2
Die einfachste, schnellste und daher mit Abstand beliebteste Art der Ladungs- sicherung besteht darin, ein Fahrzeug zu beladen, den Fahrzeugaufbau zu schließen und ohne zusätzliche Maß- nahmen die Ladung sicher zu trans- portieren. „Das ist doch nichts Neues“, mag da der eine oder andere erwidern, „das mache ich doch schon lange so“. Allerdings liegen dabei die tägliche Pra- xis und die gesetzliche Anforderung oft weit auseinander. Besonders beim Transport von Geträn- ken, Altpapierballen und palettiertem Stückgut, wie z. B. Sackware oder Big- Bag´s, vertrauen viele Fahrer und Ver- lader ausschließlich auf die Stabilität des Fahrzeugaufbaus und das ohne zu wissen, welche Kräfte er wirklich auf- nehmen kann. Immer noch hört man Ar- gumente wie: „Der Aufbau ist so stabil, der hält die Ladung problemlos auf!“ Oder: „Jeder Gurt der Schiebeplane hält zwei Tonnen!“ Natürlich sind diese Argumente alt und vielen kommen sie schon abgedroschen vor, dennoch sind sie immer noch nicht ausgestorben und werden immer wieder geäußert – und das aus tiefster Überzeugung. In der Praxis wird somit oft nur mit Vermu- tungen argumentiert. Und viele gehen wie selbstverständlich davon aus, dass sie ihre Kurvengeschwindigkeit jeder- zeit im Griff haben. Klare Vorgabe Der Gesetzgeber hingegen verlangt im § 22 StVO, dass die Ladung auch in Extremsituationen wie Vollbremsun- gen, plötzlichen Ausweichmanövern und schlechter Wegstrecke sicher auf dem Fahrzeug gehalten werden kann. Aus Sicht der Ladungssicherung gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder ist der Fahrzeugaufbau in der Lage, eine Ladung zu sichern oder er ist es nicht. Wann aber ist ein Aufbau in der Lage die Kräfte aufzunehmen, die in diesen Extremsituationen wirken? Die Richtlinie VDI 2700 stellt bei uns die Basis der Ladungssicherung dar. Von den Fahrzeugaufbauten fordert sie, dass die Stirnwand, die Bordwände und die Rungen der Transportfahrzeu- ge ausreichend dimensioniert sind. Sie gibt dabei allerdings nicht vor, welchen konkreten Belastungen diese Bauteile standhalten müssen. Diese Vorgaben werden von der europäischen Kons- truktionsnorm DIN EN 12642 gemacht, die seit April 2002 für den Bau von Nutz- kraftwagen und Anhänger über 3,5 t zulässigem Gesamtgewicht (zGG) gilt. Die folgenden Belastungswerte müssen gemäß der DIN EN 12642 (Version 2002) als Prüfkriterium oh- ne bleibende Verformung erreicht werden: • Stirnwand 40% der Nutzlast, die maximal gefor- derte Prüfkraft liegt bei 5.000 daN • Rückwand 25% der Nutzlast, die maximal gefor- derte Prüfkraft liegt bei 3.100 daN • Seitenwand 30% der Nutzlast, dieser Wert gilt nicht für Curtainsider (Tautliner) Allerdings konnte für eine Art von Fahr- zeugaufbau keine seitliche Prüfkraft festgelegt werden und das ist der Cur- tainsider, auch Schiebeplanenaufbau oder Tautliner genannt. Das bedeutet, dass Standard-Curtain- sider mit seitlichen Schiebeplanen ihre Ladung zwar nach vorn und nach hin- ten, nicht aber zu den Seiten sichern können. Wenn man sich die Transport- fahrzeuge anschaut wird man aller- dings schnell feststellen, dass es sich bei der Mehrzahl der Sattelanhänger um solche Standard-Curtainsider han- delt. Das ist problematisch, denn bei vielen Unfällen ist festzustellen, dass diese ihre Ladung tatsächlich oft nicht halten können. Das Problem liegt aller- dings nicht nur an der Plane, sondern vielmehr darin, dass der gesamte Auf- bau – auch das Dach und die Rungen – nicht in der Lage sind, die Kräfte auf- zunehmen, die in Extremsituationen von der Ladung eingeleitet werden. Durch die Vorgaben der Straßenver- kehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) liegt die Verantwortung für den Einsatz 10 Berufskraftfahrer-Zeitung 03/07 Ladungssicherung Stabilität von Fahrzeugaufbauten Als Regel der Technik wird in diesem Beitrag mit der DIN EN 12642 eine europäische Norm vorgestellt, die die Stabilität der Fahrzeugaufbauten regelt. Diese Norm trat zum April 2002 in Deutschland in Kraft und wur- de zum Januar 2007 entscheidend verändert. Ein zertifizierter Aufbau ist in der Lage, bestimmte Ladung mit seinem Aufbau zu sichern. Belastbarkeit der Stirnwand und der Rückwand am Beispiel eines Sattelan- hängers Für die gesamte Höhe Belastbarkeit der Seitenwand am Bei- spiel eines Sattelanhängers mit einem Kofferaufbau Für Plane und Spriegel Für die Bordwand Belastbarkeit der Seitenwand am Bei- spiel eines Sattelanhängers mit einem Hamburger Verdeck Belastbarkeit der Seitenwand am Bei- spiel eines Sattelanhängers als Stan- dard-Curtainsider

