte Hygiene? Wieder zurück am Parkplatz, wo unser Bus wartete, nahm gerade eine Gruppe Soldaten im Tarnanzug Aufstellung und mussten sich irgendetwas von

ihrem Boss anhören. Auch sie trugen Mundschutz, aber in

schwarz. Hätte wohl auch zu blöd ausgesehen, wäre der weiß oder hellblau gewesen. Einer trug nämlich tatsächlich weiß. Nach zweieinhalb Stunden Fahrt waren wir plötzlich mitten in Seoul, was wir daran merkten, dass wir einen breiten Fluss überquerten und die Hochhäuser kein Ende mehr nahmen. Die Quäkstimme aus dem Navi dirigierte den Busfahrer durch die Straßen. Nach kunstvollem Wendemanöver und geschicktem Einparken ließ er uns dann auch aussteigen. Wir sollten noch eine gute halbe Stunde aufs Zimmer warten, hieß es. Ich ver-drückte mich in die Gassen und schaute in jeden Hinterhof. So viel Beton und Glas auch hier verbaut war und die zwanzig stöckigen Klötze sich gen Himmel drängten, so bunt pulsierte das Leben auf der ersten Etage. Ein kleines Res-taurant mit drei Tischen neben dem nächsten reihte sich neben dem Bürgersteig, auf dem Männer in Anzügen und Damen in Stöckelschuhen ihre Mittagspause mit dem Handy am Ohr verlebten, irgend ein Spießchen mit fritiertem Gemüse in der Hand.

Was wie ein Mikrofon am Kinn der Kaffeefrau aussieht, ist der Spuckverhinderer.

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Während Ben und Angela unbedingt einen Kaffee trinken wollten und in ein acht Quad-ratmeter großes Lädchen traten, um sich an den zwei einzigen winzigen Tischchen nieder-zulassen, zog es mich zwei Lädchen weiter zu einem großen Topf Suppe. Ich wurde mit „annyeonghaseyo“ begrüßt. Diese Sprache! Wie sollte man sich die Wörter merken? An jung ha se yo. So jung kemma nimma zam. Das war der Anfang. Und dann: Hassejo! Der Klang schallte einem überall entgegen. Für den Aufenthalt hier ging das, aber richtig merken würde ich mir das sicher nicht können. Ich setzte mich an einen winzigen roten Tisch und deutete gewinnend lächelnd auf das Plakat mit einer Suppe. Die Köchin nickte zurück lächelnd, holte einen Beutel Instantnudeln aus dem blankpolierten, zweitüri-gen Kühlschrank und erhitzte den Inhalt in einem Sieb in heißem Wasser. In einer großen Schale goss sie die Nudeln mit Brühe auf und gab Algen, Frühlingszwiebeln und rotes Kleingeschnittenes dazu. Sie servierte mir den Pott und stellte ein kleines Schälchen mit gelbem Rettich daneben. Nein, einen Löffel brauchte ich nicht, danke der Nachfrage. Unsere Zimmer im Hotel Vabien Suite II: 35 qm mit vier Einbauschränken, Riesen-fernseher, Sofa und einem netten Bad. Die Einbauküche mit Kühlgefrierkombination

bis an die Decke, Mikrowelle, Kaffeemaschine, Geschirrspülmaschine, Wasserko-cher, 2-flammiger Gasherd, Töpfen, Besteck und Kochgerät schlug aber alles. Sie erinnerte mich ein bisschen an eine Schiffspantry, weil unter der Spüle Absperrhähne für den Abfluss waren (Seeventile im Hochhaus?) und über dem Herd das Absperr-ventil fürs Gas. Dass in den Zimmern überall ein Netzwerkkabel geradewegs darauf wartete, angestöpselt zu werden und ins World Wide Web zu verhelfen, war schon eine Selbstverständlichkeit. Alles umsonst und megaschnell. Die verspiegelten und getönten Fenster verstärkten den Eindruck der Diesigkeit noch mehr, als ich im 17. Stock über die meisten Häuserdächer hinweg auf die Berge schaute. Seoul! Weit unter mir lief auf dem Bildschirm auf dem Dach eines sechsstöckigen Hauses permanent Werbung und dazwischen der immer gleiche Zeichentrickfilm. Der Freiluftfernseher war fast so groß wie das ganze Haus. Der Stadtplan auf meiner Bettdecke überredete mich, vor dem Abenddienst noch ein Stündchen zum Namdaemun Market und dem berühmten Deoksugung Palast zu schlendern und das Schlafen auf die Nacht zu verlegen. Die beiden Sehenswürdig-keiten lagen ganz in der Nähe des Hotels und leicht zu Fuß zu erreichen.

