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Fallverstehen vs. Falsch-Verstehen Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen e.V. „… denn sie wissen, was sie tun“ 3. Bundeskongress der Jugendhilfe im Strafverfahren und der ambulanten sozialpädagogischen Angebote für straffällig gewordene junge Menschen 6. bis 8. Mai 2015, Bad Kissingen Foren-Vortrag Kraimer (c) Klaus Kraimer 2015

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Fallverstehen vs. Falsch-Verstehen

Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen e.V.

„… denn sie wissen, was sie tun“3. Bundeskongress der Jugendhilfe im Strafverfahren und der ambulanten sozialpädagogischen Angebote für straffällig gewordene junge Menschen6. bis 8. Mai 2015, Bad Kissingen

Foren-Vortrag Kraimer

(c) Klaus Kraimer 2015

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Fall-Verstehen: Beispiel im Bild

"Der muss anhalten. Er wird uns sehen."

"That guy's got to stop. He'll seeus."

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Ausgangsposition

Fall-Verstehen

• ist die Routine des Professionellen

• der wissen sollte, was er tut, wenn er interveniert

Der Fall

• ist die Krise des Jugendlichen

• der – noch – nicht, oder nicht immer weiß, was sein Tun bedeutet oder bewirkt, bewirkt hat oder bewirken könnte

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Ausgangsposition und Ausblick

ArbeitsbündnisZiel: Krisenbewältigung

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Das Modell zwischen

Krise Routine

Fall Fall-Verstehen

Autonomieverlust Autonomiegewinn

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Denn sie wissen nicht, was sie tun

− James Dean starb in einem Horrorcrash im Alter von 24 Jahren

−Er ist bis heute ein (latentes) Vor-Bild für männliche Jugendliche und junge Erwachsene in oder kurz nach der Krise der Adoleszenz

−Seine Prognose war falsch, wusste er nicht,

was er tat? Er ist ein „Fall von“

Unfalltoten/Traumatischer Krisentyp

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Fälle als Spurentexte für das Typische

− "Der muss anhalten. Er wird uns sehen." "That guy's got to stop. He'll see us."

− Als überliefert gelten diese letzten Worte desSchauspielers, der 1955 in seinem Porsche550 Spyder mit einem entgegenkommenden

Ford kollidierte. Nach Deans Beifahrer (Rolf Wütherich,ein deutscher Mechaniker, der schwerverletzt überlebte)

− Todes-Fall im Alter von 24 Jahren. „Fall für“ dieSpurensicherung/Statistik? „Fall mit“ …

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James Dean als Typ

− James Dean wird medial als Typ oder Ikone

der Pop-Kultur transportiert: Er repräsentiert den (Edel-) Rebell

− Dieser Typ ist im Sinne von Robert K. Merton eine klassische gesellschaftliche Form

− Typologisches Verstehen korrespondiert mit dem Fall-Verstehen so wie mit dem Verständnis von Ikonen

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Typologisches Verstehen

R. K. Merton nennt in dem gesellschaftlichen Spannungsfeld fünf mögliche Reaktionstypen:

1. Der Konformist erkennt die allgemeinen Werte und Normen an und akzeptiert auch die üblichen Mittel zu deren Erreichung. Dabei ist es gleich, ob er erfolgreich ist oder nicht. Die Mehrzahl der Bevölkerung zählt nach R. K. Merton zu diesem Typ.

2. Der Innovator akzeptiert ebenfalls die allgemeinen Werte und Normen, setzt aber nicht die üblichen Mittel ein. Er handelt illegal oder nicht-legitim mit verbotenen Mitteln.

3. Der Ritualist ordnet sich ebenfalls in die allgemeinen Werte und Normen ein, verliert aber seine ursprünglichen Zielvorgaben und handelt nur noch mechanisch mit immer gleichen Mitteln.

4. Der Aussteiger lehnt sowohl die anerkannten Ziele als auch die Mittel ab. Er schafft sich z. B. in einem Kreis von Gleichgesinnten Möglichkeiten zur Deckung des Eigenbedarfes.

5. Der Rebell ist demgegenüber daran interessiert, die bestehenden Werte, Normen und Mittel zu ersetzen und neue gesellschaftliche Orientierungen zu schaffen.

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Literatur

Merton, Robert. K. (1979): Sozialstruktur undAnomie. In: Sack, Fritz/René König, (Hg.):Kriminalsoziologie. Wiesbaden 1979, S. 283-313.

