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Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer 1 Käuferverhalten Konsumentenverhalten und Verhalten gewerblicher Käufer Einstieg PEPSI-COLA vs. COCA-COLA Wie Pepsi den großen Rivalen Coca Cola ärgerte Klaus Schmeh, 03.02.2008 Vor 20 Jahren erreichte in den USA ein interessantes Stück Werbegeschichte seinen Höhepunkt: der Cola-Krieg zwischen Pepsi und Coke Pepsi konnte im Laufe der Jahrzehnte einige Achtungserfolge erringen, doch am Ende verwies der Platzhirsch den Herausforderer in die Schranken. Am 8. Mai 1985 – also genau 40 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs – feierte man bei der PepsiCo im US-Bundesstaat New York den "Tag der Kapitulation". Doch nicht etwa, dass der Softdrink-Konzern auf einmal seinen Sinn für Geschichte entdeckt hatte. Vielmehr ging es um einen historischen Sieg im so genannten Cola-Krieg, jenem erbitterten Kampf um Umsätze und Marktanteile, den Pepsi Cola und Coca Cola seit Jahrzehnten gegeneinander ausgetragen hatten und in dem es allein in den USA jährlich um 30 Dollar Milliarden Umsatz ging.

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Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer

1

Käuferverhalten Konsumentenverhalten und Verhalten gewerblicher Käufer

Einstieg PEPSI-COLA vs. COCA-COLA

Wie Pepsi den großen Rivalen Coca Cola ärgerte

Klaus Schmeh, 03.02.2008

Vor 20 Jahren erreichte in den USA ein interessantes Stück Werbegeschichte seinen

Höhepunkt: der Cola-Krieg zwischen Pepsi und Coke

Pepsi konnte im Laufe der Jahrzehnte einige Achtungserfolge erringen, doch am Ende

verwies der Platzhirsch den Herausforderer in die Schranken.

Am 8. Mai 1985 – also genau 40 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs – feierte man bei der

PepsiCo im US-Bundesstaat New York den "Tag der Kapitulation". Doch nicht etwa, dass der

Softdrink-Konzern auf einmal seinen Sinn für Geschichte entdeckt hatte. Vielmehr ging es um einen

historischen Sieg im so genannten Cola-Krieg, jenem erbitterten Kampf um Umsätze und

Marktanteile, den Pepsi Cola und Coca Cola seit Jahrzehnten gegeneinander ausgetragen hatten und

in dem es allein in den USA jährlich um 30 Dollar Milliarden Umsatz ging.

Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer

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Schon früh erkannte der erste Coca-Cola-Chef Asa Griggs Candler den Wert von Werbung. Dieses

Plakat entstand in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts

Natürlich konnte Pepsi in jenem Mai 1985 keine endgültige Niederlage des ungeliebten Rivalen

verkünden. Die Kapitulation bestand in den Augen des Herausforderers vielmehr darin, dass Coca

Cola dem Konkurrenten Pepsi das größte Kompliment gemacht hatte, das ein Branchenriese einem

aufstrebenden Mitbewerber machen kann: Coca Cola hatte Pepsi kopiert. Erstmals in der fast

hundertjährigen Geschichte der weltbekannten Brause hatten die Coke-Manager die Rezeptur ihres

Getränks geändert. Coca Cola wurde süßer und schmeckte nun mehr wie Pepsi. Der Grund für diesen historischen Schritt war offensichtlich: Der David Pepsi hatte den Goliath Coke in den Jahren zuvor

mächtig geärgert und ihn in einigen wichtigen Kennzahlen sogar überholt.

Vom Sirup zum Superstar

Seinen Aufstieg zum Superstar unter den Markenprodukten begann Coca Cola 1886 in der US-Großstadt Atlanta. Als Erfinder der braunen Brause gilt der Sezessionskriegs-Veteran John S.

Pemberton, den die Konzern-Geschichtsschreiber als Apotheker, unautorisierte Quellen dagegen als

morphiumsüchtigen Quacksalber bezeichnen. In jedem Fall mixte der nicht besonders erfolgreiche

Unternehmer 1886 aus Coca-Blättern, Cola-Nüssen, Kohlensäure und einigen anderen Zutaten ein

wohlschmeckendes Gebräu, das er einerseits für einen guten Durstlöscher, andererseits aber auch

für eine Medizin gegen Kopfschmerzen und Magendrücken hielt. In einem Getränkeladen fand er den

ersten Abnehmer für seine Neuentwicklung, die er als Sirup verkaufte und die daher mit Wasser gemischt werden musste. Pembertons Buchhalter verpasste dem Getränk den Namen Coca Cola und

kreierte den heute noch gültigen Schriftzug. Die rote Farbe kam ins Spiel, weil Pemberton seinen

Sirup in roten Fässern lieferte.

Lange konnte sich Pemberton jedoch nicht über Coca Cola freuen. Er starb bereits 1888, nachdem er

seine kleine Firma an den Geschäftsmann Asa Griggs Candler und dessen Partner verkauft hatte.

Dieser engagierte sich in mehreren Branchen, legte seinen Schwerpunkt jedoch zunächst einmal auf

den Verkauf eines Duftwassers. Ohne größere Ambitionen übernahm er von seinen Partnern für wenig Geld nach und nach die kompletten Rechte an Coca Cola. Erst langsam dämmerte ihm, dass

das braune Erfrischungsgetränk sein aussichtreichstes Projekt war. So gab er seine anderen

Geschäfte schließlich auf und widmete sich in der 1892 gegründeten Coca Cola Company

ausschließlich dem Getränkeverkauf. Offensichtlich tat er dies recht geschickt, denn bereits 1895 war

Coca Cola in den ganzen USA verbreitet.

Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer

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Der anschließende Aufstieg von Coca Cola zum Weltkonzern ist vor allem ein Lehrstück in Sachen

Marketing. Die Unternehmensleitung erkannte schon früh die Bedeutung von Werbung und handelte entsprechend. Coca-Cola-Schriftzüge fanden sich schon bald auf Uhren, Kalendern, Regenschirmen

und sonstigen Gegenständen. 1915 gelang Candler ein besonderer PR-Schachzug, als er im Rahmen

eines Wettbewerbs das Design für eine Coca-Cola-Flasche entwickeln ließ. Mit diesem Schritt, das

den bis heute bekannten Flaschentyp hervor brachte, schaffte es Candler später, in Stuart Crainers

Buch "Die 75 besten Management-Entscheidungen aller Zeiten" aufgenommen zu werden[1]. Es

sollte nicht der einzige Geniestreich in der Coca-Cola-Geschichte bleiben.

Zu einem weiteren Höhepunkt der PR-Historie geriet eine Aktion, die Coca Cola 1931 startete. Für eine Werbekampagne ließ das Unternehmen von einem Zeichner die Darstellung eines

Weihnachtsmanns entwickeln, die so überzeugend ausfiel, dass sie zum Allgemeingut wurde. Bis

heute stellen sich die meisten Menschen den Weihnachtsmann als pausbackigen Herrn im roten

Gewand vor und übernehmen damit unbewusst das von Coca Cola eingeführte Design. Als

mindestens genau so öffentlichkeitswirksam erwies sich die alte Coca-Cola-Legende, wonach die

Zusammensetzung der Brause eines der bestgehüteten Geheimnisse der Welt ist. Wen stört es da

schon, dass diese nicht stimmt? Denn in einem Banktresor in Atlanta lagert zwar tatsächlich das

Coca-Cola-Originalrezept, doch mit den Mitteln der analytischen Chemie ist dieses heute auch ohne

einen Bankeinbruch nachzuvollziehen.

Eine weitere Aktion aus der Reihe der 75 besten Management-Entscheidungen aller Zeiten (und

damit aus dem gleichnamigen Buch) gelang Coca Cola im Zweiten Weltkrieg. Damals versprach das

Unternehmen den in aller Welt stationierten US-Soldaten, immer und überall eine Flasche Coke für 5

Cent kaufen zu können. Dieses Versprechen war zwar nicht billig, da sich der Transport von

Abfüllanlagen in alle Welt durch den niedrigen Preis nicht refinanzieren ließ. Dennoch lohnte sich

dieser Schachzug, denn er schaffte eine einmalige Identifikation der Kunden mit dem Produkt, die

sich über Jahrzehnte halten sollte.

Die Popularität von Coca Cola unter den US-Soldaten hatte sicherlich einen wesentlichen Anteil

daran, dass der braune Softdrink nach dem Zweiten Weltkrieg endgültig seinen Siegeszug um die

Welt antrat. Heute ist Coca Cola nicht nur die bekannteste Marke überhaupt, sondern auch nach

"Okay" das am zweitmeisten verbreitete Wort der Welt. Coca Cola wird in mehr Ländern getrunken

als die Vereinten Nationen Mitglieder haben. Als die Astronauten, die 1969 erstmals den Mond

betreten hatten, von ihrer Mission zurückkamen, begrüßte sie ein Schild mit der Aufschrift

"Willkommen daheim auf der Erde, in der Heimat von Coca Cola".

Nach einer Krankheit benannt

Kein Zweifel, einen größeren und überlegeneren Gegner als Coca Cola gibt es in der freien Wirtschaft

dieses Planeten nicht. Doch wie konnte es dann dazu kommen, dass der Rivale Pepsi 1985 von einer Kapitulation sprechen konnte? Es lag jedenfalls nicht daran, dass Konkurrenz für Coca Cola ein

Fremdwort war. Schon in den ersten Jahrzehnten der Unternehmensgeschichte hatten Hunderte von

meist kleinen Herstellern versucht, ihre eigene Cola auf den Markt zu bringen. Die

Unternehmensleitung in Atlanta ging jedoch rigoros mit rechtlichen Mitteln gegen jeden noch so

kleinen Limonadenbrauer vor, der versuchte, Coca Cola zu kopieren. Allein 1916 soll das

Unternehmen 153 Rivalen durch gerichtliche Schritte oder Repressalien vom Markt verdrängt haben.

Den Konkurrenten Pepsi übersah man in Atlanta aber offensichtlich. Die Brause des später

wichtigsten Coca-Cola-Konkurrenten war bereits 1898 von dem Apotheker Caleb D. Bradham in New

Bern (North Carolina) erstmals zusammengemischt worden. Auch Bradham sah in seinem Gebräu aus

Cola-Nüssen, Vanille, Öl, Kokosnuss und Zucker in erster Linie eine Medizin. Seine Cola sollte vor allem gegen Verdauungsstörungen (in der Fachsprache "Dyspepsie" genannt) helfen, was dem

Getränk schließlich auch seinen Namen gab. So wurde – auch wenn die Pepsi-Marketing-Leute dies

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gerne verschweigen – Pepsi zum einzigen bekannten Markenartikel, der nach einer Krankheit

benannt ist.

An der Tatsache, dass Pepsi erst einmal als Medikament verkauft wurde, lag es möglicherweise auch,

dass das Management von Coca Cola den Konkurrenten komplett übersah. Dabei hätte der Goliath

aus Atlanta den David Pepsi gleich zweimal fast zum Nulltarif beseitigen können. Die 1902

gegründete Pepsi Cola Company ging nämlich 1922 zum ersten Mal und 1931 zum zweiten Mal

Pleite. 1922 übernahmen ein paar Geschäftsleute die bankrotte Firma, bei der zweiten

Zahlungsunfähigkeit griff der Süßwarenhersteller Loft Inc. zu. Coca Cola interessierte sich dagegen

nicht für den wenig erfolgreichen Konkurrenten.