Von links nach rechts fotografiert, mich herumdrehend

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Dachte ich. Der Hatsch um den kleinen Häuserblock zum Palast entpuppte sich schon als zwanzig minütiger Spaziergang. Die gelben Blätter auf dem Bürgersteig sahen komisch aus. Als ich genauer hin-sah, entdeckte ich Ginkoblätter. Ich sah nach oben. Ich lief in einer veritablen Gin-koallee. Goethes Baum in Weimar war für Deutsche immer etwas Besonderes ge-wesen; hier war das ein gemeiner Baum wie bei uns die Pappel oder Birke. Mitten in den zwanzig Stock hohen Ge-

bäuden lag der Deoksugung Palast klein, niedrig und gar nicht der drei Könige wür-dig, dessen Residenz er im Anfang des 17. Jahrhunderts war. Der Eintritt sollte 1000 Won kosten, aber wenn das auch nur 60 Cent waren, ich hatte keine Zeit mehr, wenn ich den Rückweg nicht joggend verbringen und rechtzeitig zur Abfahrt der Busse wieder am Hotel sein wollte. Lieber gemütlich den Hochhausblock weiter umrunden. An einer Straßenecke warte-te ein Händler in einem kleinen Standl auf Kunden. Vor sich aufgetürmt lagen ausge-backene Teile und Bollen am Stiel, die wie größere Handgranaten ausschauten. Ich deutete auf eine kleine Bombe und nickte ihm zu. Er steckte die Granate am Stiel in die Mikrowelle und drückte sie mir zwei Mi-nuten später mit Ketchup bespritzelt in die Hand. 1000 Won. Hier kostet irgendwie al-les 1000 Won. Ich biss ins Stielbömbchen und versank in weichem, weißem Teig. Als grazile Füllung lächelte mich ein Kochwürstchen an. Ach, deswegen gab es überall die Wurscht am Stiel. Sie waren zum Umhüllen mit Teig ge-dacht oder vielleicht wenigstens zum Grillen über den allgegenwärtigen Feuertöpfen. Zuerst dachte ich, dass ich dieses Teigei nicht schaffen würde, aber als ich am Hotel VABIEN II angekommen war, hatte ich nur noch den Stiel in der Hand. Eine geschlagene dreiviertel Stunde war ich unter-

wegs gewesen. Ach ja, die McDonalds heißen hier „Lotteria“. Wahrscheinlich ist es eine Lotte-rie, hier etwas Gescheites zu essen zu bekom-men. Es gab in Seoul Starbucks Coffeeläden, als einzige ausländische Autoniederlassung BMW-Zentren und eben Hamburger fastfood. Fast hät-te ich es vergessen: an der Autobahnraststätte hatte ich auf einem Schild gelesen, dass es hier „slow food“ gäbe. Schnell noch duschen, die Tasche mit den Kon-zertklamotten und den Noten packen und vom 17. Stock runterliften. Zwei Minuten vor halb sechs war ich zur Stelle.

War ich froh, dass ich kein Solist war. Dann könnte man sich solche Stadterkun-dungsmärsche am späten Nachmittag einfach nicht leisten.

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Eine reichliche Stunde brauchten wir in den nördlich gelegenen Ort Guyang zum Goyang, Aram Nuri Arts Center, 396 Mannyeon-dong, Ilsan-donggu, Goyang-si, Gyunggi-do