Ladungssicherung Stabilität von · PDF fileDie einfachste, schnellste und daher mit Abstand beliebteste Art der Ladungs-sicherung besteht darin, ein Fahrzeug zu beladen, den Fahrzeugaufbau

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Ladungssicherung Stabilität von · PDF fileDie einfachste, schnellste und daher mit Abstand beliebteste Art der Ladungs-sicherung besteht darin, ein Fahrzeug zu beladen, den Fahrzeugaufbau

Die einfachste, schnellste und daher mitAbstand beliebteste Art der Ladungs-sicherung besteht darin, ein Fahrzeugzu beladen, den Fahrzeugaufbau zuschließen und ohne zusätzliche Maß-nahmen die Ladung sicher zu trans-portieren. „Das ist doch nichts Neues“,mag da der eine oder andere erwidern,„das mache ich doch schon lange so“.Allerdings liegen dabei die tägliche Pra-xis und die gesetzliche Anforderung oftweit auseinander.

Besonders beim Transport von Geträn-ken, Altpapierballen und palettiertemStückgut, wie z. B. Sackware oder Big-Bag´s, vertrauen viele Fahrer und Ver-lader ausschließlich auf die Stabilitätdes Fahrzeugaufbaus und das ohne zuwissen, welche Kräfte er wirklich auf-nehmen kann. Immer noch hört man Ar-gumente wie: „Der Aufbau ist so stabil,der hält die Ladung problemlos auf!“Oder: „Jeder Gurt der Schiebeplanehält zwei Tonnen!“ Natürlich sind dieseArgumente alt und vielen kommen sieschon abgedroschen vor, dennoch sindsie immer noch nicht ausgestorben undwerden immer wieder geäußert – unddas aus tiefster Überzeugung. In derPraxis wird somit oft nur mit Vermu-tungen argumentiert. Und viele gehenwie selbstverständlich davon aus, dasssie ihre Kurvengeschwindigkeit jeder-zeit im Griff haben.

Klare Vorgabe

Der Gesetzgeber hingegen verlangt im§ 22 StVO, dass die Ladung auch inExtremsituationen wie Vollbremsun-gen, plötzlichen Ausweichmanövernund schlechter Wegstrecke sicher aufdem Fahrzeug gehalten werden kann.Aus Sicht der Ladungssicherung gibtes nur zwei Möglichkeiten: Entwederist der Fahrzeugaufbau in der Lage,eine Ladung zu sichern oder er ist esnicht. Wann aber ist ein Aufbau in derLage die Kräfte aufzunehmen, die indiesen Extremsituationen wirken?

Die Richtlinie VDI 2700 stellt bei uns dieBasis der Ladungssicherung dar. Vonden Fahrzeugaufbauten fordert sie,dass die Stirnwand, die Bordwändeund die Rungen der Transportfahrzeu-ge ausreichend dimensioniert sind. Siegibt dabei allerdings nicht vor, welchenkonkreten Belastungen diese Bauteilestandhalten müssen. Diese Vorgabenwerden von der europäischen Kons-truktionsnorm DIN EN 12642 gemacht,die seit April 2002 für den Bau von Nutz-kraftwagen und Anhänger über 3,5 tzulässigem Gesamtgewicht (zGG) gilt.