Dies sollte sich ändern, als Pepsi in den Dreißigerjahren erstmals nennenswerte Marktanteile

gewinnen konnte. Mit dem Werbespruch "Twice as much for a nickel, too" (doppelt so viel für auch

nur 5 Cent) positionierte sich der Herausforderer als Billiganbieter, der die doppelte Abfüllmenge für

den gleichen Preis wie Coca Cola anbot. Bei den rezessionsgeplagten Amerikanern kam diese

Strategie gut an und sorgte für steigende Umsätze. Allerdings hatte Pepsi Cola fortan seinen Ruf als

Cola für Arme weg und wurde von vielen gar als "Nigger Drink" verspottet. Doch immerhin, der erste Erfolg im scheinbar aussichtslosen Kampf war erzielt.

Doch als Coca Cola in den Nachkriegsjahren seinen Siegeszug um die Welt antrat und es den

Amerikanern wirtschaftlich wieder besser ging, war es mit dem ersten Pepsi-Höhenflug zu Ende.

Zwischen 1946 und 1949 ging der Pepsi-Umsatz um zwei Drittel zurück, und während Coca Cola nun

in immer mehr Ländern Fuß fasste, musste sich Pepsi mit einem vergleichsweise schwachen

Auslandsgeschäft in Kanada, Kuba und Südamerika zufrieden geben. Die Wende kam, als der

Werbefachmann Alfred N. Steele 1950 das Ruder bei Pepsi übernahm. Steele hatte zuvor bei einer Marketing-Agentur im Auftrag von Coca Cola gearbeitet, war jedoch beim mächtigen Kunden in

Ungnade gefallen und daraufhin auf einen unattraktiven Posten versetzt worden.

Zusammen mit einigen Leuten aus dem mittleren Management von Coca Cola, die ebenfalls zum

Rivalen wechselten, blies Steele zur Aufholjagd. Zunächst gestaltete er das Marketing professioneller,

experimentierte mit neuen Flaschenformen und reduzierte den Zuckergehalt des Getränks. Innerhalb

von fünf Jahren konnte Steele den Umsatz um 130 Prozent steigern. Einen weiteren Erfolg konnte Pepsi verbuchen, als es den damaligen US-Vizepräsidenten Richard Nixon als Verbündeten gewann.

Dieser schaffte es 1959 bei einer Messe in Moskau, ein Foto des sowjetischen Staatschefs Nikita

Chruschtschov beim Trinken von Pepsi Cola zu arrangieren. Das Bild ging um die Welt. Nachdem Coca

Cola eine Teilnahme an der Messe in der sowjetischen Hauptstadt abgelehnt hatte, konnte sich Pepsi

dank der gelungenen PR-Aktion nun als Streiter für den Weltfrieden präsentieren. Nebenbei geriet

der Auftritt in Moskau zum Startpunkt für ein erfolgreiches Engagement von Pepsi in der

Sowjetunion, wo Coca Cola erst in den achtziger Jahren Fuß fassen konnte.

Nachdem Nixon 1960 seinem Konkurrenten John F. Kennedy im Rennen um das Präsidentenamt

unterlegen war, betätigte er sich als Pepsi-Repräsentant und sicherte dem Unternehmen den Zugang

zu weiteren Auslandsmärkten. Als der spätere Watergate-Bösewicht 1968 schließlich dann doch US-

Präsident wurde, ließ Nixon als eine der ersten Amtshandlungen sämtliche Coca-Cola-Automaten aus

dem Weißen Haus entfernen und ersetzte sich durch Geräte von Pepsi. Jimmy Carter, der 1976 das

Amt des mächtigsten Mannes der Welt übernahm, war dagegen ein Coca-Cola-Fan und ließ daher

nach seiner Wahl Coca-Cola-Automaten erneuten Einzug in den Präsidentensitz halten. Mit seiner

Entscheidung für einen Boykott der olympischen Spiele in Moskau 1980 tat Carter jedoch ungewollt

Pepsi einen Gefallen, denn Coca Cola hatte als traditioneller Olympia-Sponsor geplant, mit den

Weltspielen in Moskau endlich den sowjetischen Markt aufzurollen.

Der Pepsi-Test

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Die eigentliche Aufholjagd gelang Pepsi jedoch nicht mit Unterstützung der Politik, sondern durch

eine geschickte Vorgehensweise in der Werbung. Ausgerechnet in einem Bereich, den Coca Cola eigentlich als seine Domäne betrachtete, musste sich der Konzern aus Atlanta nun einige Lektionen

erteilen lassen. 1963 startete Pepsi eine Werbekampagne mit einem Konzept, das in ähnlicher Form

einige Jahre vorher die Zigarettenmarke Marlboro in ungeahnte Absatzhöhen getrieben hatte[2]. Wie

die Marlboro-Werber, so setzte auch Pepsi nicht auf konkrete Vorteile wie Geschmack oder Preis,

sondern brachte das Getränk mit einer besonderen Lebensart in Verbindung. "Pepsi Generation"

hieß das Stichwort, das in Werbespots nun geschickt unter das Volk gebracht wurde. Die Botschaft

war einfach, aber wirkungsvoll: Wer jung ist oder sich zumindest so fühlt, trinkt Pepsi.

Als man später in den siebziger Jahren bei Pepsi entdeckte, dass die eigene Brause bei Blindtests

besser abschnitt als das viel gerühmte Coke, setzen die Herausforderer aus Purchase nahe New York

noch einen drauf. "Take ´The Pepsi Challenge" ("Mach den Pepsi-Test") hieß ab 1976 das Motto, das

Coca Cola weiter in die Enge trieb. Unterstützt von einer geschickten TV-Kampagne präsentierte

Pepsi in den Folgejahren Stände in Einkaufszentren und Fußgängerzonen, an denen Cola-Trinker in

Blindtests die Probe aufs Exempel machen konnten. Tatsächlich fand Pepsi dabei mehr Befürworter

als Coke.