Ich musste die Schriftgröße auf 11 Punkt verkleinern, sonst ware die komplette Ad-resse nicht in eine Zeile gegangen. Wie es aussah, weiß ich nicht, weil es schon dunkel war und ich die Busfahrt größtenteils verschlafen hatte. Die Koreaner empfingen uns bei Konzertbeginn schon mit Gejohle, das wie „Buh“ klang, aber offensichtlich keines war. Die Bäche und der Händel gelangen noch bes-ser als am Vortag und wurden wirklich frenetisch beklatscht von lauter lächelnden Menschen. Genau wie am Vortag war der Saal nur gut halbvoll gewesen, aber trotz-dem mussten es an die 1500 Leute gewesen sein. Auch heute holten wir zur geplan-ten Zugabe aus. Es wurde ganz still im Saal. „Ach, Herr, lass dein lieb Engelein“ be-ginnt der Schlusschoral aus der Johannespassion und als nach 28 Takten der hoff-nungsfrohe Chorsatz verklungen war, brandete der Beifall wieder auf und ließ uns kaum nach Hause gehen. Samstag, 31.10.09 Heute war frei bis auf das abendliche Konzert im Seoul Arts Center, 700 Seochodong, Seoucho-gu 137-718

Hier konnte ich die Schriftgröße wieder bei 12 Punkt lassen, so vergleichsweise kurz war die Adresse. Und wie ich die allge-genwärtige Vernetzung mit dem Netz der Netze schätzte! Ich holte noch vor dem Frühstück meine Mails vom Vortag ab, schaute nach dem Wetter hier und zuhause, dem Kontostand und dem Trinidad der Aufzugtante. Auch hier erzählte die ir-gendwas von sowieso tinida. Da komm ich noch drauf! Oh, der Kaffee! Nicht zu trinken war diese durchsichtige hell-braune Brühe! Dafür gab es wieder Misosuppe, gelbe Süßkar-toffelsuppe, Salat, Reis und natürlich Kimchi. Nein, das Früh-stück riss uns alle nicht vom Stuhl. Die einzige Entschädigung waren die frischen Ananas. Um 1100 machte ich mich allein auf, um den Markt und den Deoksugung Palast nun endlich zu erkunden. Warum hatte ich eigentlich meinen Schirm nicht eingepackt? Kaum war ich zwei Straßen weit gelaufen, fing es an zu regnen, aber dies-mal keine Ginkoblätter. Plötzlich standen an allen Ecken Leu-te, die Regenschirme verkauften. Im Markt selber, der ein ganzes Stadtviertel war blieb ich unter den Markisen und Be-dachungen gut geschützt und verzichtete deswegen darauf, noch einen Schirm zu kaufen. Eine Mischung aus Köstlichkeiten und Unappetitlichkeiten war hier anzutreffen. Ein Fischhändler verkaufte seine toten Krea-turen einfach vor einer Wand aus Pappe, gekochte Schweins-köpfe glotzten mich aus leeren Augen an, Berge von Chili ver-schiedenen Mahlgrades waren aufgehäuft, die Mühle im klei-nen Laden und Brillenläden gab es Unmengen. Gleich neben einem Stand mit verschiedensten Arten von Kimchi in Plastik-läcken und Blecheimern war ein Süßigkeitengeschäft. Ich lern-te, dass man Bratwurst viel einfacher mit der Schere als mit einem Messer schneiden kann. Als erstes kaufte ich 100 Gramm Chili mittelfein für 3000 Won, dann eine Armbanduhr waterresistant für 15000. Unter dem

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Schmuddelmarkt setzte sich die Shopping-meile im großen Stil fort. Ganze Straßenzü-ge waren mit Kaufhäusern untertunnelt. Da es jetzt wirklich regnete, hielt ich mich lieber dort auf. Ein Händler hatte auf den Stufen des Treppenabgangs seine waren ausgeb-reitet und war sofort zur Stelle, als ich inter-essiert stehenblieb. Ich entdeckte auf den unteren Stufen ein Sortiment scharfer gro-ßer Kochmesser. Der Händler nannte 17000 Won, das waren 10 €. Ich nahm sie Schon im Gehen sah ich einen Plastikten-nisschläger, dessen Funktion ich schon