Oberwitter, D./Karstedt, S. (Hg) (2004): Soziologie der Kriminalität(Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, SonderhefteBd. 43). Wiesbaden.

Kraimer, Klaus (2013): Devianz-Pädagogik. Kinder und Jugendliche inKrisen. Ibbenbüren: Münstermann.

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Gliederung

I. Einleitung: Fall, Typ, Ikone: James Dean als Beispiel

II. Fallverstehen: Geschichtliche Entwicklungslinien

III: Methodologie: Das Fall-Verstehen einer sozialwissenschaftlichen Hermeneutik

IV: Fazit: Aus Fällen lernen

heißt: a) methodisch verfahren und b) im Modus stellvertretender

Krisenbewältigung handeln

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Literatur

Die Literaturangaben beziehen sich stets auf weiterführende Arbeiten. Sie können hier teils nur angedeutet werden.

Alle Quellen finden sich auf meiner homepage: http://htwsaar.de/sowi/fakultaet/personen/professoren/Prof.%20Dr.%20Klaus%20Kraimer

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Sozialwissenschaftliche Hermeneutik

− ist ein anspruchsvolles Verfahren, das aus Texten und aus der Interpretationspraxis

erworben werden kann. Dazu dienen die

Literaturhinweise

− Es dient dem Verstehen von Gründen und Folgen von Devianz, Delinquenz und Kriminalität

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Wissen wir, was wir tun?

Stefan Busse, Susanne Ehmer (2010) (Hg.): Wissen wir, was wir tun? Beraterisches Handeln in Supervision und Coaching, Reihe: Interdisziplinäre Beratungsforschung, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Darin z. B. Liebermann, Sascha/Loer, Thomas: Autonomie in der Beratung - fördern, hemmen oder erodieren? Überlegungen zum besonderen Charakter des Arbeitsbündnisses in der Beratung von Organisationen, S. 166 ff.

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Einleitung: Fall, Typ, Ikone

Was ist der Fall?

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Fallverstehen Die Kunst, ein Geschehen oder eine (Lebens-)Geschichte in

der Entstehung, Ausgestaltung und Potenzialität zu erkennen; kurz: Einen Fall zu identifizieren und zu charakterisieren

Rekonstruktion Aus der Analyse des Falls erwächst ein Verständnis für allgemeinesoziale Zusammenhänge und fallspezifische Eigenarten.

Habitus Das Fall-V. erwächst aus dem Spannungsverhältnis zwischen

a. theoretischenWissensbeständen (die für einen Fall relevant sind)

b. fallspezifischen

Wissensbeständen (die sich aus der methodisch kontrollierten Aufschließung einer je konkreten

Lebenspraxis (Fall) aktuell ergeben).

− Diese Frage ist grundlegend.

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Die Logik der stellvertretenden Krisenbewältigung nach Oevermann

Defizitäre AutonomieExplizites Mandat

Problematik des MandatsParadoxale Handlungskonstellation

Nicht-Standardisierbarkeit

Professionelle Expertise

Theorie-VerstehenFähigkeit zum Verständnis abstrahierten Wissens

Fall-VerstehenFähigkeit zum Verständnis von Typik und Spezifik

Habitus

ArbeitsbündnisGleichzeitigkeit von Diffusität und Spezifität

Engagierte Rollendistanz: Aufforderung zur Selbsttätigkeit

(Wiederhergestellte) Autonomie

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Einleitung: Fall, Typ, Ikone

Entstehungslinien

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Einleitung: Fall, Typ, Ikone

Typologie - hermeneutischTypologie von gr. Τύπος, týpos = Urbild, Vorbild –auch Präfiguration genannt− steht in einer hermeneutischen Auslegungstradition (der

Bibel oder der Mythologie)

− die Inbezugsetzung einer Person oder eines Geschehens aus dem Alten Testament oder aus antiken Legenden, des Typos, mit einer Person oder einem Ereignis aus dem Neuen Testament, oder aus der neueren Zeit, dem Antitypos.