Die folgenden Belastungswertemüssen gemäß der DIN EN 12642(Version 2002) als Prüfkriterium oh-ne bleibende Verformung erreichtwerden:

• Stirnwand 40% der Nutzlast,die maximal gefor-derte Prüfkraft liegtbei 5.000 daN

• Rückwand 25% der Nutzlast,die maximal gefor-derte Prüfkraft liegtbei 3.100 daN

• Seitenwand 30% der Nutzlast,dieser Wert gilt nichtfür Curtainsider (Tautliner)

Allerdings konnte für eine Art von Fahr-zeugaufbau keine seitliche Prüfkraftfestgelegt werden und das ist der Cur-tainsider, auch Schiebeplanenaufbauoder Tautliner genannt.

Das bedeutet, dass Standard-Curtain-sider mit seitlichen Schiebeplanen ihreLadung zwar nach vorn und nach hin-ten, nicht aber zu den Seiten sichernkönnen. Wenn man sich die Transport-fahrzeuge anschaut wird man aller-dings schnell feststellen, dass es sichbei der Mehrzahl der Sattelanhängerum solche Standard-Curtainsider han-delt. Das ist problematisch, denn beivielen Unfällen ist festzustellen, dassdiese ihre Ladung tatsächlich oft nichthalten können. Das Problem liegt aller-dings nicht nur an der Plane, sondernvielmehr darin, dass der gesamte Auf-bau – auch das Dach und die Rungen– nicht in der Lage sind, die Kräfte auf-zunehmen, die in Extremsituationenvon der Ladung eingeleitet werden.

Durch die Vorgaben der Straßenver-kehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO)liegt die Verantwortung für den Einsatz

10 Berufskraftfahrer-Zeitung 03/07

Ladungssicherung

Stabilität von FahrzeugaufbautenAls Regel der Technik wird in diesem Beitrag mit der DIN EN 12642 eineeuropäische Norm vorgestellt, die die Stabilität der Fahrzeugaufbautenregelt. Diese Norm trat zum April 2002 in Deutschland in Kraft und wur-de zum Januar 2007 entscheidend verändert.

Ein zertifizierter Aufbau ist in der Lage,bestimmte Ladung mit seinem Aufbauzu sichern.

Belastbarkeit der Stirnwand und derRückwand am Beispiel eines Sattelan-hängers

Für die gesamte Höhe

Belastbarkeit der Seitenwand am Bei-spiel eines Sattelanhängers mit einemKofferaufbau

Für Plane und Spriegel

Für die Bordwand

Belastbarkeit der Seitenwand am Bei-spiel eines Sattelanhängers mit einemHamburger Verdeck

Belastbarkeit der Seitenwand am Bei-spiel eines Sattelanhängers als Stan-dard-Curtainsider

10-11_LaSi_korr 06.03.2007 15:03 Uhr Seite 10

Page 2: Ladungssicherung Stabilität von · PDF fileDie einfachste, schnellste und daher mit Abstand beliebteste Art der Ladungs-sicherung besteht darin, ein Fahrzeug zu beladen, den Fahrzeugaufbau

des geeigneten Fahrzeugs zuerst ein-mal beim Fahrzeughalter.

§ 30 Absatz 1 StVZOBeschaffenheit der Fahrzeuge„Fahrzeuge müssen so gebaut undausgerüstet sein, dass1. ihr verkehrsüblicher Betrieb nie-

manden schädigt oder mehr alsunvermeidbar gefährdet, behin-dert oder belästigt,

2. die Insassen, insbesondere beiUnfällen, vor Verletzungen mög-lichst geschützt sind und das Aus-maß und die Folgen von Verlet-zungen möglichst gering bleiben.“

Bei einem Verstoß gegen diese Anfor-derung, wenn also ein ungeeignetesFahrzeug eingesetzt wird, kann gegenden Fahrzeughalter gemäß § 31 StV-ZO ein Bußgeld und Punkte im Ver-kehrszentralregister in Flensburg fest-gelegt werden.