kannte. Mein lieber Nachbar Gerhard schlägt damit ganz elegant Fliegen und Mü-cken tot. Den musste ich haben, egal wie ich alles in den Koffer kriegte. Der Verkäu-fer hüpfte wieder herbei und erklärte mit eindeutigen Gesten, wofür das Ding ge-macht war, freute sich ganz arg, mir etwas neues zu verkünden, wie er glaubte. Dann zeigte er mir die zwei Batterien, die jedesmal einen Blitz produzierten, wenn der Schläger auf feste Ge-genstände traf, wie er eifrig demonstrierte. 5000 Won. Kochzutaten gab es hier unten nicht, aber die hatte ich ja oberirdisch schon abgelichtet: Ingwer, Knoblauch, Ginseng und Würzelchen, die ich gar nicht kannte. Im Kaufhaus konnte ich wieder nirgends Preise sehen. Komisch! Ich begutachtete Bündel von Seidensocken und schaute scheinbar hilfesuchend um mich. Eine Amerikanerin sprang mir bei und klärte mich auf, dass man hier immer die Verkäufer um den Preis fragen müsse. Ist doch blöd! Was ist denn, wenn mir der Be-trag dann zu teuer erscheint, dann blamiere ich mich ja jedesmal. Gut, ich fragte. Die zehn Paar Söckchen sollten 5000 Won = 3 € kosten. Ich nahm sie. Ans Ta-geslicht kam ich wieder kurz vor der Cityhall, wo auch der Palast stand. Es regnete immer noch und das far-benfrohe Eingangstor lag im Grau. Mit Gewalt musste es auch nicht sein! Ich trappelte gleich wieder in den Untergrund in die Metrostation der Linie 2 grün. Ein bisschen brauchte ich am Ticketautomaten, bis ich die Zielhaltestelle „Seodaemun“ gefunden und ein-gegeben hatte. weil ich den Schlitz für den Geldschein nicht sofort fand, deutete ein Mann, der wohl genau wegen solchen Leuten wie mir ständig neben den Automaten stand, auf den richtigen Schacht. 1000 Won kostete die Fahrt und 500 mussten als Deposit hinterlegt werden. Hä? Ich legte die Magnetkarte auf die Eingangsschranke und durfte durch. Nun musste ich nur noch die richtige Fahrtrichtung erwischen. Gott sei Dank hatte ich einen U-Bahn-Plan dabei. Die Gleise lagen hinter einer Vergla-sung, die ihre Türen nur öffnete, wenn der Zug schon da stand. Das wäre doch was für deutsche Großstädte! Dann könnte keiner mehr auf die Schienen fallen, weder absichtlich noch aus Zufall und keine U-Bahn-Fahrer müssten mehr Lebensmüde zu Matsch fahren. Keine Minute wartete ich auf den nächsten Zug. An der nächsten Haltestelle stieg ich zum Umsteigen aus und - stutzte. Ich hatte einen anderen Namen erwartet. Schit, es

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war doch die falsche Richtung. Die grüne Metrolinie war nämlich eine Ringlinie und die Station „Gamsil“, die ich mir gemerkt hatte, gab es ja in anderer Richtung auch.

Egal, dann fuhr ich in diese Richtung noch zwei Stationen weiter und wechselte dann zur lila Linie, die am Hotel vorbeiging. Nur gut, dass die Haltestellennamen auch in lateinischen Buchstaben da standen. Vor der Treppe des Aufgangs 1 hatte ein Kos-metikladen seine Auslage in den Durchgang drapiert. Ich probierte die Farben der Lip-penstifte und nahm einen dunkelroten mit. An der Kasse bekam ich gleich noch zwei Probefläschen von diesem und jenem mit, das Restgeld, gute Wünsche und viel Lä-cheln. Nun hatte ich doch jede Menge eingekauft,