− Das, was im Alten Testament angekündigt wird, vollendet sich im Neuen Testament oder: Das was im Typos liegt, vollendet sich in einer individuellen Biografie

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Einleitung: Fall, Typ, Ikone

Typologisches Verstehen

−Bedeutet nicht: Schubladendenken sondern

−Re-Konstruktion des Typischen im Individuellen

Also die Dialektik von Allgemeinem und Besonderen (im Sinne einer widersprüchlichen

Einheit des Selbst)

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Einleitung: Fall, Typ, Ikone

Ikonografisches Verstehen

− von griechisch εἰκών eikón ‚Bild' und γράφειν gráphein‚ schreiben‚ als Methode der Hermeneutik

− Ursprünglich bezeichnete der Begriff die klassische Porträtkunde der Antike. Die „Ikonografie Caesars“ beispielsweise ist die Sammlung aller Porträts, die ihn darstellen.

− Dieser Begriff spielt heute in Fall-Portraits eine Rolle.

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Einleitung: Fall, Typ, Ikone

LiteraturRobert, Carl (1919): Archäologische Hermeneutik. Anleitung zurDeutung klassischer Bildwerke. Berlin: Weidmann 1919.Büttner, Frank/Gottdang, Andrea (2006): Einführung in dieIkonographie. Wege zur Deutung von Bildinhalten. C.H.Beck, München2006,

Panofsky, Erwin (1975): Sinn und Deutung in der bildenden Kunst.Köln: Dumont.Heinrich Krauss/Eva Uthemann: Was Bilder erzählen. Die klassischenGeschichten aus Antike und Christentum in der abendländischenMalerei. 3. Auflage, München 1993.Sabine Poeschel (Hrsg.): Ikonographie. Neue Wege der Forschung.Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2010Brigitte Riese: Seemanns Lexikon der Ikonografie. Religiöse und profaneBildmotive. E. A. Seemann Verlag, Leipzig 2007,

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II. Fallverstehen:

Entwicklungslinien

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II. Fallverstehen: Mary E. Richmond (1861-1928)

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II. Fallverstehen: Mary E. Richmond

− Zentrale Werke »Social Diagnosis« (1917) und »What issocial Case Work?« (1922)

− Grundprinzipien der Fallarbeit entstehen aus einerVerknüpfung ihrer praktischen Erfahrungen und dentheoretischen Ausführungen amerikanischerSozialphilosophen

− entwickelte einen spezifischen Stil der Fallanalyse unterdem Einfluss der Chicago School

− gekennzeichnet durch ethnografische und analytischeInhalte, die für die Entwicklung der Disziplin folgenreichwaren.

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II. Fallverstehen: Alice Salomon (1872-

1948)

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II. Fallverstehen: Alice Salomon

− Erste Direktorin der Sozialen Frauenschule Berlin(gegründet 1908)

− Wie schon Mary E. Richmond, geht Salomon davon aus,dass einer verantwortlichen Tätigkeit in der Sozialen Arbeitmit einer Verberuflichung verbunden sein sollte.

− Ihr Werk »Soziale Diagnose« (1927) ist inspiriert von MaryRichmonds »Social Diagnosis« (1917) und »The Art ofHelping People out of Trouble« (1924) von Karl v.Schweinitz.

− Ihr Werk ist von großer Bedeutung für die methodische undfachliche Ausgestaltung der Sozialen Arbeit

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II. Fallverstehen: Auszug aus Salomon (1927): Soziale Diagnose

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II. Fallverstehen: Klaus Mollenhauer (1928-1998)

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II. Fallverstehen: Klaus Mollenhauer

− entwickelt enge biografische Züge zurFallorientierung und arbeitet während seinerLehrtätigkeiten (Kiel, Frankfurt und Göttingen) einefallbezogene Beratung und Diagnostik heraus, die inder Tradition der Kritischen Pädagogik steht.

− systematische Berücksichtigung der Lebenslage undder biografischen Verfasstheit, einschließlich derSelbstdeutung in der Fallorientierung.

− Die enge Verbindung von Theorie und Praxis wirddurch hermeneutische Falldiagnosen hergestellt.

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II. Fallverstehen: Hans Thiersch

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II. Fallverstehen: Hans Thiersch

− verbindet Theorie und Praxis in seiner»Lebensweltorientierten Sozialen Arbeit«.

− Der Begriff der Authentizität ist nebenBegrifflichkeiten wie Alltag ein wesentlichesMerkmal, welches seine Fallorientierungcharakterisiert.

− Begründet seine »Lebensweltorientierung«beispielswiese anhand des Stanser Briefes(Johann Heinrich Pestalozzi).