Mit aggressiven Werbespots, die in Deutschland auf Grund des damaligen Verbots vergleichender

Werbung nicht zu sehen waren, setzte Pepsi nach: Die Werbe-Manager der PepsiCo ließen

beispielsweise Außerirdische in ihrem Raumschiff auf der Erde landen, um dort erst Coke und dann

Pepsi zu probieren. Natürlich stellten die galaktischen Besucher fest, dass letzteres deutlich besser

schmeckte und ließen daher gleich einen kompletten Pepsi-Verkaufsautomaten mitgehen. Zu einer

gewissen Berühmtheit brachte es auch der Affen-Werbespot, in dem Wissenschaftler ein Experiment

mit zwei Schimpansen durchführten. Der eine erhielt einen Schluck Coke und beeindruckte die

Forscher anschließend mit unglaublichen Intelligenzleistungen. Das zweite Tier bekam Pepsi zu

trinken. Doch statt nun die erhofften Rechenaufgaben zu lösen, brauste Schimpanse Nummer zwei lieber mit zwei hübschen Mädels im Cabrio davon. Pepsi, so die Botschaft, stand eben für Spaß und

Lebenslust.

Die angriffslustige Pepsi-Werbung verfehlte ihre Wirkung nicht. Zwar konnte der Underdog nach wie

vor Coca Cola auf dem Weltmarkt nicht das Wasser reichen, und auch in den USA sorgten Verträge

mit Fastfood-Ketten und gute Standplätze von Automaten für einen Coke-Vorsprung. Im Einzelhandel

konnte Pepsi den Rivalen Coca Cola dagegen 1980 überholen. Die Sensation war damit perfekt, denn

ausgerechnet auf dem so wichtigen Heimatmarkt hatte der scheinbar allmächtige Coca-Cola-Konzern eine empfindliche Niederlage erlitten. Die größere Popularität von Pepsi in den Kramerläden und

Supermärkten bedeutete nämlich schlicht und ergreifend, dass der US-Verbraucher Pepsi

bevorzugte, wenn er die freie Auswahl hatte. Coca Cola fand zunächst kein Gegenmittel gegen das

geschickte Marketing des Herausforderers, und so kam Pepsi dem großen Konkurrenten Mitte der

Achtzigerjahre auch in anderen Segmenten des US-Markts gefährlich nahe.

Was dann passierte, gehört zweifellos zu den Höhepunkten der jüngeren Wirtschaftsgeschichte. Coca Cola steckte angesichts der steigenden Popularität des Konkurrenten in der Klemme, denn da Pepsi

den Verbrauchern tatsächlich besser schmeckte, war es schwierig, gegen die Pepsi-Challenge-

Strategie anzukämpfen. So trat das Coca-Cola-Management schließlich die Flucht nach vorn an. Am

23. April 1985 verkündete Coca-Cola-Präsident Roberto Goizueta einer erstaunten Öffentlichkeit,

dass die Zusammensetzung des bekanntesten aller Softdrinks geändert werden würde. New Coke

war geboren. Auch wenn Goizueta dies nicht zugab, so war doch kaum zu übersehen: New Coke war

eine Kopie von Pepsi. So kam es, dass Pepsi nicht nur besagten "Tag der Kapitulation" feiern, sondern

auch marketingmäßig noch kräftig nachtreten konnte. "Jahre lang haben sie getönt, Coca Cola sei das

einzig Wahre, und jetzt ändern sie den Geschmack. Warum wohl. Wir haben es nicht nötig, den

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Geschmack von Pepsi zu verändern", hieß es nun in der Pepsi-Werbung. Der Goliath hatte dem David

ungewollt bescheinigt, dass dieser das bessere Produkt hatte.

Entsetzen über New Coke

Doch die Einführung von New Coke erwies sich von Anfang an als Debakel. Eine Welle des Entsetzens ging durch die Vereinigten Staaten, eine Organisation der "Old Cola Drinkers of America" formierte

sich. Das Fernsehen berichtete in Sondersendungen über Coca-Cola-Fans, die in ihrer Verzweiflung

ganze Paletten ihres Lieblingsgetränks horteten. Während Anhänger der alten Coke-Rezeptur die

Firmenzentrale mit Protestbriefen bombardierten, spekulierten einige allen Ernstes, die

Firmenleitung habe wohl das legendäre Coca-Cola-Rezept verloren, das angeblich im Banktresor

liegen sollte. Die stürmischen Reaktionen ihrer Kunden trafen die Coca-Cola-Manager völlig

unvorbereitet. Während sie nun völlig in Panik gerieten, kamen ihre Kollegen in der Pepsi-Zentrale

vor Lachen kaum noch zum Arbeiten.

Der stetige Aufstieg von Pepsi ist zweifellos eine spannende Lektion für jeden David, der sich gegen

einen Goliath behaupten will. Die Pepsi-Manager nutzten für ihre Strategie ihren größten Trumpf,

und der hieß Flexibilität. Während ihre Kollegen von Coca Cola mit Rücksicht auf die eigene Legende

keine größeren Risiken eingehen konnten, schaute ihnen die Öffentlichkeit kaum auf die Finger. So

konnte Pepsi gleich mehrfach in seiner Geschichte Schriftzug, Rezeptur und Werbestrategie ändern,

ohne dass dies größeres Aufsehen erregte. Pepsi experimentierte mit neuen Verpackungsformen,

änderte die Preispolitik, brachte neue Varianten des Getränks auf den Markt und korrigierte vieles

später wieder. Eine solche Trial-and-Error-Strategie konnte sich Coca Cola als allmächtiger Marktführer natürlich nicht leisten. Die Tatsache, dass Pepsi schlichtweg besser schmeckte als Coke,

lieferte dann schließlich die Vorlage zum Frontalangriff. Dabei zeigte sich wieder einmal, dass

vergleichende Werbung für einen Herausforderer eine wirksame Waffe sein kann. Für einen

Marktführer wie Coca Cola ist es dagegen ungleich schwieriger, auf einen Vergleich mit der

Konkurrenz zu bauen – schließlich wertet eine solche Vorgehensweise deren Produkte auf.