aber meine Wons wurden irgendwie nicht weniger! Drei Stunden waren noch Zeit bis zur Busabfahrt zum Konzert. Nein, schlafen wollte ich nicht. Die Sauna konnte ich mir doch noch anschauen. An der Rezeption drückte ich 12000 Won ab, bekam ein Ticket und fuhr ins ersten Kellergeschoß B1. Laut Laufsprecherstimme im Aufzug kam ich schon wieder in Trinidad an. Aus einer Übersetzungsmaschine hab ich jetzt zwar herausgefunden, dass englisch „floor“ auf koreanisch „지면“ heißt, aber ob man das wie trinidad ausspricht, weiß ich immer noch nicht! Die Dame am Informationsschalter schickte mich durch eine Tür, vor der erst einmal die Schuhe von den Füßen mussten. Im Raum hinter der Tür gab es nur Schließfächer, einen Bambustisch in der Mitte und an ei-ner Wand einen langen Tisch mit Föns, Kämmen, Bodylotion und Haargel. Von Handtüchern keine Spur. Doch, ganz kleine Tüchlein, die größere Waschlappen waren an der Tür zur Sauna gestapelt. Ich nahm zwei mit und setzte mich in den nur mäßig heißen Raum. Mehr als 80° C konnten das nicht gewesen sein. Eine ganz schmale Sitzbank hatte auf mich gewartet, belegt mit einer roten Matte. Ich schob sie zur Sei-te, weil ich mich lieber auf die eigenen Handtücher setzen wollte und wartete darauf, dass es mir heiß wurde. Ruheraum? Fehlanzeige. Ich zog ein T-Shirt und eine rote kurze Sporthose der Grö-ße L an, die in zwei Stapeln bereit lagen. Die Hose war knapp! In meiner Not schaute ich mich im restlichen Geschoß um. Hauptsache war hier im Hotelkeller ein Raum mit 11 Golfabschlagsübungsplätzen. Du kriegst die Tür nicht zu! Auf einem Display wur-de die Anzahl der Abschläge und die Zeit bis zur nächsten Teatime angezeigt, kein

Witz! Nebenan fand ich noch einen Fitnessraum mit weißen Foltermaschinen. Drei Männer in gleichen olivgrünen Shirts und grauen Hosen trabten auf Lauf-bändern, während sie in kleine

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Fernseher schauten, die ihnen 50 cm vor der Nase hingen. Ich radelte 15 Minuten mit 110 Watt und trollte mich zum 2. Gang und Haare trocknen wieder in die Sauna. Mittlerweile war eine andere Frau in der Schwitzkabine und saß mit ihrem nackten Arsch auf dem Holz. Das Tüchlein hatte sie statt darauf zu sitzen um die Haare ge-schlungen. Ich verstand nicht ganz: bei jeder Gelegenheit wurde alles desinfiziert und ständig geputzt, aber nun saß die kleine Dame einfach so nackich auf dem Holz und schwitzte vor sich hin. Als sie nach drei Minuten aufstand und ging, hinterließ sie einen riesigen nassen Fleck, bäh! Alle Kollegen, die ich fragte, hatten um 1600 gar kei-nen Hunger. Alleine zum Essen gehen fand ich aber doof. Direkt vor dem Lokal unseres Hotels standen zwei und konnten sich nicht entscheiden, ob sie hi-neingehen sollten oder lieber nicht. Als ich dazu stieß, überwanden sie die Unentschlossenheit und leisteten mir Gesellschaft. Auf jedem Tisch stand ein Gasko-cher. Der Wirt bruzzelte die bestellte Pfanne auf sei-nem Herd vor und stellte sie dann auf den Tischko-cher, wo das heiße Fett weiter knisterte. Wir bestellten gebratene Ente. Zuerst servierte der Wirt Schälchen mit Bohnentofu, Kartoffeln, Krautsalat und natürlich Kimchi. Die Herausforderung war, den glitschigen Tofu mit den dünnen Metallstäbchen zu greifen. Der gute Mann sprang sofort herbei und reichte mir aus der Tischschublade einen Löffel. Das einzig Komische an dem Essen war, dass die Ente nach Schwein schmeckte, aber wie! Durch die ganze Stadt brauchten wir im Abendverkehr eine geschlagene Stunde zum Konzertsaal. Dabei war doch Samstag, aber das war hier in Korea scheints egal. Un-ser Chef Helmuth bezeichnete in der Anspielprobe das Auditorium als kleinen Kam-mermusiksaal. Späßle gmacht, gell! Der Saal fasst 3000 Zuhörer. Die Garderobe der Chordamen war mit drei Liegesesseln ausgestattet und ich war zufällig so früh dran, einen zu ergattern. Bloß nicht einschlafen zwischen Anspielpro-be und Konzert! Ich trank drei Becher grüne Tees, die ganz stark nach Algen schmeckten, aber mir macht das ja nichts aus. Den Tee und Sandwi-ches in einem Papierschachterl gabs im „grünen Saat“ für die Mitwir-kenden namens „Mozart“. Schon beim Einlaufen der Solisten und des Dirigenten schrieen die Leute wie wenn Elvis oder der King of Pop auf die Bühne kommen