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II. Fallverstehen: Burkhard Müller (1939-2013)

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II. Fallverstehen: Burkhard Müller

− Modell »Fall von«, »Fall für« und »Fall mit«

− Entwickelt und diskutiert Arbeitsregeln, die fürdie professionelle Tätigkeit von Bedeutung sind z.B.:

(1) Eingreifendes Handeln (Machtgebrauch)

(2) Illegitmität erniedrigender Eingriffe

(3) Eingriffe dürfen das Potenzial der Selbstbestimmung nicht zerstören

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Fall-Verstehen: Der Ursprung

»Wer nicht gewahr werden kann, dass ein Fall oft Tausende wert ist,

und sie alle in sich schließt, wer nicht das zu fassen

und zu ehren imstande ist, was wir Urphänomene genannt haben,

der wird weder sich noch anderen jemalsetwas zur Freude und zum Nutzen

fördern können«(Goethes Farbenlehre aus dem Jahr 1810)

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Entstehung rekonstruktiver Ansätze I: Bedeutungs-Rekonstruktion

Mead1863-1931

Blumer1900-1987

Strauss1916-1996

Schütze*1944

Ethnomethodologie

Die Entstehung von Methoden zur Erfassung von Bedeutungen

Bielefelder und Kasseler Schule

GroundedTheory

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Entstehung rekonstruktiver Ansätze II:

Hermeneutik

Schleiermacher 1768-1834

Dilthey1833-1911

Oevermann*1940

Bedeutungs-rekonstruktion

Die Entstehung der Hermeneutik

Objektive Hermeneutik

Hermeneutische Erfahrungs-wissenschaft als Grundlage rekonstruktiver Methoden

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Entstehung rekonstruktiver Ansätze III:

Soziale Diagnose

Soziale Diagnose

Die Entstehung der Diagnostik

Sozial-Pädagogische Diagnose

Struktur-RekonstruktiveDiagnostik

Sozialer Sinn Richmond1861-1928

Salomon1872-1948

Mollenhauer1928-1998

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Teil III: Methodologie der Fall-Rekonstruktion

− steht in der Tradition der Objektiven Hermeneutik (Ulrich Oevermann ) und der Soziolinguistischen Prozessanalyse (Fritz Schütze )− Die Objektive Hermeneutik ist eine Methodologie, welche

»auf wenig erforschten Gebieten und bei neuen, noch wenig bekannten Entwicklungen und Phänomenen“ (Oevermann 2002: 1) Anwendung findet

− Die Narrationanalyse ist eine Methodologie, welche »im Sinne einer sequenziellen Entfaltungs- und Strukturierungsordnung« (Schütze 2000: 79) für Prozessanalysen nutzbar gemacht wird

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Protokoll/Ausdrucksgestalt

−Alle Daten, die in den Sozial-, Erziehungs-,

und Kulturwissenschaften im Zuge einer hermeneutischen Erfahrungswissenschaft

protokolliert werden, sind als Ausdrucksgestalten zu verstehen

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Protokoll/Ausdrucksgestalt

− Erst ein Protokoll macht eine Beobachtung zu einer Operation der Erkenntnisgewinnung im Zuge der Datenerhebung und der -auswertung

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Fazit: Aus Fällen lernen

heißt:

- a) methodisch verfahren

und

- b) im Modus stellvertretender Krisenbewältigung handeln

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Fazit: Aus Fällen lernen

a) Methodisch verfahren: Eine Anleitung

Quelle: Kraimer, Klaus: Fallrekonstruktive Soziale Arbeit. Münstermann 2014

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Forschungsvorgehen/-design Vorgehensweise und Tätigkeit Produkt und Ergebnis

1.

(a) Eingrenzung des Gegenstandbereiches (›was‹)Was ist der Fall?

Fallbestimmung

(b) Konkretion des ForschungsinteressesWelche Fallstruktur soll untersucht werden?

Forschungsfrage

2.

Operationalisierung durch Methoden (›wie‹)Welches Ausdrucksmaterial ist relevant und welche Methoden kommen zum Tragen?

Anhand eines Falles begründete Methodenwahl zur Erhebung und Auswertung

3. Erhebung und Sicherung von Datenmaterial Protokolle

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Forschungsvorgehen/-design Vorgehensweise und Tätigkeit Produkt und Ergebnis

4.