§ 31 Absatz 2 StVZOVerantwortung für den Betriebder Fahrzeuge (Auszug)„Der Halter darf die Inbetriebnahmenicht anordnen oder zulassen, wennihm bekannt ist oder bekannt seinmuss, dass (...) die Ladung (...) nichtvorschriftsmäßig ist, oder dass dieVerkehrssicherheit des Fahrzeugsdurch die Ladung oder die Beset-zung leidet.“

Allerdings begeht auch der Fahrer einenVerstoß gegen die Ladungssicherungs-vorschrift aus § 22 StVO, denn er hatdie Ladung nicht nach den anerkann-ten Regeln der Technik gesichert. Die-se Ordnungswidrigkeit kann ebenfallsmit einem Bußgeld und Punkten imVerkehrszentralregister in Flensburggeahndet werden.

Die neue Version der DIN EN 12642 beschreibt auchden „verstärkten Aufbau“

Dieses Problem ist natürlich nicht neuund es wurde inzwischen sogar schongelöst. Viele Fahrzeugbauer bietenSattelanhänger mit einem verstärktenAufbau an. Diese Fahrzeuge entspre-chen einer Norm, die seit Januar 2007in Kraft ist, der DIN EN 12642 „CodeXL“.

Bei diesen verstärkten Aufbauten wur-den besonders folgende Bauteile ver-ändert:

• Steife Dachkonstruktion• Besonders stabile Stirnwand• Besonders feste Rungen• Palettenanschlag auf beiden Fahr-

zeugseiten• Aluminiumeinsteckprofile oder eine

besonders zertifizierten Plane

Die folgenden Belastungswertemüssen gemäß der DIN EN 12642„Code XL“ als Prüfkriterium ohnebleibende Verformung erreicht wer-den:• Stirnwand 50% der Nutzlast• Rückwand 30% der Nutzlast• Seitenwand 40% der Nutzlast

Die Prüfkräfte gemäß der DIN EN12642 „Code XL“ müssen auf 2/3 derAufbauhöhe aufgebracht werden undsie gelten für alle Arten von Aufbauten,auch für Curtainsider. Für die La-dungssicherung bedeutet das, dassdiese Fahrzeuge – auch Curtainsider –in der Lage sind, bestimmte Ladungen,die entsprechend formschlüssig verla-den wurden, nur mit der Stabilität ih-res Aufbaus zu sichern. Welche Art vonLadung das ist und wie sie verladenwerden muss, kann man einem Zerti-fikat entnehmen.

Um ein Zertifikat für seinen Sattelan-hänger zu erhalten, muss der Fahr-zeugbauer zuerst einmal mindestensein Fahrzeug dieses Baumustersdurch ein Prüfinstitut eingehend prü-fen lassen. Auf dieser – bestandenen

– Prüfung basiert dann ein individuel-les Zertifikat, das jedem ausgeliefer-ten Sattelanhänger mitgegeben wird.Es enthält die Fahrgestellnummer desFahrzeugs und die Güterart, die durchdiesen Aufbau gesichert werden kann.Weiterhin gibt es die Ladebedingun-gen, z. B. eine lückenlose Beladung,vor und legt fest, wie der Fahr-zeugaufbau ausgestattet sein muss.

Tipp: Kopie mitnehmen

Für die tägliche Praxis sollte sich eineKopie des Zertifikates im Fahrzeug be-finden, denn nur so kann dem Verladervor Ort seine berechtigte Frage nachder Geeignetheit des Fahrzeugaufbausausreichend beantwortet werden. Übri-gens läuft damit auch eine Verkehrs-kontrolle deutlich schneller ab.

Wer nun befürchtet, dass nur neu ge-kaufte Fahrzeuge diese Kriterien erfül-len, der kann beruhigt werden. VieleAufbauten können – zumindest wennsie nicht schon zu alt sind – nach-gerüstet werden. Auskünfte gibt derFahrzeugbauer.

Alfred Lampen

11Berufskraftfahrer-Zeitung 03/07

Ladungssicherung

Für 2/3 der Höhe

Belastbarkeit des verstärkten Fahrzeug-aufbaus “Code XL“ am Beispiel einesCurtainsiders

Dieses Dach ist durch Drahtseile ver-stärkt.

Die Seile stören nicht, denn sie könnenmit dem Dach zusammen aufgeschobenwerden.

Anstelle von Drahtseilen können auchtextile Gurte eingebaut sein.

10-11_LaSi_korr 06.03.2007 15:03 Uhr Seite 11