würden. Es wurde wieder ein schmissiges Konzert, unser letz-tes hier in Korea. In der Pause lagen dann wieder drei Chordamen in den beque-men Sesseln und konnten sich nur schwer auf-raffen, als der Pausengong erönte. Zum Schluss klatsche das Publikum wieder so begeistert und lange, dass wir unsere Zugabe zum Besten ga-ben und uns dann verabschiedeten. In der Abendstunde kam der Bus besser durch Seoul, die Tunnels und über den großen Fluss, so dass wir schon um 2315 im Hotel ankamen.

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Sonntag, 1.11.09 Um 0900 Busabfahrt zum Incheon Airport. Angela und ich checkten gemeinsam ein und bekamen genau die gewünschten Fenster- und Gangplätze in der gleichen Rei-he. Der Fensterplatz war mir. Noch fast zwei Stunden bis zum Check-In waren zu überbrücken, aber das fiel mir nicht schwer. Vom Hinflug war noch eine Computerzeit-schrift übrig, die dringend noch wegge-schmissen werden wollte, nachdem ich die wichtigsten Buchstaben herausgelesen hat-te. Bereitwillig ließ ich alle Pass-, Handge-päck- und Augenkontrollen über mich erge-hen. Im Gatebereich saßen einige Freunde an einem Bastelstand. Nein, es war ein Tra-ditionskoreakulturzentrum, in dem die Besu-cher aufgefordert waren, selbst kleine Lam-pions zu kleben. Sofort mitmachen! Die im langen Gewand gekleidete Geisha (halt, falsches Land!) erbat sich meine Bordkarte und checkte die Uhrzeit mit der boarding time gegen. Gerade noch erlaubte sie mir, mit zu basteln mit der Bemerkung: „Hurry up!“ Gegen zügiges Arbeiten hatte ich nichts. Ich bekam eine ausgestanzte Plastikscheibe und Klebestreifen in die Hand. Die nette Dame zeigte, wie es gemacht werden musste. Gut, ich klebte die Scheibe in eine runde Lampenschirmform – fertich! Dann bekam ich vorgeschnittene Papierschnitzel,

die mit Leim bestrichen, auf die Rohform auf-geklebt wurden. Weil ich eine Frau bin, bekam ich rote, männliche Kollegen auch grün oder blau. Oder war das Zufall? Als dritte Zutat reichte sie mir ein winzig kleines Lämpchen mit Batterie und Schalter, das ich nun durch das kleine Loch an der Oberseite des Lampions fummeln sollte. Doll! Um das selbst gebastelte Präsent gut über den Flug zu kriegen, durfte ich es in einen Pappkarton geben. Könnte man nicht in München Bierkrüge basteln lassen? Ich finde, das ist eine total nette Idee zum Zeitvert-reib auf Flughäfen. Und schon saß ich umgeben von lauter Gä-

chingern und Orchesterkollegen in Reihe 38 auf Platz A. Zum Bordmenü wählte ich selbstverständlich corean style. Es gab Ssambab. Eine Salatblattrolle mit Salatblätter und sonst nix dazwischen als Vorspeise war dekoriert mit vier sauscharfen Peperonischeiben, in die ich, wie alle, herzhaft biss. Puh! Angela: „Wo issn die Salatsoße?“ Das unvermeidliche Kimchi war verpackt wie Marmelade, aber ungleich schärfer im Geschmack. Ich werde die Küche vermissen! Kurz vor Beijing über der eingangs erwähnten Bohaisee drehte der Flieger nach Norden ab, um den sibirischen Jetstream mitzunehmen und ich fing an, das Ende dieses Berichts zu schreiben.

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Auf dieser Reise hatte ich immer Glück: mit den Zimmern, mit den Sitzen im Flieger, mit dem Wetter, obwohl es stets diesig war, mit meiner Stimme, die die Proben und Konzerte mit Megachorprogramm gut ausgehalten hatte und überhaupt. Ich war dankbar für diese tolle Reise mit den vielen Eindrücken und hoffe, dem geneigten Leser einiges davon vermitteln zu können.