Rekonstruktion des Ausdrucksmaterials

Interpretation des Materials: Bestimmung von Erzeugungs- und Auswahlparametern. Bildung von Lesarten

Schrittweises Aufdecken der Fallstruktur

4.1. Rekonstruktion der objektiven Daten Fallstrukturhypothese

4.2Rekonstruktionslogische

Datenauswertung des FallsFallstrukturhypothese

4.2.1 Segmentierung Einteilung in Segmente

(große Sinneinheiten)

4.2.2

Rekonstruktion der ersten Sequenz: Sequenzielle

Vorgehensweise zur Bestimmungen von ›kleinen

Sinneinheiten‹ innerhalb des ersten Segmentes

Auswahl von Sequenzen (kleinen

Sinneinheiten)

Lesarten, Fallstrukturhypothese

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Forschungsvorgehen/-design Vorgehensweise und Tätigkeit Produkt und Ergebnis

4.2.3Überprüfung der Fallstrukturhypothese an weiteren

SequenzenFallstrukturhypothese

4.3.

Ergebnissicherung/

Falldarlegung

Zusammenführung der Fallstrukturhypothesen aus

4.1 und 4.2 zu einer Fallstruktur

Explikation wesentlicher

Struktureigenschaften und

Strukturgeneralisierung

4.4

Bei weitergehendem Forschungsinteresse

Rekonstruktion von minimal und maximal anders

gelagerten FällenFallkontrastierung

5.

Diskussion der Fallstruktur mit Blick auf die

Fragestellung und Theorie (Theorie- und Empirie-

Verbund)

Strukturerschließung eines

Gegenstandbereiches und

Beantwortung der Fragestellung

Typen-/Theoriebildung

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Fazit: Aus Fällen lernen

b) Modus stellvertretende Krisenbewältigung

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Stellvertretende Krisenbewältigung

− bezieht sich im ›Modus der Vermittlung‹ (zwischen Theorie, Empirie und Praxis) auf Unterstützungsleistungen in Krisen auf der Grundlage einer Expertise durch ein Mitglied einer Profession.

− greift immer dann, wenn primäre Lebenspraxen nicht mehr allein mit einer Krise fertig werden und somit auf eine fremde Expertise angewiesen sind (vgl. Oevermann 2009).

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Stellvertretende Krisenbewältigung

− Zentrale Schaltstellen im Modus der stellvertretenden Krisenbewältigung der Sozialen Arbeit sind Anamnese, Diagnose, Befund, Intervention und Evaluation

− Ziel: Autonomie

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Literatur

Kraimer, Klaus (2012): Devianzpädagogik. Kinder und Jugendliche in Krisen. Ibbenbüren: Münstermann.

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Sozialpädagogisches Verstehen verstehen

Niemeyer, Christian (2015): Sozialpädagogisches Verstehen verstehen. Eine Einführung in ein Schlüsselproblem Sozialer Arbeit. Weinheim: Beltz Juventa

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Literatur

Rätz, Regina/Völter, Bettina (Hg.) (2015): Wörterbuch Rekonstruktive Soziale Arbeit. Berlin: Budrich.

Rekonstruktive Forschung in der sozialen Arbeit, Bd. 11

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Sozialpädagogisches Verstehen

Auf diese Weise kann einem Verfall dessozialpädagogischen Verstehens, das ChristianNiemeyer (2015) beklagt, entgegengetretenwerden. Er erinnert an die Narration von derpädagogischen Kultformel Hermann Nohls (vgl.Nohl 1926), wonach die Schwierigkeiten, die dasKind/der Jugendliche hat, handlungsleitend füreine Intervention sind, nicht aber solcheSchwierigkeiten, die das Kind/der Jugendlichemacht.

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Anhang/Diskussion

Optionen einer

sozialwissenschaftlichen Bild-Hermeneutik

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Das Medium ›Bild‹ als soziales Protokoll

− enthält Bedeutungen, die gleichsam still gestellt sind

− Diese gilt es auf Grundlage der hermeneutischen Erfahrungswissenschaft

− a) im Sinne von Spurentexten in ihren Sinnzusammenhängen zu rekonstruieren

− b) in Bild-Erzählungen (Narrationen) zum Ausdruck zu bringen bzw. bildlich weiterzudenken

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Aus Bildern lernen

− Bilder als Unterstützung des pädagogischen Prozesses/der ästhetischen Bildung

− Bilder in ihrer Inszenierung und ihrer Bedeutung für die Habitus-Bildung erkennen