Doch so glorreich Pepsi den Etappensieg gegen die übermächtige Konkurrenz auch errungen hatte, lange freuen konnte man sich in Purchase darüber nicht. Coca Cola besann sich nämlich nun auf

seine Stärken und eroberte damit verlorenes Terrain zurück. Bereits drei Monate nach Einführung

von New Coke verkündete Goizueta die Wiedereinführung der alten Rezeptur als Coca Cola Classic.

New Coke wollte nun niemand mehr haben, und so verschwand es schnell wieder vom Markt.

Die Amerikaner fühlten sich angesichts der Rückkehr der alten Coke, als wären sie aus einem

Albtraum aufgewacht und entdeckten ihre neue Liebe zur guten alten Brause aus Atlanta. Anstatt an

der Zusammensetzung herumzudoktern, pflegte das Management nun wieder die Legende und verwies Pepsi damit in die Schranken. Für eine Nebensächlichkeit wie den besseren Geschmack des

Konkurrenten interessierte sich auf einmal niemand mehr. Diese Strategie funktionierte so gut, dass

Gerüchte sogar wissen wollten, New Coke sei nur ein besonders geschickter Marketing-Gag gewesen.

Dies ist zwar sicherlich falsch, denn so viel Weitsicht konnten die Coca-Cola-Manager unmöglich

haben. Die schnelle Wiedereinführung der alten Rezeptur erwies sich jedoch als die richtige Antwort

auf die Krise. Diese Aktion brachte der Firma Coca Cola daher den dritten Eintrag in Stuart Crainers

Liste der 75 besten Management-Entscheidungen aller Zeiten ein.

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Grundlagen

Abbildung 1: Meffert; 1992

Ein Modell des Käuferverhaltens

Entscheidende Fragen, die im Marketing gestellt werden, sind wie und wodurch sich die Käufer oder

möglichen Käufer für ein bestimmtes Produkt , eine bestimmte Dienstleistung oder eine bestimmte

Idee begeistern und auch kaufen.

• Zentrale Fragen aus dem Marketing könnten dauer lauten1:

• Warum zeigen die Käufer ein bestimmtes Verhalten?

• Wie ausgeprägt ist dieses Verhalten?

• Wie stabil ist dieses Verhalten im Zeitablauf?

• Lässt sich dieses Verhalten verändern?

• Wie und mit welchem Zeitbedarf lässt sich dieses Verhalten verändern?

Wer diese Fragen richtig beantworten kann hat einen enormen Wettbewerbsvorteil. Damit kann

man seine Produkte perfekt auf die entsprechende Zielgruppe abstimmen. Leider ist der Mensch als

1 A. Bänsch; Käuferverhalten; Oldenbourg Wissenschaftsverlag; 2002; S. 2

Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer

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Käufer nie so leicht zu erforschen, sodass man nur zum Teil wissen kann, warum und wie sich ein

Käufer entscheidet.

Zu den Fragen des Käuferverhaltens – vor allem bei Konsumenten – haben sich Anreiz-Reaktions-

Modelle entwickelt, die abbilden wie es zur Entscheidung des Käufers kommen kann

Abbildung 2: abgewandelt aus: P. Kotler, ua; Grundlagen des Marketing; Pearson Studium; 2003; S. 303

Die sogenannte Black Box – also jener Bereich der sich zum Teil im Un- und Unterbewussten des

Käufers abspielt – kann nur ansatzweise erfasst werden und beinhaltet so viele Unbekannte, dass ein

vollständiges Erklärungsmodell nie vollständig sein wird.

Allerdings kann man anhand verschiedener erprobter Modelle einzelne Faktoren bewerten.

Die Einflüsse auf die Persönlichkeit eines Käufers

Abbildung 3: abgewandelt aus: P. Kotler, ua; Grundlagen des Marketing; Pearson Studium; 2003; S. 303

Anreize des

Marketings

„Marketing-Mix“

product

price

place

promotion

Andere Anreize

wirtschaftlich

technologisch

politisch

kulturell

Persönlichkeit

und

Aufgeschlossen-

heit des

Interessenten

Entscheidungs-

findung beim

Käufer

Unbekannte Entscheidungs-

prozesse beim Käufer

Entscheidung für ein Produkt

Entscheidung für eine Marke

Entscheidung für einen Händler

Entscheidung für einen

Kaufzeitpunkt

Entscheidung für einen

Kaufbetrag

Sichtbare Reaktion beim Käufer

Black Box

Kultur

Subkultur

Klassenzu-

gehörigkeit

Kulturelle Prägung

Vorbilder

Familie

Rolle und Status

Sozialer Status

Alter und Position

im Lebenszyklus

Beruf/Tätigkeit

Wirtschaftliche

Lebensumstände

Lebensstil

Vorstellungen vom

Leben

Persönliche

Lebensumstände

Motivation und

Willensbildung

Ansichten und

Aufnahme der

Dinge

Lernen

Überzeugungen

und Verhalten

Psychologisch

begründete Einflüsse

die Käufer-

persönlichkeit

Daraus ergibt sich:

Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer

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Kaufentscheidungen

Abbildung 4 Gelbrich, Wünschmann, Müller; Erfolgsfaktoren im Marketing; Vahlen 2008

Bei hohem Kaufrisiko informieren sich Kunden vor dem Produktkauf eingehend, zB über

Produktqualität und Preise. Sie nehmen beträchtliche (Such-)Anstrengungen in Kauf, um

eine bewusste, kognitiv kontrollierte Kaufentscheidung treffen zu können. Bezieht sich diese

auf selten gekaufte Produkte (zB PC, Pkw), so spricht man von einer extensiven

Kaufentscheidung. Erfolgsfaktor ist hier ein umfassendes passives (z.B. Prospekte, Website)

und aktives Informationsangebot (z.B. Beratung durch geschultes, Vertrauen erweckendes

Personal).