− ›Einmassierung‹ des Realitäts- bzw. Bildungsprinzips durch methodisch kontrolliertes Vorgehen (Bilder aufnehmen, erinnern, durcharbeiten)

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Folgende Beispiele

Bilder die einen Autonomieverlust zeigen, der später – im professionellen Handeln/Arbeitsbündis – in Rede steht

Beispiel 1 Kinderfoto

Beispiel 2 Jugendzimmer/Jugendliche

Beispiel 3 Der Tatort als ein durch ein Ereignis markierter Ort

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Beispiel: Ein typologisch-ikonografisches Bild

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Kinderbild Franz Kafka (aus Nitsche 2010, S. 232)

− Der hier drapierte etwa sechsjährige Knabe ist in eineSituation gestellt, die ein Bild der Fremdbestimmungzeichnet, die in den unermesslich traurigen Augen desProtagonisten einen stummen Protest aufscheinen lässt

− »Benjamin erinnert das diffuse Gefühl des Unwohlseins,der Entstellung, des gescheiterten Ähnlichwerdens, dessenUrsache ihm als Kind nicht bewusst werden konnte

− Der Eindruck, den eine solche traumatisierende Situationaus der Kindheit hinterlassen hat, wird aktualisiert, derText entwickelt ein Bild davon; es ist die »arme kurzeKindheit«, die sich in den Ateliers des neunzehntenJahrhunderts dokumentiert. Wo sich das Selbst derFotografie verweigert, werden Erinnerungsspuren im Textlesbar«

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Beispiel: Pädagogische Praxis/ Jugendzimmer

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Aus Neulinger 2006

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Aus Bildern lernen

− bedeutet für diesen Kontext, dass Kinder und Jugendliche in die Lage versetzt werden, ›andere Bilder‹ in sich aufzunehmen, die das Erlebte kontrastieren – im Rahmen einer bildbasierenden Interventionsform.

− Darin kommt die Methode des Live-Space-Fotointerviews im Zuge einer stellvertretenden Krisenbewältigung zum Tragen.

− Diese zielt auf eine Veränderung des Erlebens im Sinne einer ästhetischen Bildung und Erziehung, nicht aber auf eine Verhaltensänderung, die der Dressur ähnelt (vgl. Kraimer2013). Eine narrative Selbst-Bild-Intervention ermöglicht es, eine andere Geschichte mit sich selbst zu verbinden, in der man nicht der Sündenbock der Erwachsenen ist.

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Der Tatort als Quelle hermeneutischen Fall-Verstehens

Nitsche, Jessica (2012): Potentialität des Unsichtbaren. Ästhetische und diskursive Dimensionen des Tatorts nach Walter Benjamin und in künstlerischen Strategien der Gegenwart.

In: Nebulosa – Zeitschrift für Sichtbarkeit und Sozialität 1, S. 88-104.

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Literatur zur Vertiefung

Barthes, Roland (1985): Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie. 2. Auflage. Frankfurt am Main: Suhrkamp. (orig. 1980).

Barthes, Roland (1990): Die Fotografie als Botschaft. In: Ders.: Der entgegenkommende und der stumpfe Sinn. Kritische Essays III.Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 11-27. (orig.: Essais critiques, 1964).

Bohnsack, Ralf (2011): Qualitative Bild- und Videointerpretation. Die dokumentarische Methode. 2. Auflage. Stuttgart. UTB.

Breckner, Roswitha (2010): Sozialtheorie des Bildes. Zur interpretativen Analyse von Bildern und Fotografien. Bielefeld: transcript.

Breckner, Roswitha (2014): Offenheit – Kontingenz – Grenze? Interpretation einer Portraitfotografie. In: Müller, Michael J. (u.a.) (Hg.):Grenzen der Bildinterpretation. Wiesbaden: VS-Verlag, S. 123-153.

Burda, Hubert (2004): Iconic Turn weitergedreht – Die neue Macht der Bilder. In: Maar, Christina/Burda, Hubert (Hg.): Die neue Machtder Bilder, Köln: DuMont, S. 9-13.

Dörner, Klaus u. a. (Hg.) (2004): Virtual und Augmented Reality (VR/AR): Grundlagen und Methoden der Virtuellen undAugmentierten Realität. Springer Vieweg, 2014

Goffman, Erwing (1969): Wir alle spielen Theater. München: Piper.

Imdahl, Max (1980): Giotto. Arenafresken. Ikonographie, Ikonologie, Ikonik. München: W. Fink.

Imdahl, Max (1996): Reflexion, Theorie, Methode. Gesammelte Schriften Band 3. Frankfurt am Main. Suhrkamp.

Karallus, Christine (2000): Staatsanwälte, Kriminalisten und Detektive. In: Kunstforum International, 153, S. 132-143.

Kraimer, Klaus (2011): Soziale Diagnostik. Von der Fremdheit zur Konkretheit. In: Sozialer Sinn, Jg. 12, H. 2, S. 219-246.

Kraimer, Klaus (2015): Fotoanalyse. In: Rätz-Heinisch, Regina/Völter, Bettina (Hg.): Wörterbuch Rekonstruktive Soziale Arbeit.Leverkusen, Opladen: Barbara Budrich.

Lindner, Burkhardt (2006): Benjamin-Handbuch. Leben, Werk, Wirkung. Stuttgart: J.B. Metzler.

Mannheim, Karl (1989): Die Strukturen des Denkens. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Neulinger, Heidi (2006): Ich und meine neue Familie. Fotografien. In Zusammenarbeit mit Kinder- und Jugendhilfe tibb. Mit Beiträgenvon Dr. Anne Frommann und Esther Frommann. Zeichnungen und grafische Gestaltung: Andrey Gradechtliev, Ibbenbüren,Eigenpublikation der Kinder- und Jugendhilfe tibb

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Literatur zur Vertiefung

Nitsche, Jessica (2012): Potentialität des Unsichtbaren. Ästhetische und diskursive Dimensionen des Tatorts nach Walter Benjamin undin künstlerischen Strategien der Gegenwart. In: Nebulosa – Zeitschrift für Sichtbarkeit und Sozialität 1, S. 88-104.

Nitsche, Jessica (2015): „Aber es war kein Porträt mehr. Was war es?“ Bildpolitische Betrachtungen des Porträts in Literatur, Fotografieund Malerei (Walter Benjamin, August Sander, Gerhard Richter, Marlene Dumas). In: Kraimer, Klaus (Hg.): Aus Bildern lernen. Bd.II, 2015 (im Erscheinen).

Oevermann, Ulrich (2014): »Get Closer«. Bildanalyse mit den Verfahren der objektiven Hermeneutik am Beispiel einer Google-Earth-Werbung. In: Kraimer, Klaus (Hg.): Aus Bildern lernen. Optionen einer sozialwissenschaftlichen Bild-Hermeneutik. Ibbenbüren,Münstermann-Verlag, S. 38-75.

Opitz, Michael/Wizisla, Erdmut (Hg.) (2000): Benjamins Begriffe. Band 2. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Panofsky, Erwin (1979): Ikonographie und Ikonologie (1939). In: Kaemmerling, Ekkehard (Hg): Ikonographie und Ikonologie. Köln.DuMont, S. 36-67.

Panofsky, Erwin (2006): Ikonographie und Ikonologie. Bildinterpretation nach dem Dreistufenmodell. Köln: DuMont.

Pilarczyk, Ulrike/Mietzner, Ulrike (2005): Das reflektierte Bild. Die seriell-ikonografische Fotoanalyse in den Erziehungs- undSozialwissenschaften. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

Sontag, Susan (2011): Über Fotografie. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag.

Straub, Jürgen (Hg.) (1998): Erzählung, Identität und historisches Bewußtsein. Die psychologische Konstruktion von Zeit undGeschichte. Erinnerung, Geschichte, Identität 1. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Walter, Benjamin (1963): Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. In: Tiedemann, Rolf/Schweppenhäuser,Hermann (Hg.) (1974): Gesammelte Schriften von Walter Benjamin. Band 1.2. Frankfurt am Main: Suhrkamp .

Walter, Benjamin (2013): Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, Hg. v. Burkhardt Lindner unter Mitarbeitvon Simon Broll u. Jessica Nitsche (Walter Benjamin: Werke und Nachlass. Kritische Gesamtausgabe, Bd. 16). Frankfurt am Main:Suhrkamp.

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Literatur

Kraimer, Klaus (Hg.) (2014): Aus Bildern lernen. Grundlagen und Anwendungsfelder der objektiv-hermeneutischen Bildanalyse. Ibbenbüren: Münstermann.

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Literatur

Kraimer, Klaus (Hg.) (2015): Aus Bildern lernen. Rekonstruktion und Narrativität. Band 2 Ibbenbüren: Münstermann.

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