Dem Erwerb von häufiger gekauften Produkten, wie Kleidungsstücken, gehen hingegen

limitierte Kaufentscheidungen voraus: Hier greifen die Kunden auf ihre Erfahrungen zurück

und orientieren sich vorzugsweise an Schlüsselinformationen (z.B. Gütesiegel, Marke, Preis).

Wenig risikobehaftete Kaufentscheidungen laufen unter geringerer kognitiver Kontrolle ab.

Liegt kein zusätzlicher externer Anreiz vor (z.B. Sonderangebot), dann kommt es zu einer

habituellen Kaufentscheidung. Besonders Low Involvement-Produkte, etwa Waren des

täglichen Bedarfs, werden gewohnheitsgemäß gekauft, weil sich ein erhöhter

Beschaffungsaufwand in ihrem Fall zumeist nicht lohnt. Der Erfolgsfaktor besteht darin, eine

starke Marke zu etablieren, welcher die Käufer „blind“ vertrauen.

Für impulsive Kaufentscheidungen ist das Zusammentreffen von geringem Kaufrisiko,

schwacher kognitiver Kontrolle und externem Anreiz charakteristisch. Dies kann eine

Ausnahmesituation sein (z.B. Urlaubsreise), eine besonders reizvolle Ladendekoration,

Zeitdruck oder das Bestreben, sich ein Schnäppchen nicht entgehen zu lassen. Anbieter sind

sehr daran interessiert, Impulskäufe auszulösen; denn für diese ungeplanten und spontanen

Kaufentscheidungen ist eine überdurchschnittliche Zahlungsbereitschaft charakteristisch.

Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer

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Begünstigen lassen sich Impulskäufe durch künstliche Verknappung („Nur heute im

Angebot!“), geschickte Platzierung (z.B. neben der Kasse), vorteilhafte Preise

(Sonderangebote) oder Verkaufspromotions (z.B. Verkostungsaktion).

Motive für Kaufentscheidungen2

Losgelöst von vielen Faktoren außerhalb und innerhalb der „Black-Box“ die zu einem Kauf

führen, können einige klassische Motive isoliert betrachtet werden. Diese Motive gelten für

viele Entscheidungsprozesse in ihren Grundsätzen.

• Gewinnmotiv (Kostensenkungs- und/oder Erlössteigerungsmotiv)

• Zeitersparnismotiv

• Sicherheitsmotiv

• Bequemlichkeitsmotiv

• Geltungsmotiv

• Nachahmungsmotiv

• Ökologiemotiv

Gefühle (Emotionen) im Kaufprozess

Schon seit Generationen versucht die Wissenschaft die geheimnisvollen Abläufe im „Inneren

der Menschen“ zu ergründen. Warum wird dieses Produkt stärker nachgefragt, warum jene

Marke bevorzugt. Die sogenannte „Black Box“ beinhaltet diese unzähligen schwer

messbaren Entscheidungsprozesse. Da Gefühle immer im Zusammenhang mit der

individuellen Persönlichkeit zu sehen sind, lassen sich allgemeingültige Wahrheiten nicht

definieren.

Trotzdem gibt es in der psychologischen Forschung – die starke Auswirkungen auf die

Entwicklung des Marketings hat – schon seit längerem erkundete Ergebnisse.

Nachfolgend werden ein paar grundlegende Erkenntnisse dargestellt3:

In der Psychologie können sich wohl die meisten Forscher auf die zentrale Bedeutung der

sogenannten „emotionalen Trias“ für die Beschreibung von Emotionen einigen. Danach

umfassen die Emotionen die

• psychologischen Prozesse,

• das bewusst erlebte Gefühl und

2 A. Bänsch; Käuferverhalten; Oldenbourg Wissenschaftsverlag; 2002; S. 24ff

3 F. W. Nerdinger; Psychologie des persönlichen Verkaufs; Oldenbourg Wissenschaftsverlag; 2001

Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer

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• den Gefühlsausdruck, der sich als nonverbales Verhalten darstellt.

Emotionen sind „leib-seelische“ Vorgänge, das heißt physiologische und psychische Prozesse

sind untrennbar verbunden. So ist die Emotion „Angst“ gewöhnlich durch einen hohen

Adrenalinspiegel, eingeschränkte Blutzufuhr zur Haut, aufgerissene Augen, große

Muskelspannung, erhöhten Puls und einen schnellen Atemrythmus gekennzeichnet.

Allerdings können nicht für alle Emotionen eindeutige Muster physiologischer Prozesse

identifiziert werden, daher machen die in der Konsumentenforschung so beliebten

psychophysiologischen Messungen lediglich Aussagen über die mit Emotionen verbundene

Aktivierung, aber nicht über die Qualität des Erlebens.

Diese Qualität des Erlebens wird hier als Gefühl bezeichnet.

Gefühle lassen sich nur sehr schwer und nur in ausgewählten Fällen genau einordnen.

Abbildung 5: F. W. Nerdinger; Psychologie des persönlichen Verkaufs; Oldenbourg Wissenschaftsverlag; 2001; S. 44

Sehr viel häufiger lassen sich die Gefühlsausdrücke erfassen. Darunter wird eine Reaktion in

der Mimik, Gestik, Stimmlage usw. verstanden. Es hat sich herausgestellt, dass einzelne

Emotionen deutlich am Gesichtsausdruck abgelesen werden können. Dazu gibt es

ausreichend Untersuchungen. Charles Darwin hat dies bereits 1872 in „The expressions of

the emotions in man and animals“ beschrieben.

Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer

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In der Praxis ist es allerdings häufig schwierig einen allgemeingültigen Gesichtsausdruck

festzustellen, da in vielen Gruppen gesellschaftliche Normen/Werte bestehen, die eine

offene Reaktion eindämmen oder verhindern (zB bei Wut).

Außerdem wird ein und derselbe Reiz unterschiedlich wahrgenommen. Eine kritische

Anmerkung eines Kunden in einem Verkaufsgespräch kann den Verkäufer einschüchtern und

ängstigen oder er wird dadurch zu noch besserem Verkaufen angespornt.

Aufgrund dieser grundsätzlichen Verschiedenartigkeit menschlicher Reizbehandlung

konzentrierte sich die Wissenschaft auf die Herausbildung von Basisemotionen, aus deren

Mischung sich die einzelnen Emotionen zusammensetzen.

Als grundlegende Dimensionen gelten dabei nach Wundt (1905):

• Bewertung: angenehm – unangenehm

• Erregung: erregend – beruhigend

• Stärke: stark – schwach

Die Basisemotionen gehen auf Darwin zurück und können in acht grundlegenden Emotionen

aufgegliedert werden.

Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer

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Abbildung 6: F. W. Nerdinger; Psychologie des persönlichen Verkaufs; Oldenbourg Wissenschaftsverlag; 2001; S. 36

Wer hat Einfluss auf die Kaufentscheidung im Konsumentenbereich?4

Initiator Dies ist diejenige Person, die zuerst den

Vorschlag macht oder die Idee hat, ein

bestimmtes Produkt zu kaufen.

Einflussnehmer Eine Person, deren Ansicht oder Rat die

Kaufentscheidung beeinflusst.

Entscheider Die Personen, die die Entscheidung über den

Kauf treffen oder die an dieser Entscheidung

teilnehmen; ob gekauft wird, was gekauft

wird, wie gekauft wird und wo gekauft

werden soll.

Käufer Die Person, die den Kauf durchführt.

Nutzer Die Person, die das Produkt benutzt oder

konsumiert.

4 P. Kotler, ua.; Grundlagen des Marketing; 3. überarb. Auflage; 2003; S. 311

Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer

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Verhalten gewerblicher Käufer

Auch gewerbliche Käufer (zB Unternehmen, Vereinen) verhalten sich bei

Kaufentscheidungen weitgehend wie private. Da grundsätzlich immer Menschen einen Kauf

tätigen, gelten psychologische und soziale Grundlagen auch hier.

Zusätzlich sind weitere Faktoren – besonders mit Zunahme der Größe der gewerblichen

Käufer – entscheidend5 :

• höhere Bedarfsspezialisierung

• größere Zahl von Beteiligten

• stärkere Neigung bzw. stärkerer Drang zur Rationalität

• längere Dauer der Kaufentscheidungsprozesse

Diese Faktoren führen auch zur einer stärkeren Bedeutung der Gruppenentscheidung. Durch

Studien (zB SPIEGEL-Verlag, Der Entscheidungsprozess bei Investitionsgütern, 1982) konnte

der Einfluss verschiedener Rollenbilder deutlich nachgewiesen werden. Bei dieser Studie

stellte sich heraus, dass bei Unternehmen mit mehr als 1000 MitarbeiterInnen

durchschnittlich 34 Personen in den Kaufprozess eingebunden waren.

Nachdem allen Beteiligten bestimmte Aufgaben zugeordnet sind, lassen sich verschiedene

Rollen erkennen. Diese Rollenbündel werden häufig als Buying Center6 bezeichnet.

Rollen bei gewerblichen Kaufentscheidungen nach Webster/Wind

5 A. Bänsch; Käuferverhalten; Oldenbourg Wissenschaftsverlag; 2002; S. 182

6 F. E. Webster, Y. Wind; Organizational Buying Behaviour; Englewood Cliffs; 1972

Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer

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Abbildung 7: A. Bänsch; Käuferverhalten; Oldenbourg Wissenschaftsverlag; 2002; S. 183

Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer

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Exkurs: Push- und Pull-Strategie – Industrie versus Handel

Achten Sie auf die Marke / Manner – Geiz

Aufraggeber: Österr. Verband der Markenartikelindustrie

Kreativagentur: Demner, Merlicek & Bergmann

Mediaagentur: Media 1

Jahr: 2006

Hintergrund der Kampagne (Quelle: Österreichischer Verband der Markenartikelindustrie, 2008)

Alle Kampagnen für den Österreichischen Markenartikelverband bauen auf den gemeinsamen

Anspruch "Achten Sie auf die Marke!". Auf Basis dieses Anspruchs werden seit 12 Jahren immer

wieder neue Anliegen für die Marke inszeniert. So hat die Kampagne vor einigen Jahren wirksam der

"Geiz ist geil"-Mentalität entgegengesteuert. Die Konsequenz, mit der die Initiative Innovation und

Qualität der Marken in den Blickpunkt rückt, ist sicher mit ein Grund dafür, dass der Anteil von

Handelsmarken in Österreich deutlich niedriger ist als in anderen Ländern, wie z.B. in Deutschland.

Laut Marktforschung haben zu Beginn der Initiative 12% der befragten Konsumenten aufgrund der

Kampagne vermehrt Markenartikel gekauft - zuletzt waren es über 45%. Und wie das GfK-

Konsumentenpanel zeigt, ist es sogar gelungen, über diese Kampagne Handelsmarkenkäufer wieder

für die Herstellermarke zurückzugewinnen. Nicht zuletzt zeigen sich auch positive Auswirkungen auf

die Marktsituation jener Marken, die die Kampagne mittragen.

Seit Jahren werden nach dem von Demner, Merlicek & Bergmann ursprünglich für den

Österreichischen Markenartikelverband entwickelten Prinzip auch in anderen Märkten derartige

Initiativen umgesetzt. Seit 8 Jahren führt der ungarische Verband jährlich eine

Gemeinschaftskampagne durch und für den französischen bereitet die Agentur die dritte Kampagne

vor.

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Aktuelle Kampagne „Achten Sie auf das Original: die Marke“

Rollenkonflikt Industrie und Handel

Der Handel war traditionell der Erfüllungsgehilfe der Hersteller gewesen. Durch Konzentration sowie

Professionalisierung der Betriebskonzepte wuchs jedoch im Laufe der 1970er Jahre ein gleichwertiger

Partner, wenn nicht gar überlegener Gegenspieler der Industrie heran. Dieser hielt nunmehr die Tür

zum Verbraucher offen (sogenannte Gatekeeper-Funktion). Außerdem machte der Handel den

Industrieunternehmen ihre Vormachtstellung bei der Entwicklung von Marken-Konzepten streitig,

indem er eigene Handelsmarken-Konzepte entwickelte.

Angesichts dieser bedrohlichen Entwicklung konnten die Hersteller ihr Marketing nicht mehr

ausschließlich an den Bedürfnissen der Endverbraucher ausrichten, sondern mussten auch die

Forderungen des Handels in ihre Überlegungen einbeziehen (sogenanntes Vertikales Marketing). Die

unweigerliche Konsequenz war das sogenannte „Push-and-Pull“-Marketing, bei dem der Hersteller

an zwei Hebeln ansetzt. Zum einen drückt er die Ware in den Absatzkanal, in dem er auf die Wünsche

und Vorstellungen des Handels eingeht und diesen spezielle Anreize bietet (Push-Effekt). Zum

anderen umwirbt er mittels stufenübergreifender Media Werbung den Endverbraucher und schafft

somit einen Nachfragesog, der den Handel zwingt, die Ware zu listen (Pull-Effekt).

Hersteller Handel Endverbraucher

Hersteller Handel Endverbraucher

Push

Marketingaktivitäten des

Herstellers

Push

Marketingaktivitäten des

Handels

Pull

Pull

Stufenübergreifende

Marketingaktivitäten des Herstellers

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Fallbeispiel

Clever (Diskontmarke der REWE Gruppe)

Industriemarke: SOLETTI (Kelly GmbH)

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Achten Sie auf die Kopie: Die Handelsmarke

©medianet

Der Boom der Handelsmarken lässt trotz Finanzkrise auf sich warten.14 Prozent beträgt 2008 laut

Nielsen der Eigenmarkenanteil im Lebensmittelhandel exklusive Hofer und Lidl

Wien/Wr. Neudorf/Salzburg. Ist die Eigenmarke eine Bedrohung für die klassische Marke

oder doch nur die kongeniale Ergänzung? Für den Präsidenten des Markenartikelverbandes,

Günter Thumser, ist die Entwicklung nahezu ausgereizt. Sie sollte über den derzeitigen

Umsatzanteil von unter 30% im heimischen LEH nicht hinausgehen. Deutsche Verhältnisse

mit 40%-Anteil sieht er nicht – eher ortet er da und dort Stagnation in der

Handelsmarkenentwicklung. „In den Kategorien, wo es starke Marken gibt, sind die

Handelsmarken nicht die Erfolgsträger“, behauptet Thumser und verweist erstens auf die nun

schon vier Jahre währende Stagnation bei den Handelsmarken im Wasch- und

Putzmittelbereich sowie auf die sogar deutliche Rückläufigkeit bei Schokolade.

Den positiven Signalen, die der MAV mittels neuer Kampagne unter dem Titel „Achten Sie

auf das Original: die Marke“ verstärken möchte, setzen allerdings die Händler Gewichtiges

entgegen: Die Edel-Bio-Marke der Rewe Ja! Natürlich absolviert heuer 15 erfolgreiche Jahre

und selbst die aus dem gleichen Haus stammende, preislich klar akzentuierte Handelsmarke

clever macht zum zehnjährigen Bestehen laut- und bildstark (TV Spots) auf sich aufmerksam.

clever-Verantwortliche Melissa Scherr: „clever ist in 150 Warengruppen vertreten und in

einigen ist clever stärkste oder zweitstärkste Marke.“ clever bietet überdies eine Geld-zurück-

Garantie – was bei einer Preiseinstiegsmarke zwar gewagt ist, aber letztlich den Unterschied

zur bis dato herausragenden Qualität der Marke weiter schwinden lässt. Conclusio: Wenn die

Preiseinstiegslage zusehends attraktiv wird, hat die klassische Marke zusehends ein Problem

(so sieht man es zumindest bei den Händlern mit starkem Eigenmarkenanteil).

Praktisch hat der klassische Markenartikel u.a. deswegen ein Problem, weil ihm mittlerweile

sogar der ursprüngliche USP – die Innovationskraft – dann und wann aus der Hand

genommen wird. Spar-Sprecherin Nicole Berkmann: „Ein Motiv, warum wir Eigenmarken

produzieren, ist, dass wir damit Innovationen auf den Markt bringen können, die der

Hersteller nicht so schnell realisieren kann.“

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Stetig, aber nicht schnell

Ergo, wenn man zum erfolgreich vollzogenen USP-Raub der Eigenmarke in puncto Qualität,

Werbung und Innovationskraft die Finanzkrise hinzunimmt, müsste sich für die Eigenmarke

ein Erfolgspfad auftun. Genau der lässt aber bislang auf sich warten. Laut Nielsen ist die

Eigenmarkenentwicklung zwar stetig, aber nicht behend. Zwischen den Polen ‚zweistelliger

Zuwachs bei clever‘ und dem vergleichsweise moderaten Anstieg des Anteils von 13,2 auf

14% im klassischen LEH liegt offenbar irgendwo eine strategische Wahrheit, die noch nicht

zur Welt gekommen ist.

Quelle: medianet Verlag AG (http://www.medianet.at/content19207-38.html, 06.02.09)